Landwirtschaftliche Direktvermarktung in Baden

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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 4501
15. Wahlperiode
13. 12. 2013
Antrag
der Abg. Karl Traub u. a. CDU
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz
Landwirtschaftliche Direktvermarktung
in Baden-Württemberg
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. wie viele landwirtschaftliche Direktvermarkter es in Baden-Württemberg gibt;
2. welche Produkte landwirtschaftliche Direktvermarkter in Baden-Württemberg
vorwiegend zum Verkauf anbieten;
3. wie sie die Einkommensdiversifizierung landwirtschaftlicher Haushalte in BadenWürttemberg, die häufig auch durch landwirtschaftliche Direktvermarktung erfolgt, bewertet;
4. welche Auflagen landwirtschaftliche Direktvermarkter in Baden-Württemberg
erfüllen müssen;
5. was die neue EU-Verordnung Nr. 1169/2011 zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Lebensmittel konkret beinhaltet und inwiefern ihr
bekannt ist, welche Ziele damit verfolgt werden;
6. welche verpflichtenden Angaben auf vorverpackten Lebensmitteln zukünftig
angegeben sein müssen und welches Vorgehen die neue EU-LebensmittelInformationsverordnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln vorschreibt;
7. inwiefern die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung produktionsbezogene und herstellungsbedingte Abweichungen berücksichtigt und inwiefern
es sich dabei um bindende Vorschriften für die Lebensmittelüberwachungsbehörden handelt;
1
Eingegangen: 13. 12. 2013 / Ausgegeben: 04. 02. 2014
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 15 / 4501
8. wie sie die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung aus ihrer Sicht bewertet und inwiefern die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung den
Schutz der Verbraucher in Baden-Württemberg verbessert;
9. inwiefern die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung Ausnahmen zulässt und ob landwirtschaftliche Direktvermarkter in Baden-Württemberg unter
die Ausnahmeregelungen der neuen EU-Lebensmittel-Informationsverordnung
fallen.
13. 12. 2013
Traub, Locherer, Brunnemer, Burger, Dr. Rapp,
Reuther, Rombach, Rüeck CDU
Begründung
Die Europäische Union verändert die Vorschriften für die Kennzeichnung von
Lebensmitteln. Um welche Neuerungen es sich dabei konkret handelt und inwiefern davon die landwirtschaftlichen Direktvermarkter in Baden-Württemberg betroffen sind, soll mit diesem Antrag erfragt werden.
Stellungnahme*)
Mit Schreiben vom 23. Januar 2014 Nr. Z(22)-0141.5/312F nimmt das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. wie viele landwirtschaftliche Direktvermarkter es in Baden-Württemberg gibt;
Zu 1.:
Nach den Ergebnissen der Landwirtschaftszählung 2010 gibt es in Baden-Württemberg rund 3.100 landwirtschaftliche Betriebe mit Direktvermarktung. Dies
entspricht einem Anteil von 7 % an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe. Differenziert nach Bewirtschaftungsart fällt der Anteil der landwirtschaftlichen Direktvermarkter bei den Betrieben mit ökologischer Wirtschaftsweise mit
knapp 19 % dreimal so hoch aus wie bei den Betrieben mit konventioneller Wirtschaftsweise (6 %).
2. welche Produkte landwirtschaftliche Direktvermarkter in Baden-Württemberg
vorwiegend zum Verkauf anbieten;
Zu 2.:
Schwerpunkte im Angebot der Direktvermarkter liegen bei Produkten, die im
Rahmen der landwirtschaftlichen Erzeugung bereits als marktgängige Ware für
Endverbraucher anfallen oder deren Verarbeitung/Vermarktung ohne aufwändige
*) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt.
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Investitionen und besondere Risiken möglich ist. Dazu zählen in der Tierhaltung
die Produkte der Betriebszweige Imkerei, Eiererzeugung und Geflügelmast (z. B.
Gänse). Auch Rindfleisch (u. a. Mutterkuhhaltung) und Schweinefleisch finden
sich im Angebot, meist in größeren Einheiten (Fleischpakete) und als Dosenware
(Wurst). Milch wird zwar verbreitet von Milchviehhaltern direkt im Betrieb als
Rohmilch abgegeben, jedoch nur in vergleichsweise kleineren Mengen. Eine
Weiterverarbeitung von Milch zur Vermarktung über den Einzelhandel und direkt
an Endverbraucher findet nur in wenigen spezialisierten Betrieben statt.
In der pflanzlichen Produktion ist die Direktvermarktung bei den Sonderkulturen
bedeutend, insbesondere bei Obst, Erdbeeren, Spargel und verschiedenen Gemüsearten. Von den klassischen Ackerkulturen werden Kartoffeln häufig direkt angeboten. Schließlich spielt die Direktvermarktung traditionell bei den Betrieben mit
Weinbau und Brennerei eine wichtige Rolle.
Übersichten zum Marktanteil der einzelnen Produkte in der landwirtschaftlichen
Direktvermarktung sind nicht verfügbar. Verbraucher finden Informationen zum
Angebot der Direktvermarkter z. B. über Internetportale. Auf der Seite www.
direktvermarktung.landwirtschaft-bw.de sind neben Fachinformationen die zahlreichen regionalen Direktvermarktungsportale und Projekte auf Landkreisebene
in Baden-Württemberg verlinkt. Beispielhaft für das Produktspektrum ist in folgender Tabelle das Angebot der Betriebe aus zwei Direktvermarkter-Broschüren
auf Landkreisebene aufgeführt: Ludwigsburg als Beispiel für einen städtisch geprägten Landkreis mit hoher Bedeutung der Sonderkulturen und Biberach als
Landkreis mit ländlicher Prägung und hoher Bedeutung der Tierhaltung.
Tabelle: Angebotspalette der Betriebe in den Direktvermarkter-Broschüren der
Landkreise Ludwigsburg und Biberach zusammengefasst in Produktgruppen (häufigste hervorgehoben)
Ludwigsburg
Anzahl Anteil
Anbieter in Direktvermarkter-Broschüre 109
davon mit Angebot an …..
Blumen
8
7%
Brot, Backwaren
18
17%
Eier
33
30%
Fleisch (Rind, Schwein)
20
18%
Geflügelfleisch
12
11%
Gemüse
66
61%
Getreide und Mehl
17
16%
Honig/-produkte
12
11%
Kartoffeln
49
45%
Marmelade
23
21%
Milch, Milchprodukte, Käse
23
21%
Obst incl. Tafeltrauben
78
72%
Speiseöl
5
5%
Saft
22
20%
Schnaps, Destillate, Liköre
36
33%
Teigwaren
26
24%
Weihnachtsbäume
7
6%
Wein, Sekt
33
30%
Wurst
30
28%
Biberach
Anzahl Anteil
69
6
25
30
14
18
15
5
21
2
13
9
3
7
4
15
1
1
21
9%
36%
43%
20%
26%
22%
7%
30%
3%
19%
13%
4%
10%
6%
22%
1%
1%
30%
Das beispielhafte Angebot der Direktvermarkter setzt sich sehr unterschiedlich
zusammen. So gibt es Betriebe, die nur einige wenige Produkte aus eigener Erzeugung anbieten, aber auch Betriebe, die ihr Angebot durch Waren anderer
Direktvermarkter ergänzen, sowie Spezialisten mit Schwerpunkt Vermarktung,
deren Sortiment umfangreich z. B. durch Produkte des Naturkostfachhandels ergänzt wird.
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3. wie sie die Einkommensdiversifizierung landwirtschaftlicher Haushalte in
Baden-Württemberg, die häufig auch durch landwirtschaftliche Direktvermarktung erfolgt, bewertet;
Zu 3.:
Vor dem Hintergrund volatiler Agrarmärkte müssen die in der Produktion stehenden landwirtschaftlichen Betriebe vermehrt unternehmerische Strategien entwickeln, auf deren Basis sich die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sichern lässt
und die betrieblichen Arbeitsplätze und das Familieneinkommen erhalten werden.
Hierbei kommt der Erhöhung der betrieblichen Wertschöpfung durch Diversifizierung bzw. Einkommenskombination in Baden-Württemberg eine besondere
Bedeutung zu. Nach Ergebnissen der Landwirtschaftszählung 2010 üben in Baden-Württemberg rund 40 % der insgesamt 44.512 landwirtschaftlichen Betriebe
zumindest eine landwirtschaftsnahe Erwerbstätigkeit aus bzw. praktizieren eine
Einkommenskombination. Ein Drittel dieser Betriebe betreibt sogar mehrere verschiedene Einkommenskombinationen.
Die Entwicklung bei der Einkommenskombination zeigt, dass landwirtschaftliche
Familien immer mehr den Aufbau ergänzender landwirtschaftsnaher Erwerbstätigkeiten zur Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebes und zur Festigung
der wirtschaftlichen Basis nutzen. Ursache hierfür sind in den meisten Fällen die
begrenzten Wachstumsmöglichkeiten in der Landwirtschaft. Hinzu kommt, dass
durch die schlagkräftige überbetriebliche Arbeitserledigung und die Bewirtschaftung von Betrieben in Kooperationen betriebliche Kapazitäten an Arbeitskräften,
Gebäuden und Technik freigesetzt werden, die mit der Aufnahme neuer Geschäftsfelder nutzbar sind. Ein weiterer Aspekt der Diversifizierung ist die Schaffung eines einzelbetrieblichen Risikoausgleichs, der mit zunehmender Volatilität
der Märkte für Agrarerzeugnisse und landwirtschaftliche Betriebsmittel an Bedeutung gewinnt.
Die Perspektiven für landwirtschaftliche Betriebe, sich durch Einkommenskombinationen ein zweites wirtschaftliches Standbein aufzubauen, werden als sehr
günstig beurteilt. Betriebe, die ergänzende Einkommensquellen aus selbstständiger Tätigkeit erschließen und so den Agrarstrukturwandel aktiv flankieren, leisten
durch die engere Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wertschöpfungskette. In den ländlichen Räumen entstehen auf
diese Weise neue Beschäftigungsfelder mit enger Anbindung an die regionale
Marktnachfrage. In den Bereichen Tourismus, Freizeit und Erholung, Einzelhandel, Handwerk sowie Nahversorgung wird das regionale Angebot durch die
Diversifizierung erweitert und zugleich ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität geleistet. Aber auch die Bereitstellung hauswirtschaftlicher oder kommunaler Dienstleistungen oder auch die Übernahme von Umweltsicherungs- und
Landschaftspflegemaßnahmen tragen zur Verbesserung der Lebensqualität im
ländlichen Raum bei. Dabei entstehen überwiegend Teilzeit-Arbeitsplätze und
Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. Sofern im neuen Unternehmenszweig
Grundprodukte aus der Landwirtschaft verwendet werden, können Wertschöpfungsketten entstehen, die auch die Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebes unterstützen.
Das Land unterstützt im Rahmen verschiedener Förderprogramme die landwirtschaftlichen Betriebe beim Aufbau von Einkommenskombinationen.
Bei der Erschließung neuer Einkommensquellen, insbesondere durch die Direktvermarktung und den ländlichen Tourismus kommt den Frauen eine tragende
Rolle zu. Damit sich die Frauen Marktnischen mit innovativen Produkten und
Dienstleistungen erschließen können, fördern das Land und die Europäische
Union spezifisch über das Programm „Innovative Maßnahmen für Frauen im
Ländlichen Raum“ beispielgebende Projekte nach dem sogenannten Bottum-UpAnsatz. Seit Beginn der EU-Förderperiode im Jahr 2007 wurden bisher 168 Projekte von Frauen mit rund 2,9 Mio. Euro, davon 1,45 Mio. Euro Landesmittel, gefördert.
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4. welche Auflagen landwirtschaftliche Direktvermarkter in Baden-Württemberg
erfüllen müssen;
Zu 4.:
Für den Einstieg in die landwirtschaftliche Direktvermarktung müssen neben den
persönlichen, betrieblichen und marktspezifischen Belangen auch eine Reihe von
rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Sie spielen für die Betriebsorganisation, den Verbraucherschutz, die Wettbewerbsgleichheit und die Steuergerechtigkeit eine wichtige Rolle. In erster Linie gehören hierzu gewerbe-, lebensmittel-, steuer- und handelsklassenrechtliche Bestimmungen sowie Hygienevorschriften, aber auch Anforderungen des Bau-, Straßenverkehrs- und Ordnungsrechts.
Einzelheiten zu den rechtlichen Vorschriften, Hygiene und Kennzeichnung die
bei der landwirtschaftlichen Direktvermarktung zu beachten sind, sind in den
Merkblättern der Arbeitsgemeinschaft Direktvermarktung zusammengefasst und
im Internet unter www.direktvermarktung.landwirtschaft-bw.de abrufbar. Die Arbeitsgemeinschaft aus Fachleuten einschlägiger Rechts- und Fachbereiche wird
vom Referat 34 des Regierungspräsidiums Stuttgart koordiniert.
5. was die neue EU-Verordnung Nr. 1169/2011 zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Lebensmittel konkret beinhaltet und inwiefern ihr
bekannt ist, welche Ziele damit verfolgt werden;
Zu 5.:
Die EU-Verordnung Nr. 1169/2011 (sogenannte Lebensmittel-Informationsverordnung, kurz: LMIV) regelt die Lebensmittel- und Nährwertkennzeichnung europaweit einheitlich. Die Regelungen zum allgemeinen Lebensmittel-Kennzeichnungsrecht müssen ab dem 13. Dezember 2014 zwingend angewendet werden,
die Nährwertkennzeichnung wird ab dem 13. Dezember 2016 verbindlich. Neue
Regelungen gibt es insbesondere zu: Brennwert und Nährwertangaben, Mindestschriftgröße, Lebensmittel-Imitate und „Klebefleisch“, Allergenkennzeichnung
bei loser Ware, Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Warnhinweise auf bestimmten koffeinhaltigen Lebensmitteln und Angabe des Einfrierdatums.
Ziel der LMIV ist es, dem Verbraucher „geeignete, sachgerechte und verwertbare“ Informationen über ein Lebensmittel transparent zur Verfügung zu stellen,
damit eine Auswahl auf fundierter Basis getroffen werden kann. Die Verordnung
führt als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltende Regelung zur Harmonisierung und vereinheitlicht so das europäische Kennzeichnungsrecht, da viele nationale Vorschriften und Richtlinien von der LMIV abgelöst werden. Sie soll sowohl
dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt dienen, indem sie für Rechtsvereinfachung, Rechtssicherheit und die Verringerung des Verwaltungsaufwands sorgt,
als auch den Bürgerinnen und Bürgern dienen, indem sie eine klare, verständliche
und lesbare Kennzeichnung von Lebensmitteln vorschreibt. Die Ziele der Verordnung sind in den Erwägungsgründen und in Art. 3 der LMIV ausführlich dargelegt.
6. welche verpflichtenden Angaben auf vorverpackten Lebensmitteln zukünftig
angegeben sein müssen und welches Vorgehen die neue EU-LebensmittelInformationsverordnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln vorschreibt;
Zu 6.:
Pflichtangaben für verpackte Lebensmittel sind gemäß Artikel 9 und 10 der
LMIV:
a) Bezeichnung des Lebensmittels,
b) Verzeichnis der Zutaten,
c) Allergene Zutaten (nach Anhang II, bisher in Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung [LMKV] Anlage 3),
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d) Mengenkennzeichnung von bestimmten Zutaten („QUantitative Ingredient
Declaration“ = sogenannte QUID-Angaben),
e) Nettofüllmenge,
f) Mindesthaltbarkeitsdatum bzw. Verbrauchsdatum,
g) ggf. notwendige Aufbewahrungs- und Verwendungshinweise,
h) Adresse des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers,
i) ggf. Ursprungsland bzw. Herkunftsort,
j) ggf. notwendige Gebrauchsanleitung,
k) Alkoholgehalt bei Getränken mit mehr als 1,2 % Vol.,
l) Nährwertdeklaration
und weitere spezielle Pflichtangaben nach Anhang III.
Bei loser Ware wird ausschließlich die Kennzeichnung von Allergenen verpflichtend. Die Mitgliedstaaten werden ermächtigt, die Art und Weise der Kennzeichnung zu regeln und weitere Kennzeichnungselemente verpflichtend vorzuschreiben.
Das BMEL hat nach Kenntnis der Landesregierung bereits mit den Arbeiten zu
einem Entwurf einer Verordnung mit ergänzenden nationalen Durchführungsbestimmungen zur LMIV begonnen. Damit sollen die Anpassung bzw. Aufhebung
von nationalen Regelungen, die dem EU-Recht entgegenstehen oder gleichlautend sind (insbes. Änderung der LMKV) und produktspezifische Regelungen erfolgen. Die nationale Verordnung soll bis zur verpflichtenden Anwendung der
LMIV im Dezember 2014 verabschiedet sein.
7. inwiefern die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung produktionsbezogene und herstellungsbedingte Abweichungen berücksichtigt und inwiefern es
sich dabei um bindende Vorschriften für die Lebensmittelüberwachungsbehörden handelt;
Zu 7.:
Wie bisher gibt es bei den Pflichtangaben eine Vielzahl von Sonderregelungen
und Ausnahmen für spezielle Lebensmittel (alkoholische Getränke), für Mehrwegflaschen und Kleinpackungen (Artikel 16 der LMIV). Speziell für die verpflichtende Nährwertkennzeichnung sind folgende Ausnahmen vorgesehen:
• Unverarbeitete Erzeugnisse oder Erzeugnisse, die nur einer Reifebehandlung
unterzogen wurden;
• Wasser für den menschlichen Gebrauch, Kräuter, Gewürze, Salz, Tafelsüßen,
Kaffee, Tees, Essig, Aromen, Lebensmittel-Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Enzyme, Gelierhilfen, Hefe und Kaugummi;
• Lebensmittel in Kleinpackungen (Verpackungen < 25 cm²);
• Lebensmittel, einschließlich handwerklich hergestellter Lebensmittel, die direkt in kleinen Mengen durch den Hersteller an den Endverbraucher oder an
lokale Einzelhandelsgeschäfte abgegeben werden, die die Erzeugnisse unmittelbar an den Endverbraucher abgeben (z. B. Bäckerei-, Konditorei-, Metzgereiwaren, Produkte von Direktvermarktern).
Die EU-Kommission hat im Dezember 2012 eine Leitlinie „Draft Guidance
Document for Competent Authorities for the Control of Compliance with EU
Legislation with regard to the setting of tolerances for nutrient values on a label“
veröffentlicht, in der zulässige Toleranzen bei der Nährwertkennzeichnung angegeben sind. In Deutschland besteht bereits seit Jahren ein Positionspapier der
Arbeitsgruppe „Fragen der Ernährung“ der Lebensmittelchemischen Gesellschaft
zu „Toleranzen für Nährstoffschwankungen bei der Nährwertkennzeichnung“.
Beide Dokumente sind rechtlich nicht verbindlich, sondern stellen vielmehr Empfehlungen dar, die bei der Beurteilung zur Orientierung herangezogen werden
können. Die Arbeitsgruppe „Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, Wein und Kosmetika“ (ALB) der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) hat sich
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im Herbst 2013 mit diesen Empfehlungen befasst und ist der Auffassung, dass zur
Beurteilung von Nährwertangaben grundsätzlich der betreffende europäische
Leitfaden herangezogen wird.
8. wie sie die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung aus ihrer Sicht bewertet und inwiefern die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung den
Schutz der Verbraucher in Baden-Württemberg verbessert;
Zu 8.:
Nur gut informierte Verbraucherinnen und Verbraucher können durch ihr Kaufverhalten den Markt aktiv mitgestalten. Deshalb ist die Transparenz der Inhalte,
Eigenschaften und Herkunft von Produkten oberstes Gebot. In diesem Sinne begrüßt die Landesregierung grundsätzlich die mit der LMIV verbundenen Verbesserungen in der Kennzeichnung, wie z. B. die Allergenkennzeichnung bei loser
Ware, und die Pläne der Kommission für weitere Verbesserungen, wie z. B. die
Erweiterung der Herkunftskennzeichnung. Allerdings ist die Verordnung auch
sehr komplex und erreicht aus Sicht der Landesregierung nicht in allen Punkten
das von der Kommission selbst gesteckte Ziel der Vereinheitlichung und Vereinfachung des europäischen Kennzeichnungsrechts.
9. inwiefern die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung Ausnahmen zulässt und ob landwirtschaftliche Direktvermarkter in Baden-Württemberg unter
die Ausnahmeregelungen der neuen EU-Lebensmittel-Informationsverordnung
fallen.
Zu 9.:
Zu den Ausnahmen von Pflichtangaben nach der LMIV siehe die Antwort zu
Nr. 7.
Direktvermarkter sind nicht grundsätzlich von der Ausnahmeregelung der verpflichtenden Nährwertkennzeichnung erfasst, sondern nur dann, wenn sie die von
ihnen hergestellten Lebensmittel in kleinen Mengen direkt an den Endverbraucher
oder an lokale Einzelhandelsgeschäfte abgegeben, die die Erzeugnisse unmittelbar an den Endverbraucher abgeben. Das entspricht im Übrigen den Ausnahmeregelungen des Hygienerechts im Zusammenhang mit der Primärproduktion sowie der Abgabe von Fleisch von Geflügel, Hasentieren und Wild.
Bonde
Minister für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz
7
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