CONSILIUM MITTEILUNGEN DER ÄRZTEKAMMER FÜR NIEDERÖSTERREICH | 70. JAHRGANG NR. 09/15 Registrierkassenpflicht ab 2016 Ärzteausbildung neu Start des DFP-Literaturstudiums „Meine eigene Ordination.“ Für uns zählt, was für Sie zählt. Sie haben klare Vorstellungen und Ziele. Deshalb unterstützen wir Sie und Ihre Ideen mit der passenden Finanzlösung. www.erstebank/s-aerzteservice www.s-aerzteservice.at Besuchen Sie uns auf: facebook.com/erstebank.sparkasse KURZ & SERVICE BÜNDIG Kurz & bündig 31 neue Mitglieder in der NÖ Ärztekammer Seit 2009 werden die Ärzteausweise nicht mehr wie bisher postalisch an die JungmedizinerInnen zugeschickt, sondern im Zuge einer Informationsveranstaltung persönlich übergeben. Seitens der Ärztekammer sind zahlreiche Spitzenfunktionäre bei den monatlich stattfindenden Ärzteausweisverleihungen anwesend. So wird den JungmedizinerInnen die Gelegenheit geboten, unter anderem den Präsidenten der Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, den Vizepräsidenten, Dr. Gerrit Loibl, MSc, den 2. Vizepräsidenten und Kurienobmann, Dr. Ronald Gallob, seinen Stellvertreter, Dr. Stefan Halper, und Dr. Karl Ischovitsch, aber auch Vertreter des Wohlfahrtsfonds und des Kammeramtes persönlich kennenzulernen. Da die Ärzteausweisverleihung monatlich stattfindet, haben die Gruppen eine perfekte Größe, um produktiv und zeitökonomisch zu arbeiten. Aufgrund des großen Interesses und der zahlreichen Anfragen im Laufe des Abends plant die Kurie nun Fortsetzungsveranstaltungen, in denen auf spezifische Themen ausführlich eingegangen werden kann. Bei der Ausweisverleihung am 29. Juli 2015 wurden Dr. Nazem ATASSI, Dr. Elisabeth BAUER, Dr. Alexander GALUSKA, Dr. Romana GRASS, Dr. Romana KLASINC, dr.med. Vera KÖHEGYI, Dr. Robert KRUGER, Dr. Katharina KYSKA, Dr. Conrad LACOM, dr.med. Elöd LASZLO, Dr. Nadine LIBISCH, Dr. Nikolaus LUEGER, Dr. Madeleine MISTELBAUER-OBERNBERGER, MUDr. Martin PERNA, Dr. Monika VOITL, Dr. Maria Rosa Elisabeth WERNERT und Dr. Sebastian WERNERT ihre Ausweise verliehen. Bei der Ausweisverleihung am 26. August 2015 wurden Dr. Lukus ANTONITSCH, Dott. Luigi EPIFANI, Dr. Paul FELDBACHER, MUDr. Martin HUTAN, PhD., Dr.med. Aniko Rozsa LAKATOS, Dr. med. Kristijan MAKARUHA, Dr. Dragana MIRNIC, Dr. Thomas PERKONIG, Dr. Julia PONGRACZ, Mag.phil. Dr. Anja REININGER, Dott. Simone SANTOSUOSSO, Dr. Christian SCHWARZ, MUDr. Marek VARGA und Dr. Markus WEILHARTER ihre Ausweise verliehen. Wir gratulieren recht herzlich! Patienteninformation Transporte Foto: bilderbox.com Beim qualifizierten Krankentransport treten wiederholt Fragen auf, weshalb eine Patienteninformation Transporte erstellt wurde. Die Krankenkasse übernimmt Transportkosten, wenn ärztlich bescheinigt wird, dass der gehunfähige erkrankte Patient auf Grund seines Zustandes kein öffentliches Verkehrsmittel – auch nicht mit einer Begleitung - benutzen kann. Die Patienteninformation beschreibt Transportmöglichkeiten und führt Beispiele an. Fälle, in denen die Kasse keine Kosten übernimmt, werden ebenso aufgelistet. Ein Informationsblatt steht im Download-Center der Ärztekammer unter www.arztnoe.at zur Verfügung und ist für unklare Einzelfälle als Unterstützung gedacht. Es kann dem Patienten ausgehändigt werden. IMPRESSUM: Verleger, Medieninhaber und Herausgeber: Ärztekammer für Niederösterreich, Körperschaft Öffentlichen Rechts; 1010 Wien, Wipplingerstr. 2, Tel. 01/53751-0, FAX: 01/53751-19, www.arztnoe.at; Chefredaktion: Präs. Dr. Christoph Reisner, MSc, Dw. 241; Redaktionsleitung: Michael Dihlmann, Dw. 321, Mag. Birgit Jung, Dw. 623; Bildredaktion, Layout, Produktion, Abonnements, Wortanzeigen: Daniela Kotouc, MA, Dw. 633, [email protected]. Die Redaktion behält sich vor, unaufgefordert eingesandte Beiträge teilweise oder gar nicht zu veröffentlichen. Alle mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Einschaltungen. Alle namentlich gezeichneten Beiträge müssen nicht zwingend die Meinung des Herausgebers repräsentieren. Anzeigen: FIVE NF GmbH, Kutschkergasse 26, Postfach 63, 1180 Wien, Tel. 0676/440 51 81, [email protected]; Grafisches Konzept: Kotschever Kommunikationshaus; Herstellung, Druck, Vertrieb: Colordruck La Linea GmbH., Kalkofenweg 6, 5400 Hallein/Gamp, Tel. 06245/90111-0, [email protected]; Abopreis: 55 Euro/Jahr (10 Ausgaben) Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, Wallig Ennstaler Druckerei und Verlag GmbH, UW-Nr. 811 CONSILIUM 09/15 3 Fotos: bilderbox.com INHALT Seite 07 Seite Inhalt 21 Seite 23 Service Kurz & bündig Seite 03 Fortbildungsveranstaltungen Seite 40 Impressum Seite 03 Anmeldeformular Seite 47 Editorial Präsident Seite 05 FAM Seite 49 Editorial Vizepräsident Seite 06 Termine Seite 52 Registrierkassenpflicht für Ärzte Seite 07 Standesveränderungen Seite 54 Kommentar Dr. Wudy Seite 09 Jubiläen Seite 57 Gesetzgebungsprozesse Seite 14 Offene Stellen Seite 60 PHC-Gesetz Seite 15 Vertretungsärzte Seite 64 Ärzteausbildung NEU Seite 21 Punktewerte Seite 66 FAQ für Spitalsärzte Seite 22 Kleininserate Seite 67 DFP-Literaturstudium Seite 23 Ernährungsmedizinische Konzepte Seite 25 Fragebogen Seite 31 „Läuse und Flöhe” Seite 32 71. Erfahrungsaustausch Seite 36 Liebe LeserInnen! Diese Ausgabe des NÖ Consilium ging am 15. September 2015 in den Versand. Sollten Sie das Heft nicht zeitgerecht im Briefkasten vorfinden, wenden Sie sich bitte an Ihr zuständiges Postamt. REDAKTIONSSCHLUSS: Ausgabe 11/15: Mittwoch, 21. Oktober 2015, 12.00 Uhr; Coverfoto: Stock Creative - Fotolia 4 CONSILIUM 09/15 Foto: Bernhard Noll PRÄSIDENT Dr. Christoph Reisner, MSc www.wahlarzt.at Mit Kanonen auf Spatzen Registrierkassenpflicht ab 2016 I n dieser Ausgabe des Consilium haben wir eine Übersicht über den Stand der Entwicklung in Sachen Registrierkassenpflicht abgedruckt. Diese Registrierkassenpflicht wird 2016 kommen und 2017 verschärft. Zum jetzigen Zeitpunkt sind viele Details jedoch noch sehr unausgegoren und nicht gesetzlich beschlossen. Daher die wichtigsten Empfehlungen zu Beginn: Kaufen Sie sich derzeit NOCH KEINE Registrierkasse. Es sind Angebote in Umlauf, von denen wir allerdings noch gar nicht wissen können, ob sie den Anforderungen genügen werden, deren Details noch in Entwicklung sind. Wir halten Sie über alle Entwicklungen im Rahmen unserer Informationskanäle auf dem Laufenden. Generell kann jedoch gesagt werden, dass das Ziel dieser Verpflichtung zumindest im Ärztebereich nicht erreicht werden wird. Wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unterliegen bereits heute einer derartig umfangreichen Dokumentationspflicht, dass Steuerhinterziehungen ohnehin schwierig bis unmöglich sind. Im Bereich der Wahlärztinnen und Wahlärzte werden schon immer Honorarnoten ausgestellt, die von den Patientinnen und Patienten bei den Sozialversicherungen eingereicht werden. Im Bereich der ärztlichen Hausapotheken wird der Großteil der Medikamente mit den Sozialversicherungen abgerechnet. Und diese Vorgänge sind bereits mehrfach elektronisch erfasst. Nun kommt noch die Registrierkasse dazu, als wäre das jetzt der Schlüssel zum Aufdecken von Steuerhinterziehungen. Zugegebenermaßen gibt es natürlich auch in Ordinationen theoretisch steuertechnische Schlupflöcher. Diese wird man aber mit einer Registrierkasse NICHT stopfen können. Klassische „Schwarzzahlungen“, wie sie etwa im Bereich von „Nachbarschaftshilfe“ bei Bauvorhaben vorkommen sollen, lassen sich durch Registrierkassen auch nicht verhindern. Dies sind Zahlungen, die einfach nie stattgefunden haben. Und daran wird eine Registrierkassenpflicht auch nichts ändern. Seltsamerweise werden die Umsätze über Bankomat auch in die Verpflichtung miteinbezogen. So sind dann Behandlungs- und Geschäftsvorgänge, die bereits im Zuge der medizinischen, juristischen und bürokratischen Abwicklung von Patientinnen und Patienten bereits drei Mal erfasst wurden, eben noch ein viertes Mal zu erfassen. Aus meiner Sicht ist das im Ärztebereich daher kein probates Mittel zur Erfassung von Steuerhinterziehung. Vielmehr ein weiterer Versuch der Kriminalisierung rechtschaffender Bürgerinnen und Bürger, die mittlerweile auf allen Ebenen in Bürokratie immer mehr zu ersticken drohen. Im Bereich der Besetzbarkeit von Kassenstellen werden immer wieder Gründe gesucht, warum die Zahl der Bewerber kontinuierlich zurückgeht. Natürlich ist das Einkommen ein Thema. Natürlich sind die Ausbildung und die mangelnde Vorbereitung etwa in Lehrpraxen ein Thema. Aber die Furcht vor der NichtBewältigbarkeit der Anforderungen administrativer Art sowie die Tatsache, dass immer mehr der Zeit der niedergelassenen Ärzteschaft durch teils unnötige Bürokratie verbraucht wird, schreckt viele Jungärztinnen und -ärzte vom Gang in die niedergelassene Ordination ab. Diese Registrierkassenpflicht wird sicherlich auch keinen positiven Beitrag zur Reduktion des Ärztemangels schaffen. DR. CHRISTOPH REISNER, MSC Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich facebook.com/christoph.reisner Krankenbehandlung von Asylwerbern Asylwerber und Flüchtlinge werden in die Grundversorgung des Bundes bzw. Landes übernommen. Grundversorgte haben Anspruch auf Krankenversicherung, wenn sie hilfsbedürftig sind. Sie erhalten rasch nach der Registrierung in den Erstaufnahmezentren bzw. durch die Betreuungsstellen eine Sozialversicherungsnummer, welche im e-card-Server gespeichert wird. Mit dieser Versicherungsnummer kann im e-card System der sogenannte ocard Fall gesteckt und eine Konsultation verbucht werden. Grundversorgte sind von der Rezeptgebühr befreit. Kassenrezept mit Sozialversicherungsnummer für Asylwerber Aus aktuellem Anlass hat uns die Abteilung Heilmittelabrechnung der NÖ Gebietskrankenkasse gebeten darauf hinzuweisen, dass bei der Ausstellung von Kassenrezepten für Asylwerber für die Abrechnung der Heilmittel unbedingt die Sozialversicherungsnummer am Rezept anzuführen ist. Asylwerber werden in die Grundversorgung aufgenommen und sind von der Rezeptgebühr befreit. CONSILIUM 09/15 5 Foto: Raimo Rumpler VIZEPRÄSIDENT VP Dr. Gerrit Loibl, MSc [email protected] Nach Einbruch der Dämmerung D er nasskalte Wind trieb tiefliegende Wolken von Osten wurde. Das Tier schrak zusammen, kreischte laut auf und vervor sich her, gelegentlich konnte der einsame Spaziergän- schwand panisch in ungelenken Sprüngen im Dunkel des Garger einen Blick auf die schmutzig wirkende bleiche Mondsichel tens. Unter dem weißen Umhang war nun eine leise Stimme zu werfen. Die kahlen Äste der Alleebäume wurden vom Sturm hören: „Ihr wisst, Ihr seid der einzige, der mich erlösen kann. gepeitscht und gemahnten den Wanderer an tanzende Gerippe. Ich möchte endlich einmal wieder schlafen können, so wie alle Von Ferne war das klagende Heulen eines Hundes zu hören, anderen. Seit Jahren bin ich verdammt und kann nicht zur Ruhe oder war es vielleicht ein Wolf? An der Friedhofsmauer beschleu- kommen, seit der Sache damals mit Lord Peter…“ Sie warf den nigte der Mann seine Schritte, trotzdem warf er an der schmie- Umhang zurück und der Mann hinter dem Schreibtisch konnte deeisernen Türe unwillkürlich einen Blick auf den Gottesacker die klaffende Wunde an ihrer Kehle erkennen, aus der aber und schrak zusammen. Eine schmale Gestalt in einem weißen schon lange kein Blut mehr geflossen war. Mit Schaudern griff er Umhang bewegte sich durch die Gräberreihen auf den Ausgang nach dem Pergament in der untersten Schreibtischlade und zog zu, und er hatte den Eindruck, trotz des im Moment wieder die Feder aus dem Futteral. Wieder die schwache Frauenstimme: etwas stärkeren Mondlichts warf sie keinen Schatten auf den fei- „Es muss mit Blut sein, sonst kann der Bann nicht aufgehoben werden“. Der Hausherr holte ein schnen Kies des Gehwegs. Er bekreuzigte Skalpell aus einer Schatulle und sich und bog nach rechts ab, hinunter „Gestatten, Jaqueline Navratil, males ritzte sich am Handgelenk, bis einige ins Dorf. Mystery-Shopping-Queen Blutstropfen hervorquollen. Er fing sie in einem kleinen Schälchen auf, Die weiß gekleidete Frau verließ den im Dienste des Friedhof und wandte sich in die Hauptverbandes. Herr Doktor, tauchte die Feder hinein und setzte sein Zeichen auf das Pergament. Mit Gegenrichtung, wo am Rand des Sie haben jetzt ein Problem!“ gespannter Miene wartete die weißgeMoors ein einsames Haus stand, eine kleidete Frau, bis die Signatur vollenfast blinde Laterne oberhalb des Eingangs führte einen aussichtslosen Kampf gegen die hereinbre- det war und griff dann gierig nach dem Schriftstück. Ein trichende Dunkelheit. Eine bleiche Hand griff aus dem Umhang umphierendes Lächeln umspielte ihren Mund, als sie in ihren an die Klingelschnur und irgendwo im Inneren des Gebäudes Umhang griff und eine Karte herauszog. erklang das dünne Läuten einer Glocke. „Gestatten, Jaqueline Navratil, MSQ, das steht für MysteryNach einigen Minuten öffnete sich mit einem traurigen Knarren Shopping-Queen im Dienste des Hauptverbandes. Herr Doktor, die Türe und ein junges Mädchen warf einen fragenden Blick Sie haben jetzt ein Problem: E-Card von Ihrer Assistentin angeins Freie. Die weiße Gestalt übergab das Erkennungszeichen und nommen, aber keine Identitätskontrolle bei einer Ihnen noch betrat das Haus, beim Überschreiten der Schwelle öffnete sich unbekannten Patientin. Bestätigung des Krankenstandes ohne kurz ihr Umhang, worauf das Mädchen einen erstickten Schrei eingehende Untersuchung. Die Sache mit der Katze ist ja gerade von sich gab und sich die Hände vor´s Gesicht schlug. Ohne die noch gut ausgegangen, Sie wissen ja – keine Tiere im BehandBesucherin noch einmal anzusehen wies sie ihr den Weg zu den lungsraum. Ich denke, Sie sollten sich mit Ihrer Ärztekammer in Verbindung setzen und juristischen Rat einholen.“ Mit raschen Gemächern des Hausherrn und zog sich rasch zurück. Schritten ging sie zur Türe, drehte sich dort noch einmal um: Die weiße Frau betrat das Arbeitszimmer, an den Wänden „Und was die Krankenstandsmeldung betrifft: das sollte eigentvolle Bücherregale, dazwischen eine Vitrine mit verschiedenen lich schon elektronisch gehen…“ Glaskolben, Geräten und Instrumenten, hinter dem mächtigen Schreibtisch saß der Hausherr und warf der Besucherin einen DR. GERRIT LOIBL, MSC nachdenklichen Blick aus seinen müden Augen zu. „Nun habt Vizepräsident der Ärztekammer für Niederösterreich Ihr mich also doch gefunden.“ murmelte er, als er plötzlich ein Geräusch vom geöffneten Fenster her vernahm. Eine einäugige schwarze Katze war von außen auf das Fensterbrett gesprungen und schickte sich an, auf das niedrige Tischchen unter dem Fenster zu steigen, als sie plötzlich der Fremden im Zimmer gewahr 6 CONSILIUM 09/15 Foto: Raimo Rumpler Foto: sebastianphilipp.com REGISTRIERKASSE Mag. Caroline Huemer Dr. Max Wudy Registrierkassenpflicht für Ärzte A m 7. Juli 2015 wurde das Steuerreformgesetz 2015/2016 nun vom Nationalrat verabschiedet, mit dem es unter anderem zur Normierung • einer generellen Einzelaufzeichnungs- und Einzelerfassungspflicht für Barumsätze ab dem ersten Euro, • einer verpflichtenden Belegausstellung, • einer Registrierkassenpflicht für alle Unternehmer ab Erreichen von bestimmten Umsatzgrenzen kommt. Bereits im Vorfeld erreichten uns mannigfaltige Anfragen zu dieser Causa, die erst seit dem Bekanntwerden des Gesetzestextes beantwortet werden können. Hier nun eine Zusammenfassung der häufigsten Fragen und deren Antworten. Auch wenn dies immer wieder von manchen Standesvertretern behauptet wurde: Für Ärzte gibt es keine Sonderregelung. Die Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems besteht ab einem Jahresumsatz von EUR 15.000,00 je Ordination, sofern die Barumsätze EUR 7.500,00 überschreiten. Wichtig ist, dass im Sinne dieser Bestimmung zum Barumsatz auch die Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte sowie Gutscheinen gehört. Betroffen von der neuen Regelung sind vor allem •Wahlärzte •Ärzte mit Kassenverträgen, die Zusatzleistungen wie Impfungen anbieten •Ärzte mit Hausapotheke Eine Ausnahme, die allerdings bei Ärzten nicht zur Anwendung kommt, gibt es nur bei der so genannten „Kalte Hände Regelung“. Die Ausnahme gilt begrenzt mit einem Nettoumsatz von EUR 30.000,00 für Umsätze, die von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten getätigt werden. Besonders bei Ärzten mit Hausapotheken wird es oft vorkommen, dass die Medikamentenabgabe nicht in der Praxis, sondern direkt vor Ort stattfindet. Für diese Tätigkeiten gibt es, wenn sie nicht unter die „Kalte Hände Regelung“ fallen – und dies ist eigentlich immer auszuschließen - eine spezielle Regelung. Sie können diese Umsätze (sogenannte „mobile Umsätze“) vor Ort händisch aufzeichnen und anschließend in der Registrier- Foto: bilderbox.com Gilt diese Regelung auch für Ärzte? kasse in der Praxis erfassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Patient einen entsprechenden Beleg über die Barzahlung erhält, der den gesetzlich festgelegten Mindestinhalt aufweist. Das heißt, bei Hausbesuchen hat der Arzt einen händisch geschriebenen Beleg auszufolgen. Anforderungen an das Kassensystem Die technischen Anforderungen an die Registrierkassen und die erforderliche Sicherheitseinrichtung zum Schutz vor Manipulation werden durch eine eigene Verordnung („Registrierkassensicherheitsverordnung“) festgelegt. Diese Verordnung ist derzeit noch im Entwurf und soll ab 1.1.2017 in Kraft treten. Laut Entwurf soll bereits ab 1.1.2016 jede Registrierkasse über ein Datenerfassungsprotokoll sowie einen Drucker bzw. eine elektronische Vorrichtung zur Übermittlung von Zahlungsbelegen verfügen. Zusätzlich sollen alle Kassensysteme ab 1.1.2017 über einen Manipulationsschutz verfügen. Durch eine individuell zugeordnete Signatur, die auf jedem Beleg zu erfassen ist, wird sichergestellt, dass die Belege nicht im Nachhinein vom Steuerpflichtigen verändert werden können. Die ärztliche Schweigepflicht wird dadurch gewahrt, dass auf den Belegen keine PatientennaCONSILIUM 09/15 7 REGISTRIERKASSE Bezirksärztetreffen Herbst/Winter 2015/2016 men vermerkt werden müssen. Gerade hier sind die EDV Firmen gefordert, praktikable, leistbare Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Auf die physikalische Einbindung ohne zusätzlichen Verkabelungsaufwand (bestehendes Ethernet, WLAN, Bluetooth) ist besonders zu achten. Kaufen Sie im Moment noch keine Registrierkasse, die Spezifikationen zu Redaktionsschluss (26.8.2015) wurden noch nicht festgelegt. Derzeit werden vermehrt Registrierkassen als Schnäppchen in Umlauf gebracht, wobei noch fraglich ist, ob diese den geforderten Sicherheitsanforderungen genügen bzw. sich gegebenenfalls nachrüsten lassen. Wir halten Sie über kompatible, den Gesetzen entsprechende Systeme hier im Consilium, per eline und natürlich auf unserer Homepage auf dem Laufenden. Aufgrund zahlreicher Anfragen bereist der Präsident der NÖ Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, ab September die Bezirke Niederösterreichs. Im Rahmen von Bezirksärztetreffen wird er einen Überblick über die kammerpolitischen Angelegenheiten und Aktivitäten geben sowie Ihre Fragen diesbezüglich beantworten. Folgende Termine sind vorgesehen: TerminBezirk Ansprechpartner 23.09.2015 Hollabrunn 29.09.2015 Bruck/Leitha 30.09.2015 Amstetten/Melk 13.10.2015 Klosterneuburg 14.10.2015 Purkersdorf 21.10.2015 Waidhofen/Thaya 27.10.2015 Gmünd 04.11.2015 St. Pölten Stadt/Land 17.11.2015 Mistelbach 24.11.2015 Horn/Zwettl 25.11.2015Neunkirchen/ Wr. Neustadt 02.12.2015 Scheibbs offen Korneuburg offen Baden offen Tulln offen Gänserndorf offen Lilienfeld Dr. Nics Dr. Schenzel Dr. Eglseer/Dr. Waxenegger Dr. Neuwirth-Riedl Dr. Levnaic Dr. Gold Dr. Fuchs Dr. Fiedler/Dr. Barnath Dr. Wiesinger Dr. Oppeck/Dr. Danzinger Dr. Tischler/Dr. Dinhobl Dr. Brandstetter Dr. Hasenhündl Dr. Birkner Dr. Diehl Dr. Kozlowsky Dr. Friewald Details erfahren Sie bei Frau Beate Nechvatal, Tel. 01/53 751-245, E-Mail: [email protected] oder finden Sie auf www.arztnoe.at - Termine Bezirksärzteversammlung 8 CONSILIUM 09/15 Welche Pflichten treffen die Patienten? Auch für Patienten ergibt sich ab 1.1.2016 eine Neuerung im Zuge der Registrierkassenpflicht. Um zu vermeiden, dass Umsätze nicht in der Kasse verbucht werden, müssen sie nach Bezahlung der Behandlung den Kassenzettel entgegennehmen und ihn zumindest bis nach Verlassen der Praxis aufbewahren. Es ist derzeit zwar keine Verwaltungsstrafe vorgesehen, wenn man den Beleg als Patient oder Kunde nicht entgegennimmt. Sollte der Patient bei einer Überprüfung der Finanzverwaltung den Beleg über die Barzahlung nicht vorweisen, kann dies jedoch unangenehme Folgen für den betroffenen Arzt haben. Wir empfehlen, ein deutliches Hinweisschild anzubringen, das die Patienten über ihre Pflicht zur Entgegennahme des Kassenbeleges informiert. Anforderungen an Belege über Barzahlungen Ab 1.1.2016 müssen Belege einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen: •Eindeutige Bezeichnung des Arztes •Fortlaufende Nummer zur Identifizierung des Geschäftsvorfalles •Datum der Ausstellung •Art und Umfang der Leistung (die Angabe der Leistung ist auch verschlüsselt möglich) •Betrag Die Durchschrift des Beleges ist vom Arzt wie gewohnt für eine Dauer von sieben Jahren aufzubewahren. Foto: Raimo Rumpler Dr. Max Wudy Kommentar Steuerliche Vergünstigungen im Rahmen der Neuregelung Wird zwischen dem 1.3.2015 und dem 31.12.2016 aufgrund der Registrierkassenpflicht ein neues elektronisches Kassensystem erworben oder ein bestehendes System umgerüstet, können folgende steuerliche Begünstigungen geltend gemacht werden: •Die Anschaffungskosten sowie die durch die Umrüstung des Systems anfallenden Aufwendungen können sofort in voller Höhe als Betriebsausgabe abgesetzt werden. •Bei Anschaffung eines neuen Systems oder bei Umrüstung eines bestehenden Systems steht eine steuerfreie Anschaffungsprämie in Höhe von EUR 200,00 pro Erfassungseinheit zu. Diese Prämie ist in der Steuererklärung zu beantragen und wird dem Abgabenkonto gutgeschrieben. Das Wichtigste in Kürze Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Registrierkassenpflicht für Ärzte, die einen Barumsatz von EUR 7.500,00 (ein Gesamtumsatz von EUR 15.000,00 wird von uns vorausgesetzt) pro Jahr überschreiten, verpflichtend ab 1.1.2016 kommt. Ab 1.1.2017 müssen alle Registrierkassen mit einem elektronischen Sicherheitssystem gegen Manipulationen ausgestattet sein. Von der Pflicht zur Registrierkasse werden nach ersten Schätzungen über 80 Prozent aller Ärzte, fast alle Wahlärzte, aber mit Sicherheit ALLE hausapothekenführenden Ärzte betroffen sein. Es liegt nun vor allem an den EDV Firmen, eine leistbare praktikable Lösung anzubieten. Ob es wirklich Sinn macht, zusätzliche bürokratische Hürden in einem Bereich einzuführen, in dem 100 Prozent des Bestellwesens, der Lagerhaltung und der Abrechnung über die Praxis EDV läuft, überlassen wir dem geneigten Leser. MAG. CAROLINE HUEMER Prokuristin bei Kotlik Prokopp Stadler GMBH, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer 2353 Guntramsdorf, Klingerstraße 9 DR. MAX WUDY Referatsleiter Hausapotheken und Medikamentenwesen, Kurienobmannstellvertreter Derzeit ist die gesetzliche Umsetzung der Registrierkassenpflicht noch etwas unklar. Gewisse Themen sind im Laufe des Gesetzgebungsprozesses „gereift“, das heißt, der Inhalt des endgültigen Gesetzes entspricht nicht mehr dem des ersten Begutachtungsentwurfes. Offen ist die Abklärung von Detailfragen. Das geschieht, wie schon bei Gesetzesänderungen in der Vergangenheit, im Erlasswege, wobei da auch in vielen Fällen eine Vorwegabklärung mit potentiell Betroffenen erfolgt; bei den Registrierkassen und der Belegerteilungspflicht ist vor allem die Wirtschaftskammer stark involviert. Die letzten veröffentlichten Erläuterungen beziehen sich auf die Regierungsvorlage (EB RegVlg) und decken sich nicht mit dem beschlossenen Gesetz, da es in der zweiten Lesung noch einen Änderungsantrag gegeben hat, der auch angenommen wurde. (Die Erläuterungen sowie den Änderungsantrag finden Sie auf www.arztnoe.at.) Die Klärung der Einzelfragen zur Steuerreform, so auch zu den Registrierkassen, sind derzeit im Laufen, es ergeht wahrscheinlich noch im Sommer eine Verordnung, die aber rein technischer Natur sein wird, also was das System können muss. Wir arbeiten derzeit intensiv an der Klärung der unklaren Punkte. Ich stehe in ständigem Kontakt mit einem Ministerialrat vom BMF. Das Problem bei der Sache ist, dass der erlassene Gesetzestext viele Fragen offen lässt. Eine entsprechende Verordnung, die Details regeln soll, ist zwar gerade in Begutachtung, doch selbst dieser Entwurf klärt nicht alle Fragen. Derzeit geht das BMF davon aus, dass der Verordnung noch Erlässe des Finanzministeriums folgen werden müssen. Unsere EDV-Abteilung ist darüber hinaus gerade in Kontakt mit der ÖÄK, um herauszufinden, welche technischen Rahmenbedingungen ganz konkret in der Arztsoftware erfüllt sein müssen bzw. ob etwaige Angebote von Softwarefirmen den bisher bekannten gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Sobald Neues bekannt wird, werden wir Sie auf diesem Wege, aber auch per eline und auf unserer Homepage informieren. Derzeit möchte ich folgende Empfehlungen aussprechen: Da die genauen sicherheitstechnischen Vorschriften erst in der Registrierkassensicherheitsverordnung enthalten sein werden und die einzelnen Schritte der Umsetzung nicht prognostiziert werden können, warten Sie mit dem Kauf der Registrierkasse, egal wie verlockend die Angebote auch sein mögen. Es kann sonst passieren, dass Sie elektronischen Sondermüll gekauft haben. Wirklich empfehlen kann ich Ihnen derzeit nur den Ankauf eines Papierkorbes, wo die Patienten die Belege entsorgen können, nachdem sie ihn - wie gesetzlich verpflichtet - angenommen haben. DR. MAX WUDY CONSILIUM 09/15 9 REGISTRIERKASSE Registrierkassenpflicht Nun doch für Kassen- und Wahlärzte gleichsam A ls Ergebnis des in letzter Sekunde von den Abgeordneten Zakostelsky und Krainer ein- gebrachten Abänderungsantrages wurde der Umfang der Registrierkassenpflicht nun deutlich erweitert. Dies hat zur Folge, dass künftig nicht nur Wahlärzte - wie bisher aufgrund der Regierungsvorlage vermutet sondern auch alle Kassenärzte deren Barumsätze EUR 7.500,00 übersteigen von der Registrierkassenverpflichtung betroffen sein werden. Was gilt als Barumsatz? Änderung im Detail Anforderungen an die Registrierkasse Im ursprünglichen Begutachtungsentwurf ebenso wie in der Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 2015/2016 wurde im § 131b BAO die Registrierkassenpflicht für Betriebe, die überwiegend Barumsätze erzielen, gefordert. Diese Regelung sollte ab einem Jahresumsatz von EUR 15.000,00 gelten und stellte einen zentralen Punkt der Gesetzesänderung dar. Um Manipulationen der Registrierkasse bzw. des elektronischen Aufzeichnungssystems zu vermeiden sind diverse elektronische Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Wichtigster Punkt ist die individuelle Signatur, welche die nachträgliche Unveränderbarkeit des Beleges sicherstellen soll. Eine Verordnung zur Konkretisierung aller technischen Anforderungen wurde bereits in Begutachtung geschickt. Wir werden nach bekannt werden genauerer Details über mögliche Lösungen in einer eigenen Aussendung berichten. Obwohl die gesamte Registrierkassenverpflichtungen aufgrund der entstehende Kosten und vor allem des deutliche höheren Verwaltungsaufwandes bereits in der Gesetzesbegutachtungsphase heftig kritisiert wurde uA von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, der Ärztekammer und der Zahnärztekammer wurde der Umfang der Verpflichtung letztlich noch deutlich erweitert. Durch den oben erwähnten Abänderungsantrag wurde beschlossen, dass alle Betriebe ihre Bareinnahmen mittels elektronischer Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigem elektronischen Aufzeichnungssystem zu erfassen haben, wenn deren gesamter Jahresumsatz mehr als EUR 15.000,00 beträgt und ihre Barumsätze EUR 7.500,00 übersteigen. Dieser in letzter Sekunde gestellte Antrag wurde am 7.7.2015 kurzer Hand im Plenum des Nationalrates beschlossen und am 23.7.2015 vom Bundesrat bestätigt. Beobachtungszeitraum und in Kraft treten Die Registrierkassenpflicht tritt mit 1.1.2016 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt ist daher auch für umsatzsteuerliche Kleinunternehmer, die von der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung befreit sind, die Höhe der Umsätze zu überwachen. Vier Monate nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes (Kalendermonat oder Quartal) in dem die Grenze von EUR 7.500,00 überschritten wurde ist nach § 131b Abs. 3 BAO ein elektronisches Aufzeichnungssystem zu verwenden. 10 CONSILIUM 09/15 Sonderbarer weise gelten nach Maßgabe dieser Bestimmung nicht nur die tatsächlich in bar geleisteten Zahlungen sondern vielmehr auch Bankomatkarten- und Kreditkartenzahlungen sowie Zahlungen mittels Gutschein als Barumsätze und sind daher mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem zu erfassen. Belegerteilungsverpflichtung/Belegannahmeverpflichtung Durch die generelle Belegerteilungsverpflichtung ist dem Patienten künftig ein Beleg auszuhändigen. Dem gegenüber steht die Belegannahmeverpflichtung. Die Patienten werden künftig in die Pflicht genommen und müssen den ausgehändigten Beleg zumindest bis zum Verlassen der Praxisräumlichkeiten aufbewahren. Zusammenfassung Die Vorgehensweise eine Bestimmung die bereits in der Gesetzeswerdungsphase viel kritisiert wurde in letzter Sekunde durch Abänderungsantrag noch zu verschärfen scheint im Hinblick auf das Vertrauen der Bürger an den Gesetzgeber sehr zweifelhaft und führt darüber hinaus das Instrument der Gesetzesbegutachtung ad absurdum. © ECOVIS Scholler & Partner, Juli 2015 REGISTRIERKASSE Registrierkassenpflicht für Ärzte ab 1.1.2016 Überschießende Regelung bedeutet enormen Verwaltungsaufwand A „Es ist dies eine völlig überschießende Regelung, die noch dazu über einen fragwürdigen parlamentarischen Änderungsantrag in letzter Minute möglich wurde“, kritisiert Mag. Hans-Georg Goertz, Partner der Steuerberatungskanzlei ECOVIS Austria, die neue Regelung. Obwohl die Registrierkassenverpflichtung aufgrund der entstehenden Kosten und vor allem des deutlich höheren Verwaltungsaufwandes bereits in der Begutachtung heftig kritisiert wurde - so beispielsweise von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Ärztekammer - wurde der Umfang der Verpflichtung letztlich noch deutlich erweitert. Goertz: „Das führt die gesamte Gesetzesbegutachtung ad absurdum!“ Das bedeutet die neue Regelung für Ärzte konkret Ab Anfang des kommenden Jahres hat jeder Wahl- oder Kassenarzt, der die genannten Umsatzgrenzen überschreitet, die Verpflichtung seine Bareinnahmen mittels elektronischer Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigem elektronischen Aufzeichnungssystem zu erfassen. Um Manipulationen der Registrierkasse bzw. des elektronischen Aufzeichnungssystems zu vermeiden sind zusätzlich ab 2017 diverse elektronische Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Wichtigster Punkt ist die individuelle Signatur, welche die nachträgliche Unveränderbarkeit des Beleges sicherstellen soll. Eine Verordnung zur Konkretisierung aller technischen Anforderungen wurde bereits in Begutachtung geschickt. Durch die generelle Belegerteilungsverpflichtung ist dem Patienten künftig ein Beleg auszuhändigen. Dem gegenüber steht die Belegannahmeverpflichtung. Die Patienten werden künftig in die Pflicht genommen und müssen den ausgehändigten Beleg zumindest bis zum Verlassen der Praxisräumlichkeiten aufbewahren. Bargeld neu definiert Foto: bilderbox.com b 1. Jänner 2016 sind alle Wahl- und auch Kassenärzte, deren Jahresumsätze EUR 15.000,00 und Barumsätze EUR 7.500,00 Euro übersteigen - und damit wohl mehr als 80 % der in Österreich niedergelassenen Ärzte - von der Registrierkassenpflicht betroffen. Dabei gelten alle Bankomat- und Kreditkartenzahlungen ebenfalls als „Bares“. Dies ist das Ergebnis eines kurzfristig vor der Beschlussfassung zur aktuellen Steuerreform im Nationalrat eingebrachten Abänderungsantrages im Juli 2015. Sonderbarer Weise gelten nach Maßgabe des Gesetzes nicht nur die tatsächlich in bar geleisteten Zahlungen sondern vielmehr auch Bankomatkarten- und Kreditkartenzahlungen sowie Zahlungen mittels Gutschein als Barumsätze und sind daher mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem zu erfassen. Kurzer Ratgeber für potenziell betroffene Ärzte: Wie kann ich mich vorbereiten? Prüfen Sie anhand Ihrer bisherigen Einnahmen, ob die maßgeblichen Grenzen in Zukunft überschritten werden. Ist das der Fall, ist für die Anschaffung eines elektronischen Aufzeichnungssystems Vorsorge zu treffen. Wie wähle ich die „richtige Registrierkasse”? Neben den körperlichen Registrierkassen gibt es vor allem im Ärztebereich einige Anbieter von EDV Lösungen. Mit diesen sollte jedenfalls abgeklärt werden, ob sie die neue Registrierkassensicherheitsverordnung (derzeit noch in Begutachtung) bereits umgesetzt haben. Wann ist mit einer Umsetzung der Registrierkassensicherheitsverordnung zu rechnen? Die Registrierkassensicherheitsverordnung befindet sich derzeit in Begutachtung. Die Begutachtungsfrist endete am 22.7.2015 und mit einer baldigen Gesetzwerdung ist zu rechnen. Welche Konsequenzen hat die Verletzung der Registrierkassenpflicht? Die Einhaltung der Registrierkassenpflicht kann ab dem 1.1.2016 im Rahmen von Betriebsprüfungen kontrolliert werden. Wird hier die Verletzung von Aufzeichnungsverpflichtungen festgestellt, könnte dies im Zuge der Prüfung zu einer Schätzungsbefugnis durch die Finanzverwaltung führen. Die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften aus der Registrierkassensicherheitsverordnung wird erst zum 1.1.2017 in Kraft treten insofern besteht eine gewisse Übergangsregelung. ECOVIS AUSTRIA Mag. Hans-Georg Goertz Schmalzhofgasse 4, 1060 Wien Telefon: 01/599 22-0 CONSILIUM 09/15 11 REGISTRIERKASSE Die Registrierkasse in der Arztpraxis M it der neuen Registrierkassenpflicht erhofft sich die Regierung den Umsatzsteuerbetrug wirksam bekämpfen zu können. Dazu ist ab dem kommenden Jahr verpflichtend auch eine technische Lösung zum Schutz vor Umsatzmanipulationen vorgesehen und alle betroffene Unternehmen bzw. Ärzte müssen in Zukunft für jeden Geschäftsfall einen Beleg ausstellen. Viele Ärzte benötigen eine Registrierkasse Die niedergelassenen Ärzte sind von dieser Regelung genauso betroffen, wie alle anderen Branchen, wobei Kassenärzte nur dann registrierkassenpflichtig sind, wenn ihre Barumsätze 15.000 Euro im Jahr übersteigen. Wählärzte werden vermutlich alle eine Registrierkasse benötigen, da deren Jahresbarumsatz in den meisten Fällen entsprechend hoch sein wird. Jeden Barumsatz einzeln aufzeichnen Entsprechend der neuen Einzelaufzeichnungspflicht ist jeder Barumsatz in der Registrierkasse einzeln zu erfassen und von der Registrierkassensoftware, versehen mit diversen Sicherheitsmerkmalen, in einem sogenannten Datenerfassungsprotokoll abzuspeichern. Jede Buchung wird dabei mit Hilfe der kryptografischen Signatur der Signaturerstellungseinheit und unter Einbeziehung der letzten vorangegangenen Buchung verkettet. Zusätzlich werden Summenspeicher geführt, welche ebenfalls mit definierten Algorithmen verschlüsselt werden. Fehlt bei einer späteren Überprüfung ein Glied dieser kryptografischen Kette bzw. stimmen die Summenspeicher nicht, so kann daraus eindeutig auf Manipulation geschlossen werden. Die gesetzliche Grundlage Einfache Überprüfung durch die Finanzbehörde Das entsprechende Gesetz zur verpflichtenden Verwendung von Registrierkassen hat der Nationalrat vor einigen Monaten im Parlament beschlossen. Die technischen Einzelheiten für die Sicherheitseinrichtungen in den Registrierkassen und andere, der Datensicherheit dienenden Maßnahmen, werden in einer Verordnung des Bundesministers für Finanzen festgelegt. Diese Registrierkassensicherheitsverordnung, kurz RKS-V, liegt derzeit im Begutachtungsstadium vor. Die darin detailliert festgeschriebenen Anforderungen und Maßnahmen sind allesamt sehr umfangreich und technisch anspruchsvoll. Derzeit sind aber für die Registrierkassenhersteller noch viele Fragen offen bzw. unklar und bedürfen einer Klärung bzw. Nachschärfung. Dieser Thematik hat sich nun ein eigener Arbeitskreis in der WKO (Wirtschaftskammer Österreich) angenommen. Das Datenerfassungsprotokoll einer Registrierkasse muss auf Verlangen jederzeit auf einen externen Datenträger in einem vom Finanzministerium festgelegten Format exportiert werden können. Mit diesen Daten kann dann ein Finanzprüfer bzw. die Finanzpolizei rasch, automatisiert und ohne großen Aufwand eine Überprüfung vornehmen. Der ökonomische Nutzen Die Finanzbehörden haben damit sicherlich ein sehr effizientes Werkzeug zur Überprüfung der aufgezeichneten Barumsätze zur Verfügung. Ein allwirksames Heilmittel, das Steuerbetrug ganz verhindert, wird es aber nicht sein. Die Aufzeichnungen werden natürlich stimmen, aber was ist mit jenen Umsätzen, die gar nicht in der Registrierkasse aufgezeichnet werden? Benötigte Komponenten Neben der eigentlichen Registrierkasse bzw. der Registrierkassensoftware (beispielsweise als Teil der Arztsoftware) wird eine sogenannte Signaturerstellungseinheit benötigt. Diese muss als eigene Hardwarekomponente ausgeführt sein und ist bei einem im EU-/EWR-Raum oder der Schweiz zugelassenen Zertifizierungsdienstanbieter, der solch qualifizierte Signaturzertifikate anbietet, zu erwerben. Die Kosten hierfür hat der Unternehmer bzw. der Arzt zu tragen. 12 CONSILIUM 09/15 Durch die Belegerteilungspflicht erhofft man sich hier wohl den Konsumenten bzw. Patienten als Partner zu gewinnen. Ob das wirksam ist, wird man sehen. Etwas Skepsis sei hier angebracht. DI DR. FRANZ WIENZL Dr. Wienzl Informationssysteme GmbH A-1230 Wien, Steinergasse 13 Tel. 0664-4037320 Mail: [email protected] Foto: Raimo Rumpler GESETZGEBUNG Dr. Max Wudy Gesetzgebungsprozesse N ahezu von Beginn meiner Kammertätigkeit, und dieser liegt schon fast ein viertel Jahrhundert in der Vergangenheit, werde ich mit Vorwürfen wie „Was habt ihr in der Kammer wieder für Vorschriften ausgeheckt?“ oder „Wem ist denn das eingefallen?“ konfrontiert. Bedingt durch meine jetzige Funktion, aber auch durch die weiter ausufernde Regulierungswut der Gesetzgebung wurden diese Vorwürfe, die mich per mail, telefonisch, aber vor allem persönlich bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit erreichen, immer mehr. Zuletzt wurde ich sogar in der Schlange an einer Supermarktkasse darauf angesprochen. Ich möchte hier nun den Versuch wagen, die Rolle der Ärztekammer in der Gesetzgebung darzulegen, obwohl mir bewusst ist, dass dieses komplexe Thema heute nur gestreift werden kann. Gerade bei neueren Gesetzen oder Verordnungen hört man immer wieder, dies sei ja mit der zuständigen Ärztekammer besprochen worden, die Ärztekammer war ja eingebunden. Meistens stimmt das sogar, aber: Die Rolle der Ärztekammer für Niederösterreich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt sich auf die Abgabe von Stellungnahmen im Rahmen des so genannten Begutachtungsverfahrens. Beim Begutachtungsverfahren handelt es sich um eine übliche, aber nicht verbindliche Einbeziehung u.a. der Interessensvertretungen in den Gesetzwerdungsprozess durch Einräumung eines Stellungnahmerechts zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen. Die Stellungnahmen werden zwar auf der Parlamentshomepage veröffentlicht, aber es existiert keine Verpflichtung, diese Stellungnahmen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zu berücksichtigen. Es gab oft massiv ablehnende Stellungnahmen zu diversen Gesetzen, die vom Gesetzgeber zwar zur Kenntnis genommen, aber sonst ignoriert wurden. Dies gilt natürlich auch für die Einwände, die die Österreichische Ärztekammer vorbringt. Es stimmt also tatsächlich, dass die Ärztekammer gefragt wurde, nur zugehört hat ihr halt niemand. Ähnlich verhält es sich auch mit diversen Vorschriften, Verordnungen und Erlässe, die die Ärztekammern zu exekutieren haben. Die Ärztekammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts bezeichnet man in Österreichs eine Form der juristischen Person öffentlichen Rechts, unter anderem nicht-territoriale Selbstverwaltungskörperschaften oder Personalkörperschaften wie die gesetzlichen 14 CONSILIUM 09/15 Berufsvertretungen, denen vom Gesetzgeber diverse Pflichten bis hin zum Disziplinarrecht übertragen wurden. Allerdings darf man sich nicht vorstellen, dass in der Umsetzung oder Ausübung dieser Aufgaben ein großer Verhandlungsspielraum besteht. Praktisch immer ist der Rahmen streng vorgegeben, nur Details (in denen auch der Teufel stecken kann), können überhaupt frei gestaltet werden. Oft bleibt übertrieben gesagt, nur die Wahl zwischen drei Monaten und 90 Tagen oder Ähnlichem. Nicht taxativ möchte ich zum Beispiel die neue Fortbildungsverordnung oder die Hygieneverordnung erwähnen, die beide gerade in letzter Zeit für viel Unmut gesorgt und die Mitgliederfreundlichkeit der Zwangskammer hinterfragt haben. Bei beiden Verordnungen wurde ein extrem enger Rahmen vorgegeben und die Ärztekammer beauftragt, diesen umzusetzen. Bei der Fortbildungsverordnung wurde versucht, einen möglichst praktikablen lebbaren Weg zu finden, der die Ärzteschaft nicht über Gebühr belastet. Die Rahmenbedingungen (Punkte pro Jahr, Nachweis der Punkte, Überprüfung bis hin zu den Sanktionen wie Disziplinarstrafen bis hin zum Berufsverbot) wurden vom Gesetzgeber vorgegeben. Zusätzlich wurde die Ärztekammer verpflichtet, die Fortbildung der Kollegenschaft zu überprüfen und das Ergebnis zu melden. Der Spielraum für uns war also äußerst gering, der Unmut „draußen“ umso größer. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Aufgaben, die die Ärztekammer für den Gesetzgeber übernimmt, ja übernehmen muss. Eine auch nur teilweise Aufzählung der Aufgaben würde den Umfang nicht nur dieses Artikels, sondern auch dieses Heftes sprengen. Bedenken Sie also bitte das nächste Mal, wenn Sie Unangenehmes oder Belastendes von uns hören, dass wir einfach die Vorgaben der Politik und der Verwaltung umsetzen (müssen). In grauen Vorzeiten war es üblich, den Überbringer von schlechten Nachrichten hinzurichten, konnte man ja des Verursachers selten habhaft werden. Diese Zeiten sollten (auch wenn es heute nur mehr symbolisch gemeint ist) vorbei sein. Möge dieser kleine Essay, entstanden im heißen Sommer, etwas zur Abkühlung und zu mehr Verständnis für die zugegebenermaßen oft belastenden und vielleicht noch öfters auf den ersten Blick nicht nachvollziehbaren Entscheidungen beitragen. DR. MAX WUDY 2. Kurienobmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzte Foto: Raimo Rumpler PHC Flucht in Wahlarztordination und geplantes PHC-Gesetz D ie im Artikel „Flucht in Wahlarztordinationen“ in der Presse vom 30.7.2015 angeführten Gründe dafür, dass immer mehr PatientInnen Wahlärzte aufsuchen, sind im Allgemeinen durchaus nachvollziehbar und plausibel. Dass wir in Österreich im europäischen Vergleich eine sehr hohe Ärztedichte haben, entspricht ebenfalls durchaus der Realität. Allerdings stimmt das schon nicht mehr für jene Anzahl von Ärzten, die in einem Vertragsverhältnis mit sozialen Krankenversicherungen stehen. Vergleicht man etwa unsere Zahl von Vertragsärzten mit den Zahlen aus Deutschland wird dieser Umstand augenscheinlich. VP MR Dr. Dietmar Baumgartner auch die Tatsache, dass hier keinerlei Refundierung durch die Krankenversicherung erfolgt. Ob dies nicht etwa auch von der Politik gewünscht ist, bleibt zu hinterfragen. Jenen politischen Repräsentanten, die jahrelang unser System der Patientenversorgung als bestes und effektivstes Gesundheitssystem der Welt gepriesen haben, fällt seit einigen Jahren einerseits nur die Kostenbremse als Steuerungsmaßnahme ein. Andererseits entwirft man aber offensichtlich völlig bewusst Programme wie PHC-Zentren, übrigens natürlich unter dem Pseudonym „Stärkung der Versorgung im niedergelassenen Bereich.“ Es wird auch die Tatsache angesprochen, dass technische Leis- Selbst den „Konstrukteuren“ dieser Einrichtungen - in den nortungen im Rahmen der Kassenverträge deutlich besser hono- dischen Ländern Europas gibt es solche PHCs bei einem allerriert werden als Gesprächsmedizin. Auch diese Behauptung ist dings grundsätzlich anderen Versorgungssystem - ist klar, dass schlüssig. Allein die Schuldzuweisung an die sozialen Kranken- diese eine Verteuerung des Systems bewirken werden müssen. Wie wichtig unseren PolitikerInnen (und versicherungen zu richten, halte ich für deren leitenden Beamten, Sektionschef ungerechtfertigt. Jahrzehntelang schon Ein dermaßen sei hier namentlich erwähnt) solwerden die Ausgaben für die medizinioffensichtlicher politischer Auer che Neukonstruktionen sind, wird allein sche Versorgung geteilt bestritten, einerAusschluss anderer schon daraus ersichtlich, dass jetzt ein seits durch die öffentliche Hand für den eigenes PHC-Gesetz in Planung ist. Mit stationären Bereich, zu dem die KrankenStandesvertretungen der im Entwurf vorliegenden geplanten versicherungen einen jährlich valorisierin der Gesetzwerdung Neuschaffung eines PHC-Gesamtverten Anteil besteuern, andererseits für den ist in Österreich trages wird die Mitarbeit der ärztlichen extramuralen Bereich durch die sozialen undenkbar. Standesvertretung praktisch verhindert. Krankenversicherungen. Letztere werden Ein dermaßen offensichtlicher politischer bekanntlich von den Einzahlungen der Versicherten und deren Arbeitgebern finanziert. Somit sind Ausschluss anderer Standesvertretungen (z.B. Arbeiterkammer ihre finanziellen Ressourcen verständlicherweise nicht uner- oder Landwirtschaftskammer) in der Gesetzwerdung ist in Österschöpflich. Eine großartige Ausweitung des bezahlten Leistungs- reich undenkbar. Anders verhält es sich aber mit der Ärztekamspektrums ist zwar wünschenswert aber letztlich ziemlich reali- mer. Wie lange kann sich diese das noch gefallen lassen? Solche tätsfremd. Zusätzlich hat die Politik die Krankenkassen in den politischen Alleingänge mussten wir ja bekanntlich schon bei letzten Jahren durchaus auch mit versicherungsfremden Leistun- ELGA und der letzten Gesundheitsreform registrieren. Man benötigt die fachliche Expertise der akademischen Gesundheitsgen belastet. dienstanbieter offensichtlich nicht. Es ist daher nachvollziehbar, dass bezüglich Honorierung von neuen (oft teuren aber dem wissenschaftlichen Standard ent- Wie sehr sich die (derzeit noch) politisch Verantwortlichen an sprechenden) Leistungen, eine gewisse Zurückhaltung an den der Meinung der Bevölkerung orientieren, daraus möge sich Tag gelegt werden muss. Wartezeiten auf notwendige Untersu- jeder seine persönliche Meinung bilden. Mehrere Umfragen chungen wie MRT sind somit durch restriktive Limitierungen ergaben, dass Herr und Frau Österreicher im überwiegenden hausgemacht und nicht Schuld der Vertragsärzteschaft. Dass Ausmaß mit der derzeitigen Versorgung im niedergelassenen hier so mancher Patient unter einem nicht wegzuleugnenden Bereich durchaus zufrieden sind. Die schwindende Bedeutung Leidensdruck bereit ist, „tiefer in die Brieftasche zu greifen“, ist der beiden (ehemaligen) Großparteien, die sich jahrzehntelang wohl mehr als verständlich. Wenn er nämlich bei einem privaten wirklich alles untereinander aufteilen konnten und fast nach Institut einen Termin bereits am nächsten Tag um etwa 200 Belieben werken konnten, wird ihnen derzeit bei jeder WahlEuro bekommen kann, wird vielleicht auf einige andere Aus- entscheidung durch die für sie negativen Wahlergebnisse prägaben verzichtet. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang sentiert. Allein die unmittelbar Betroffenen scheinen es nicht CONSILIUM 09/15 15 PHC wahrhaben zu wollen. Es bleibt zu befürchten, dass unsere BundespolitikerInnen nach den Staatsfinanzen nun auch noch ein durchaus gut funktionierendes System der Gesundheitsversorgung zu zerstören beginnen. Aus meiner Sicht hat das derzeitige österreichische Gesundheitssystem für die PatientInnen folgende entscheidende Vorteile gegenüber denen anderer Staaten: 1)Es gibt einen niederschwelligen Zugang in der Grundversorgung sowohl zu Ärzten für Allgemeinmedizin als auch zu Fachärzten. 2)Auch im dünn besiedelten ländlichen Raum versorgen derzeit noch ausreichend Kolleginnen und Kollegen die Bevölkerung. Wie dies in einigen Jahren sein wird, bleibt allerdings nicht zuletzt wegen der anstehenden Pensionierungswelle abzuwarten. 3)Es gibt derzeit keine oder nur wenige Einschränkungen für Leistungen, die der Patient benötigt. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass wir in Österreich etwa kein Alterslimit für Hüftimplantationen haben. Diese Vorteile müssen meiner Meinung nach im Sinne der PatientInnen unbedingt erhalten bleiben. Der relativ hohe Anteil an BürgerInnen, die sich zusätzlich zur sozialen Krankenversicherung eine Privatversicherung leisten, zeigt, dass den ÖsterreicherInnen die eigene Gesundheit doch einiges an finanzieller Mehrleistung wert ist. Auch diese Tatsache macht verständlich, warum das Angebot von Wahlärzten in immer größerem Ausmaß angenommen wird. Nicht wir Ärzten tragen Schuld an den im angesprochenen Artikel aufgezeigten Patientenstrom weg vom Kassenvertragsarzt und hin zum Wahlarzt. Jahrzehntelanges Versagen der in der Gesundheitspolitik Verantwortlichen und das Negieren von aktuellen Entwicklungen haben dazu geführt. Vielleicht müssen wir die aktuelle Diskussion gar nicht führen. Vielleicht kommt alles ganz anders. Vielleicht gibt es dann einige PHCs (quasi staatliche Gesundheitsversorgung) und daneben eine große Anzahl von freiberuflich tätigen Ärzten ohne Kassenverträge: Dann sind wir in Zukunft alle Wahlärzte. In diesem Bereich kann sich der Patient tatsächlich den Arzt/die Ärztin seines Vertrauens selbst wählen, was im PHC wohl nicht ganz so sein wird können. VP MR DR. DIETMAR BAUMGARTNER Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte Studienprogramme Medizinrecht und Pharmarecht an der Donau-Universität Krems Rechtliche Fragestellungen in der Medizin haben in den vergangenen Jahren sprunghaft an Bedeutung gewonnen. Die fortschreitende Verrechtlichung immer weiterer Bereiche der Medizin und die wachsende Komplexität des einschlägigen Rechtsmaterials hat – nicht nur in Österreich – zur Herausbildung eines neuen wissenschaftlichen Fachs „Medizinrecht“ geführt. Dieses erfordert eine interdisziplinäre und die herkömmlichen Fächergrenzen überschreitende Einbeziehung verfassungsrechtlicher, verwaltungsrechtlicher, europarechtlicher, völkerrechtlicher, zivilrechtlicher, strafrechtlicher, arbeits- und sozialrechtlicher sowie rechtsethischer Aspekte der Ausübung der Medizin und Pharmazie. Das Medizin- 16 CONSILIUM 09/15 rechtsstudium bietet all jenen, die in ihrem Berufsleben mit dieser Rechtsmaterie konfrontiert sind, eine Ausbildung im Gesundheits- und Medizinrecht. Die Schwerpunkte reichen von den nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen über das Organisationsrecht, das Berufsrecht der Heilberufe, das Haftungsrecht, unterschiedliche Produktrechte bis hin zu aktuellen Aspekten der biomedizinischen Forschung und des rechtlichen Umgangs mit neuen Technologien in Medizin und Bioethik. Die Lehrgänge werden in Kooperation mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien durchgeführt. Nähere Informationen: Medizinrecht: www.donau-uni.ac.at/de/studium/medizinmls/index.php Pharmarecht: www.donau-uni.ac.at/de/studium/pharmarecht/index.php Elvira Kaiblinger Telefon: +43 (0)2732 893-2402, Fax: +43 (0)2732 893-4400 E-Mail: [email protected] Werbung Mit den Studienprogrammen „Medizinrecht“ (Oktober 2015; berufsbegleitend, „Master of Legal Studies“, 4 Semester, oder „Akademische/r Experte/in”, 3 Semester) und Pharmarecht (März 2016; berufsbegleitendes Zertifikatsprogramm, 1 Semester) beginnen an der Donau-Universität Krems demnächst zwei akademische Fortbildungen, die sich speziell an Personen wenden, die im Gesundheitsbereich tätig und mit juristischen Problemstellungen konfrontiert sind. PHC-Gesetz bis Jahresende geplant Foto: Bernhard Noll PHC Dr.in Martina Hasenhündl Mögliche Risiken für die NÖ Ärzteschaft A uf den folgenden Seiten lesen Sie die Punktation des Gesundheitsministeriums rund um das geplante PHC-Gesetz, welches zum Jahresende umgesetzt sein soll. Aus diesem Grund möchte Ich Ihnen als Zusammenfassung einige Elemente dieses Papiers sowie meine Meinung dazu näherbringen: Dabei schicke ich voraus: Dieses neue PHC-Gesetz wird die bestehenden Gesamtverträge zwischen Kassen und Kammern NICHT ersetzen, sondern als zusätzliche Ebene eingezogen. Herzstück dieses Gesetzes ist jedenfalls ein neuer, bundesweit einheitlicher, eigenständiger PHC-Gesamtvertrag, der die Grundzüge der ärztlichen Hilfe in PHCs regeln soll. Auf Basis dieses Gesamtvertrags sollen Einzelverträge zwischen der zuständigen Sozialversicherung (bei uns NÖGKK) sowie den Primärversorgungszentren geschlossen werden, und zwar ohne Beteiligung der zuständigen Landesärztekammer oder der ÖÄK. In diesen Einzelverträgen werden dann die wirklich wichtigen Bedingungen, wie etwa die Leistungen sowie die Vergütungen geregelt, die Honorierung soll sich aus Grund- und Fallpauschalen sowie Einzelleistungsvergütungen und Bonuszahlungen zusammensetzen. Bei Nichterreichen eines Gesamtvertrages ist zwar vorgesehen, dass Sonder-Einzelverträge mit Zustimmung der Ärztekammer abgeschlossen werden können. Sollte es jedoch zu keiner Einigung kommen, dann ist die Sozialversicherung aufgrund des „bestehenden öffentlichen Interesses“ ermächtigt, alleine einen Abschluss mit den einzelnen PHCs zu tätigen. Dies ist quasi der Freifahrtschein für die Sozialversicherung, die Ärztekammer in jedem Fall auszuhebeln, selbst wenn die vorgeschlagenen Verträge beispielsweise keine Kostendeckung für das PHC aufweisen würden. Das Gesetz sieht auch ein „Kündigungsregime“ vor, welches unter anderem bei Bedarfsänderung die Kündigung der Verträge ermöglicht. Weiters soll es für PHCs keine klassische Bedarfsprüfung geben. Die Planung erfolgt im RSG statt über die lässt31.07.15 Spielraum für Seite willkürliche Ins.Planstellensystematik. Consilium EURO DUK Dies 07.15_: 12:56 1 Entscheidungen zu. Abseits der bewährten Stellenplanung, die bisher sehr gut im Einvernehmen zwischen den Verhandlungspartnern Krankenkassen und Ärztekammern auf Landesebene funktioniert hat. Als besonders problematisch sehe ich persönlich die Regelung an, dass wenn PHCs entstehen, diese auf den Stellenplan, insbesondere auf die frei werdenden Stellen anzurechnen sind. Das lässt auf eine massive Ausdünnung der Planstellen im niedergelassenen Bereich schließen, für ein PHC werden wohl drei bis fünf Planstellen von Allgemeinmedizinern nicht mehr nachbesetzt werden können. Die Sozialversicherung soll das Auswahlverfahren durchführen, wobei die Bewerber im ersten Schritt auf bestehende Vertragspartner beschränkt sind. Dies wird niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte möglicherweise stark unter Druck setzen. Die Wahlmöglichkeit könnte lauten: Teilnahme am PHC oder ein zusätzliches PHC als Mitbewerber in der Region. Stellen wir uns einmal folgendes Szenario vor: Es gibt in einer Region eine gut eingespielte Struktur mit mehreren allgemeinmedizinischen Kassenordinationen, die unter Vorgabe der beschränkten Mittel der Kassenhonorare das Optimum aus medizinischer Sicht leisten. Und so eine Region soll nun laut politischer Vorgabe mit einem PHC versorgt werden, weil Gesundheitsökonomen glauben, das wäre besser so. Nach bisherigem Verhandlungsstand zwischen Krankenkasse und Ärztekammer sollte dieses PHC ausgeschrieben werden, und zwar ausschließlich unter bestehenden Vertragspartnern. Sollten die Modalitäten passen, wird man wohl Bewerber finden, die ihre Einzelordinationen zugunsten eines PHC aufgeben. Wenn die Modalitäten nicht passen, dann gibt es eben kein PHC und die Versorgung bleibt wie gehabt bestehen. Das neue PHC-Gesetz sieht nun vor, dass sich auch Nicht-Vertragspartner bewerben können, wenn sich keine bestehenden Vertragspartner finden. Gelockt durch Subventionen ist das Berufsbegleitende universitäre Studienprogramme Medizinrecht – www.donau-uni.ac.at/medrecht Pharmarecht – www.donau-uni.ac.at/pharmarecht Start: 2015 Oktober bzw. 16 März 20 Donau-Universität Krems. Department für Wirtschaftsrecht und Europäische Integration. +43 (0)2732 893-2402, [email protected] CONSILIUM 09/15 17 Foto: bilderbox.com PHC gar nicht einmal so unrealistisch, schließlich wissen wir mittlerweile, dass PHCs bei vergleichbarer medizinischer Leistung deutlich mehr kosten als die Versorgung durch niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag. So entstünden dann möglicherweise in gut funktionierenden Regionen PHCs, die eine große subventionierte Konkurrenz zu den Planstellen darstellen würden. Mit der Folge, dass diese früher oder später durch Dumping ausgehungert und ersetzt werden könnten. Somit sind PHCs als politischer Spielball tauglich, den Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern das Leben noch schwerer zu machen und in letzter Konsequenz bestehende, aber trotz des Diktats der Kosten sehr gut funktionierende Strukturen zu zerstören. Dieser neue PHC-Gesamtvertrag wird dazu dienlich sein können, über die Aushöhlung des Stellenplans 18 CONSILIUM 09/15 den bisherigen Gesamtvertrag zu unterwandern, obwohl dieser unverändert bestehen bleibt. Das kommt der Auflösung eines Kollektivvertrags im Bereich der Angestellten gleich. Und das ist aus Sicht einer Standesvertretung UNBEGINGT abzulehnen. Aus meiner Sicht ist dieses PHC-Gesetz NICHT dazu geeignet, die Struktur der medizinischen Versorgung abseits der Krankenhäuser gesundheitsökonomisch UND medizinisch sinnvoll zu verbessern. Es ist aber sehr gut dazu geeignet, so wie beim letzten Versuch 2008 die niedergelassene Ärzteschaft auszuhebeln und die Vertragspartnerschaft zwischen Krankenkassen und Ärztekammern nachhaltig zu verschlechtern beziehungsweise zu zerstören. DR.IN MARTINA HASENHÜNDL 1. Kurienobmann-Stellvertreterin der niedergelassenen Ärzte PHC Stärkung der multiprofessionellen und interdisziplinären Primärversorgung Politische Eckpunkte für geänderte rechtliche Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Konzepts „Das Team rund um den Hausarzt“ Regelungen zur Organisation der Primärversorgungseinheit 1. Neue Primärversorgungseinheiten arbeiten als Team zusammen. Sie treten nach außen- gegenüber der Bevölkerung und der Sozialversicherung- als Einheit auf. 2. Die Arbeit im Team braucht klare Strukturen und Rechtssicherheit. Primärversorgungseinheiten müssen daher über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen, gern. den geltenden gesetzlichen Bestimmungen. 3. Entsprechend den örtlichen Verhältnissen können Primärversorgungseinheiten an einem Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten organisiert sein und zwar in jeder zulässigen Betriebsform in der jeweils zulässigen Rechtsform. 4. Eine neue Primärversorgungseinheit muss über ein Organisationskonzept verfügen, in dem die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen explizit und verbindlich festgelegt ist. Das Organisationskonzept ist Voraussetzung für die lnvertragnahme durch die Sozialversicherung. Vertragsrecht 5. Als neue Primärversorgungseinheiten mit umfassendem Versorgungsauftrag können nur Vertragseinrichtungen fungieren („Sachleistungsprinzip für Primärversorgungseinheiten“). 6. Es gibt einen neuen, bundesweit einheitlichen, eigenständigen Gesamtvertrag über die ärztlichen Leistungen der neuen Primärversorgung. Für neue Primärversorgungseinrichtungen sind ausschließlich die Bestimmungen dieses neuen Gesamtvertrages maßgeblich. 7. Dieser neue Gesamtvertrag regelt die Grundzüge der ärztlichen Hilfe in neuen Primärversorgungseinrichtungen. 8. Einzelverträge mit den neuen Primärversorgungseinheiten werden hinsichtlich der ärztlichen Leistungen auf Grundlage dieses neuen Gesamtvertrags zwischen Krankenversicherung und Primärversorgungseinheit geschlossen und konkretisieren diesen. 9. Der konkrete Primärversorgungsvertrag zwischen Sozialversicherung und Primärversorgungseinheit regelt die aus dem Gesamtvertrag abgeleiteten ärztlichen Leistungen und alle anderen Gesundheitsdienstleistungen sowie alle weiteren notwendigen Vertragsinhalte. Der Einzelvertrag wird wesentlich wichtiger und enthält detaillierte Regelungen, wie z.B. die gesamte Vergütung der mit der Primärversorgung vereinbarten Leistungen. 10. Die Honorierung der Leistungen der Primärversorgungseinheit hat sich aus Grund­und Fallpauschalen, Einzelleistungsvergütungen sowie aus Bonuszahlungen für die Erreichung definierter Ziele zusammenzusetzen. 11.Das von der Primärversorgungseinheit anzubietende Leistungsspektrum wird verbindlich zwischen Einheit und Sozialversicherung vereinbart. 12.Bei Nichterreichen eines Gesamtvertrags bzw. Eintreten eines vertragslosen Zustands kann die Sozialversicherung Sander-Einzelverträge mit Zustimmung der zuständigen Ärztekammer abschließen. Kommt es zu keiner Einigung, so ist aufgrund des öffentlichen Interesses nach Ablauf einer angemessenen Frist ein Abschluss durch die Sozialversicherung möglich. 13.Es braucht ein Kündigungsregime, das bei Bedarfsänderungen, Nicht-Erfüllung vereinbarter Leistungen oder Änderungen im Organisationskonzept die Kündigung der Verträge ermöglicht. 14. Bei der Auflösung einer Primärversorgungseinrichtung sind Übergangsregelungen für das Wiederaufleben von in die Primärversorgungseinrichtung eingebrachten Einzelverträgen vorzusehen. Planung von Primärversorgungseinheiten 15.Die konkreten Planungs- und Qualitätskriterien der neuen Primärversorgungseinheiten- soweit nicht schon gesetzlich festgelegt- erfolgen im Rahmen der integrierten Planung im ÖSG und im RSG durch die Landeszielsteuerungskommission: •Der ÖSG gibt die bundesweiten Parameter vor •Der RSG stellt die regionale Planung auf Basis der Vorgaben des ÖSG dar 16.Da neue Primärversorgungseinheiten nur als Sachleister bestehen können, ist der Bedarf an Primärversorgung im RSG abschließend zu regeln (insbesondere im Hinblick auf Anzahl, Region, Umfang/Größe und Leistungsinhalte). 17.Ein im RSG festgestellter Bedarf bzw. ein entsprechender Beschluss der Landeszielsteuerungskommission ersetzen ein behördliches Bedarfsprüfungsverfahren für Gruppenpraxen und Ambulatorien. 18.Die Planung der Stellen in PVE erfolgt im RSG und nicht im Stellenplan. Die an einer Primärversorgungseinheit teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sind auf den Stellenplan, insbesondere im Hinblick auf frei werdende Stellen, anzurechnen. Auswahl einer Primärversorgungseinheit 19.Ist ein Bedarf im RSG oder per Einzelbeschluss durch die Landeszielsteuerungskommission festgestellt, hat die Sozialversicherung ein objektives Auswahlverfahren zur lnvertragnahme der Primärversorgungseinheit durchzuführen. ln einem ersten Schritt ist das Auswahlverfahren innerhalb einer angemessenen Frist auf bestehende Vertragspartner beschränkt. CONSILIUM 09/15 19 DFP-Countdown 2016 Foto: fotolia/trueffelpix Mit 1. September 2016 müssen alle niedergelassenen und angestellten Ärztinnen und Ärzte, die zur selbstständigen Berufsausübung berechtigt sind, die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung nachweisen. Das DFP-Diplom ist dafür die beste Bescheinigung alle Informationen hierzu finden Sie auf www.arztnoe.at/DFP2016. Ärzteausbildung NEU bringt viele Fragen… Foto: Tschank ANGESTELLTE ÄRZTE VP OA Dr. Ronald Gallob …mit leider wenig konkreten Antworten S eit 1. Juni 2015 ist die viel diskutierte und durchaus umstrittene Ärzteausbildung NEU in Kraft. Die Kurie der angestellten Ärzte in Niederösterreich hatte bereits im Vorfeld zahlreiche Kritikpunkte aufgezeigt und gegen die Ausbildungsordnung gestimmt, die beispielsweise ohne Qualitätsverbesserung den Turnus verlängert oder eine verpflichtende Lehrpraxis umfasst, deren Finanzierung und Organisation aber noch lange nicht gelöst sind. Die Verunsicherung unter den Kolleginnen und Kollegen ist verständlich und die daraus resultierenden unbeantworteten Fragen für uns nicht überraschend. Dennoch oder gerade deshalb werden wir versuchen, Licht in die neuen Regelungen zu bringen und haben daher Anfang September eine außerordentliche Kurienversammlung einberufen, die sich ausschließlich diesem Thema gewidmet hat. Übergangsbestimmungen Alle Kolleginnen und Kollegen, die vor dem 1. Juni 2015 eine Ausbildung begonnen haben, können ihre Ausbildung noch nach der alten Ausbildungsordnung aus dem Jahr 2006 beenden. Dies gilt auch für Ausbildungen in einem Sonderfach und in Additivfächern, die es künftig nicht mehr gibt. Derzeit gibt es auch keine Frist, innerhalb derer die Ausbildung beendet werden muss. Auch bei einer Karenzierung oder einem Auslandsaufenthalt kann anschließend nach der alten Ausbildungsordnung weitergearbeitet werden. Ebenso kann eine Facharztausbildung auch künftig nach der alten Ausbildungsordnung begonnen werden, vorausgesetzt es wurde eine ärztliche Ausbildung vor dem 1. Juni 2015 begonnenen. Ein Wechsel in die neue Ausbildungsordnung ist übrigens möglich, frühestens allerdings ab dem 1. März 2016. Basisausbildung als Start für jeden Jungarzt Grundsätzlich muss in allen Fächern im Anschluss an das Studium eine neunmonatige Basisausbildung in konservativen und chirurgischen Fächern absolviert werden. Dies entspricht dem „Common Trunk“. Nicht in allen Landeskliniken in Niederösterreich sind dazu schon klare Konzepte aufliegend. Idealerweise sollten die Turnusärztevertreter in die Erarbeitung miteinbezogen werden. Da die weitere Ausbildung zum Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin an keiner chirurgischen Abteilung mehr stattfindet, wäre es wünschenswert, diesen Part in der Basisausbildung möglichst stark zu gewichten. Die Österreichische Ärztekammer empfiehlt, in der Basisausbildung eine gewisse Zeit an einer Abteilung für Neurologie zu verbringen, da dieses Fach im Turnus für Allgemeinmedizin künftig nicht mehr verpflichtend ist. Die Rasterzeugnisse für den Zeitraum der Basisausbildung sind von der jeweiligen Ärztlichen Direktion zu bestätigen, dieser obliegt es auch, wann und welcher Abteilung die Ärztinnen und Ärzte in Basisausbildung zugewiesen werden. Seitens der Landeskliniken-Holding arbeitet man derzeit an Logbüchern die Basisausbildung betreffend. Diese können als Orientierung dienen, für die Einreichung und Anerkennung der Ausbildung sind allerdings ausschließlich die Rasterzeugnisse entscheidend. Unklarheiten gibt es auch immer wieder, ob die Basisausbildung an einer interdisziplinären Aufnahmestation absolviert werden darf. Unserer Meinung nach müssten gerade an diesen Einrichtungen besonders erfahrene Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Immerhin nehmen sie eine Schlüsselrolle bei der weiterführenden Behandlung eines Patienten ein. Um zu lernen und sich weiterzubilden, sind Zeiten in interdisziplinären Aufnahmestationen sicherlich sehr gut geeignet, weitreichende Entscheidungen Umstellungszuschlag für Überstunden für 2016 verlängert Ab der 36. Überstunde im Kalendermonat werden die anfallenden Stunden mit 1:0,5 berechnet. Da Überstunden allerdings üblicherweise nicht regelmäßig über ein Kalenderjahr verteilt sind, sondern vermehrt zu Urlaubs- oder sonstigen Spitzenzeiten anfallen, wurde aus Gründen der Fairness bereits für 2014 und 2015 ein sogenannter Umstellungszuschlag beschlossen. Dies bedeutet, dass Überstunden über das gesamte Jahr aufgerechnet werden. Kommt es also zu einer Abgeltung ab der 36. Überstunde mit nur der Hälfte des Stundensatzes, besteht das Recht auf Auszahlung dieses Umstellungszuschlages. Voraussetzung ist allerdings, dass im Kalenderjahr zwölf volle Beschäftigungsmonate vorliegen und während dieser Zeit weniger als 420 Überstunden mit dem eineinhalbfachen Stundensatz abgegolten wurden. Für jeden Kalendermonat, in dem kein Anspruch auf das volle Monatsentgelt besteht, reduziert sich die Anzahl der beim Umstellungszuschlag zu berücksichtigenden Überstunden um 35 Stunden. Dieser Umstellungszuschlag konnte nach Gesprächen mit dem Dienstgeber auch für das Jahr 2016 verlängert werden. VP OA DR. RONALD GALLOB Kurienobmann angestellte Ärzte CONSILIUM 09/15 21 FAQ sollten von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten getroffen werden. Die Dienstverträge, die seit Beginn der neuen Ausbildungsordnung von der Personalabteilung vergeben werden, beinhalten einerseits die Zeit der Basisausbildung und andererseits, wenn keine andere Entscheidung getroffen wird, die Ausbildungszeit zum Allgemeinmediziner. Das Formular für den Antrag auf „Anerkennung als Ausbildungsstätte und Festsetzung von Ausbildungsstellen“ ist ab sofort auf der Homepage der Österreichischen Ärztekammer unter www.aerztekammer.at unter dem Menüpunkt Ausbildung abrufbar. Noch im September soll ein diesbezügliches Informationsblatt ergänzt werden, das ebenfalls elektronisch abrufbar sein wird. Alte versus neue Ausbildungsstellen So genannte „alte“ Ausbildungsstellen können parallel zu neuen Ausbildungsstellen bestehen. Wird beispielsweise um eine neue Stelle angesucht und nach deren Bewilligung auch mit einem Turnusarzt oder einer Turnusärztin nach neuer Ausbildungsordnung besetzt, wird die „alte“ Ausbildungsstelle so lange ruhend gestellt bis sie wiederum benötigt wird. Eine gleichzeitige Besetzung beider Stellen ist nicht möglich. Fragen zur Ausbildung NEU wie beispielsweise zur Anrechenbarkeiten oder zu Ihrem Dienstvertrag können jederzeit an unsere Kurie gerichtet werden. Wir helfen Ihnen mit fachlicher und juristischer Auskunft gerne weiter. Gerade in Zeiten von Veränderungen müssen wir Ärztinnen und Ärzte als Gemeinschaft zusammenhalten und agieren, ganz gleich auf welcher Ebene der Karriereleiter wir uns gerade befinden. für Spitalsärztinnen und -ärzte der NÖ Landeskliniken-Holding Auswirkungen eines Krankenstandes auf die Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit iSd KA-AZG Was passiert, wenn Sie als angestellter Arzt bzw. angestellte Ärztin unerwartet krank werden und deshalb ein Kollege oder eine Kollegin den für Sie vorgesehenen Dienst übernehmen muss? Welche Auswirkungen hat ein Krankenstand auf die von Ihnen zu leistende Arbeitszeit? Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) regelt diese Situation in § 3 Abs 4a Z1 eindeutig: Fallen in einen Durchrechnungszeitraum unvorhergesehene 22 CONSILIUM 09/15 Foto: Marco2811 - Fotolia VP OA DR. RONALD GALLOB Kurienobmann angestellte Ärzte aber gerechtfertigte Abwesenheitszeiten, wie etwa ein Krankenstand, so sind bei der Berechnung der Arbeitszeit die in der Diensteinteilung vorgesehenen Arbeitszeiten heranzuziehen, sofern der Dienstplan zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Abwesenheit bereits erstellt wurde. Der Dienstplan ist gemäß den Vorgaben der NÖ Landesregierung für jeden Kalendermonat mindestens zwei Wochen im Vorhinein zu erstellen und es sind die darin vorgesehenen Dienstzeiten bei der Berechnung der Arbeitszeit heranzuziehen. Erkrankte Ärztinnen und Ärzte dürfen keinesfalls dazu angehalten werden, Krankenstandszeiten einzuarbeiten! Foto: Bernhard Noll LITERATURSTUDIUM Foto: bilderbox.com Start des DFP-Literaturstudiums im NÖ Consilium Dr.in Martina Hasenhündl I m Rahmen unserer großen DFP-Informationskampagne, die im Herbst 2014 gestartet wurde, habe ich Ihnen angekündigt, künftig auch DFP-Literaturstudium im NÖ Consilium anzubieten. Jetzt ist es soweit und ich freue mich, Ihnen in dieser Ausgabe den ersten DFP-Fachartikel vorstellen zu können. Die Ärztekammer für Niederösterreich bietet Ihnen in den kommenden zehn Consilium-Ausgaben qualitativ hochwertiges, DFP approbiertes Literaturstudium aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Den Beginn macht ein Artikel zum Thema „Ernährungsmedizinische Konzepte bei Adipositas“, eine Problematik, mit der wir im Praxisalltag zunehmend und in Zukunft aller Voraussicht nach noch verstärkt konfrontiert werden. Für das Lecture Board konnten zwei österreichische Experten auf dem Gebiet der Ernährungsmedizin und Adipositas gewonnen werden. Herr Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft sowie Herr Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, der Doyen der Ernährungsmedizin in Österreich. Mit dem Literaturstudium stellen wir Ihnen ein weiteres kostenloses Fortbildungsangebot zur Verfügung und möchten Ihnen damit auch gleichzeitig den Weg zum Fortbildungsnachweis 2016 etwas erleichtern. An dieser Stelle verweise ich auch nochmals auf die Lange Nacht der Fortbildung am 6. November 2015 in Wien, die wir gemeinsam mit der Ärztekammer für Wien veranstalten. Der thematische Bogen reicht von Suchtmedizin über Kardiologie und Infektiologie bis hin zu Ernährungsmedizin. Die mit hochkarätigen ReferentInnen besetzte Veranstaltung in besonderem Rahmen des Apothekertraktes im Schloss Schönbrunn, wird kostenlos angeboten und soll neben der fachlichen Fortbildung auch den interkollegialen Austausch fördern. DR.IN MARTINA HASENHÜNDL Leiterin der Fortbildungsakademie der Ärztekammer für Niederösterreich Wichtiger Hinweis: Detaillierte FAQs und alle Informationen zum DFPProgramm und dem Fortbildungsnachweis 2016 finden Sie auch auf unserer Homepage unter www.arztnoe.at/ DFP2016 Für alle Fragen zur Einreichung des Fortbildungsdiploms steht Ihnen die Fortbildungsakademie der Ärztekammer für NÖ gerne zur Verfügung, E-Mail: [email protected], Tel: 01/53 751-270 Registrierung zum Online-Fortbildungskonto unter www.meindfp.at Für Detailfragen zum Online-Fortbildungskonto (Registrierung) wenden Sie sich bitte an die Supporthotline der Österreichischen Akademie der Ärzte GmbH: E-Mail: [email protected], Tel: 01/512 63 83 – 33 CONSILIUM 09/15 23 Foto: bilderbox.com DFPFORTBILDUNG Ernährungsmedizinische Konzepte bei Adipositas PROF. DR. H. HAUNER Institut für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar der TU München, Uptown München, Campus INHALT Überlegungen zur Ernährungstherapie Ernährungsmedizinische Konzepte Praktische Umsetzung Langzeitergebnisse Fazit für die Praxis LECTURE BOARD Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm Österreichisches Akademisches Institut für Ernährungsmedizin Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak Medizinische Universität Graz und Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft FORTBILDUNGSANBIETER Ärztekammer für Niederösterreich Wipplingerstraße 2, 1010 Wien REDAKTIONELLE BEARBEITUNG Punkte sammeln auf... SpringerMedizin.at Das DFP-Literaturstudium ist Teil des Diplom-Fortbildungs-Programms (DFP) der Österreichischen Ärztekammer und ermöglicht qualitätsgesicherte Fortbildung durch das Studium von Fachartikeln nach den Richtlinien des DFPs. DFP-Punkte online, per Post, Fax oder E-Mail Der Multiple-Choice-Fragebogen des DFP kann bis zum 30. September 2016 eingereicht werden: • Online: Für eingeloggte User steht der Beitrag und der Fragebogen unter www.springermedizin.at/ fortbildung/ zur Verfügung. • per Post: Prinz-Eugen-Straße 8-10, 1040 Wien • per Fax: +43 1 330 24 26 • per E-Mail (eingescannter Test) an: [email protected] Approbation Diese Fortbildungseinheit wird mit 2 DFP-Punkten approbiert. Die Fortbildungspunkte werden rasch und unkompliziert mit Ihrer ÖÄKNummer elektronisch verbucht. Mag. Ingo Schlager Eine Literaturliste ist auf Anfrage bei der Redaktion erhältlich. Der Originalartikel ist erschienen in der Zeitschrift „Der Internist 2/2015“. © Springer Verlags GmbH 2015 Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Susanna Hinterberger [email protected] SpringerMedizin.at CONSILIUM 09/15 25 DFPFORTBILDUNG Ernährungsmedizinische Konzepte bei Adipositas E ine hohe Energieaufnahme infolge überkalorischer Ernährung und eine Verringerung des Energieverbrauchs infolge von Bewegungsmangel sind – neben einem komplexen genetischen Hintergrund – die Hauptursachen für die weit verbreitete Adipositas. Nach den Ergebnissen einer kürzlich durchgeführten, bevölkerungsrepräsentativen Studie (DEGS) sind rund 24 % aller erwachsenen Deutschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) ≥ 30 kg/m2 adipös. Von den konservativen Therapieoptionen gilt eine hypokalorische Ernährung als wirksamste Maßnahme zum Erreichen einer negativen Energiebilanz und damit zur Senkung eines erhöhten Körpergewichts. Diese Einschätzung drückt sich auch darin aus, dass es eine unüberschaubare Anzahl von „Diäten“ zur Gewichtssenkung gibt. Die meisten Menschen mit Adipositas und Wunsch auf Gewichtsabnahme versuchen zunächst eine hypokalorische Kost, meist aus Eigeninitiative und ohne medizinische Begleitung. ten (z. B. Tiefkühlpizza) ist ungebrochen. Die zahllosen Essensangebote im Alltagsleben erschweren zusätzlich ein geregeltes Essverhalten. Diese oft spontan konsumierten Take-away- und ConvenienceProdukte sind i.d.R. fett-, zucker- und kalorienreich und machen eine kognitive Kontrolle der Nahrungszufuhr schwierig. Die hohe Energiedichte dieser Produkte begünstigt zudem eine übermäßig hohe Kalorienzufuhr bei gleichzeitig niedriger Nährstoffdichte, da es sich üblicherweise um stark verarbeitete Lebensmittel handelt. Hinzu kommt, dass die angebotenen Portionsgrößen weit über den tatsächlichen und sinnvollen Bedarf hinausgehen und einen Überkonsum fördern. Eine US-amerikanische Studie hat gezeigt, dass der unverminderte Anstieg der Kalorienzufuhr in den letzten 15 Jahren v. a. auf eine Zunahme der Essgelegenheiten zurückgeführt werden kann. Ernährungsmedizinische Konzepte Alle aktuellen evidenzbasierten Leitlinien zur Behandlung der Adipositas empfehlen eine Kombination von energiereduzierter Ernährung, Steigerung der körperlichen Bewegung und Verhaltensmodifikation als sinnvollste Interventionsstrategie. In einer Metaanalyse erwies sich diese Kombination als wirksamer als Ernährungstherapie allein. In der Ernährungsmedizin dominierte bis vor etwa 10 Jahren das Dogma einer fettreduzierten Kost als diätetische Strategie zur Senkung eines erhöhten Körpergewichts. Obwohl dieses Konzept auch heute unverändert gilt, gab es in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Ansätze und kontrollierter Studien, um die bislang unbefriedigenden Ergebnisse der Adipositastherapie zu verbessern. Überlegungen zur Ernährungstherapie Grundsätzlich gilt, dass die Ernährungstherapie der Adipositas an den Ursachen ansetzen sollte. Eine an der Pathogenese orientierte Ernährungstherapie impliziert, sich die aktuellen Trends im Ernährungsverhalten in der Bevölkerung bewusst zu machen. Die Ernährung der mitteleuropäischen Bevölkerung hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich diversifiziert und verändert (Infobox 1). Dabei fällt auf, dass die traditionellen Ernährungsmuster nach und nach verloren gehen. Insbesondere jüngere Menschen, die häufig in Einpersonenhaushalten leben, halten immer weniger geregelte Essenszeiten ein und bereiten ihre Mahlzeiten immer seltener selbst zu. Der Trend zum AußerHaus-Verzehr und zu fast verzehrfertigen Convenience-Produk26 CONSILIUM 09/15 Im letzten Jahrzehnt wurden viele neue Konzepte zur Ernährungstherapie vorgeschlagen und in Studien evaluiert. Damit steht heute ein breit gefächertes Spektrum von evidenzbasierten Therapien zur Verfügung (siehe Tab. 1, Infobox 2). Die persönlichen Wünsche der Betroffenen können stärker als bisher berücksichtigt werden; damit ist – theoretisch – eine höhere Compliance zu erwarten. Im Folgenden werden die aktuellen ernährungsmedizinischen Konzepte zur Behandlung der Adipositas vorgestellt. Auf das nahezu unüberschaubare Angebot an mehr oder weniger unseriösen hypokalorischen Crash-Diäten soll hier nicht eingegangen werden. Mäßig energiereduzierte Kostformen Fettreduzierte Mischkost Die auch heute noch gültige Standardempfehlung ist die fettreduzierte Mischkost mit einem Energiedefizit von ca. 500 – 600 kcal/Tag. Damit ist rechnerisch eine Energieeinsparung von Infobox 1: Trends im Ernährungsverhalten, die Übergewicht fördern • • • • • Hohe Energiedichte in modernen Lebensmitteln Übermäßige Portionsgrößen Ständige Verfügbarkeit von Fastfood Anhaltender Trend zum Außer-Haus-Verzehr Hoher Konsum energiereicher Kalt- und Warmgetränke DFPFORTBILDUNG der Reduktion der Kohlenhydratzufuhr abhängig war. Durch einen anfangs deutlichen oder völligen Verzicht auf Kohlenhydrate kommt Mäßig energiereduzierte Kostformen Deutlich energiereduzierte Kostformen es zu einem erheblichen Energiedefizit (Energiedefizit 500 – 800 kcal/Tag) (Energiezufuhr von max. 1.200 kcal/Tag) und damit zu einer schnellen GewichtsAlleinige Fettreduktion Sehr niedrigkalorische Diät (Formula-Diät) abnahme. Dabei werden bis zu 40 % der Energiereduzierte Mischkost Gesamtenergie eingespart, die nur teilweise Kohlenhydratarme Kostformen durch einen höheren Verzehr von Fett und Mahlzeitenersatzstrategie Eiweiß ausgeglichen werden, sodass ein mit Formula-Produkten deutliches Energiedefizit verbleibt. Daher fand sich in der Mehrzahl der Studien Infobox 2: Kalorienreduktion anfänglich ein größerer Gewichtsverlust als bei konventionellen Bei jeder Kalorienbeschränkung sollte beachtet werden, fettreduzierten Kostformen, der aber nach spätestens einem Jahr dass die Gewichtsabnahme von Person zu Person sehr nicht mehr nachweisbar war. Tabelle 1: Evidenzbasierte ernährungsmedizinische Konzepte zur Gewichtsreduktion variabel sein kann, in erster Linie in Abhängigkeit von der unterschiedlichen Motivation und Compliance der Teilnehmer. Aus diesem Grund wird bei Gewichtsreduktionsstudien häufig der Anteil der Personen mit wenigstens 5 % oder 10 % Gewichtsverlust angegeben. Wenn mehr als 50 % der Teilnehmer > 5 % und mehr als 20 % der Teilnehmer > 10 % des Ausgangsgewichts verlieren, kann von einem wirksamen Programm gesprochen werden. 3.500 kcal/Woche zu erwarten, was einer Gewichtsabnahme von etwa 500 g entspricht. Damit ist durchschnittlich eine Gewichtsreduktion von ca. 5 kg über den Zeitraum eines Jahres möglich. Die Zufuhr aller Makronährstoffe wird moderat begrenzt; als wichtigste Einzelkomponente gilt die Verringerung des Fettverzehrs, sodass es sich um eine fettreduzierte Kost handelt. Durch Erhöhung des Verzehrs von ballaststoffreichem Gemüse, Obst und Getreideprodukten lässt sich eine gute Sättigung bei gleichzeitig hoher Nährstoffdichte erzielen. Diese Kost hat den großen Vorteil, dass sie praktisch nebenwirkungsfrei und sicher ist. Sie erfordert keinen hohen Betreuungsaufwand und kann als Ernährungskonzept ohne Einschränkung auch auf Dauer empfohlen werden. Kohlenhydratarme Kostformen Kohlenhydratarme und fett- bzw. eiweißliberale Kostformen wurden in den letzten Jahren stark propagiert. Dieser Trend war zunächst durch ein Revival der Atkins-Diät in den USA ausgelöst worden. Bereits früher hatte es Phasen gegeben, in denen diese „ketogenen Diäten“ sehr beliebt waren. Eine Metaanalyse dieser älteren Studien zeigte, dass der beobachtete Gewichtsverlust von der Dauer und der Kalorieneinsparung, nicht aber von Der Begriff kohlenhydratarme bzw. Low-Carb-Kostformen ist bislang nicht klar definiert. Die Kohlenhydrataufnahme variiert je nach Konzept zwischen 20 g/Tag (bei der Atkins-Diät) und 40 Energieprozent (En%). Eine sehr starke Kohlenhydratbegrenzung ist nach den bisherigen Erfahrungen weder sinnvoll noch auf längere Sicht durchführbar. Dagegen scheint eine mäßige Kohlenhydratreduktion gut vertretbar zu sein, sofern ein ausreichend hoher Verzehr von Ballaststoffen sichergestellt und eine hohe Zufuhr gesättigter Fette vermieden werden kann, was allerdings unter westlichen Ernährungsbedingungen schwer umsetzbar ist. In der Praxis ist eine Erhöhung der Zufuhr gesättigter Fetten und eine Abnahme der Ballaststoffaufnahme kaum zu vermeiden. Unklar ist bisher, wie sich stark kohlenhydratreduzierte Kostformen auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken. Vor allem der mäßige Anstieg des LDL-Cholesterins wird hierbei kritisch gesehen. Inzwischen liegen die Ergebnisse zahlreicher Kohortenstudien zu dieser Frage vor: Eine neuere Metaanalyse ergab, dass eine kohlenhydratarme Kost mit einem signifikant erhöhten Risiko für Gesamtmortalität assoziiert ist; allerdings sind weitere Studien nötig, um diesen Zusammenhang genauer zu klären. Proteinbetonte Kostformen Obwohl sich Low-Carb-Diäten durch einen meist hohen Proteinanteil auszeichnen, gibt es Kostformen, die primär auf eine Erhöhung des Proteinanteils zielen. Eine Metaanalyse solcher Interventionsstudien ergab, dass eiweißreiche Diäten (20 – 30 % der Energiezufuhr) im Durchschnitt zu einem etwas größeren Gewichtsverlust führen als hypokalorische Kostformen mit übliCONSILIUM 09/15 27 Foto: bilderbox.com DFPFORTBILDUNG che n Eiweißmengen (ca. 15 % der Energiezufuhr). Dieser Vorteil wird auf die stärkere Sättigung durch einen hohen Eiweißgehalt zurückgeführt. Eine solche Kost geht allerdings auch mit einem Anstieg von Harnstoff und -säure sowie einem erhöhten Risiko für Nierensteine einher. Eigene Untersuchungen zeigten, dass eine erhöhte Zufuhr tierischer Proteine zu einem Anstieg der glomerulären Filtrationsrate (GFR) führt und damit die Nieren unnötig belasten könnte. Daneben weisen Kohortenstudien darauf hin, dass ein hoher Verzehr tierischer Proteine das Diabetes- und Arterioskleroserisiko und damit das Mortalitätsrisiko erhöht. Zu erwähnen ist hier, dass Protein aus pflanzlichen Quellen diese ungünstigen Eigenschaften nicht zu besitzen scheint, systematische Studien dazu fehlen aber. Bedeutung der Makronährstoffzusammensetzung In der Vergangenheit wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit die Makronährstoffzusammensetzung (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß) verschiedener Diäten den Gewichtsverlust beeinflusst. In einer Studie wurden 811 adipöse Erwachsenen mit einem mittleren BMI von 33 kg/m2 über 2 Jahre mit vier hypokalorischen Kostformen mit einem Kohlenhydratanteil zwischen 35 % und 65 % und normalem oder hohem Eiweiß- (15 % bzw. 25 En%) bzw. Fettanteil (20 % bzw. 40 En%) behandelt. Dabei konnten keine Unterschiede hinsichtlich Gewichtsabnahme, Besserung von Risikofaktoren sowie Hunger- und Sättigungsscores beobachtet werden. Der Gewichtsverlust hing aber mit der Therapieadhärenz zusammen. Damit ist überzeugend belegt, dass der Gewichtsverlust nicht von der Makronährstoffzusammensetzung, sondern allein von der Kalorienbegrenzung abhängt. In weiteren Studien wurden populäre kommerzielle Diäten mit mäßiger Energiebegrenzung in randomisierten Interventionsstudien über 12 Monate hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit verglichen. Während Dansinger et al. in ihrer Studie keine Unterschiede im Gewichtsverlust zwischen den vier eingesetzten Diäten (Atkins, Ornish, Weight Watchers, Zone) fanden, zeigte sich in einer ähnlichen Studie (Vergleich von Atkins, Zone, Ornish und LEARN) ein kleiner Vorteil zugunsten der 28 CONSILIUM 09/15 Atkins-Diät. Die Unterschiede zwischen diesen Diäten waren aber klinisch marginal, auch die Drop-out-Raten wichen kaum voneinander ab. Eine neuere Metaanalyse dieser Studien kam zu dem Ergebnis, dass mit diesen mäßig energiebegrenzten Kostformen unabhängig von ihrer Zusammensetzung im Laufe eines Jahres eine durchschnittliche Senkung des Körpergewichts um 1,9 BMI-Einheiten zu erreichen ist. Mittelmeerkost Es gibt eine Metaanalyse, die dafür spricht, dass die Einhaltung einer mediterranen Kost ebenfalls mit einer mäßigen Gewichtsabnahme einhergeht. Dies wurde v. a. in der DIRECT-Studie aber auch in anderen Studien nachgewiesen. Drastisch energiereduzierte Kostformen Mäßig hypokalorische Kostformen benötigen i.d.R. einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten, bis eine Gewichtsabnahme von etwa 5 – 10 % des Ausgangsgewichts erreicht wird. Ist aus medizinischen oder anderen Gründen eine schnellere und größere Gewichtsabnahme erwünscht, können – zeitlich begrenzt – auch Kostformen mit einem höheren Energiedefizit eingesetzt werden. Dazu werden meist definierte Formula-Produkte verwendet. Dabei handelt es sich um industriell hergestellte, definierte Nährstoffpulver meist auf Molkebasis, die mit einer täglichen Energiezufuhr von mindestens 800 kcal und höchstens 1.200 kcal angeboten werden. Formuladiäten müssen als diätetische Lebensmittel dem § 14 der Diätverordnung und der entsprechenden EU-Richtlinie (96/8/EG) entsprechen. Diätetische Lebensmittel, die in Österreich für den Einsatz im Rahmen der Adipositastherapie vorgesehen sind, werden zudem genauestens durch die 112. Verordnung des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz geregelt. In der Diätverordnung sind auch die zugesetzten Mengen an essenziellen Fettsäuren, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen festgelegt. In Österreich sind verschiedene Formula-Produkte im Handel, die u. a. über Apotheken, Reformhäuser und im Direktverkauf vertrieben werden, i.d.R. ohne fachliche Unterstützung bzw. Beratung. Sie werden meist entweder im Rahmen einer Mahlzeitenersatzstrategie oder einer zeitlich begrenzten, sehr niedrigkalorischen Diät eingesetzt. Mahlzeitenersatzstrategie Zunächst werden zwei Hauptmahlzeiten durch ein FormulaProdukt ersetzt, die dritte „normale“ Hauptmahlzeit sollte ausgewogen sein und etwa einen Energiegehalt von 500 – 600 kcal enthalten. Nach einem Gewichtsverlust von etwa 10 kg wird nur DFPFORTBILDUNG noch eine Hauptmahlzeit ersetzt, um das neue Gewicht zu halten. Der Patient kann dabei sein eigenes Gewichtsmanagement betreiben. Studien belegen, dass sich mit dieser Strategie auch langfristig eine gute Gewichtssenkung erreichen lässt. Sehr niedrigkalorische Diäten Formula-Produkte werden auch eingesetzt, um für begrenzte Zeit ein extremes Energiedefizit bei gleichzeitiger Sicherstellung der Zufuhr essenzieller Nährstoffe zu ermöglichen. Damit lässt sich ein größerer Gewichtserfolg herbeiführen. Dabei sollte eine tägliche Energiezufuhr von 800 kcal aus Sicherheitsgründen nicht unterschritten und die Anwendung auf 12 Wochen begrenzt werden. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von ca. 2,5 – 3 l/Tag ist unbedingt zu achten. Die Gewichtsabnahme liegt bei 15 – 20 kg über den maximalen Zeitraum von 12 Wochen. Diese Kostform ist besonders bei Personen mit einem BMI ≥ 35 kg/m2 sinnvoll. Sie ist einfach anzuwenden, da sie stark von den normalen Verzehrgewohnheiten abweicht und es infolge der Ketonkörperbildung schnell zu einer Dämpfung des Hungergefühls kommt. Sehr niedrigkalorische Diäten erfordern wegen potenzieller Risiken eine gute medizinische Betreuung. Nebenwirkungen wie Schwindel infolge von Blutdruckabfall, Hungergefühl, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Frieren, Verstopfung treten häufig auf. Auch gefährlichere Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen infolge des Kaliummangels, Nierenversagen und Ketoazidose wurden beschrieben, insbesondere bei multimorbiden Patienten im mittleren bis höheren Lebensalter. Eine relativ engmaschige ärztliche Betreuung ist daher gerade bei Personen mit Begleiterkrankungen unverzichtbar. Bei schwangeren und stillenden Frauen, Kindern und Jugendlichen, Menschen im Alter von > 60 Jahren, Personen mit einem BMI < 30 kg/m2 und Personen mit schweren akuten oder chronischen Erkrankungen sollten solche Diäten grundsätzlich nicht eingesetzt werden. Formula-Diäten sollten immer mit Bewegungssteigerung und Verhaltensmodifikation (v. a. Anti-Stress-Maßnahmen) kombiniert werden, da sonst eine hohe Rückfallquote zu erwarten ist. Nach Beendigung einer solchen Diät sollte unbedingt ein neues Essverhalten mit normaler Kost eingeübt werden. Doch selbst unter optimalen Bedingungen kommt es bei den meisten Personen innerhalb weniger Monate zu einem deutlichen Wiederanstieg des Körpergewichts. Langzeitstudien zeigen dennoch, dass 4 bis 5 Jahre nach Teilnahme an einem solchen Programm im Durchschnitt noch ein mittlerer Gewichtsverlust von 7 kg bezogen auf das Ausgangsgewicht verbleibt. Praktische Umsetzung Der entscheidende Erkenntnisgewinn aus den neuen Studien ist, dass der Korridor für die Wahl einer gewichtssenkenden Ernährung relativ groß ist und eine maßgeschneiderte Therapie nach den Wünschen des Betroffenen erlaubt. Als Orientierung lässt sich grob angeben, dass der Fettanteil unter 35 – 40 % der Gesamtenergiezufuhr bleiben sollte, während die Zufuhr von Kohlenhydraten (40 – 60 % der Gesamtenergie) und Protein (10 – 30 % der Gesamtenergie) recht variabel gestaltet werden kann. Ein inhaltlich dogmatisches Vorgehen, wie in der konventionellen Ernährungsberatung nicht selten praktiziert, ist angesichts der Vielfalt begründeter neuer ernährungsmedizinischer Behandlungskonzepte nicht mehr vertretbar. Für den kurz- und langfristigen Gewichtsverlust kommt es weniger auf die Art der Kalorienbegrenzung, sondern entscheidend auf die Energiebilanz an. Dies bedeutet für die Praxis, dass es bezüglich der Lebensmittelpräferenzen großen Spielraum gibt. Durch geschickte und bewusstere Lebensmittelauswahl, insbesondere fettärmere Lebensmittel und Erhöhung der Ballaststoffzufuhr, und energieärmere Zubereitung lässt sich eine Energieeinsparung von 500 – 800 kcal/Tag ohne Einschränkung der Essensmengen und unter Erhalt einer guten Sättigung erreichen. Ein solches Konzept erfordert die Kenntnis der Ernährungsgewohnheiten des Patienten. Diese sollten stets vor Beginn einer Therapie ermittelt werden, z. B. durch Ernährungsprotokolle. Erst auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen sollte dann eine gezielte Ernährungsberatung erfolgen (Infobox 3). Gleichzeitig sind die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen stärker zu beachten, die eine erhöhte Energiezufuhr begünstigen. Hier sind v. a. die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln meist hoher Energiedichte und der Trend zum Außer-Haus-Verzehr von Convenience-Produkten zu nennen. Der hohe Konsum zuckerhaltiger Getränke fördert gerade bei jüngeren Menschen eine Gewichtszunahme. Daher geht es darum, dem Patienten attraktive Alternativen bei der AußerHaus-Verpflegung aufzuzeigen, die seinen Geschmacksvorlieben und letztlich seinem Lebensstil entsprechen und dabei dennoch einer Gewichtsabnahme bzw. -kontrolle nicht im Weg stehen. Da viele Menschen den Zeitaufwand für die Mahlzeitenzubereitung möglichst niedrig halten wollen, ist es wichtig, jeden übergewichtigen/adipösen Menschen in die Lage zu versetzen, aus CONSILIUM 09/15 29 DFPFORTBILDUNG dem großen Angebot von Convenience- und Fertigprodukten diejenigen auszuwählen, die eine ausgewogene und energetisch angemessene Ernährung erlauben. Geeignete Nährwerttabellen wie „Kalorien mundgerecht“ oder Apps für Smartphones können hierbei wertvolle Unterstützung bieten. Langzeitergebnisse Das eigentliche Hauptproblem in der Adipositastherapie stellt die Stabilisierung des Gewichterfolgs dar, die offenkundig nur einer Minderheit von 10 – 20 % über einen mehrjährigen Zeitraum gelingt. Wesentlicher nachhaltiger sind dagegen die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie bei extremer Adipositas, die allerdings Menschen mit einem BMI von ≥ 40 kg/m2 vorbehalten ist. Vielen Patienten und ihren Therapeuten ist nicht klar, dass es nach einer Gewichtsabnahme notwendig ist, die Energiezufuhr dauerhaft zu verringern, um einen Wiederanstieg des Körpergewichts zu verhindern. Nach den Untersuchungen von Leibel et al. führt ein Gewichtsverlust von 10 % des Körpergewichts zu einer Abnahme des Gesamtenergieverbrauchs um bis zu 550 kcal/Tag. Kehren Personen nach einer Gewichtsabnahme wieder zu ihren alten Ernährungsgewohnheiten zurück, ist ein Wiederanstieg des Körpergewichts vorprogrammiert und unvermeidlich. Am besten hat sich hier eine Strategie mit fettarmer Infobox 3: Praktische Empfehlungen zur Ernährungstherapie bei Übergewicht/Adipositas • Ernährungsinformation und -schulung inkl. Nährwerttabellen • Reduzierung der Energiezufuhr um 500 – 600 kcal/Tag auf der Grundlage eines Ernährungsprotokolls • Weniger fettreiche Lebensmittel und fettarme Zubereitungsarten • Reichlich Gemüse, Salate, Obst, Vollkornprodukte • Ausreichende Proteinzufuhr, auf Wunsch und bei intakter Nierenfunktion höhere Eiweißzufuhr • Ausschließlich kalorienfreie Getränke (bei Wunsch süßstoffgesüßte Alternativen) • Verteilung auf 3 Mahlzeiten/Tag • Zwischenmahlzeiten und Snacks nach Möglichkeit ganz meiden • Monitoring der Nahrungsaufnahme (Selbstbeobachtung) • Regelmäßige Gewichtskontrolle 30 CONSILIUM 09/15 Ernährung bewährt, die sich nachweislich zur Verhinderung einer Wiederzunahme nach Gewichtsreduktion eignet. Auswertungen des US-amerikanischen National Weight Control Registry zeigen, dass v. a. eine fettreduzierte Kost bzw. ein Verzicht auf Fastfood sowie eine hohe körperliche Aktivität geeignet sind, um eine Wiederzunahme zu verhindern bzw. zu begrenzen. Die überwiegende Mehrzahl der erfolgreichen Langzeitabnehmer ernährte sich sehr fettarm, ein kleinerer Prozentsatz hielt eine kohlenhydratarme Kost ein. Auch die Selbstkontrolle des Körpergewichts durch regelmäßiges Wiegen ist eine wirksame Strategie, um einem Wiederanstieg des Körpergewichts vorzubeugen. Fazit für die Praxis •Eine übermäßige Energiezufuhr im Rahmen der modernen Ernährung ist maßgeblich an der Entwicklung einer Adipositas beteiligt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der steigende Konsum energiedichter Fertiglebensmittel und -gerichte, die zumeist in zu großen Portionen angeboten werden. •Ziel der Ernährungstherapie ist eine ausgewogene, aber energiereduzierte Kost mit einem Energiedefizit von ca. 500 – 800 kcal/Tag und einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel, um eine gute Sättigung zu erreichen. •Bei der Auswahl der Lebensmittel und Speisen kommt es weniger auf die Makronährstoffzusammensetzung, sondern allein auf den Energiegehalt an. •Die persönlichen Vorlieben der Patienten sollten beachtet, gleichzeitig aber energieärmere Lebensmittelalternativen bevorzugt werden. •Wichtig ist, eine passende Mahlzeitenstruktur zu etablieren und spontane Snacks zwischendurch, sei es in fester Form oder als Getränke, grundsätzlich zu meiden. •Bei medizinischer Indikation können zeitlich begrenzt und unter ärztlicher Betreuung auch sehr niedrigkalorische Diäten eingesetzt werden. Ohne langfristige Ernährungsumstellung ist allerdings eine Wiederzunahme des Körpergewichts zu erwarten. PROF. DR. H. HAUNER Institut für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar der TU München, Uptown München, Campus © Springer Verlags GmbH 2015 DFPFORTBILDUNG Foto: bilderbox.com Fragebogen zum DFP-Literaturstudium I m Rahmen des Diplom-Fortbildungsprogramms ist es möglich, durch das Literaturstudium im NÖ Consilium Punkte für das DFP zu erwerben. 1.Nach der Lektüre des DFP-Artikels beantworten Sie bitte die Multiple-Choice-Fragen. Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet, wenn alle möglichen richtigen Antworten angekreuzt sind. Bei positiver Bewertung (66 Prozent der Fragen) werden Ihnen 2 DFPFachpunkte zuerkannt. 2.Schicken Sie diese Seite entweder per Post oder Fax an die Redaktion von Springer Medizin Wien (z. Hd. Susanna Hinterberger), Prinz-Eugen-Straße 8-10, 1040 Wien, Postfach 11, Fax: 01 / 330 24 26 3.Einsendeschluss: 30. September 2016 4.Internet: Sie haben die Möglichkeit, den Fragebogen unter www.SpringerMedizin.at/fortbildung herunterzuladen oder unter ELearning auf der Website der Österreichischen Akademie der Ärzte www.meindfp.at auszufüllen. 1. Eine Kombination welcher Maßnahmen ist Teil jeder leitliniengerechten Empfehlung zur konservativen Behandlung der Adipositas? (3 richtige Antworten) a.energiereduzierte Ernährung b.Steigerung der körperlichen Bewegung c.tägliche Flüssigkeitszufuhr von mind. 4 Litern Wasser d.Verhaltensmodifikation des Patienten 2. Welches Kriterium ist bei einer Diät ausschlaggebend für den Gewichtsverlust? (1 richtige Antwort) a.Kalorienreduzierung b.Mikronährstoffzusammensetzung c.Makronährstoffzusammensetzung d.Tageszeit der Mahlzeiten 4. Was ist bei der Durchführung von sehr niedrigkalorischen Diäten zu beachten? (3 richtige Antworten) a.Es muss eine medizinische Indikation gestellt sein b.Die Diät muss zeitlich begrenzt sein c.Die Mahlzeiten sollten möglichst reich an Proteinen sein d.Die Diät muss unter ärztlicher Aufsicht erfolgen 5. Welche schwerwiegenden Komplikationen können im Zuge einer sehr niedrigkalorischen Diät auftreten? (2 richtige Antworten) a.Ketoazidose b.Herzrhythmusstörungen c.Cerebrale Durchblutungsstörungen d.Pankreatitis 3. Welches ernährungsmedizinische Konzept zur Gewichtsreduktion zählt zu den deutlich energiereduzierten Kostformen? (1 richtige Antwort) a.Kohlenhydratarme Diät b.Energiereduzierte Mischkost c.Formula-Diät d.Alleinige Fettreduktion 6. Wodurch ist eine mäßig energiereduzierte Kostform gekennzeichnet? (1 richtige Antwort) a.Energiezufuhr von max. 1200 kcal/Tag b.Energiezufuhr von max. 1500 kcal/Tag c.Energiedefizit von 500–800 kcal/Tag d.Energiedefizit von 1000–1500 kcal/Tag Absender (bitte gut leserlich ausfüllen): Zutreffendes bitte ankreuzen: Name: __________________________________________ Frau Adresse:__________________________________________ Ich besitze ein gültiges ÖÄK-Diplom Ort/PLZ:__________________________________________ Altersgruppe: < 30 31 – 40 41 – 50 51 – 60 > 60 Telefon:__________________________________________ ÖÄK-Nummer: __ __ __ __ __ __ Herr CONSILIUM 09/15 31 PSY Dr.in Regina Magdowski, MAS „Läuse und Flöhe” Arbeit in der psychosomatisch-psychotherapeutischen Praxis D er Erstkontakt erfolgt per Telefon. Die Patientin hat eine Zuweisung vom Hausarzt bezüglich einer Psychotherapie wegen rezidivierender Oberbauchbeschwerden erhalten und möchte sich mit mir einen Termin für ein Erstgespräch ausmachen. Die Patientin erhält innerhalb der nächsten zwei Wochen einen Termin. Die Patientin hat ihr Einverständnis für diesen Artikel gegeben und ich nenne sie ab jetzt Frau Z. Es erscheint eine gepflegte, junge Frau, die auf mich einen kranken Eindruck (sehr blass, grenzwertig untergewichtig, irgendwie leidend – das waren so meine ersten Gedanken) macht. Frau Z. berichtet über rezidivierende, oft ziehende Schmerzen im Oberbauch; diese bestünden seit etwa zwei Jahren. Die Beschwerden treten ganz unterschiedlich auf, manchmal von der Nahrungsaufnahme abhängig, manchmal nicht, zum Teil strahlen sie in den BWS-Bereich aus. Übelkeit und in letzter Zeit auch Erbrechen sind zusätzliche Symptome; irgendwie habe sie schon Angst vor dem Essen. Weiters erzählt sie von Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Antriebslosigkeit und einem Gewichtsverlust von 15 kg in den letzten Monaten. Sie sei bis vor kurzem große Bergtouren gegangen, das ist nicht mehr möglich – sie habe keine Kraft mehr. In einem „scheinbar“ unbedeutenden Nebensatz erzählt sie auch von zunehmender Angst, die Anforderungen nicht mehr zu schaffen und ihr Freund meine, sie habe eine Essstörung. Frau Z. arbeitet im medizinischen Bereich zur Zeit auf einer Karenzstelle; diese ist noch befristet auf ein Jahr. Anamnestisch auffallend waren immer wieder erhöhte Leberwerte, die nicht weiter abgeklärt wurden; eine Therapie mit Escitalopram wurde vier Wochen vor dem Erstgespräch eingeleitet. Psychopathologischer Status: zeitlich und örtlich orientiert, keine Wahnideen, keine Suizidalität, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, differenzierte Ängste. Frau Z. und ich vereinbaren weiterführende psychotherapeutische Gespräche und eine internistische Abklärung. Ich überweise Frau Z. zu einer Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie; weiters hat die Kollegin ein ÖÄK-Diplom für Psychosomatische Medizin. Frau Z. verlässt zuversichtlich die Praxis; sie meint, jetzt habe ich etwas in die Hand bekommen. Differentialdiagnostische Überlegungen sind sofort einige aufgetaucht wie Anorexia nervosa, mittelgradige Depression oder Angststörung. 32 CONSILIUM 09/15 Frau Z. erzählt beim nächsten Treffen, dass sich die Beschwerden weiter verschlechtert hätten, sie kaum noch etwas essen könne und die Angst, an etwas Ernstem erkrankt zu sein, immer größer wird. Sie habe am nächsten Tag den Termin bei der internistischen Kollegin. Meine Arbeit ist, die Beschwerden und den Leidensdruck der Patientin wahr und ernst zu nehmen und anzusprechen und nichts zu beschönigen. Ich möchte kurz einige biografische Daten, die sich in der 2. Stunde erheben lassen, erwähnen, die dann im weiteren Verlauf der Psychotherapie wichtig sind. Der Vater von Frau Z. verstarb an einem Melanom; die Patientin war damals 11. Laut eigenen Angaben war sie ein „Papamäderl“, es folgte eine schwierige Zeit mit Konflikten mit der Mutter und der jüngeren Schwester. Frau Z. lebt in einer sogenannten „Wochenendbeziehung“; ihr Freund wohnt in einem anderen Bundesland und der Anfahrtsweg beträgt jeweils zwei Stunden. Fragen bezüglich Arbeitsstelle nach der Beendigung der Karenzvertretung beschäftigen Frau Z. sehr. Vier Tage später erfolgt ein Anruf von Frau Z., sie könne den nächsten Termin nicht einhalten; sie müsse ins Spital, weil einige Blutwerte unklar sind. Bei Frau Z. wird eine Hämochromatose mit begleitender Pankreatitis festgestellt. Eine Hämochromatose ist eine chronische, erblich bedingte Fe-Speicher- Erkrankung, die sich in verschiedenen Organen manifestieren kann (Herz, Leber und Pankreas) und schwere Schäden verursachen bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann. Die Therapie der Wahl sind regelmäßige Aderlässe. Nach einem 14-tägigen Spitalsaufenthalt und zwei Aderlässen kommt Frau Z. zur nächsten Psychotherapiesitzung und ist erleichtert, dass es ihr körperlich schon etwas besser geht und dass sie aus der „Psychoschublade“ herausgekommen ist. Die Psychotherapie hat ein Jahr lang gedauert und ist inzwischen abgeschlossen. In vielen Therapiestunden ist einerseits die Verarbeitung, eine chronische Erkrankung zu haben, ein wichtiges Thema, andererseits die Erkenntnis, dass eine körperliche Erkrankung auch psychische Symptome machen kann. Lebensgeschichtlich machen unklare Arbeits- und Beziehungsverhältnisse Angst. Frau Z. hat gelernt, mit der chronischen Erkrankung „Hämochromatose“ zu leben. Sie hat keine Angst mehr vor dem Essen – PSY Erfolgreiche Führung durch Führungstechnik Eine Schulung für ärztliche Führungskräfte im Gesundheitsbetrieb in 3 Modulen à 2 Tagen. Termine/Ort Modul 1: 24. - 25.11.2015 Modul 2: 10. - 11.11.2015 oder 16. - 17.02.2016 Modul 3: 12. - 13.01.2016 oder 05. - 06.04.2016 ARTIS Hotel Schloss Krumbach, 2851 Krumbach, Schloss 1 Foto: bilderbox.com Inhalt Essen ist wieder etwas zum Genießen und ihr Wohlfühlgewicht habe sie auch wieder erreicht. Weiters hat sich Frau Z. entschlossen, zu ihrem Freund zu ziehen und eine „Alltagsbeziehung“ zu leben. Automatisch ergibt sich dadurch ein anderer Arbeitsplatz (anderes Bundesland) und die Ängste um das, was nach der Karenzvertretung wird, haben sich damit aufgelöst. Der Bericht über Frau Z. ist mir als psychosomatisch und psychotherapeutisch tätige Ärztin ein großes Anliegen. Ja, es gibt „Läuse und Flöhe“ und wir müssen den PatientInnen genau zuhören und nicht versuchen, sie in eine „Lade“ zu stecken. Die medizinische Abklärung ist „notwendig“ – „so, dass die Not gewendet wird“ und ich habe die Patientin in Not erlebt. Die Anwendung der Grundsätze der Führungstechnik ist eine wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Managements. Dabei sind alle für eine erfolgreiche Führung notwendigen Wissensgebiete zu berücksichtigen, die für die persönliche Führungsfähigkeit, die Fähigkeit zur unternehmensorientierten Teamführung, die Fähigkeit zur analytischen Entscheidungsfindung, zur Planung, Realisierung und Durchsetzung von Entscheidungen auch in Krisenfällen, sowie zur wirksamen Kontrolle maßgebend sind. Die Spezifika, im ganzheitlichen Management des modernen Gesundheitsbetriebs finden hier besondere Berücksichtigung. Methode Es wird anwendungsorientiertes, aktives Training geboten. Die Theorie wird stets mit konkreten Fallbeispielen erarbeitet, um den Transfer in die berufliche Wirklichkeit ausführlich vorzubereiten. Referent Prof. Mag. Johann Culik Zielgruppe DR.IN REGINA MAGDOWSKI, MAS Leiterin des PPP-Referats der Ärztekammer NÖ Ärztinnen und Ärzte, welche als Führungskräfte vorgesehen oder eingesetzt sind, sowie jene mit führender Verantwortlichkeit. Kosten EUR 1.400,- + 20 % USt (inkl. Unterlagen, Verpflegung) pro Modul Das PPP-Referat der NÖ Ärztekammer ist zuständig für die fächerübergreifende Aus-, Weiterund Fortbildung in Psychosozialer, Psychosomatischer und Psychotherapeutischer Medizin und steht allen Kolleginnen und Kollegen bei persönlichen und beruflichen Problemstellungen als Ansprechpartnerin gerne zur Verfügung ([email protected]). Anmeldung/Information LK Wr. Neustadt/Ärztliche Direktion, Frau Muster, Tel: 02622/90042580, E-Mail: [email protected] Anrechenbar für das DFP der ÖÄK mit 16 sonstigen DFP-Punkten pro Modul. CONSILIUM 09/15 33 2016 1. NÖ Ärztetage ANGESTELLT | NIEDERGELASSEN | TURNUS Schmerz Versicherungen Pensionsvorsorge Antibiotika Arzt & Recht Impfungen Kommunikation Foto: fotomek - Fotolia 1./2. April 2016 Steigenberger Hotel and Spa Am Goldberg 2 | 3500 Krems Kontakt: 01/53 751-270 | [email protected] AUSTAUSCH 71. Erfahrungsaustausch Sem.-Nr.: 6814 Transkulturelle Kompetenz als Herausforderung in der medizinischen Behandlung Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund in der täglichen Praxis Referentin Univ.-Lektorin OÄ Dr.in Türkan Akkaya-Kalayci, Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindesund Jugendalter, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, AKH Wien Datum/Ort Samstag, 28. November 2015, 09.00 s.t. bis ca. 12.00 Uhr Ärztekammer für Niederösterreich, A-1010 Wien Teilnahmegebühr/-zahl EUR 40,00 max. 30 Personen Anmeldeschluss 10 Tage vor der Veranstaltung Inhalt Die steigende Diversität der Klienten im Gesundheitsbereich erfordert von Ärztinnen und Ärzten zunehmend mehr Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen Migrationserfahrungen und Gesundheit, über unterschiedliche Krankheits- und Gesundheitskonzepte sowie über häufigste Krankheitsbilder bei Patienten mit Migrationshintergrund und deren Erwartungen bezüglich der Therapie. Ziel Das Seminar versucht durch Vermittlung praxisnahen Wissens Einblicke in die transkulturellen Aspekte in der medizinischen Behandlung von Patienten mit Migrationshintergrund zu geben. Anmeldung/Information Ärztekammer für NÖ/Fortbildungsakademie, E-Mail: [email protected]: 01/53 751-270, Fax: 01/53 751-285 Anrechenbar für das DFP im Ausmaß von 4 fachspezifischen Fortbildungspunkten. 36 CONSILIUM 09/15 E s war eine besondere Ehre, dass Dr. Rosemarie Braun, Hautfachärztin in Tromsø, Tochter des Initiators des Erfahrungsaustauschs unser diesmaliges Treffen besuchte. In der Allgemeinpraxis lassen sich die Beratungsprobleme nicht zwanglos den spezialistischen Fächern zuordnen, wenngleich das medizinische Basiswissen in der Ausbildung durch sie vermittelt wird und von ihren jeweiligen Forschungsgebieten stammt. Die Problemstellungen in der praktisch angewandten Medizin sind das Forschungsgebiet, das Robert N Braun eröffnete und zwar mit der, von ihm so bezeichneten „Berufstheorie“. Beim Erfahrungsaustausch zeigt sich, wie aktuell berufstheoretische Fragestellungen sowohl im niedergelassenen, wie auch im stationären Bereich sind. Eine verschleppte Diagnosestellung macht sich ein Kollege zum Vorwurf: Der 57-Jährige bringt seinen Infekt, also den Husten, nicht los. ACE-Hemmer-Absetzen, Protonenpumpenhemmer ohne Erfolg; Lungenröntgen, Sonographie der Halsorgane unauffällig. Der getastete Lymphknoten am Hals ist kleiner geworden. Richtig gut ist es aber auch nach Wochen nicht. Die erst jetzt intensivierte Diagnostik (HNO- und LungenFacharzt, Thorax CT) deckt ein zentrales N.bronchi auf. Husten, der nach kurzer Zeit problemlos verschwindet, rangiert in langjährigen Fällestatistiken unter den Top 20. Kreuzschmerz ist ähnlich häufig und meist selbstlimitierend. Einer 54-jährigen Krankenschwester bereitet das Heben der Patienten immer mehr Probleme. Ein Röntgen ergibt die üblichen Abnützungen. Trotz Vorstellung beim Orthopäden, antiphlogistischer Therapie kommen zu den Kreuzschmerzen noch Beschwerden in den Schultern und Hüften dazu. Aber obwohl die Frau sich allgemein müder und sehr belastet fühlt, will sie nicht in den Krankenstand gehen. Erhöhte Entzündungswerte und positiver Borrelien Titer führen zu einem Versuch mit Doxycyclin. Die Zuhörer vermuteten es längst - bekamen sie doch den Fall gleichsam im Zeitraffer präsentiert: Alles sprach für eine Polymyalgia rheumatica. Darüber, was ein Patient vermutet, hat Braun mit einigen Kollegen eine Studie1] gemacht, ob es denn diagnostisch weiterhelfe? Auch wenn es prozentmäßig nicht ins Gewicht fällt, so riet er dennoch auf diese Frage als einfaches Diagnostikum nicht zu verzichten. Allerdings in 2 % waren die Patienten-Angaben irreführend, weshalb auch das Hinterfragen wichtig ist. Bei einem feiertäglichen Essen im Familienkreis wird der Kollege vom Schwager gefragt: „Kann es die Wirbelsäule sein?“ Zusätzlich zur gewohnt anstrengenden Arbeit als Schlosser musste er in letzter Zeit auch Möbel schleppen und dabei habe er einen Druck im Brustkorb verspürt. In die Arztrolle geschlüpft, veranlasst der Kollege umgehend eine Einweisung ins Krankenhaus, wo der Patient aufgrund einer neuen, akuten Stenokardie sofort dem Herzkatheter zugeführt und dabei gestentet wird. Natürlich wissen wir wie wichtig eine ordentliche körperliche Untersuchung ist. Die Umstände, nicht nur in der Allgemeinpraxis, zwingen zu einer reduzierten Form. Was dabei vertretbar ist, damit beschäftigt sich Braun in seinen Büchern2,3]. Er unterschied eine örtliche und eine allgemeine „Routine“, erstere für eine lokal eingegrenzte Affektion und letztere für unspezifische Allgemeinsymptome. Wie die Realität zeigt, müssen wir uns manchmal dazu zwingen, insbesondere wenn Patienten nur ein Medikament möchten, oder wir selbst denken, es wäre mit einem Gespräch allein getan. Eine Patientin, die kurz vor einer Urothel-Rezidiv-OP steht, kommt, weil ihr „nicht gut“ ist. Eine Auskultation wurde verabsäumt. Das prä-operative Lungenröntgen, wenige Tage später, zeigt eine Mittellappen-Pneumonie und die Patientin wird wieder heimgeschickt. Auch versuchen wir Zeit zu gewinnen durch gleichzeitiges Untersuchen und Befragen. Braun nennt es Paralleldiagnostik. Sie sollte vermieden werden, weil man sich nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren kann. In die Notaufnahme kommt eine adipöse Frau wegen allgemeiner Müdigkeit, Mattigkeit. Ihr Redeschwall während der Untersuchung läßt ein Systolikum überhören. Wochen später wird ein Herzvitium diagnostiziert. Hektik gibt es auch im Spital, wenn Ärzte knapp werden und Arbeit auf der Station und in der Ambulanz wartet. Es soll ein PORT-A-CATH® nach dem Setzen erstmals angestochen werden. Dazu unterbricht der Assistenzarzt kurz die Ambulanzarbeit und nimmt noch den engagierten Famulanten mit. Er darf es unter seiner Supervision machen, Spülung mit NaCl, passt, und schnell wieder zu den Wartenden. Eine halbe Stunde später schlägt die Schwester Alarm: „Es geht alles para!“ Die letztlich verantwortliche Oberärztin rügt beide. Im Lehrbuch2] findet sich der kryptisch anmutende Satz: „Der kranke Körper ist relativ arm an fühlbaren und wahrnehmbaren Reaktionen. Nur wenige Symptome in immer neuen Kombinationen zeigen die Krankheiten an.“ Die folgenden Fälle verdeutlichen die darin enthaltene Aufforderung, diagnostisch für verschiedenste Krankheiten offen zu bleiben, solange eine Krankheit nicht bestätigt ist. Einer 74-jährigen Diabetikerin musste eine Zehe amputiert werden. Wegen der schlechten Wundheilung bleibt sie länger im Spital. Die Stationsärztin ist gewöhnt, dass Patienten und Schwestern „nervös“ werden, wenn 4 Tage kein Stuhl zu registrieren ist, und zudem über Bauchschmerzen geklagt wird. Die Laxantiengabe wird intensiviert. Bei der Visite anderntags hat die Patientin aber ärgere Oberbauchbeschwerden. Eine Sonographie ergibt keine Besonderheiten. Rechtzeitig wird auch noch an das Herz gedacht: EKG und Labor sprechen für einen akuten Myokardinfarkt. Die Ombudsstelle für Patientenbeschwerden informiert: Ärztliche Behandlung von Asylwerbern Aus aktuellem Anlass darf darauf hingewiesen werden, dass Personen, die als Asylwerber registriert sind, vollen Zugang zur GeDr.in Regina sundheitsversorgung erhalten (gemäß Artikel Lindlbauer 6 der Grundversorgungsvereinbarung). Jeder Asylwerber in der Grundversorgung ist bei der NÖ Gebietskrankenkasse versichert und erhält eine Sozialversicherungsnummer. Allerdings werden an Asylwerber keine e-cards ausgegeben. Stattdessen wird ein e-card-Ersatzbeleg ausgestellt, der vom Asylwerber beim Arztbesuch vorzuweisen ist. Dabei ist die Sozialversicherungsnummer in das System einzugeben und die Konsultation mit der o-card zu signieren. Asylwerber sind somit, trotz fehlender e-card, als Kassenpatienten zu behandeln, wobei die einschlägigen Regelungen über die Behandlungspflicht zur Geltung gelangen. Ergänzend dazu darf informiert werden, dass Asylwerber einer generellen Befreiung von der Rezeptgebühr unterliegen. Zuständig in der Ärztekammer für NÖ: Dr.in Regina Lindlbauer, Referatsleiterin Mag. Andreas Wieser CONSILIUM 09/15 37 AUSTAUSCH Bei Pflegefällen ist die Deutung von Symptomen oft besonders schwierig. Eine 80-jährige, leicht demente Patientin „liegt so dahin“. Die Hauskrankenpflege bittet um einen Hausbesuch. Obwohl, außer einer einseitigen leichten periorbitalen Rötung, nichts Fassbares zu erkennen ist, weist der Kollege ein. Diagnose: Glaukomanfall mit einem Druck von 30-40mmHg. Im Altersheim möchte man für eine 85-Jährige, nach Schlaganfall, etwas Stärkeres „für die Verschleimung“. Sie hustet viel und erbricht dann wiederholt. Wahrscheinlich sind einfach die leichten Schluckstörungen schuld. Erst beim Versuch, die Patientin etwas schlucken zu lassen, denkt die Kollegin auch an einen Speise-Bolus. Dieser wurde dann tatsächlich endoskopisch behoben. In schwierigen Fälle würde man sich einen interdisziplinären „ad hoc“-Austausch wünschen, auch um die Verantwortung zu teilen. Ein hoch fiebernder, stark hustender, beeinträchtigter junger Mann mit geröteten Augen muss fast täglich besucht werden. Das Antibiotikum erbricht er, dann schmerzt es unterm Rippenbogen, anderntags beim Urinieren. Da eine Harnprobe beim Hausbesuch nicht gelingt, wird er in die Ordination bestellt. Da erschrickt die Kollegin: Der Patient ist ikterisch, der Harn dunkelbraun. Aber selbst beim stationären Aufenthalt kann keine Ursache für die Hepatitis gefunden werden, mit 500U/l GGT wird er entlassen. Psychiater wird konsultiert, der es wagt. Kurz darauf nimmt sich die Patientin mit einem Messer das Leben. Psychische Leiden erschüttern wegen ihrer Nicht-Nachvollziehbarkeit alle Beteiligten. Eine Kollegin hatte mit einem 55-Jährigen nach dessen Entlassung aus einer psychiatrischen Abteilung ein langes, ein – wie sie empfand – gutes Gespräch. Anderntags fand man ihn erhängt. Eine anorektische, psychotische Jugendliche würde ja, wenn es sein muss, zu einem Spezialisten gehen, aber sie will nicht mehr in die regional zuständige Spitalseinrichtung. Wo sonst findet man rasch Hilfe? Es belastet auch, wenn eigene Handlungen, und seien sie noch so alltäglich, einen schicksalshaften Verlauf nehmen. Der zunehmend pflegebedürftige, multimorbide Mann soll auf Anraten der Hauskrankenpflege besucht werden. Da das Haustor versperrt ist, kommt der schwindelige Patient selbst um aufzusperren. Die Hausärztin hört, wie er im Hof stürzt und nach einer kurzen Stille zu stöhnen beginnt. Am Schädeltrauma mit akuter Blutung verstarb er wenige Tage nach der Trepanation. Zum Schluss der fast schon obligate Antikoagulatienfall: Eine 55-jährige Frau nimmt seit 30 Jahren Epilan ®. Kann es eine Perikarditis ausgelöst haben? Eine 67-Jährige Marcumar ® Patientin wird wegen des typischen Bild eines Zervikalsyndroms gequaddelt. Am nächsten Tag sucht sie selbst das Spital auf: Subduralhämatom. Es war ihr eingefallen, sie hatte sich vor kurzem bei einem Kasten angestoßen. Immobile Pflegefälle fordern uns Allgemeinärzte oft besonders. Im Honorarkatalog findet sich zwar die Position „Konsilium“ für Fachärzte. Aber nur wenige Fachärzte sind für ein solches am Krankenbett bereit. So übernehmen wir mitunter gewagte medikamentöse Einstellungen. Der nächste Erfahrungsaustausch im Rahmen der Fortbildungsangebote der NÖ Ärztekammer findet am Samstag, 3. Oktober 2015, 9 – 12:30 Uhr, Wipplingerstraße 2, 1010 Wien statt. Unkostenbeitrag: 10 Euro. Anmeldung: Mag. Anita Assam, Tel. 01/53751-270, Fax: 285 DW, E-Mail: [email protected] Nach 7 Jahren in einem Heim wird die 79-jährige Tante nun von der Nichte gepflegt. Sie findet, dass sie dort zu viele Psychopharmaka bekommen hat, und fragt die Hausärztin, ob man nicht reduzieren könne. Diese rät ihr eher ab. Ein MR DR. WALTRAUD FINK MR DR. GUSTAV KAMENSKI 1. Prosenc F, Brandt H, Braun RN, Crombie D, Martin K, Reichenfeld F, Wegenast B u. P. Über den diagnostischen Wert spontaner Angaben des Kranken bei der Erstberatung durch den praktischen Arzt. Med. Klinik 59, 1964, 964-967 2. Braun RN, Fink W, Kamenski G (2007) Lehrbuch der Allgemeinmedizin - Theorie, Fachsprache und Praxis. Berger, Horn Wien 3. Braun RN, Mader FH (2005) Programmierte Diagnostik in der Allgemeinmedizin 82 Checklisten für Anamnese und Untersuchung. 5. Auflage Springer, Berlin Heidelberg New York 38 CONSILIUM 09/15