Aktuell - den Serviceteil finden Sie in der Printausgabe

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CONSILIUM
MITTEILUNGEN DER ÄRZTEKAMMER FÜR NIEDERÖSTERREICH | 70. JAHRGANG
NR. 09/15
Registrierkassenpflicht ab 2016
Ärzteausbildung neu
Start des DFP-Literaturstudiums
„Meine eigene Ordination.“
Für uns zählt, was für Sie zählt.
Sie haben klare Vorstellungen und Ziele. Deshalb unterstützen wir Sie und Ihre Ideen
mit der passenden Finanzlösung.
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KURZ &
SERVICE
BÜNDIG
Kurz & bündig
31 neue Mitglieder in der
NÖ Ärztekammer
Seit 2009 werden die Ärzteausweise nicht mehr wie bisher postalisch an die JungmedizinerInnen zugeschickt, sondern im
Zuge einer Informationsveranstaltung persönlich übergeben.
Seitens der Ärztekammer sind zahlreiche Spitzenfunktionäre
bei den monatlich stattfindenden Ärzteausweisverleihungen anwesend. So wird den JungmedizinerInnen die Gelegenheit geboten, unter anderem den Präsidenten der Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, den Vizepräsidenten,
Dr. Gerrit Loibl, MSc, den 2. Vizepräsidenten und Kurienobmann, Dr. Ronald Gallob, seinen Stellvertreter, Dr. Stefan Halper,
und Dr. Karl Ischovitsch, aber auch Vertreter des Wohlfahrtsfonds und des Kammeramtes persönlich kennenzulernen.
Da die Ärzteausweisverleihung monatlich stattfindet, haben
die Gruppen eine perfekte Größe, um produktiv und zeitökonomisch zu arbeiten. Aufgrund des großen Interesses und der
zahlreichen Anfragen im Laufe des Abends plant die Kurie nun
Fortsetzungsveranstaltungen, in denen auf spezifische Themen
ausführlich eingegangen werden kann.
Bei der Ausweisverleihung am 29. Juli 2015 wurden Dr. Nazem
ATASSI, Dr. Elisabeth BAUER, Dr. Alexander GALUSKA, Dr.
Romana GRASS, Dr. Romana KLASINC, dr.med. Vera KÖHEGYI, Dr. Robert KRUGER, Dr. Katharina KYSKA, Dr. Conrad
LACOM, dr.med. Elöd LASZLO, Dr. Nadine LIBISCH, Dr.
Nikolaus LUEGER, Dr. Madeleine MISTELBAUER-OBERNBERGER, MUDr. Martin PERNA, Dr. Monika VOITL, Dr.
Maria Rosa Elisabeth WERNERT und Dr. Sebastian WERNERT ihre Ausweise verliehen.
Bei der Ausweisverleihung am 26. August 2015 wurden Dr.
Lukus ANTONITSCH, Dott. Luigi EPIFANI, Dr. Paul FELDBACHER, MUDr. Martin HUTAN, PhD., Dr.med. Aniko
Rozsa LAKATOS, Dr. med. Kristijan MAKARUHA, Dr.
Dragana MIRNIC, Dr. Thomas PERKONIG, Dr. Julia PONGRACZ, Mag.phil. Dr. Anja REININGER, Dott. Simone
SANTOSUOSSO, Dr. Christian SCHWARZ, MUDr. Marek
VARGA und Dr. Markus WEILHARTER ihre Ausweise verliehen.
Wir gratulieren recht herzlich!
Patienteninformation Transporte
Foto: bilderbox.com
Beim qualifizierten Krankentransport treten wiederholt Fragen auf, weshalb eine Patienteninformation Transporte erstellt wurde. Die Krankenkasse übernimmt Transportkosten, wenn ärztlich
bescheinigt wird, dass der gehunfähige erkrankte
Patient auf Grund seines Zustandes kein öffentliches Verkehrsmittel – auch nicht mit einer Begleitung - benutzen kann.
Die Patienteninformation beschreibt Transportmöglichkeiten und führt Beispiele an. Fälle, in
denen die Kasse keine Kosten übernimmt, werden
ebenso aufgelistet. Ein Informationsblatt steht
im Download-Center
der Ärztekammer unter
www.arztnoe.at
zur
Verfügung und ist für
unklare Einzelfälle als
Unterstützung gedacht.
Es kann dem Patienten
ausgehändigt werden.
IMPRESSUM: Verleger, Medieninhaber und Herausgeber: Ärztekammer für Niederösterreich, Körperschaft Öffentlichen Rechts; 1010 Wien, Wipplingerstr.
2, Tel. 01/53751-0, FAX: 01/53751-19, www.arztnoe.at; Chefredaktion: Präs. Dr. Christoph Reisner, MSc, Dw. 241; Redaktionsleitung: Michael Dihlmann, Dw. 321,
Mag. Birgit Jung, Dw. 623; Bildredaktion, Layout, Produktion, Abonnements, Wortanzeigen: Daniela Kotouc, MA, Dw. 633, [email protected]. Die Redaktion
behält sich vor, unaufgefordert eingesandte Beiträge teilweise oder gar nicht zu veröffentlichen. Alle mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche
Einschaltungen. Alle namentlich gezeichneten Beiträge müssen nicht zwingend die Meinung des Herausgebers repräsentieren. Anzeigen:
FIVE NF GmbH, Kutschkergasse 26, Postfach 63, 1180 Wien, Tel. 0676/440 51 81, [email protected]; Grafisches Konzept: Kotschever
Kommunikationshaus; Herstellung, Druck, Vertrieb: Colordruck La Linea GmbH., Kalkofenweg 6, 5400 Hallein/Gamp, Tel. 06245/90111-0,
[email protected]; Abopreis: 55 Euro/Jahr (10 Ausgaben)
Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens,
Wallig Ennstaler Druckerei und Verlag GmbH, UW-Nr. 811
CONSILIUM 09/15
3
Fotos: bilderbox.com
INHALT
Seite
07
Seite
Inhalt
21
Seite
23
Service
Kurz & bündig
Seite
03 Fortbildungsveranstaltungen
Seite
40
Impressum
Seite
03 Anmeldeformular
Seite
47
Editorial Präsident
Seite
05 FAM
Seite
49
Editorial Vizepräsident
Seite
06 Termine
Seite
52
Registrierkassenpflicht für Ärzte Seite
07 Standesveränderungen
Seite
54
Kommentar Dr. Wudy
Seite
09 Jubiläen
Seite
57
Gesetzgebungsprozesse
Seite
14 Offene Stellen
Seite
60
PHC-Gesetz
Seite
15 Vertretungsärzte
Seite
64
Ärzteausbildung NEU Seite
21 Punktewerte
Seite
66
FAQ für Spitalsärzte Seite
22 Kleininserate
Seite
67
DFP-Literaturstudium
Seite
23
Ernährungsmedizinische Konzepte
Seite
25
Fragebogen
Seite
31
„Läuse und Flöhe”
Seite
32
71. Erfahrungsaustausch
Seite
36
Liebe LeserInnen! Diese Ausgabe des NÖ Consilium ging am
15. September 2015 in den Versand. Sollten Sie das Heft nicht zeitgerecht
im Briefkasten vorfinden, wenden Sie sich bitte an Ihr zuständiges Postamt.
REDAKTIONSSCHLUSS:
Ausgabe 11/15: Mittwoch, 21. Oktober 2015, 12.00 Uhr;
Coverfoto: Stock Creative - Fotolia
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CONSILIUM 09/15
Foto: Bernhard Noll
PRÄSIDENT
Dr. Christoph
Reisner, MSc
www.wahlarzt.at
Mit Kanonen auf Spatzen Registrierkassenpflicht ab 2016
I
n dieser Ausgabe des Consilium haben wir eine Übersicht
über den Stand der Entwicklung in Sachen Registrierkassenpflicht abgedruckt. Diese Registrierkassenpflicht wird 2016
kommen und 2017 verschärft. Zum jetzigen Zeitpunkt sind viele Details jedoch noch sehr unausgegoren und nicht gesetzlich
beschlossen. Daher die wichtigsten Empfehlungen zu Beginn:
Kaufen Sie sich derzeit NOCH KEINE Registrierkasse. Es sind
Angebote in Umlauf, von denen wir allerdings noch gar nicht
wissen können, ob sie den Anforderungen genügen werden,
deren Details noch in Entwicklung sind. Wir halten Sie über
alle Entwicklungen im Rahmen unserer Informationskanäle auf
dem Laufenden.
Generell kann jedoch gesagt werden, dass das Ziel dieser Verpflichtung zumindest im Ärztebereich nicht erreicht werden wird.
Wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unterliegen bereits
heute einer derartig umfangreichen Dokumentationspflicht,
dass Steuerhinterziehungen ohnehin schwierig bis unmöglich
sind. Im Bereich der Wahlärztinnen und Wahlärzte werden
schon immer Honorarnoten ausgestellt, die von den Patientinnen und Patienten bei den Sozialversicherungen eingereicht werden. Im Bereich der ärztlichen Hausapotheken wird der Großteil
der Medikamente mit den Sozialversicherungen abgerechnet.
Und diese Vorgänge sind bereits mehrfach elektronisch erfasst.
Nun kommt noch die Registrierkasse dazu, als wäre das jetzt der
Schlüssel zum Aufdecken von Steuerhinterziehungen.
Zugegebenermaßen gibt es natürlich auch in Ordinationen theoretisch steuertechnische Schlupflöcher. Diese wird man aber
mit einer Registrierkasse NICHT stopfen können. Klassische
„Schwarzzahlungen“, wie sie etwa im Bereich von „Nachbarschaftshilfe“ bei Bauvorhaben vorkommen sollen, lassen sich
durch Registrierkassen auch nicht verhindern. Dies sind Zahlungen, die einfach nie stattgefunden haben. Und daran wird eine
Registrierkassenpflicht auch nichts ändern.
Seltsamerweise werden die Umsätze über Bankomat auch in die
Verpflichtung miteinbezogen. So sind dann Behandlungs- und
Geschäftsvorgänge, die bereits im Zuge der medizinischen, juristischen und bürokratischen Abwicklung von Patientinnen und
Patienten bereits drei Mal erfasst wurden, eben noch ein viertes
Mal zu erfassen. Aus meiner Sicht ist das im Ärztebereich daher
kein probates Mittel zur Erfassung von Steuerhinterziehung.
Vielmehr ein weiterer Versuch der Kriminalisierung rechtschaffender Bürgerinnen und Bürger, die mittlerweile auf allen Ebenen in Bürokratie immer mehr zu ersticken drohen.
Im Bereich der Besetzbarkeit von Kassenstellen werden immer
wieder Gründe gesucht, warum die Zahl der Bewerber kontinuierlich zurückgeht. Natürlich ist das Einkommen ein Thema.
Natürlich sind die Ausbildung und die mangelnde Vorbereitung
etwa in Lehrpraxen ein Thema. Aber die Furcht vor der NichtBewältigbarkeit der Anforderungen administrativer Art sowie
die Tatsache, dass immer mehr der Zeit der niedergelassenen
Ärzteschaft durch teils unnötige Bürokratie verbraucht wird,
schreckt viele Jungärztinnen und -ärzte vom Gang in die niedergelassene Ordination ab. Diese Registrierkassenpflicht wird
sicherlich auch keinen positiven Beitrag zur Reduktion des Ärztemangels schaffen.
DR. CHRISTOPH REISNER, MSC
Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich
facebook.com/christoph.reisner
Krankenbehandlung von Asylwerbern
Asylwerber und Flüchtlinge werden in die Grundversorgung des
Bundes bzw. Landes übernommen. Grundversorgte haben Anspruch auf Krankenversicherung, wenn sie hilfsbedürftig sind. Sie
erhalten rasch nach der Registrierung in den Erstaufnahmezentren bzw. durch die Betreuungsstellen eine Sozialversicherungsnummer, welche im e-card-Server gespeichert wird. Mit dieser
Versicherungsnummer kann im e-card System der sogenannte ocard Fall gesteckt und eine Konsultation verbucht werden. Grundversorgte sind von der Rezeptgebühr befreit.
Kassenrezept mit Sozialversicherungsnummer für Asylwerber
Aus aktuellem Anlass hat uns die Abteilung Heilmittelabrechnung
der NÖ Gebietskrankenkasse gebeten darauf hinzuweisen, dass
bei der Ausstellung von Kassenrezepten für Asylwerber für die
Abrechnung der Heilmittel unbedingt die Sozialversicherungsnummer am Rezept anzuführen ist. Asylwerber werden in die
Grundversorgung aufgenommen und sind von der Rezeptgebühr
befreit.
CONSILIUM 09/15
5
Foto: Raimo Rumpler
VIZEPRÄSIDENT
VP Dr. Gerrit Loibl, MSc
[email protected]
Nach Einbruch der Dämmerung
D
er nasskalte Wind trieb tiefliegende Wolken von Osten wurde. Das Tier schrak zusammen, kreischte laut auf und vervor sich her, gelegentlich konnte der einsame Spaziergän- schwand panisch in ungelenken Sprüngen im Dunkel des Garger einen Blick auf die schmutzig wirkende bleiche Mondsichel tens. Unter dem weißen Umhang war nun eine leise Stimme zu
werfen. Die kahlen Äste der Alleebäume wurden vom Sturm hören: „Ihr wisst, Ihr seid der einzige, der mich erlösen kann.
gepeitscht und gemahnten den Wanderer an tanzende Gerippe. Ich möchte endlich einmal wieder schlafen können, so wie alle
Von Ferne war das klagende Heulen eines Hundes zu hören, anderen. Seit Jahren bin ich verdammt und kann nicht zur Ruhe
oder war es vielleicht ein Wolf? An der Friedhofsmauer beschleu- kommen, seit der Sache damals mit Lord Peter…“ Sie warf den
nigte der Mann seine Schritte, trotzdem warf er an der schmie- Umhang zurück und der Mann hinter dem Schreibtisch konnte
deeisernen Türe unwillkürlich einen Blick auf den Gottesacker die klaffende Wunde an ihrer Kehle erkennen, aus der aber
und schrak zusammen. Eine schmale Gestalt in einem weißen schon lange kein Blut mehr geflossen war. Mit Schaudern griff er
Umhang bewegte sich durch die Gräberreihen auf den Ausgang nach dem Pergament in der untersten Schreibtischlade und zog
zu, und er hatte den Eindruck, trotz des im Moment wieder die Feder aus dem Futteral. Wieder die schwache Frauenstimme:
etwas stärkeren Mondlichts warf sie keinen Schatten auf den fei- „Es muss mit Blut sein, sonst kann der Bann nicht aufgehoben
werden“. Der Hausherr holte ein schnen Kies des Gehwegs. Er bekreuzigte
Skalpell aus einer Schatulle und
sich und bog nach rechts ab, hinunter
„Gestatten, Jaqueline Navratil, males
ritzte sich am Handgelenk, bis einige
ins Dorf.
Mystery-Shopping-Queen
Blutstropfen hervorquollen. Er fing
sie in einem kleinen Schälchen auf,
Die weiß gekleidete Frau verließ den
im Dienste des
Friedhof und wandte sich in die
Hauptverbandes. Herr Doktor, tauchte die Feder hinein und setzte
sein Zeichen auf das Pergament. Mit
Gegenrichtung, wo am Rand des
Sie
haben
jetzt
ein
Problem!“
gespannter Miene wartete die weißgeMoors ein einsames Haus stand, eine
kleidete Frau, bis die Signatur vollenfast blinde Laterne oberhalb des Eingangs führte einen aussichtslosen Kampf gegen die hereinbre- det war und griff dann gierig nach dem Schriftstück. Ein trichende Dunkelheit. Eine bleiche Hand griff aus dem Umhang umphierendes Lächeln umspielte ihren Mund, als sie in ihren
an die Klingelschnur und irgendwo im Inneren des Gebäudes Umhang griff und eine Karte herauszog.
erklang das dünne Läuten einer Glocke.
„Gestatten, Jaqueline Navratil, MSQ, das steht für MysteryNach einigen Minuten öffnete sich mit einem traurigen Knarren Shopping-Queen im Dienste des Hauptverbandes. Herr Doktor,
die Türe und ein junges Mädchen warf einen fragenden Blick Sie haben jetzt ein Problem: E-Card von Ihrer Assistentin angeins Freie. Die weiße Gestalt übergab das Erkennungszeichen und nommen, aber keine Identitätskontrolle bei einer Ihnen noch
betrat das Haus, beim Überschreiten der Schwelle öffnete sich unbekannten Patientin. Bestätigung des Krankenstandes ohne
kurz ihr Umhang, worauf das Mädchen einen erstickten Schrei eingehende Untersuchung. Die Sache mit der Katze ist ja gerade
von sich gab und sich die Hände vor´s Gesicht schlug. Ohne die noch gut ausgegangen, Sie wissen ja – keine Tiere im BehandBesucherin noch einmal anzusehen wies sie ihr den Weg zu den lungsraum. Ich denke, Sie sollten sich mit Ihrer Ärztekammer in
Verbindung setzen und juristischen Rat einholen.“ Mit raschen
Gemächern des Hausherrn und zog sich rasch zurück.
Schritten ging sie zur Türe, drehte sich dort noch einmal um:
Die weiße Frau betrat das Arbeitszimmer, an den Wänden „Und was die Krankenstandsmeldung betrifft: das sollte eigentvolle Bücherregale, dazwischen eine Vitrine mit verschiedenen lich schon elektronisch gehen…“
Glaskolben, Geräten und Instrumenten, hinter dem mächtigen
Schreibtisch saß der Hausherr und warf der Besucherin einen
DR. GERRIT LOIBL, MSC
nachdenklichen Blick aus seinen müden Augen zu. „Nun habt
Vizepräsident der Ärztekammer für Niederösterreich
Ihr mich also doch gefunden.“ murmelte er, als er plötzlich ein
Geräusch vom geöffneten Fenster her vernahm. Eine einäugige
schwarze Katze war von außen auf das Fensterbrett gesprungen
und schickte sich an, auf das niedrige Tischchen unter dem Fenster zu steigen, als sie plötzlich der Fremden im Zimmer gewahr
6
CONSILIUM 09/15
Foto: Raimo Rumpler
Foto: sebastianphilipp.com
REGISTRIERKASSE
Mag. Caroline
Huemer
Dr. Max Wudy
Registrierkassenpflicht für Ärzte
A
m 7. Juli 2015 wurde das Steuerreformgesetz 2015/2016
nun vom Nationalrat verabschiedet, mit dem es unter anderem zur Normierung
• einer generellen Einzelaufzeichnungs- und Einzelerfassungspflicht für Barumsätze ab dem ersten Euro,
• einer verpflichtenden Belegausstellung,
• einer Registrierkassenpflicht für alle Unternehmer ab Erreichen von bestimmten Umsatzgrenzen
kommt.
Bereits im Vorfeld erreichten uns mannigfaltige Anfragen zu dieser Causa, die erst seit dem Bekanntwerden des Gesetzestextes
beantwortet werden können. Hier nun eine Zusammenfassung
der häufigsten Fragen und deren Antworten.
Auch wenn dies immer wieder von manchen Standesvertretern behauptet wurde: Für Ärzte gibt es keine Sonderregelung.
Die Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems besteht ab einem Jahresumsatz von EUR
15.000,00 je Ordination, sofern die Barumsätze EUR 7.500,00
überschreiten. Wichtig ist, dass im Sinne dieser Bestimmung
zum Barumsatz auch die Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte sowie Gutscheinen gehört.
Betroffen von der neuen Regelung sind vor allem
•Wahlärzte
•Ärzte mit Kassenverträgen, die Zusatzleistungen wie Impfungen anbieten
•Ärzte mit Hausapotheke
Eine Ausnahme, die allerdings bei Ärzten nicht zur Anwendung
kommt, gibt es nur bei der so genannten „Kalte Hände Regelung“. Die Ausnahme gilt begrenzt mit einem Nettoumsatz von
EUR 30.000,00 für Umsätze, die von Haus zu Haus oder auf
öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen
Orten getätigt werden.
Besonders bei Ärzten mit Hausapotheken wird es oft vorkommen, dass die Medikamentenabgabe nicht in der Praxis, sondern
direkt vor Ort stattfindet. Für diese Tätigkeiten gibt es, wenn
sie nicht unter die „Kalte Hände Regelung“ fallen – und dies
ist eigentlich immer auszuschließen - eine spezielle Regelung.
Sie können diese Umsätze (sogenannte „mobile Umsätze“) vor
Ort händisch aufzeichnen und anschließend in der Registrier-
Foto: bilderbox.com
Gilt diese Regelung auch für Ärzte?
kasse in der Praxis erfassen. Voraussetzung dafür ist allerdings,
dass der Patient einen entsprechenden Beleg über die Barzahlung erhält, der den gesetzlich festgelegten Mindestinhalt aufweist. Das heißt, bei Hausbesuchen hat der Arzt einen händisch
geschriebenen Beleg auszufolgen.
Anforderungen an das Kassensystem
Die technischen Anforderungen an die Registrierkassen und die
erforderliche Sicherheitseinrichtung zum Schutz vor Manipulation werden durch eine eigene Verordnung („Registrierkassensicherheitsverordnung“) festgelegt. Diese Verordnung ist derzeit
noch im Entwurf und soll ab 1.1.2017 in Kraft treten.
Laut Entwurf soll bereits ab 1.1.2016 jede Registrierkasse über
ein Datenerfassungsprotokoll sowie einen Drucker bzw. eine
elektronische Vorrichtung zur Übermittlung von Zahlungsbelegen verfügen.
Zusätzlich sollen alle Kassensysteme ab 1.1.2017 über einen
Manipulationsschutz verfügen. Durch eine individuell zugeordnete Signatur, die auf jedem Beleg zu erfassen ist, wird sichergestellt, dass die Belege nicht im Nachhinein vom Steuerpflichtigen verändert werden können. Die ärztliche Schweigepflicht
wird dadurch gewahrt, dass auf den Belegen keine PatientennaCONSILIUM 09/15
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REGISTRIERKASSE
Bezirksärztetreffen Herbst/Winter 2015/2016
men vermerkt werden müssen. Gerade hier sind die EDV Firmen gefordert, praktikable, leistbare Lösungen zu entwickeln
und anzubieten. Auf die physikalische Einbindung ohne zusätzlichen Verkabelungsaufwand (bestehendes Ethernet, WLAN,
Bluetooth) ist besonders zu achten.
Kaufen Sie im Moment noch keine Registrierkasse, die Spezifikationen zu Redaktionsschluss (26.8.2015) wurden noch
nicht festgelegt. Derzeit werden vermehrt Registrierkassen als
Schnäppchen in Umlauf gebracht, wobei noch fraglich ist, ob
diese den geforderten Sicherheitsanforderungen genügen bzw.
sich gegebenenfalls nachrüsten lassen.
Wir halten Sie über kompatible, den Gesetzen entsprechende
Systeme hier im Consilium, per eline und natürlich auf unserer
Homepage auf dem Laufenden.
Aufgrund zahlreicher Anfragen bereist der Präsident der NÖ Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, ab September die Bezirke
Niederösterreichs. Im Rahmen von Bezirksärztetreffen wird er einen Überblick über die kammerpolitischen Angelegenheiten und
Aktivitäten geben sowie Ihre Fragen diesbezüglich beantworten.
Folgende Termine sind vorgesehen:
TerminBezirk
Ansprechpartner
23.09.2015 Hollabrunn
29.09.2015 Bruck/Leitha
30.09.2015 Amstetten/Melk
13.10.2015 Klosterneuburg
14.10.2015 Purkersdorf
21.10.2015 Waidhofen/Thaya
27.10.2015 Gmünd
04.11.2015 St. Pölten Stadt/Land
17.11.2015 Mistelbach
24.11.2015 Horn/Zwettl
25.11.2015Neunkirchen/
Wr. Neustadt
02.12.2015 Scheibbs
offen
Korneuburg
offen
Baden
offen
Tulln
offen
Gänserndorf
offen
Lilienfeld
Dr. Nics
Dr. Schenzel
Dr. Eglseer/Dr. Waxenegger
Dr. Neuwirth-Riedl
Dr. Levnaic
Dr. Gold
Dr. Fuchs
Dr. Fiedler/Dr. Barnath
Dr. Wiesinger
Dr. Oppeck/Dr. Danzinger
Dr. Tischler/Dr. Dinhobl
Dr. Brandstetter
Dr. Hasenhündl
Dr. Birkner
Dr. Diehl
Dr. Kozlowsky
Dr. Friewald
Details erfahren Sie bei Frau Beate Nechvatal,
Tel. 01/53 751-245, E-Mail: [email protected]
oder finden Sie auf www.arztnoe.at - Termine Bezirksärzteversammlung
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CONSILIUM 09/15
Welche Pflichten treffen die Patienten?
Auch für Patienten ergibt sich ab 1.1.2016 eine Neuerung im
Zuge der Registrierkassenpflicht. Um zu vermeiden, dass
Umsätze nicht in der Kasse verbucht werden, müssen sie nach
Bezahlung der Behandlung den Kassenzettel entgegennehmen
und ihn zumindest bis nach Verlassen der Praxis aufbewahren.
Es ist derzeit zwar keine Verwaltungsstrafe vorgesehen, wenn
man den Beleg als Patient oder Kunde nicht entgegennimmt.
Sollte der Patient bei einer Überprüfung der Finanzverwaltung den Beleg über die Barzahlung nicht vorweisen, kann dies
jedoch unangenehme Folgen für den betroffenen Arzt haben.
Wir empfehlen, ein deutliches Hinweisschild anzubringen, das
die Patienten über ihre Pflicht zur Entgegennahme des Kassenbeleges informiert.
Anforderungen an Belege über Barzahlungen
Ab 1.1.2016 müssen Belege einen bestimmten Mindestinhalt
aufweisen:
•Eindeutige Bezeichnung des Arztes
•Fortlaufende Nummer zur Identifizierung des Geschäftsvorfalles
•Datum der Ausstellung
•Art und Umfang der Leistung (die Angabe der Leistung ist
auch verschlüsselt möglich)
•Betrag
Die Durchschrift des Beleges ist vom Arzt wie gewohnt für eine
Dauer von sieben Jahren aufzubewahren.
Foto: Raimo Rumpler
Dr. Max Wudy
Kommentar
Steuerliche Vergünstigungen im Rahmen der Neuregelung
Wird zwischen dem 1.3.2015 und dem 31.12.2016 aufgrund der
Registrierkassenpflicht ein neues elektronisches Kassensystem
erworben oder ein bestehendes System umgerüstet, können folgende steuerliche Begünstigungen geltend gemacht werden:
•Die Anschaffungskosten sowie die durch die Umrüstung des
Systems anfallenden Aufwendungen können sofort in voller
Höhe als Betriebsausgabe abgesetzt werden.
•Bei Anschaffung eines neuen Systems oder bei Umrüstung
eines bestehenden Systems steht eine steuerfreie Anschaffungsprämie in Höhe von EUR 200,00 pro Erfassungseinheit
zu. Diese Prämie ist in der Steuererklärung zu beantragen und
wird dem Abgabenkonto gutgeschrieben.
Das Wichtigste in Kürze
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Registrierkassenpflicht für Ärzte, die einen Barumsatz von EUR 7.500,00 (ein
Gesamtumsatz von EUR 15.000,00 wird von uns vorausgesetzt)
pro Jahr überschreiten, verpflichtend ab 1.1.2016 kommt. Ab
1.1.2017 müssen alle Registrierkassen mit einem elektronischen
Sicherheitssystem gegen Manipulationen ausgestattet sein.
Von der Pflicht zur Registrierkasse werden nach ersten Schätzungen über 80 Prozent aller Ärzte, fast alle Wahlärzte, aber mit
Sicherheit ALLE hausapothekenführenden Ärzte betroffen sein.
Es liegt nun vor allem an den EDV Firmen, eine leistbare praktikable Lösung anzubieten. Ob es wirklich Sinn macht, zusätzliche bürokratische Hürden in einem Bereich einzuführen, in
dem 100 Prozent des Bestellwesens, der Lagerhaltung und der
Abrechnung über die Praxis EDV läuft, überlassen wir dem
geneigten Leser.
MAG. CAROLINE HUEMER
Prokuristin bei Kotlik Prokopp Stadler GMBH,
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer
2353 Guntramsdorf, Klingerstraße 9
DR. MAX WUDY
Referatsleiter Hausapotheken und Medikamentenwesen,
Kurienobmannstellvertreter
Derzeit ist die gesetzliche Umsetzung der Registrierkassenpflicht noch etwas
unklar. Gewisse Themen sind im Laufe des Gesetzgebungsprozesses „gereift“, das heißt, der Inhalt des endgültigen Gesetzes entspricht nicht mehr
dem des ersten Begutachtungsentwurfes.
Offen ist die Abklärung von Detailfragen. Das geschieht, wie schon bei
Gesetzesänderungen in der Vergangenheit, im Erlasswege, wobei da auch in
vielen Fällen eine Vorwegabklärung mit potentiell Betroffenen erfolgt; bei
den Registrierkassen und der Belegerteilungspflicht ist vor allem die Wirtschaftskammer stark involviert.
Die letzten veröffentlichten Erläuterungen beziehen sich auf die Regierungsvorlage (EB RegVlg) und decken sich nicht mit dem beschlossenen Gesetz, da es in der zweiten Lesung noch
einen Änderungsantrag gegeben hat, der auch angenommen wurde. (Die Erläuterungen sowie den Änderungsantrag finden Sie auf www.arztnoe.at.)
Die Klärung der Einzelfragen zur Steuerreform, so auch zu den Registrierkassen, sind derzeit im Laufen, es ergeht wahrscheinlich noch im Sommer
eine Verordnung, die aber rein technischer Natur sein wird, also was das
System können muss.
Wir arbeiten derzeit intensiv an der Klärung der unklaren Punkte. Ich stehe
in ständigem Kontakt mit einem Ministerialrat vom BMF. Das Problem bei
der Sache ist, dass der erlassene Gesetzestext viele Fragen offen lässt. Eine
entsprechende Verordnung, die Details regeln soll, ist zwar gerade in Begutachtung, doch selbst dieser Entwurf klärt nicht alle Fragen. Derzeit geht das
BMF davon aus, dass der Verordnung noch Erlässe des Finanzministeriums
folgen werden müssen.
Unsere EDV-Abteilung ist darüber hinaus gerade in Kontakt mit der ÖÄK,
um herauszufinden, welche technischen Rahmenbedingungen ganz konkret
in der Arztsoftware erfüllt sein müssen bzw. ob etwaige Angebote von Softwarefirmen den bisher bekannten gesetzlichen Vorgaben entsprechen.
Sobald Neues bekannt wird, werden wir Sie auf diesem Wege, aber auch per
eline und auf unserer Homepage informieren.
Derzeit möchte ich folgende Empfehlungen aussprechen:
Da die genauen sicherheitstechnischen Vorschriften erst in der Registrierkassensicherheitsverordnung enthalten sein werden und die einzelnen Schritte
der Umsetzung nicht prognostiziert werden können, warten Sie mit dem
Kauf der Registrierkasse, egal wie verlockend die Angebote auch sein mögen.
Es kann sonst passieren, dass Sie elektronischen Sondermüll gekauft haben.
Wirklich empfehlen kann ich Ihnen derzeit nur den Ankauf eines Papierkorbes, wo die Patienten die Belege entsorgen können, nachdem sie ihn - wie
gesetzlich verpflichtet - angenommen haben.
DR. MAX WUDY
CONSILIUM 09/15
9
REGISTRIERKASSE
Registrierkassenpflicht
Nun doch für Kassen- und Wahlärzte gleichsam
A
ls Ergebnis des in letzter Sekunde von den Abgeordneten
Zakostelsky und Krainer ein- gebrachten Abänderungsantrages wurde der Umfang der Registrierkassenpflicht nun deutlich erweitert. Dies hat zur Folge, dass künftig nicht nur Wahlärzte - wie bisher aufgrund der Regierungsvorlage vermutet sondern auch alle Kassenärzte deren Barumsätze EUR 7.500,00
übersteigen von der Registrierkassenverpflichtung betroffen sein
werden.
Was gilt als Barumsatz?
Änderung im Detail
Anforderungen an die Registrierkasse
Im ursprünglichen Begutachtungsentwurf ebenso wie in der
Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 2015/2016 wurde im
§ 131b BAO die Registrierkassenpflicht für Betriebe, die überwiegend Barumsätze erzielen, gefordert. Diese Regelung sollte
ab einem Jahresumsatz von EUR 15.000,00 gelten und stellte
einen zentralen Punkt der Gesetzesänderung dar.
Um Manipulationen der Registrierkasse bzw. des elektronischen
Aufzeichnungssystems zu vermeiden sind diverse elektronische
Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Wichtigster Punkt ist die
individuelle Signatur, welche die nachträgliche Unveränderbarkeit des Beleges sicherstellen soll.
Eine Verordnung zur Konkretisierung aller technischen Anforderungen wurde bereits in Begutachtung geschickt. Wir werden
nach bekannt werden genauerer Details über mögliche Lösungen in einer eigenen Aussendung berichten.
Obwohl die gesamte Registrierkassenverpflichtungen aufgrund
der entstehende Kosten und vor allem des deutliche höheren
Verwaltungsaufwandes bereits in der Gesetzesbegutachtungsphase heftig kritisiert wurde uA von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, der Ärztekammer und der Zahnärztekammer
wurde der Umfang der Verpflichtung letztlich noch deutlich
erweitert.
Durch den oben erwähnten Abänderungsantrag wurde beschlossen, dass alle Betriebe ihre Bareinnahmen mittels elektronischer
Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigem elektronischen
Aufzeichnungssystem zu erfassen haben, wenn deren gesamter
Jahresumsatz mehr als EUR 15.000,00 beträgt und ihre Barumsätze EUR 7.500,00 übersteigen.
Dieser in letzter Sekunde gestellte Antrag wurde am 7.7.2015
kurzer Hand im Plenum des Nationalrates beschlossen und am
23.7.2015 vom Bundesrat bestätigt.
Beobachtungszeitraum und in Kraft treten
Die Registrierkassenpflicht tritt mit 1.1.2016 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt ist daher auch für umsatzsteuerliche Kleinunternehmer, die von der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung
befreit sind, die Höhe der Umsätze zu überwachen. Vier Monate
nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes (Kalendermonat
oder Quartal) in dem die Grenze von EUR 7.500,00 überschritten wurde ist nach § 131b Abs. 3 BAO ein elektronisches Aufzeichnungssystem zu verwenden.
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CONSILIUM 09/15
Sonderbarer weise gelten nach Maßgabe dieser Bestimmung
nicht nur die tatsächlich in bar geleisteten Zahlungen sondern
vielmehr auch Bankomatkarten- und Kreditkartenzahlungen sowie Zahlungen mittels Gutschein als Barumsätze und
sind daher mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem zu
erfassen.
Belegerteilungsverpflichtung/Belegannahmeverpflichtung
Durch die generelle Belegerteilungsverpflichtung ist dem Patienten künftig ein Beleg auszuhändigen.
Dem gegenüber steht die Belegannahmeverpflichtung. Die Patienten werden künftig in die Pflicht genommen und müssen den
ausgehändigten Beleg zumindest bis zum Verlassen der Praxisräumlichkeiten aufbewahren.
Zusammenfassung
Die Vorgehensweise eine Bestimmung die bereits in der Gesetzeswerdungsphase viel kritisiert wurde in letzter Sekunde durch
Abänderungsantrag noch zu verschärfen scheint im Hinblick auf
das Vertrauen der Bürger an den Gesetzgeber sehr zweifelhaft
und führt darüber hinaus das Instrument der Gesetzesbegutachtung ad absurdum.
© ECOVIS Scholler & Partner, Juli 2015
REGISTRIERKASSE
Registrierkassenpflicht für Ärzte
ab 1.1.2016
Überschießende Regelung bedeutet enormen Verwaltungsaufwand
A
„Es ist dies eine völlig überschießende Regelung, die noch dazu
über einen fragwürdigen parlamentarischen Änderungsantrag
in letzter Minute möglich wurde“, kritisiert Mag. Hans-Georg
Goertz, Partner der Steuerberatungskanzlei ECOVIS Austria,
die neue Regelung. Obwohl die Registrierkassenverpflichtung
aufgrund der entstehenden Kosten und vor allem des deutlich
höheren Verwaltungsaufwandes bereits in der Begutachtung heftig kritisiert wurde - so beispielsweise von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Ärztekammer - wurde der Umfang
der Verpflichtung letztlich noch deutlich erweitert. Goertz: „Das
führt die gesamte Gesetzesbegutachtung ad absurdum!“
Das bedeutet die neue Regelung für Ärzte konkret
Ab Anfang des kommenden Jahres hat jeder Wahl- oder Kassenarzt, der die genannten Umsatzgrenzen überschreitet, die
Verpflichtung seine Bareinnahmen mittels elektronischer
Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigem elektronischen
Aufzeichnungssystem zu erfassen. Um Manipulationen der
Registrierkasse bzw. des elektronischen Aufzeichnungssystems zu
vermeiden sind zusätzlich ab 2017 diverse elektronische Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Wichtigster Punkt ist die individuelle Signatur, welche die nachträgliche Unveränderbarkeit des
Beleges sicherstellen soll. Eine Verordnung zur Konkretisierung
aller technischen Anforderungen wurde bereits in Begutachtung
geschickt.
Durch die generelle Belegerteilungsverpflichtung ist dem Patienten künftig ein Beleg auszuhändigen. Dem gegenüber steht die
Belegannahmeverpflichtung. Die Patienten werden künftig in
die Pflicht genommen und müssen den ausgehändigten Beleg
zumindest bis zum Verlassen der Praxisräumlichkeiten aufbewahren.
Bargeld neu definiert
Foto: bilderbox.com
b 1. Jänner 2016 sind alle
Wahl- und auch Kassenärzte, deren Jahresumsätze EUR
15.000,00 und Barumsätze EUR
7.500,00 Euro übersteigen - und
damit wohl mehr als 80 % der in
Österreich niedergelassenen Ärzte
- von der Registrierkassenpflicht
betroffen. Dabei gelten alle Bankomat- und Kreditkartenzahlungen
ebenfalls als „Bares“. Dies ist das Ergebnis eines kurzfristig vor
der Beschlussfassung zur aktuellen Steuerreform im Nationalrat
eingebrachten Abänderungsantrages im Juli 2015.
Sonderbarer Weise gelten nach Maßgabe
des Gesetzes nicht nur die tatsächlich in bar
geleisteten Zahlungen sondern vielmehr auch
Bankomatkarten- und Kreditkartenzahlungen sowie Zahlungen mittels Gutschein als
Barumsätze und sind daher mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem zu erfassen.
Kurzer Ratgeber für potenziell betroffene Ärzte:
Wie kann ich mich vorbereiten?
Prüfen Sie anhand Ihrer bisherigen Einnahmen, ob die maßgeblichen Grenzen in Zukunft überschritten werden. Ist das der
Fall, ist für die Anschaffung eines elektronischen Aufzeichnungssystems Vorsorge zu treffen.
Wie wähle ich die „richtige Registrierkasse”?
Neben den körperlichen Registrierkassen gibt es vor allem im
Ärztebereich einige Anbieter von EDV Lösungen. Mit diesen
sollte jedenfalls abgeklärt werden, ob sie die neue Registrierkassensicherheitsverordnung (derzeit noch in Begutachtung) bereits
umgesetzt haben.
Wann ist mit einer Umsetzung der Registrierkassensicherheitsverordnung zu rechnen?
Die Registrierkassensicherheitsverordnung befindet sich derzeit
in Begutachtung. Die Begutachtungsfrist endete am 22.7.2015
und mit einer baldigen Gesetzwerdung ist zu rechnen.
Welche Konsequenzen hat die Verletzung der Registrierkassenpflicht?
Die Einhaltung der Registrierkassenpflicht kann ab dem
1.1.2016 im Rahmen von Betriebsprüfungen kontrolliert werden. Wird hier die Verletzung von Aufzeichnungsverpflichtungen festgestellt, könnte dies im Zuge der Prüfung zu einer
Schätzungsbefugnis durch die Finanzverwaltung führen. Die
Einhaltung von Sicherheitsvorschriften aus der Registrierkassensicherheitsverordnung wird erst zum 1.1.2017 in Kraft treten insofern besteht eine gewisse Übergangsregelung.
ECOVIS AUSTRIA
Mag. Hans-Georg Goertz
Schmalzhofgasse 4, 1060 Wien
Telefon: 01/599 22-0
CONSILIUM 09/15
11
REGISTRIERKASSE
Die Registrierkasse
in der Arztpraxis
M
it der neuen Registrierkassenpflicht erhofft sich die Regierung den Umsatzsteuerbetrug wirksam bekämpfen zu
können. Dazu ist ab dem kommenden Jahr verpflichtend auch
eine technische Lösung zum Schutz vor Umsatzmanipulationen
vorgesehen und alle betroffene Unternehmen bzw. Ärzte müssen
in Zukunft für jeden Geschäftsfall einen Beleg ausstellen.
Viele Ärzte benötigen eine Registrierkasse
Die niedergelassenen Ärzte sind von dieser Regelung genauso
betroffen, wie alle anderen Branchen, wobei Kassenärzte nur
dann registrierkassenpflichtig sind, wenn ihre Barumsätze
15.000 Euro im Jahr übersteigen. Wählärzte werden vermutlich
alle eine Registrierkasse benötigen, da deren Jahresbarumsatz in
den meisten Fällen entsprechend hoch sein wird.
Jeden Barumsatz einzeln aufzeichnen
Entsprechend der neuen Einzelaufzeichnungspflicht ist jeder
Barumsatz in der Registrierkasse einzeln zu erfassen und von
der Registrierkassensoftware, versehen mit diversen Sicherheitsmerkmalen, in einem sogenannten Datenerfassungsprotokoll
abzuspeichern. Jede Buchung wird dabei mit Hilfe der kryptografischen Signatur der Signaturerstellungseinheit und unter
Einbeziehung der letzten vorangegangenen Buchung verkettet.
Zusätzlich werden Summenspeicher geführt, welche ebenfalls
mit definierten Algorithmen verschlüsselt werden.
Fehlt bei einer späteren Überprüfung ein Glied dieser kryptografischen Kette bzw. stimmen die Summenspeicher nicht, so kann
daraus eindeutig auf Manipulation geschlossen werden.
Die gesetzliche Grundlage
Einfache Überprüfung durch die Finanzbehörde
Das entsprechende Gesetz zur verpflichtenden Verwendung von
Registrierkassen hat der Nationalrat vor einigen Monaten im
Parlament beschlossen. Die technischen Einzelheiten für die
Sicherheitseinrichtungen in den Registrierkassen und andere,
der Datensicherheit dienenden Maßnahmen, werden in einer
Verordnung des Bundesministers für Finanzen festgelegt. Diese
Registrierkassensicherheitsverordnung, kurz RKS-V, liegt derzeit im Begutachtungsstadium vor. Die darin detailliert festgeschriebenen Anforderungen und Maßnahmen sind allesamt
sehr umfangreich und technisch anspruchsvoll. Derzeit sind aber
für die Registrierkassenhersteller noch viele Fragen offen bzw.
unklar und bedürfen einer Klärung bzw. Nachschärfung. Dieser
Thematik hat sich nun ein eigener Arbeitskreis in der WKO
(Wirtschaftskammer Österreich) angenommen.
Das Datenerfassungsprotokoll einer Registrierkasse muss auf
Verlangen jederzeit auf einen externen Datenträger in einem
vom Finanzministerium festgelegten Format exportiert werden
können. Mit diesen Daten kann dann ein Finanzprüfer bzw. die
Finanzpolizei rasch, automatisiert und ohne großen Aufwand
eine Überprüfung vornehmen.
Der ökonomische Nutzen
Die Finanzbehörden haben damit sicherlich ein sehr effizientes
Werkzeug zur Überprüfung der aufgezeichneten Barumsätze zur
Verfügung. Ein allwirksames Heilmittel, das Steuerbetrug ganz
verhindert, wird es aber nicht sein. Die Aufzeichnungen werden
natürlich stimmen, aber was ist mit jenen Umsätzen, die gar
nicht in der Registrierkasse aufgezeichnet werden?
Benötigte Komponenten
Neben der eigentlichen Registrierkasse bzw. der Registrierkassensoftware (beispielsweise als Teil der Arztsoftware) wird eine
sogenannte Signaturerstellungseinheit benötigt. Diese muss als
eigene Hardwarekomponente ausgeführt sein und ist bei einem
im EU-/EWR-Raum oder der Schweiz zugelassenen Zertifizierungsdienstanbieter, der solch qualifizierte Signaturzertifikate
anbietet, zu erwerben. Die Kosten hierfür hat der Unternehmer
bzw. der Arzt zu tragen.
12
CONSILIUM 09/15
Durch die Belegerteilungspflicht erhofft man sich hier wohl
den Konsumenten bzw. Patienten als Partner zu gewinnen. Ob
das wirksam ist, wird man sehen. Etwas Skepsis sei hier angebracht.
DI DR. FRANZ WIENZL
Dr. Wienzl Informationssysteme GmbH
A-1230 Wien, Steinergasse 13
Tel. 0664-4037320 Mail: [email protected]
Foto: Raimo Rumpler
GESETZGEBUNG
Dr. Max Wudy
Gesetzgebungsprozesse
N
ahezu von Beginn meiner Kammertätigkeit, und dieser
liegt schon fast ein viertel Jahrhundert in der Vergangenheit, werde ich mit Vorwürfen wie „Was habt ihr in der Kammer
wieder für Vorschriften ausgeheckt?“ oder „Wem ist denn das
eingefallen?“ konfrontiert. Bedingt durch meine jetzige Funktion, aber auch durch die weiter ausufernde Regulierungswut
der Gesetzgebung wurden diese Vorwürfe, die mich per mail,
telefonisch, aber vor allem persönlich bei jeder möglichen und
unmöglichen Gelegenheit erreichen, immer mehr. Zuletzt wurde ich sogar in der Schlange an einer Supermarktkasse darauf
angesprochen.
Ich möchte hier nun den Versuch wagen, die Rolle der Ärztekammer in der Gesetzgebung darzulegen, obwohl mir bewusst
ist, dass dieses komplexe Thema heute nur gestreift werden
kann.
Gerade bei neueren Gesetzen oder Verordnungen hört man
immer wieder, dies sei ja mit der zuständigen Ärztekammer
besprochen worden, die Ärztekammer war ja eingebunden.
Meistens stimmt das sogar, aber: Die Rolle der Ärztekammer
für Niederösterreich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
beschränkt sich auf die Abgabe von Stellungnahmen im Rahmen des so genannten Begutachtungsverfahrens.
Beim Begutachtungsverfahren handelt es sich um eine übliche,
aber nicht verbindliche Einbeziehung u.a. der Interessensvertretungen in den Gesetzwerdungsprozess durch Einräumung eines
Stellungnahmerechts zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen.
Die Stellungnahmen werden zwar auf der Parlamentshomepage
veröffentlicht, aber es existiert keine Verpflichtung, diese Stellungnahmen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zu
berücksichtigen.
Es gab oft massiv ablehnende Stellungnahmen zu diversen
Gesetzen, die vom Gesetzgeber zwar zur Kenntnis genommen,
aber sonst ignoriert wurden. Dies gilt natürlich auch für die Einwände, die die Österreichische Ärztekammer vorbringt.
Es stimmt also tatsächlich, dass die Ärztekammer gefragt wurde,
nur zugehört hat ihr halt niemand.
Ähnlich verhält es sich auch mit diversen Vorschriften, Verordnungen und Erlässe, die die Ärztekammern zu exekutieren
haben.
Die Ärztekammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts bezeichnet man in
Österreichs eine Form der juristischen Person öffentlichen
Rechts, unter anderem nicht-territoriale Selbstverwaltungskörperschaften oder Personalkörperschaften wie die gesetzlichen
14
CONSILIUM 09/15
Berufsvertretungen, denen vom Gesetzgeber diverse Pflichten
bis hin zum Disziplinarrecht übertragen wurden.
Allerdings darf man sich nicht vorstellen, dass in der Umsetzung oder Ausübung dieser Aufgaben ein großer Verhandlungsspielraum besteht. Praktisch immer ist der Rahmen streng vorgegeben, nur Details (in denen auch der Teufel stecken kann),
können überhaupt frei gestaltet werden. Oft bleibt übertrieben
gesagt, nur die Wahl zwischen drei Monaten und 90 Tagen oder
Ähnlichem.
Nicht taxativ möchte ich zum Beispiel die neue Fortbildungsverordnung oder die Hygieneverordnung erwähnen, die beide
gerade in letzter Zeit für viel Unmut gesorgt und die Mitgliederfreundlichkeit der Zwangskammer hinterfragt haben. Bei beiden
Verordnungen wurde ein extrem enger Rahmen vorgegeben und
die Ärztekammer beauftragt, diesen umzusetzen. Bei der Fortbildungsverordnung wurde versucht, einen möglichst praktikablen
lebbaren Weg zu finden, der die Ärzteschaft nicht über Gebühr
belastet. Die Rahmenbedingungen (Punkte pro Jahr, Nachweis
der Punkte, Überprüfung bis hin zu den Sanktionen wie Disziplinarstrafen bis hin zum Berufsverbot) wurden vom Gesetzgeber
vorgegeben. Zusätzlich wurde die Ärztekammer verpflichtet, die
Fortbildung der Kollegenschaft zu überprüfen und das Ergebnis
zu melden. Der Spielraum für uns war also äußerst gering, der
Unmut „draußen“ umso größer.
Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Aufgaben, die die
Ärztekammer für den Gesetzgeber übernimmt, ja übernehmen
muss. Eine auch nur teilweise Aufzählung der Aufgaben würde
den Umfang nicht nur dieses Artikels, sondern auch dieses Heftes sprengen.
Bedenken Sie also bitte das nächste Mal, wenn Sie Unangenehmes oder Belastendes von uns hören, dass wir einfach die Vorgaben der Politik und der Verwaltung umsetzen (müssen).
In grauen Vorzeiten war es üblich, den Überbringer von schlechten Nachrichten hinzurichten, konnte man ja des Verursachers
selten habhaft werden. Diese Zeiten sollten (auch wenn es heute
nur mehr symbolisch gemeint ist) vorbei sein. Möge dieser kleine
Essay, entstanden im heißen Sommer, etwas zur Abkühlung und
zu mehr Verständnis für die zugegebenermaßen oft belastenden
und vielleicht noch öfters auf den ersten Blick nicht nachvollziehbaren Entscheidungen beitragen.
DR. MAX WUDY
2. Kurienobmann-Stellvertreter
der niedergelassenen Ärzte
Foto: Raimo Rumpler
PHC
Flucht in Wahlarztordination
und geplantes PHC-Gesetz
D
ie im Artikel „Flucht in Wahlarztordinationen“ in der Presse vom 30.7.2015 angeführten Gründe dafür, dass immer
mehr PatientInnen Wahlärzte aufsuchen, sind im Allgemeinen
durchaus nachvollziehbar und plausibel. Dass wir in Österreich
im europäischen Vergleich eine sehr hohe Ärztedichte haben,
entspricht ebenfalls durchaus der Realität. Allerdings stimmt
das schon nicht mehr für jene Anzahl von Ärzten, die in einem
Vertragsverhältnis mit sozialen Krankenversicherungen stehen.
Vergleicht man etwa unsere Zahl von Vertragsärzten mit den
Zahlen aus Deutschland wird dieser Umstand augenscheinlich.
VP MR Dr. Dietmar
Baumgartner
auch die Tatsache, dass hier keinerlei Refundierung durch die
Krankenversicherung erfolgt. Ob dies nicht etwa auch von der
Politik gewünscht ist, bleibt zu hinterfragen.
Jenen politischen Repräsentanten, die jahrelang unser System
der Patientenversorgung als bestes und effektivstes Gesundheitssystem der Welt gepriesen haben, fällt seit einigen Jahren
einerseits nur die Kostenbremse als Steuerungsmaßnahme ein.
Andererseits entwirft man aber offensichtlich völlig bewusst Programme wie PHC-Zentren, übrigens natürlich unter dem Pseudonym „Stärkung der Versorgung im niedergelassenen Bereich.“
Es wird auch die Tatsache angesprochen, dass technische Leis- Selbst den „Konstrukteuren“ dieser Einrichtungen - in den nortungen im Rahmen der Kassenverträge deutlich besser hono- dischen Ländern Europas gibt es solche PHCs bei einem allerriert werden als Gesprächsmedizin. Auch diese Behauptung ist dings grundsätzlich anderen Versorgungssystem - ist klar, dass
schlüssig. Allein die Schuldzuweisung an die sozialen Kranken- diese eine Verteuerung des Systems bewirken werden müssen.
Wie wichtig unseren PolitikerInnen (und
versicherungen zu richten, halte ich für
deren leitenden Beamten, Sektionschef
ungerechtfertigt. Jahrzehntelang schon
Ein dermaßen
sei hier namentlich erwähnt) solwerden die Ausgaben für die medizinioffensichtlicher politischer Auer
che Neukonstruktionen sind, wird allein
sche Versorgung geteilt bestritten, einerAusschluss anderer
schon daraus ersichtlich, dass jetzt ein
seits durch die öffentliche Hand für den
eigenes PHC-Gesetz in Planung ist. Mit
stationären Bereich, zu dem die KrankenStandesvertretungen
der im Entwurf vorliegenden geplanten
versicherungen einen jährlich valorisierin der Gesetzwerdung
Neuschaffung eines PHC-Gesamtverten Anteil besteuern, andererseits für den
ist in Österreich
trages wird die Mitarbeit der ärztlichen
extramuralen Bereich durch die sozialen
undenkbar.
Standesvertretung praktisch verhindert.
Krankenversicherungen. Letztere werden
Ein dermaßen offensichtlicher politischer
bekanntlich von den Einzahlungen der
Versicherten und deren Arbeitgebern finanziert. Somit sind Ausschluss anderer Standesvertretungen (z.B. Arbeiterkammer
ihre finanziellen Ressourcen verständlicherweise nicht uner- oder Landwirtschaftskammer) in der Gesetzwerdung ist in Österschöpflich. Eine großartige Ausweitung des bezahlten Leistungs- reich undenkbar. Anders verhält es sich aber mit der Ärztekamspektrums ist zwar wünschenswert aber letztlich ziemlich reali- mer. Wie lange kann sich diese das noch gefallen lassen? Solche
tätsfremd. Zusätzlich hat die Politik die Krankenkassen in den politischen Alleingänge mussten wir ja bekanntlich schon bei
letzten Jahren durchaus auch mit versicherungsfremden Leistun- ELGA und der letzten Gesundheitsreform registrieren. Man
benötigt die fachliche Expertise der akademischen Gesundheitsgen belastet.
dienstanbieter offensichtlich nicht.
Es ist daher nachvollziehbar, dass bezüglich Honorierung von
neuen (oft teuren aber dem wissenschaftlichen Standard ent- Wie sehr sich die (derzeit noch) politisch Verantwortlichen an
sprechenden) Leistungen, eine gewisse Zurückhaltung an den der Meinung der Bevölkerung orientieren, daraus möge sich
Tag gelegt werden muss. Wartezeiten auf notwendige Untersu- jeder seine persönliche Meinung bilden. Mehrere Umfragen
chungen wie MRT sind somit durch restriktive Limitierungen ergaben, dass Herr und Frau Österreicher im überwiegenden
hausgemacht und nicht Schuld der Vertragsärzteschaft. Dass Ausmaß mit der derzeitigen Versorgung im niedergelassenen
hier so mancher Patient unter einem nicht wegzuleugnenden Bereich durchaus zufrieden sind. Die schwindende Bedeutung
Leidensdruck bereit ist, „tiefer in die Brieftasche zu greifen“, ist der beiden (ehemaligen) Großparteien, die sich jahrzehntelang
wohl mehr als verständlich. Wenn er nämlich bei einem privaten wirklich alles untereinander aufteilen konnten und fast nach
Institut einen Termin bereits am nächsten Tag um etwa 200 Belieben werken konnten, wird ihnen derzeit bei jeder WahlEuro bekommen kann, wird vielleicht auf einige andere Aus- entscheidung durch die für sie negativen Wahlergebnisse prägaben verzichtet. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang sentiert. Allein die unmittelbar Betroffenen scheinen es nicht
CONSILIUM 09/15
15
PHC
wahrhaben zu wollen. Es bleibt zu befürchten, dass unsere BundespolitikerInnen nach den Staatsfinanzen nun auch noch ein
durchaus gut funktionierendes System der Gesundheitsversorgung zu zerstören beginnen.
Aus meiner Sicht hat das derzeitige österreichische Gesundheitssystem für die PatientInnen folgende entscheidende Vorteile
gegenüber denen anderer Staaten:
1)Es gibt einen niederschwelligen Zugang in der Grundversorgung sowohl zu Ärzten für Allgemeinmedizin als auch zu Fachärzten.
2)Auch im dünn besiedelten ländlichen Raum versorgen derzeit
noch ausreichend Kolleginnen und Kollegen die Bevölkerung.
Wie dies in einigen Jahren sein wird, bleibt allerdings nicht zuletzt wegen der anstehenden Pensionierungswelle abzuwarten.
3)Es gibt derzeit keine oder nur wenige Einschränkungen für
Leistungen, die der Patient benötigt. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass wir in Österreich etwa kein Alterslimit für
Hüftimplantationen haben.
Diese Vorteile müssen meiner Meinung nach im Sinne der PatientInnen unbedingt erhalten bleiben.
Der relativ hohe Anteil an BürgerInnen, die sich zusätzlich zur
sozialen Krankenversicherung eine Privatversicherung leisten,
zeigt, dass den ÖsterreicherInnen die eigene Gesundheit doch
einiges an finanzieller Mehrleistung wert ist. Auch diese Tatsache macht verständlich, warum das Angebot von Wahlärzten in
immer größerem Ausmaß angenommen wird. Nicht wir Ärzten
tragen Schuld an den im angesprochenen Artikel aufgezeigten
Patientenstrom weg vom Kassenvertragsarzt und hin zum Wahlarzt. Jahrzehntelanges Versagen der in der Gesundheitspolitik
Verantwortlichen und das Negieren von aktuellen Entwicklungen haben dazu geführt. Vielleicht müssen wir die aktuelle Diskussion gar nicht führen. Vielleicht kommt alles ganz anders.
Vielleicht gibt es dann einige PHCs (quasi staatliche Gesundheitsversorgung) und daneben eine große Anzahl von freiberuflich tätigen Ärzten ohne Kassenverträge: Dann sind wir in
Zukunft alle Wahlärzte. In diesem Bereich kann sich der Patient
tatsächlich den Arzt/die Ärztin seines Vertrauens selbst wählen,
was im PHC wohl nicht ganz so sein wird können.
VP MR DR. DIETMAR BAUMGARTNER
Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte
Studienprogramme Medizinrecht und Pharmarecht an der Donau-Universität Krems
Rechtliche Fragestellungen in der Medizin haben in den vergangenen Jahren sprunghaft an Bedeutung gewonnen. Die
fortschreitende Verrechtlichung immer weiterer Bereiche der
Medizin und die wachsende Komplexität des einschlägigen
Rechtsmaterials hat – nicht nur in Österreich – zur Herausbildung eines neuen wissenschaftlichen Fachs „Medizinrecht“
geführt. Dieses erfordert eine interdisziplinäre und die herkömmlichen Fächergrenzen überschreitende Einbeziehung
verfassungsrechtlicher, verwaltungsrechtlicher, europarechtlicher, völkerrechtlicher, zivilrechtlicher, strafrechtlicher,
arbeits- und sozialrechtlicher sowie rechtsethischer Aspekte der Ausübung der Medizin und Pharmazie. Das Medizin-
16
CONSILIUM 09/15
rechtsstudium bietet all jenen, die in ihrem Berufsleben mit
dieser Rechtsmaterie konfrontiert sind, eine Ausbildung im
Gesundheits- und Medizinrecht. Die Schwerpunkte reichen
von den nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen
über das Organisationsrecht, das Berufsrecht der Heilberufe, das Haftungsrecht, unterschiedliche Produktrechte bis hin
zu aktuellen Aspekten der biomedizinischen Forschung und
des rechtlichen Umgangs mit neuen Technologien in Medizin und Bioethik. Die Lehrgänge werden in Kooperation mit
der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien
durchgeführt.
Nähere Informationen:
Medizinrecht:
www.donau-uni.ac.at/de/studium/medizinmls/index.php
Pharmarecht: www.donau-uni.ac.at/de/studium/pharmarecht/index.php
Elvira Kaiblinger
Telefon: +43 (0)2732 893-2402, Fax: +43 (0)2732 893-4400
E-Mail: [email protected]
Werbung
Mit den Studienprogrammen „Medizinrecht“ (Oktober 2015;
berufsbegleitend, „Master of Legal Studies“, 4 Semester, oder
„Akademische/r Experte/in”, 3 Semester) und Pharmarecht
(März 2016; berufsbegleitendes Zertifikatsprogramm, 1 Semester) beginnen an der Donau-Universität Krems demnächst
zwei akademische Fortbildungen, die sich speziell an Personen wenden, die im Gesundheitsbereich tätig und mit juristischen Problemstellungen konfrontiert sind.
PHC-Gesetz bis
Jahresende geplant
Foto: Bernhard Noll
PHC
Dr.in Martina
Hasenhündl
Mögliche Risiken für die NÖ Ärzteschaft
A
uf den folgenden Seiten lesen Sie die Punktation des Gesundheitsministeriums rund um das geplante PHC-Gesetz,
welches zum Jahresende umgesetzt sein soll. Aus diesem Grund
möchte Ich Ihnen als Zusammenfassung einige Elemente dieses
Papiers sowie meine Meinung dazu näherbringen:
Dabei schicke ich voraus: Dieses neue PHC-Gesetz wird die
bestehenden Gesamtverträge zwischen Kassen und Kammern
NICHT ersetzen, sondern als zusätzliche Ebene eingezogen.
Herzstück dieses Gesetzes ist jedenfalls ein neuer, bundesweit einheitlicher, eigenständiger PHC-Gesamtvertrag, der
die Grundzüge der ärztlichen Hilfe in PHCs regeln soll. Auf
Basis dieses Gesamtvertrags sollen Einzelverträge zwischen der
zuständigen Sozialversicherung (bei uns NÖGKK) sowie den
Primärversorgungszentren geschlossen werden, und zwar ohne
Beteiligung der zuständigen Landesärztekammer oder der ÖÄK.
In diesen Einzelverträgen werden dann die wirklich wichtigen
Bedingungen, wie etwa die Leistungen sowie die Vergütungen
geregelt, die Honorierung soll sich aus Grund- und Fallpauschalen sowie Einzelleistungsvergütungen und Bonuszahlungen
zusammensetzen.
Bei Nichterreichen eines Gesamtvertrages ist zwar vorgesehen,
dass Sonder-Einzelverträge mit Zustimmung der Ärztekammer
abgeschlossen werden können. Sollte es jedoch zu keiner Einigung kommen, dann ist die Sozialversicherung aufgrund des
„bestehenden öffentlichen Interesses“ ermächtigt, alleine einen
Abschluss mit den einzelnen PHCs zu tätigen. Dies ist quasi der
Freifahrtschein für die Sozialversicherung, die Ärztekammer in
jedem Fall auszuhebeln, selbst wenn die vorgeschlagenen Verträge beispielsweise keine Kostendeckung für das PHC aufweisen würden.
Das Gesetz sieht auch ein „Kündigungsregime“ vor, welches
unter anderem bei Bedarfsänderung die Kündigung der Verträge ermöglicht. Weiters soll es für PHCs keine klassische
Bedarfsprüfung geben. Die Planung erfolgt im RSG statt über
die
lässt31.07.15
Spielraum
für Seite
willkürliche
Ins.Planstellensystematik.
Consilium EURO DUK Dies
07.15_:
12:56
1
Entscheidungen zu. Abseits der bewährten Stellenplanung, die
bisher sehr gut im Einvernehmen zwischen den Verhandlungspartnern Krankenkassen und Ärztekammern auf Landesebene
funktioniert hat.
Als besonders problematisch sehe ich persönlich die Regelung
an, dass wenn PHCs entstehen, diese auf den Stellenplan, insbesondere auf die frei werdenden Stellen anzurechnen sind. Das
lässt auf eine massive Ausdünnung der Planstellen im niedergelassenen Bereich schließen, für ein PHC werden wohl drei bis
fünf Planstellen von Allgemeinmedizinern nicht mehr nachbesetzt werden können.
Die Sozialversicherung soll das Auswahlverfahren durchführen,
wobei die Bewerber im ersten Schritt auf bestehende Vertragspartner beschränkt sind. Dies wird niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzte möglicherweise stark unter Druck setzen. Die Wahlmöglichkeit könnte lauten: Teilnahme am PHC oder ein zusätzliches PHC als Mitbewerber in der Region.
Stellen wir uns einmal folgendes Szenario vor: Es gibt in einer
Region eine gut eingespielte Struktur mit mehreren allgemeinmedizinischen Kassenordinationen, die unter Vorgabe
der beschränkten Mittel der Kassenhonorare das Optimum
aus medizinischer Sicht leisten. Und so eine Region soll nun
laut politischer Vorgabe mit einem PHC versorgt werden, weil
Gesundheitsökonomen glauben, das wäre besser so. Nach bisherigem Verhandlungsstand zwischen Krankenkasse und Ärztekammer sollte dieses PHC ausgeschrieben werden, und zwar
ausschließlich unter bestehenden Vertragspartnern. Sollten die
Modalitäten passen, wird man wohl Bewerber finden, die ihre
Einzelordinationen zugunsten eines PHC aufgeben. Wenn die
Modalitäten nicht passen, dann gibt es eben kein PHC und die
Versorgung bleibt wie gehabt bestehen.
Das neue PHC-Gesetz sieht nun vor, dass sich auch Nicht-Vertragspartner bewerben können, wenn sich keine bestehenden
Vertragspartner finden. Gelockt durch Subventionen ist das
Berufsbegleitende universitäre Studienprogramme
Medizinrecht – www.donau-uni.ac.at/medrecht
Pharmarecht – www.donau-uni.ac.at/pharmarecht
Start:
2015
Oktober
bzw.
16
März 20
Donau-Universität Krems. Department für Wirtschaftsrecht und Europäische Integration. +43 (0)2732 893-2402, [email protected]
CONSILIUM 09/15
17
Foto: bilderbox.com
PHC
gar nicht einmal so unrealistisch, schließlich wissen wir mittlerweile, dass PHCs bei vergleichbarer medizinischer Leistung
deutlich mehr kosten als die Versorgung durch niedergelassene
Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag. So entstünden dann möglicherweise in gut funktionierenden Regionen PHCs, die eine große subventionierte Konkurrenz zu den Planstellen darstellen würden. Mit der Folge,
dass diese früher oder später durch Dumping ausgehungert und
ersetzt werden könnten.
Somit sind PHCs als politischer Spielball tauglich, den Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern das Leben noch
schwerer zu machen und in letzter Konsequenz bestehende, aber
trotz des Diktats der Kosten sehr gut funktionierende Strukturen zu zerstören. Dieser neue PHC-Gesamtvertrag wird dazu
dienlich sein können, über die Aushöhlung des Stellenplans
18
CONSILIUM 09/15
den bisherigen Gesamtvertrag zu unterwandern, obwohl dieser
unverändert bestehen bleibt. Das kommt der Auflösung eines
Kollektivvertrags im Bereich der Angestellten gleich. Und das ist
aus Sicht einer Standesvertretung UNBEGINGT abzulehnen.
Aus meiner Sicht ist dieses PHC-Gesetz NICHT dazu geeignet,
die Struktur der medizinischen Versorgung abseits der Krankenhäuser gesundheitsökonomisch UND medizinisch sinnvoll zu
verbessern. Es ist aber sehr gut dazu geeignet, so wie beim letzten
Versuch 2008 die niedergelassene Ärzteschaft auszuhebeln und
die Vertragspartnerschaft zwischen Krankenkassen und Ärztekammern nachhaltig zu verschlechtern beziehungsweise zu zerstören.
DR.IN MARTINA HASENHÜNDL
1. Kurienobmann-Stellvertreterin
der niedergelassenen Ärzte
PHC
Stärkung der multiprofessionellen und interdisziplinären Primärversorgung
Politische Eckpunkte für geänderte rechtliche Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Konzepts „Das Team rund um
den Hausarzt“
Regelungen zur Organisation der Primärversorgungseinheit
1. Neue Primärversorgungseinheiten arbeiten als Team zusammen. Sie treten nach außen- gegenüber der Bevölkerung und der Sozialversicherung- als Einheit auf.
2. Die Arbeit im Team braucht klare Strukturen und Rechtssicherheit.
Primärversorgungseinheiten müssen daher über eine eigene
Rechtspersönlichkeit verfügen, gern. den geltenden gesetzlichen Bestimmungen.
3. Entsprechend den örtlichen Verhältnissen können Primärversorgungseinheiten an einem Standort oder als Netzwerk
an mehreren Standorten organisiert sein und zwar in jeder
zulässigen Betriebsform in der jeweils zulässigen Rechtsform.
4. Eine neue Primärversorgungseinheit muss über ein Organisationskonzept verfügen, in dem die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen explizit und verbindlich festgelegt ist.
Das Organisationskonzept ist Voraussetzung für die lnvertragnahme durch die Sozialversicherung.
Vertragsrecht
5. Als neue Primärversorgungseinheiten mit umfassendem
Versorgungsauftrag können nur Vertragseinrichtungen
fungieren („Sachleistungsprinzip für Primärversorgungseinheiten“).
6. Es gibt einen neuen, bundesweit einheitlichen, eigenständigen Gesamtvertrag über die ärztlichen Leistungen der
neuen Primärversorgung. Für neue Primärversorgungseinrichtungen sind ausschließlich die Bestimmungen dieses
neuen Gesamtvertrages maßgeblich.
7. Dieser neue Gesamtvertrag regelt die Grundzüge der ärztlichen Hilfe in neuen Primärversorgungseinrichtungen.
8. Einzelverträge mit den neuen Primärversorgungseinheiten
werden hinsichtlich der ärztlichen Leistungen auf Grundlage dieses neuen Gesamtvertrags zwischen Krankenversicherung und Primärversorgungseinheit geschlossen und
konkretisieren diesen.
9. Der konkrete Primärversorgungsvertrag zwischen Sozialversicherung und Primärversorgungseinheit regelt die aus
dem Gesamtvertrag abgeleiteten ärztlichen Leistungen und
alle anderen Gesundheitsdienstleistungen sowie alle weiteren notwendigen Vertragsinhalte. Der Einzelvertrag wird
wesentlich wichtiger und enthält detaillierte Regelungen,
wie z.B. die gesamte Vergütung der mit der Primärversorgung vereinbarten Leistungen.
10. Die Honorierung der Leistungen der Primärversorgungseinheit hat sich aus Grund­und Fallpauschalen, Einzelleistungsvergütungen sowie aus Bonuszahlungen für die Erreichung
definierter Ziele zusammenzusetzen.
11.Das von der Primärversorgungseinheit anzubietende Leistungsspektrum wird verbindlich zwischen Einheit und Sozialversicherung vereinbart.
12.Bei Nichterreichen eines Gesamtvertrags bzw. Eintreten
eines vertragslosen Zustands kann die Sozialversicherung
Sander-Einzelverträge mit Zustimmung der zuständigen
Ärztekammer abschließen. Kommt es zu keiner Einigung, so
ist aufgrund des öffentlichen Interesses nach Ablauf einer
angemessenen Frist ein Abschluss durch die Sozialversicherung möglich.
13.Es braucht ein Kündigungsregime, das bei Bedarfsänderungen, Nicht-Erfüllung vereinbarter Leistungen oder Änderungen im Organisationskonzept die Kündigung der Verträge ermöglicht.
14. Bei der Auflösung einer Primärversorgungseinrichtung sind
Übergangsregelungen für das Wiederaufleben von in die
Primärversorgungseinrichtung eingebrachten Einzelverträgen vorzusehen.
Planung von Primärversorgungseinheiten
15.Die konkreten Planungs- und Qualitätskriterien der neuen
Primärversorgungseinheiten- soweit nicht schon gesetzlich
festgelegt- erfolgen im Rahmen der integrierten Planung im
ÖSG und im RSG durch die Landeszielsteuerungskommission:
•Der ÖSG gibt die bundesweiten Parameter vor
•Der RSG stellt die regionale Planung auf Basis der Vorgaben des ÖSG dar
16.Da neue Primärversorgungseinheiten nur als Sachleister
bestehen können, ist der Bedarf an Primärversorgung im
RSG abschließend zu regeln (insbesondere im Hinblick auf
Anzahl, Region, Umfang/Größe und Leistungsinhalte).
17.Ein im RSG festgestellter Bedarf bzw. ein entsprechender
Beschluss der Landeszielsteuerungskommission ersetzen
ein behördliches Bedarfsprüfungsverfahren für Gruppenpraxen und Ambulatorien.
18.Die Planung der Stellen in PVE erfolgt im RSG und nicht
im Stellenplan. Die an einer Primärversorgungseinheit teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sind auf den Stellenplan,
insbesondere im Hinblick auf frei werdende Stellen, anzurechnen.
Auswahl einer Primärversorgungseinheit
19.Ist ein Bedarf im RSG oder per Einzelbeschluss durch die
Landeszielsteuerungskommission festgestellt, hat die Sozialversicherung ein objektives Auswahlverfahren zur lnvertragnahme der Primärversorgungseinheit durchzuführen. ln
einem ersten Schritt ist das Auswahlverfahren innerhalb
einer angemessenen Frist auf bestehende Vertragspartner
beschränkt.
CONSILIUM 09/15
19
DFP-Countdown 2016
Foto: fotolia/trueffelpix
Mit 1. September 2016 müssen alle niedergelassenen und
angestellten Ärztinnen und Ärzte, die zur selbstständigen
Berufsausübung berechtigt sind, die Erfüllung der
Fortbildungsverpflichtung nachweisen.
Das DFP-Diplom ist dafür die beste Bescheinigung alle Informationen hierzu finden Sie auf
www.arztnoe.at/DFP2016.
Ärzteausbildung NEU
bringt viele Fragen…
Foto: Tschank
ANGESTELLTE
ÄRZTE
VP OA Dr. Ronald
Gallob
…mit leider wenig konkreten Antworten
S
eit 1. Juni 2015 ist die viel diskutierte und durchaus umstrittene Ärzteausbildung NEU in Kraft. Die Kurie der angestellten Ärzte in Niederösterreich hatte bereits im Vorfeld zahlreiche
Kritikpunkte aufgezeigt und gegen die Ausbildungsordnung gestimmt, die beispielsweise ohne Qualitätsverbesserung den Turnus verlängert oder eine verpflichtende Lehrpraxis umfasst, deren Finanzierung und Organisation aber noch lange nicht gelöst
sind. Die Verunsicherung unter den Kolleginnen und Kollegen
ist verständlich und die daraus resultierenden unbeantworteten
Fragen für uns nicht überraschend. Dennoch oder gerade deshalb werden wir versuchen, Licht in die neuen Regelungen zu
bringen und haben daher Anfang September eine außerordentliche Kurienversammlung einberufen, die sich ausschließlich diesem Thema gewidmet hat.
Übergangsbestimmungen
Alle Kolleginnen und Kollegen, die vor dem 1. Juni 2015 eine
Ausbildung begonnen haben, können ihre Ausbildung noch
nach der alten Ausbildungsordnung aus dem Jahr 2006 beenden. Dies gilt auch für Ausbildungen in einem Sonderfach und
in Additivfächern, die es künftig nicht mehr gibt. Derzeit gibt es
auch keine Frist, innerhalb derer die Ausbildung beendet werden muss. Auch bei einer Karenzierung oder einem Auslandsaufenthalt kann anschließend nach der alten Ausbildungsordnung
weitergearbeitet werden. Ebenso kann eine Facharztausbildung
auch künftig nach der alten Ausbildungsordnung begonnen werden, vorausgesetzt es wurde eine ärztliche Ausbildung vor dem
1. Juni 2015 begonnenen. Ein Wechsel in die neue Ausbildungsordnung ist übrigens möglich, frühestens allerdings ab dem
1. März 2016.
Basisausbildung als Start für jeden Jungarzt
Grundsätzlich muss in allen Fächern im Anschluss an das Studium eine neunmonatige Basisausbildung in konservativen und
chirurgischen Fächern absolviert werden. Dies entspricht dem
„Common Trunk“. Nicht in allen Landeskliniken in Niederösterreich sind dazu schon klare Konzepte aufliegend. Idealerweise
sollten die Turnusärztevertreter in die Erarbeitung miteinbezogen werden.
Da die weitere Ausbildung zum Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin an keiner chirurgischen Abteilung mehr stattfindet, wäre
es wünschenswert, diesen Part in der Basisausbildung möglichst
stark zu gewichten. Die Österreichische Ärztekammer empfiehlt,
in der Basisausbildung eine gewisse Zeit an einer Abteilung für
Neurologie zu verbringen, da dieses Fach im Turnus für Allgemeinmedizin künftig nicht mehr verpflichtend ist.
Die Rasterzeugnisse für den Zeitraum der Basisausbildung sind
von der jeweiligen Ärztlichen Direktion zu bestätigen, dieser
obliegt es auch, wann und welcher Abteilung die Ärztinnen
und Ärzte in Basisausbildung zugewiesen werden. Seitens der
Landeskliniken-Holding arbeitet man derzeit an Logbüchern
die Basisausbildung betreffend. Diese können als Orientierung
dienen, für die Einreichung und Anerkennung der Ausbildung
sind allerdings ausschließlich die Rasterzeugnisse entscheidend.
Unklarheiten gibt es auch immer wieder, ob die Basisausbildung
an einer interdisziplinären Aufnahmestation absolviert werden
darf. Unserer Meinung nach müssten gerade an diesen Einrichtungen besonders erfahrene Kolleginnen und Kollegen arbeiten.
Immerhin nehmen sie eine Schlüsselrolle bei der weiterführenden Behandlung eines Patienten ein. Um zu lernen und sich
weiterzubilden, sind Zeiten in interdisziplinären Aufnahmestationen sicherlich sehr gut geeignet, weitreichende Entscheidungen
Umstellungszuschlag für Überstunden für
2016 verlängert
Ab der 36. Überstunde im Kalendermonat werden die anfallenden
Stunden mit 1:0,5 berechnet. Da Überstunden allerdings üblicherweise nicht regelmäßig über ein Kalenderjahr verteilt sind, sondern vermehrt zu Urlaubs- oder sonstigen Spitzenzeiten anfallen,
wurde aus Gründen der Fairness bereits für 2014 und 2015 ein sogenannter Umstellungszuschlag beschlossen. Dies bedeutet, dass
Überstunden über das gesamte Jahr aufgerechnet werden.
Kommt es also zu einer Abgeltung ab der 36. Überstunde mit nur
der Hälfte des Stundensatzes, besteht das Recht auf Auszahlung
dieses Umstellungszuschlages. Voraussetzung ist allerdings, dass
im Kalenderjahr zwölf volle Beschäftigungsmonate vorliegen und
während dieser Zeit weniger als 420 Überstunden mit dem eineinhalbfachen Stundensatz abgegolten wurden. Für jeden Kalendermonat, in dem kein Anspruch auf das volle Monatsentgelt besteht,
reduziert sich die Anzahl der beim Umstellungszuschlag zu berücksichtigenden Überstunden um 35 Stunden.
Dieser Umstellungszuschlag konnte nach Gesprächen mit dem
Dienstgeber auch für das Jahr 2016 verlängert werden.
VP OA DR. RONALD GALLOB
Kurienobmann angestellte Ärzte
CONSILIUM 09/15
21
FAQ
sollten von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten getroffen werden.
Die Dienstverträge, die seit Beginn der neuen Ausbildungsordnung von der Personalabteilung vergeben werden, beinhalten
einerseits die Zeit der Basisausbildung und andererseits, wenn
keine andere Entscheidung getroffen wird, die Ausbildungszeit
zum Allgemeinmediziner.
Das Formular für den Antrag auf „Anerkennung als Ausbildungsstätte und Festsetzung von Ausbildungsstellen“ ist ab
sofort auf der Homepage der Österreichischen Ärztekammer
unter www.aerztekammer.at unter dem Menüpunkt Ausbildung
abrufbar. Noch im September soll ein diesbezügliches Informationsblatt ergänzt werden, das ebenfalls elektronisch abrufbar
sein wird.
Alte versus neue Ausbildungsstellen
So genannte „alte“ Ausbildungsstellen können parallel zu neuen
Ausbildungsstellen bestehen. Wird beispielsweise um eine neue
Stelle angesucht und nach deren Bewilligung auch mit einem
Turnusarzt oder einer Turnusärztin nach neuer Ausbildungsordnung besetzt, wird die „alte“ Ausbildungsstelle so lange ruhend
gestellt bis sie wiederum benötigt wird. Eine gleichzeitige Besetzung beider Stellen ist nicht möglich.
Fragen zur Ausbildung NEU wie beispielsweise zur Anrechenbarkeiten oder zu Ihrem Dienstvertrag können jederzeit an unsere
Kurie gerichtet werden. Wir helfen Ihnen mit fachlicher und
juristischer Auskunft gerne weiter. Gerade in Zeiten von Veränderungen müssen wir Ärztinnen und Ärzte als Gemeinschaft
zusammenhalten und agieren, ganz gleich auf welcher Ebene der
Karriereleiter wir uns gerade befinden.
für Spitalsärztinnen und -ärzte
der NÖ Landeskliniken-Holding
Auswirkungen eines Krankenstandes auf die Berechnung
der durchschnittlichen Arbeitszeit iSd KA-AZG
Was passiert, wenn Sie als angestellter Arzt bzw. angestellte Ärztin unerwartet krank werden und deshalb ein Kollege oder eine
Kollegin den für Sie vorgesehenen Dienst übernehmen muss?
Welche Auswirkungen hat ein Krankenstand auf die von Ihnen
zu leistende Arbeitszeit?
Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) regelt diese
Situation in § 3 Abs 4a Z1 eindeutig:
Fallen in einen Durchrechnungszeitraum unvorhergesehene
22
CONSILIUM 09/15
Foto: Marco2811 - Fotolia
VP OA DR. RONALD GALLOB
Kurienobmann angestellte Ärzte
aber gerechtfertigte Abwesenheitszeiten, wie etwa ein Krankenstand, so sind bei der Berechnung der Arbeitszeit die in der
Diensteinteilung vorgesehenen Arbeitszeiten heranzuziehen,
sofern der Dienstplan zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der
Abwesenheit bereits erstellt wurde.
Der Dienstplan ist gemäß den Vorgaben der NÖ Landesregierung für jeden Kalendermonat mindestens zwei Wochen im Vorhinein zu erstellen und es sind die darin vorgesehenen Dienstzeiten bei der Berechnung der Arbeitszeit heranzuziehen.
Erkrankte Ärztinnen und Ärzte dürfen keinesfalls dazu angehalten werden, Krankenstandszeiten einzuarbeiten!
Foto: Bernhard Noll
LITERATURSTUDIUM
Foto: bilderbox.com
Start des DFP-Literaturstudiums im NÖ Consilium
Dr.in Martina
Hasenhündl
I
m Rahmen unserer großen DFP-Informationskampagne, die
im Herbst 2014 gestartet wurde, habe ich Ihnen angekündigt,
künftig auch DFP-Literaturstudium im NÖ Consilium anzubieten. Jetzt ist es soweit und ich freue mich, Ihnen in dieser Ausgabe den ersten DFP-Fachartikel vorstellen zu können.
Die Ärztekammer für Niederösterreich bietet Ihnen in den
kommenden zehn Consilium-Ausgaben qualitativ hochwertiges,
DFP approbiertes Literaturstudium aus den unterschiedlichsten
Fachbereichen.
Den Beginn macht ein Artikel zum Thema „Ernährungsmedizinische Konzepte bei Adipositas“, eine Problematik, mit der
wir im Praxisalltag zunehmend und in Zukunft aller Voraussicht nach noch verstärkt konfrontiert werden. Für das Lecture
Board konnten zwei österreichische Experten auf dem Gebiet
der Ernährungsmedizin und Adipositas gewonnen werden.
Herr Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, Vorstandsmitglied der
Österreichischen Adipositas Gesellschaft sowie Herr Univ.-Prof.
Dr. Kurt Widhalm, der Doyen der Ernährungsmedizin in Österreich.
Mit dem Literaturstudium stellen wir Ihnen ein weiteres kostenloses Fortbildungsangebot zur Verfügung und möchten Ihnen
damit auch gleichzeitig den Weg zum Fortbildungsnachweis
2016 etwas erleichtern.
An dieser Stelle verweise ich auch nochmals auf die Lange Nacht
der Fortbildung am 6. November 2015 in Wien, die wir gemeinsam mit der Ärztekammer für Wien veranstalten.
Der thematische Bogen reicht von Suchtmedizin über Kardiologie und Infektiologie bis hin zu Ernährungsmedizin. Die mit
hochkarätigen ReferentInnen besetzte Veranstaltung in besonderem Rahmen des Apothekertraktes im Schloss Schönbrunn,
wird kostenlos angeboten und soll neben der fachlichen Fortbildung auch den interkollegialen Austausch fördern.
DR.IN MARTINA HASENHÜNDL
Leiterin der Fortbildungsakademie
der Ärztekammer für Niederösterreich
Wichtiger Hinweis:
Detaillierte FAQs und alle Informationen zum DFPProgramm und dem Fortbildungsnachweis 2016 finden
Sie auch auf unserer Homepage unter www.arztnoe.at/
DFP2016
Für alle Fragen zur Einreichung des Fortbildungsdiploms
steht Ihnen die Fortbildungsakademie der Ärztekammer für
NÖ gerne zur Verfügung, E-Mail: [email protected],
Tel: 01/53 751-270
Registrierung zum Online-Fortbildungskonto unter
www.meindfp.at
Für Detailfragen zum Online-Fortbildungskonto (Registrierung) wenden Sie sich bitte an die Supporthotline der
Österreichischen Akademie der Ärzte GmbH: E-Mail:
[email protected], Tel: 01/512 63 83 – 33
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23
Foto: bilderbox.com
DFPFORTBILDUNG
Ernährungsmedizinische Konzepte
bei Adipositas
PROF. DR. H. HAUNER
Institut für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar der TU München,
Uptown München, Campus
INHALT
Überlegungen zur Ernährungstherapie
Ernährungsmedizinische Konzepte
Praktische Umsetzung
Langzeitergebnisse
Fazit für die Praxis
LECTURE BOARD
Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm
Österreichisches Akademisches Institut für Ernährungsmedizin
Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak
Medizinische Universität Graz und
Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft
FORTBILDUNGSANBIETER
Ärztekammer für Niederösterreich
Wipplingerstraße 2, 1010 Wien
REDAKTIONELLE BEARBEITUNG
Punkte sammeln auf...
SpringerMedizin.at
Das DFP-Literaturstudium ist Teil
des Diplom-Fortbildungs-Programms
(DFP) der Österreichischen Ärztekammer und ermöglicht qualitätsgesicherte Fortbildung durch das
Studium von Fachartikeln nach den
Richtlinien des DFPs.
DFP-Punkte online, per Post, Fax oder
E-Mail
Der Multiple-Choice-Fragebogen des
DFP kann bis zum 30. September 2016
eingereicht werden:
• Online: Für eingeloggte User steht
der Beitrag und der Fragebogen
unter www.springermedizin.at/
fortbildung/ zur Verfügung.
• per Post: Prinz-Eugen-Straße 8-10,
1040 Wien
• per Fax: +43 1 330 24 26
• per E-Mail (eingescannter Test) an:
[email protected]
Approbation
Diese
Fortbildungseinheit wird
mit 2 DFP-Punkten approbiert. Die
Fortbildungspunkte werden rasch
und unkompliziert mit Ihrer ÖÄKNummer elektronisch verbucht.
Mag. Ingo Schlager
Eine Literaturliste ist auf Anfrage bei der Redaktion erhältlich.
Der Originalartikel ist erschienen in der Zeitschrift „Der Internist 2/2015“.
© Springer Verlags GmbH 2015
Kontakt und weitere Informationen
Springer-Verlag GmbH
Springer Medizin
Susanna Hinterberger
[email protected]
SpringerMedizin.at
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25
DFPFORTBILDUNG
Ernährungsmedizinische
Konzepte bei Adipositas
E
ine hohe Energieaufnahme infolge überkalorischer Ernährung und eine Verringerung des Energieverbrauchs infolge
von Bewegungsmangel sind – neben einem komplexen genetischen Hintergrund – die Hauptursachen für die weit verbreitete
Adipositas. Nach den Ergebnissen einer kürzlich durchgeführten, bevölkerungsrepräsentativen Studie (DEGS) sind rund 24 %
aller erwachsenen Deutschen mit einem Body-Mass-Index (BMI)
≥ 30 kg/m2 adipös.
Von den konservativen Therapieoptionen gilt eine hypokalorische Ernährung als wirksamste Maßnahme zum Erreichen einer
negativen Energiebilanz und damit zur Senkung eines erhöhten Körpergewichts. Diese Einschätzung drückt sich auch darin
aus, dass es eine unüberschaubare Anzahl von „Diäten“ zur
Gewichtssenkung gibt. Die meisten Menschen mit Adipositas
und Wunsch auf Gewichtsabnahme versuchen zunächst eine
hypokalorische Kost, meist aus Eigeninitiative und ohne medizinische Begleitung.
ten (z. B. Tiefkühlpizza) ist ungebrochen. Die zahllosen Essensangebote im Alltagsleben erschweren zusätzlich ein geregeltes
Essverhalten.
Diese oft spontan konsumierten Take-away- und ConvenienceProdukte sind i.d.R. fett-, zucker- und kalorienreich und machen
eine kognitive Kontrolle der Nahrungszufuhr schwierig. Die
hohe Energiedichte dieser Produkte begünstigt zudem eine übermäßig hohe Kalorienzufuhr bei gleichzeitig niedriger Nährstoffdichte, da es sich üblicherweise um stark verarbeitete Lebensmittel handelt. Hinzu kommt, dass die angebotenen Portionsgrößen
weit über den tatsächlichen und sinnvollen Bedarf hinausgehen
und einen Überkonsum fördern. Eine US-amerikanische Studie
hat gezeigt, dass der unverminderte Anstieg der Kalorienzufuhr
in den letzten 15 Jahren v. a. auf eine Zunahme der Essgelegenheiten zurückgeführt werden kann.
Ernährungsmedizinische Konzepte
Alle aktuellen evidenzbasierten Leitlinien zur Behandlung der
Adipositas empfehlen eine Kombination von energiereduzierter
Ernährung, Steigerung der körperlichen Bewegung und Verhaltensmodifikation als sinnvollste Interventionsstrategie. In einer
Metaanalyse erwies sich diese Kombination als wirksamer als
Ernährungstherapie allein.
In der Ernährungsmedizin dominierte bis vor etwa 10 Jahren
das Dogma einer fettreduzierten Kost als diätetische Strategie zur
Senkung eines erhöhten Körpergewichts. Obwohl dieses Konzept auch heute unverändert gilt, gab es in den letzten Jahren
eine Vielzahl neuer Ansätze und kontrollierter Studien, um die
bislang unbefriedigenden Ergebnisse der Adipositastherapie zu
verbessern.
Überlegungen zur Ernährungstherapie
Grundsätzlich gilt, dass die Ernährungstherapie der Adipositas an den Ursachen ansetzen sollte. Eine an der Pathogenese
orientierte Ernährungstherapie impliziert, sich die aktuellen
Trends im Ernährungsverhalten in der Bevölkerung bewusst zu
machen. Die Ernährung der mitteleuropäischen Bevölkerung
hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich diversifiziert
und verändert (Infobox 1). Dabei fällt auf, dass die traditionellen
Ernährungsmuster nach und nach verloren gehen. Insbesondere
jüngere Menschen, die häufig in Einpersonenhaushalten leben,
halten immer weniger geregelte Essenszeiten ein und bereiten
ihre Mahlzeiten immer seltener selbst zu. Der Trend zum AußerHaus-Verzehr und zu fast verzehrfertigen Convenience-Produk26
CONSILIUM 09/15
Im letzten Jahrzehnt wurden viele neue Konzepte zur Ernährungstherapie vorgeschlagen und in Studien evaluiert. Damit
steht heute ein breit gefächertes Spektrum von evidenzbasierten Therapien zur Verfügung (siehe Tab. 1, Infobox 2). Die persönlichen Wünsche der Betroffenen können stärker als bisher
berücksichtigt werden; damit ist – theoretisch – eine höhere
Compliance zu erwarten.
Im Folgenden werden die aktuellen ernährungsmedizinischen
Konzepte zur Behandlung der Adipositas vorgestellt. Auf das
nahezu unüberschaubare Angebot an mehr oder weniger unseriösen hypokalorischen Crash-Diäten soll hier nicht eingegangen
werden.
Mäßig energiereduzierte Kostformen
Fettreduzierte Mischkost
Die auch heute noch gültige Standardempfehlung ist die fettreduzierte Mischkost mit einem Energiedefizit von ca. 500 – 600
kcal/Tag. Damit ist rechnerisch eine Energieeinsparung von
Infobox 1: Trends im Ernährungsverhalten, die
Übergewicht fördern
•
•
•
•
•
Hohe Energiedichte in modernen Lebensmitteln
Übermäßige Portionsgrößen
Ständige Verfügbarkeit von Fastfood
Anhaltender Trend zum Außer-Haus-Verzehr
Hoher Konsum energiereicher Kalt- und Warmgetränke
DFPFORTBILDUNG
der Reduktion der Kohlenhydratzufuhr
abhängig war.
Durch einen anfangs deutlichen oder völligen Verzicht auf Kohlenhydrate kommt
Mäßig energiereduzierte Kostformen Deutlich energiereduzierte Kostformen
es zu einem erheblichen Energiedefizit
(Energiedefizit 500 – 800 kcal/Tag)
(Energiezufuhr von max. 1.200 kcal/Tag)
und damit zu einer schnellen GewichtsAlleinige Fettreduktion
Sehr niedrigkalorische Diät (Formula-Diät)
abnahme. Dabei werden bis zu 40 % der
Energiereduzierte Mischkost
Gesamtenergie eingespart, die nur teilweise
Kohlenhydratarme Kostformen
durch einen höheren Verzehr von Fett und
Mahlzeitenersatzstrategie
Eiweiß ausgeglichen werden, sodass ein
mit Formula-Produkten
deutliches Energiedefizit verbleibt. Daher
fand sich in der Mehrzahl der Studien
Infobox 2: Kalorienreduktion
anfänglich ein größerer Gewichtsverlust als bei konventionellen
Bei jeder Kalorienbeschränkung sollte beachtet werden,
fettreduzierten Kostformen, der aber nach spätestens einem Jahr
dass die Gewichtsabnahme von Person zu Person sehr
nicht mehr nachweisbar war.
Tabelle 1:
Evidenzbasierte ernährungsmedizinische Konzepte zur Gewichtsreduktion
variabel sein kann, in erster Linie in Abhängigkeit von der
unterschiedlichen Motivation und Compliance der Teilnehmer. Aus diesem Grund wird bei Gewichtsreduktionsstudien häufig der Anteil der Personen mit wenigstens 5 % oder
10 % Gewichtsverlust angegeben. Wenn mehr als 50 % der
Teilnehmer > 5 % und mehr als 20 % der Teilnehmer > 10 %
des Ausgangsgewichts verlieren, kann von einem wirksamen Programm gesprochen werden.
3.500 kcal/Woche zu erwarten, was einer Gewichtsabnahme von
etwa 500 g entspricht. Damit ist durchschnittlich eine Gewichtsreduktion von ca. 5 kg über den Zeitraum eines Jahres möglich.
Die Zufuhr aller Makronährstoffe wird moderat begrenzt; als
wichtigste Einzelkomponente gilt die Verringerung des Fettverzehrs, sodass es sich um eine fettreduzierte Kost handelt. Durch
Erhöhung des Verzehrs von ballaststoffreichem Gemüse, Obst
und Getreideprodukten lässt sich eine gute Sättigung bei gleichzeitig hoher Nährstoffdichte erzielen. Diese Kost hat den großen Vorteil, dass sie praktisch nebenwirkungsfrei und sicher ist.
Sie erfordert keinen hohen Betreuungsaufwand und kann als
Ernährungskonzept ohne Einschränkung auch auf Dauer empfohlen werden.
Kohlenhydratarme Kostformen
Kohlenhydratarme und fett- bzw. eiweißliberale Kostformen wurden in den letzten Jahren stark propagiert. Dieser Trend war
zunächst durch ein Revival der Atkins-Diät in den USA ausgelöst worden. Bereits früher hatte es Phasen gegeben, in denen
diese „ketogenen Diäten“ sehr beliebt waren. Eine Metaanalyse
dieser älteren Studien zeigte, dass der beobachtete Gewichtsverlust von der Dauer und der Kalorieneinsparung, nicht aber von
Der Begriff kohlenhydratarme bzw. Low-Carb-Kostformen ist
bislang nicht klar definiert. Die Kohlenhydrataufnahme variiert
je nach Konzept zwischen 20 g/Tag (bei der Atkins-Diät) und
40 Energieprozent (En%). Eine sehr starke Kohlenhydratbegrenzung ist nach den bisherigen Erfahrungen weder sinnvoll noch
auf längere Sicht durchführbar. Dagegen scheint eine mäßige
Kohlenhydratreduktion gut vertretbar zu sein, sofern ein ausreichend hoher Verzehr von Ballaststoffen sichergestellt und eine
hohe Zufuhr gesättigter Fette vermieden werden kann, was allerdings unter westlichen Ernährungsbedingungen schwer umsetzbar ist. In der Praxis ist eine Erhöhung der Zufuhr gesättigter
Fetten und eine Abnahme der Ballaststoffaufnahme kaum zu
vermeiden.
Unklar ist bisher, wie sich stark kohlenhydratreduzierte Kostformen auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken. Vor allem
der mäßige Anstieg des LDL-Cholesterins wird hierbei kritisch
gesehen. Inzwischen liegen die Ergebnisse zahlreicher Kohortenstudien zu dieser Frage vor: Eine neuere Metaanalyse ergab, dass
eine kohlenhydratarme Kost mit einem signifikant erhöhten
Risiko für Gesamtmortalität assoziiert ist; allerdings sind weitere
Studien nötig, um diesen Zusammenhang genauer zu klären.
Proteinbetonte Kostformen
Obwohl sich Low-Carb-Diäten durch einen meist hohen Proteinanteil auszeichnen, gibt es Kostformen, die primär auf eine
Erhöhung des Proteinanteils zielen. Eine Metaanalyse solcher
Interventionsstudien ergab, dass eiweißreiche Diäten (20 – 30 %
der Energiezufuhr) im Durchschnitt zu einem etwas größeren
Gewichtsverlust führen als hypokalorische Kostformen mit übliCONSILIUM 09/15
27
Foto: bilderbox.com
DFPFORTBILDUNG
che n
Eiweißmengen (ca.
15 % der Energiezufuhr).
Dieser Vorteil
wird auf die stärkere
Sättigung durch einen
hohen Eiweißgehalt zurückgeführt. Eine solche Kost geht allerdings auch mit einem Anstieg von Harnstoff und -säure sowie
einem erhöhten Risiko für Nierensteine einher. Eigene Untersuchungen zeigten, dass eine erhöhte Zufuhr tierischer Proteine zu
einem Anstieg der glomerulären Filtrationsrate (GFR) führt und
damit die Nieren unnötig belasten könnte.
Daneben weisen Kohortenstudien darauf hin, dass ein hoher
Verzehr tierischer Proteine das Diabetes- und Arterioskleroserisiko und damit das Mortalitätsrisiko erhöht. Zu erwähnen ist
hier, dass Protein aus pflanzlichen Quellen diese ungünstigen
Eigenschaften nicht zu besitzen scheint, systematische Studien
dazu fehlen aber.
Bedeutung der Makronährstoffzusammensetzung
In der Vergangenheit wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit die Makronährstoffzusammensetzung (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß) verschiedener Diäten den Gewichtsverlust
beeinflusst. In einer Studie wurden 811 adipöse Erwachsenen
mit einem mittleren BMI von 33 kg/m2 über 2 Jahre mit vier
hypokalorischen Kostformen mit einem Kohlenhydratanteil zwischen 35 % und 65 % und normalem oder hohem Eiweiß- (15 %
bzw. 25 En%) bzw. Fettanteil (20 % bzw. 40 En%) behandelt.
Dabei konnten keine Unterschiede hinsichtlich Gewichtsabnahme, Besserung von Risikofaktoren sowie Hunger- und Sättigungsscores beobachtet werden. Der Gewichtsverlust hing aber
mit der Therapieadhärenz zusammen. Damit ist überzeugend
belegt, dass der Gewichtsverlust nicht von der Makronährstoffzusammensetzung, sondern allein von der Kalorienbegrenzung
abhängt.
In weiteren Studien wurden populäre kommerzielle Diäten mit
mäßiger Energiebegrenzung in randomisierten Interventionsstudien über 12 Monate hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit verglichen. Während Dansinger et al. in ihrer Studie keine
Unterschiede im Gewichtsverlust zwischen den vier eingesetzten Diäten (Atkins, Ornish, Weight Watchers, Zone) fanden,
zeigte sich in einer ähnlichen Studie (Vergleich von Atkins,
Zone, Ornish und LEARN) ein kleiner Vorteil zugunsten der
28
CONSILIUM 09/15
Atkins-Diät. Die Unterschiede zwischen diesen Diäten waren
aber klinisch marginal, auch die Drop-out-Raten wichen kaum
voneinander ab. Eine neuere Metaanalyse dieser Studien kam
zu dem Ergebnis, dass mit diesen mäßig energiebegrenzten Kostformen unabhängig von ihrer Zusammensetzung im Laufe eines
Jahres eine durchschnittliche Senkung des Körpergewichts um
1,9 BMI-Einheiten zu erreichen ist.
Mittelmeerkost
Es gibt eine Metaanalyse, die dafür spricht, dass die Einhaltung
einer mediterranen Kost ebenfalls mit einer mäßigen Gewichtsabnahme einhergeht. Dies wurde v. a. in der DIRECT-Studie
aber auch in anderen Studien nachgewiesen.
Drastisch energiereduzierte Kostformen
Mäßig hypokalorische Kostformen benötigen i.d.R. einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten, bis eine Gewichtsabnahme von
etwa 5 – 10 % des Ausgangsgewichts erreicht wird. Ist aus medizinischen oder anderen Gründen eine schnellere und größere
Gewichtsabnahme erwünscht, können – zeitlich begrenzt – auch
Kostformen mit einem höheren Energiedefizit eingesetzt werden. Dazu werden meist definierte Formula-Produkte verwendet. Dabei handelt es sich um industriell hergestellte, definierte
Nährstoffpulver meist auf Molkebasis, die mit einer täglichen
Energiezufuhr von mindestens 800 kcal und höchstens 1.200
kcal angeboten werden. Formuladiäten müssen als diätetische
Lebensmittel dem § 14 der Diätverordnung und der entsprechenden EU-Richtlinie (96/8/EG) entsprechen. Diätetische
Lebensmittel, die in Österreich für den Einsatz im Rahmen der
Adipositastherapie vorgesehen sind, werden zudem genauestens
durch die 112. Verordnung des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz geregelt. In der Diätverordnung sind auch die zugesetzten Mengen an essenziellen Fettsäuren, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen festgelegt.
In Österreich sind verschiedene Formula-Produkte im Handel,
die u. a. über Apotheken, Reformhäuser und im Direktverkauf
vertrieben werden, i.d.R. ohne fachliche Unterstützung bzw.
Beratung. Sie werden meist entweder im Rahmen einer Mahlzeitenersatzstrategie oder einer zeitlich begrenzten, sehr niedrigkalorischen Diät eingesetzt.
Mahlzeitenersatzstrategie
Zunächst werden zwei Hauptmahlzeiten durch ein FormulaProdukt ersetzt, die dritte „normale“ Hauptmahlzeit sollte ausgewogen sein und etwa einen Energiegehalt von 500 – 600 kcal
enthalten. Nach einem Gewichtsverlust von etwa 10 kg wird nur
DFPFORTBILDUNG
noch eine Hauptmahlzeit ersetzt, um das neue Gewicht zu halten. Der Patient kann dabei sein eigenes Gewichtsmanagement
betreiben. Studien belegen, dass sich mit dieser Strategie auch
langfristig eine gute Gewichtssenkung erreichen lässt.
Sehr niedrigkalorische Diäten
Formula-Produkte werden auch eingesetzt, um für begrenzte Zeit
ein extremes Energiedefizit bei gleichzeitiger Sicherstellung der
Zufuhr essenzieller Nährstoffe zu ermöglichen. Damit lässt sich
ein größerer Gewichtserfolg herbeiführen. Dabei sollte eine tägliche Energiezufuhr von 800 kcal aus Sicherheitsgründen nicht
unterschritten und die Anwendung auf 12 Wochen begrenzt
werden. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von ca. 2,5
– 3 l/Tag ist unbedingt zu achten. Die Gewichtsabnahme liegt
bei 15 – 20 kg über den maximalen Zeitraum von 12 Wochen.
Diese Kostform ist besonders bei Personen mit einem BMI ≥
35 kg/m2 sinnvoll. Sie ist einfach anzuwenden, da sie stark von
den normalen Verzehrgewohnheiten abweicht und es infolge der
Ketonkörperbildung schnell zu einer Dämpfung des Hungergefühls kommt. Sehr niedrigkalorische Diäten erfordern wegen
potenzieller Risiken eine gute medizinische Betreuung.
Nebenwirkungen wie Schwindel infolge von Blutdruckabfall,
Hungergefühl, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Frieren,
Verstopfung treten häufig auf. Auch gefährlichere Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen infolge des Kaliummangels,
Nierenversagen und Ketoazidose wurden beschrieben, insbesondere bei multimorbiden Patienten im mittleren bis höheren Lebensalter. Eine relativ engmaschige ärztliche Betreuung
ist daher gerade bei Personen mit Begleiterkrankungen unverzichtbar. Bei schwangeren und stillenden Frauen, Kindern und
Jugendlichen, Menschen im Alter von > 60 Jahren, Personen mit
einem BMI < 30 kg/m2 und Personen mit schweren akuten oder
chronischen Erkrankungen sollten solche Diäten grundsätzlich
nicht eingesetzt werden.
Formula-Diäten sollten immer mit Bewegungssteigerung und
Verhaltensmodifikation (v. a. Anti-Stress-Maßnahmen) kombiniert werden, da sonst eine hohe Rückfallquote zu erwarten
ist. Nach Beendigung einer solchen Diät sollte unbedingt ein
neues Essverhalten mit normaler Kost eingeübt werden. Doch
selbst unter optimalen Bedingungen kommt es bei den meisten
Personen innerhalb weniger Monate zu einem deutlichen Wiederanstieg des Körpergewichts. Langzeitstudien zeigen dennoch,
dass 4 bis 5 Jahre nach Teilnahme an einem solchen Programm
im Durchschnitt noch ein mittlerer Gewichtsverlust von 7 kg
bezogen auf das Ausgangsgewicht verbleibt.
Praktische Umsetzung
Der entscheidende Erkenntnisgewinn aus den neuen Studien
ist, dass der Korridor für die Wahl einer gewichtssenkenden
Ernährung relativ groß ist und eine maßgeschneiderte Therapie
nach den Wünschen des Betroffenen erlaubt. Als Orientierung
lässt sich grob angeben, dass der Fettanteil unter 35 – 40 % der
Gesamtenergiezufuhr bleiben sollte, während die Zufuhr von
Kohlenhydraten (40 – 60 % der Gesamtenergie) und Protein
(10 – 30 % der Gesamtenergie) recht variabel gestaltet werden
kann. Ein inhaltlich dogmatisches Vorgehen, wie in der konventionellen Ernährungsberatung nicht selten praktiziert, ist angesichts der Vielfalt begründeter neuer ernährungsmedizinischer
Behandlungskonzepte nicht mehr vertretbar.
Für den kurz- und langfristigen Gewichtsverlust kommt es weniger auf die Art der Kalorienbegrenzung, sondern entscheidend
auf die Energiebilanz an. Dies bedeutet für die Praxis, dass es
bezüglich der Lebensmittelpräferenzen großen Spielraum gibt.
Durch geschickte und bewusstere Lebensmittelauswahl, insbesondere fettärmere Lebensmittel und Erhöhung der Ballaststoffzufuhr, und energieärmere Zubereitung lässt sich eine Energieeinsparung von 500 – 800 kcal/Tag ohne Einschränkung der
Essensmengen und unter Erhalt einer guten Sättigung erreichen.
Ein solches Konzept erfordert die Kenntnis der Ernährungsgewohnheiten des Patienten. Diese sollten stets vor Beginn einer
Therapie ermittelt werden, z. B. durch Ernährungsprotokolle.
Erst auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen sollte dann eine gezielte Ernährungsberatung erfolgen (Infobox 3).
Gleichzeitig sind die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen stärker zu beachten, die eine erhöhte Energiezufuhr
begünstigen. Hier sind v. a. die ständige Verfügbarkeit von
Lebensmitteln meist hoher Energiedichte und der Trend zum
Außer-Haus-Verzehr von Convenience-Produkten zu nennen.
Der hohe Konsum zuckerhaltiger Getränke fördert gerade bei
jüngeren Menschen eine Gewichtszunahme. Daher geht es
darum, dem Patienten attraktive Alternativen bei der AußerHaus-Verpflegung aufzuzeigen, die seinen Geschmacksvorlieben
und letztlich seinem Lebensstil entsprechen und dabei dennoch
einer Gewichtsabnahme bzw. -kontrolle nicht im Weg stehen.
Da viele Menschen den Zeitaufwand für die Mahlzeitenzubereitung möglichst niedrig halten wollen, ist es wichtig, jeden übergewichtigen/adipösen Menschen in die Lage zu versetzen, aus
CONSILIUM 09/15
29
DFPFORTBILDUNG
dem großen Angebot von Convenience- und Fertigprodukten
diejenigen auszuwählen, die eine ausgewogene und energetisch
angemessene Ernährung erlauben. Geeignete Nährwerttabellen
wie „Kalorien mundgerecht“ oder Apps für Smartphones können hierbei wertvolle Unterstützung bieten.
Langzeitergebnisse
Das eigentliche Hauptproblem in der Adipositastherapie stellt
die Stabilisierung des Gewichterfolgs dar, die offenkundig nur
einer Minderheit von 10 – 20 % über einen mehrjährigen Zeitraum gelingt. Wesentlicher nachhaltiger sind dagegen die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie bei extremer Adipositas, die
allerdings Menschen mit einem BMI von ≥ 40 kg/m2 vorbehalten ist.
Vielen Patienten und ihren Therapeuten ist nicht klar, dass es
nach einer Gewichtsabnahme notwendig ist, die Energiezufuhr
dauerhaft zu verringern, um einen Wiederanstieg des Körpergewichts zu verhindern. Nach den Untersuchungen von Leibel
et al. führt ein Gewichtsverlust von 10 % des Körpergewichts
zu einer Abnahme des Gesamtenergieverbrauchs um bis zu
550 kcal/Tag. Kehren Personen nach einer Gewichtsabnahme
wieder zu ihren alten Ernährungsgewohnheiten zurück, ist ein
Wiederanstieg des Körpergewichts vorprogrammiert und unvermeidlich. Am besten hat sich hier eine Strategie mit fettarmer
Infobox 3: Praktische Empfehlungen zur
Ernährungstherapie bei Übergewicht/Adipositas
• Ernährungsinformation und -schulung inkl. Nährwerttabellen
• Reduzierung der Energiezufuhr um 500 – 600 kcal/Tag auf
der Grundlage eines Ernährungsprotokolls
• Weniger fettreiche Lebensmittel und fettarme Zubereitungsarten
• Reichlich Gemüse, Salate, Obst, Vollkornprodukte
• Ausreichende Proteinzufuhr, auf Wunsch und bei intakter Nierenfunktion höhere Eiweißzufuhr
• Ausschließlich kalorienfreie Getränke (bei Wunsch süßstoffgesüßte Alternativen)
• Verteilung auf 3 Mahlzeiten/Tag
• Zwischenmahlzeiten und Snacks nach Möglichkeit ganz
meiden
• Monitoring der Nahrungsaufnahme (Selbstbeobachtung)
• Regelmäßige Gewichtskontrolle
30
CONSILIUM 09/15
Ernährung bewährt, die sich nachweislich zur Verhinderung
einer Wiederzunahme nach Gewichtsreduktion eignet.
Auswertungen des US-amerikanischen National Weight Control
Registry zeigen, dass v. a. eine fettreduzierte Kost bzw. ein Verzicht auf Fastfood sowie eine hohe körperliche Aktivität geeignet
sind, um eine Wiederzunahme zu verhindern bzw. zu begrenzen.
Die überwiegende Mehrzahl der erfolgreichen Langzeitabnehmer ernährte sich sehr fettarm, ein kleinerer Prozentsatz hielt
eine kohlenhydratarme Kost ein. Auch die Selbstkontrolle des
Körpergewichts durch regelmäßiges Wiegen ist eine wirksame
Strategie, um einem Wiederanstieg des Körpergewichts vorzubeugen.
Fazit für die Praxis
•Eine übermäßige Energiezufuhr im Rahmen der modernen
Ernährung ist maßgeblich an der Entwicklung einer Adipositas beteiligt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der steigende
Konsum energiedichter Fertiglebensmittel und -gerichte, die
zumeist in zu großen Portionen angeboten werden.
•Ziel der Ernährungstherapie ist eine ausgewogene, aber energiereduzierte Kost mit einem Energiedefizit von ca. 500 – 800
kcal/Tag und einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel,
um eine gute Sättigung zu erreichen.
•Bei der Auswahl der Lebensmittel und Speisen kommt es weniger auf die Makronährstoffzusammensetzung, sondern allein auf den Energiegehalt an.
•Die persönlichen Vorlieben der Patienten sollten beachtet,
gleichzeitig aber energieärmere Lebensmittelalternativen bevorzugt werden.
•Wichtig ist, eine passende Mahlzeitenstruktur zu etablieren
und spontane Snacks zwischendurch, sei es in fester Form
oder als Getränke, grundsätzlich zu meiden.
•Bei medizinischer Indikation können zeitlich begrenzt und
unter ärztlicher Betreuung auch sehr niedrigkalorische Diäten
eingesetzt werden. Ohne langfristige Ernährungsumstellung
ist allerdings eine Wiederzunahme des Körpergewichts zu erwarten.
PROF. DR. H. HAUNER
Institut für Ernährungsmedizin,
Klinikum rechts der Isar der TU München,
Uptown München, Campus
© Springer Verlags GmbH 2015
DFPFORTBILDUNG
Foto: bilderbox.com
Fragebogen
zum DFP-Literaturstudium
I
m Rahmen des Diplom-Fortbildungsprogramms ist es möglich, durch das Literaturstudium im NÖ Consilium Punkte für das DFP
zu erwerben.
1.Nach der Lektüre des DFP-Artikels beantworten Sie bitte die Multiple-Choice-Fragen. Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet,
wenn alle möglichen richtigen Antworten angekreuzt sind. Bei positiver Bewertung (66 Prozent der Fragen) werden Ihnen 2 DFPFachpunkte zuerkannt.
2.Schicken Sie diese Seite entweder per Post oder Fax an die Redaktion von Springer Medizin Wien (z. Hd. Susanna Hinterberger),
Prinz-Eugen-Straße 8-10, 1040 Wien, Postfach 11, Fax: 01 / 330 24 26
3.Einsendeschluss: 30. September 2016
4.Internet: Sie haben die Möglichkeit, den Fragebogen unter www.SpringerMedizin.at/fortbildung herunterzuladen oder unter ELearning auf der Website der Österreichischen Akademie der Ärzte www.meindfp.at auszufüllen.
1. Eine Kombination welcher Maßnahmen ist Teil jeder leitliniengerechten Empfehlung zur konservativen Behandlung
der Adipositas? (3 richtige Antworten)
 a.energiereduzierte Ernährung
b.Steigerung der körperlichen Bewegung
c.tägliche Flüssigkeitszufuhr von mind. 4 Litern Wasser
d.Verhaltensmodifikation des Patienten
2. Welches Kriterium ist bei einer Diät ausschlaggebend für
den Gewichtsverlust? (1 richtige Antwort)
 a.Kalorienreduzierung
 b.Mikronährstoffzusammensetzung
 c.Makronährstoffzusammensetzung
d.Tageszeit der Mahlzeiten
4. Was ist bei der Durchführung von sehr niedrigkalorischen
Diäten zu beachten? (3 richtige Antworten)
a.Es muss eine medizinische Indikation gestellt sein
b.Die Diät muss zeitlich begrenzt sein
c.Die Mahlzeiten sollten möglichst reich an Proteinen sein
d.Die Diät muss unter ärztlicher Aufsicht erfolgen
5. Welche schwerwiegenden Komplikationen können im Zuge einer sehr niedrigkalorischen Diät auftreten? (2 richtige
Antworten)
 a.Ketoazidose
 b.Herzrhythmusstörungen
 c.Cerebrale Durchblutungsstörungen
 d.Pankreatitis
3. Welches ernährungsmedizinische Konzept zur Gewichtsreduktion zählt zu den deutlich energiereduzierten Kostformen? (1 richtige Antwort)
 a.Kohlenhydratarme Diät
 b.Energiereduzierte Mischkost
 c.Formula-Diät
 d.Alleinige Fettreduktion
6. Wodurch ist eine mäßig energiereduzierte Kostform gekennzeichnet? (1 richtige Antwort)
a.Energiezufuhr von max. 1200 kcal/Tag
b.Energiezufuhr von max. 1500 kcal/Tag
c.Energiedefizit von 500–800 kcal/Tag
d.Energiedefizit von 1000–1500 kcal/Tag
Absender (bitte gut leserlich ausfüllen):
Zutreffendes bitte ankreuzen:
Name: __________________________________________

Frau Adresse:__________________________________________
Ich besitze ein gültiges ÖÄK-Diplom
Ort/PLZ:__________________________________________
Altersgruppe:  < 30
 31 – 40
 41 – 50
 51 – 60
 > 60
Telefon:__________________________________________
ÖÄK-Nummer: __ __ __ __ __ __
Herr
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PSY
Dr.in Regina
Magdowski, MAS
„Läuse und Flöhe”
Arbeit in der psychosomatisch-psychotherapeutischen Praxis
D
er Erstkontakt erfolgt per Telefon. Die Patientin hat eine
Zuweisung vom Hausarzt bezüglich einer Psychotherapie
wegen rezidivierender Oberbauchbeschwerden erhalten und
möchte sich mit mir einen Termin für ein Erstgespräch ausmachen. Die Patientin erhält innerhalb der nächsten zwei Wochen
einen Termin.
Die Patientin hat ihr Einverständnis für diesen Artikel gegeben
und ich nenne sie ab jetzt Frau Z.
Es erscheint eine gepflegte, junge Frau, die auf mich einen kranken Eindruck (sehr blass, grenzwertig untergewichtig, irgendwie
leidend – das waren so meine ersten Gedanken) macht.
Frau Z. berichtet über rezidivierende, oft ziehende Schmerzen im Oberbauch; diese bestünden seit etwa zwei Jahren. Die
Beschwerden treten ganz unterschiedlich auf, manchmal von
der Nahrungsaufnahme abhängig, manchmal nicht, zum Teil
strahlen sie in den BWS-Bereich aus. Übelkeit und in letzter Zeit
auch Erbrechen sind zusätzliche Symptome; irgendwie habe sie
schon Angst vor dem Essen. Weiters erzählt sie von Müdigkeit,
Konzentrationsschwierigkeiten, Antriebslosigkeit und einem
Gewichtsverlust von 15 kg in den letzten Monaten. Sie sei bis vor
kurzem große Bergtouren gegangen, das ist nicht mehr möglich
– sie habe keine Kraft mehr. In einem „scheinbar“ unbedeutenden Nebensatz erzählt sie auch von zunehmender Angst, die
Anforderungen nicht mehr zu schaffen und ihr Freund meine,
sie habe eine Essstörung.
Frau Z. arbeitet im medizinischen Bereich zur Zeit auf einer
Karenzstelle; diese ist noch befristet auf ein Jahr.
Anamnestisch auffallend waren immer wieder erhöhte Leberwerte, die nicht weiter abgeklärt wurden; eine Therapie mit Escitalopram wurde vier Wochen vor dem Erstgespräch eingeleitet.
Psychopathologischer Status: zeitlich und örtlich orientiert,
keine Wahnideen, keine Suizidalität, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, differenzierte Ängste.
Frau Z. und ich vereinbaren weiterführende psychotherapeutische Gespräche und eine internistische Abklärung. Ich überweise Frau Z. zu einer Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie; weiters hat die Kollegin ein
ÖÄK-Diplom für Psychosomatische Medizin.
Frau Z. verlässt zuversichtlich die Praxis; sie meint, jetzt habe ich
etwas in die Hand bekommen.
Differentialdiagnostische Überlegungen sind sofort einige aufgetaucht wie Anorexia nervosa, mittelgradige Depression oder
Angststörung.
32
CONSILIUM 09/15
Frau Z. erzählt beim nächsten Treffen, dass sich die Beschwerden
weiter verschlechtert hätten, sie kaum noch etwas essen könne
und die Angst, an etwas Ernstem erkrankt zu sein, immer größer
wird. Sie habe am nächsten Tag den Termin bei der internistischen Kollegin. Meine Arbeit ist, die Beschwerden und den
Leidensdruck der Patientin wahr und ernst zu nehmen und
anzusprechen und nichts zu beschönigen.
Ich möchte kurz einige biografische Daten, die sich in der 2.
Stunde erheben lassen, erwähnen, die dann im weiteren Verlauf
der Psychotherapie wichtig sind.
Der Vater von Frau Z. verstarb an einem Melanom; die Patientin
war damals 11. Laut eigenen Angaben war sie ein „Papamäderl“,
es folgte eine schwierige Zeit mit Konflikten mit der Mutter und
der jüngeren Schwester.
Frau Z. lebt in einer sogenannten „Wochenendbeziehung“; ihr
Freund wohnt in einem anderen Bundesland und der Anfahrtsweg beträgt jeweils zwei Stunden.
Fragen bezüglich Arbeitsstelle nach der Beendigung der Karenzvertretung beschäftigen Frau Z. sehr.
Vier Tage später erfolgt ein Anruf von Frau Z., sie könne den
nächsten Termin nicht einhalten; sie müsse ins Spital, weil
einige Blutwerte unklar sind.
Bei Frau Z. wird eine Hämochromatose mit begleitender Pankreatitis festgestellt. Eine Hämochromatose ist eine chronische, erblich bedingte Fe-Speicher- Erkrankung, die sich in verschiedenen
Organen manifestieren kann (Herz, Leber und Pankreas) und
schwere Schäden verursachen bis hin zu lebensbedrohlichen
Zuständen führen kann. Die Therapie der Wahl sind regelmäßige Aderlässe.
Nach einem 14-tägigen Spitalsaufenthalt und zwei Aderlässen
kommt Frau Z. zur nächsten Psychotherapiesitzung und ist
erleichtert, dass es ihr körperlich schon etwas besser geht und
dass sie aus der „Psychoschublade“ herausgekommen ist.
Die Psychotherapie hat ein Jahr lang gedauert und ist inzwischen
abgeschlossen.
In vielen Therapiestunden ist einerseits die Verarbeitung, eine
chronische Erkrankung zu haben, ein wichtiges Thema, andererseits die Erkenntnis, dass eine körperliche Erkrankung auch
psychische Symptome machen kann.
Lebensgeschichtlich machen unklare Arbeits- und Beziehungsverhältnisse Angst.
Frau Z. hat gelernt, mit der chronischen Erkrankung „Hämochromatose“ zu leben. Sie hat keine Angst mehr vor dem Essen –
PSY
Erfolgreiche Führung durch Führungstechnik
Eine Schulung für ärztliche Führungskräfte im Gesundheitsbetrieb in 3 Modulen à 2 Tagen.
Termine/Ort
Modul 1: 24. - 25.11.2015
Modul 2: 10. - 11.11.2015 oder 16. - 17.02.2016
Modul 3: 12. - 13.01.2016 oder 05. - 06.04.2016
ARTIS Hotel Schloss Krumbach, 2851 Krumbach, Schloss 1
Foto: bilderbox.com
Inhalt
Essen ist wieder etwas zum Genießen und ihr Wohlfühlgewicht
habe sie auch wieder erreicht.
Weiters hat sich Frau Z. entschlossen, zu ihrem Freund zu ziehen
und eine „Alltagsbeziehung“ zu leben. Automatisch ergibt sich
dadurch ein anderer Arbeitsplatz (anderes Bundesland) und die
Ängste um das, was nach der Karenzvertretung wird, haben sich
damit aufgelöst.
Der Bericht über Frau Z. ist mir als psychosomatisch und psychotherapeutisch tätige Ärztin ein großes Anliegen. Ja, es gibt
„Läuse und Flöhe“ und wir müssen den PatientInnen genau
zuhören und nicht versuchen, sie in eine „Lade“ zu stecken. Die
medizinische Abklärung ist „notwendig“ – „so, dass die Not
gewendet wird“ und ich habe die Patientin in Not erlebt.
Die Anwendung der Grundsätze der Führungstechnik ist eine wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Managements.
Dabei sind alle für eine erfolgreiche Führung notwendigen
Wissensgebiete zu berücksichtigen, die für die persönliche
Führungsfähigkeit, die Fähigkeit zur unternehmensorientierten
Teamführung, die Fähigkeit zur analytischen Entscheidungsfindung, zur Planung, Realisierung und Durchsetzung von Entscheidungen auch in Krisenfällen, sowie zur wirksamen Kontrolle
maßgebend sind. Die Spezifika, im ganzheitlichen Management
des modernen Gesundheitsbetriebs finden hier besondere Berücksichtigung.
Methode
Es wird anwendungsorientiertes, aktives Training geboten. Die
Theorie wird stets mit konkreten Fallbeispielen erarbeitet, um
den Transfer in die berufliche Wirklichkeit ausführlich vorzubereiten.
Referent
Prof. Mag. Johann Culik
Zielgruppe
DR.IN REGINA MAGDOWSKI, MAS
Leiterin des PPP-Referats der Ärztekammer NÖ
Ärztinnen und Ärzte, welche als Führungskräfte vorgesehen oder
eingesetzt sind, sowie jene mit führender Verantwortlichkeit.
Kosten
EUR 1.400,- + 20 % USt (inkl. Unterlagen, Verpflegung) pro Modul
Das PPP-Referat der NÖ Ärztekammer
ist zuständig für die fächerübergreifende Aus-, Weiterund Fortbildung in Psychosozialer, Psychosomatischer
und Psychotherapeutischer Medizin und steht allen
Kolleginnen und Kollegen bei persönlichen und beruflichen Problemstellungen als Ansprechpartnerin gerne
zur Verfügung ([email protected]).
Anmeldung/Information
LK Wr. Neustadt/Ärztliche Direktion, Frau Muster, Tel: 02622/90042580, E-Mail: [email protected]
Anrechenbar für das DFP der ÖÄK mit 16 sonstigen DFP-Punkten
pro Modul.
CONSILIUM 09/15
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2016
1. NÖ Ärztetage
ANGESTELLT | NIEDERGELASSEN | TURNUS
Schmerz
Versicherungen
Pensionsvorsorge
Antibiotika
Arzt & Recht
Impfungen
Kommunikation
Foto: fotomek - Fotolia
1./2. April 2016
Steigenberger Hotel and Spa
Am Goldberg 2 | 3500 Krems
Kontakt: 01/53 751-270 | [email protected]
AUSTAUSCH
71. Erfahrungsaustausch
Sem.-Nr.: 6814
Transkulturelle Kompetenz als Herausforderung in der medizinischen Behandlung
Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund in der
täglichen Praxis
Referentin
Univ.-Lektorin OÄ Dr.in Türkan Akkaya-Kalayci, Ambulanz für Transkulturelle Psychiatrie und migrationsbedingte Störungen im Kindesund Jugendalter, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
AKH Wien
Datum/Ort
Samstag, 28. November 2015, 09.00 s.t. bis ca. 12.00 Uhr
Ärztekammer für Niederösterreich, A-1010 Wien
Teilnahmegebühr/-zahl
EUR 40,00
max. 30 Personen
Anmeldeschluss
10 Tage vor der Veranstaltung
Inhalt
Die steigende Diversität der Klienten im Gesundheitsbereich erfordert von Ärztinnen und Ärzten zunehmend mehr Kenntnisse über
den Zusammenhang zwischen Migrationserfahrungen und Gesundheit, über unterschiedliche Krankheits- und Gesundheitskonzepte sowie über häufigste Krankheitsbilder bei Patienten mit Migrationshintergrund und deren Erwartungen bezüglich der Therapie.
Ziel
Das Seminar versucht durch Vermittlung praxisnahen Wissens Einblicke in die transkulturellen Aspekte in der medizinischen Behandlung von Patienten mit Migrationshintergrund zu geben.
Anmeldung/Information
Ärztekammer für NÖ/Fortbildungsakademie,
E-Mail: [email protected]: 01/53 751-270, Fax: 01/53 751-285
Anrechenbar für das DFP im Ausmaß von 4 fachspezifischen Fortbildungspunkten.
36
CONSILIUM 09/15
E
s war eine besondere Ehre, dass Dr. Rosemarie Braun, Hautfachärztin in Tromsø, Tochter des Initiators des Erfahrungsaustauschs unser diesmaliges Treffen besuchte.
In der Allgemeinpraxis lassen sich die Beratungsprobleme nicht
zwanglos den spezialistischen Fächern zuordnen, wenngleich das
medizinische Basiswissen in der Ausbildung durch sie vermittelt
wird und von ihren jeweiligen Forschungsgebieten stammt. Die
Problemstellungen in der praktisch angewandten Medizin sind
das Forschungsgebiet, das Robert N Braun eröffnete und zwar
mit der, von ihm so bezeichneten „Berufstheorie“. Beim Erfahrungsaustausch zeigt sich, wie aktuell berufstheoretische Fragestellungen sowohl im niedergelassenen, wie auch im stationären
Bereich sind.
Eine verschleppte Diagnosestellung macht sich ein Kollege zum
Vorwurf:
Der 57-Jährige bringt seinen Infekt, also den Husten, nicht
los. ACE-Hemmer-Absetzen, Protonenpumpenhemmer ohne Erfolg; Lungenröntgen, Sonographie der Halsorgane
unauffällig. Der getastete Lymphknoten am Hals ist kleiner
geworden. Richtig gut ist es aber auch nach Wochen nicht.
Die erst jetzt intensivierte Diagnostik (HNO- und LungenFacharzt, Thorax CT) deckt ein zentrales N.bronchi auf.
Husten, der nach kurzer Zeit problemlos verschwindet, rangiert
in langjährigen Fällestatistiken unter den Top 20. Kreuzschmerz
ist ähnlich häufig und meist selbstlimitierend.
Einer 54-jährigen Krankenschwester bereitet das Heben
der Patienten immer mehr Probleme. Ein Röntgen ergibt die
üblichen Abnützungen. Trotz Vorstellung beim Orthopäden,
antiphlogistischer Therapie kommen zu den Kreuzschmerzen noch Beschwerden in den Schultern und Hüften dazu.
Aber obwohl die Frau sich allgemein müder und sehr belastet fühlt, will sie nicht in den Krankenstand gehen. Erhöhte
Entzündungswerte und positiver Borrelien Titer führen zu
einem Versuch mit Doxycyclin. Die Zuhörer vermuteten es
längst - bekamen sie doch den Fall gleichsam im Zeitraffer
präsentiert: Alles sprach für eine Polymyalgia rheumatica.
Darüber, was ein Patient vermutet, hat Braun mit einigen Kollegen eine Studie1] gemacht, ob es denn diagnostisch weiterhelfe?
Auch wenn es prozentmäßig nicht ins Gewicht fällt, so riet er
dennoch auf diese Frage als einfaches Diagnostikum nicht zu
verzichten. Allerdings in 2 % waren die Patienten-Angaben irreführend, weshalb auch das Hinterfragen wichtig ist.
Bei einem feiertäglichen Essen im Familienkreis wird der
Kollege vom Schwager gefragt: „Kann es die Wirbelsäule
sein?“ Zusätzlich zur gewohnt anstrengenden Arbeit als
Schlosser musste er in letzter Zeit auch Möbel schleppen
und dabei habe er einen Druck im Brustkorb verspürt. In die
Arztrolle geschlüpft, veranlasst der Kollege umgehend eine
Einweisung ins Krankenhaus, wo der Patient aufgrund einer
neuen, akuten Stenokardie sofort dem Herzkatheter zugeführt und dabei gestentet wird.
Natürlich wissen wir wie wichtig eine ordentliche körperliche
Untersuchung ist. Die Umstände, nicht nur in der Allgemeinpraxis, zwingen zu einer reduzierten Form. Was dabei vertretbar ist, damit beschäftigt sich Braun in seinen Büchern2,3]. Er
unterschied eine örtliche und eine allgemeine „Routine“, erstere
für eine lokal eingegrenzte Affektion und letztere für unspezifische Allgemeinsymptome. Wie die Realität zeigt, müssen wir
uns manchmal dazu zwingen, insbesondere wenn Patienten nur
ein Medikament möchten, oder wir selbst denken, es wäre mit
einem Gespräch allein getan.
Eine Patientin, die kurz vor einer Urothel-Rezidiv-OP steht,
kommt, weil ihr „nicht gut“ ist. Eine Auskultation wurde verabsäumt. Das prä-operative Lungenröntgen, wenige Tage
später, zeigt eine Mittellappen-Pneumonie und die Patientin
wird wieder heimgeschickt.
Auch versuchen wir Zeit zu gewinnen durch gleichzeitiges Untersuchen und Befragen. Braun nennt es Paralleldiagnostik. Sie
sollte vermieden werden, weil man sich nicht auf zwei Dinge
gleichzeitig konzentrieren kann.
In die Notaufnahme kommt eine adipöse Frau wegen allgemeiner Müdigkeit, Mattigkeit. Ihr Redeschwall während
der Untersuchung läßt ein Systolikum überhören. Wochen
später wird ein Herzvitium diagnostiziert.
Hektik gibt es auch im Spital, wenn Ärzte knapp werden und
Arbeit auf der Station und in der Ambulanz wartet.
Es soll ein PORT-A-CATH® nach dem Setzen erstmals angestochen werden. Dazu unterbricht der Assistenzarzt kurz die
Ambulanzarbeit und nimmt noch den engagierten Famulanten mit. Er darf es unter seiner Supervision machen, Spülung
mit NaCl, passt, und schnell wieder zu den Wartenden. Eine
halbe Stunde später schlägt die Schwester Alarm: „Es geht
alles para!“ Die letztlich verantwortliche Oberärztin rügt
beide.
Im Lehrbuch2] findet sich der kryptisch anmutende Satz: „Der
kranke Körper ist relativ arm an fühlbaren und wahrnehmbaren Reaktionen. Nur wenige Symptome in immer neuen Kombinationen zeigen die Krankheiten an.“ Die folgenden Fälle
verdeutlichen die darin enthaltene Aufforderung, diagnostisch
für verschiedenste Krankheiten offen zu bleiben, solange eine
Krankheit nicht bestätigt ist.
Einer 74-jährigen Diabetikerin musste eine Zehe amputiert
werden. Wegen der schlechten Wundheilung bleibt sie länger im Spital. Die Stationsärztin ist gewöhnt, dass Patienten
und Schwestern „nervös“ werden, wenn 4 Tage kein Stuhl
zu registrieren ist, und zudem über Bauchschmerzen geklagt
wird. Die Laxantiengabe wird intensiviert. Bei der Visite anderntags hat die Patientin aber ärgere Oberbauchbeschwerden. Eine Sonographie ergibt keine Besonderheiten. Rechtzeitig wird auch noch an das Herz gedacht: EKG und Labor
sprechen für einen akuten Myokardinfarkt.
Die Ombudsstelle für Patientenbeschwerden informiert:
Ärztliche Behandlung von
Asylwerbern
Aus aktuellem Anlass darf darauf hingewiesen werden, dass Personen, die als Asylwerber registriert sind, vollen Zugang zur GeDr.in Regina
sundheitsversorgung erhalten (gemäß Artikel
Lindlbauer
6 der Grundversorgungsvereinbarung). Jeder
Asylwerber in der Grundversorgung ist bei der
NÖ Gebietskrankenkasse versichert und erhält eine Sozialversicherungsnummer. Allerdings werden an Asylwerber keine e-cards
ausgegeben. Stattdessen wird ein e-card-Ersatzbeleg ausgestellt,
der vom Asylwerber beim Arztbesuch vorzuweisen ist. Dabei ist
die Sozialversicherungsnummer in das System einzugeben und die
Konsultation mit der o-card zu signieren.
Asylwerber sind somit, trotz fehlender e-card, als Kassenpatienten
zu behandeln, wobei die einschlägigen Regelungen über die Behandlungspflicht zur Geltung gelangen. Ergänzend dazu darf informiert werden, dass Asylwerber einer generellen Befreiung von der
Rezeptgebühr unterliegen.
Zuständig in der Ärztekammer für NÖ:
Dr.in Regina Lindlbauer, Referatsleiterin
Mag. Andreas Wieser
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37
AUSTAUSCH
Bei Pflegefällen ist die Deutung von Symptomen oft besonders
schwierig.
Eine 80-jährige, leicht demente Patientin „liegt so dahin“.
Die Hauskrankenpflege bittet um einen Hausbesuch. Obwohl, außer einer einseitigen leichten periorbitalen Rötung,
nichts Fassbares zu erkennen ist, weist der Kollege ein. Diagnose: Glaukomanfall mit einem Druck von 30-40mmHg.
Im Altersheim möchte man für eine 85-Jährige, nach Schlaganfall, etwas Stärkeres „für die Verschleimung“. Sie hustet viel und erbricht dann wiederholt. Wahrscheinlich sind
einfach die leichten Schluckstörungen schuld. Erst beim
Versuch, die Patientin etwas schlucken zu lassen, denkt die
Kollegin auch an einen Speise-Bolus. Dieser wurde dann
tatsächlich endoskopisch behoben.
In schwierigen Fälle würde man sich einen interdisziplinären
„ad hoc“-Austausch wünschen, auch um die Verantwortung zu
teilen.
Ein hoch fiebernder, stark hustender, beeinträchtigter junger
Mann mit geröteten Augen muss fast täglich besucht werden. Das Antibiotikum erbricht er, dann schmerzt es unterm
Rippenbogen, anderntags beim Urinieren. Da eine Harnprobe beim Hausbesuch nicht gelingt, wird er in die Ordination
bestellt. Da erschrickt die Kollegin: Der Patient ist ikterisch,
der Harn dunkelbraun. Aber selbst beim stationären Aufenthalt kann keine Ursache für die Hepatitis gefunden werden,
mit 500U/l GGT wird er entlassen.
Psychiater wird konsultiert, der es wagt. Kurz darauf nimmt
sich die Patientin mit einem Messer das Leben.
Psychische Leiden erschüttern wegen ihrer Nicht-Nachvollziehbarkeit alle Beteiligten.
Eine Kollegin hatte mit einem 55-Jährigen nach dessen Entlassung aus einer psychiatrischen Abteilung ein langes, ein
– wie sie empfand – gutes Gespräch. Anderntags fand man
ihn erhängt.
Eine anorektische, psychotische Jugendliche würde ja,
wenn es sein muss, zu einem Spezialisten gehen, aber sie
will nicht mehr in die regional zuständige Spitalseinrichtung.
Wo sonst findet man rasch Hilfe?
Es belastet auch, wenn eigene Handlungen, und seien sie noch
so alltäglich, einen schicksalshaften Verlauf nehmen.
Der zunehmend pflegebedürftige, multimorbide Mann soll
auf Anraten der Hauskrankenpflege besucht werden. Da
das Haustor versperrt ist, kommt der schwindelige Patient
selbst um aufzusperren. Die Hausärztin hört, wie er im Hof
stürzt und nach einer kurzen Stille zu stöhnen beginnt. Am
Schädeltrauma mit akuter Blutung verstarb er wenige Tage
nach der Trepanation.
Zum Schluss der fast schon obligate Antikoagulatienfall:
Eine 55-jährige Frau nimmt seit 30 Jahren Epilan ®. Kann es
eine Perikarditis ausgelöst haben?
Eine 67-Jährige Marcumar ® Patientin wird wegen des typischen Bild eines Zervikalsyndroms gequaddelt. Am nächsten Tag sucht sie selbst das Spital auf: Subduralhämatom.
Es war ihr eingefallen, sie hatte sich vor kurzem bei einem
Kasten angestoßen.
Immobile Pflegefälle fordern uns Allgemeinärzte oft besonders.
Im Honorarkatalog findet sich zwar die Position „Konsilium“
für Fachärzte. Aber nur wenige Fachärzte sind für ein solches
am Krankenbett bereit. So übernehmen wir mitunter gewagte
medikamentöse Einstellungen.
Der nächste Erfahrungsaustausch im Rahmen der Fortbildungsangebote der NÖ Ärztekammer findet am Samstag,
3. Oktober 2015, 9 – 12:30 Uhr, Wipplingerstraße 2, 1010 Wien
statt. Unkostenbeitrag: 10 Euro. Anmeldung: Mag. Anita Assam,
Tel. 01/53751-270, Fax: 285 DW, E-Mail: [email protected]
Nach 7 Jahren in einem Heim wird die 79-jährige Tante nun
von der Nichte gepflegt. Sie findet, dass sie dort zu viele
Psychopharmaka bekommen hat, und fragt die Hausärztin,
ob man nicht reduzieren könne. Diese rät ihr eher ab. Ein
MR DR. WALTRAUD FINK
MR DR. GUSTAV KAMENSKI
1. Prosenc F, Brandt H, Braun RN, Crombie D, Martin K, Reichenfeld F, Wegenast B u. P. Über den diagnostischen Wert spontaner Angaben des Kranken bei der Erstberatung
durch den praktischen Arzt. Med. Klinik 59, 1964, 964-967
2. Braun RN, Fink W, Kamenski G (2007) Lehrbuch der Allgemeinmedizin - Theorie, Fachsprache und Praxis. Berger, Horn Wien
3. Braun RN, Mader FH (2005) Programmierte Diagnostik in der Allgemeinmedizin 82 Checklisten für Anamnese und Untersuchung. 5. Auflage Springer, Berlin Heidelberg New
York
38
CONSILIUM 09/15
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