Redaktion Wissenschaft: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Münchner Merkur Nr. 74 | Mittwoch, 30. März 2011 MEDIZINKOLUMNE Leben ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Die Medizin des 21. Jahrhunderts konnte nur Dank großer Erfindungen und Entdeckungen zu dem werden, was sie heute ist. Aber zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung besteht ein großer Unterschied. Ein kleines Beispiel: 1492 entdeckte Christoph Kolumbus Amerika. Diese Entdeckung war aber nur durch die Erfindung des Kompasses, etwa 300 Jahre früher, möglich. Und bei der Erfindung des Kompasses hatte natürlich keiner mit der späteren Entdeckung Amerikas gerechnet. Eine Entdeckung ist die Auffindung dessen, was schon vorhanden ist, aber bis dahin nicht bekannt war. Eine Erfindung ist indes eine schöpferische, eine intellektuelle Leistung. Es gibt ein Ziel oder ein Problem, dessen Lösung, meist durch technische Mittel, angestrebt werden soll. Erfindungen und Entdeckungen gehen dabei oft Hand in Hand – so auch in der Medizin. Die Geburtsstunde der modernen Kardio- logie war beispielsweise die Entdeckung des Blutkreislaufes im Jahre 1618 von William Harvey. Bis dahin glaubte man nämlich, das Blut würde in der Leber erzeugt und dann durch die Arterien und Venen fließen. Von einem Herzen als Pumpe wusste man damals nichts. Harvey stellte erstmals fest, dass das Blut vom Herzen weg durch die Arterien und zum Herzen zurück durch die Venen strömt. Die Klappen in den größeren Venen steuern den Rückfluss des Blutes zum Herzen. Auf dem Boden dieser genialen Entdeckung folgten unzählige Erfindungen. Zum Beispiel die des Blutdruckmessens. 1733 legte der englische Pfarrer und Wissenschaftler Stephen Hales eine Kanüle in die Halsschlagader eines Pferdes, verband diese mit einem Glaszylinder und konnte so erstmals den Blutdruck messen. 1816 wurde dann das Stethoskop erfunden, das das Abhören der Herztöne möglich machte. Beide Erfindungen wurden Hauptsache gesund Dr. Barbara Richartz Erfindungen und Entdeckungen Priv.-Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz, Chefärztin in der Klinik Jägerwinkel in Bad Wiessee, erklärt, welche Errungenschaften die moderne Herzmedizin begründet haben. von dem italienischen Arzt Riva-Rocci perfektioniert, indem er 1896 ein einfaches Gerät zur Blutdruckmessung mit einer Armmanschette erfand. Seine Messmethode wurde zwar von einem russi- schen Militärarzt verbessert, trotzdem bezeichnet man den Blutdruck auch heute noch mit dem Kürzel RR (nach Riva-Rocci). Ein Meilenstein der modernen Kardiologie war zudem die Entwicklung der Herzkatheteruntersuchung. Diese wurde nicht erfunden, wie man vielleicht glauben könnte. Sie wurde entdeckt – und zwar 1958. Es war quasi ein Missgeschick. Mason Sones wollte Kontrastmittel in die Hauptschlagader injizieren, aber der Katheter verrutschte in die rechte Herzkranzarterie. Noch bevor er den Katheter zurückziehen konnte, spritzte er Kontrastmittel und bildete so erstmals in der Geschichte ein Herzkranzgefäß am lebenden Menschen ab. Damals war die Kontrastmittelgabe in die Herzkranzgefäße streng verboten, da man glaubte, der Patient würde gefährliche Herzrhythmusstörungen bekommen und daran sterben. Die normale Reaktion wäre gewesen, Stillschweigen über diese (verbotene) Sache zu halten. Das Geniale war aber, dass er den revolutionären Ansatz dieser bahnbrechenden Technik erkannte und nicht schwieg! Die Möglichkeit, die Herzkranzgefäße darzustellen, hat die Kardiologie nachhaltig beeinflusst. Nur so konnte es nach einigen Jahren möglich werden, Bypass-Operationen und noch einige Jahre später Aufdehnungen der Herzkranzgefäße durchzuführen. Letztere wurde aktiv erfunden und zwar von Andreas Grüntzig, einem Deutschen. Wenn eine Erfindung extrem erfolgreich wird, spricht man von einer Innovation. Damals war die Ballonaufdehnung aber alles andere als das. Denn der Erfolg einer Erfindung hängt davon ab, ob das gesellschaftliche Umfeld stimmt, also ob die Zeit „reif“ ist. Das war sie damals nicht. Erst Jahre später hat die Ballonaufdehnung und die Stentimplantation einen Siegeszug weltweit angetreten. Fest steht jedenfalls: Bei der Entdeckung, sei sie zufällig oder gezielt, muss der Entdecker das Neue erkennen. Darin liegt die Genialität. Bei der Erfindung ist es noch schwieriger. Hierbei muss auch die Umwelt die Genialität erkennen. MERKUR-SPRECHSTUNDE .............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Bypass oder Stent: Antworten der Experten Sind die Herzkranzgefäße verengt, droht ein Herzinfarkt. Bei der Merkur-Sprechstunde zum Thema „Bypass oder Stent?“ hatten die Besucher daher viele Fragen. Der Herzchirurg Dr. Walter Eichinger und der Kardiologe Prof. Berthold Höfling beantworten eine Auswahl. tenschicht verhindert meist überschießendes Gewebewachstum. Doch hat ein solcher Stent auch Nachteile. So kann zu wenig Gewebe wachsen, so dass die Stent-Maschen nicht hinreichend in normales Gewebe eingebettet werden. Dies geschieht zwar selten, ist aber dann problematisch, weil es zum thrombotischen Verschluss führen kann. Alle beschichteten Stents haben außerdem einen weiteren Nachteil: Sie erfordern eine längere Nachbehandlung. So müssen die Patienten täglich einen Blutplättchenhemmer einnehmen (Plavix oder Efient). Dadurch sind sie etwas stärker blutungsgefährdet. Dies wirkt sich vor allem dann aus, wenn Operationen nötig sind. - Warum verwendet man auch heute noch manchmal Beinvenen als Bypass? Die sollen doch gar nicht so lange halten wie Brustwandarterien. Dr. Walter Eichinger: Dafür gibt es verschiedene Gründe: So hat der Mensch nur zwei innere Brustwandarterien, die linke und die rechte. Da es oft notwendig ist, mehrere Bypässe anzulegen, werden zusätzlich Beinvenen verwendet. Zudem haben die Brustwandarterien eine begrenzte Länge. Man kann damit nicht jede beliebige Stelle am Herzen erreichen. Beinvenen können dagegen nahezu in beliebiger Länge entnommen werden. Durch die Entnahme beider Brustwandarterien wird außerdem die Durchblutung des Brustbeins verschlechtert. Dies kann gerade bei Patienten, die sehr übergewichtig sind oder unter Diabetes leiden, zu einem erhöhten Risiko für Wundheilungsstörungen führen. - Expertenrunde: Dr. Walter Eichinger, Herzchirurg vom Klinikum Bogenhausen, Moderatorin Dr. Barbara Richartz und Prof. Berthold Höfling, Kardiologe am Krankenhaus Agatharied. MS - Bei mir soll mit einem Herz-CT kontrolliert werden, ob mein Bypass noch offen ist. Ich bin aber DefiTräger. Geht das dann überhaupt? Eichinger: Eine CT-Untersuchung ist ohne Probleme möglich. - Was ist ein beschichteter Stent? Welche Vor- und Nachteile hat er? Prof. Berthold Höfling: Die Beschichtung besteht aus un- terschiedlichen Medikamenten. Die gemeinsame Eigenschaft besteht darin, dass diese wachstumshemmend wirken. Der Grund für die Beschichtung: Nach Einsetzen eines Stents besteht die Neigung, dass im Stent-Bereich an der Gefäßwand das Gewebe zu wachsen beginnt. Dies ist einerseits durchaus sinnvoll. Es führt nämlich dazu, dass die Metall-Maschen des Stents von Gewebe überdeckt werden. Das „unbiologische“ Metall wird so im Gewebe eingebettet und hat keine weiteren negativen Auswirkungen, wie zum Beispiel die Erzeugung einer Thrombose. Doch kann dieses Wachstum auch gewissermaßen überschießen. Dann bildet sich zu viel Gewebe – eine „InstentRestenose“ kann sich entwickeln. Man muss dann den Stent erneut aufdehnen. Beschichtete Stents sollen eine solche erneute Verengung verhindern: Die Medikamen- Wie lange hält ein Stent, der mit Medikamenten beschichtet ist? Höfling: Implantierte Stents, ob mit Medikamenten beschichtet oder nicht, bleiben lebenslang an der betreffenden Stelle. Die beschichteten und die unbeschichteten Stents unterscheiden sich darin, dass beschichtete Stents das Wachstum von Gewebe im Bereich des Stents unterdrücken. Im Bereich der unbeschichteten Stents ist es dagegen ausgeprägter. Dies kann zur Folge haben, dass sich wieder eine Engstelle entwickelt, weil die Wachstumsmechanismen gewissermaßen überschießend sind. Ein Stent, der nach einem Jahr ein „schönes Ergebnis“ zeigt, der also den Durchfluss von Blut ohne Stenosierung ermöglicht, ist gleich gut für den Patienten, ob er beschichtet ist oder nicht. - Ich bin über 80 und habe Arteriosklerose am Herzen. Wie kann man das behandeln? Kann man das Fortschreiten durch richtige Ernährung, Sport und Medikamente aufhalten? Hilft Knoblauch? Eichinger: Sie sprechen den wichtigen Punkt der Prävention an. Wichtig ist es, die bekannten Risikofaktoren (Bluthochdruck, hohes Cholesterin, Diabetes, Nikotin) zu vermeiden oder gut einzustellen. Dies kann durch sportliche Aktivitäten (Ausdauersport), richtige Ernährung (fettarm) und Medikamente positiv beeinflusst werden. Der Konsum von Knoblauch führt zu einer Weitstellung der Arterien und kann die übrigen Maßnahmen unterstützen. Ein Allheilmittel ist er aber sicher nicht. Herzstiftung sucht freiwillige Helfer Mit Veranstaltungen und Aktionen informiert die Deutsche Herzstiftung bundesweit über Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch das geht nur mit Hilfe Freiwilliger. Die Stiftung sucht weitere ehrenamtliche Mitarbeiter in München, die Freude am Organisieren haben. Auskünfte bei Angelika Ginkel unter Telefon 069/955128-129, E-Mail: [email protected]. Sterne im April – Saturn regiert die Nacht Saturn beherrscht im April als einziger der hellen Planeten den Nachthimmel. In der Nacht vom 3. auf den 4. steht er der Sonne genau gegenüber. Der Ringplanet ist dann die ganze Nacht über zu sehen: Mit Einbruch der Dunkelheit geht Saturn am Osthimmel auf. Um etwa ein Uhr nachts erreicht er am Südhimmel seine höchste Position und mit Tagesanbruch geht er im Westen unter. Saturn ist der fernste Planet, den man mit bloßen Augen sehen kann. Er ist zehnmal weiter von der Sonne entfernt als die Erde. Fast dreißig Jahre ist der Koloss unterwegs, um einmal die Sonne zu umrunden. Mit 120 536 Kilometern Äquatordurchmesser ist er der zweitgrößte Planet unseres Sonnensystems. Sein beeindruckender Ring wurde kurz nach Erfindung des Fernrohrs entdeckt. Aufnahmen von Raumsonden zeigen, dass er sich aus hunderten Einzelringen zusammensetzt. Fünf Dutzend Monde begleiten den Ringplaneten um die Sonne. Der größte von ihnen wurde Titan getauft und ist mit einem Fernglas zu erkennen. Er ist mit 5150 Kilometern Durchmesser der zweitgrößte Mond im Sonnensystem. Eine dichte Atmosphäre aus Stickstoff und Methan umschließt den Globus, auf dessen minus 180 Grad kalter Oberfläche die europäische Raumsonde Huygens im Januar 2005 landete. Sie funkte beeindruckende Bilder von Bächen und Seen aus flüssigem Methan zur Erde. Venus beginnt im April mit ihrem Rückzug vom Morgenhimmel. Nach der Monatsmitte fällt sie kaum mehr in der Morgendämmerung auf. An- Der Sternenhimmel im April NO SCHWAN 2011 N KEPHEUS NW KASSIOPEIA PERSEUS Wega LEIER HERKULES O DRACHE Polarstern KL.WAGEN NÖRDL. GR.WAGEN KRONE GIRAFFE Kapella FUHRMANN GR.BÄR STIER ORION SCHLANGEN- BOOTES ZWILLINGE TRÄGER Arktur KREBS GE LAN KL.HUND LÖWE SCH ÄQ Prokyon UA TO TIK JUNGFRAU R LIP WAAGE EK EINHORN Saturn BECHER RABE WASSERSCHLANGE SO Himmelsanblick am 1. April um 24 Uhr MESZ bzw. am 15. April um 23 Uhr MESZ W SW S 14369 fang April geht unser innerer Nachbarplanet kurz nach sechs Uhr morgens auf, Ende April bereits eine Viertelstunde nach vier Uhr. Leuchtende Nächte erwarten Liebhaber von Sternschnuppen zwischen 16. und 25. April. Der Höhepunkt des Lyriden-Stroms ist am 22. April. Dann fallen etwa zwanzig Sternschnuppen pro Stunde. Am besten sieht man sie nach Mitternacht. Die Neumondphase tritt am 3. um 16.32 Uhr ein. Vollmond ist am 18. um 4.44 Uhr morgens. Die glänzende Mondscheibe steht vor der Kulisse des Sternbildes Jungfrau etwa acht Grad südlich von Saturn – ein interessanter Anblick in der Nacht vom 17. auf den 18. April. Nur wenige Stunden vor Vollmond nähert sich der Mond auf 358 090 Kilometer. In den Tagen um den 17 DIE AKTUELLE MEDIZIN Heute: Hilfe bei Erektionsstörungen Potenzschwäche ist immer noch ein Tabuthema: Obwohl fast jeder Mann irgendwann darunter leidet, spricht kaum einer mit seinem Arzt darüber. Das gilt aber auch umgekehrt: „Etwa 70 Prozent der Urologen sprechen ihre Patienten nicht darauf an, ob sie Potenzprobleme haben“, sagt Dr. Kornelia Hackl, Urologin aus München. Dabei leiden etwa 16 Prozent aller Männer zwischen 20 und 75 Jahren unter solchen Beschwerden – Tendenz steigend. Ein Infarkt ist Folge verengter Gefäße – Potenzprobleme zeigen diese an. Verengte Gefäße Die sogenannte erektile Dysfunktion zeigt sich dabei unterschiedlich: Einige Männer bekommen gar keine Erektion, andere können sie nicht lange genug aufrecht erhalten. Auch die Ursachen von Potenzstörungen sind vielfältig. Einerseits kann eine psychische Erkrankung die Erektion erschweren. Viel öfter aber stecken körperliche Krankheiten dahinter – auch wenn Männer dies selbst anders empfinden. So kann Diabetes, Bluthochdruck und auch Fettleibigkeit zu einer erektilen Dysfunktion führen. Eine Potenzstörung kann darum auch ein Alarmsignal sein: Sie entsteht oft, weil sich Blutgefäße durch Ablagerungen verengen. Solche Engstellen sind meist nicht nur auf einen Teil des Körpers beschränkt. Eine Potenzstörung kann daher auf verengte Herzkranzgefäße hindeuten – und damit auf ein erhöhtes HerzinfarktRisiko. Betroffene sollten bei Problemen schon allein zum Arzt gehen, um Schlimmeres zu verhindern. Potenzpille per Mausklick: Solche Angebote im Internet sind oft Fälschungen. Vorsicht Fälschungen Vollmond kann es hohe Gezeiten und Springfluten geben. Zweimal im April hält sich der Mond in Erdferne auf, am 2. mit 406 660 Kilometern und am 29. mit 406 040 Kilometern Distanz. Die Sichel des jungen Mondes zieht am 7. am Sternhaufen der Plejaden im Stier südlich vorbei. Blickt man um etwa 23 Uhr steil nach oben, so sieht man die sieben Sterne des Großen Wagens fast im Zenit. Seine Deichsel deutet wie ein Zeigefinger auf den orange-roten Riesenstern Arktur im Sternbild Rinderhirt. Hoch im Süden steht der mächtige Löwe, das typische Frühlingssternbild. Im Südosten nimmt die Jungfrau mit ihrem hellen Stern Spica ihren Platz ein. Die Mittagshöhe der Sonne nimmt um gut zehn Grad zu, der lichte Tag wächst um eindreiviertel Stunden. Ist Diabetes oder Bluthochdruck die Ursache der Probleme, hilft es meist, diese zu behandeln. Anderen Patienten können sogenannte potenzsteigernde Medikamente helfen. Meist handelt es sich um PDE-5-Hemmer, welche die Durchblutung in den Geschlechtsorganen fördern. Dadurch ist eine Erektion leichter und länger möglich. Diese Arzneien eignen sich aber nicht für jeden. Ob Mann sie nehmen darf, muss ein Arzt nach einer Untersuchung klären. Der Patient bekommt ein Rezept, muss das Mittel aber selbst bezahlen. Auf keinen Fall sollte man vermeintlich günstige rezeptfreie Angebote im Internet nutzen. Oft handelt es sich um teils gefährliche Fälschungen. BETTINA DOBE