Arzneimittelmissbrauch in Deutschland

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IFT, Institut für Therapieforschung, München
Heinrich Küfner:
Arzneimittelmissbrauch in Deutschland:
Beschreibung des Problems und Trends
1
Überblick
1. Hohe Erwartungen an die Hilfe durch Arzneimittel
2. Arzneimittelmarkt als Rahmenmodell
3. Das Angebot bzw. der Verbrauch von Arzneimitteln in
Deutschland (2001-2010)
4. Ausgewählte Grundlagen zum Arzneimittelmissbrauch
5. Ergebnisse von Repräsentativerhebungen in Deutschland
6. Ergebnisse zum Arzneimittelmissbrauch bei älteren
Menschen
7. Zusammenfassende Folgerungen
2
Aktualität des Arzneimittelmissbrauchs
•Der Arzneimittelmissbrauch wurde lange Zeit als die stille Sucht
unterschätzt.
•Ca. 1,9 Millionen Abhängige (Soyka et al., 2005), ältere Angaben von 1,5 Mill.
aus (DHS).
•Der Arzneimittelmarkt expandiert: Für alles und jedes werden Arzneimittel
angeboten. Es werden auch ständig neue Arzneimittel entwickelt. Das
Angebot ist riesig, man geht von ca. 53.000 zugelassenen bzw. registrierten
Medikamenten aus.
•Die Nachfrage steigt über die Behandlung von Krankheit und
Schmerzfreiheit hinaus.
• Eine der Folgen ist, dass die Verschreibung von Arzneimitteln und der
Missbrauch einer ständigen Veränderung unterliegen.
•Mit der Zunahme von Arzneimitteln, die einen psychoaktiven Einfluss haben,
wächst auch die Gefahr eines Missbrauchs.
3
Folgerung
• Wir brauchen ein verstärktes Wissen über den Gebrauch von
Arzneimitteln, über die Gefahren des Missbrauchs und der
Abhängigkeit und damit über den begrenzten Nutzen.
• Dies betrifft nicht nur die Ärzte, sondern auch alle Berufsgruppen,
die im Gesundheitsbereich tätig sind.
• Bei den nicht-medizinischen Berufsgruppen besteht eine noch allzu
große Zurückhaltung und Scheu vor diesem Thema, das man allzu
gerne den Ärzten allein überlässt.
• Um die Zusammenhänge einzuordnen ist auch eine
Makroperspektive hilfreich (Soziale Erwartungen, Marktperspektive)
4
Zunehmende sozial vermittelte
Erwartungen an Arzneimittel
Die Erwartungen in der Gesellschaft an die positiven Wirkungen
von Substanzen hat zugenommen und sind unrealistisch hoch.
Mehr Fehltage
mit psych. D.
Doping im
Leistungssport
Definition von
Erwart. von
Gesundheit
Gesundheit
u. Wohlstand der WHO
Zunahme
an ÁM
Zunahme an
Leistungsanforderungen
Erwartungen
an AM
Doping am
Arbeitsplatz
DAK,
2012
DAK,
2009
80% für Freigabe von
Hirndoping bei Erwachs.
(Maher, 2008)
Zunahme an
Wohlstand, Technik u. Wissen
Versprechungen
des Fortschritts
der Bio-med.
Wissenschaften
Biol-techn.
Krankheits- u.
Gesundheitsmodell
Unterschätzung
der Komplexität
Reduktion auf
biolog.
Nervenmodelle
5
Definition von Gesundheit der WHO
WHO 1948.
„Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen und
sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von
Krankheit und Gebrechen.
Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu
erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen ohne
Unterschiede der Rasse, der Religion oder politischen
Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“
WHO 1986
„Grundlegende Bedingungen und konstituierende Momente von
Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen,
Ernährung, Einkommen, ein stabiles Öko-System, eine
sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen, soziale
Gerechtigkeit und Chancengleichheit.“
These: Hohe unrealistische Erwartungen an das
Gesundheitssystem
6
Arzneimittelangebot und Medikamentenmissbrauch
Jede Medikamenteneinnahme ist mit Nebenwirkungen
verbunden (Störung der Homöostase, Stoffwechsel).
Z.B.: Hirndoping steigert zwar kurzfristig Konzentration und
Aufmerksamkeit, die biologischen Warnsignale für Müdigkeit
werden übergangen.
Mit zunehmenden Arzneimittelangebot steigt auch die Nachfrage
und der Arzneimittelmissbrauch an, aber auch umgekehrt.
Die Nachfrage nach Arzneimittel ist zum einen von individuellen
Persönlichkeitsfaktoren und Krankheitsfaktoren abhängig.
Zum anderen ist die Nachfrage auch abhängig von sozialen
Erwartungen über Mittel und Wege, wie Gesundheit und
Wohlbefinden hergestellt und aufrecht erhalten werden kann.
7
Arzneimittelmarkt in Deutschland
EMA
BMG
European
Medicines Agency
Richtlinien
BfArM
Mediz.
Organisat.
Qualität
Hersteller
Robert Koch
Institut
Länderbehörden
Arzneimittel
Ärzte
Kons
ument
Apothek.
z.B
DAK
u.a.
Forschungsinstitute
RKI
Leistungsträger
Gesundheitsber.
Andere
Studien
InternetAngebote
8
Grobeinteilung psychotroper Substanzen nach ihrer Wirkung
• Es gibt 53.418 zugelassene Substanzen (BfArM 2010, zit. In
Glaeske 2011)
• Beschränkung auf psychoaktive Substanzen
• Verschiedene Einteilungsgesichtpunkte
Einteilung nach der basalen Wirkung (n. Rockstroh, 2001):
• Sedierende (dämpfende) Substanzen (Sedativa, Hypnotika,
Tranquilizer)
• Stimulierende Substanzen (Analeptika), z.B. Amphetamine,
Methylphenitat
• Psychedelische Substanzen, z.B. LSD, bei denen es zu
strukturellen Veränderungen von Wahrnehmung und Denken kommt
9
Einteilung von Arzneimitteln
Für die medizinische Klassifikation:
1. Nach ihrem Anwendungsbereich (Arzneimittelgruppe), z.B.
Schmerzmittel (Analgetika)
2. Nach der Wirkstoffgruppe, z.B. Benzodiazepine oder SerotoninWiederaufnahme-Hemmer
3. Nach dem Wirkstoff, z.B. Acetylsalizylsäure
•
•
Keine Einteilung ist für alle Aufgaben geeignet, ein Wirkstoff kann
für verschiedene Anwendungsbereiche geeignet sein.
Es gibt Mischpräparate wie Schmerzmittel in Kombination mit
Coffein.
4. International wird häufig die ACT-Klassifikation (Anatomical,
Therapeutic and Chemical) der WHO verwendet.
10
Zuordnung der Handelspräparate und Wirkstoffe zu
Wirkstoff-Gruppen und Arzneimittel-Gruppen
HandelsName
Wirkstoff
WirkstoffGruppe
ArzneimittelGruppe
Valium®  Diazepam  Benzodiazepin  Tranquilizer
Aponal®  Doxepin  Trizykl. AD
 Antidepressiva
11
Die Entwicklung der Verordnung von
Medikamenten 2001- 2010
• Die Anzahl der Verordnungen als DDD (defined daily
dosage) der GKV (Gesetzliche
Krankenversicherung) bilden den Markt für die
Entstehung von Missbrauch und Abhängigkeit.
• Über die private Krankenversicherung gibt es keine
so langjährigen Daten zum Verlauf.
• Die für Missbrauch wichtigsten Gruppen:
Analgetika, Psychopharmaka (Antidepressiva,
Neuroleptika), Sedativa/Hypnotika
Verordnungen von Analgetika:
Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV
(Bögel & Schmidt, 2011)
Folgerung: Deutlicher Anstieg der
Opioidanalgetika
Verordnungen von Hypnotika/Sedativa 2001-2010:
Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV
(Lohse & Müller-Oerlinghausen, 2011)
120
Benzodiazepine
100
80
Zolpidem, Zoplicon,
Zaleplon
60
Pflanzliche Präparate
40
20
0
Folgerung: Deutlicher Rückgang der pflanzlichen Produkte
Sowie der Tranquilizer.
Der Konsum von Z-Substanzen bleibt auf hohem Niveau.
Verordnungen von Psychopharmaka 2001-2010:
Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV
(Lohse & Müller-Oerlinghausen, 2011)
1400
1200
1000
800
600
400
Tranquilantien
Neuroleotika
Antidepressiva
Stimulanzien
200
0
Folgerungen:
• Klarer Anstieg der Antidepressiva
• Leichter Rückgang der Tranquillantien,
• leichter Anstieg der Neuroleptika und der Stimulanzien
Verordnungen von Antidepresiva 2001-2010:
Gesamtverordnungen (in Millionen DDD, GKV (Lohse &
Müller-Oerlinghausen, 2011)
600
SNRI
500
SSRI
400
300
Trizykl. AD
200
100
0
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Folgerungen:
Klarer Anstieg der SSNRI (Selektive Serotonin- Wiederaufnahme –Hemmer)
Wenig Veränderungen bei den trizyklischen A ntidepressiva
Anstieg der SNRI (Serotonin- Noradrenalin- Wiederaufnahme
Arzneimittelverbrauch und Alter
(DDD je Versicherter in Altersgruppe, Coca & Nink,2010)
17
Alter und Medikamentenverordnungen
(aus Gesundheitsreport BKK, 2011)
Anteil der Versicherten mit der jeweil. Verordnung in %
ATC- Gruppe
A Alimentationssystem u.
Stoffwechsel
B Blut und blutbild. Organe
C Kardiovaskuläres Syst.
D Dermatika
G Urogenital S. u. Sexualh
H System. Hormonpräp.
J Antiinfektionsmittel
L Antineoplast. Immunmod. M
M Muskel- u. Nervensystem
N Nervensystem
P Antiparasitäre Mittel
R Respirationstrakt
S Sinnesorgane
V Varia
Unter 20 J
F
M
20 bis unt. 65
F
M
65+
F
M
20,9
19,6
20,4
19,0
52,8
47,2
3,5
0,7
24,4
18,7
5,2
40,1
2,5
27,7
21,5
3,0
45,2
15,5
3,3
3,7
0,8
22,9
0,7
6,0
35,3
2,1
26,6
23,1
1,7
46,3
18,5
4,4
6,2
20,0
13,5
14,8
21,0
36,7
2,4
26,6
23,8
1,2
15,0
7,7
1,1
5,6
23,2
10,4
2,0
8,0
27,0
1,3
26,5
16,9
0,6
11,7
6,2
1,0
25,8
84,1
20,0
15,3
33,9
33,7
4,2
46,5
50,4
1,1
18,5
19,2
0,7
32,3
81,6
20,7
19,1
17,1
29,3
4,7
42,3
35,2
0,8
18,9
17,2
0,8
18
Grudlagen des Missbrauchs und der
Abhängigkeit
Arzneimittelgruppen
Wirkungsdimensionen
Das Suchtpotenzial
Definitionskriterien von Missbrauch und Abhängigkeit
Grundphänomene der Sucht
Grundbegriffe der Pharmakologie
Folgen des Arzneimittelbrauchs
Niedrigdosisabhängigkeit
19
Suchtpotenzial von psychoaktiven Substanzen
Psychoaktive Substanzen werden in solche mit und ohne
Suchtpotenzial differenziert:
Beispiel: Opiate z.B. versus Antidepressiva, Neuroleptika
Suchtpotenzial als Substanzeigenschaft ist abhängig von:
• Positive, euphorisierende Wirkung
• Schnelligkeit des Wirkungseintritts (auch Anwendungsart
wichtig, nasal, Spritzen i.V.)
• Intensität der Wirkung
• Wirkungsbreite
• Wenig Nebenwirkungen
20
Epidemiologische Ergebnisse zum
Medikamentenkonsum und Missbrauch
• Vergleich verschiedener Substanzen
• Dabei sollten auch die Schwierigkeiten der
Erfassung und die unterschiedlichen
Kriterien deutlich werden.
21
Epidemiologischer Suchtsurvey, ESA 2009
(Kraus & Pabst (Hrsg.) 2010)
Erfasste Medikamente: Schmerz-, Schlaf-, Beruhigungs- und
Anregungsmittel, Appetitzügler, Antidepressiva und Neuroleptika)
22
Prävalenz des Substanzmissbrauchs in Deutschlandof
(Repräsentativstudie in 2000, Augustin et al 2005)
Altersgruppe 18-69; Hochrechnung von den 59-Jährigen auf die 60-69Jährigen für Konsummuster, alle anderen Schätzungen beziehen sich auf die
Gesamtbevölkerung
>30g für M
>20g für F
2,1
%
2,3%
23
Medikamenteneinnahme in den letzten 12
Monaten (ESA, 2006, Rösner et al., 2008)
Anwendungsgruppe
Gesamt
Männer
Frauen
Schmerzmittel
Schlafmittel
Beruhigungsm.
Anregungsmit.
Appetitzügler
Antidepressiva
Neuroleptika
60,8
5,2
5,1
0,5
0,7
4,3
1,1
53,4
4,5
4,5
0,7
0,5
3,1
1,4
68,3
6,0
5,7
0,4
0,8
5,6
0,8
Mind. 1 Med.
64,1
57,1
71,3
24
Medikamenteneinnahme in den letzten 30 Tagen
(ESA, 2006, Rösner et al., 2008)
Anwendungsgruppe
Gesamt
Männer
Frauen
Schmerzmittel
Schlafmittel
Beruhigungsm.
Anregungsmit.
Appetitzügler
Antidepressiva
Neuroleptika
12,6
2,0
2,0
0,2
0,2
3,2
0,8
10,8
1,6
1,8
0,3
0,2
2,4
1,1
14,4
2,3
2,2
0,2
0,2
4,0
0,6
Mind. 1 Med.
16,8
14,5
19,1
25
Problematische Medikamenteneinnahme, letzte 12
Monate (ESA, 2006, Rösner et al 2008)
Repräsentative Bevölkerungsstichprobe 18-64 jährige
Gesamt
Männer
Frauen
Gesamtstichprobe
KFM >4
7473
4,7%
3334
4,0%
4139
5,6%
Konsumenten
KFM >4
5014
7,0%
1928
6,3%
3086
7,5%
KFM: Kurzfragebogen für
Medikamentenmissbrauch, (Watzl et al, 1991)
26
Definition von Missbrauch von Arzneimitteln
• Missbrauch (1) im weiteren Sinn: Definiert durch ein
Überwiegen von Schaden im Vergleich zum Nutzen
• Missbrauch (2) definiert durch einen bestimmungsgemäßen
Gebrauch d.h. durch die medizinische Indikation für das
Medikament
• Missbrauch (3) umfasst auch die beiden Suchtdiagnosen
schädlichen Gebrauch und Abhängigkeit
• In der Entwurfsfassung der neuen DSM-V wird Missbrauch
und Abhängigkeit als eine Dimension gesehen und die
Kategorien zusammengelegt.
27
Diagnostische Kriterien
 Schädlicher Gebrauch (nach ICD-10)
Konsumverhalten, das zu einer Schädigung führt (körperliche
oder psychische Störung)
 Missbrauch (DHS, 1987)
 qualitativ (zu einem anderen Zweck als medizinisch indiziert)
 Quantitativ (mehr als vom Arzt verordnet, über längere Zeit,
z.B. Benzodizepine nicht länger als 8 Wochen )
28
Kriterien für Abhängigkeit nach ICD-10
ICD-10
Kriterien für Abhängigkeit (3 von 6)
(1) Nachweis einer Toleranzentwicklung (gesteigerte Drogenaufnahme bei gleicher
Wirkung)
(2) Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
(3) Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge
des Konsums (unzureichende Kontrolle)
(4) Ein starker Wunsch, oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren
(Suchtverlangen)
(5) Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zu Gunsten
des Substanzkonsums (Einengung des Verhaltens auf den Substanzkonsum)
(6) Anhaltender Substanzkonsum trotz ein-deutig schädlicher Folgen, im körperlichen,
psychischen oder sozialen Bereich.
29
Ergänzung zu den Entzugserscheinungen
• Der Organismus versucht sich innerhalb bestimmter Grenzen
an jede Substanz anzupassen, d.h. durch eine
Gegenregulation gegen die Veränderungen durch die
zugeführte Substanz wird versucht ein Gleichgewicht
(Homöostase) verschiedener körperlicher Werte wie z.B.
Blutzucker, Blutdruck, erregende u. hemmende Transmitter
im ZNS u.a. aufrecht zu erhalten.
• Bei Absetzen der Substanz wird die Gegenregulation sichtbar,
z.B. Übererregung bei dämpfenden Substanzen.
• Bei Substanzen mit Suchtpotenzial spricht man von
Entzugserscheinungen, bei solchen ohne Suchtpotenzial von
Absetzerscheinungen (wichtig für die Einordnung von
Antidepressiva)
30
Niedrigdosisabhängigkeit
• Erwartet wird für eine Abhängigkeitsentwicklung, dass die
Patienten eine hohe Dosis bzw. einen häufigen Konsum
aufweisen.
• Das ist bei einer sog. Niedrig-Dosisabhängigkeit nicht der Fall
(z.B bei Benzodiazepinen bekannt).
- Therapeutische Dosierung
- keine Dosissteigerung
- Erst beim Absetzen bemerkbar
- Interpretation: Primär Vermitteln von Sicherheit
31
Die wichtigsten psychoaktiven Substanzgruppen
• Schmerzmittel (Analgetika)
• Schlafmittel (Hypnotika) und Sedativa
• Beruhigungsmittel (Tranquilizer, Tranquillantien)
• Anregungsmittel (Stimulanzien)
• Antidepressiva
• Neuroleptika
• Appetitzügler
32
Grundbegriffe der Pharmakologie
• Für die Wirkung ist wichtig, wie schnell die Substanz über den
Magen-Darm -Trakt ins Blut aufgenommen wird (Resoprtion).
• Die Bluthirnschranke lässt nur bestimmte Substanzen durch für
das ZNS.
• Dosis-Wirkungskurve: gibt an, bei welcher Dosis welche Wirkung
erreicht wird. - Wann wird die stärkste Konzentration und Wirkung
erreicht (Resorption)? – Wie lange hält die Wirkung an?
• Eliminationsphase: Nach welcher Zeit ist die Hälfte der Substanz
wieder ausgeschieden? (Abbau der Substanz in Leber und Niere)
• Nachweis der Wirkung durch Doppelblindstudien im Vergleich mit
einem Placebo und Randomisierung der Patienten
• Jede Substanz hat auch Nebenwirkungen; deshalb ist oft ein
Abwägungsprozess von Nutzen und Schaden erforderlich.
• Wirkungsmechanismus: Wo setzt die Wirkung biochemisch bzw.
physiologisch an: z.B. Hemmung der Wiederaufnahme von
Serotonin an den Synapsen
• Menge von Arzneimitteln erfasst als DDD (Defined Daily Dosis) für
statistische Zwecke (z.B. dem Verkauf von Medikamenten:
durchschnittliche Dosis für einen Erwachsenen mit Hauptindikation
für dieses Medikament.
33
Folgen (I)
Typische Trias für Medikamentenabhängigkeit
Aus Leitfaden Medikamentenabhängigkeit für Ärzte, 2007:
• Affektive Indifferenz: Verflachung, dysphorisch-depressive
Stimmung
• Kognitive und Gedächtnisdefizite: Konzentrationsstörungen,
Erinnerungsausfälle, Verwirrtheit
• Körperliche Schwäche: Gang- und Sprachstörungen, Zeichen
der Verwahrlosung
34
Folgen des Arzneimittelmissbrauchs (II)
• Benzodiazepine (außer Abhängigkeitsentwicklung):
- Einschränkung von Gedächtnis- und Merkfähigkeit
- Muskelschwäche und Konzentrationsstörungen (Sturz- und
Unfallrisiko)
- Gefühlsverflachung
- Schlafstörungen
- Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit
• Analgetika:
- Nierenschäden
35
Opiate (Opioide)
- Gewöhnung, körperliche u.
psychische Abhängigkeit
-Trend zum Missbrauch von
Tramadol (Missbrauch mit
Privatrezepten) und Tilidin (Glaeske,
2011).
Stimulantien
- Psychische Abhängigkeit
- Psychotische Reaktionen
- Auszehrung bei länger dauernder
Einnahme
36
Fallbeispiel
• Patientin, 39 Jahre, Hauptdiagnose Alkoholabhängigkeit
• Patientin konsumiert seit zwei Jahren täglich Valium® kombiniert mit
Alkohol vor dem Einschlafen und bei Bedarf zur Beruhigung.
• Durch Einnahme des Medikaments konnte die Patientin ihren
Alkoholkonsum erheblich reduzieren
• Das Medikament wird der Patienten aufgrund ihrer Einschlafstörung
ärztlich verordnet.
• Patientin berichtet, dass die Einnahme kontrolliert erfolgt und kein
craving vorliegt. Bei den ärztlichen Untersuchungen haben sich
zudem keine Hinweise auf körperliche Schädigungen ergeben.
• Im Laufe der Jahre musste die Dosis kontinuierlich erhöht werden.
Bei Absetzversuchen reagiert die Patienten mit heftigen
Entzugserscheinungen.
37
Fallbeispiel 1: Kriterien des Abhängigkeitssyndroms
•



Abhängigkeitssyndrom
Toleranzentwicklung
Entzugssyndrom
Einengung, Vernachlässigung wichtiger Interessen
 Qualitativer Missbrauch
 Wirkungspotenzierung
38
Fallbeispiel 2
•
•
•
•
Patient, 55 Jahre, Hauptdiagnose Alkoholabhängigkeit
Nimmt seit zwei Jahren wegen einer rheumatoiden Arthritis
Schmerzmittel ein
Nach einer Verschlechterung seines Zustands im Vorjahr
musste die Dosis erhöht werden.
• Entzugssymptome sind nicht aufgetreten.
• Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung durch den
behandelnden Arzt haben sich bislang keine Hinweise auf
körperliche Schädigungen durch das Analgetikum ergeben.
39
Fallbeispiel 2: Kriterien des Abhängigkeitssyndroms
 Es liegen keine Anzeichen eines schädlichen Gebrauchs,
einer Abhängigkeit oder eines qualitativen und quantitativen
Missbrauchs vor.
 Es handelt sich um einen regulären Arzneimittelkonsum.
40
Überwachung der Arzneimittelsicherheit
• Ärzte melden Probleme und Nebenwirkungen an
das BfArM.
• Arzneimittel Report jährlich (Schwabe & Paffrath)
• Es gibt Monitoring Systeme für den psychiatrischen
Bereich.
• Im Bereich der Suchtberatungsstellen: PHAR-MON
• Norddeutscher Medikamenten-Monitor (Holzbach et
al 2010): Auswertung von Apothekenddaten,
Umrechnung in Diazepam-Äquivalente
Mengenangaben
• Liste von Medikamenten, die für alte Menschen
nicht geeignet sind (PRISCUS-Liste, Holt et al,
2010, Siebert et al, 2012)
41
Arzneimittelmissbrauch bei älteren Menschen
Mit dem Alter kommt es zu anderen Reaktionen
des Organismus auf Arzneimittel:
• Multimorbidität: durch mehrfache Erkrankung
gleichzeitig umfangreichere Medikation
• Geringere Abbauraten der Substanzen in der
Niere
• Höher Empfindlichkeit auf anticholinerge
(erhöhter Pulsschlag, Mundtrockenheit,
Obstipation u.a.) und sedierende Effekte
• Verändert Pharmakokinetik (Stoffwechsel) und
Pharmakodynamik (Wirkungen)
42
Ergebnisse aus verschiedenen Studien
Berliner Altersstudie BASE (Helmchen et al., 1996):
Bei über 69-Jährigen 0,5% mit Medikamentenabhängigkeit
In einer neueren Berliner Studie (Gärtner et al. 2011): 0,3%
mit Medikamenenabhängigkeit.
In Altenheimen geht man meist von einer höheren Quote aus.
Studie von Wetterling & Schneider (2012):
Von 1266 Aufnahmen in eine geriatrische Klinik wiesen 8,7%
(110) einen Medikamentenmissbrauch auf (bezogen auf 81
Fälle). Darunter:
Benzodiazepin-Missbrauch:
65,1%
Missbrauch von Non-Benzodiazepin Schlafmittel: 17,4%
Analgetika-Missbrauch:
10,9%
Laxantien Abusus
1,8%
Mehrfachabhängig
6,4%
43
Weitere Ergebnisse der Studie von
Wetterling & Schneider 2012
Bei 85,5% Psychiatrische Komorbidität: fast die Hälfte
(49,1%) mit affektiven Störungen, 41,8% mit einer
kognitiven bzw. organisch bedingten Störung, Angst u.
Anpassungsstörungen bei 15,5%, weiter Abhängigkeit
bei 15,5%.
Diese Ergebnisse sind beschränkt auf
gerontopsychiatrische Patientenaufnahmen und
lassen sich verallgemeinern. Die Dominanz des
Benzodiazpin Missbrauchs findet sich auch bei
anderen Unersuchungsgruppen.
44
PRISCUS-List (Holt et al 2010)
Liste von Medikamenten , die bei älteren Menschen
problematisch sind und nicht eingesetzt oder hinsichtl. der
Dosis angepasst werden sollen (PIM, potential inadaquate M).
83 Arzneimittel wurden nach Literaturrecherchen und Delphi
Verfahren und ähnlichen internationalen Listen als potentiell
inadäquat für ältere Menschen eingeschätzt.
Bei 46 ergab sich keine Einigung (Holt et al 2010).
Beispiel für Aufbau
Arznei
mittel
Wesentl.
Bedenken
Theapiealternativen
OpioidAnagetika
Pathidin
erhöhtes Risiko
für Delir und
Stürze
Paracetamol
andere Opioide
mit gering. Delir
Risiko
45
Arzneimittelmissbrauch bei älteren
Menschen in Pflegeeinrichtungen
(Kuhn & Haasen, 2012)
Repräsentative Befragung von 20% aller ambulanten u. stat.
Pflegeeinrichtungen in Deutschland (Okt. 2008)
5000 zufällig ausgewählte Einrichtungen (von 12.446 amb. und
9.738 stat. Einrichtungen)
Rücklauf: N=1002, (20%), 550 stat., 436 ambulante E.
Frauenanteil 70,5% stat. bzw. 72,9% amb.
Medikamentenmissbrauch/probleme
Einschätz.
Pflegepers.
Ärztl.
Diagnose
Alle E.
8,97%
2,59%
N=726
Stat. E.
6,78%
2,0%
N=406
Amb. E.
11,75%
3,34%
N=320
46
Reaktion der Einrichtungen auf das
Erkennen eines Suchtproblems
120
100
80
60
40
20
0
8785,4
9792,3
80,876,1
19,218,6
stationär
ambulsnte
47
Folgerungen, Ausblick (I)
• Die Erwartungen der Gesellschaft und der einzelnen Beteiligten an die
Allmacht von Arzneimittel ist enorm.
• In den letzten 10 Jahren ist vor allem der Konsum von Antidepressiva
stark angestiegen.
• Im Mittelpunkt des Missbrauchs stehen nach wie vor Benzodiazepine.
• Auch die Benzodiazepin-Analoga (z.B. Zolpidem) zeigen zunehmend
ein Suchtpotenzial.
• Der Missbrauch von Antidepressiva hält sich jedoch in Grenzen.
• Bezugsquelle für Medikamente ist hauptsächlich der Arzt
48
Folgerungen, Ausblick (II)
• Es gibt keine spektakulären psychoaktiven Substanzen. Die Suche
nach einer psychoaktiven, schnell wirkenden Substanz ohne
Suchtpotenzial und anderen Nebenwirkungen geht weiter, ist aber
eine Illusion.
• Der Umgang mit Arzneimitteln einschließlich Dopingmittel zur
Leistungssteigerung geht alle an, insbesondere alle Berufsgruppen
im Gesundheitsbereich.
• Mit dem Alter steigt der Medikamentenkonsum deutlich an. Ältere
Menschen weisen eine vielfältigen größeren Gebrauch von
Medikamenten auf.
• Der Organismus ältere Menschen reagiert auf eine Reihe von
Substanzen empfindlicher. Und mit größeren negativen Folgen
Deshalb gibt es spezielle Listen mit problematischen Substanzen für
ältere Menschen (PRISCUS-Liste).
49
50
Literatur
Schwabe & Paffrath (2008): Arzneimittelverordnungs-Report
Rösner et al (2008): Gebrauch und Missbrauch von Medikamenten.
Ergebnisse des epidemiologischen Suchtsurveys 2006
Laux et al (2000): Pharmakopsychiatrie
Küfner & Rösner (2008). Monitoring des Arzneimittelmissbrauchs bei
Klienten in ambulanten Suchtberatungsstellen (PHAR-MON,
ehemals ebis-med)
Robert Koch Institut: Gesundheitssurvey (fortlaufend)
Poser & Poser (1996): Medikamente- Missbrauch und Abhängigkeit
Schmidt et al (2006): Evidenzbasierte Suchtmedizin.
Behandlungsleitlinie Substanzbezogene Störungen
DHS: Jahrbuch Sucht (fortlaufend)
51
Häufigkeit einzelner Wirkstoffe nach Bezugsquellen
Bezugsquelle
N
Rang 1
%
Rang 2
%
Rang 3
%
ärztlich verordnet
268
Diazepam
19,0
Doxepin
6,3
Tramadol
4,5
BTM-Verordnung
19
Methadon
31,6
Levomethadon
15,8
Buprenorphin
15,8
Mehrfachverordnung
75
Diazepam
44,0
Tramadol
6,7
Bromazepam
4,0
grauer Markt
89
Diazepam
32,6
Flunitrazepam
18,0
Buprenorphin
6,7
sonst. illegaler
Bezug
183
Diazepam
48,1
Flunitrazepam
23,0
Buprenorphin
8,7
rezeptfrei
27
Paracetamol
11,1
Acetylsalicylsäure
7,4
Dimenhydrinat
7,4
gesamt
661
52
Hauptdiagnoseverteilung der Responder- und NonResponder-Einrichtungen sowie der Suchthilfestatistik
70,0
58,9
58,2
60,0
50,0
40,0
Alkohol
illegale Drogen
Sedativa/ Hypnotika
sonstige
35,2
34,9
30,0
20,0
10,0
6,0
5,7
Effektstärke:
w = .0009
0,0
Referenzstichprobe
Responder
53
Ergebnisse: Anzahl der Nennungen von Arzneimittelmissbrauch
Nennungen
Gesamt
629
Nicht identifizierbar
31
Fälle reg. Substitution 80
Personen
500
24
80
Bereinigte Stichprobe 518
390
54
Hauptdiagnoseverteilung von Referenzstichprobe und
Suchthilfestatistik
70
60,9
58,9
60
50
Alkohol
40
33,3
illegale Drogen
34,9
Sedativa/ Hypnotika
30
sonstige
20
10
5,0
5,7
Effektstärke:
w = .02
0
Suchthilfeststistik
Referenzstichprobe
55
Methodik (III)
• Ebene 1: Einrichtungen der ambulanten Suchtkrankenhilfe in
Deutschland: nicht genauer bekannt
↓
• Ebene 2: Ambulante Einrichtungen der Deutschen
Suchthilfestatistik (ca. 1.000)
↓
• Ebene 3: mit EBIS dokumentierende Beratungsstellen
↓
• Ebene 4: ebis-med Referenzeinrichtungen
↓
• Ebene 5: ebis-med Referenzeinrichtungen mit
Datenrückmeldung
56
Methodik (IV)
Qualitätskriterien für die Daten von ebis-med
a) Repräsentativität der Suchtberatungsstellen
b) Sensibilität für Arzneimittelmissbrauch
c) Ausschöpfung der Abhängigkeitsdiagnosen
„Medikamentenabhängigkeit“
57
Neuer ebis-med Medikamentenbogen
Inhalte des ebis-med Medikamentenbogens
· Handelsname
· Tagesdosis pro Einnahmetag
· ICD-Abhängigkeits- und Missbrauchskriterien
Bezugsformen
· überwiegende Bezugsform
· Präparatform
· Applikationsform
· Anzahl der Konsumtage im letzten Monat
· Dauer des problematischen Gebrauchs
· Dauer der aktuellen Konsumphase
· Kombinierter Gebrauch mit psychotropen Substanzen
· Präparatpräferenz
· Dosissteigerung
· Einnahmegrund
58
Verteilung der Hauptdiagnosen dokumentierter Fälle
seit dem Jahr 2000
Hauptdiagnose
2000
2001
2002
2002
2002
Alkohol
40,7
36,7
36,2
25,7
36,3
Illegale Drogen
32,6
44,2
47,5
65,3
52,5
Sedativa/Hyp.
16,9
10,6
36,2
36,2
36,2
sonstige
9,9
8,5
25,7
25,7
25,7
gesamt
100,0
100,0
36,3
36,3
36,3
59
Wirkstoffe mit stärkster Veränderung im Vergleich zum Vorjahr
Hauptdiagnose
2000
2001
2002
2003
2004
Differenz *
n
%
n
%
n
%
n
%
n
%
n
%
Diclofenac
1
0,9
2
2,0
1
0,9
0
0,0
4
2,5
4
2,5
Diazepam
22
19,6
5
5,0
18
15,5
18
10,3
20
12,4
2
2,1
Oxazepam
0
0,0
0
0,0
2
1,7
4
2,3
7
4,3
3
2,1
Pentazocin
0
0,0
0
0,0
0
0,0
3
1,7
0
0,0
-3
-1,7
Bromazepam
6
5,4
5
5,0
0
0,0
6
3,4
2
1,2
-4
-2,2
Clomethiazol
4
3,6
4
4,0
4
3,4
12
6,9
6
3,7
-6
-3,1
Buprenorphin
0
0,0
0
0,0
4
4,3
11
2,3
18
8,0
7
5,7
Methadon
5
4,7
21
17,1
2
2,1
17
3,6
16
7,1
-1
3,6
Bromazepam
6
5,6
0
0,0
2
2,1
2
0,4
6
2,7
4
2,3
Haloperidol
0
0,0
0
0,0
0
0,0
10
2,1
1
0,4
-9
-1,7
Flurazepam
0
0,0
0
0,0
0
0,0
12
2,5
1
0,4
-11
-2,1
Flunitrazepam
37
34,6
24
19,5
29
30,9
145
30,5
44
19,6
-101
-10,8
Diazepam
14
36,8
3
10,3
7
20,6
10
17,5
11
26,8
1
9,3
Bromazepam
1
2,6
2
6,9
4
11,8
5
8,8
6
14,6
1
5,9
Flunitrazepam
1
2,6
6
20,7
2
5,9
1
1,8
3
7,3
2
5,6
Lorazepam
0
0,0
4
13,8
2
5,9
4
7,0
1
2,4
-3
-4,6
Doxepin
3
7,9
1
3,4
3
8,8
3
5,3
0
0,0
-3
-5,3
Zopiclon
0
0,0
0
0,0
0
0,0
4
7,0
0
0,0
-4
-7,0
Alkohol
Opioide
Sedativa
60
F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch
psychotrope Substanzen
Es gibt keine zusammenfassende Diagnose Arzneimittelmissbrauch:
• F10 Störungen durch Alkohol
• F11 Störungen durch Opioide
• F12 Störungen durch Cannabinoide
• F13 Störungen durch Sedativa und Hypnotika
• F14 Störungen durch Kokain
• F15 Störungen durch andere Stimulantien
• F16 Störungen durch Halluzinogene
• F17 Störungen durch Tabak
• F18 Flüchtige Lösungsmittel
• F19 Störung durch multiplen Substanzmissbruch
61
Geschlechtsverteilung der Klienten
gesamt
Geschlecht
Arzneimittel missbrauch
Chancenverhältnis (Odds Ratio)
N
%
N
%
OR
95% Konfidenzintervall
p
Männer
4082
75,1
290
73,2
0,90
0,72
1,14
p > 0,05
Frauen
1351
24,9
106
26,8
1,10
0,87
1,39
p > 0,05
gesamt
5433
100,0
396
100,0
62
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen
und Faktoren
• F50 Essstörungen
• F51 Nichtorganische Schlafstörungen
• F52 Sexuelle Funktionsstörungen
• F53
psychische Verhaltensstörung im Wochenbett
• F54
psychische Verhaltensstörung bei andernorts klassifizierten
Erkrankungen
• F55
Missbrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen
63
Der Arzneimittelmarkt als Bezugsrahmen für
Arzneimittelmissbrauch
Gesellschaftl. Zielvorgaben
Gesundheit:
(1) Therapie von Krankheiten
(2) Prävention
(3) Sorge für Wohlbefinden
und max. Leistungsfähigkeit
Arzneimittelhersteller
Europ.
Behörden
National-staatl.
Einricht.
Angebot
national
UN-Organisationen
Grundannahm. med.
Wissenschaften
Medizin.
System
Leistungsträger,
Versorgungseinr.,
Ärzte
Patient/Verbrauch
er/Konsument
Angebot
internation.
Sport/Freizeit
Betriebe
64
ebis-med Fragebogen
Erfaßt wird nicht-bestimmungsgemäßer
Konsum von Medikamenten (Mißbrauch
oder schädlicher Gebrauch oder Abhängigkeit) durch Klienten innerhalb der
letzten 6 Monate.
Kriterien in ICD 10, Kapitel V, Abschnitt F1
und DHS-Definitionen (1987).
M2. Dosierung (nur für Tabletten)
Menge
Wirkstoffkonzentration
Stück pro
Einnahmetag
mg pro Tablette
M1. Name Medikament 1:
M1. Name Medikament 2:
M1. Name Medikament 3:
M1. Name Medikament 4:
M1. Name Medikament 5:
M1. Name Medikament 6:
M3. Missbrauchskriterien
Mehrfachangaben 1=nein, 2=ja
1 Craving
2 Kontrollverlust
Bitte alle zutreffenden
Missbrauchskriterien
mit 2 codieren.
3 Körperliche Entzugssymptome
4 Toleranzentwicklung
5 Vernachlässigung anderer Interessen
6 Gebrauch trotz Schädigung
7 Körperliche oder psychische Schädigung
8 Zweckentfremdung der Substanz
9 Überschreitung der Höchstdosis
10 Überschreitung der Einnahmedauer
11 Sonstige Missbrauchskriterien
65
Ziele und Aufgaben von PHAR-MON (II)
Eventuelle Folgerungen und Empfehlungen aus den
Ergebnissen
• Folgerungen für die Beratungsstellen: zur Qualitätssicherung der
Dokumentation, aber auch der Behandlung
• Veränderung von Vorschriften und Regeln zur Verschreibung von
Arzneimitteln (BtMVV)
• Zur Ergänzung und Verbesserung der Patienteninformationen (z.B.
über das Abhängigkeitspotenzial einzelner Substanzen)
• Zur Regulierung des Marktes von Arzneimitteln einschließlich des
schwarzen und grauen Marktes
• Zur Überprüfung der eingeführten Maßnahmen gegen Missbrauch
66
Häufigste Arzneimittelgruppen, Wirkstoffgruppen und
Wirkstoffe innerhalb der Hauptdiagnosegruppe Alkohol
Arzneimittelgruppe
/ Wirkstoffgruppe/
Wirkstoff
Tranquilizer
Benzodiazepine
Diazepam
Oxazepam
Lorazepam
Alprazolam
Bromazepam
Chlordiazepoxid
Medazepam
Dikaliumchlorazepat
n
%
41
41
20
7
5
3
2
1
1
2
25,5
25,5
12,4
4,3
3,1
1,9
1,2
0,6
0,6
1,2
Arzneimittelgruppe
/ Wirkstoffgruppe/
Wirkstoff
n
Antidepressiva
23
Tri- und
Tetrazyklische
Antidepressiva
16
Doxepin
8
5,0
Trimipramin
3
1,9
Mirtazapin
2
1,2
Opipramol
2
1,2
Amitriptylin
1
0,6
SSRI
6
3,7
Citalopram
4
2,5
Escitalopram
1
0,6
Paroxetin
1
0,6
Pflanzliche
Antidepressiva
1
0,6
Johanniskraut
1
Arzneimittelgruppe/
Wirkst.gruppe/ Wirkst.
n
%
Analgetika
14,3
23
14,3
Opioide
9,9
9
5,6
Tramadol
5
3,1
Tilidin
4
2,5
Aminophenole
4
2,5
Paracetamol
4
2,5
Arylessigsäuren
4
2,5
Diclofenac
4
2,5
Arylpropionsäuren
2
1,2
Dexibuprofen
1
0,6
Naproxen
1
0,6
Salicylate
2
1,2
Acetylsalicylsäure
2
1,2
Coxibe
1
0,6
Rofecoxib
1
0,6
Pyrazolone
1
0,6
Propyphenazon
1
0,6
%
0,6
67
Hauptdiagnoseverteilung der Klienten
gesamt
Arzneimittelmissbrauch
Chancenverhältnis (Odds Ratio)
N
%
N
%
OR
95%
KI
Alkohol
2946
54,2
136
34,3
0,44
0,35
0,55
p<0,0001
Illegale
Drogen
1784
32,8
197
49,7
2,02
1,65
2,48
p<0,0001
Sedativa
28
0,5
28
7,3
14,7
8,7
24,9
p<0,0001
sonstige
305
5,6
13
3,3
0,57
0,32
1
p < 0,1
missing
370
6,8
21
5,3
0,77
0,49
1,2
p < 0,3
Hauptdiagnose
p
68
Bezugsformen missbräuchlich verwendeter Arzneimittel
41,4
ärztlich verordnet
20,6
61,9
sonst. Illeagler
Bezug
Sedativa
19,0
47,1
Opioide
6,7
Alkohol
20,7
Mehrfachverordnung
11,4
11,9
10,3
15,0
10,3
grauer Markt
3,4
1,6
7,7
rezeptfrei
5,2
4,2
1,5
ärztlich verordnet
(BTM)
0
20
40
60
80
69
Häufigkeiten eines kombinierten Substanzkonsums
HauptdiagnoseGruppe: Sedativa
92,5
Opioide
82,6
Alkohol
54,7
0,0
20,0
40,0
60,0
80,0
100,0
(verschiedene Arzneimittel oder Arzneimittel+Drogen/Alkohol)
70
Konsumfrequenz nach Hauptdiagnosen
47,2
täglich
41,9
41,7
regelmäßig
59,8
Sedativa
55,4
Opioide
32,4
gelegentlich
2,7
Alkohol
11,1
7,8
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
70,0
71
Durchschnittliche Dauer der aktuellen Konsumphase
33,3
30,1
über 2 Jahre
51,2
Sedativa
22,2
5 Mon. bis 2
Jahre
32,1
Opioide
23,3
Alkohol
44,4
37,8
1 - 4 Monate
25,6
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
72
Alter bei Erstkonsum
94,7
> 25 Jahre
82,1
95,7
Sedativa
Opioide
Alkohol
5,3
< 25 Jahre
17,9
4,3
0
20
40
60
80
100
120
73
Häufigste Arzneimittelgruppen in de drei
Hauptdiagnosegruppen von PHAR-MON
Alkohol
n
%
Tranquilizer
Benzodiazepine
Diazepam
Oxazepam
Lorazepam
Alprazolam
Bromazepam
Chlordiazepoxid
Medazepam
Dikaliumchlorazepat
41
41
20
7
5
3
2
1
1
2
25,5
25,5
12,4
4,3
3,1
1,9
1,2
0,6
0,6
1,2
Sedativa/
Hypnotika
n
%
Antidepressiva
23
14,3
Tri- und
Tetrazyklische
Antidepressiva
16
9,9
Doxepin
8
5,0
Trimipramin
3
1,9
Mirtazapin
2
1,2
Opipramol
2
1,2
Amitriptylin
1
0,6
SSRI
6
3,7
Citalopram
4
2,5
Escitalopram
1
0,6
Paroxetin
1
0,6
Pflanzliche
Antidepressiva
1
0,6
Johanniskraut
1
0,6
n
%
Analgetika
23
14,3
Opioide
9
5,6
Tramadol
5
3,1
Tilidin
4
2,5
Aminophenole
4
2,5
Paracetamol
4
2,5
Arylessigsäuren
4
2,5
Diclofenac
4
2,5
Arylpropionsäuren
2
1,2
Dexibuprofen
1
0,6
Naproxen
1
0,6
Salicylate
2
1,2
Acetylsalicylsäure
2
1,2
Coxibe
1
0,6
Rofecoxib
1
0,6
Pyrazolone
1
0,6
Propyphenazon
1
0,6
74
Opioide
Häufigste Wirkstoffe, Wirkstoff- und Arzneimittelgruppen
innerhalb der Hauptdiagnosegruppe Opioide
Arzneimittelgruppe/ Wirkstoffgruppe/ Wirkstoff
Tranquilizer
Benzodiazepine
Diazepam
Bromazepam
Lorazepam
Oxazepam
Dikaliumclorazepat
Hypnotika
Benzodiazepine
Flunitrazepam
Flurazepam
Vinylbarbital
Zopiclon
Substitutionsmittel
Buprenorphin
Methadon
Levomethadon
n
%
94
94
84
6
2
1
1
47
47
44
1
1
1
39
18
16
5
42,0
42,0
37,5
2,7
0,9
0,4
0,4
21,0
21,0
19,6
0,4
0,4
0,4
17,4
8,0
7,1
2,2
75
Häufigste Wirkstoffe, Wirkstoff- und Arzneimittelgruppen
innerhalb der Hauptdiagnosegruppe Sedativa
Arzneimittelgruppe/ Wirkstoffgruppe/ Wirkstoff
N
%
Tranquilizer
Benzodiazepine
Diazepam
Bromazepam
Dikaliumclorazepat
Lorazepam
Hypnotika
Benzodiazepine
Flunitrazepam
Lormetazepam
Chem. def. Hypnotika
Zolpidem
Analgetika
Opioide
Tramadol
Codeinphosphat
Tilidin
20
20
11
6
2
1
6
4
3
1
2
2
5
5
3
1
1
48,8
48,8
26,8
14,6
4,9
2,4
14,6
9,8
7,3
2,4
4,9
4,9
12,2
12,2
7,3
2,4
2,4
76
Ziele des Referats
• Hinweise für zunehmende soziale Erwartungen an die
Wirkung von Arzneimitteln
• Überblick zum Konsum und Missbrauch von Arzneimitteln in
Deutschland
• Ausgewählte Grundlagen und Begriffsklärungen, die sich
schwerpunktmäßig auf psychoaktive Substanzen
beschränken
• Daten zum Arzneimittelmissbrauch bei älteren Menschen
• Ausgewählte Ergebnisse des Monitoring-Systems PHARMON für Arzneimittelmissbrauch bei Suchtpatienten
77
Einstiegsfragen
Aus Leitfaden für Ärzte (2007):
• Bei welchen Beschwerden oder Störungen nehmen Sie
Medikamente?
• Nehmen sie hin und wieder zur Verbesserung Ihres
allgemeinen Befindens oder der Stimmung Medikamente?
• Haben schon mal die Erfahrung gemacht, dass diese
Beschwerden schlimmer geworden sind, wenn Sie einmal die
Medikamente weggelassen haben?
78
Monitoring System für Arzneimittelmissbrauch im Suchtbereich
PHAR-MON (früher ebis-med)
Ziele und Aufgaben (I)
• Beschreibung des Missbrauchs von Arzneimitteln und
deren Konsummuster im Querschnitt und im Längsschnitt in
Suchtberatungsstellen
• Schnelles Erkennen von Trends und neuen Substanzen
• Analyse des Abhängigkeitspotenzials von Arzneimitteln
• Analyse des Risikos für einen Arzneimittelmissbrauch in
verschiedenen Patientengruppen
• Anregung zu einer fokussierten Diagnostik zum
Arzneimittelmissbrauch bei Alkohol- und Drogenabhängigen
sowie bei Medikamentenabhängigen
79
Methodik (I)
•
Stichprobe von Suchtberatungsstellen
36 Beratungsstellen als repräsentative Stichprobe aus einer umfassenderen
Stichprobe der Deutschen Suchthilfestatistik von 707 Beratungsstellen. Die
Gesamtgruppe wird auf 1.049 geschätzt (Sonntag & Welsch, 2004)
Kriterien der Repräsentativität
 Kriterien für Einschluss:
Missbrauch von Arzneimitteln bei Patienten mit einer substanzbezogenen
Störung definiert als
– ICD-10 schädlicher Gebrauch oder Abhängigkeit
– Missbrauch definiert nach quantitativen und qualitativen Kriterien des
Arzneimittelgebrauchs (DHS, 1987)
80
Methodik (II)
•
Erhebungsinstrument
Fragebogen (16 globale Items) über Missbrauchskriterien, Bezugsquellen,
Gründe der Einnahme
Erfassung von Missbrauchs- und Abhängigkeitskriterien
•
Daten Analyse / Auswertung
Als Querschnitt- und Längsschnittanalyse
Getrennte Analyse für die Hauptsuchtdiagnosen Alkohol, Sedativa/ Hypnotika
und Opioide
Auf drei Klassifikationsebenen der Medikamente:
(1) Wirkstoff,
(2) Wirkstoffgruppe und
(3) Anwendungsgruppe
(zum Teil nach Vorgabe durch die Rote-Liste, z. T. nach andere Aspekten, wie
z. B. Substitutionsmittel)
81
Häufigste Arzneimittelgruppen in den drei
Hauptdiagnosegruppen von PHAR-MON 2011
Arzneimittelgruppe
Analeptika
Alkohol
n
%
0
0
Sedativa/
Hypnotika
n
%
Opioide
n
%
0,4
0
0
2
3
1
2
2
0
0
0
0
2
3
0
9,7
3,2
6,5
6,5
0
0
0
0
6,5
9,7
0
29
3
26
14
0
0
0
1
13
29
0
(Methylphenidat)
Analgetika
Nichtopioid- A.
Opioid-A.
Antidepressiva
chem. Def. AD
SNRI
SSRI
Tetrazykl. AD
Trizykl. AT
Antiepileptika
Antihypertonika
18
13
5
16
1
1
7
2
5
2
4
20,9
15,1
5,8
18,6
1,2
1,2
8,1
2,3
5,8
2,3
4,7
5,4
0,6
4,8
2,6
0
0
0
0,2
2,4
5,4
0
82
Fortsetzung: Häufigste Arzneimittelgruppen in
drei Hauptdiagnosegruppen von PHAR-MON
Arzneimittelgruppe
Alkohol
n
Antitussiva
0
Diuretika
0
Entwöhnungsm. 1
Magen-Darm-M.
4
Migränemittel
1
Muskelrelaxant.
1
Narkosemittel
0
Neuroleptika
9
Sedativa/Hypnot 24
Benzodiazepine 18
Chem. def. Hypn
6
Substitionsmit.
3
%
0
0
1,2
4,7
1,2
1,2
0
10,5
27,9
20,9
7,0
3,5
Sedativa/
Hypnotika
n
%
Opioide
n
%
1
0
1
0
0
1
0
1
18
13
5
1
0
1
0
0
1
1
1
3
141
139
2
314
0
0,2
0
0
0,2
0,2
0,2
0,6
26,3
25,9
0,4
58,5
3,2
0
3,2
0
0
3,2
0
3,2
58,1
41,9
16,1
3,2
83
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