Hörmappe Frühförderin: Telefon: E-Mail: [email protected] Pfalzinstitut für Hören und Kommunikation, Augustin-Violet-Schule Holzhofstr. 21, 67227 Frankenthal, www.pih-ft.de Telefon: 06233 4909 -0 06233 4909 -264 06233 4909 -150 Zentrale Frühförderung, Mitarbeiterinnen, AB Frühförderung, Leitung, Anja Korn-Distel Hörmappe für den Einsatz in Kindertagesstätten Pfalzinstitut für Hören und Kommunikation • Augustin-Violet-Schule Holzhofstr. 21 • 67227 Frankenthal • Tel.: 06233 4909 -0 bzw. -264 oder -150 E-Mail: [email protected] • Internet: www.pfalzinstitut-frankenthal.de PIH, Frühförderung, Fassung 10/2015 Inhalt der Hörmappe: Teil 1: Pädagogische Unterstützung Teil 2: Hörtechnik Teil 3: Raumakustik und Höranlagen Der Inklusionsgedanke Das Konzept der inklusiven Erziehung beruht auf dem Prinzip, alle [Kinder] ungeachtet ihrer individuellen Unterschiede gemeinsam zu [bilden]. Heterogenität wird nicht als Problem, sondern als Bereicherung gesehen. Ziele der inklusiven Bildung sind insbesondere die Anerkennung und Wahrung der Vielfalt sowie die Bekämpfung diskriminierender Einstellungen und Werte. Die inklusive Pädagogik erhebt den Anspruch, eine Antwort auf die komplette Vielfalt aller Kinder zu finden, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen sowie ihren ethnischen, kulturellen bzw. sozialen Unterschieden. Die Bedürfnisse der Kinder stehen im Mittelpunkt, d.h. Bildungseinrichtungen müssen sich an die individuellen Voraussetzungen der Kinder anpassen und nicht umgekehrt. Oliver Schneider, Hörpäd 4/2010, Seite 151 Integration von Kindern mit Hörschädigung Damit das Kind die Chance bekommt … • … seinen Lebens- und Erfahrungsmittelpunkt dort zu haben, wo auch seine Familie lebt. • … sich im gleichen sozialen Umfeld aufzuhalten und Beziehungen zu anderen Kindern zu entwickeln, wie Geschwisterkinder auch. • … seine sozialen Kontakte in der gleichen Weise zu knüpfen wie es hörende Kinder auch tun. Integration Die Basis für Integration ist eine positive Hör- und Sprachentwicklung. Je früher die Hörschädigung eines Kindes entdeckt wird, desto größer sind die Chancen auf eine positive Hör- und Sprachentwicklung. Noch nie waren die Voraussetzungen für eine positive Hör- und Sprachentwicklung besser als heute. Integration im Kindergarten Was ist hilfreich für das Kind? • gut funktionierende Technik: • Wartung von HG / CI • Reservebatterien / Akkus • FM-Anlage • evtl. Überprüfungsmöglichkeiten • Arbeit in Kleingruppen • gute akustische Raumverhältnisse • Rückzugsraum (Möglichkeit von Hörpausen) • Zuhörraum für Kleingruppe (beim Vorlesen / Spielen) Was bedeutet es, ein Kind mit Hörschädigung in der Gruppe zu haben? man „sieht“ die Behinderung nicht! Sprachfähigkeit nicht gleich Hörfähigkeit eingeschränktes Hören und damit kein beiläufiges Hören häufig dadurch: weniger Weltwissen Hören ist besonders anstrengend Welche Hilfen braucht das Kind? Unterstützung beim Aufbau des Wortschatzes und grammatikalischer Fähigkeiten bewusste Erweiterung des Weltwissens Stärkung der Sozialkompetenz verständnisvolle Partner, die Grundregeln für den lautsprachlichen Umgang mit dem Kind mit Hörschädigung berücksichtigen klare Regeln im strukturierten Tagesablauf handlungsorientiertes Arbeiten, Einsatz visueller Hilfen Hilfreiche Unterstützung für ein Kind mit Hörschädigung Kooperation • mit der Familie • mit der Frühförderstelle • mit dem Rehabilitationszentrum Möglichkeit und Zeit zum Zuhören • in der Gesamt- und in der Kleingruppe • in der Zweier-Gruppe • ganz wichtig: Dialog-Erfahrung Möglichkeit zum Selbstsprechen • ohne Zeitdruck • über Themen, die interessieren Sprachlicher Umgang mit dem Kind natürliche Prosodie, keine überartikulierte Aussprache kindgerechte Rhythmik und Melodik normale Lautstärke mit Variationen Ausdruck von Emotionen über die Sprache, auch mit lautmalerischen Mitteln Mimik und Gestik in üblichem Umfang, ebenso visuelle Hinweise Ansprache mit und ohne Mundbild Ansprache aus unterschiedlichen Richtungen umfangreiche sprachliche Begleitung der Handlungen wichtige Inhalte wiederholen Veranschaulichung der Sprache mittels Bildern, Fotos, Gegenständen oder auch Handlungen Anregungen zur sprachlichen Förderung im Kindergarten-Alltag Korrektives Feedback Die Äußerungen des Kindes werden aufgefangen und in korrigierter, erweiterter Form wiederholt, ohne das Kind darauf hinzuweisen. Dialoge In Alltagssituationen konsequent die Signale des Kindes auffangen und versprachlichen - sowohl eigene Handlungen als auch die Handlungen des Kindes. Prinzip der Wiederholung Gezielte Wiederholungen bieten Kindern mit Hörschädigung gute Möglichkeiten, Sprache zu erwerben, zu vertiefen und Inhalte zu erfassen und zu speichern. Sprachliche Äußerungen einfordern Das Kind soll lernen, dass es Sprache einsetzen kann, bzw. muss, um etwas zu erreichen oder zu bekommen. Deshalb sollte man versuchen, nicht immer seinen Wünschen zuvor zu kommen, sondern ihm die Chance und ein Sprachvorbild geben, diese sprachlich auszudrücken. Wichtig ist dabei, dass das Kind sich im Rahmen seiner Möglichkeiten sprachlich äußert, nicht dass es Ihre Äußerung stereotyp nachspricht. Durch Fragen zum Zuhören und Sprechen anregen Fragen regen das Kind dazu an, genau hinzuhören und seine Wünsche und Beobachtungen sprachlich auszudrücken. Förderlich sind dabei vor allem Alternativfragen und offene Fragen, die eine umfassendere Antwort verlangen. Wie verstehen wir uns am besten? Prinzip des Turn-takings beachten Themenwechsel deutlich machen Sprechpausen einlegen nach Fragen lange genug abwarten Das Kind reagiert nicht – was tun? Sitzen die Geräte korrekt? Sind die Hörgeräte / CIs eingeschaltet? Sind die Batterien / Akkus leer? Geräte überprüfen Ist es gerade sehr laut? Wurde die gesamte Gruppe angesprochen? Ist das Kind gerade in einer Aktion vertieft? zum Kind hingehen, Blickkontakt aufnehmen, es mit Namen ansprechen, Äußerung wiederholen Versteht das Kind den Inhalt der Äußerung nicht? Äußerung wiederholen, umformulieren, evtl. Anschauungsmaterial dazu nehmen Anregungen zur sprachlichen Förderung im Kindergarten-Alltag Rollenspiele z. B. beim Bäcker, im Gemüseladen, u. a. Bilderbücher intensive Bilderbuchbetrachtungen ritualisierte Kreis- und Singspiele gemeinsame Aktionen z. B. kochen, backen, Regenwürmer sammeln, u. a. Brettspiele z. B. zum spielerischen Üben bestimmter Satzstrukturen, Farben lernen, zählen u. v. m. Erlebnistagebuch (gemeinsame) Gestaltung von Erlebnisblättern in Zusammenarbeit mit Elternhaus und Frühförderung Ganzheitliche Förderung des Kindes oder: „Unsere Kinder bestehen nicht nur aus zwei Ohren.“ Ansetzen an den Stärken des Kindes • Entwicklung und Stärkung des kindlichen Selbstwertgefühls • Bewusstmachen der individuellen kindlichen Stärken, gerade auch gegenüber der Eltern • Lernen mit allen Sinnen Die Stärken stärken, um die Schwächen zu schwächen! Unsere Kinder brauchen nicht mehr vom Speziellen, sondern mehr vom Normalen. Morag Clark Aber nur das Ende der Hörmappe, Teil 1, jetzt kommt noch Hörmappe, Teil 2 Hörmappe, Teil 2: Hörtechnik Hören und Hörschädigung Wie funktioniert unser „Hören“? Der Schall wird von der Ohrmuschel aufgefangen, gebündelt, verstärkt und gelangt durch den Gehörgang (1) zum Trommelfell (2), das am Eingang zum Mittelohr sitzt. Das Trommelfell beginnt zu vibrieren. Die mit ihm verbundene Gehörknöchelchenkette (3), mit Hammer, Amboss und Steigbügel – wird in Bewegung gesetzt. Sie verstärkt die eingehenden Signale um das 20-fache. Das letzte Gehörknöchelchen (4) ist mit dem Innenohr (5) (Schnecke = Cochlea) verbunden. Deshalb gerät auch die Flüssigkeit im Innenohr in Bewegung. Dadurch werden in der Schnecke ca. 20.000 kleine hochempfindliche Sinneshärchen (6) stimuliert, welche die Schwingungen in elektrische Impulse umwandeln. Der Hörnerv (7) nimmt diese Impulse auf und leitet sie zum Gehirn weiter. Das (geübte) Gehirn registriert, entschlüsselt, hört, erkennt und versteht die ankommenden Nervenimpulse als Geräusche, Töne, Laute, Stimmen, Wörter, Sätze, Sprachganzes. Was ist wie laut? Hören – Hörschädigungen optische Verdeutlichungen I gutes Hören Schallleitungsproblem geringere Quantität Schallempfindungsproblem geringere Qualität Schallleitungsschwerhörigkeit Definition: Störungen der Schallübertragung im äußeren Gehörgang und/oder im Mittelohr vorübergehend: Tubenbelüftungsstörung (Paukenerguss) bzw. Mittelohrentzündung permanent: Folge angeborener oder erworbener Defekte der Schall übertragenden Strukturen im Gehörgang bzw. Mittelohr Schallempfindungsschwerhörigkeit Definition: Hörstörungen, die durch Innenohr- oder Hörnervenschädigungen bedingt sind. Hierdurch ist die Verarbeitung im Gehirn beeinträchtigt. • Man hört einige Frequenzbereiche nicht, verzerrt, gedämpfter, also „grundsätzlich anders“. • Die Schallempfindungsschwerhörigkeit ist nicht zu beheben und lediglich durch medizinische, technische und pädagogische Maßnahmen in ihrer Auswirkung zu lindern. Hören – Hörschädigungen optische Verdeutlichungen II Fazit: Menschen mit Hörschädigung hören ... ... anders. Mögliche Probleme bei der Sprachentwicklung • eingeschränktes Sprachverständnis • reduzierter Wortschatz • grammatikalisch auffällige Sprache • Lautbildungsfehler Wie funktioniert ein Hörgerät? Auswirkung elektronischer Hörhilfen idealisierte Darstellung Dank der Hörhilfe wird die Hörschwelle in den Sprachbereich hinein verschoben, wodurch Sprache gehört und damit auch Sprachfähigkeit entwickelt werden kann. Grad des Hörverlustes Der Hörverlust wird in verschiedene Kategorien eingeteilt: • geringgradiger Hörverlust: 25 - 40 dB • mittelgradiger Hörverlust: 40 - 70 dB • hochgradiger Hörverlust: 70 - 95 dB • an Taubheit grenzender Hörverlust bzw. Resthörigkeit: ab 95 dB Wie funktioniert ein Cochlea Implantat? (1) Der Schall wird vom Mikrofon aufgenommen. (2) Er wird kodiert und in digitale Signale umgewandelt, (3) die an die Übertragungsspule weitergeleitet werden. (4) Diese sendet die Signale durch die Haut an das Implantat. Dort werden sie in elektrische Signale umgewandelt. (5) Die Signale werden an den Elektrodenträger geschickt, um die Hörnervfasern in der Cochlea zu stimulieren. (6) Von hier werden die Signale an das Gehirn weitergeleitet, wo sie als Töne wahrgenommen werden. Quelle: Info Broschüre der Firma Cochlear mit freundlicher Genehmigung Audiogrammbeispiel mit Cochlea-Implantat Audiogramme Beispiel eines bilateral CI-versorgten Kindes CI Ansichten C1.2 Elektrode HiRes90K Implantate von Advanced Bionics mit freundlicher Genehmigung von Hanna K. Abgrenzung Hörgerät o Das Hörgerät verstärkt den Schall mit Hilfe des Mittelohres. o Der verstärkte Schall verschiebt die Hörschwelle in den Sprachbereich hinein, wodurch Sprachfähigkeit entwickelt und Sprache gehört werden kann. Cochlea Implantat o Das CI stimuliert die Hörnervendigungen elektrisch ohne Einbeziehung des Mittelohres. o Weil eine mechanische Reizung der Haarsinneszellen keine verwertbaren APs liefert, werden im Innenohr die Hörnervendigungen direkt elektrisch stimuliert. Obwohl Hörgerät und Cochlea Implantat hervorragende technische Geräte sind, bleiben sie trotzdem nur ein Hilfsmittel bzw. eine Prothese und ermöglichen kein natürliches Hören in vollem Umfang. Aber nur das Ende der Hörmappe, Teil 2, jetzt kommt noch Hörmappe, Teil 3 Hörmappe, Teil 3: Raumakustik und Höranlagen Beeinflussung von Hörverstehen / Sprachverständlichkeit Nutzschall Die normale Lautstärke eines Sprechers beträgt in 1 Meter Abstand ca. 60 - 65 dB. 1m Störschall / Lärm Schallpegelmessungen üblicher Lärmpegel: - in 5. – 8. Klassen: ca. 60 dB - in Turnhallen: ca. 100 dB - zum Stundenwechsel: ca. 90 dB unabhängig von Nachhalleffekten App: Schall-Messung Lärmampel Das pädagogische Werkzeug zur Lärmreduzierung in Kitas und Schulklassen. Hörende können ein Nutzschall-Störschall-Verhältnis von – 5 dB noch verarbeiten. Menschen mit Hörschädigung benötigen ein Nutzschall-Störschall-Verhältnis von + 15 dB, um Sprache gut verstehen zu können. Hörende können ein Nutzschall-Störschall-Verhältnis von – 5 dB noch verarbeiten. Menschen mit Hörschädigung benötigen ein Nutzschall-Störschall-Verhältnis von + 15 dB, um Sprache gut verstehen zu können. Nutzschall-Störschall-Verhältnis SNR: Signal-to-noise-ratio Voraussetzung für ein gutes Sprachverständnis: Der Nutzschall muss lauter als der Störschall sein. Entfernung / Distanz Ein akustisches Signal nimmt bei einer Verdopplung der Distanz um 6 dB ab. 1m Schallquelle Schallquelle Schallquelle 65 dB 2m 59 dB 4m 53 dB Entfernung / Distanz Ein akustisches Signal nimmt bei einer Verdopplung der Distanz um 6 dB ab, Empfindung: halb so laut. NACHHALLHALL HALLHALLHALLHALLHALL Diffuse Schallreflexionen (Nachhall) von Wänden und Decke nehmen dem Sprachsignal die Prägnanz. Direktschall frühe Reflexionen Nachhall Könnt ihr denn nicht zuhören?! Je jünger die Kinder, desto gravierender wirken sich Störgeräusche und/oder Nachhall auf die Verstehens-Leistung aus. Unter günstigen Hörbedingungen findet man kaum Unterschiede zwischen den Altersgruppen in der Verstehens-Leistung. SuS: Schülerinnen und Schüler Lärm in der Kita Nachhall / Lärm Verschlechterung der Sprachverständlichkeit Information wird falsch oder gar nicht verstanden schnellere Ermüdung erhöhte Höranstrengung weniger Ressourcen für das Behalten und Verarbeiten der gehörten Informationen … wirkt sich also negativ aus auf: das Sprachverständnis, die Konzentration, das sprachliche Kurzzeitgedächtnis, das Sozialverhalten sowie auf die Artikulation und die Stimme Verbesserung der Raumakustik Ziele: Störschallreduzierung auf weniger als 50 dB Verringerung des Nachhalls auf ca. 0,4 sec Verstärkung des Nutzschalls Maßnahmen: Schalldämmung Soundfield-Anlage => Raumbeschallung FM-Anlage / Roger-Anlage für Menschen mit Hörschädigung Einfache Maßnahmen zur Verbesserung der Raumakustik und Lärmreduzierung Kissen, Kissenkreis statt Stuhlkreis Sofas, Decken Wandbilder aus Stoff mit Stoff überzogene Pinnwände Filzgleiter unter Stuhl- und Tischbeinen Würfeln auf Unterlage Einlagen in Spielzeugkisten (z. B. Teppichbodenrest) Tischsets am Essenstisch Quelle: G. Batliner, Vortrag 2015 Die Höranlage zu Hause – in der Kita – in der Schule Roger clip-on-mic Roger DynaMic Handmikrofon Roger DynaMic Soundfield Roger MyLink Empfänger Roger Pen Sender Roger X Universalempfänger Roger Inspiro Sender Roger Inspiro Ansteckmikrofon Quelle: Roger Inspiro Online Broschüre der Fa Phonak mit freundlicher Genehmigung Kinder sind Reisende, die nach dem Weg fragen, wir wollen ihnen gute Begleiter sein.