IFT, Institut für Therapieforschung, München Heinrich Küfner: Arzneimittelmissbrauch in Deutschland: Beschreibung des Problems und Trends 1 Überblick 1. Hohe Erwartungen an die Hilfe durch Arzneimittel 2. Arzneimittelmarkt als Rahmenmodell 3. Das Angebot bzw. der Verbrauch von Arzneimitteln in Deutschland (2001-2010) 4. Ausgewählte Grundlagen zum Arzneimittelmissbrauch 5. Ergebnisse von Repräsentativerhebungen in Deutschland 6. Ergebnisse zum Arzneimittelmissbrauch bei älteren Menschen 7. Zusammenfassende Folgerungen 2 Aktualität des Arzneimittelmissbrauchs •Der Arzneimittelmissbrauch wurde lange Zeit als die stille Sucht unterschätzt. •Ca. 1,9 Millionen Abhängige (Soyka et al., 2005), ältere Angaben von 1,5 Mill. aus (DHS). •Der Arzneimittelmarkt expandiert: Für alles und jedes werden Arzneimittel angeboten. Es werden auch ständig neue Arzneimittel entwickelt. Das Angebot ist riesig, man geht von ca. 53.000 zugelassenen bzw. registrierten Medikamenten aus. •Die Nachfrage steigt über die Behandlung von Krankheit und Schmerzfreiheit hinaus. • Eine der Folgen ist, dass die Verschreibung von Arzneimitteln und der Missbrauch einer ständigen Veränderung unterliegen. •Mit der Zunahme von Arzneimitteln, die einen psychoaktiven Einfluss haben, wächst auch die Gefahr eines Missbrauchs. 3 Folgerung • Wir brauchen ein verstärktes Wissen über den Gebrauch von Arzneimitteln, über die Gefahren des Missbrauchs und der Abhängigkeit und damit über den begrenzten Nutzen. • Dies betrifft nicht nur die Ärzte, sondern auch alle Berufsgruppen, die im Gesundheitsbereich tätig sind. • Bei den nicht-medizinischen Berufsgruppen besteht eine noch allzu große Zurückhaltung und Scheu vor diesem Thema, das man allzu gerne den Ärzten allein überlässt. • Um die Zusammenhänge einzuordnen ist auch eine Makroperspektive hilfreich (Soziale Erwartungen, Marktperspektive) 4 Zunehmende sozial vermittelte Erwartungen an Arzneimittel Die Erwartungen in der Gesellschaft an die positiven Wirkungen von Substanzen hat zugenommen und sind unrealistisch hoch. Mehr Fehltage mit psych. D. Doping im Leistungssport Definition von Erwart. von Gesundheit Gesundheit u. Wohlstand der WHO Zunahme an ÁM Zunahme an Leistungsanforderungen Erwartungen an AM Doping am Arbeitsplatz DAK, 2012 DAK, 2009 80% für Freigabe von Hirndoping bei Erwachs. (Maher, 2008) Zunahme an Wohlstand, Technik u. Wissen Versprechungen des Fortschritts der Bio-med. Wissenschaften Biol-techn. Krankheits- u. Gesundheitsmodell Unterschätzung der Komplexität Reduktion auf biolog. Nervenmodelle 5 Definition von Gesundheit der WHO WHO 1948. „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen ohne Unterschiede der Rasse, der Religion oder politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“ WHO 1986 „Grundlegende Bedingungen und konstituierende Momente von Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Öko-System, eine sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit.“ These: Hohe unrealistische Erwartungen an das Gesundheitssystem 6 Arzneimittelangebot und Medikamentenmissbrauch Jede Medikamenteneinnahme ist mit Nebenwirkungen verbunden (Störung der Homöostase, Stoffwechsel). Z.B.: Hirndoping steigert zwar kurzfristig Konzentration und Aufmerksamkeit, die biologischen Warnsignale für Müdigkeit werden übergangen. Mit zunehmenden Arzneimittelangebot steigt auch die Nachfrage und der Arzneimittelmissbrauch an, aber auch umgekehrt. Die Nachfrage nach Arzneimittel ist zum einen von individuellen Persönlichkeitsfaktoren und Krankheitsfaktoren abhängig. Zum anderen ist die Nachfrage auch abhängig von sozialen Erwartungen über Mittel und Wege, wie Gesundheit und Wohlbefinden hergestellt und aufrecht erhalten werden kann. 7 Arzneimittelmarkt in Deutschland EMA BMG European Medicines Agency Richtlinien BfArM Mediz. Organisat. Qualität Hersteller Robert Koch Institut Länderbehörden Arzneimittel Ärzte Kons ument Apothek. z.B DAK u.a. Forschungsinstitute RKI Leistungsträger Gesundheitsber. Andere Studien InternetAngebote 8 Grobeinteilung psychotroper Substanzen nach ihrer Wirkung • Es gibt 53.418 zugelassene Substanzen (BfArM 2010, zit. In Glaeske 2011) • Beschränkung auf psychoaktive Substanzen • Verschiedene Einteilungsgesichtpunkte Einteilung nach der basalen Wirkung (n. Rockstroh, 2001): • Sedierende (dämpfende) Substanzen (Sedativa, Hypnotika, Tranquilizer) • Stimulierende Substanzen (Analeptika), z.B. Amphetamine, Methylphenitat • Psychedelische Substanzen, z.B. LSD, bei denen es zu strukturellen Veränderungen von Wahrnehmung und Denken kommt 9 Einteilung von Arzneimitteln Für die medizinische Klassifikation: 1. Nach ihrem Anwendungsbereich (Arzneimittelgruppe), z.B. Schmerzmittel (Analgetika) 2. Nach der Wirkstoffgruppe, z.B. Benzodiazepine oder SerotoninWiederaufnahme-Hemmer 3. Nach dem Wirkstoff, z.B. Acetylsalizylsäure • • Keine Einteilung ist für alle Aufgaben geeignet, ein Wirkstoff kann für verschiedene Anwendungsbereiche geeignet sein. Es gibt Mischpräparate wie Schmerzmittel in Kombination mit Coffein. 4. International wird häufig die ACT-Klassifikation (Anatomical, Therapeutic and Chemical) der WHO verwendet. 10 Zuordnung der Handelspräparate und Wirkstoffe zu Wirkstoff-Gruppen und Arzneimittel-Gruppen HandelsName Wirkstoff WirkstoffGruppe ArzneimittelGruppe Valium® Diazepam Benzodiazepin Tranquilizer Aponal® Doxepin Trizykl. AD Antidepressiva 11 Die Entwicklung der Verordnung von Medikamenten 2001- 2010 • Die Anzahl der Verordnungen als DDD (defined daily dosage) der GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) bilden den Markt für die Entstehung von Missbrauch und Abhängigkeit. • Über die private Krankenversicherung gibt es keine so langjährigen Daten zum Verlauf. • Die für Missbrauch wichtigsten Gruppen: Analgetika, Psychopharmaka (Antidepressiva, Neuroleptika), Sedativa/Hypnotika Verordnungen von Analgetika: Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV (Bögel & Schmidt, 2011) Folgerung: Deutlicher Anstieg der Opioidanalgetika Verordnungen von Hypnotika/Sedativa 2001-2010: Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV (Lohse & Müller-Oerlinghausen, 2011) 120 Benzodiazepine 100 80 Zolpidem, Zoplicon, Zaleplon 60 Pflanzliche Präparate 40 20 0 Folgerung: Deutlicher Rückgang der pflanzlichen Produkte Sowie der Tranquilizer. Der Konsum von Z-Substanzen bleibt auf hohem Niveau. Verordnungen von Psychopharmaka 2001-2010: Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV (Lohse & Müller-Oerlinghausen, 2011) 1400 1200 1000 800 600 400 Tranquilantien Neuroleotika Antidepressiva Stimulanzien 200 0 Folgerungen: • Klarer Anstieg der Antidepressiva • Leichter Rückgang der Tranquillantien, • leichter Anstieg der Neuroleptika und der Stimulanzien Verordnungen von Antidepresiva 2001-2010: Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV (Lohse & Müller-Oerlinghausen, 2011) 600 SNRI 500 SSRI 400 300 Trizykl. AD 200 100 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Folgerungen: Klarer Anstieg der SSNRI (Selektive Serotonin- Wiederaufnahme –Hemmer) Wenig Veränderungen bei den trizyklischen A ntidepressiva Anstieg der SNRI (Serotonin- Noradrenalin- Wiederaufnahme Arzneimittelverbrauch und Alter (DDD je Versicherter in Altersgruppe, Coca & Nink,2010) 17 Alter und Medikamentenverordnungen (aus Gesundheitsreport BKK, 2011) Anteil der Versicherten mit der jeweil. Verordnung in % ATC- Gruppe A Alimentationssystem u. Stoffwechsel B Blut und blutbild. Organe C Kardiovaskuläres Syst. D Dermatika G Urogenital S. u. Sexualh H System. Hormonpräp. J Antiinfektionsmittel L Antineoplast. Immunmod. M M Muskel- u. Nervensystem N Nervensystem P Antiparasitäre Mittel R Respirationstrakt S Sinnesorgane V Varia Unter 20 J F M 20 bis unt. 65 F M 65+ F M 20,9 19,6 20,4 19,0 52,8 47,2 3,5 0,7 24,4 18,7 5,2 40,1 2,5 27,7 21,5 3,0 45,2 15,5 3,3 3,7 0,8 22,9 0,7 6,0 35,3 2,1 26,6 23,1 1,7 46,3 18,5 4,4 6,2 20,0 13,5 14,8 21,0 36,7 2,4 26,6 23,8 1,2 15,0 7,7 1,1 5,6 23,2 10,4 2,0 8,0 27,0 1,3 26,5 16,9 0,6 11,7 6,2 1,0 25,8 84,1 20,0 15,3 33,9 33,7 4,2 46,5 50,4 1,1 18,5 19,2 0,7 32,3 81,6 20,7 19,1 17,1 29,3 4,7 42,3 35,2 0,8 18,9 17,2 0,8 18 Grudlagen des Missbrauchs und der Abhängigkeit Arzneimittelgruppen Wirkungsdimensionen Das Suchtpotenzial Definitionskriterien von Missbrauch und Abhängigkeit Grundphänomene der Sucht Grundbegriffe der Pharmakologie Folgen des Arzneimittelbrauchs Niedrigdosisabhängigkeit 19 Suchtpotenzial von psychoaktiven Substanzen Psychoaktive Substanzen werden in solche mit und ohne Suchtpotenzial differenziert: Beispiel: Opiate z.B. versus Antidepressiva, Neuroleptika Suchtpotenzial als Substanzeigenschaft ist abhängig von: • Positive, euphorisierende Wirkung • Schnelligkeit des Wirkungseintritts (auch Anwendungsart wichtig, nasal, Spritzen i.V.) • Intensität der Wirkung • Wirkungsbreite • Wenig Nebenwirkungen 20 Epidemiologische Ergebnisse zum Medikamentenkonsum und Missbrauch • Vergleich verschiedener Substanzen • Dabei sollten auch die Schwierigkeiten der Erfassung und die unterschiedlichen Kriterien deutlich werden. 21 Epidemiologischer Suchtsurvey, ESA 2009 (Kraus & Pabst (Hrsg.) 2010) Erfasste Medikamente: Schmerz-, Schlaf-, Beruhigungs- und Anregungsmittel, Appetitzügler, Antidepressiva und Neuroleptika) 22 Prävalenz des Substanzmissbrauchs in Deutschlandof (Repräsentativstudie in 2000, Augustin et al 2005) Altersgruppe 18-69; Hochrechnung von den 59-Jährigen auf die 60-69Jährigen für Konsummuster, alle anderen Schätzungen beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung >30g für M >20g für F 2,1 % 2,3% 23 Medikamenteneinnahme in den letzten 12 Monaten (ESA, 2006, Rösner et al., 2008) Anwendungsgruppe Gesamt Männer Frauen Schmerzmittel Schlafmittel Beruhigungsm. Anregungsmit. Appetitzügler Antidepressiva Neuroleptika 60,8 5,2 5,1 0,5 0,7 4,3 1,1 53,4 4,5 4,5 0,7 0,5 3,1 1,4 68,3 6,0 5,7 0,4 0,8 5,6 0,8 Mind. 1 Med. 64,1 57,1 71,3 24 Medikamenteneinnahme in den letzten 30 Tagen (ESA, 2006, Rösner et al., 2008) Anwendungsgruppe Gesamt Männer Frauen Schmerzmittel Schlafmittel Beruhigungsm. Anregungsmit. Appetitzügler Antidepressiva Neuroleptika 12,6 2,0 2,0 0,2 0,2 3,2 0,8 10,8 1,6 1,8 0,3 0,2 2,4 1,1 14,4 2,3 2,2 0,2 0,2 4,0 0,6 Mind. 1 Med. 16,8 14,5 19,1 25 Problematische Medikamenteneinnahme, letzte 12 Monate (ESA, 2006, Rösner et al 2008) Repräsentative Bevölkerungsstichprobe 18-64 jährige Gesamt Männer Frauen Gesamtstichprobe KFM >4 7473 4,7% 3334 4,0% 4139 5,6% Konsumenten KFM >4 5014 7,0% 1928 6,3% 3086 7,5% KFM: Kurzfragebogen für Medikamentenmissbrauch, (Watzl et al, 1991) 26 Definition von Missbrauch von Arzneimitteln • Missbrauch (1) im weiteren Sinn: Definiert durch ein Überwiegen von Schaden im Vergleich zum Nutzen • Missbrauch (2) definiert durch einen bestimmungsgemäßen Gebrauch d.h. durch die medizinische Indikation für das Medikament • Missbrauch (3) umfasst auch die beiden Suchtdiagnosen schädlichen Gebrauch und Abhängigkeit • In der Entwurfsfassung der neuen DSM-V wird Missbrauch und Abhängigkeit als eine Dimension gesehen und die Kategorien zusammengelegt. 27 Diagnostische Kriterien Schädlicher Gebrauch (nach ICD-10) Konsumverhalten, das zu einer Schädigung führt (körperliche oder psychische Störung) Missbrauch (DHS, 1987) qualitativ (zu einem anderen Zweck als medizinisch indiziert) Quantitativ (mehr als vom Arzt verordnet, über längere Zeit, z.B. Benzodizepine nicht länger als 8 Wochen ) 28 Kriterien für Abhängigkeit nach ICD-10 ICD-10 Kriterien für Abhängigkeit (3 von 6) (1) Nachweis einer Toleranzentwicklung (gesteigerte Drogenaufnahme bei gleicher Wirkung) (2) Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums (3) Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums (unzureichende Kontrolle) (4) Ein starker Wunsch, oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren (Suchtverlangen) (5) Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zu Gunsten des Substanzkonsums (Einengung des Verhaltens auf den Substanzkonsum) (6) Anhaltender Substanzkonsum trotz ein-deutig schädlicher Folgen, im körperlichen, psychischen oder sozialen Bereich. 29 Ergänzung zu den Entzugserscheinungen • Der Organismus versucht sich innerhalb bestimmter Grenzen an jede Substanz anzupassen, d.h. durch eine Gegenregulation gegen die Veränderungen durch die zugeführte Substanz wird versucht ein Gleichgewicht (Homöostase) verschiedener körperlicher Werte wie z.B. Blutzucker, Blutdruck, erregende u. hemmende Transmitter im ZNS u.a. aufrecht zu erhalten. • Bei Absetzen der Substanz wird die Gegenregulation sichtbar, z.B. Übererregung bei dämpfenden Substanzen. • Bei Substanzen mit Suchtpotenzial spricht man von Entzugserscheinungen, bei solchen ohne Suchtpotenzial von Absetzerscheinungen (wichtig für die Einordnung von Antidepressiva) 30 Niedrigdosisabhängigkeit • Erwartet wird für eine Abhängigkeitsentwicklung, dass die Patienten eine hohe Dosis bzw. einen häufigen Konsum aufweisen. • Das ist bei einer sog. Niedrig-Dosisabhängigkeit nicht der Fall (z.B bei Benzodiazepinen bekannt). - Therapeutische Dosierung - keine Dosissteigerung - Erst beim Absetzen bemerkbar - Interpretation: Primär Vermitteln von Sicherheit 31 Die wichtigsten psychoaktiven Substanzgruppen • Schmerzmittel (Analgetika) • Schlafmittel (Hypnotika) und Sedativa • Beruhigungsmittel (Tranquilizer, Tranquillantien) • Anregungsmittel (Stimulanzien) • Antidepressiva • Neuroleptika • Appetitzügler 32 Grundbegriffe der Pharmakologie • Für die Wirkung ist wichtig, wie schnell die Substanz über den Magen-Darm -Trakt ins Blut aufgenommen wird (Resoprtion). • Die Bluthirnschranke lässt nur bestimmte Substanzen durch für das ZNS. • Dosis-Wirkungskurve: gibt an, bei welcher Dosis welche Wirkung erreicht wird. - Wann wird die stärkste Konzentration und Wirkung erreicht (Resorption)? – Wie lange hält die Wirkung an? • Eliminationsphase: Nach welcher Zeit ist die Hälfte der Substanz wieder ausgeschieden? (Abbau der Substanz in Leber und Niere) • Nachweis der Wirkung durch Doppelblindstudien im Vergleich mit einem Placebo und Randomisierung der Patienten • Jede Substanz hat auch Nebenwirkungen; deshalb ist oft ein Abwägungsprozess von Nutzen und Schaden erforderlich. • Wirkungsmechanismus: Wo setzt die Wirkung biochemisch bzw. physiologisch an: z.B. Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin an den Synapsen • Menge von Arzneimitteln erfasst als DDD (Defined Daily Dosis) für statistische Zwecke (z.B. dem Verkauf von Medikamenten: durchschnittliche Dosis für einen Erwachsenen mit Hauptindikation für dieses Medikament. 33 Folgen (I) Typische Trias für Medikamentenabhängigkeit Aus Leitfaden Medikamentenabhängigkeit für Ärzte, 2007: • Affektive Indifferenz: Verflachung, dysphorisch-depressive Stimmung • Kognitive und Gedächtnisdefizite: Konzentrationsstörungen, Erinnerungsausfälle, Verwirrtheit • Körperliche Schwäche: Gang- und Sprachstörungen, Zeichen der Verwahrlosung 34 Folgen des Arzneimittelmissbrauchs (II) • Benzodiazepine (außer Abhängigkeitsentwicklung): - Einschränkung von Gedächtnis- und Merkfähigkeit - Muskelschwäche und Konzentrationsstörungen (Sturz- und Unfallrisiko) - Gefühlsverflachung - Schlafstörungen - Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit • Analgetika: - Nierenschäden 35 Opiate (Opioide) - Gewöhnung, körperliche u. psychische Abhängigkeit -Trend zum Missbrauch von Tramadol (Missbrauch mit Privatrezepten) und Tilidin (Glaeske, 2011). Stimulantien - Psychische Abhängigkeit - Psychotische Reaktionen - Auszehrung bei länger dauernder Einnahme 36 Fallbeispiel • Patientin, 39 Jahre, Hauptdiagnose Alkoholabhängigkeit • Patientin konsumiert seit zwei Jahren täglich Valium® kombiniert mit Alkohol vor dem Einschlafen und bei Bedarf zur Beruhigung. • Durch Einnahme des Medikaments konnte die Patientin ihren Alkoholkonsum erheblich reduzieren • Das Medikament wird der Patienten aufgrund ihrer Einschlafstörung ärztlich verordnet. • Patientin berichtet, dass die Einnahme kontrolliert erfolgt und kein craving vorliegt. Bei den ärztlichen Untersuchungen haben sich zudem keine Hinweise auf körperliche Schädigungen ergeben. • Im Laufe der Jahre musste die Dosis kontinuierlich erhöht werden. Bei Absetzversuchen reagiert die Patienten mit heftigen Entzugserscheinungen. 37 Fallbeispiel 1: Kriterien des Abhängigkeitssyndroms • Abhängigkeitssyndrom Toleranzentwicklung Entzugssyndrom Einengung, Vernachlässigung wichtiger Interessen Qualitativer Missbrauch Wirkungspotenzierung 38 Fallbeispiel 2 • • • • Patient, 55 Jahre, Hauptdiagnose Alkoholabhängigkeit Nimmt seit zwei Jahren wegen einer rheumatoiden Arthritis Schmerzmittel ein Nach einer Verschlechterung seines Zustands im Vorjahr musste die Dosis erhöht werden. • Entzugssymptome sind nicht aufgetreten. • Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung durch den behandelnden Arzt haben sich bislang keine Hinweise auf körperliche Schädigungen durch das Analgetikum ergeben. 39 Fallbeispiel 2: Kriterien des Abhängigkeitssyndroms Es liegen keine Anzeichen eines schädlichen Gebrauchs, einer Abhängigkeit oder eines qualitativen und quantitativen Missbrauchs vor. Es handelt sich um einen regulären Arzneimittelkonsum. 40 Überwachung der Arzneimittelsicherheit • Ärzte melden Probleme und Nebenwirkungen an das BfArM. • Arzneimittel Report jährlich (Schwabe & Paffrath) • Es gibt Monitoring Systeme für den psychiatrischen Bereich. • Im Bereich der Suchtberatungsstellen: PHAR-MON • Norddeutscher Medikamenten-Monitor (Holzbach et al 2010): Auswertung von Apothekenddaten, Umrechnung in Diazepam-Äquivalente Mengenangaben • Liste von Medikamenten, die für alte Menschen nicht geeignet sind (PRISCUS-Liste, Holt et al, 2010, Siebert et al, 2012) 41 Arzneimittelmissbrauch bei älteren Menschen Mit dem Alter kommt es zu anderen Reaktionen des Organismus auf Arzneimittel: • Multimorbidität: durch mehrfache Erkrankung gleichzeitig umfangreichere Medikation • Geringere Abbauraten der Substanzen in der Niere • Höher Empfindlichkeit auf anticholinerge (erhöhter Pulsschlag, Mundtrockenheit, Obstipation u.a.) und sedierende Effekte • Verändert Pharmakokinetik (Stoffwechsel) und Pharmakodynamik (Wirkungen) 42 Ergebnisse aus verschiedenen Studien Berliner Altersstudie BASE (Helmchen et al., 1996): Bei über 69-Jährigen 0,5% mit Medikamentenabhängigkeit In einer neueren Berliner Studie (Gärtner et al. 2011): 0,3% mit Medikamenenabhängigkeit. In Altenheimen geht man meist von einer höheren Quote aus. Studie von Wetterling & Schneider (2012): Von 1266 Aufnahmen in eine geriatrische Klinik wiesen 8,7% (110) einen Medikamentenmissbrauch auf (bezogen auf 81 Fälle). Darunter: Benzodiazepin-Missbrauch: 65,1% Missbrauch von Non-Benzodiazepin Schlafmittel: 17,4% Analgetika-Missbrauch: 10,9% Laxantien Abusus 1,8% Mehrfachabhängig 6,4% 43 Weitere Ergebnisse der Studie von Wetterling & Schneider 2012 Bei 85,5% Psychiatrische Komorbidität: fast die Hälfte (49,1%) mit affektiven Störungen, 41,8% mit einer kognitiven bzw. organisch bedingten Störung, Angst u. Anpassungsstörungen bei 15,5%, weiter Abhängigkeit bei 15,5%. Diese Ergebnisse sind beschränkt auf gerontopsychiatrische Patientenaufnahmen und lassen sich verallgemeinern. Die Dominanz des Benzodiazpin Missbrauchs findet sich auch bei anderen Unersuchungsgruppen. 44 PRISCUS-List (Holt et al 2010) Liste von Medikamenten , die bei älteren Menschen problematisch sind und nicht eingesetzt oder hinsichtl. der Dosis angepasst werden sollen (PIM, potential inadaquate M). 83 Arzneimittel wurden nach Literaturrecherchen und Delphi Verfahren und ähnlichen internationalen Listen als potentiell inadäquat für ältere Menschen eingeschätzt. Bei 46 ergab sich keine Einigung (Holt et al 2010). Beispiel für Aufbau Arznei mittel Wesentl. Bedenken Theapiealternativen OpioidAnagetika Pathidin erhöhtes Risiko für Delir und Stürze Paracetamol andere Opioide mit gering. Delir Risiko 45 Arzneimittelmissbrauch bei älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen (Kuhn & Haasen, 2012) Repräsentative Befragung von 20% aller ambulanten u. stat. Pflegeeinrichtungen in Deutschland (Okt. 2008) 5000 zufällig ausgewählte Einrichtungen (von 12.446 amb. und 9.738 stat. Einrichtungen) Rücklauf: N=1002, (20%), 550 stat., 436 ambulante E. Frauenanteil 70,5% stat. bzw. 72,9% amb. Medikamentenmissbrauch/probleme Einschätz. Pflegepers. Ärztl. Diagnose Alle E. 8,97% 2,59% N=726 Stat. E. 6,78% 2,0% N=406 Amb. E. 11,75% 3,34% N=320 46 Reaktion der Einrichtungen auf das Erkennen eines Suchtproblems 120 100 80 60 40 20 0 8785,4 9792,3 80,876,1 19,218,6 stationär ambulsnte 47 Folgerungen, Ausblick (I) • Die Erwartungen der Gesellschaft und der einzelnen Beteiligten an die Allmacht von Arzneimittel ist enorm. • In den letzten 10 Jahren ist vor allem der Konsum von Antidepressiva stark angestiegen. • Im Mittelpunkt des Missbrauchs stehen nach wie vor Benzodiazepine. • Auch die Benzodiazepin-Analoga (z.B. Zolpidem) zeigen zunehmend ein Suchtpotenzial. • Der Missbrauch von Antidepressiva hält sich jedoch in Grenzen. • Bezugsquelle für Medikamente ist hauptsächlich der Arzt 48 Folgerungen, Ausblick (II) • Es gibt keine spektakulären psychoaktiven Substanzen. Die Suche nach einer psychoaktiven, schnell wirkenden Substanz ohne Suchtpotenzial und anderen Nebenwirkungen geht weiter, ist aber eine Illusion. • Der Umgang mit Arzneimitteln einschließlich Dopingmittel zur Leistungssteigerung geht alle an, insbesondere alle Berufsgruppen im Gesundheitsbereich. • Mit dem Alter steigt der Medikamentenkonsum deutlich an. Ältere Menschen weisen eine vielfältigen größeren Gebrauch von Medikamenten auf. • Der Organismus ältere Menschen reagiert auf eine Reihe von Substanzen empfindlicher. Und mit größeren negativen Folgen Deshalb gibt es spezielle Listen mit problematischen Substanzen für ältere Menschen (PRISCUS-Liste). 49 50 Literatur Schwabe & Paffrath (2008): Arzneimittelverordnungs-Report Rösner et al (2008): Gebrauch und Missbrauch von Medikamenten. Ergebnisse des epidemiologischen Suchtsurveys 2006 Laux et al (2000): Pharmakopsychiatrie Küfner & Rösner (2008). Monitoring des Arzneimittelmissbrauchs bei Klienten in ambulanten Suchtberatungsstellen (PHAR-MON, ehemals ebis-med) Robert Koch Institut: Gesundheitssurvey (fortlaufend) Poser & Poser (1996): Medikamente- Missbrauch und Abhängigkeit Schmidt et al (2006): Evidenzbasierte Suchtmedizin. Behandlungsleitlinie Substanzbezogene Störungen DHS: Jahrbuch Sucht (fortlaufend) 51 Häufigkeit einzelner Wirkstoffe nach Bezugsquellen Bezugsquelle N Rang 1 % Rang 2 % Rang 3 % ärztlich verordnet 268 Diazepam 19,0 Doxepin 6,3 Tramadol 4,5 BTM-Verordnung 19 Methadon 31,6 Levomethadon 15,8 Buprenorphin 15,8 Mehrfachverordnung 75 Diazepam 44,0 Tramadol 6,7 Bromazepam 4,0 grauer Markt 89 Diazepam 32,6 Flunitrazepam 18,0 Buprenorphin 6,7 sonst. illegaler Bezug 183 Diazepam 48,1 Flunitrazepam 23,0 Buprenorphin 8,7 rezeptfrei 27 Paracetamol 11,1 Acetylsalicylsäure 7,4 Dimenhydrinat 7,4 gesamt 661 52 Hauptdiagnoseverteilung der Responder- und NonResponder-Einrichtungen sowie der Suchthilfestatistik 70,0 58,9 58,2 60,0 50,0 40,0 Alkohol illegale Drogen Sedativa/ Hypnotika sonstige 35,2 34,9 30,0 20,0 10,0 6,0 5,7 Effektstärke: w = .0009 0,0 Referenzstichprobe Responder 53 Ergebnisse: Anzahl der Nennungen von Arzneimittelmissbrauch Nennungen Gesamt 629 Nicht identifizierbar 31 Fälle reg. Substitution 80 Personen 500 24 80 Bereinigte Stichprobe 518 390 54 Hauptdiagnoseverteilung von Referenzstichprobe und Suchthilfestatistik 70 60,9 58,9 60 50 Alkohol 40 33,3 illegale Drogen 34,9 Sedativa/ Hypnotika 30 sonstige 20 10 5,0 5,7 Effektstärke: w = .02 0 Suchthilfeststistik Referenzstichprobe 55 Methodik (III) • Ebene 1: Einrichtungen der ambulanten Suchtkrankenhilfe in Deutschland: nicht genauer bekannt ↓ • Ebene 2: Ambulante Einrichtungen der Deutschen Suchthilfestatistik (ca. 1.000) ↓ • Ebene 3: mit EBIS dokumentierende Beratungsstellen ↓ • Ebene 4: ebis-med Referenzeinrichtungen ↓ • Ebene 5: ebis-med Referenzeinrichtungen mit Datenrückmeldung 56 Methodik (IV) Qualitätskriterien für die Daten von ebis-med a) Repräsentativität der Suchtberatungsstellen b) Sensibilität für Arzneimittelmissbrauch c) Ausschöpfung der Abhängigkeitsdiagnosen „Medikamentenabhängigkeit“ 57 Neuer ebis-med Medikamentenbogen Inhalte des ebis-med Medikamentenbogens · Handelsname · Tagesdosis pro Einnahmetag · ICD-Abhängigkeits- und Missbrauchskriterien Bezugsformen · überwiegende Bezugsform · Präparatform · Applikationsform · Anzahl der Konsumtage im letzten Monat · Dauer des problematischen Gebrauchs · Dauer der aktuellen Konsumphase · Kombinierter Gebrauch mit psychotropen Substanzen · Präparatpräferenz · Dosissteigerung · Einnahmegrund 58 Verteilung der Hauptdiagnosen dokumentierter Fälle seit dem Jahr 2000 Hauptdiagnose 2000 2001 2002 2002 2002 Alkohol 40,7 36,7 36,2 25,7 36,3 Illegale Drogen 32,6 44,2 47,5 65,3 52,5 Sedativa/Hyp. 16,9 10,6 36,2 36,2 36,2 sonstige 9,9 8,5 25,7 25,7 25,7 gesamt 100,0 100,0 36,3 36,3 36,3 59 Wirkstoffe mit stärkster Veränderung im Vergleich zum Vorjahr Hauptdiagnose 2000 2001 2002 2003 2004 Differenz * n % n % n % n % n % n % Diclofenac 1 0,9 2 2,0 1 0,9 0 0,0 4 2,5 4 2,5 Diazepam 22 19,6 5 5,0 18 15,5 18 10,3 20 12,4 2 2,1 Oxazepam 0 0,0 0 0,0 2 1,7 4 2,3 7 4,3 3 2,1 Pentazocin 0 0,0 0 0,0 0 0,0 3 1,7 0 0,0 -3 -1,7 Bromazepam 6 5,4 5 5,0 0 0,0 6 3,4 2 1,2 -4 -2,2 Clomethiazol 4 3,6 4 4,0 4 3,4 12 6,9 6 3,7 -6 -3,1 Buprenorphin 0 0,0 0 0,0 4 4,3 11 2,3 18 8,0 7 5,7 Methadon 5 4,7 21 17,1 2 2,1 17 3,6 16 7,1 -1 3,6 Bromazepam 6 5,6 0 0,0 2 2,1 2 0,4 6 2,7 4 2,3 Haloperidol 0 0,0 0 0,0 0 0,0 10 2,1 1 0,4 -9 -1,7 Flurazepam 0 0,0 0 0,0 0 0,0 12 2,5 1 0,4 -11 -2,1 Flunitrazepam 37 34,6 24 19,5 29 30,9 145 30,5 44 19,6 -101 -10,8 Diazepam 14 36,8 3 10,3 7 20,6 10 17,5 11 26,8 1 9,3 Bromazepam 1 2,6 2 6,9 4 11,8 5 8,8 6 14,6 1 5,9 Flunitrazepam 1 2,6 6 20,7 2 5,9 1 1,8 3 7,3 2 5,6 Lorazepam 0 0,0 4 13,8 2 5,9 4 7,0 1 2,4 -3 -4,6 Doxepin 3 7,9 1 3,4 3 8,8 3 5,3 0 0,0 -3 -5,3 Zopiclon 0 0,0 0 0,0 0 0,0 4 7,0 0 0,0 -4 -7,0 Alkohol Opioide Sedativa 60 F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen Es gibt keine zusammenfassende Diagnose Arzneimittelmissbrauch: • F10 Störungen durch Alkohol • F11 Störungen durch Opioide • F12 Störungen durch Cannabinoide • F13 Störungen durch Sedativa und Hypnotika • F14 Störungen durch Kokain • F15 Störungen durch andere Stimulantien • F16 Störungen durch Halluzinogene • F17 Störungen durch Tabak • F18 Flüchtige Lösungsmittel • F19 Störung durch multiplen Substanzmissbruch 61 Geschlechtsverteilung der Klienten gesamt Geschlecht Arzneimittel missbrauch Chancenverhältnis (Odds Ratio) N % N % OR 95% Konfidenzintervall p Männer 4082 75,1 290 73,2 0,90 0,72 1,14 p > 0,05 Frauen 1351 24,9 106 26,8 1,10 0,87 1,39 p > 0,05 gesamt 5433 100,0 396 100,0 62 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren • F50 Essstörungen • F51 Nichtorganische Schlafstörungen • F52 Sexuelle Funktionsstörungen • F53 psychische Verhaltensstörung im Wochenbett • F54 psychische Verhaltensstörung bei andernorts klassifizierten Erkrankungen • F55 Missbrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen 63 Der Arzneimittelmarkt als Bezugsrahmen für Arzneimittelmissbrauch Gesellschaftl. Zielvorgaben Gesundheit: (1) Therapie von Krankheiten (2) Prävention (3) Sorge für Wohlbefinden und max. Leistungsfähigkeit Arzneimittelhersteller Europ. Behörden National-staatl. Einricht. Angebot national UN-Organisationen Grundannahm. med. Wissenschaften Medizin. System Leistungsträger, Versorgungseinr., Ärzte Patient/Verbrauch er/Konsument Angebot internation. Sport/Freizeit Betriebe 64 ebis-med Fragebogen Erfaßt wird nicht-bestimmungsgemäßer Konsum von Medikamenten (Mißbrauch oder schädlicher Gebrauch oder Abhängigkeit) durch Klienten innerhalb der letzten 6 Monate. Kriterien in ICD 10, Kapitel V, Abschnitt F1 und DHS-Definitionen (1987). M2. Dosierung (nur für Tabletten) Menge Wirkstoffkonzentration Stück pro Einnahmetag mg pro Tablette M1. Name Medikament 1: M1. Name Medikament 2: M1. Name Medikament 3: M1. Name Medikament 4: M1. Name Medikament 5: M1. Name Medikament 6: M3. Missbrauchskriterien Mehrfachangaben 1=nein, 2=ja 1 Craving 2 Kontrollverlust Bitte alle zutreffenden Missbrauchskriterien mit 2 codieren. 3 Körperliche Entzugssymptome 4 Toleranzentwicklung 5 Vernachlässigung anderer Interessen 6 Gebrauch trotz Schädigung 7 Körperliche oder psychische Schädigung 8 Zweckentfremdung der Substanz 9 Überschreitung der Höchstdosis 10 Überschreitung der Einnahmedauer 11 Sonstige Missbrauchskriterien 65 Ziele und Aufgaben von PHAR-MON (II) Eventuelle Folgerungen und Empfehlungen aus den Ergebnissen • Folgerungen für die Beratungsstellen: zur Qualitätssicherung der Dokumentation, aber auch der Behandlung • Veränderung von Vorschriften und Regeln zur Verschreibung von Arzneimitteln (BtMVV) • Zur Ergänzung und Verbesserung der Patienteninformationen (z.B. über das Abhängigkeitspotenzial einzelner Substanzen) • Zur Regulierung des Marktes von Arzneimitteln einschließlich des schwarzen und grauen Marktes • Zur Überprüfung der eingeführten Maßnahmen gegen Missbrauch 66 Häufigste Arzneimittelgruppen, Wirkstoffgruppen und Wirkstoffe innerhalb der Hauptdiagnosegruppe Alkohol Arzneimittelgruppe / Wirkstoffgruppe/ Wirkstoff Tranquilizer Benzodiazepine Diazepam Oxazepam Lorazepam Alprazolam Bromazepam Chlordiazepoxid Medazepam Dikaliumchlorazepat n % 41 41 20 7 5 3 2 1 1 2 25,5 25,5 12,4 4,3 3,1 1,9 1,2 0,6 0,6 1,2 Arzneimittelgruppe / Wirkstoffgruppe/ Wirkstoff n Antidepressiva 23 Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva 16 Doxepin 8 5,0 Trimipramin 3 1,9 Mirtazapin 2 1,2 Opipramol 2 1,2 Amitriptylin 1 0,6 SSRI 6 3,7 Citalopram 4 2,5 Escitalopram 1 0,6 Paroxetin 1 0,6 Pflanzliche Antidepressiva 1 0,6 Johanniskraut 1 Arzneimittelgruppe/ Wirkst.gruppe/ Wirkst. n % Analgetika 14,3 23 14,3 Opioide 9,9 9 5,6 Tramadol 5 3,1 Tilidin 4 2,5 Aminophenole 4 2,5 Paracetamol 4 2,5 Arylessigsäuren 4 2,5 Diclofenac 4 2,5 Arylpropionsäuren 2 1,2 Dexibuprofen 1 0,6 Naproxen 1 0,6 Salicylate 2 1,2 Acetylsalicylsäure 2 1,2 Coxibe 1 0,6 Rofecoxib 1 0,6 Pyrazolone 1 0,6 Propyphenazon 1 0,6 % 0,6 67 Hauptdiagnoseverteilung der Klienten gesamt Arzneimittelmissbrauch Chancenverhältnis (Odds Ratio) N % N % OR 95% KI Alkohol 2946 54,2 136 34,3 0,44 0,35 0,55 p<0,0001 Illegale Drogen 1784 32,8 197 49,7 2,02 1,65 2,48 p<0,0001 Sedativa 28 0,5 28 7,3 14,7 8,7 24,9 p<0,0001 sonstige 305 5,6 13 3,3 0,57 0,32 1 p < 0,1 missing 370 6,8 21 5,3 0,77 0,49 1,2 p < 0,3 Hauptdiagnose p 68 Bezugsformen missbräuchlich verwendeter Arzneimittel 41,4 ärztlich verordnet 20,6 61,9 sonst. Illeagler Bezug Sedativa 19,0 47,1 Opioide 6,7 Alkohol 20,7 Mehrfachverordnung 11,4 11,9 10,3 15,0 10,3 grauer Markt 3,4 1,6 7,7 rezeptfrei 5,2 4,2 1,5 ärztlich verordnet (BTM) 0 20 40 60 80 69 Häufigkeiten eines kombinierten Substanzkonsums HauptdiagnoseGruppe: Sedativa 92,5 Opioide 82,6 Alkohol 54,7 0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 (verschiedene Arzneimittel oder Arzneimittel+Drogen/Alkohol) 70 Konsumfrequenz nach Hauptdiagnosen 47,2 täglich 41,9 41,7 regelmäßig 59,8 Sedativa 55,4 Opioide 32,4 gelegentlich 2,7 Alkohol 11,1 7,8 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0 71 Durchschnittliche Dauer der aktuellen Konsumphase 33,3 30,1 über 2 Jahre 51,2 Sedativa 22,2 5 Mon. bis 2 Jahre 32,1 Opioide 23,3 Alkohol 44,4 37,8 1 - 4 Monate 25,6 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 72 Alter bei Erstkonsum 94,7 > 25 Jahre 82,1 95,7 Sedativa Opioide Alkohol 5,3 < 25 Jahre 17,9 4,3 0 20 40 60 80 100 120 73 Häufigste Arzneimittelgruppen in de drei Hauptdiagnosegruppen von PHAR-MON Alkohol n % Tranquilizer Benzodiazepine Diazepam Oxazepam Lorazepam Alprazolam Bromazepam Chlordiazepoxid Medazepam Dikaliumchlorazepat 41 41 20 7 5 3 2 1 1 2 25,5 25,5 12,4 4,3 3,1 1,9 1,2 0,6 0,6 1,2 Sedativa/ Hypnotika n % Antidepressiva 23 14,3 Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva 16 9,9 Doxepin 8 5,0 Trimipramin 3 1,9 Mirtazapin 2 1,2 Opipramol 2 1,2 Amitriptylin 1 0,6 SSRI 6 3,7 Citalopram 4 2,5 Escitalopram 1 0,6 Paroxetin 1 0,6 Pflanzliche Antidepressiva 1 0,6 Johanniskraut 1 0,6 n % Analgetika 23 14,3 Opioide 9 5,6 Tramadol 5 3,1 Tilidin 4 2,5 Aminophenole 4 2,5 Paracetamol 4 2,5 Arylessigsäuren 4 2,5 Diclofenac 4 2,5 Arylpropionsäuren 2 1,2 Dexibuprofen 1 0,6 Naproxen 1 0,6 Salicylate 2 1,2 Acetylsalicylsäure 2 1,2 Coxibe 1 0,6 Rofecoxib 1 0,6 Pyrazolone 1 0,6 Propyphenazon 1 0,6 74 Opioide Häufigste Wirkstoffe, Wirkstoff- und Arzneimittelgruppen innerhalb der Hauptdiagnosegruppe Opioide Arzneimittelgruppe/ Wirkstoffgruppe/ Wirkstoff Tranquilizer Benzodiazepine Diazepam Bromazepam Lorazepam Oxazepam Dikaliumclorazepat Hypnotika Benzodiazepine Flunitrazepam Flurazepam Vinylbarbital Zopiclon Substitutionsmittel Buprenorphin Methadon Levomethadon n % 94 94 84 6 2 1 1 47 47 44 1 1 1 39 18 16 5 42,0 42,0 37,5 2,7 0,9 0,4 0,4 21,0 21,0 19,6 0,4 0,4 0,4 17,4 8,0 7,1 2,2 75 Häufigste Wirkstoffe, Wirkstoff- und Arzneimittelgruppen innerhalb der Hauptdiagnosegruppe Sedativa Arzneimittelgruppe/ Wirkstoffgruppe/ Wirkstoff N % Tranquilizer Benzodiazepine Diazepam Bromazepam Dikaliumclorazepat Lorazepam Hypnotika Benzodiazepine Flunitrazepam Lormetazepam Chem. def. Hypnotika Zolpidem Analgetika Opioide Tramadol Codeinphosphat Tilidin 20 20 11 6 2 1 6 4 3 1 2 2 5 5 3 1 1 48,8 48,8 26,8 14,6 4,9 2,4 14,6 9,8 7,3 2,4 4,9 4,9 12,2 12,2 7,3 2,4 2,4 76 Ziele des Referats • Hinweise für zunehmende soziale Erwartungen an die Wirkung von Arzneimitteln • Überblick zum Konsum und Missbrauch von Arzneimitteln in Deutschland • Ausgewählte Grundlagen und Begriffsklärungen, die sich schwerpunktmäßig auf psychoaktive Substanzen beschränken • Daten zum Arzneimittelmissbrauch bei älteren Menschen • Ausgewählte Ergebnisse des Monitoring-Systems PHARMON für Arzneimittelmissbrauch bei Suchtpatienten 77 Einstiegsfragen Aus Leitfaden für Ärzte (2007): • Bei welchen Beschwerden oder Störungen nehmen Sie Medikamente? • Nehmen sie hin und wieder zur Verbesserung Ihres allgemeinen Befindens oder der Stimmung Medikamente? • Haben schon mal die Erfahrung gemacht, dass diese Beschwerden schlimmer geworden sind, wenn Sie einmal die Medikamente weggelassen haben? 78 Monitoring System für Arzneimittelmissbrauch im Suchtbereich PHAR-MON (früher ebis-med) Ziele und Aufgaben (I) • Beschreibung des Missbrauchs von Arzneimitteln und deren Konsummuster im Querschnitt und im Längsschnitt in Suchtberatungsstellen • Schnelles Erkennen von Trends und neuen Substanzen • Analyse des Abhängigkeitspotenzials von Arzneimitteln • Analyse des Risikos für einen Arzneimittelmissbrauch in verschiedenen Patientengruppen • Anregung zu einer fokussierten Diagnostik zum Arzneimittelmissbrauch bei Alkohol- und Drogenabhängigen sowie bei Medikamentenabhängigen 79 Methodik (I) • Stichprobe von Suchtberatungsstellen 36 Beratungsstellen als repräsentative Stichprobe aus einer umfassenderen Stichprobe der Deutschen Suchthilfestatistik von 707 Beratungsstellen. Die Gesamtgruppe wird auf 1.049 geschätzt (Sonntag & Welsch, 2004) Kriterien der Repräsentativität Kriterien für Einschluss: Missbrauch von Arzneimitteln bei Patienten mit einer substanzbezogenen Störung definiert als – ICD-10 schädlicher Gebrauch oder Abhängigkeit – Missbrauch definiert nach quantitativen und qualitativen Kriterien des Arzneimittelgebrauchs (DHS, 1987) 80 Methodik (II) • Erhebungsinstrument Fragebogen (16 globale Items) über Missbrauchskriterien, Bezugsquellen, Gründe der Einnahme Erfassung von Missbrauchs- und Abhängigkeitskriterien • Daten Analyse / Auswertung Als Querschnitt- und Längsschnittanalyse Getrennte Analyse für die Hauptsuchtdiagnosen Alkohol, Sedativa/ Hypnotika und Opioide Auf drei Klassifikationsebenen der Medikamente: (1) Wirkstoff, (2) Wirkstoffgruppe und (3) Anwendungsgruppe (zum Teil nach Vorgabe durch die Rote-Liste, z. T. nach andere Aspekten, wie z. B. Substitutionsmittel) 81 Häufigste Arzneimittelgruppen in den drei Hauptdiagnosegruppen von PHAR-MON 2011 Arzneimittelgruppe Analeptika Alkohol n % 0 0 Sedativa/ Hypnotika n % Opioide n % 0,4 0 0 2 3 1 2 2 0 0 0 0 2 3 0 9,7 3,2 6,5 6,5 0 0 0 0 6,5 9,7 0 29 3 26 14 0 0 0 1 13 29 0 (Methylphenidat) Analgetika Nichtopioid- A. Opioid-A. Antidepressiva chem. Def. AD SNRI SSRI Tetrazykl. AD Trizykl. AT Antiepileptika Antihypertonika 18 13 5 16 1 1 7 2 5 2 4 20,9 15,1 5,8 18,6 1,2 1,2 8,1 2,3 5,8 2,3 4,7 5,4 0,6 4,8 2,6 0 0 0 0,2 2,4 5,4 0 82 Fortsetzung: Häufigste Arzneimittelgruppen in drei Hauptdiagnosegruppen von PHAR-MON Arzneimittelgruppe Alkohol n Antitussiva 0 Diuretika 0 Entwöhnungsm. 1 Magen-Darm-M. 4 Migränemittel 1 Muskelrelaxant. 1 Narkosemittel 0 Neuroleptika 9 Sedativa/Hypnot 24 Benzodiazepine 18 Chem. def. Hypn 6 Substitionsmit. 3 % 0 0 1,2 4,7 1,2 1,2 0 10,5 27,9 20,9 7,0 3,5 Sedativa/ Hypnotika n % Opioide n % 1 0 1 0 0 1 0 1 18 13 5 1 0 1 0 0 1 1 1 3 141 139 2 314 0 0,2 0 0 0,2 0,2 0,2 0,6 26,3 25,9 0,4 58,5 3,2 0 3,2 0 0 3,2 0 3,2 58,1 41,9 16,1 3,2 83