MeeresumweltSymposium 2006 16. Symposium 13. bis 14. Juni 2006 CCH - Congress Center Hamburg Am Dammtor 20355 Hamburg Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit © Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Hamburg und Rostock 2007 www.bsh.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des BSH reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Inhalt Vorwort .............................................................................................................................................................5 Ehlers, Peter Verbesserung der Kenntnisse als Grundvoraussetzung für maritimes Handeln . ............................................7 Europäische Meeresschutzpolitik Klug, Astrid Die Meere im Spannungsfeld von Nutzung und Umweltschutz - ein strategischer Blick in die Zukunft.......... 13 Siemers, Haitze Die künftige Meerespolitik der EU: eine europäische Vision für Ozean und Meere......................................... 19 Salomon, Markus Ein kritischer Blick auf die Europäische Meeresschutzstrategie......................................................................23 Heslenfeld, Peter Ecological Quality Objectives - Health Indicators for the Sea..........................................................................29 Neuhoff, Hans-Georg Ergebnisse der Nordsee-Ministerkonferenz zu den Umweltauswirkungen von Schifffahrt und Fischerei Göteborg, 4. und 5. Mai 2006 - Themenbereich Fischerei.............................................................................. 31 Breuch-Moritz, Monika Ergebnisse der Nordsee-Ministerkonferenz zu den Umweltauswirkungen von Schifffahrt und Fischerei Göteborg, 4. und 5. Mai 2006 - Themenbereich Schifffahrt............................................................................ 37 Marine Raumplanung und IKZM Molitor, Ludger Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)................................................45 Wilke, Torsten Naturschutz im Rahmen der Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)........53 Bunge, Thomas Das Instrument der strategischen Umweltprüfung bei der Raumplanung im Meer.........................................69 Lütkes, Stefan Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) in Deutschland: die nationale IKZM-Strategie........................83 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Prahl, Susanne und Ursula Siebert Histopathologische Aspekte zur akustischen Belastung von Schweinswalen.................................................93 Erdmann, Frithjof Beifang von See- und Wasservögeln in Stellnetzen der Küstenfischerei der Ostsee.................................... 101 Greve, Wulf Globale Erwärmung und Zooplankton........................................................................................................... 115 Ballastwassermanagement Bethge, Petra und Rolf von Ostrowski Internationales Übereinkommen von 2004 zur Überwachung und Behandlung von Ballastwasser und Sedimenten von Schiffen........................................................................................................................ 125 Skrede, Anne-Beth Ballast Water Management - from the Perspective of the Environment.......................................................... 127 Voigt, Matthias Technische Entwicklungen zur Behandlung von Ballastwasser..................................................................... 129 Offshore-Windparks Finger, Antje Ökologische Begleitforschung auf den Forschungsplattformen FINO I - III.................................................. 137 Merck, Thomas Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf Seevögel - Ergebnisse der skandinavischen Begleitforschung............................................................................................................................................ 143 Meißner, K arin, Bockhold, Jens und Holmer Sordyl Problem Kabelwärme? - Vorstellung der Ergebnisse von Feldmessungen der Meeresbodentemperatur im Bereich der elektrischen Kabel im Offshore-Windpark Nysted Havmøllepark (Dänemark)...................... 153 Burchard, Hans Mögliche Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf den Wasseraustausch der Ostsee („QuantAS-Off“).............................................................................................................................................163 Buck, Bela Hieronymus Marikultur als Co-Nutzung in Offshore-Windparks: Status Quo, Probleme und Perspektiven....................... 167 Vorwort Das 16. Symposium „Aktuelle Probleme der Meeresumwelt“ fand vom 13. bis 14. Juni 2006 in Hamburg statt. Das Symposium wird veranstaltet vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt, dem Bundesamt für Naturschutz und im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Wie bereits in den vergangenen Jahren kommt das BSH dem Wunsch nach Veröffentlichung der Vorträge mit diesem speziellen Symposiumsband nach. Damit ist beabsichtigt, die Vielzahl der vorgetragenen Informationen zu dokumentieren, einem größeren Kreis von Interessenten zugänglich zu machen und die Diskussion um die weiterhin aktuellen Probleme zu beleben. Die Beiträge wurden ohne Reviewverfahren in unveränderter Form übernommen und abgedruckt. Verbesserung der Kenntnisse als Grundvoraussetzung für maritimes Handeln Begrüßungsansprache zur Eröffnung des 16. Meeresumweltsymposiums Peter Ehlers Die Meere finden immer größere Beachtung, selbst in unserem so kontinental ausgerichteten Land. Die Nutzung der Meeresressourcen einschließlich der Energiegewinnung auf dem Meer nimmt weiter zu. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, Meere zu schützen mit dem übergeordneten Ziel, auch und gerade im marinen Bereich eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Dem dient eine Vielzahl von aktuellen Initiativen und Aktivitäten, von denen ich einige herausgreife: • Seit einigen Monaten liegt der Entwurf einer EG-Richtlinie für eine europäische Meeresschutzstrategie vor, ein Thema, das uns auf diesen Symposien bereits in den vergangenen Jahren beschäftigt hat. • In der vergangenen Woche hat die Europäische Kommission ihr Grünbuch für eine maritime Politik herausgegeben, mit der ein ganzheitlicher Politikansatz verfolgt werden soll. Klar ist, dass die Meeresschutzstrategie dabei eine wichtige Säule werden muss. • Im vergangenen Monat haben die zuständigen Minister der Nordseeanliegerstaaten auf einer Konferenz in Göteborg umfangreiche zusätzliche Maßnahmen beschlossen, um nachteilige Auswirkungen der Fischerei und Schifffahrt auf die Meeresumwelt zu verringern. • Im letzten Jahr sind erstmals zwei Schutzgebiete in der deutschen AWZ ausgewiesen und Natura-2000-Meldungen an die EG gegeben worden. • Die Helsinki-Kommission entwickelt zur Zeit ein neues Aktionsprogramm für die Ostsee. • Die OSPAR-Kommission hat mit den Vorbereitungen für einen Qualitätszustandsbericht 2010 begonnen. • Weltweite Aktivitäten wie GMES oder GEOSS, die mit Nachdruck vorangetrieben werden, sollen die Meeresüberwachung im globalen Maßstab weiter verbessern. • Im Dezember diesen Jahres wird hier in Hamburg die 5. Nationale Maritime Konferenz stattfinden. Bundeskanzlerin Merkel setzt damit fort, was von der Vorgängerregierung begonnen worden ist. Mit diesem markanten Ereignis kann das maritime Bewusstsein weiter geschärft werden. Bei den Aktivitäten zum Schutz der Meere geht es nicht mehr wie früher nur um die Reduzierung von Verschmutzungen. Vielmehr setzt sich zunehmend ein ganzheitlicher ökosystemarer Ansatz durch, bei dem der marine Naturschutz und die Erhaltung der Biodiversität eine besondere Rolle spielen. Deutlich wird aber auch, dass der Meeresumweltschutz eines von mehreren Elementen einer nachhaltigen Entwicklung ist, dass es also einer Abwägung zwischen den unterschiedlichen Zielen und Interessen bedarf. Um zu einer Abwägung zu gelangen, ist es besonders wichtig, dass Qualitätsziele entwickelt und Indikatoren als Beurteilungsgrößen festgelegt werden. Das setzt voraus, dass ausreichende Daten über die Umwelt vorhanden sind. Das wiederum geht nicht ohne Forschung und vor allem ohne ein langfristig angelegtes zielorientiertes Monitoring. Umso bedenklicher ist es, dass gerade diese Aktivitäten aus finanziellen Gründen immer weiter eingeschränkt werden. Das ist ein immer schwerer wiegender Widerspruch zum Ziel einer nachhaltigen Entwicklung. Wir klagen darüber schon seit Jahren. Eine Folge ist z.B., dass das BSH schweren Herzens entscheiden musste, Ende diesen Jahres unsere „Gauss“ außer Dienst zu stellen. Das kann auch Auswirkungen auf das Monitoring haben. Ein anderes nicht gerade ermutigendes Beispiel ist die deutsche Beteiligung am weltweiten ARGO-Pro- gramm. Mit äußersten Anstrengungen haben wir uns an dem Projekt beteiligen können. Ob wir das noch fortsetzen können, ist gegenwärtig äußerst zweifelhaft. Dabei ist jedem Experten klar, dass die dadurch gewonnenen Daten dringend benötigt werden. Gerade die bei GEOSS und GMES zu beobachtende Konzentration auf Satellitensysteme macht für sich allein wenig Sinn, sondern bedarf unbedingt der Ergänzung durch verifizierende in-situ-Messungen. Wie, so fragt man sich, passt die fortschreitende Reduzierung der meereskundlichen Untersuchungsund Entwicklungskapazitäten eigentlich zusammen mit dem neuesten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats „Globale Umweltveränderungen“, der schwerwiegende Folgen für die Meere durch die Kohlendioxid-Emissionen prognostiziert. Wenn die Politik dies als Besorgnis erregend empfindet, muss dann nicht auch gehandelt werden? Muss dann nicht zumindest alles versucht werden, damit wir die Kenntnisse über das, was im Meer geschieht, verbessern? Noch haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben, dass im Rahmen einer ganzheitlichen Meerespolitik die Verbesserung der Kenntnisse über die Meere als Grundvoraussetzung für zielorientiertes Handeln einen höheren Stellenwert erhält. Dabei ist es sicherlich unsere Aufgabe, insbesondere die Politik davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, ausreichende Ressourcen für den Meeresumweltschutz und die Meeresüberwachung bereit zu stellen trotz aller – unbestritten - notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen. Gerade diesem Ziel dient das jährliche Meeresumweltsymposium, in dem neueste Informationen und Erkenntnisse vorgestellt und ausgetauscht werden. Zu dem diesjährigen Symposium, das wir nun schon zum 16. Mal veranstalten – in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz – heiße ich Sie alle herzlich willkommen. Die erneut große Teilnehmerzahl unterstreicht, welches Gewicht die Veranstaltung hat. Wenn sie gelegentlich durch ähnliche Veranstaltungen ergänzt wird, dann sehe ich auch darin eine Bestätigung der Qualität des Meeresumweltsymposiums. Ein ganz besonders herzlicher Gruß gilt den Teilnehmern aus dem Ausland, die uns wieder davor bewahren werden, den Blick nur nach innen zu richten. Ich begrüße die Referentinnen und Referenten, die erneut die Hauptlast tragen. Ihnen sei schon an dieser Stelle sehr herzlich für die Bereitschaft gedankt, uns an ihren Erkenntnissen und Ansichten teilhaben zu lassen. Und lassen Sie mich in diesen Dank meine eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließen, die in bewährter Weise besonders engagiert und professionell das Symposium vorbereitet haben und betreuen. Ihnen ist, wie ich meine, wieder ein sehr attraktives Programm gelungen. Den Auftakt des Symposiums bildet die europäische Meeresschutzpolitik und ihre künftige Integration in eine umfassende Meerespolitik. Thematisch gehören dazu die aktuellen Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft in gleicher Weise wie die Ergebnisse der Nordseekonferenz von Göteborg. Sprechen wollen wir auch über Umweltqualitätsziele, sind sie doch ein entscheidendes Element für eine künftige Meeresschutzstrategie. Gerade wegen der immer notwendiger werdenden Interessenabwägung wollen wir ein besonderes Augenmerk auf die marine Raumplanung und das integrierte Küstenzonenmanagement richten. Dieser Problematik ist im Wesentlichen der heutige Nachmittag gewidmet. Neben Informationen über den aktuellen Stand der Raumplanung in der ausschließlichen Wirtschaftszone und die nationale IKZM-Strategie soll besonders auch auf Naturschutzbelange und die Notwendigkeit einer strategischen Umweltprüfung eingegangen werden. Wer dann nach all diesen Themen eine Stärkung braucht, sei herzlich zu dem Empfang heute Abend im BSH eingeladen. Am morgigen Vormittag sollen einige spezielle Umweltthemen angesprochen werden: die akustische Belastung von Schweinswalen, Seevögel als Beifang und die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Zooplankton. So unterschiedlich diese Probleme sind, gemeinsam ist ihnen, dass sie auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen oder von ihnen beeinflusst sind. Zu diesem Themenbereich gehört auch die Ballastwasserproblematik, der wir einen eigenen Tagungsabschnitt zubilligen, haben doch fachliche Fragen zur Umsetzung des Ballastwasserübereinkommens große aktuelle Bedeutung, nicht zuletzt um das internationale Inkrafttreten voranzutreiben. Den Abschluss bilden die „Offshore-Windparks“, ein Thema, das uns schon seit mehreren Jahren in den Symposien begleitet. Das völlig zu Recht, weil die Vorhaben zur Errichtung von Offshore-Windparks nicht nur zahlreiche Fragen aufgeworfen, sondern auch umfangreiche Untersuchungen in Gang gebracht haben, die insgesamt zur Verbesserung unserer Kenntnisse über das, was vor unseren Küsten geschieht, beitragen. Wir haben bewusst die vielen angebotenen Themen auf einige aktuelle Schwerpunkte konzentriert, wohl wissend, dass die Probleme der Meeresumwelt sehr viel umfassender und vielschichtiger sind. Aber wir wollen eine thematische Überlastung und einen damit verbundenen zu engen Zeitrahmen vermeiden, um genügend Raum für Diskussionen zu lassen, die auf früheren Symposien gelegentlich etwas zu kurz gekommen sind. Eine ganz wichtige Grundlage für die hoffentlich sehr lebhaften und weiterführenden Diskussionen wird der Auftaktvortrag der Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Astrid Klug bilden. Ich danke Ihnen, sehr verehrte Frau Staatssekretärin, sehr herzlich, dass Sie in diesem Jahr zu uns sprechen werden. Sie reihen sich damit in Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Peter Ehlers Präsident und Professor des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie Bernhard-Nocht-Straße 78 20359 Hamburg Neptunallee 5 18057 Rostock eine illustre Schar ein, zu der Klaus Töpfer genauso wie Angela Merkel, Jürgen Trittin, mehrere Landesminister und Parlamentarische Staatssekretäre zählen. Wir danken Ihnen auch, dass Ihr Ministerium, in dessen Auftrag wir das Symposium durchführen, wiederum die finanziellen Voraussetzungen geschaffen hat, damit die Veranstaltung in diesem Rahmen stattfinden kann. Wir sind nun sehr gespannt auf Ihren Vortrag: Die Meere im Spannungsfeld von Nutzung und Umweltschutz – ein strategischer Blick in die Zukunft. Damit, meine Damen und Herren, ist das 16. Meeresumweltsymposium eröffnet. Europäische Meeresschutzpolitik Europäische Meeresschutzpolitik Die Meere im Spannungsfeld von Nutzung und Umweltschutz – ein strategischer Blick in die Zukunft Astrid Klug Sehr geehrter Herr Prof. Ehlers, sehr geehrte Damen und Herren, das heutige Symposium zur Meeresumwelt findet in einem interessanten zeitlichen Umfeld statt und das zeigt, dass Sie mit einem hochaktuellen Thema einen Nerv unserer Zeit treffen. Dafür einen herzlichen Dank. Vor wenigen Wochen fand in Stralsund ein vielbeachteter Internationaler Meeresnaturschutzkongress statt. Anfang Mai hatte die schwedische Umweltministerin zu einer Ministerkonferenz über die Umweltauswirkungen der Schifffahrt und der Fischerei nach Göteborg eingeladen. Anfang Juni hat die Europäische Kommission das Grünbuch Meerespolitik vorgelegt. Ich werde darauf noch näher eingehen. Ende April hat die Bundesregierung ihre Nationale Strategie zum Integrierten Küstenzonenmanagement (IKZM) präsentiert. Küstenregionen sind die Schnittstellen zwischen Meeres- und Landnutzung und bedeutende Wirtschaftsräume. 70 Prozent der Weltbevölkerung und 60 Prozent der Europäer leben in Küstennähe. Küstenregionen sind sozial, wirtschaftlich und kulturell von der Meeresnutzung entscheidend geprägt und abhängig. Die Menschen in den Küstenregionen sind deshalb auch für den Meeresschutz wichtige Akteure. Das IKZM kann helfen, Nutzungskonflikte im Meer zu identifizieren und mit den Akteuren zu diskutieren. Neben den klassischen Meeresnutzungen wie Schifffahrt, Fischerei, Tourismus und Energiegewinnung, die die Küstenregionen prägen und das Ökosystem Meer belasten, gibt es eine zusätzliche riesige Herausforderung, die der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) ganz aktuell in seinem jüngsten Gutachten „Die Zukunft der Meere – zu warm, zu hoch, zu sauer“ auf den Punkt bringt. Der WBGU schreibt uns ins politische Stammbuch, dass der sich abzeichnende Klimawandel unüber- sehbar große Veränderungen und Schäden für die Meeresumwelt und die Küsten mit sich bringt – mit erheblichen Folgen für den Menschen. Die Oberflächenschichten erwärmen sich, der Meeresspiegel steigt immer rascher an, die Meere versauern zunehmend und die Meeresökosysteme mit ihrer - noch reichhaltigen - biologischen Vielfalt sind bedroht. Wir sind dabei, Prozesse im Meer anzustoßen, die in den letzten Jahrmillionen ohne Beispiel sind, gleichzeitig aber wegen der geophysikalischen Verzögerungseffekte den Zustand der Weltmeere für Jahrtausende bestimmen werden. Damit greift der Mensch an entscheidender Stelle in das Erdsystem ein, wobei viele Folgen noch gar nicht genau vorhersehbar sind. Entschlossenes und vorausschauendes Handeln sei jetzt notwendig, damit die Meere kritische Systemgrenzen nicht überschreiten. Der Umgang des Menschen mit den Meeren werde zu einer entscheidenden Bewährungsprobe auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft – so der WBGU. Und ich füge hinzu, es wird für viele Regionen der Erde eine existenzielle Bewährungsprobe dazu. Die marinen Ökosysteme reagieren besonders sensibel und schneller als terrestrische Ökosysteme auf Klimaänderungen. Nicht nur die biologische Vielfalt ist dabei in Gefahr und Überflutungen ganzer Küstenregionen wahrscheinlich, der Klimawandel stellt auch eine Bedrohung für die Fischerei und die ausreichende Nahrungsversorgung aus dem Meer dar, weil eine weitere Erhöhung der Wassertemperaturen zu einer zunehmenden Versauerung führt. Aktiver Klimaschutz ist deshalb nicht nur Naturschutz und moderne Energiepolitik, sondern auch Meeres- und Küstenschutz und die Voraussetzung für eine nachhaltige Fischerei. Klimaschutz Deutschland wird international eine Vorreiterrolle im Klimaschutz zugeschrieben. Wir verfolgen mit der Förderung der Erneuerbaren Energien und dem Aus- 13 14 Europäische Meeresschutzpolitik bau der Energieeffizienz eine Doppelstrategie für eine zukunftsfähige Energieversorgung. Deutschland hat sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 21 Prozent zu reduzieren, fast 19 Prozent davon haben wir bereits erreicht. Aber wir wissen auch heute schon, dass wir weitere große Anstrengungen brauchen. Um die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssen wir bis 2050 die Treibhausgasemissionen in den Industriestaaten um bis zu 80 Prozent reduzieren und die Entwicklungs- und Schwellenländer als Partner für den Kyoto-Prozess gewinnen. Was wir brauchen, ist eine konsequente Entkopplung des weltweiten Wirtschaftswachstums von den Treibhausgasemissionen. Dafür bleibt uns nur noch ein kleines Zeitfenster. Deshalb wird der Klimaschutz auch eines der Top-Themen im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G8Präsidentschaft in 2007. Nachhaltige Balance Schutz und Nutzung zwischen Die Meere sind eine der entscheidenden Grundlagen für das Leben auf unserer Erde. Sie sind Heimat für einen Großteil der biologischen Vielfalt, besitzen jedoch auch einen immensen wirtschaftlichen Wert. Angesichts einer stetig wachsenden Zahl von Nutzungsformen gilt es, die zukünftige Meerespolitik so zu entwickeln, dass die Funktionen und die Leis­ tungsfähigkeit des Ökosystems Meer nicht gefährdet werden. Der dazu notwendige Schutz der komplexen Meeresökosysteme und ihre Nutzung müssen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Diese Erkenntnis verlangt auf allen politischen und rechtlichen Regelungsebenen der Meerespolitik einen neuen, integrativen Politikansatz. Wir müssen die Meeresschutzaspekte in alle betroffenen Politikbereiche einbinden und eine nachhaltige Balance zwischen Schutz und Nutzung organisieren. Europäische und nationale Politik Derzeit werden zahlreiche Instrumente entwickelt oder weiterentwickelt: Auf europäischer Ebene diskutieren wir die Europäische Meeresschutzstrategie einschließlich der Meeresstrategie-Richtlinie auf der Basis eines Entwurfs der Europäischen Kommission vom 24. Oktober 2005. Erste substanzielle Verhandlungen wird es dazu in der Ratsarbeitsgruppe Umwelt am 20.06.06 geben. Ziel ist die Erreichung eines „guten Zustands der Meeresumwelt“ Europas bis zum Jahr 2021 auf der Grundlage des Ökosystemansatzes. Dazu sollen die Meeresumwelt bewertet, der gute Zustand beschrieben, Umweltziele festgelegt sowie Überwachungsund Maßnahmenprogramme erstellt werden. Das Grünbuch der EU-Kommission zur zukünftigen Europäischen Meerespolitik soll Anfang Juni veröffentlicht werden. Danach startet eine einjährige Konsultationsphase. Ziel ist ein umfassendes Konzept zur Ausschöpfung des Potenzials für eine nachhaltige Nutzung der Meere, ohne die Meeresökosysteme zu schädigen. Dabei soll die europäische meerespolitische Vorreiterrolle gesichert werden und bisher isoliert betrachtete Politikbereiche wie Schifffahrt, Fischerei, Offshore-Energie, Meeresschutz, Entwicklung der Küstenbereiche in eine Zusammenschau gebracht werden. Die Europäische Meeresschutzstrategie und ihre Richtlinie sollen die Umweltsäule des Grünbuches bilden. In Vorbereitung ist auch eine Nationale Meeresstrategie und damit eine Richtungsentscheidung der Bundesregierung über gemeinsam definierte Ziele und Maßnahmen zur Erreichung und Sicherung der nachhaltigen Nutzung und des Schutzes der Meeresumwelt. Die Nationale Meeresstrategie soll auch auf der Grundlage des Integrationsprinzips und des Ökosystemansatzes entstehen und als längerfristige Basis der deutschen Verhandlungsposition im europäischen Kontext dienen. Wir wollen, dass die Meere mit ihren wichtigen Funktionen auch außerhalb von „Krisenzeiten“ wie Tankerhavarien, Seehundsterben und exzessiven Algenblüten wahrgenommen werden. In Vorbereitung ist außerdem ein HELCOM Baltic Sea Action Plan mit dem Ziel einer „gesunden Ostsee“, der alle zur Reduzierung der Verschmutzung und zur ‚Reparatur‘ bereits eingetretener Schäden des Ökosystems Ostsee notwendigen Maßnahmen umfassen soll und in einer ostseeweiten Strategie die Russische Föderation mit einbindet. Deutschland engagiert sich in regionalen Meeresschutzorganisationen wie der Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Kommission) und der Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (HELCOM) oder den Internationalen Nordseeschutzkonferenzen sowie ihrem Nachfolgeprozess, der sich mit den Umweltauswirkungen von Schifffahrt und Fischerei befasst. Europäische Meeresschutzpolitik Diese internationale Zusammenarbeit ist unendlich wichtig, weil Lebewesen und Lebensräume in den Weltmeeren keine nationalen Grenzen kennen und damit auch die Probleme nicht. Und die wahren Grenzen für die Nutzung der Meere und Gewässer setzen ohnehin nicht Politiker, Beamte oder Lobbyisten, die wahren Grenzen für die Nutzung der Meere setzt uns die Natur. Die Frage ist nur, ob der Mensch klug genug ist, diese Grenzen rechtzeitig zu erkennen und zu akzeptieren. Die Herausforderungen sind also groß und der Meeresschutz braucht noch mehr Tempo. Meeresschutz heißt aber auch „viele dicke Bretter bohren“. Die Interessen und das damit verbundene Engagement sind schon innerhalb der europäischen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Staaten mit einem Hauptinte­­­r­esse an Fischerei und Tourismus legen besonderen Wert auf den Schutz ihrer Küsten- und Meeresgebiete sowie der langfristigen Bewirtschaftung außereuropäischer Gewässer über Drittlandsabkommen. Staaten mit starker Hafenwirtschaft oder großen Handelsflotten wollen vorrangig eine leistungsfähige attraktive Seeverkehrswirtschaft fördern. Vor diesem Hintergrund kommt es darauf an, die gegenläufigen Interessen abzuwägen und die Meerespolitik so zu entwickeln, dass sie den Zielen eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums, zukunftsfähiger Arbeitsplätze und dem Schutz von Natur und Umwelt entspricht und gleichzeitig die durch Drittlandsabkommen betroffenen Entwicklungsländer bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Gewässer unterstützt. Deutschland ist sowohl Flaggenstaat als auch Hafenund Küstenstaat und kann insofern innerhalb der EU eine wichtige Rolle beim Zusammenführen der verschiedenen Interessen spielen. Das war auch bei der Ministerkonferenz Anfang Mai in Göteborg wieder spürbar, zu der die schwedische Umweltministerin Lena Sommestad eingeladen hatte und in deren Mittelpunkt die Umweltauswirkungen von Fischerei und Schifffahrt auf die Meere standen. Ich will die Ergebnisse dieser Ministerkonferenz kurz anreißen – sie stehen heute Nachmittag noch einmal ausführlich auf dem Programm. Aber es sind konkrete Beispiele für aktuelle Fortschritte, mit denen das dicke Brett Meeresschutz wieder ein kleines Stück tiefer angebohrt werden konnte. 1. Fischerei und Umwelt Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen betont auch die Notwendigkeit, die Wider- standsfähigkeit der Meeresökosysteme nachhaltig zu stärken und nennt neben dem Klimawandel die Überfischung als wichtigsten Bedrohungsfaktor mariner Ökosysteme. Die Fischerei ist von großer wirtschafts-, ernährungs- und beschäftigungspolitischer Bedeutung. In vielen Ländern der Erde ist Fisch die wichtigste Eiweißquelle für Hunderte Millionen Menschen. Jedoch sind die natürlichen Produktionsgrenzen erreicht. Weltweit wird die Hälfte der Fischbestände maximal genutzt und ein Viertel ist als Folge von Überfischung bereits kollabiert. Durch bestimmte Fangmethoden sind auch wirtschaftlich nicht genutzte Fischarten, Seevögel, Meeressäuger, die am Meeresboden lebenden Tier- und Pflanzenarten sowie deren Lebensräume betroffen, was aus der Sicht des Umwelt- und Naturschutzes von besonderer Bedeutung ist. Die nicht nachhaltige Nutzung der Fischbestände bedroht aber nicht nur die marine biologische Vielfalt sondern auch die Existenz der Fischerei selbst und der davon abhängenden Industrien. Die Integration von Belangen des Umwelt- und Naturschutzes in die Fischerei ist notwendig, um die geforderte Widerstandsfähigkeit der Meeresökosysteme zu erreichen, sie dient aber auch mit dazu, die Fischerei auf ein nachhaltiges Niveau zurückzuführen. Auf der Ministerkonferenz in Göteborg haben wir hierzu einige Maßnahmen vereinbart: • Die zuständigen Gremien der EU und Norwegens sollen zur Weiterentwicklung des Ökosystemansatzes bis spätestens 2010 einen Ökosystem-basierten Plan für die Fischerei in der Nordsee entwickeln und möglichst umgehend umsetzen. • Wir haben die Bedeutung mariner Schutzgebiete einerseits sowie geschlossener Gebiete als Maßnahme des Fischereimanagements andererseits als wichtigen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt der Meere anerkannt. Wir haben beschlossen, dass für Schutzgebiete, die in erster Linie dem marinen Naturschutz dienen, unter Einbeziehung aller Interessengruppen ein adäquates Fischereimanagement entwickelt werden soll. • Weitere Maßnahmen gelten der Verbesserung der Nachhaltigkeit der Fischerei durch die Reduzierung des Rückwurfs (“discard”) von gefangenem aber nicht marktfähigem Fisch sowie des Beifangs von Seevögeln und anderen marinen Organismen. Zum Schutz bedrohter Meeressäuger wie z.B. des Schweinswals, haben wir uns darauf geeinigt, den Beifang auf maximal 1% der bestmöglichen Populationsschätzung zu reduzieren. Im Rahmen von Pilotprojekten soll bis 2008 die Wirksamkeit eines 15 Europäische Meeresschutzpolitik 16 Rückwurfverbots überprüft und auf der Grundlage der Erkenntnisse eine Ausweitung des bislang nur von Norwegen praktizierten Verbots in Erwägung gezogen werden. • Zusätzlich haben wir beschlossen, bis 2010 technische Leitlinien zur Prüfung von Fischereien auf ihre Umweltverträglichkeit zu entwickeln, welche auch die Auswirkungen auf die Ökosysteme der Nordsee und insbesondere auf empfindliche marine Arten und Lebensräume umfassen. Bei der Einrichtung neuer mariner Aquakulturbetriebe soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, wobei insbesondere der Schutz wilder Bestände von Lachs und Kabeljau zu beachten ist. Außerhalb der angesprochenen Konferenzthemen sehe ich einen weiteren strategischen Ansatz für eine nachhaltige und ökosystemverträgliche Ausgestaltung der Fischerei: Die Ökozertifizierung von Fischereien und Fischprodukten. Das BMU unterstützt diesen Ansatz seit vielen Jahren und ich freue mich daher besonders, dass dies inzwischen auch beim deutschen Fischereisektor auf Interesse gestoßen ist und sich beispielsweise die deutsche Seelachsfischerei freiwillig einer Überprüfung nach den Kriterien des Marine Stewardship Councils (MSC) unterzieht. 2. Marine Naturschutzgebiete Erlauben Sie mir, ein Thema der Konferenz unter einem anderen Gesichtspunkt nochmals stärker auszuleuchten: Eine zentrale Voraussetzung im Balanceakt von Schutz und gleichzeitiger nachhaltiger Nutzung der Meeresressourcen ist der Erhalt der biologischen Vielfalt im Meer. Hierzu zählen nicht nur der Erhalt der Artenvielfalt, – unter besonderer Berücksichtigung auch der weit wandernden Arten –, sondern auch der für sie essentiellen Lebensräume mit ihren ökologischen Funktionen und dynamischen Prozessen. Erhaltungsmaßnahmen bedürfen vor diesem Hintergrund der grenzüberschreitenden internationalen, ja weltweiten Zusammenarbeit, weshalb die Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt beschlossen haben, weltweit bis zum Jahr 2012 ein Netzwerk von effektiv gemanagten Meeresschutzgebieten zu schaffen, das auch Gebiete auf Hoher See einschließt. Für unsere Hausmeere ist der von HELCOM und OSPAR 2003 in Bremen gemeinsam gefasste Beschluss maßgeblich, ein solches Netzwerk bereits bis zum Jahre 2010 zu erstellen, in das HELCOM seine Baltic Sea Protected Areas ein- bringen wird. Das gemeinsame Netzwerk wird auch die Natura-2000-Gebiete der EU mit einbeziehen, für die der Bund im Jahre 2004 rund 30% der Flächen der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszonen gegenüber der EU-Kommission gemeldet hat. Hiervon sind je ein Vogelschutzgebiet in Nord- und Ostsee inzwischen Bestandteil des gemeinsamen Netzwerks. Daneben wurden von den Küstenbundesländern ­Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dort bestehende Schutzflächen in das Netzwerk eingebracht. Für die übrigen seitens des Bundes nominierten Flächen können die notwendigen Verfahren fortgesetzt werden, sobald sie in der Gemeinschaftsliste der EU-Kommission festgelegt sind. Die Effizienz eines solchen Netzwerkes hängt aber wesentlich davon ab, dass bestehende oder potentielle Konflikte mit ihren Auswirkungen auf die Meeresnatur bekannt sind und ein geeignetes Management menschlicher Aktivitäten in europäischen und den angrenzenden Gewässern stattfindet. Entsprechende Themen standen im Mittelpunkt des bereits erwähnten und von BMU und BfN vom 8.-11. Mai 2006 in Stralsund mit rund 200 Fachleuten aus 20 Staaten durchgeführten internationalen Meeresnaturschutzkongresses. Dabei haben Erfahrungen aus Australien mit der Schutzgebietsverwaltung des „Great-Barrier-Reefs“ sowie aus Kanada mit seinem im Nordwest-Atlantik größten Unterwasser-Canyon „The Gully“ gezeigt, dass sich ein geeignetes Management mariner Schutzgebiete nicht nur erfolgreich, sondern auch langfristig umsetzen lässt. 3. Schifffahrt und Umwelt Hinsichtlich des von der Ministerkonferenz in Göteborg ebenfalls behandelten Themenkreises Seeschifffahrt will ich mich auf einige wenige wesentliche Punkte beschränken, da Sie hierzu heute Nachmittag ja noch weitere Einzelheiten vorgestellt bekommen. Der Schwerpunkt lag auf dem Konzept des vom Neubau bis hin zum Abwracken besonders umweltfreundlichen Schiffes („clean ship“), das wir national sowie auf der Basis gemeinsamer Initiativen im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) international weiter voranbringen wollen. In diesem Feld eröffnet sich zudem der Industrie ein hohes Innovationspotenzial. Sobald in der IMO dazu international einheitliche Kriterien erarbeitet worden sind, werden nicht zuletzt auch Fracht-Disponenten die Möglichkeit haben, besonders umweltfreundlichen Schiffsraum zu identifizieren und in Anspruch zu nehmen. Europäische Meeresschutzpolitik Ein wesentlicher Punkt ist auch die Erarbeitung einer Strategie zur Umsetzung des Ballastwasserübereinkommens in der Nordsee, womit das Einschleppen fremder Organismen verhindert werden soll. OSPAR ist hierbei involviert, wir haben aber auch HELCOM eingeladen, sich in diese Strategie einzubringen. der EU abgeben wird. Das von der EU-Kommission kürzlich vorgelegte Grünbuch zur zukünftigen Meerespolitik werden wir in diesem Sinne genau prüfen. Wir haben Maßnahmen zur Beschränkung der Anwendung schädlicher Antifouling-Produkte sowie zur Auflistung nicht vertretbarer Stoffe getroffen und setzen uns für die Entwicklung alternativer Systeme zur Bewuchshemmung ein. Gesunde Meere sind eine vielfältige Quelle für Ernährung, Wohlstand und Beschäftigung der Menschen sowie ein wesentlicher Klimafaktor und wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Das Meer hat eine entscheidende Bedeutung für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Miteinander der Menschen. Wir haben vereinbart, im Rahmen der gegenwärtigen Überarbeitung der Anlage VI zum MARPOL-Übereinkommen weitere Reduzierungen der Verschmutzung durch Schiffsabgase anzustreben. Dabei geht es um die Verbesserung der Treibstoffqualität, die Absenkung des Schwefelgehalts für das Befahren von Schwefelemissionskontrollgebieten (SECA) auf weniger als 1% sowie eine Initiative in der IMO zur Senkung der geltenden Stickoxidgrenzwerte für Schiffsdieselmotoren um mindestens 40%. Wir unterstützen die Revision der Anlage V – Schiffsmüll – zum MARPOL-Übereinkommen. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur darum, das Abfallaufkommen an Bord zu reduzieren, sondern die Müllvermeidung z.B. bereits im Verpackungsbereich zu beginnen aber auch darum, die Nutzung der Annahmekapazitäten in den Häfen zu erleichtern. Wir haben uns darauf verständigt, im Rahmen der IMO Probleme, die durch den Schiff-zu-Schiff-Transfer von Öl außerhalb der Hoheitsgewässer entstehen könnten, zu thematisieren und zu untersuchen, inwieweit die Wartung von Doppelhüllentankern noch verbessert werden kann. 4. Schlussbemerkung Die zunehmende Globalisierung und Vernetzung erfordern es, das Meer ganzheitlich als einen dem Land gleichwertigen Natur- und Wirtschaftsraum zu erfassen. Nur eine abgestimmte Politik der EU-Mitgliedstaaten kann wegweisend und beispielhaft über die Meere hinweg sein. Das Grünbuch Meerespolitik bietet die Chance für einen integrativen Politikansatz, der Schutz und Nutzung in eine Balance bringt und für mehr Verbindlichkeit sorgt. Ob das Grünbuch dies leisten wird, ob die Meeresschutzstrategie eine starke Umweltsäule der europäischen Meerespolitik wird oder ob der Meeresumweltschutz hinter die optimierte Nutzbarkeit der Ressource Meer und der damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen zurückgedrängt wird, werden die nächsten Monate zeigen. Und ich hoffe, dass sich viele von Ihnen in diese Debatte einbringen werden und auch von diesem Symposium wichtige Impulse dafür ausgehen. Dabei sollte uns eines immer bewusst sein: Die Meere brauchen uns Menschen nicht, aber wir Menschen brauchen gesunde und funktionierende Meere. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Europäische Meerespolitik Wir haben in Göteborg auch zu der bereits angesprochenen Europäischen Meeresschutzstrategie und dem dazu gehörigen Vorschlag für eine Meeresstrategie-Richtlinie Stellung genommen. Mit Blick auf die Förderung eines integrierten ökosystemaren Ansatzes und auf die anstehenden Verhandlungen haben wir die Erwartung geäußert, dass die Richtlinie einen regionalen Ansatz, kosteneffiziente Maßnahmen, angemessene Überwachungsprogramme, Zeitpläne und Umweltziele berücksichtigen wird. Ferner haben wir unserer Erwartung Ausdruck verliehen, dass die Europäische Meeresschutzstrategie die Umweltsäule der zukünftigen Meerespolitik Anschrift der Verfasserin: Astrid Klug; MdB Parlamentarische Staatssekretärin Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Alexanderstraße 3 10178 Berlin 17 Europäische Meeresschutzpolitik Die künftige Meerespolitik der EU: eine europäische Vision für Ozean und Meere Haitze Siemers Strategische Ziele der Kommission 2005 - 2009 In Europa: Die besondere Notwendigkeit, eine umfassende Seeverkehrspolitik (maritime policy) zu entwickeln, vollständige Realisierung des Potenzials seegestützter Wirtschaftstätigkeit in ökologisch nachhaltiger Weise getragen durch Exzellenz in meereswissenschaftlicher Forschung, Technologie und Innovation. Meeresstrategien in: • Kroatien • Portugal Europa hat eine intensive Beziehung zum Meer Deutschland und Frankreich • Maritimer Koordinator • Secrétariat général de la mer Einige Daten: • 50 % der Bevölkerung der EU lebt in Küstenregionen, • über 60 % der Touristen in der EU verbringen ihren Urlaub am Meer, • 90 % des EU-Außenhandels und • 40 % des Binnenhandels verlaufen über See­ häfen, • 3 - 5 % des Brutto-Inland-Produkts (BIP) wird durch maritime Aktivitäten erwirtschaftet. Internationale Anforderungen • Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen: „Die Probleme der Ozeane sind eng miteinander verbunden und sollten als Ganzes betrachtet werden“ (Präambel) • Umsetzungsplan des Weltgipfels zur nachhaltigen Entwicklung: „Die nachhaltige Entwicklung der Ozeane sicherzustellen, erfordert wirksame Zusammenarbeit und Koordinierung“ (Johannesburg 2002) Internationale Trends Meerespolitische Strategien: • USA • Australien • Kanada • Philippinen • Pacific Island Forum Meeresministerien in: • Griechenland • Polen Das Grünbuch zur EU-Meerespolitik - Ziele Hauptziel Eine Diskussion über eine zukünftige Meerespolitik für die EU • umfassend/ holistisch • auf Bestehendem aufbauend • ausgewogen: Lissabon und Göteborg Ziel: Koordination und Zusammenarbeit Wettbewerbsfähigkeit Jobs Qualifikationen Wissenschaft Technologie Sicherheit Koordination Daten IKZM Raumplanung Meeres Ressourcen Meeresumwelt 19 20 Europäische Meeresschutzpolitik Links - Zusammenhänge Lebensqualität an der Küste Zum Beispiel: • Forschung und Schiffbau • GKSS und Containerschiffe • Daten und Sicherheit der Meere • Domain awareness und IUU Fischerei • • • • Das Grünbuch zur EU-Meerespolitik - Grundlagen • Wahrung und Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit (growth and jobs) • Wahrung der (Meeres-)Umwelt: Nachhaltigkeit • Aufbauen auf Wissen und Kenntnis • Internationale Zusammenarbeit • Innnovation in allen Bereichen • Wissenschaft • Technologie • Raumplanung • „Governance“ Wachstum und Wachstumsperspektiven Die Europäische Union hat Wettbewerbsvorteile: • Schiffbau und Schiffsausrüstung • Schiffahrt • Küstentourismus • Offshore-Energiegewinnung (einschließlich erneu­ erbare Energien) Europäische Sektoren mit guten Zukunftschancen: Kreuzschifffahrt • Häfen • Aquakultur/ Fischzucht • Erneuerbare Energien • Unterwasser-Telekommunikation • Maritime Biotechnologie Voraussetzungen • Eine gesunde Umwelt • Förderung leistungsfähiger Forschung und Entwicklung • attraktive Jobs und Arbeitsbedingungen • ein effizienter, überschaubarer rechtlicher Rahmen Anpassung an eine sich ändernde Umwelt Klimawandel • Anstieg der Meeresspiegel • Versäuerung des Meerwassers • unbeständigeres Wetter Attraktivität der Küste Umgang mit Risiken Entwicklung des Tourismus Management of the land-sea interface Werkzeuge zum besseren Umgang mit den Her­ ausforderungen • Daten • Raumplanung • Finanzmittel Governance oder Entscheidungsfindung International: • die Rolle der EU • Zusammenarbeit Intern: • Koordination, Information, meerespolitische Ansätze • Offshore-Aktivitäten der Regierungen Wie geht es weiter? Die Konsultation Ein integraler Teil des Grünbuchs: der Dialog • 1 Jahr der Konsultation • mit allen Parteien • vor Ort und über Internet Das Ziel: eine europäische Politik für und mit dem europäischen Bürger Europäische Meeresschutzpolitik Interne Organisation Eine Leitungsgruppe von 10 Kommissaren unter dem Vorsitz von Joe Borg Experten der Mitgliedsstaaten MPTF Organisation Analyse Koordination Interessenvertreter (MS, Industrie, NRO, Bürger) Anschrift des Verfassers: Haitze Siemers Task Force Meerespolitik Europäische Kommission J-99 07/12 B-1049 Brüssel Belgien Kontaktinformation: E-Mail: [email protected] http://ec.europa.eu/maritimeaffairs Interservice Group GrünbuchNachfolgeReport 21 Europäische Meeresschutzpolitik Ein kritischer Blick auf die Europäische Meeresschutzstrategie A critical view of the European Marine Strategy Markus Salomon Zusammenfassung Summary Am 24. Oktober 2005 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Meeresschutzstrategie vorgelegt. Diese Strategie ist für den zukünftigen Schutz unserer heimischen Meere von grundlegender Bedeutung. So werden sich u.a. sämtliche in der Planung befindlichen nationalen Handlungskonzepte zum Meeresschutz an dieser europäischen Vorgabe orientieren. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat in einem Kommentar zur Umweltpolitik einen kritischen Blick auf den Vorschlag für eine Europäische Meeresschutzstrategie geworfen. Darin kommt der SRU zu dem Ergebnis, dass der Kommissionsvorschlag erhebliche Schwächen aufweist und für die Gewährleistung eines langfristigen Schutzes der Europäischen Meere dringend nachgebessert werden muss. The European Commission presented its proposal for a Marine Strategy on 24 October 2005. This strategy is highly relevant for the future protection of our seas. All future national concepts for the protection of the marine environment will be based on this European approach. In its Comment on Environment Policy the German Advisory Council on the Environment (SRU) took a critical look at the proposed Marine Strategy and concluded that the Commission´s proposal was far too weak to guarantee long-term protection of the European seas and that there was an urgent need for improvement. Einleitung Nationen leben. Jährlich werden in der Nordsee ungefähr 2,5 Millionen Tonnen Fisch gefangen, ca. 40 Millionen m3 Sand und Kies entnommen und auf 500 Plattformen Öl und Gas gefördert. Hinzu kommen noch jährlich an die 2,5 Millionen Touristen, welche die Küste besuchen und etwa 300.000 Schiffsbewegungen (OSPAR [2000]). Mit dem geplanten Ausbau der Windenergie im Offshore-Bereich werden weitere Ansprüche an den Meeresraum gestellt. Das Beispiel der Fischerei, welche nicht nur für die Überfischung der Fischbestände sondern auch für massive Veränderungen insbesondere der benthischen Lebensgemeinschaften verantwortlich gemacht wird, zeigt welche zum Teil tief greifenden Konsequenzen derartige Eingriffe für die Ökosysteme haben können. Sie führen zu einem Verlust an Biodiversität, Abnahme der Lebensraumqualität, Eutrophierung, Schadstoffexposition der Organismen und Strukturveränderungen in den Meeren. Zu all diesen Belastungen kommt noch der anthropogene CO2-Ausstoß mit seiner Klima verändernden und versauernden Wirkung. In Übereinstimmung mit den Vorgaben des 6. Umweltaktionsprogramms hat die Europäische Kommission im Oktober letzten Jahres einen Vorschlag für eine Europäische Meeresschutzstrategie (Thematische Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt) vorgelegt. Ein Blick auf die wesentlichen Probleme in den Meeresregionen verdeutlicht, vor welchen Herausforderungen ein europäisches Schutzkonzept für die Meere steht. So sind die Eingriffe durch die Fischereiwirtschaft, die Landwirtschaft, die land- und seebasierten Industrien, die Seeschifffahrt, die Küstenentwicklung und den Tourismus für einen erheblichen Nutzungsdruck auf die marinen Lebensräume verantwortlich (ICES [2003], SRU [2004]). Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nordsee mit einem dicht besiedelten und industriell wie landwirtschaftlich genutztem Einzugsgebiet von 841 500 km2, in dem 184 Millionen Menschen aus 12 23 24 Europäische Meeresschutzpolitik Mit einer Europäischen Meeresschutzstrategie soll es in der Zukunft gelingen, einen langfristigen Schutz der Meere vor den genannten Eingriffen zu realisieren. Der von der Kommission veröffentlichte Vorschlag beinhaltet eine Thematische Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt, eine Meeresstrategie-Richtlinie und eine Risikobewertung; auf letztere wird im Folgenden nicht näher eingegangen (Europäische Kommission [2005 a, b, c]). Die Thematische Strategie Die Veröffentlichung zur Thematischen Strategie umfasst im Wesentlichen die Darstellung der Intentionen des Schutzkonzeptes mit den dazugehörigen Erklärungen. So werden die Leistung und die Funktionen der Meeresräume für die Lebensqualität in Europa betont, die Belastungslage zusammengefasst, auf die bestehenden Wissensdefizite bezüglich der Prozesse innerhalb der Ökosysteme und die Bedeutung der Eingriffe durch den Menschen hingewiesen, eine Defizitbewertung der bestehenden Meeresschutzpolitiken vorgenommen, der Handlungsbedarf vorgestellt und auf das eigentliche Handlungskonzept – der „Meeresstrategie-Richtlinie“ – verwiesen. Ein sehr wichtiger Aspekt für die Strategie ist die Defizitanalyse der derzeitigen den Meeresschutz betreffenden Politiken. Dass ein langfristiger Schutz der europäischen Meere nicht gewährleistet werden kann, liegt: • an den in unterschiedlichen Politikfeldern ergriffenen Schutzmaßnahmen, die nicht explizit auf den Meeresschutz ausgerichtet sind, • in der fehlenden Durchsetzungskraft der Internationalen Konventionen zum Schutz der Meeresregionen, • in der unzureichenden Implementierung der internationalen Übereinkommen zum Schutz der Meere und • in einer fehlenden Verknüpfung zwischen den verschiedenen Strategien, Empfehlungen, Konventionen, Übereinkommen und Richtlinien, die dem Meeresschutz dienen. Um diese Unzulänglichkeiten zu beseitigen, schlägt die EU-Kommission eine Strategie vor, mit der: • ein dualer Ansatz (Kooperation der Mitgliedstaaten miteinander und mit Drittstaaten bei gleichzeitig regional getrennter Vorgehensweise), • ein wissensbasierter Ansatz (Entwicklung einer umfangreichen Wissensbasis über die marinen Lebensräume), • ein ökosystemarer Ansatz (Aktivitäten in den Meeren sollen nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gemanaget werden) und • ein kooperativer Ansatz (Einbeziehung von relevanten Interessensgruppen und die Stärkung der Kooperation mit den regionalen Meeresschutzkonventionen) verfolgt werden soll. Das ganz wesentliche Ziel der Kommission ist es, mit einer integrierten Politik zum Schutz der europäischen Meere die Umweltsäule der zukünftigen Europäischen Meerespolitik (zu deren konzeptionellen Ausgestaltung wurde gerade ein Grünbuch veröffentlicht) zu gestalten. Die Meeresstrategie-Richtlinie Das eigentliche Handlungskonzept innerhalb der Meeresschutzstrategie stellt die Meeresstrategie-Richtlinie dar, mit der rechtlich verbindliche Maßnahmen zum Schutz der Meere und Ozeane festgelegt werden sollen. Dabei setzt die Richtlinie den Rahmen zur Entwicklung von nationalen Meeresschutzstrategien. Ziel der Richtlinie ist es, bis zum Jahr 2021 einen Guten Umweltstatus in den europäischen Meeren zu erzielen. Für die Zielerreichung werden die Mitgliedstaaten verpflichtet nach folgendem Zeitplan eigene Meeresschutzstrategien zu entwickeln: • Innerhalb von 4 Jahren müssen der derzeitige Umweltstatus des Meeresgewässers und die bestehenden anthropogenen Eingriffe bewertet werden. • 5 Jahre bleiben für die Definition des Guten Umweltstatus. • 6 Jahre sind vorgesehen für die Implementierung eines Monitoringprogramms zur Überwachung des Umweltzustandes und zur Überprüfung der Zielerreichung. • Bis zum Jahr 2016 soll ein Maßnahmenprogramm entwickelt werden, • welches dann bis spätestens 2018 operationalisiert werden muss. In der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten mit Meeresgewässern innerhalb gleicher Meeressregionen aufgefordert, ihre Aktivitäten untereinander und mit Drittstaaten zu koordinieren. Für diese Koordination soll auf bestehende Institutionen zurückgegriffen werden. Dabei können die nationalen Meeresschutzstrategien auf bestehende Programme, die im Rahmen der internationalen Übereinkommen etabliert wurden, aufgebaut werden. Europäische Meeresschutzpolitik Die EU-Kommission verpflichtet sich, für die Festlegung des Guten Umweltstatus innerhalb von 2 Jahren Kriterien und Standards zu entwickeln. Ein weiterer nennenswerter Punkt in der Richtlinie ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, vor der Umsetzung einer Maßnahme, diese einer Kosten-NutzenAnalyse zu unterziehen. In dem Fall, dass die Mitgliedstaaten einen Bereich identifizieren, in dem sie das gesetzte Ziel durch eigene Maßnahmen aufgrund von: • Aktivitäten oder fehlenden Aktivitäten anderer Mitgliedstaaten oder Drittländer, • natürlichen Ursachen und höherer Gewalt oder • Aktivitäten mit übergeordnetem Interesse, welche schwerer gewichten als die Eingriffe in die Umwelt nicht erreichen können, müssen sie dies der EUKommission umgehend mitteilen. Außerdem ist die Kommission davon zu unterrichten, wenn der Mitgliedstaat einen Eingriff in sein Meeresgewässer identifiziert, welcher auf nationaler Ebene nicht behoben werden kann. Die Kommission behält sich vor, sämtliche Programme u.a. in Bezug auf die Zielerreichung hin zu überprüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Es ist vorgesehen, die Richtlinie spätestens 15 Jahre nach in Kraft treten zu evaluieren. Kritik an der Thematischen Strategie und der Meeresstrategie-Richtlinie Die zentrale Schwäche des Kommissionsvorschlags für eine Europäische Meeresschutzstrategie ist, dass auf die zum Teil sehr eindringliche Analyse nicht die entsprechenden Konsequenzen in der Umsetzung folgen. Dies betrifft insbesondere das Konzept der Thematischen Strategie, in dem die Verantwortung für die Gestaltung und Umsetzung des Meeresschutzes ausschließlich in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt wird. Dieser durchaus als „Renationalisierung“ zu bezeichnende Ansatz ist angesichts der bereits heute existierenden starken Internationalisierung und Europäisierung einer Vielzahl den Meeresumweltschutz betreffenden Sachbereiche unverständlich. Die Europäische Kommission begründet dies mit dem Hinweis auf die Vielfalt der Bedingungen und Bedürfnisse der Meeresumwelt der EU. Wenngleich derartige Unterschiede auf regionaler bzw. nationaler Ebene zweifellos gegeben sind, so zeigen doch allein die Arbeiten der internationalen Konventionen, dass es trotz die- ser Unterschiede möglich ist, auch auf internationaler Ebene Ziele und Strategien festzusetzen. Mit der Beschränkung des Handlungskonzeptes auf die nationale Ebene werden wesentliche Politiken bzw. Sektoren, die Einfluss auf die Meere haben, ausgeklammert. Insbesondere die Sektoren Landwirtschaft und Fischerei sind für ein hohes Maß der Meeresbelastungen verantwortlich. Sowohl Landwirtschaftsals auch Fischereipolitik werden in erster Linie durch europäische Vorgaben bestimmt. Auf nationaler Ebene kann in diesen Politikfeldern kein wesentlicher Fortschritt erzielt werden. Nach Auffassung der Europäischen Kommission sollen die kürzlich umgesetzten Reformen innerhalb dieser Politiken ausreichend sein, um zur Herstellung eines guten Umweltstatus der Meere beizutragen. Diese Einschätzung ist angesichts des weiterhin bestehenden Missmanagements in der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP), in dem die wissenschaftlichen Empfehlungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände und zum Schutz der Ökosysteme immer noch weitgehend ignoriert werden, nicht nachvollziehbar (Daw and Gray [2005]). Ähnliches gilt auch für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die bisher nicht zu deutlichen Verminderungen der Nitrateinträge in die Küstenmeere beitragen konnte und dies, obwohl dieser Sektor inzwischen als Hauptverursacher gilt (OSPAR [2000], HELCOM [2003]). Es ist jetzt schon absehbar, dass die Mitgliedstaaten in diesen Bereichen ohne Änderung EU-rechtlicher Vorgaben wenig Substanzielles werden erreichen können. Trotz der begrenzten Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten in vielen die Meere betreffenden Politiken sind nationale Meeresschutzstrategien als Bestandteil eines Gesamtkonzepts für eine Europäische Meeresschutzstrategie begrüßenswert. Zweifelsohne ist aber in den Sektoren Fischerei, Landwirtschaft und Seeschifffahrt die Europäische Kommission aufgefordert, ein Schutzkonzept mit klaren Zielvorgaben zu entwickeln. Durch die fehlende Einbeziehung europäischer Politiken in den Strategievorschlag versäumt die EUKommission die große Chance, einen integrierenden Ansatz zum Schutz der Meere vorzulegen. Ein weiterer Kritikpunkt an der Strategie ist die fehlende Anknüpfung an bestehendes, den Meeresschutz betreffendes Europäisches Umweltrecht. Dies betrifft insbesondere die Wasserrahmenrichtlinie und die Nitratrichtlinie, die beide zum Schutz des InlandSüßwassers konzipiert wurden. Da diese Richtlinien aber die Besonderheit der Meere u. a. als letzte Senke nicht berücksichtigen, wären hier Anpassungen erforderlich. Die Europäische Kommission selbst weist 25 26 Europäische Meeresschutzpolitik auf die mangelnde Konsistenz von Maßnahmen, Programmen und Zielvorgaben, die den Meeresschutz betreffen, hin, ohne aber daraus entsprechende Konsequenzen in der praktischen Umsetzung zu ziehen. In ähnlicher Weise lässt die Europäische Meeresschutzstrategie eine explizite Anknüpfung an die existierenden internationalen Meeresschutzkonventionen vermissen. Das Europarecht kann aufgrund seiner Rechtsverbindlichkeit und Sanktionsbewehrung einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Ziele und Maßnahmen internationaler Meeresschutzabkommen liefern. In dem Strategievorschlag bleibt es aber weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen, welchen Stellenwert sie den verbindlichen Vorgaben der Meeresschutzkonventionen einräumen und dies, obwohl auch die Europäische Gemeinschaft Vertragspartner wichtiger internationaler Übereinkommen zum Schutz der Meeresregionen, wie zum Beispiel der OSPARsowie der Helsinki-Konvention, ist. Somit gelingt es mit dem Kommissionsvorschlag nicht, einen besseren Vollzug der internationalen Konventionen zu realisieren. Neben den Schwächen innerhalb des Strategiekonzeptes zeigen sich auch Defizite in der Meeresstrategie-Richtlinie. Das eigentliche Ziel der Richtlinie, bis zum Jahr 2021 einen guten Umweltstatus in den europäischen Meeren zu erreichen, ist als durchaus ambitioniert zu bewerten. Es bleibt allerdings im höchsten Maße zweifelhaft, ob dies mit dem Richtlinienvorschlag erreicht werden kann und zwar nicht nur, weil er sich darauf beschränkt, einen Rahmen zur Entwicklung von nationalen Meeresschutzstrategien zu liefern, sondern weil der darin vorgesehene Zeitplan im höchsten Maße inkonsistent ist. So bleibt den Mitgliedstaaten noch Zeit bis 2016, um Maßnahmenprogramme zu entwickeln und bis 2018, um diese dann umzusetzen. Konsequenterweise ist in den ersten zehn Jahren nach In-Kraft-Treten (soweit die RL 2008 verabschiedet wird) der Richtlinie mit keinerlei Fortschritten für die Erhaltung der Meeresumwelt zu rechnen. Anschließend verbleiben dann nur noch drei Jahre, um einen Guten Umweltstatus in den Gewässern zu erzielen. Unter der Voraussetzung, dass ambitionierte Ziele für die Meeresgewässer festgesetzt werden, ist eine Zielerreichung in dieser kurzen Zeitspanne unrealistisch. Die Definition des Guten Umweltstatus als der Zustand in den Meeresgewässern, der in Zukunft angestrebt werden soll, ist von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Meeresstrategie-Richtlinie. Problematisch ist hierbei, dass wiederum die Definition des Guten Umweltstatus allein den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Hier besteht das Risiko, dass ei- nige Mitgliedstaaten entweder sehr vage oder sehr schwache Ziele definieren. Ob die innerhalb der Richtlinie geforderte Kooperation zwischen den Anrainerstaaten und die von der Europäischen Kommission zu setzenden Standards und Kriterien dies verhindern können, bleibt fraglich. Bedenklich ist des Weiteren die Vorgabe in der Richtlinie, diese vor der Umsetzung der Maßnahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen. Es bestehen zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, den Nutzen einer Schutzmaßnahme zu quantifizieren. Außerdem wären in diesem Fall, da das Ziel, bis zum Jahr 2021 einen Guten Umweltstatus zu erreichen, innerhalb der Richtlinie bereits festgelegt wurde, wenn, dann Kosten-Wirksamkeits-Analysen angebracht. Aber auch dieses Instrument darf nicht dazu beitragen, die Umsetzung der Maßnahmenprogramme hinauszuzögern. Insgesamt ist festzuhalten, dass der vorgelegte Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Meeresschutzstrategie nicht einem so dringend geforderten sektorenübergreifenden integrierenden Ansatz entspricht. Aus diesem Grund empfiehlt der SRU dringend Nachbesserungen an der Strategie, insbesondere in folgenden Punkten: • eine deutlich stärkere Integration des Meeresschutzes in die relevanten gemeinschaftlichen Sektorpolitiken insbesondere GAP, GFP und die Verkehrspolitik, • eine Anpassung des bestehenden EU-Umweltrechts an die Erfordernisse des Meeresumweltschutzes, • eine explizitere Integration der bereits vereinbarten Ziele und Maßnahmen der internationalen Konventionen und der dort erarbeiteten Programme in die Europäische Meeresschutzstrategie und • die Erarbeitung eines realistischen Zeitplans mit dem es gelingt, bis 2021 einen Guten Umweltstatus in den europäischen Meeren zu erreichen. Europäische Meeresschutzpolitik Literatur Daw, T. and T. Gray, 2005: Fisheries science and sustainability in international policy: a study of failure in the European Union’s Common Fisheries Policy. Marine Policy, 29, p. 189-197. Europäische Kommission, 2005a: Communication from the Commission to the Council and the European Parliament. Thematic Strategy for the Protection and Conservation of the Marine Environment. COM(2005) 504 final. Europäische Kommission, 2005b: Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council establishing a Framework for Community Action in the field of Marine Policy (Marine Strategy Directive). COM(2005) 505 final. Europäische Kommission, 2005c: Impact Assessment – Thematic Strategy on the Protection and Conservation of the Marine Environment. Brüssel: Europäische Kommission. Anschrift des Verfassers: Dr. Markus Salomon Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für Umweltfragen Reichpietschufer 60 10785 Berlin www.umweltrat.de HELCOM, 2003: The Baltic Marine Environment 1999–2002. Baltic Sea Environment Proceedings No. 87. Helsinki: HELCOM. ICES (International Council for the Exploration of the Sea), 2003: Environmental Status of the European Seas (http://www.ices.dk/reports/germanqsr/23222_ICES_Report_samme.pdf). OSPAR, 2000: Quality Status Report. Region 2: Greater North Sea. London: OSPAR Commission. SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen), 2006: Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Meeresschutzstrategie – Rückzug aus der europäischen Verantwortung? Kommentar zur Umweltpolitik, Nr. 5. http://www.umweltrat.de/ 03stellung/downlo03/komment/kom_nr5.pdf SRU, 2004: Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee. Sondergutachten. Baden-Baden: Nomos. http://www.umweltrat.de. 27 Europäische Meeresschutzpolitik Ecological Quality Objectives - Health Indicators for the Sea Peter Heslenfeld Kurzfassung Summary Um die gesetzten Umweltziele zu erreichen und zur Förderung der nachhaltigen Nutzung der Meeresumwelt strebt OSPAR die Anwendung des ÖkosystemAnsatzes zur Regelung menschlicher Aktivitäten an. Hierzu werden die allgemeinen Ziele in konkrete ökologische Qualitätsziele (EcoQUOs) übertragen. Der Satz an EcoQUOs deckt die gesamte Meeresumwelt ab. Wenn die EcoQUOs erreicht werden, kann das Meer als „gesund“ eingestuft werden. OSPAR strives at implementing the Ecosystem Approach to the management of human activities, to achieve its environmental aims and to promote sustainable use of the marine environment. For this purpose, the general aims are translated into concrete Ecological Quality Objectives (EcoQOs). The set of EcoQOs covers the whole marine environment and if the EcoQOs are achieved, the sea can be declared as ‘healthy’. Im Bereich der Nordsee macht OSPAR Erfahrungen mit der Entwicklung und Anwendung von EcoQUOs. Ein Beispiel für ein EcoQUO ist: „Der Anteil an verölten Trottellummen (Uria aalge) sollte 10 % oder weniger von den gesamt am Strand gefundenen toten oder sterbenden Trottellummen betragen”. Wenn dieser Wert überschritten wird, müssen Maßnahmen zur Verringerung der negativen Effekte von Öl auf die marine Umwelt ergriffen werden. In the North Sea OSPAR is gaining experience with the development and implementation of EcoQOs. An example of an EcoQO is: ‘The proportion of oiled guillemots (Uria aalge) should be 10 % or less of the total found dead or dying on the beach’. If this amount is exceeded, measures have to be taken to decrease the negative effect of oil on the marine environment. The ecosystem approach EcoQOs are indicators for the health of the marine ecosystem and for the effects of human activities thereon. A limit or target level is attached to them in order to determine whether (additional) measures are necessary to regulate human activities. Although EcoQOs generally are strongly linked to specific human interventions, investigations might be necessary to determine the causes in case an EcoQO is not reached. The EcoQO framework contains ten ecological issues that cover the most important components of the marine ecosystem (such as sea birds, mammals and plankton). These issues are also linked to the OSPAR thematic strategies. Only when all EcoQOs are achieved the sea can be considered ‘healthy’. Management measures at sea have long been taken from the perspective of economic sectors, resulting in undesirable impacts on the marine ecosystem. To change this the Ecosystem Approach to the management of human activities has been launched in international policy making. This approach aims to manage these activities with increased consideration of ecosystem health and sustainable use. Several international bodies are currently translating this approach into clear and practicable ecosystem objectives. In Europe, the Commission for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic (OSPAR) takes a leading position with the development and implementation Ecological Quality Objectives (EcoQOs) using a stepwise learning-by-doing approach. 29 30 Europäische Meeresschutzpolitik North Sea Pilot Project The 5th North Sea Ministerial Conference (NSMC) invited OSPAR to develop and implement ten EcoQOs as a pilot project for the North Sea. The Netherlands and Norway coordinate the pilot project within OSPAR and several other North Sea countries contribute by developing individual EcoQOs. Other EcoQOs are under development. The results of this process have been reported to the NSMC in Göteborg, May 2006. OSPAR will continue with the development and implementation of the EcoQOs, the coming years, by applying adaptive management: learning by doing. The performance of the EcoQO framework will be evaluated in 2009. Example of an EcoQO Guillemots (Uria aalge) are birds that are sensitive for oil floating on the water surface. Oiled birds will almost certainly die and some of these are washed ashore. Hence they can be a good indicator for oil Address of lecturer: Peter Heslenfeld Ministry of Transport, Public Works and Water Management North Sea Directorate PO Box 5807 NL-2280 HV Rijswijk The Netherlands pollution. The target level of this EcoQO is a maximum of 10% of the dead or dying guillemots on the beach is polluted by oil. This message is easy to understand for the general public (the bird was killed by oil) and enlarges the awareness for implementing the Ecosystem Approach. Volunteers carry out monitoring by collecting dead guillemots on the shoreline. They use an international field manual to ensure consistency in monitoring data. The monitoring is done during six periods of one week in winter. Implementation costs are only a few thousand euros per year (consisting of travel expenses for volunteers and two days of work for a national coordinator). Future The European Union is developing the European Marine Strategy (EMS) aiming at promoting sustainable use of the seas and conserve marine ecosystems. The Ecosystem Approach is central to the EMS and the OSPAR EcoQO framework might serve as an example for regional implementation of the EMS. Europäische Meeresschutzpolitik Ergebnisse der Nordsee-Ministerkonferenz zu den Umweltauswirkungen von Schifffahrt und Fischerei Göteborg, 4. und 5. Mai 2006 - Themenbereich Fischerei Results of the North Sea Ministerial Meeting on the Environmental Impact of Shipping and Fisheries held at Göteborg, 4 and 5 May 2006 − Fisheries Issues Hans-Georg Neuhoff Zusammenfassung Summary Im Themenbereich Fischerei befasste sich die Ministerkonferenz mit acht Themenblöcken, die im Wesentlichen die Bergen-Deklaration (BD)* aus dem Jahre 2002 weiter entwickeln: The Ministerial Conference dealt with eight issues, essentially follow-ups to the 2002 Bergen Declaration (BD)* • Ökosystemansatz im Fischereimanagement als dem übergeordneten Leitprinzip des Fischereimanagements; • Umweltprüfung in der Fischerei die gewährleisten soll, dass die von der Fischerei betroffenen Ökosysteme nicht überfordert werden; • Marine Schutzgebiete und geschlossene Gebiete die einerseits die Flora und Fauna schützen und andererseits der Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Fischbeständen dienen sollen; • Reduzierung des Fischereidrucks als einer Voraussetzung für eine künftig nachhaltigere Fischerei; • Rückwürfe unerwünschter Fänge deren Reduzierung eine weitere Voraussetzung für eine nachhaltigere Fischerei ist; • Abfall auf See und Geisternetze als Bereiche, in denen Fischerei zur Verringerung der Belastung der Meere beitragen kann; • Marine Aquakultur die so auszugestalten ist, dass die Umweltbelastungen möglichst gering sind; • Fischereiaufsicht und Durchsetzung von Fischereiregelungen als Instrumente zur Gewährleistung der Einhaltung fischereilicher Vereinbarungen. • Ecosystem approach to fisheries management as the guiding principle of fisheries management; • Prior environmental assessments of fisheries to protect marine ecosystems affected from adverse fishing impacts; • Marine protected areas and closed areas to protect flora and fauna on the one hand, and preserve or restore fish stocks on the other hand; • Reduced fishing pressure as a prerequisite to future sustainable fisheries; • Discards of unwanted catch are to be minimised as another prerequisite to sustainable fisheries; • Marine litter and ghost fishing as issues where fisheries can contribute toward reducing marine environmental pollution; • Marine aquaculture which should be practiced with the least possible adverse environmental impacts; • Fisheries control and enforcement as instruments to ensure compliance with fisheries regulations. * Ministererklärung der Fünften Internationalen Konferenz zum Schutz der Nordsee, 20. - 21. März 2002, Bergen, Norwegen 31 32 Europäische Meeresschutzpolitik Im Einzelnen wurden unter diesen Themenblöcken die folgenden Hauptthemen angesprochen: (Paragraphen-Angaben beziehen sich auf die Fundstelle in der Göteborg-Deklaration bzw. mit dem Hinweis „BD“ auf Paragraphen der Bergen-Deklaration von 2002). Ökosystemansatz im Fischereimanagement • Entwicklung eines Ökosystem-basierten Plans für die Fischerei in der Nordsee bis 2010 (§ 2): Der Erhalt der vollen Funktionalität des Ökosystems bestimmt, in welchem Umfang die Produktivität des Ökosystems genutzt werden kann. Der von den zuständigen Gremien der EU sowie Norwegens und unter Einbeziehung der betroffenen Interessengruppen zu entwickelnde und möglichst umgehend umzusetzende Plan soll der weiteren Reduzierung schädlicher Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt der Nordsee dienen. Ein Problem, das in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden muss, ist die Änderung des Ökosystems auf Grund der klimabedingten Erwärmung. • Forschungsprojekte zur Schaffung der hierfür nötigen Management-Grundlagen (§ 3 & BD 20): Der Weg vom „total allowable catch“ für eine Zielart über einen Bewirtschaftungsansatz für mehrere Zielarten bis zu einem auf dem Ökosystem basierenden Fischereimanagement ist weit. Es bedarf noch erheblicher Forschung, bis alle Grundlagen für einen solchen Ökosystemansatz entwickelt worden sind und zum Einsatz gelangen. • Verbesserung von Geschirr und Methoden zur Verringerung negativer Auswirkungen auf die Meeresumwelt und des Beifangs (§ 3 & BD 25): Diese Forderung war bereits im Paragrafen 25 der Bergen-Deklaration angelegt und ist in der Göteborg-Deklaration lediglich dahingehend konkretisiert worden, dass es um die Minimierung der Störung des Meeresbodens und seiner Lebewesen sowie um die Minimierung des unbeabsichtigten Beifangs geht. • Säugetier-Beifang < 1% der höchsten Populationsabschätzung (§ 3 & BD 29): Gemäß der Bergen-Deklaration sollte der Beifang an Schweinswalen 1,7% der höchsten Populationsabschätzung nicht überschreiten. Die Göteborg-Deklaration enthält für den Schweinswal keine Sonder- bestimmung mehr, so dass dieser nun unter dem schärferen allgemein für Meeressäuger geltenden < 1%-Ziel mit berücksichtigt wird. • Warum nehmen Sandaal- und Stintdorsch-Populationen ab? Forschung und Reduzierung des Fischereidrucks (§ 5): Die Populationen von Sandaal und Stintdorsch in der Nordsee haben abgenommen, ohne dass genau bekannt wäre, woran das liegt. Die Ursachen sollen erforscht und diesen ggf. mit einer Reduzierung des Fischereidrucks begegnet werden. Umweltprüfung in der Fischerei • Entwicklung und Umsetzung von Raumplanung u. a. als Fischerei-Managementwerkzeug (§ 6): Mit der Entwicklung und Umsetzung einer Raumplanung sollen unter anderem Fischbestände geschützt werden können. Mit der jüngsten Novelle des Raumordnungsgesetzes wurden die Grundlagen für eine Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) geschaffen, was angesichts zukünftiger neuer konkurrierender Nutzungsarten auch notwendig ist. Traditionell wurden die Meere u. a. durch die Schifffahrt, die Fischerei und das Militär genutzt. Windparks sind als neue Nutzung zu berücksichtigen. Weitere Flächenansprüche bestehen im Naturschutz, da u. a. zum Schutz der biologischen Vielfalt rund 30 Prozent der Fläche in der deutschen AWZ in der Nordsee unter Schutz gestellt werden sollen und teilweise schon gestellt sind. • Umweltprüfung neuer Fischereien sowie strategische Umweltprüfung von Fischereiplänen und Fischereiprogrammen (§ 8): Zur Anwendung des Ökosystemansatzes ist es wichtig zu wissen, wie Fischereipläne und ‑programme sich auf das Ökosystem auswirken, das ja gleichzeitig Grundlage der Fischerei ist. Diese Maßnahme erfolgt auf freiwilliger Basis. • Erarbeitung von Leitlinien einer Umweltprüfung zur Abschätzung der Auswirkungen der Fischerei auf Ökosysteme bis 2010 (§8 ): Die hier geforderten Leitlinien sollen dazu dienen, die für die Fischerei spezifischen Anforderungen einer Umweltprüfung zu formulieren, um bei der Abschätzung der Auswirkungen der Fischerei auf die Ökosysteme zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen. Europäische Meeresschutzpolitik Marine Schutzgebiete und Geschlossene Gebiete soll bis 2007 auf seine Wirksamkeit untersucht und gegebenenfalls nachjustiert werden. • Einbeziehung der Fischereibehörden beim Management von Schutzgebieten (§ 9) sowie • Entwicklung eines Fischereimanagements für marine (Natur-)Schutzgebiete (§ 13): • Forschung zur Quantifizierung der Effizienz unterschiedlicher Fangflotten sowie zur Korrelation des Fischereiaufwands zur Fischereisterblichkeit (§ 16): Bis 2010 soll ein effektiv geführtes Netzwerk von Schutzgebieten im Rahmen des Helsinki-Übereinkommens und des OSPAR-Übereinkommens eingerichtet werden. Sofern es den Schutzzielen nicht zuwider läuft, kann in solchen Gebieten auch Fischerei ausgeübt werden. Deshalb sollen die Fischereibehörden in das Management einbezogen werden. Um welche Fischereien es sich dabei handeln kann, muss für jedes Schutzgebiet separat definiert werden, einschließlich des dort zulässigen Umfangs der Fischerei. • Ausweisung bis 2008 von geschlossenen Gebieten zur Bestandserholung sowie von temporär geschlossenen Jungfisch-Schutzgebieten als Management-Pilotprojekte (§ 11 & BD 31; § 12 & BD 23/24): Ausreichend große und genügend lange geschlossene Gebiete sollen bis 2008 zur Unterstützung des Wiederaufbaus erschöpfter Bestände eingerichtet werden. Ebenfalls bis 2008 soll die Möglichkeit der vorübergehenden Schließung eines Gebietes zum Schutz von Jungfischbeständen („real time closure“) untersucht werden. Reduzierung des Fischereidrucks • Regulierung des Fischereiaufwandes (derzeit beim Kabeljau) auch bei anderen Fischereien (z.B. Plattfisch) (§ 14): Der Fischereiertrag wird üblicherweise über die Quote und den „total allowable catch“ reguliert. Im Falle der erschöpften Kabeljaubestände der Nordsee wird – insbesondere im Fall von Überkapazitäten der Fangflotte – zusätzlich auf eine Beschränkung des Fischereiaufwandes durch eine Begrenzung der Fangtage zurückgegriffen. Dies soll gegebenenfalls auf andere Fischereien übertragen werden. • Evaluierung der Effizienz des Kabeljau-Wiederauffüllungsplans bis zum Jahre 2007 (§ 15): Der Kabeljau-Wiederauffüllungsplan ist auf fünf bis zehn Jahre angelegt, je nachdem wie die Erholung voranschreitet. Sein Ziel ist die Vergrößerung des Laicherbestandes um 30% pro Jahr. Das Programm Die Fängigkeit von Fischereigerät ist unterschiedlich, was bei einer Beschränkung des Fischereiaufwandes durch eine Begrenzung der Fangtage zu berücksichtigen ist. Von daher sind Erkenntnisse über die Effizienz von Fangflotten unterschiedlichen Typs unerlässlich. Rückwürfe unerwünschter Fänge • Untersuchung der Auswirkungen von Rückwurfverboten im Rahmen eines Pilotprojektes bis 2008 (§ 20): Die Auswirkungen des norwegischen Rückwurfverbotes sollen untersucht werden und bei Erfolg zu einer Ausweitung des Verbots führen. Ein solches Verbot könnte sich gegebenenfalls auf die Populationen von Sandaal und Stintdorsch günstig auswirken, weil dadurch der Umfang der so genannten „Industriefischerei“ verringert werden könnte. • Bericht über Möglichkeiten das „high-grading“ zu verbieten (fällig 2008) (§ 21 & BD 27): Beim „high-grading“ wird wirtschaftlich wenig lukrativer Fisch zu Gunsten eines wertvolleren Fangs zurückgeworfen, was der zurückgeworfene Fisch meist nicht überlebt und was mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung nicht vereinbar ist. • Erfassung von Fanggröße und -zusammensetzung sowie von Rückwürfen und Beifang als Eckwerte für den Ökosystemansatz (§ 18): Beobachterprogramme und Überwachung müssen funktionieren, um Bedingungen für Erholungsprogramme und deren Auswirkungen auf das Ökosystem bewerten zu können. Abfall auf See und Geisternetze • Anlandung aufgefischten Mülls als Beitrag zur Reduzierung der Müllbelastung der See sowie „fishing for litter“-Aktivitäten (§ 22): Beim Fischen geht nicht nur Fisch ins Netz sondern manches Mal auch Müll. Durch Anlandung dieses Mülls können Fischer dazu beitragen, die Meere 33 34 Europäische Meeresschutzpolitik sauber zu halten. Vorbedingung ist aber eine kostenlose Annahme des Mülls im Hafen. Hier sind somit die Küstenbundesländer bzw. deren Hafenbehörden gefordert. Das „fishing for litter“ ist eine Aktivität, die u. a. in den Niederlanden durchgeführt und mit Projektmitteln bzw. durch Sponsoren unterstützt wird. • Meldepflicht bei Verlust von Fanggeschirr (§ 23): sowie • Programm zur (elektronischen) Markierung bzw. Identifizierung von Fanggeschirr, um Bergung zu ermöglichen (§ 24): Die Fischerei kann durch den Verlust von Fanggeschirr zur Belastung des Meeres beitragen. Verlorene Netze können nämlich unter Umständen als „Geisternetze“ weiterhin fängig sein und sich somit auf besondere Weise nachteilig auf das Ökosystem auswirken. Dem soll durch die Meldepflicht bei Verlust begegnet werden. Die elektronische Markierung des Fanggeschirrs soll zudem das Wiederauffinden verlorenen Fanggeschirrs erleichtern. • Abschätzung der Auswirkungen von „Geisternetzen“ auf die Meeresumwelt (§ 25): Die Minister haben sich darauf verständigt, die ökologischen Auswirkungen von „Geisternetzen“ abschätzen zu lassen. Auch hierfür ist die Meldung des Verlusts von Fischereigeschirr eine Grundvoraussetzung. Marine Aquakultur Konsum verwendet, sondern zu Fischmehl verarbeitet werden. Wie oben ausgeführt, sind die Populationen dieser beiden Arten in der Nordsee rückläufig. Vor diesem Hintergrund würde die Entwicklung alternativen Futters auf Pflanzenbasis wie auch das oben bereits angesprochene Rückwurfverbot zur Erfüllung dieser beiden Forderungen beitragen. • Berücksichtigung des Schutzes von Wildbeständen bei der Platzierung von Lachs- und Kabeljau-Käfigen (§ 29): Wie bereits im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung für neue Aquakulturanlagen angesprochen, lässt es sich nicht immer vermeiden, dass Zuchttiere aus der Käfighaltung entkommen. Insofern sollte eine Nähe zu Wildpopulationen vermieden werden, um der genetischen Veränderung von Wildpopulationen durch Zuchttiere vorzubeugen. Fischereiaufsicht und Durchsetzung von Fischereiregelungen • Verbesserung der Fischereiaufsicht sowie bessere Vergleichbarkeit des Vorgehens (§ 31): Diese Forderung wird einerseits durch die neu geschaffene Europäische Fischereiaufsichtsagentur und andererseits auf nationaler Ebene umgesetzt werden müssen. • Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Neueinrichtungen mariner Aquakultur (§ 26): • Forderung, das Anlanden illegal gefischten Fischs durch Hafenstaat/Flaggenstaat-Maßnahmen zu unterbinden (§ 33): Die marine Aquakultur kann die Meeresumwelt belasten zum Beispiel durch Futter- und Medikamentenrückstände und Kot oder dadurch, dass Zuchtfische aus der Käfighaltung entkommen und sich mit der Wildpopulation vermischen. Solche potentiellen Belastungen müssen im Zusammenhang mit den Umweltbedingungen am geplanten Standort vor der Neueinrichtung einer marinen Aquakultur berücksichtigt werden, um deren Eignung oder Nichteignung ermitteln zu können. Diese Forderung ist insofern problematisch, als die vorhandenen juristischen Voraussetzungen in den Anrainerstaaten sehr unterschiedlich sind und diese Forderung daher von den Staaten nicht gleichförmig umgesetzt werden kann. So können Einlaufverbote für Fischereifahrzeuge, die illegal gefangenen Fisch anlanden wollen, nicht von allen Staaten ausgesprochen werden, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen. • Futterbedarf der Aquakultur darf nicht zur Überfischung von „Futterfisch“ führen (§ 27): sowie • Entwicklung alternativen Futters insbesondere auf Pflanzenbasis sowie auf Basis von Fischabfällen aus kommerziellen Anlandungen (§ 28): Das in der Aquakultur benutzte Futter basiert bislang weitgehend auf Fischarten wie dem Sandaal und dem Stintdorsch, die nicht für den direkten menschlichen • Maßnahmen, um Sanktionen vergleichbarer zu machen (§ 36): Bei diesen Maßnahmen geht es darum, dass die Strafverfolgungsbehörden der Anrainerstaaten sich über ihre jeweiligen Möglichkeiten austauschen. Dazu gehört, die jeweiligen Voraussetzungen für eine Strafverfolgung kennen zu lernen und sich andererseits über die Strafhöhen auszutauschen mit dem Ziel zu einem einheitlicheren Vorgehen bei Regelverstößen in der Fischerei zu kommen. Europäische Meeresschutzpolitik Der vollständige Text der Göteborg-Deklaration vom Mai 2006 steht derzeit nur in englischer Sprache zur Verfügung. Er kann von der Website www.sweden. gov.se/northseaconference als PDF-Datei heruntergeladen werden. Die an einigen Stellen ebenfalls zi- Anschrift des Verfassers: Dr. Hans-Georg Neuhoff Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Referat Meeresumweltschutz Robert-Schuman-Platz 3 53175 Bonn tierte Bergen-Deklaration vom März 2002 steht auf der Website www.regjeringen.no/nb/dep/md/dok/ rapporter_planer/rapporter/2002/T-1410-BergenDeclaration.html?id=420161 als PDF-Datei zur Verfügung. 35 Europäische Meeresschutzpolitik Ergebnisse der Nordsee-Ministerkonferenz zu den Umweltauswirkungen von Schifffahrt und Fischerei Göteborg, 4. und 5. Mai 2006 - Themenbereich Schifffahrt Results of the North Sea Ministerial Conference on Environmental Impacts of Shipping and Fisheries, Gothenburg, 4-5 May 2006 „Shipping“ part Monika Breuch-Moritz Zusammenfassung Der zweite Tag der Konferenz in Göteborg war der weiteren Verbesserung des Schutzes der Nordsee vor den Auswirkungen der Schifffahrt gewidmet. Erstmals waren daher auch die Verkehrsminister ausdrücklich zu einer Nordseeschutzkonferenz eingeladen worden. Deutschland wurde in diesem Teil durch die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Frau Karin Roth, vertreten. Die fachliche Vorbereitung wurde von Frau Petra Bethge (Referat LS 24) geleistet. Frau PSts´in Roth hob besonders hervor, dass die Seeschifffahrt nicht zu den Hauptverursachern der Verschmutzung der Meere gehöre und im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln in vielem eine deutlich bessere Umweltbilanz vorweisen könne. Dennoch sei es für eine moderne Verkehrspolitik selbstverständlich, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Belastungen für die Umwelt weiter zu reduzieren. Frau PSts´in Roth konnte durchsetzen, dass sich die Nordseeanrainerstaaten der deutschen Strategie zur Überarbeitung der internationalen Luftreinhaltevorschriften in MARPOL Anlage VI (insbesondere Senkung der Schwefel- und Stickoxidwerte) in der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) anschließen und diese dort unterstützen. Sie erreichte z.B., dass die Nordseeanrainer sich bei der IMO gemeinsam für eine Senkung der Stickoxid-Grenzwerte um mindestens 40 % einsetzen werden. Darüber hinaus lag der inhaltliche Schwerpunkt des Schifffahrtsteils auf dem so genannten „Clean Ship Concept“. Mit der Entwicklung von Anreizsystemen soll die Berücksichtigung von Umweltbelangen über den gesamten Lebenszyklus eines Schiffes und so auch der Einsatz besonders innovativer, umweltfreundlicher Technologien gefördert werden. Hervorzuheben ist, dass die vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der durch die Seeschifffahrt verursachten Umweltbeeinträchtigungen gemeinsam mit den anderen Nordseeanrainerstaaten in der IMO vorangebracht werden sollen und nicht auf regionaler Ebene. Nur dadurch können Vorschriften für die Schifffahrt weltweit verbindlich geregelt werden und alle Flaggenstaaten binden. Dies ist nicht nur für den Umweltschutz sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schifffahrt unerlässlich. Summary The second day of the Gothenburg Conference focused on better protection of the North Sea environment against the impacts of shipping. For the first time, therefore, the Ministers of Transport had been expressly invited to attend an international conference on the protection of the North Sea. In this part of the Conference, Germany was represented by Ms. Karin Roth, Parliamentary State Secretary at the Federal Ministry of Transport, Building and Urban Affairs (BMVBS). The technical conference preparations had been made by Ms. Petra Bethge (section LS 24). Parliamentary State Secretary Karin Roth emphasized that shipping was not the main source of marine pollution but, in comparison with other means of transport, had a clearly better environmental balance sheet in many respects. Nevertheless, within the framework of modern transport policy, all endeavours would of course be made to further reduce environmental pollution. 37 38 Europäische Meeresschutzpolitik Parliamentary State Secretary Karin Roth succeeded in convincing the North Sea states of the German approach in revising the international clean air regulations in MARPOL, Annex VI, especially with regard to the reduction of sulphur and NOx, and secured their support within the International Maritime Organization (IMO). For example, at IMO, all North Sea states will jointly vote for a reduction of NOx limit values by at least 40 %. Another focus of the „shipping“ part of the Conference was the „Clean Ship Concept“, which involves the development of incentives for the use of cleaner, Der zweite Tag der Konferenz in Göteborg war der weiteren Verbesserung des Schutzes der Nordsee vor den Auswirkungen der Schifffahrt (also dem „Ship������ ping“����������������������������������������������� -Teil) gewidmet. Erstmals waren daher auch die Verkehrsminister ausdrücklich zu einer Nordseeschutzkonferenz eingeladen worden. Die Vorbereitung wurde in einem eigenen Arbeitskreis – IGSS – in erster Linie von den Vertretern der Verkehrsressorts geleistet. Deutschland wurde in diesem Teil der Konferenz durch die Parlamentarische Staatssekretärin des innovative technologies throughout the working life of a vessel in order to improve its environmental performance. It should be noted that the agreed measures to reduce the environmental impacts of shipping will be implemented jointly with the other North Sea States within IMO, not on a regional level. This ensures that such regulations apply to shipping worldwide and are binding for all Flag States. This not only benefits the environment but is also indispensable to ensure the competitiveness of European shipping. Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Frau Karin Roth, vertreten. Die fachliche Vorbereitung hat Frau Petra Bethge (Referat LS 24) geleistet. Zu den Teilnehmern der Konferenz gehörte natürlich auch Prof. Dr. Peter Ehlers, Präsident des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Zunächst zu den Ergebnissen (dargestellt in Abb. 1) – einige aus dem Bereich der Schifffahrt wurden bereits erwähnt: Referat LS 24 M inisterkonferenz zum S chutz der N ordsee 4. -5. M ai 2006, G öteborg hier: - E rgebnisse S chifffahrt =„ships“ clean ship approach U m setzung des B allastw asserübereinkom m ens W artung von D oppelhüllentankern R egeln zum ship to ship transfer von Ö l Z usam m enarbeit bei Ü berw achung und V erfolgung von V erstöß en S chw erpunkt: Revision MARPOL VI – R eduktion der E m issionen aus M otoren => gem einsam e Initiative in der IM O ! 1 Abb. 1: Ergebnisse der Nordsee-Ministerkonferenz Europäische Meeresschutzpolitik Einen wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkt bildete das so genannte „Clean Ship Concept“. Mit der Entwicklung von Anreizsystemen soll die Berücksichtigung von Umweltbelangen über den gesamten Lebenszyklus eines Schiffes und so auch der Einsatz besonders innovativer, umweltfreundlicher Technologien gefördert werden. Dahinter steckt der Gedanke, dass ein Versender von Waren künftig die Möglichkeit haben soll, die umweltfreundlichste Transportart auswählen zu können. Manche Firmen praktizieren das bereits jetzt – IKEA ist bekannt dafür, aber auch BP macht Werbung mit besonders hohen Umweltanforderungen an ihre Öltransporte. Die Wirkung auf den Kunden ist ein Aspekt. Daneben gilt es jedoch, nach weiteren Methoden zu suchen, die wirtschaftliche Anreize für besonders umweltfreundliche Schiffe bieten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist: solche Anreizsysteme – von Vereinfachungen bei der Hafenstaatkontrolle angefangen bis hin zu gestaffelten Gebühren – müssen möglichst weltweit, mindestens aber für im Wettbewerb stehende Regionen abgestimmt, entwickelt und eingeführt werden, um einseitige Belastungen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Entsprechende Initiativen sollen gemeinsam in die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) eingebracht werden. Eine Arbeitsgruppe unter der Führung von Norwegen und den Niederlanden wird entsprechende umweltgerechte Kriterienkataloge entwickeln. Technisch ist Deutschland auf dem Gebiet des Umweltschutzes in der Schifffahrt ohnehin führend und deutsche Werften bauen Schiffe, die auch den künftigen Anforderungen gerecht werden können – sofern auch die Wettbewerbsseite angemessen berücksich­ tigt wird und keine einseitigen Belastungen z.B. nur auf deutsche Schiffe oder deutsche Häfen zukommen. Weitere Themen stehen mit dem Clean Ship Approach in direktem Zusammenhang: • Über die Ballastwasserkonvention werden wir morgen noch mehr hören. In der Göteborgkonferenz wurde u.a. vereinbart, die Entwicklung solcher neuen Technologien zu unterstützen, die geeignet sind, die hohen Anforderungen an die Qualität von Ballastwasser zu erfüllen. • Die Deklaration befasst sich außerdem mit Aussagen zur Vermeidung von Abfall, zur Verbesserung der Akzeptanz von Hafenauffanganlagen, zur Erweiterung des Übereinkommens zu TBT-haltigen Schiffsanstrichen auf weitere schädigende Chemikalien, zur Unfallverhütung und vielen anderen Themen, die alle in der IMO behandelt werden. • Ein weiterer wichtiger Aspekt wurde in einer eigenen Arbeitsgruppe vertieft: die Überwachung auf Verschmutzung und die Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Verstößen, insbesondere um das illegale Einleiten von Öl besser in den Griff zu bekommen. • Weitere Beschlüsse greifen die Problematik der Öltransporte auf: Nachdem das Ende der Einhüllentanker absehbar ist, muss man sich bewusst machen, dass Doppelhüllentanker nicht die Lösung aller Probleme sind. Deshalb besteht Einigkeit, dass neben einer intensiven Qualitätskontrolle von Einhüllentankern (so lange sie noch in Betrieb sind) auch eine gründliche Wartung von Doppelhüllentankern entwickelt werden muss. • Neue Probleme, die durch das Verbot der Einhüllen­ tanker in europäischen Gewässern verstärkt wurden, entstehen beim Umladen von Öl auf See außerhalb der Hoheitsgewässer von einem Schiff ins andere – „ship to ship transfer“ genannt. Auch hier bedarf es der Entwicklung und Verschärfung von Regelungen. Eine Bemerkung: manche Länder (z.B. Dänemark) machen durchaus lukrative Geschäfte damit. Den Hauptschwerpunkt der Konferenz und insbesondere unserer aktuellen Umweltpolitik in der Seeschifffahrt stellt aber die Reduktion der Emissionen durch Schiffe in die Luft dar. Durch die lange Lebensdauer und Fahrzeit von Schiffen sowie den Gebrauch von Schweröl in der Seeschifffahrt sind Maßnahmen zu Emissionssenkungen aus Schiffsmotoren erst im letzten Jahrzehnt wirksam geworden. Deutschland hatte hier eine wichtige Vorreiterrolle inne und setzte sich erfolgreich für eine erstmals weltweite Begrenzung des Schwefelgehaltes in Schiffstreibstoffen ein. An diesem Thema zeigt sich, dass die Arbeit in der IMO sehr erfolgreich sein kann. So ist die Anlage VI von MARPOL 2005 in Kraft getreten, und in der IMO besteht bereits Einigkeit darüber, diese Anlage weiter zu verschärfen. Im Zusammenhang damit wurde die Ostsee zum Schwefelüberwachungsgebiet (SECA- Sulphur Emission Control Area) erklärt. Dies ist seit Mai 2006 wirksam. Die Regeln für die SECA Nordsee werden 2007 in Kraft treten. Vor allem die Ostseeanrainer, aber auch die Nordseestaaten haben ein großes Interesse an der Senkung der Schwefelemissionen und Stickoxide. Dennoch gab es in Göteborg sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen den Ländern. Unsere Parlamentarische Staatssekretärin Frau Roth hat sich gerade für diesen Punkt in einem engagierten „Kampf“ eingesetzt und sich letztlich auch durchsetzen können. Wie mir von Teilnehmern berichtet wurde, hat sie in 39 40 Europäische Meeresschutzpolitik intensiven Einzelgesprächen mit allen anwesenden Ministern Überzeugungsarbeit geleistet und für anspruchsvollere Ziele geworben: So konnte Frau PSts´in Roth durchsetzen, dass sich die Nordseeanrainerstaaten der deutschen Strategie zur Überarbeitung der internationalen Luftreinhaltevorschriften in MARPOL Anlage VI (insbesondere Senkung der Schwefel- und Stickoxidwerte) in der IMO anschließen und diese dort unterstützen. Damit werden sich die Nordseeanrainer bei der IMO gemeinsam für eine Senkung der Stickoxid-Grenzwerte um mindestens 40 % einsetzen. Dieser Wert wurde zuvor insbesondere vom Vereinigten Königreich (UK) – aber auch von Frankreich und Belgien – abgelehnt. Die tatsächliche Einigung wurde bei der Abstimmung am zweiten Tag erreicht, als sich dann auch die genannten Staaten schließlich fast „genö­ tigt“ sahen, zuzustimmen. Ich habe schon mehrfach betont, dass die vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der durch die Seeschifffahrt verursachten Umweltbeeinträchtigungen gemeinsam mit den anderen Nordseeanrainerstaaten in der IMO vorangebracht werden sollen und nicht auf regionaler Ebene. Der Grund ist: nur dadurch können Vorschriften für die Schifffahrt weltweit verbindlich geregelt und alle Flaggenstaaten eingebunden werden. Dies ist nicht nur für den Um- weltschutz, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schifffahrt unerlässlich. Ohne Bindung der Flaggenstaaten aus anderen Regionen können auch keine Fortschritte für die Umwelt erzielt werden. Die Bevorzugung der IMO ist keine Europafeindlichkeit sondern die Konsequenz aus der Tatsache, dass Schiffe weltweit fahren und Schiffe aller Nationen bzw. Flaggenstaaten auch zu uns kommen. Auf Seeschiffe zu verzichten ist undenkbar – gerade Deutschland als Exportweltmeister ist für den Erhalt seiner Wirtschaft notwendig auf dieses Transportmittel angewiesen. Erst seit den Unfällen von Erika und Prestige hat die EU die Schifffahrt „entdeckt“ – und in einigen Fällen drängt sich eher der Eindruck auf, dass einige Staaten großes Interesse daran hatten, aus innenpolitischen Gründen durch pressewirksame Aktivitäten von ihrer eigenen Verantwortung im Zusammenhang mit diesen Unfällen abzulenken (z.B. durfte die Prestige nicht einlaufen sondern wurde – entgegen dem Rat des Kapitäns und aller Experten – aufs Meer geschleppt, mit den bekannten Folgen). Seither erarbeitet die EU-Kommission immer wieder neue Richtlinien oder Verordnungen, oft zu Themen, die in der IMO oder in anderen Gremien bereits behandelt werden, und erzeugt damit Doppelarbeit. Referat LS 24 Begrenzung der Emissionen aus Motoren von Schiffen MARPOL VI – Regelungen in IMO: In Krafttreten MARPOL VI EU Ziele von Göteborg für Revision Anlage VI und NOx Techn. Code Schwefel in Schiffskraftstoffen weltweit < 4,5 % m/m 19. 05. 2005 = im S chw efelüberw achungsgebiet - O stsee: < 1,5 % m /m 19. 05. 2006 11. 08. 2006 V erschärfung - N ordsee: < 1,5 % m /m 22. 11. 2007 11. 08. 2007 „ Grenzwert für Stickoxide 19. 05. 2005 = V erbot von O zonschichtschädigenden S ubstanzen (C F C ´s und H alone) 19. 05. 2005 = - w eitere V erschärfung - w eitere S E C A s (Ü berw achung durch IM O ) S enkung um m ind. 40% .. V erschärfung w eitere S enkung in H äfen EU-Schwefelemissionsrili: B egrenzung der S chw efelem issionen von S chiffen in H äfen < 0. 1% m /m 01. 01. 2010 Abb. 2: MARPOL VI 2 Europäische Meeresschutzpolitik Aus Abbildung 2 wird deutlich: bei der Änderung der Schwefelemissionsrichtlinie hat die EU u.a. die Inkrafttretenszeiten für die Schwefelüberwachungsgebiete noch einmal geregelt – mit von IMO-Beschlüssen abweichenden Zeiten – die nur die Umsetzung erschweren. Eine Bemerkung: anders als die Fischerei, die im Wesentlichen in EU-Kompetenz fällt, steht die Schifffahrt im direkten Wettbewerb mit Flaggen aus DritteWelt-Ländern oder muss auch Vorgaben aus Häfen in Ostasien berücksichtigen. Dennoch wurde die Fischerei in der EU selbst bei der Entwicklung der EUMeeresschutzstrategie praktisch ausgeklammert. Warum IMO? IMO-Übereinkommen orientieren sich an der Machbarkeit. Dort sind Praktiker und Fachleute aus allen relevanten Bereichen von Anfang an eingebunden, die auch die praktische Umsetzbarkeit zum Ziel haben. Dadurch werden diese Übereinkommen später von fast allen Ländern gezeichnet und treten in Kraft. So ist selbst bei kleineren Schritten weltweit oft ein größerer realer Fortschritt – gerade auch für die Umwelt - erreicht, als überaus anspruchsvolle Übereinkommen (siehe Umwelthaftung u.ä.), die aber in der Schublade liegen bleiben und so gar nichts verbessern. In der EU werden die Verhandlungen oft unter ungeheurem Zeitdruck von Regierungsvertretern oder Botschaftsangehörigen geführt, die nicht so tief im Thema stecken können – die Ergebnisse sind dann entsprechend. Auch werden von EU-Regelungen nur europäische Flaggenstaaten gebunden – die Gefahr der Ausflaggung ist jederzeit gegeben. Ein praktischer Vorteil in der IMO ist darüber hinaus: es werden direkt die Interessen zwischen Schifffahrt und Umwelt ausbalanciert – bei der EU kommt es dagegen oft zu „Paketlösungen“, in Gegengeschäften werden u. U. wichtige Umweltanliegen gegen Zugeständnisse in völlig anderen Politikfeldern ausgespielt. Und noch ein Punkt: Die EU-Kommission verfolgt oft Eigeninteressen, z.B. um bestimmte Kompetenzen an sich zu ziehen. So hat die EU-Kommission bereits mehrfach nachweislich Umweltfortschritte behindert und wichtige, Erfolg versprechende Submissionen an die IMO von EU-Mitgliedstaaten mit Drittstaaten unterbunden, da die Kommission die Kompetenz für das Thema reklamieren wollte. In der IMO gibt es keine eigenen derartigen Gremien, dort verhandeln ausschließlich die Mitgliedstaaten. Diese Blockbildung der EU-Staaten wird von anderen Mitgliedstaaten der IMO daher mit Irritation beobachtet und führt zunehmend dazu, dass es auch zu anderen Blockbildungen kommt, die gegen die EU-Staaten gerichtet sind. Dies ist ein weiterer Hemmschuh auf dem Weg zu besseren international gültigen Vorschriften. Die Verlagerung der Umweltprobleme – z.B. in andere Regionen – sollte nicht unser Ziel sein. Dieses Anliegen gilt auch für die Wahl der Verkehrsmittel: Verkehr wird nie ohne Auswirkungen auf die Umwelt stattfinden können. Es muss also um die Minimierung negativer Auswirkungen gehen. Daher muss die Frage nach den Alternativen gestellt werden: Referat LS 24 CO2 - Emissionen der Verkehrsträger ⇒ Geringster Treibhausgasausstoß bei der Seeschífffahrt (gemessen an Ladung und Strecke) Containerschiff (4.800 TEU) 0,119 Hapag-Lloyd Barge / Feeder (400 TEU) Rail (80 TEU) (kg/TEU/km) TEU =Twenty Feet equivalent Unit 0,477 0,673 2,296 Truck (2 TEU) Quelle: Institut für Energie und Umwelt (IFEU), Heidelberg 2002 6 Abb. 3: Co2-Emissionen verschiedener Verkehrsträger 41 42 Europäische Meeresschutzpolitik Abbildung 3 zeigt beispielhaft, dass die Seeschifffahrt gemessen am Transportaufkommen deutlich geringere CO2-Emissionen zu verzeichnen hat, als andere Verkehrsträger. Die Seeschifffahrt zu verteufeln oder deutlich zu erschweren, kann zu Umgehungstrategien führen, die am Ende in der Summe eine größere Verschmutzung zur Folge haben könnten. Dies ist ein Punkt, der auch unserer Staatssekretärin in Göteborg wichtig war: Frau PSts´in Roth hob besonders hervor, dass die Seeschifffahrt nicht zu den Hauptverursachern der Verschmutzung der Meere gehöre und im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln in vielem eine deutlich bessere Umweltbilanz vorweisen könne. Dennoch ist es für die Verkehrspolitik der Bundesregierung selbstverständlich, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Belastungen für die Umwelt weiter zu reduzieren – und dieses tun wir auch. Regelungen sind vorhanden oder auf gutem Weg, es gibt Vorschriften für die Kontrolle zur Einhaltung der Regeln, die Verfolgung und Ahndung von Verstößen, Haftung und Wiedergutmachungsfonds, die laufend weiter entwickelt werden. Ich bitte aber auch um Verständnis, wenn nicht alle noch existierenden Probleme auf einmal gelöst werden können und die praktische Umsetzbarkeit in der Wirtschaft und nicht zuletzt in den Verwaltungen mit berücksichtigt werden muss. Zum Abschluss möchte ich mit der Karte des Gebietes der Nordseeschutzkonferenz zeigen, dass außer den Meeresgebieten auch die Einzugsgebiete der Flüsse, die Material in die Nordsee transportieren, eine wichtige Rolle spielen. Und diese landseitigen Eintragungen – aus Landwirtschaft, Siedlungen und Industrie – sind unbestritten noch immer die Hauptverursacher der meisten Meeresverschmutzungen – nicht die Schifffahrt. Abb. 4: Karte des Nordseeschutzgebietes Anschrift der Verfasserin: Monika Breuch-Moritz Referatsleiterin im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Referat WS 24 Robert-Schuman-Platz 1 53175 Bonn Marine Raumplanung und IKZM Marine Raumplanung und IKZM Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) Spatial planning in the German Exclusive Economic Zone (EEZ) Ludger Molitor Zusammenfassung Summary Die in jüngster Zeit stark gestiegene Nutzungsvielfalt des Meeresraumes mit ihren jeweiligen Ansprüchen erhöht den Druck auf die Meere und Küstenräume und führt zu häufigen Nutzungskonflikten, insbesondere auch mit Natur- und Umweltanliegen. Zur Lösung der Nutzungskonflikte ist die Raumordnung ein geeignetes Instrument. Mit der Raumordnung erfolgt eine abwägende und vorausschauende Planung und Lenkung der verschiedenen Nutzungsinteressen mit dem Ziel, Konflikte frühzeitig zu erkennen und sie koordiniert einer nachhaltigen Lösung zuzuführen. Im Rahmen eines transparenten Abwägungsprozesses wird allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, ihre Ansprüche und Vorstellungen in den Planungsprozess einzubringen. There has been a strong increase in marine uses in the recent past, and the different demands made on the marine environment are putting pressure on the oceans and coastal waters, which leads to frequent conflicts of use, primarily with nature conservation and environmental interests. Spatial planning is a suitable tool for solving such conflicts of use. It balances and controls the different interests in order to identify possible conflicts at an early stage, and coordinates them to find a sustainable solution. Within the framework of a transparent planning process, all stakeholders have an opportunity to present their concepts and express their claims. Mit der im Juli 2004 in Kraft getretenen Novellierung des Raumordnungsgesetzes wurde dessen Anwendungsbereich auf die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) ausgedehnt und dem Bund erstmals die Aufgabe übertragen, einen Raumordnungsplan aufzustellen. In einem solchen Plan werden Ziele und Grundsätze der Raumordnung einschließlich Gebiete für einzelne Nutzungen festgelegt, die gesetzliche Bindungswirkungen für nachfolgende Projekte entfalten. Dies bietet potentiellen Investoren Planungssicherheit. Nach dem Raumordnungsgesetz erfolgt die Raumplanung in der AWZ durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Die vorbereitenden Verfahrensschritte werden vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit Zustimmung des BMVBS durchgeführt. Wenn man an der Küste steht und der Blick das Meer bis zum Horizont erfasst, wirkt alles so unberührt, unversehrt. Nicht ohne Grund verbinden wir mit den Meeren das Gefühl der Freiheit. Doch diese grenzenlose Weite täuscht. Wenn man sich das Meer genauer The amendment to the Spatial Planning Act, which entered into force in July, 2004, extended its range of application to the Exclusive Economic Zone and required the Federal Government, for the first time, to develop a spatial plan. A spatial plan defines the goals and principles of spatial planning and specifies areas for the different planned uses, which are legally binding for later projects. It provides planning security to potential investors. Under the Spatial Planning Act, spatial planning in the EEZ is subject to an ordinance of the Federal Ministry of Transport, Building and Urban Affairs. Preparations for the procedure are made by Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), with consent of the ministry. ansieht, stellt man schnell fest, wie intensiv die Seegebiete vor den Küsten (Küstenmeer und AWZ) genutzt werden. Lässt man die abgebildeten Karten des ­CONTIS-Informationssystems auf sich wirken, dann ist von Weite und Unberührbarkeit keine Rede mehr. 45 Abb. 1: Nordsee: sämtliche Nutzungen und Schutzgebiete Quelle: CONTIS-Informationssystem 46 Marine Raumplanung und IKZM Abb. 2: Ostsee: sämtliche Nutzungen und Schutzgebiete Quelle: CONTIS-Informationssystem Marine Raumplanung und IKZM 47 48 Marine Raumplanung und IKZM Sehr schnell wird klar, dass es sich bei Nord- und Ostsee um einen Wirtschaftsraum handelt. Und dieser Wirtschaftsraum befindet sich in einer immer schneller werdenden Nutzungsentwicklung. In einem anfangs kaum bemerkten, gegenwärtig aber ganz deutlich werdenden Prozess haben sich die klassischen Nutzungen wie Schifffahrt und Fischfang mehr und mehr intensiviert, und neue Nutzungen sind hinzugetreten: Prospektion von Erdöl und Erdgas, Transportleistungen für diese Produkte, Glasfaserkabel für Telekommunikation, Stromkabel zum Transport elektrischer Energie, Abbau von Sanden und Kies, Verklappung von Schlick aus Fahrrinnen und Häfen, militärische Übungsgebiete, Nationalparke, Naturschutzgebiete und Natura2000Schutzgebiete, Offshore-Windenergieanlagen. Und es wird weitergehen mit submarinen Turbinen zur Stromerzeugung aus Gezeitenströmungen, Marikulturen, künstlichen Inseln für Fabriken z.B. zur Wasserstoffproduktion und touristischen Nutzungen. Damit einher geht die immer stärkere Verflechtung des terrestrischen und des marinen Raumes. Beispiel hierfür ist die Stromgewinnung auf dem Meer. Die Offshore-Windparks in der AWZ leiten Ihren produzierten Strom durch die AWZ und das Küstenmeer zu den Netzeinspeisungspunkten des Höchst- oder Hochspannungsnetzes an Land. Um den Transport zu den Verbrauchern zu gewährleisten, reichen die bestehenden Freileitungen nicht mehr aus. Die Erweiterung ist schon beantragt worden. Die unterschiedlichsten Nutzungs- und Schutzinteressen stehen oft zueinander in Konkurrenz oder schließen sich sogar aus. Fast alle Nutzungen sind raumbezogen, d.h. es bedarf der Entscheidung, welchen Nutzungsformen und welchen Interessen für ein bestimmtes Gebiet der Vorzug zu geben ist. Bislang fehlte es an übergreifenden, integrierenden Planungs- und Entscheidungsansätzen. Alle traditionellen Nutzungen im Meer wie Schifffahrt, Fischerei, Deponiegebiete, bergbauliche Nutzungen und militärische Übungsgebiete konnten in den zurückliegende Jahrzehnten nach sektoralen Fachplanungsgesetzen und Verordnungen geregelt werden. Auch nach der bisherigen Rechtslage der Seeanlagen-Verordnung ist nur eine sektorale Abwägung der beantragten Errichtung von Anlagen in der AWZ mit den Interessen der Schifffahrt und der Umwelt möglich, so dass Genehmigungen erteilt werden müssen, soweit diesbezüglich keine Versagungsgründe vorlagen. Andere Nutzungsinteressen, z.B. für wirtschaftliche oder Forschungszwecke, blieben bislang unberücksichtigt. Nach allem dürfte klar sein, dass die zunehmenden Nutzungen in der AWZ durch eine umfassende abwägende und vorausschauende Planung und Lenkung koordiniert und einer an Nachhaltigkeit orientierten Lösung zugeführt werden müssen. Aus diesem Grund bedarf die Entwicklung der ausschließlichen Wirtschaftszone einer integrativen Betrachtungsweise. Dieses kann durch die Raumordnung geleistet werden. Denn gerade das Raumordnungsgesetz hat mit seiner Novellierung 1998 das Nachhaltigkeitsprinzip zur übergeordneten Leitvorstellung erhoben. Damit war es umso verständlicher, dass der Ruf und die Forderung nach einer marinen Raumplanung immer größer wurde. Initiiert durch die Ministerkonferenz für Raumordnung im Jahr 2001 haben sich die Bundesregierung sowie die Landesregierungen geeinigt, auch für den Meeresbereich Raumordnungspläne aufzustellen. Bevor ich nun auf die konkrete Raumplanung in der AWZ komme, möchte ich Ihnen zunächst zum besseren Verständnis einige allgemeine Ausführungen machen, wie die Raumordnung die Nutzung und die Entwicklung des Raumes steuert. Im deutschen Rechtssystem hat die Raumordnung die Stellung einer übergeordneten Rechtsmaterie. Sie hat Auswirkungen auf die Fachplanungen der Bauleitplanung, der Verkehrsinfrastruktur, der Umwelt etc., ohne jedoch selbst Teil dieser Fachplanungen zu sein. Mit der Raumordnung erfolgt eine abwägende und vorausschauende Planung und Lenkung der vielfältigen Nutzungsinteressen mit dem Ziel, Konflikte frühzeitig zu erkennen und sie koordiniert einer nachhaltigen Lösung zuzuführen. Dabei werden alle, aber insbesondere die wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang gebracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Raumentwicklung sich vor allem an ökologischen Zielen zu orientieren hat. Der Schutz und die Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen stehen gleichwertig neben der Aufgabe der Raumordnung, die Standortvoraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Umgesetzt wird dies mittels Aufstellung zusammenfassender, übergeordneter Raumordnungspläne und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen. Die Raumordnungspläne dienen der Konkretisierung von allgemeinen Grundsätzen zur Ordnung des Raumes; in ihnen werden einzelne Ziele und Grundsätze der Raumordnung für ein bestimmtes Gebiet konkret festgelegt. Die Rechtswirkungen dieser Festlegungen verhelfen Marine Raumplanung und IKZM der Raumordnung letztendlich zu ihrer Bedeutung in der Praxis: Denn die in einem Plan festgelegten Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind bei nachfolgenden raumbedeutsamen Projekten zu berücksichtigen; zum Teil sind sie für diese sogar strikt bindend. Mit anderen Worten: Wird später ein konkretes Projekt beantragt, so muss die Zulassungsbehörde den Antrag ablehnen, wenn die Festlegungen im Raumordnungsplan entgegenstehen. Auf diese Weise kann die Raumordnung die Entwicklung des Raums nachhaltig steuern; die Raumordnung hat also in Deutschland für die einzelnen Fachplanungen und ihre konkreten Projekte nicht nur einen empfehlenden, sondern einen rechtlich verbindlichen Steuerungscharakter. Diese Steuerung kann die Raumordnung unter anderem deswegen erfolgreich umsetzen, weil sie aus ihrer – den einzelnen Fachplanungen übergeordneter – neutralen Position heraus gerade auch bei Konflikten zwischen zwei fachplanerischen Nutzungsansprüchen frühzeitig vermittelnd und akzeptanzfördernd wirken kann. Die Raumordnungspläne für das gesamte Bundesgebiet beinhalten Ziel- und Grundsatzaussagen einschließlich konkreter Gebietsfestlegungen für einzelne Nutzungen. Diese raumordnerischen Festlegungen können sehr vielgestaltig sein und verschiedene Rechtsfolgen haben. Die Bandbreite reicht von allgemeinen Aussagen (z. B., dass der Verkehr umweltverträglich, also emissions-minimiert zu erfolgen hat) bis hin zu konkreten Festlegungen, dass einzelne Nutzungen in bestimmten Gebieten ausgeschlossen werden, oder dass sie nur in konkret benannten Gebieten stattfinden dürfen. Des Weiteren können auch Gebiete von Planfestlegungen bewusst freigehalten werden, um eine flexible Entwicklung des Raums zugunsten zukünftiger, heute noch nicht konkretisierter Nutzungen zu sichern. Auf Grund des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland obliegt die Raumordnung im Küstenmeer den deutschen Bundesländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Im Küstenmeer existieren zum Teil schon Raumordnungspläne, zum Teil werden sie zurzeit aufgestellt. In der AWZ wurde mit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes im Rahmen des EAG-Bau vom Juli 2004 die Rechtsgrundlage für eine Raumordnung des Bundes in der deutschen AWZ geschaffen. Mit dem neuen § 18a ROG wurde der Anwendungsbereich des Raumordnungsgesetzes auf die AWZ ausgedehnt. Dieses konnte nur durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgen, da die AWZ nicht wie das Küstenmeer zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zählt. Ermöglicht wurde diese Ausdehnung durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das dem einzelnen Staat das Recht gibt, den Geltungsbereich nationaler Gesetze auf das exterritoriale Gebiet der AWZ auszudehnen. Weiterhin ermöglicht das SRÜ den Anrainerstaaten unter Beachtung der Freiheit der Meere, also insbesondere die Nutzung für die freie Schifffahrt, die AWZ für wirtschaftliche Nutzung und Ausbeutung in Anspruch zu nehmen. Deshalb schreibt das Raumordnungsgesetz vor, dass im Bereich der AWZ die Raumordnung innerhalb des Rahmens des Seevölkerrechts erfolgt. Festzulegende Ziele und Grundsätze müssen sich danach auf die wirtschaftliche und wissenschaftliche Nutzung, auf die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie auf den Schutz der Meeresumwelt beziehen. Konkret bedeutet dies, dass die internationale Schifffahrt sowie die Verlegung von Rohrleitungen durch eine nationale Raumordnung nicht eingeschränkt werden können. Deshalb können zum Beispiel die Hauptschifffahrtsrouten von der Raumordnung nicht mit anderen Nutzungen über­ plant werden. Konkrete Gebietsfestlegungen z.B. für das Militär sind dagegen nicht möglich. Im Raumordnungsplan der AWZ kann der Bund genauso wie die Länder in ihren Raumordnungsplänen an Land verschiedene Gebietstypen festlegen, nämlich Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete. Danach können Gebiete der AWZ als Vorranggebiete bezeichnet werden, die für bestimmte Nutzungen vorgesehen sind und andere, dem entgegenstehende Nutzungen ausschließen. Die Festlegung eines Gebietes als Vorbehaltsgebiet bedeutet, dass bestimmten Nutzungen bei der Abwägung mit anderen Nutzungen in diesem Gebiet ein besonderes Gewicht beigemessen werden soll. Mit der Festlegung von Eignungsgebieten soll eine Nutzung auf diese Gebiete beschränkt werden und an anderer Stelle ausgeschlossen sein. Auch wenn die Festlegung von Vorrang-, Vorbehaltsund Eignungsgebieten für bestimmte Nutzungen Bindungswirkungen auf Zulassungsverfahren haben kann, ist jedoch noch keine unmittelbare Entscheidung über die Zulassung von konkreten Projekten, Vorhaben oder Maßnahmen getroffen worden. Diese Entscheidung ergeht in den Genehmigungsverfahren auf der Grundlage des jeweiligen Fachrechts (z.B. Bundesberggesetz, Seeanlagenverordnung), im Rahmen derer weitergehende Prüfungen, z.B. hinsichtlich der Umweltverträglichkeit, erforderlich werden können. 49 50 Marine Raumplanung und IKZM Aber schon auf Planungsebene ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Nach dem geänderten Raumordnungsgesetz ist bei der Aufstellung der Raumordnungsplanung eine Umweltprüfung durchzuführen. Mit der Einführung einer förmlichen Umweltprüfung wird die „Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme“ (2001/42/EG) umgesetzt. Diese stellt europaweit einheitliche Standards hinsichtlich Verfahren und Inhalt einer in die Planaufstellung integrierten Umweltprüfung auf. Dabei ist den öffentlichen Stellen und der Öffentlichkeit frühzeitig und effektiv Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf des Raumordnungsplans und seiner Begründung sowie zum Umweltbericht zu geben. In die Begründung zum Raumordnungsplan ist eine zusammenfassende Erklärung aufzunehmen, wie Umwelterwägungen, der Umweltbericht und wie die abgegebenen Stellungnahmen im Plan berücksichtigt wurden. Die vorbereitenden Verfahrensschritte zur Aufstellung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone, insbesondere die Umweltprüfung und die Öffentlichkeitsbeteiligung, werden vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in enger Abstimmung mit dem BMVBS durchgeführt. Das BSH hat in den vergangenen Jahren bei der Bearbeitung von Zulassungsverfahren für Pipelines, Windenergieanlagen sowie Strom- und Telekommunikationskabel große Erfahrungen bei der Durchführung von raumbedeutsamen Verfahren sammeln können. Auch die vom BSH zusammen mit dem BMVBS und dem BMU abgestimmten Verfahren zur Festlegung von besonderen Eignungsgebieten für Windkraftanlagen enthielten erste Elemente planerischer Gestaltung und können für die Raumplanung in der AWZ nutzbar gemacht werden. Die Raumplanung in der AWZ erfolgt durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesministerien. Im Einzelnen werden nach Ermittlung der einzelnen Nutzungsansprüche an die AWZ unter Beteiligung von sachverständigen Personen und Stellen Ziele und Grundsätze der Raumordnung aufgestellt, einschließlich der Festlegung von Gebieten für einzelne Nutzungen. Das Verfahren beinhaltet die Beteiligung öffentlicher Stellen, der Öffentlichkeit, der Bundesländer sowie der Anrainerstaaten. Die auf Grundlage der Seeanlagenverordnung bis zum 31. Dezember 2005 festgelegten besonderen Eignungsgebiete für Windkraftanlagen haben auch unter dem geplanten Raumordnungsregime in der AWZ Bestand. Sie sind in den Raumordnungsplan als Ziel der Raumordnung zu übernehmen und als Vorranggebiete festzulegen. Dies gibt den Investoren in die OffshoreWindenergie die notwendige Planungssicherheit. Um den Festlegungen des Raumordnungsplanes für die AWZ bei der Genehmigung von Anlagen in der AWZ Geltung zu verschaffen, wird im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung maritimer Vorschriften eine so genannte Raumordnungsklausel in die Seeanlagenverordnung eingefügt. Diese hat den Inhalt, dass bei der Genehmigung von konkreten Projekten und Anlagen in der AWZ Ziele der Raumordnung zu beachten und Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen sind. Anfang 2005 fragten wir bei den potentiell in ihren Belangen berührten Stellen (inkl. derjenigen der Anrainerstaaten Niederlande, Großbritannien, Dänemark, Schweden und Polen) die bestehenden und geplanten Nutzungen in der AWZ und in den angrenzenden Gebieten ab und fertigten daraufhin Karten, in denen diese bestehenden und geplanten Nutzungen aufgenommen wurden. Danach erfolgten bilaterale Abstimmungsgespräche mit den für die Schifffahrt, die Umwelt, die Windenergiegewinnung und den Meeresbergbau zuständigen Behörden. Auf Grund der danach vorliegenden Kenntnisse kamen wir überein, die tatsächlichen Hauptschifffahrtsrouten als (unantastbares) Gerüst in Form von Vorranggebieten bei der Standortsuche nach Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für andere Nutzungen zugrunde zu legen. Nach jetziger Kenntnislage sind Konflikte bei den einzelnen Nutzungsansprüchen hauptsächlich zwischen den Interessen der Windenergiegewinnung und des Meeresumweltschutzes zu erwarten. Für die Umweltprüfung wird begleitend zur Erstellung des Raumordnungsplans der Umweltbericht erarbeitet, welcher den Zustand des Meeres beschreibt und die voraussichtlichen Auswirkungen der Nutzungsfestlegungen im Raumordnungsplan ermittelt und bewertet. Der Untersuchungsrahmen des Umweltberichts wurde im Frühjahr 2005 unter Beteiligung der in ihren Belangen berührten Behörden, der Umweltschutzverbände sowie der interessierten Öffentlichkeit festgelegt (Scoping). Zurzeit werden der Entwurf des Raumordnungsplans sowie der Umweltbericht erarbeitet. Zu dem fertig gestellten Entwurf des Raumordnungsplans sowie zum Umweltbericht wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres ein umfassendes Beteiligungs- Marine Raumplanung und IKZM verfahren stattfinden. In diesem Zuge bekommen sämtliche Behörden einschließlich derjenigen der Anrainerstaaten Gelegenheit, zu der Raumplanung Stellung zu nehmen. Ebenso wird ein Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren durchgeführt, in dem Nichtregierungsorganisationen, Natur- und Umweltschutzverbände, potentielle private Investoren in Projekte auf See sowie interessierte Bürger Stellung nehmen können. Unter Berücksichtigung aller eingegangenen Stellungnahmen werden wir im Anschluss an das Beteiligungsverfahren eine umfassende, abschließende Gesamtabwägung aller berührten Interessen und Belange vornehmen und den endgültigen Raumordnungsplan mit seinen Ziel-, Grundsatz- und Gebietsfestlegungen entwickeln. Dieser soll im Jahr 2007 in Kraft treten. Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zum Inhalt des Raumordnungsplans in der AWZ in Bezug auf den Meeresumweltschutz sagen. Obwohl endgültige Entscheidungen noch nicht getroffen sind, kann man aber schon jetzt sagen, dass der Raumordnungsplan umfassende Festlegungen zugunsten der Meeresum- Anschrift des Verfassers: Ludger Molitor Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Invalidenstr. 44 10115 Berlin welt enthalten wird. Diese werden – entsprechend der jeweiligen Kennzeichnung – entweder die Rechtsqualität von Zielen oder von Grundsätzen der Raumordnung haben; sie werden daher bei nachfolgenden Projektplanungen zu beachten bzw. zu berücksichtigen sein. Festlegungen zugunsten des Meeresumweltschutzes sollen in erster Linie durch Nebenbestimmungen bei raumplanerischen Festlegungen für andere Nutzungen erfolgen. Dies entspricht dem quellenbezogenen Ansatz, den das SRÜ und auch das ROG verfolgen. Raumordnerische Gebietsausweisungen kommen beim Meeresumweltschutz wie auch bei allen anderen Nutzungen nur dort in Betracht, • wo nicht nur aus fachlicher sondern auch aus raumordnerischer Sicht die Notwendigkeit für eine Ausweisung besteht • wo zur Entwicklung des Raumes die Gebietsausweisung einen Mehrwert zu bestehenden fachplanerischen Festlegungen hat und • wo die raumordnerische Ausweisung eindeutig auf fachliche Grundlagen gestützt werden kann. 51 Marine Raumplanung und IKZM Naturschutz im Rahmen der Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Nature conservation within the framework of spatial planning in the EEZ Torsten Wilke Zusammenfassung Summary Mit der Aufnahme von § 18 a in das Raumordnungsgesetz (ROG) durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24.06.2004 ist dem Bund die Aufgabe übertragen worden, eine Raumordnung für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) zu entwickeln. By the inclusion of Art. 18a into the Federal Regional Planning Act based on the “EAG-Bau” Act of 24 June 2006, the Federal Government was assigned the task of developing a spatial plan for the German Exclusive Economic Zone (EEZ). Im Zuge des ersten Verfahrensschrittes zur Aufstellung dieser Raumordnung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) waren das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) sowie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefordert, ihre Ansprüche und Anforderungen an die Raumordnung zu übermitteln. Der Beitrag gibt die wichtigsten Ansprüche und wesentlichen Inhalte wieder, die das BfN in einem so genannten naturschutzfachlichen Planungsbeitrag aufbereitet und in das Verfahren eingespeist hat. Entsprechend dem derzeitigen Kenntnisstand in der AWZ umfasst der Planungsbeitrag die Belange des Naturschutzes von der Ebene eines Leitbildes bis hin zu konkreten Hinweisen auf Bereiche von besonderer Bedeutung und Anforderungen, wie diese mit Hilfe des raumordnerischen Instrumentariums gesichert werden sollen. Der vollständige Planungsbeitrag des BfN ist einsehbar unter: www.habitatmare.de/de/downloads/Planungsbeitrag_zur_Raumordnung_AWZ_2006.pdf As a first step in the development of the spatial plan by the German Federal Ministry of Transport, Building and Urban Affairs, the Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety and the Federal Agency for Nature Conservation were asked to state their demands and requirements concerning the spatial plan. This contribution outlines the most important requirements and issues that have been identified by the Federal Agency for Nature Conservation and contributed to the spatial planning process. Based on current knowledge about the EEZ, the planning article covers concerns of nature conservation ranging from corporate principles to concrete data on areas of special relevance and recommendations for their protection using spatial planning tools. The complete planning article is available at the following Internet address: www.habitatmare.de/de/downloads/Planungsbeitrag_zur_Raumordnung _AWZ_2006.pdf 53 Marine Raumplanung und IKZM 54 Einführung 1. Rahmenbedingungen Seit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes (ROG) durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) am 24.04.2004 können in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) ausweislich § 1 Abs. 1 Satz 3 ROG einzelne Funktionen im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) entwickelt, geordnet und gesichert werden. § 18a ROG bestimmt seither, dass durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Wohnungswesen (heute Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - BMVBS) Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 ROG hinsichtlich der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutz der Meeresumwelt unter Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesministerien aufgestellt werden sollen (siehe auch Beitrag von Molitor in diesem Heft, S. 45 ff.). Mit dem genannten Regelungsbereich zum Schutz der Meeresumwelt sind unmittelbar die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) wahrzunehmenden Aufgaben in der AWZ betroffen (vgl. § 38 BNatSchG). Entsprechend waren BMU und BfN in einem ersten Verfahrensschritt gefordert, ihre Ansprüche an die Raumordnung in der AWZ an das für die vorbereitenden Verfahrensschritte verantwortliche Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zu übermitteln. Diese Ansprüche und Anforderungen wurden vom BfN in einem so genannten naturschutzfachlichen Planungsbeitrag unter Verwendung von Ergebnissen aus dem F+EVorhaben „Naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche Anforderungen im Gefolge der Ausdehnung des Raumordnungsregimes auf die deutsche AWZ“ (Köppel et al. [2005]) aufbereitet und in das Verfahren eingespeist. Die wichtigsten Anforderungen und wesentlichen Inhalte aus diesem Planungsbeitrag werden im Folgenden in verkürzter Form dargestellt. Nicht Bestandteil dieses Beitrages sind aufgrund ihres Umfanges die Begründungen sowie die detaillierteren fachlichen Vorschläge für eine naturräumliche Gliederung des Planungsraumes, die ggf. als Grundlage für teilräumliche Regelungen im Rahmen der Raumordnung dienen können. Der komplette naturschutzfachliche Planungsbeitrag ist unter der in der Zusammenfassung genannten Internetadresse einsehbar. Aufgrund der gesetzlichen Anforderungen, Ziele und Grundsätze ausdrücklich auch zum Schutz der Meeresumwelt aufzustellen, wird davon ausgegangen, dass diese Ziele und Grundsätze aktiv in einem expliziten Abschnitt „Schutz, Pflege und Entwicklung der Meeresnatur“ zu regeln sind. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass mit den Schutzgebietsmeldungen nach FFH- und Vogelschutzrichtlinie nicht alle für den Naturschutz bedeutsame Arten und Biotope abgedeckt sind und der Handlungsauftrag des § 18 a ROG zum Schutz der Meeresumwelt daher allein mit einer raumordnerischen Sicherung der NATURA 2000-Gebiete als Vorranggebiete für die Meeresnatur noch nicht berücksichtigt ist. Darüber hinaus wird als grundlegende Anforderung vorausgesetzt, dass eine der Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung (§ 1 Abs. 2 ROG) verpflichtete Raumordnung für die AWZ einen ökosystemaren Ansatz, d. h. eine ganzheitliche Betrachtungsweise zum Schutz der Funktionszusammenhänge verlangt, der die Tragfähigkeit und Aufnahmekapazitäten der Ökosysteme flächendeckend einbezieht. Daraus folgt, dass nicht nur eine explizite und aktive Ziel- und Grundsatzformulierung zugunsten des Meeresnaturschutzes erforderlich ist, sondern diese Belange auch die Grundlage für alle anderen zu regelnden Nutzungen bilden und flächendeckend in die Formulierung von Zielen und Grundsätzen für andere Nutzungen einfließen müssen. 2. Aufgabe des naturschutzfachlichen Planungsbeitrags Aufgabe des vom BfN in den Raumplanungsprozess eingebrachten naturschutzfachlichen Planungsbeitrages ist es, die Anforderungen an die Raumplanung in der AWZ aus Sicht des Naturschutzes zu konkretisieren und aktuelle Erkenntnisse als naturschutzfachliche Grundlage für die erstmalige Aufstellung eines Raumordnungsplanes in der deutschen AWZ aufzubereiten. Er ist primär an die verfahrensführenden und planaufstellenden Behörden BMVBS und BSH gerichtet. Bei der Formulierung und Gliederung wurde aber versucht, Formulierungen zu finden, die der üblichen raumplanerischen Ziel- und Grundsatzformulierung entsprechen. Damit liegen im Prinzip integrationsfähige Formulierungsvorschläge vor, so dass damit auch schon die zukünftigen Adressaten der Raumordnung angesprochen werden. Der naturschutzfachliche Planungsbeitrag ist in drei Teile gegliedert. Nach der Einführung im Teil A wird im Teil B die besondere Bedeutung der AWZ als Na- Marine Raumplanung und IKZM turraum und deren naturräumliche Funktion und Gliederung dargelegt. Darauf aufbauend werden im Teil C die konkreten Anforderungen an die Raumordnung aus Sicht des Naturschutzes formuliert. Im ersten Abschnitt wird dabei die Leitvorstellung einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung für die AWZ konkretisiert. Darüber hinaus werden konkrete Erfordernisse in Form von textlichen Grundsätzen sowie textlichen und gebietsbezogenen Zielen abgeleitet. Dabei werden schließlich auch Bereiche mit herausragender Bedeutung für den Naturschutz identifiziert, die im Rahmen der Raumordnung als Vorranggebiete für die Meeresnatur gesichert werden sollten. Gegebenenfalls können auch über die Ausschlusswirkung von Eignungsgebieten für andere Nutzungen im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ROG naturschutzfachlich relevante Räume vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Zu allen in Teil C benannten Anforderungen wurde eine naturschutzfachliche Begründung, die sich auf eine entsprechende Interpretation der gesetzlichen Vorgaben und Grundlagen bezieht, mitgeliefert. Konkrete, aus Sicht des Naturschutzes erforderliche Anforderungen an bestimmte Nutzungen können erst in Abhängigkeit der vorgesehenen Ausgestaltung dieser Nutzungen abschließend entwickelt werden. Sie waren daher nicht Gegenstand des ersten naturschutzfachlichen Planungsbeitrages sondern werden vom BfN zu gegebener Zeit - auch in Abhängigkeit von den Ergebnissen der strategischen Umweltprüfung – im weiteren Verfahren ergänzt. Naturschutzfachlicher Planungsbeitrag - Grundlagen 1. Naturräumliche Funktion und Gliederung der AWZ 1.1 Die AWZ als Naturraum Die deutsche AWZ von Nord- und Ostsee stellt für Deutschland einen einmaligen großflächigen Naturraum und faszinierenden Freiraum dar. Gleichzeitig ist die deutsche AWZ Teil der sich anschließenden ausgedehnten Meere und Ozeane mit ihren großen zusammenhängenden Ökosystemen, deren Funktionsfähigkeit für das Leben auf der Erde von besonderer Bedeutung ist. Die miteinander vernetzten Meeresökosysteme ermöglichen das Vorkommen einer großen Vielfalt von Arten, Lebensgemeinschaften und lebensraumtypischen Prozessen. Die Lebensgemeinschaften nut- zen und prägen ihre Lebensräume, die in ihrer Vielfalt und Dynamik spezifisch sind und sich durch Vorkommen typischer Arten auszeichnen. Die ökologischen Funktionen der AWZ umfassen Wechselwirkungen der Lebewesen (Flora und Fauna) mit ihren Lebensräumen im Meeresboden einschließlich seines Untergrundes, in der Wassersäule, an der Meeresoberfläche und im Luftraum darüber. Die ökologischen Bedingungs- und Wirkungszusammenhänge werden maßgeblich beeinflusst von der geografischen Lage, vom Klima, vom Licht, von der Morphologie und vom Substrat des Meeresbodens sowie von der Hydrologie mit Wassertemperatur, Salzgehalt, Schichtungsverhältnissen und den Strömungs-, Wind-, Seegangs- sowie Turbulenzverhältnissen wie auch den Gezeiten. Das Meer, Lebensraum auch für eine Vielzahl hoch mobiler Arten, ist, wenn man von einzelnen geologischen Erhebungen einmal absieht, besonders in der Wassersäule und über dem Wasser gekennzeichnet durch weiträumige Offenheit und Barrierefreiheit. Auch wenn ausgeprägte Landmarken an der Oberfläche häufig fehlen, weist auch die deutsche AWZ in der Nord- und Ostsee raumstrukturelle Gliederungsmerkmale auf, nach denen sich unterschiedliche Lebens- und Naturräume abgrenzen lassen. Die Grenzen sind entsprechend der Dynamik des Lebensraums nicht als scharfe Linien, sondern teilweise als breite Übergangsbereiche zwischen den Naturräumen ausgebildet. 1.2 Naturräumliche Gliederung 1.2.1 Nordsee In der Nordsee lassen sich unter naturräumlichen Gesichtspunkten grundsätzlich ein „küstennaher Bereich“ bis zu einer Wassertiefe von ca. 10 m und der sich seewärts daran anschließende „Offshore-Bereich“ unterscheiden. Auf Grundlage von abiotischen Kriterien wie Licht, Morphologie (mit der Wassertiefe als wichtigem Faktor), Hydrographie mit charakteristischen Wassermassen und Sedimentverteilungen sowie darauf aufbauend nach dem biotischen Kriterium der Verteilung der charakteristischen Benthosgemeinschaften ist eine weitere Unterteilung naturräumlich unterschiedlicher Teilregionen möglich, die in der Raumordnung zur besseren Ansprache und ggf. zur Formulierung spezifischer Anforderungen genutzt werden kann (A: Östliche Deutsche Bucht, B: Elbe-Urstrumtal; C: Südwestliche Deutsche Bucht; D: Nordwestliche Deutsche Bucht; E: Übergangsbe- 55 56 Marine Raumplanung und IKZM reich zwischen Deutscher Bucht und Doggerbank; F: Doggerbank; G: Zentrale Nordsee nördlich Doggerbank. Verändert nach Rachor und Nehmer [2003]) Als auffällige, tiefe Leitstruktur zieht sich von der heutigen Elbemündung kommend das eiszeitliche ElbeUrstromtal (B) nach Nordwesten durch die Deutsche Bucht, biegt etwa östlich der Weißen Bank (bei 55° N) nordwärts ab und „mündet“ im Osten der Dogger- bank in die zentrale Nordsee. Diese durch Feinstsande und Schlickböden gekennzeichnete Leitstruktur trennt - westwärts in ausgedehnten Übergangsflächen, ostwärts scharf durch auffällige Hangbereiche unterschiedliche Wassermassen (u. a. in Bezug auf den Salzgehalt) und (sandige) Sedimentgebiete, womit sich auch unterschiedliche hydrologische Verhältnisse und abgrenzbare Besiedlungsräume für Lebensgemeinschaften ergeben. 56° G N Dänemark F B 55° E A B Grenzen Festlandsockel/AWZ B Küstenmeer Büsum Internationale Grenze 54° Wassertiefen C Cuxhaven 0 - 10 m 10 - 20 m 20 - 30 m Norden 30 - 40 m 40 - 50 m Niederlande 50 - 60 m 4° Emden 5° 6° 7° Wilhelmshaven Bremerhaven Geodätisches Datum: WGS 84 Kartenprojektion: Mercator (54°N) 8° E 9° Abb. 1: Naturräumliche Gliederung der deutschen AWZ der Nordsee 1.2.2 Ostsee Die deutschen Meeresgebiete der Ostsee befinden sich in einem Übergangsbereich zwischen der von der Nordsee geprägten Beltsee und der eigentlichen, Brackwasser dominierten zentralen Ostsee. Gezeiten sind praktisch ohne Einfluss. Ökologisch markanter Übergang zwischen den unterschiedlichen Wasserkörpern ist die Darßer Schwelle. Verbindung zwischen ihnen ist die kaum 30 m tiefe Kadetrinne. Deshalb lassen sich für die deutsche Ostsee zunächst grundsätzlich die „westliche Ostsee“, die sich östlich bis zu Kadetrinne/Darßer Schwelle erstreckt, und die östlich davon gelegene „zentrale Ostsee“ unterscheiden. Auch hier lassen sich auf Grundlage der bereits für die Nordsee benannten naturräumlichen Kriterien weitere Teilbereiche untergliedern. Von West nach Ost unterscheiden sich demgemäß die noch recht stark marin geprägte Kieler Bucht (A) von der Mecklenburger Bucht (B). Es folgt der Übergangsbereich der Darßer Schwelle (C), an den sich das Arkonabecken (D) und Pommersche Bucht (E) anschließen. Marine Raumplanung und IKZM 56° N Schweden Dänemark 55° D Flensburg C A Schleswig E B Grenzen Grenzen 54° Stralsund Kiel Festlandsockel/AWZ Küstenmeer Küstenmeer Internationale Grenze Rostock Wassertiefen Wassertiefen 0 - 10 m0 - 10 m 10 - 20 m10 - 20 m Lübeck Wismar 20 - 40 m20 - 40 m m 40 - 50 m40 - 50HAMBUR 50 - 60 m50 - 60 m 10° Greifswald Geodätisches Datum: WGS 84 Kartenprojektion: Mercator (54°N) 11° 12° 13° E Polen 14° Abb. 2: Naturräumliche Gliederung der deutschen AWZ der Ostsee Naturschutzfachlicher Planungsbeitrag - Naturschutzfachliche Anforderungen an die Raumordnung in der AWZ 1. Die Umsetzung der Leitvorstellung nach § 1 ROG Leitvorstellung der Raumordnung ist auch für die AWZ eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaft, großräumig ausgewogenen Ordnung führt. In diesem Sinne ist die räumliche Ordnung im Rahmen der Vorgaben des SRÜ und im Einklang mit internationalen Vereinbarungen zu entwickeln. Dazu zählen im Bereich des Meeresumweltschutzes insbesondere das: • Übereinkommen über die biologische Vielfalt CBD • Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks – OSPAR-Übereinkommen und • Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets – Helsinki-Übereinkommen. Hinzu kommen die europarechtlichen Vorgaben der EU-Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie sowie generell auch die Wasserrahmen-Richtlinie. Verfassungsrechtlich ist Art. 20a GG mit dessen wesentlichen Inhalten (z. B. das grundsätzliche ökologische Verschlechterungsverbot) zu berücksichtigen. 57 Marine Raumplanung und IKZM 58 Das BfN hält es im Sinne einer nachvollziehbaren Herleitung und Gliederung für notwendig, den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung Leitlinien oder Leitsätze im Sinne eines Leitbildes für die Entwicklungen in der AWZ von Nord- und Ostsee voranzustellen. Diese Leitlinien müssen der Besonderheit des Naturraums AWZ Rechnung tragen und aus Sicht des Naturschutzes zur Unterstützung einer nachhaltigen Raumentwicklung in der AWZ den folgenden Anforderungen gerecht werden. Die nachfolgend formulierten Anforderungen an die räumliche Ordnung der AWZ sind auch die Grundlage für die in den nachfolgenden Abschnitten 2 und 3 formulierten naturschutzfachlichen Grundsätze und Ziele. Im vorliegenden Beitrag werden nur die vier Hauptsätze wiedergegeben. In der oben genannten Originalfassung des Planungsbeitrages werden diese Hauptsätze jeweils weiter detailliert. (1) Die räumliche Ordnung hat dem Auftrag des Art. 20 a GG zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gerecht zu werden. (2) Die räumliche Ordnung hat die besondere Bedeutung des großflächigen und barrierefreien Naturraums sowie seine unterschiedlichen Dimensionen und Wirkungszusammenhänge zu berücksichtigen. (3) Die räumliche Ordnung hat die Bestrebungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur Errichtung eines Netzwerkes von Meeresschutzgebieten (MPAs) zu unterstützen sowie entsprechende Entwicklungsoptionen offen zu halten. 2.1 Meeresnatur und -landschaft (1) Meeresnatur und -landschaft sowie die Biodiversität sollen in der AWZ dauerhaft geschützt, gepflegt, entwickelt und, soweit erforderlich, möglich und angemessen, wiederhergestellt werden. (2) Die AWZ soll als Naturraum in ihren jeweilig typischen, natürlichen Ausprägungen und mit ihren Austauschbeziehungen und Wechselwirkungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt gesichert und entwickelt werden. (3) Eine Verinselung von Lebensräumen soll vermieden werden, indem sowohl innerhalb der deutschen AWZ als auch im Verhältnis zum angrenzenden Küstenmeer und zur AWZ angrenzender Staaten ein Biotopverbund sowohl mit charakteristischen als auch naturschutzfachlich besonders wertvollen Bereichen etabliert wird. (4) Die Naturgüter sollen entsprechend der Leitvorstellung der Nachhaltigkeit sparsam und schonend in Anspruch genommen werden (nachhaltige Nutzung). (5) Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sollen unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips sowie des Ökosystemansatzes vermieden, vermindert und ausgeglichen werden. (6) Auf dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen sollen die Funktionen des Naturhaushaltes durch Rückbau bzw. Wiederherstellung in ihrer Leistungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden. (4) Die räumliche Ordnung hat dem Vorsorgeprinzip Rechnung zu tragen. Allgemeine Begründung/Erläuterung: 2. Grundsätze (G) zur Sicherung und Entwicklung des Naturraums AWZ Die nachfolgenden Formulierungen sind im Sinne von Grundsätzen nach § 3 Nr. 3 ROG zu verstehen, d. h. es handelt sich hier um allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes auf Grund von § 2 ROG als Vorgabe für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen. Auch hier werden nur die Hauptsätze wiedergegeben (fett), die in der Originalfassung des Planungsbeitrages noch weiter ausgeführt sind, sowie eine Auszug aus der Begründung, der die Herleitung erläutert. Der geänderte Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG bezieht nunmehr ausdrücklich auch die „Meeresgebiete“ in die Grundsatzformulierungen für Natur und Landschaft ein. Dabei wird der Begriff „Natur und Landschaft“ auch in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG – wie im Naturschutzrecht – in einem umfassenden Sinne verstanden. § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG enthält im Vergleich zu anderen Grundsätzen des § 2 Abs. 2 ROG eine vergleichsweise ausführliche Auflistung der für Natur und Landschaft maßgeblichen Grundsätze. § 2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 ROG enthält zunächst den Grundsatz, Natur und Landschaft dauerhaft zu Marine Raumplanung und IKZM schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, möglich und angemessen, wiederherzustellen (im Detail siehe dazu Absatz (1)). Satz 2 verpflichtet dazu, dabei den Erfordernissen des Biotopverbundes Rechnung zu tragen (dazu Absatz (3)). Die Naturgüter sind nach Satz 3 sparsam und schonend in Anspruch zu nehmen (dazu Absatz (4)). Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes sind auszugleichen (dazu Absatz (5)). Bei dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen soll der Boden in seiner Leistungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden (dazu Absatz (6)). Bei der Sicherung und Entwicklung der ökologischen Funktionen und landschaftsbezogenen Nutzungen sind auch die jeweiligen Wechselwirkungen zu berücksichtigen (dazu Absatz (2)). Im Bereich der AWZ wohl ohne praktische Relevanz bleiben die deshalb hier nicht weiter zu erörternden Verpflichtungen zum Schutz des Grundwassers und zum vorbeugenden Hochwasserschutz. 2.2 Freiraum und Flächeninanspruchnahme (1) Die AWZ soll großflächig als ökologisch intakter Freiraum erhalten, entwickelt und, soweit erforderlich, möglich und angemessen, in ihrer Bedeutung für funktionsfähige Meeresböden, für den Wasserhaushalt, die Tier- und Pflanzenwelt (Biodiversität) und das Klima gesichert oder in ihren Funktionen wiederhergestellt werden. (2) Die Meereslandschaft ist in ihrer natürlichen Eigenart und Schönheit zu sichern. Ihre charakteristische Freiraumstruktur ist zu erhalten. Erhebliche Beeinträchtigungen des Erlebnis- und Erholungswerts der Meereslandschaft sind im Sichtbereich der Küste zu vermeiden. 3. Ziele (Z) zur Sicherung und Entwicklung des Naturraums AWZ 3.1 Schutzgüter der FFH- und Vogelschutzrichtlinie Die nachfolgend unter 3.1.1 und 3.1.2 benannten Vorranggebiete für die Meeresnatur sind in den Abbildungen/Karten der Anlage dargestellt. 3.1.1 Vorranggebiete für die Meeresnatur in der AWZ der Nordsee (1) Insbesondere für die gemäß der FFH-RL (92/43/ EWG) relevanten Lebensraumtypen und Arten (Anhang I und II) kommt den an die Kommission gemeldeten Gebieten • „Borkum-Riffgrund“ (DE 2104-301) • „Doggerbank“ (DE 1003-301) • „Sylter Außenriff“ (DE 1209-301) eine herausragende naturschutzfachliche Bedeutung zu, so dass diese Gebiete als Vorranggebiete für die Meeresnatur zu sichern sind (Z). (2) Insbesondere für die gemäß der VRL (79/409/EWG) relevanten Arten kommt dem gemeldeten und zum Naturschutzgebiet erklärten Gebiet • „Östliche Deutsche Bucht“ (DE 1011-401) eine herausragende naturschutzfachliche Bedeutung zu, so dass dieses Gebiet als Vorranggebiet für die Meeresnatur zu sichern ist (Z). 3.1.2 Vorranggebiete für die Meeresnatur in der AWZ der Ostsee Allgemeine Begründung/Erläuterung: (1) Insbesondere für die gemäß der FFH-RL (92/43/ EWG) relevanten Lebensraumtypen und Arten (Anhang I und II) kommt den an die Kommission gemeldeten Gebieten • „Adlergrund“ (DE 1251-301) • „Fehmarn Belt“ (DE 1322-301) • „Kadetrinne“ (DE 1339-301) • „Pommersche Bucht mit Oderbank“ (DE1652-301) • „Westliche Rönnebank“ (DE 1249-301) eine herausragende naturschutzfachliche Bedeutung zu, so dass diese Gebiete als Vorranggebiete für die Meeresnatur zu sichern sind (Z). In Teil B, Abschnitt 1.1 wurde ausgeführt, warum die AWZ von Nord- und Ostsee für Deutschland einen einmaligen großflächigen und faszinierenden Naturund Freiraum darstellt. Zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumstrukturen benennt § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG Grundsätze, die für die AWZ entsprechend er Absätze 1 bis 3 zur Geltung kommen sollen. (2) Insbesondere für die gemäß der VRL (79/409/EWG) relevanten Arten kommt dem gemeldeten und zum Naturschutzgebiet erklärten Gebiet • „Pommersche Bucht“ (DE 1552-401) eine herausragende naturschutzfachliche Bedeutung zu, so dass dieses Gebiet als Vorranggebiet für die Meeresnatur zu sichern ist (Z). (3) Flächen sollen nur sparsam und mit möglichst wenigen Zerschneidungseffekten in Anspruch genommen werden. 59 Marine Raumplanung und IKZM 60 3.1.3 Weitere FFH-relevante Strukturen außerhalb der Vorranggebiete (1) Die Beschädigung oder Zerstörung von kleinräumigen Sandbänken, Riffen und submarinen, durch Gasaustritte entstandenen Strukturen als besonders seltene und sensible Lebensräume soll auch außerhalb der Vorranggebiete für die Meeresnatur in der gesamten AWZ so weit wie möglich vermieden werden (Z). 3.2 Vogelzug Die nachfolgend benannten Gebiete sind in den Abbildungen/Karten der Anlage als „Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Vogelzug“ dargestellt. 3.2.1 Vogelzug über die deutsche AWZ der Nordsee (1) Für den Vogelzug über die Nordsee ist die Deutsche Bucht küstenseitig einer gedachten Linie, die vom westlichsten Punkt Dänemarks, dem „Blåvands Huk“, im 45°-Winkel zur niederländischen Insel Texel verläuft, aufgrund des anzunehmenden Breitfrontzuges von besonderer naturschutzfachlicher Bedeutung. Dieser Bereich ist außerhalb der Flächen mit bereits genehmigten oder im Genehmigungsverfahren befindlichen Windparks sowie außerhalb der raumordnerischen Vorrang- und Eignungsgebiete für Windkraftnutzung von den Vogelzug beeinträchtigenden Wirkungen freizuhalten, um insbesondere durchgängige Zugkorridore zu erhalten (siehe Abb. 3: Erläuterungskarte Nordsee) (Z). 3.2.2 Vogelzug über die deutsche AWZ der Ostsee (1) Für den Vogelzug über die Ostsee kommt den Meeresgebieten zwischen • „Fehmarn-Lolland“ und • „Rügen-Schonen“ eine besondere naturschutzfachliche Bedeutung zu. 3.3 Die nachfolgend benannten Gebiete sind in den Abbildungen/Karten der Anlage als „Gebiete mit besonderer Bedeutung für benthische Lebensgemeinschaften“ dargestellt. 3.3.1 Benthische Lebensgemeinschaften in der deutschen AWZ der Nordsee (1) Für die benthischen Lebensgemeinschaften in der Nordsee kommt den Gebieten • „Südliche Schlickbank“ • „Zentrales Elbe-Urstromtal“ • „Zentrale Nordsee“ (siehe Karte Nordsee in der Anlage 1) aufgrund von repräsentativen und verdichteten Vorkommen von OSPAR- und Rote-Liste-Arten und nach OSPAR zu schützenden Habitaten (vgl. Liste Nordsee) in für die einzelnen Lebensräume und Arten gut erhaltenen Zuständen, eine besondere naturschutzfachliche Bedeutung und besondere ökologische Vernetzungsfunktion zu (s. auch Art. 10 FFH-RL). Der Schutz der benthischen Lebensgemeinschaften in diesen Gebieten ist sicherzustellen (Z). 3.3.2 Benthische Lebensgemeinschaften in der deutschen AWZ der Ostsee (1) Für die benthischen Lebensgemeinschaften in der Ostsee kommt dem Submergenz-Band mit verdichteten Vorkommen von Rote-Liste-Arten (vgl. Liste Ostsee) außerhalb der gemeldeten NATURA 2000 Gebiete auch in den Gebieten: • „Kieler Bucht“ • „Mecklenburger Bucht“ • „Nördlich Darß“ (siehe Karte Ostsee in der Anlage 2) eine besondere naturschutzfachliche Bedeutung zu. Der Schutz der benthischen Lebensgemeinschaften in diesen Gebieten ist sicherzustellen (Z). 3.4 Diese Gebiete sind außerhalb der Flächen mit bereits genehmigten oder im Genehmigungsverfahren befindlichen Windparks sowie außerhalb der raumordnerischen Vorrang- und Eignungsgebiete für Windkraftnutzung von den Vogelzug beeinträchtigenden Wirkungen freizuhalten, um insbesondere durchgängige Zugkorridore zu erhalten (siehe Abb. 4: Erläuterungskarte Ostsee) (Z). Benthische Lebensgemeinschaften Erläuterungen zu Kapitel 3 Nachfolgend werden zu einigen Formulierungen aus Kap. 3 erklärende Erläuterungen gegeben. Dabei sollen hier nur einige wichtige zusätzliche Aspekte aufgezeigt werden, die sich nicht unmittelbar aus der Zielformulierung erschließen. Im Original des Planungsbeitrages sind darüber hinaus zu jeder Zielformulierung zusätzliche Erläuterungen, im Marine Raumplanung und IKZM Sinne von naturschutzfachlichen Begründungen, gegeben, die sich auf eine entsprechende Interpretation der gesetzlichen Vorgaben und Grundlagen beziehen. mindest außerhalb der Flächen mit bereits genehmigten oder im Genehmigungsverfahren befindlichen Windparks sowie außerhalb der raumordnerisch festzulegenden Vorrang- und Eignungsgebiete für Windkraftnutzung von den Vogelzug beeinträchtigenden Wirkungen freizuhalten. 3.4.1 Dreidimensionale Gebietsfestlegungen Für die AWZ erscheint es aus naturschutzfachlicher Sicht grundsätzlich möglich, das räumliche Ordnungssystem und damit auch die Kategorien Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete (letztere Kategorie nur in Bezug auf Nutzungsansprüche) an der Dreidimensionalität, die den Naturraum prägt, auszurichten. D. h., dass entsprechende Gebiete durchaus auch für eine bestimmte Dimension den entsprechenden vorrangigen Anspruch erfordern (z. B. Vorrangfunktion für die Meeresnatur auf dem Meeresgrund oder im Luftraum), andere Schutzbestrebungen gerade auch in Abhängigkeit von entsprechend sich mehrdimensional auswirkenden Nutzungen dagegen einen mehrdimensionalen Ansatz erfordern. So zielt die Sicherung von Gebieten mit besonderer Bedeutung für benthische Lebensgemeinschaften (vgl. 3.3) vor allem auf einen entsprechenden Schutz vor Beeinträchtigungen am Meeresboden und den Ausschluss von Nutzungen, die zu Veränderungen des Meeresbodens und seiner Lebensgemeinschaften führen wie z. B. Sand- und Kiesabbau, Marikulturen (unmittelbarer Nährstoffeintrag) oder Schleppnetzfischerei etc. Unter Umständen wird damit die Möglichkeit eröffnet, auch Vorranggebiete in einem Raum zu überlagern, die sich dann aber auf nicht für den Schutz nötige Dimensionen des Naturraums beziehen. 3.4.2 Zielformulierungen zum Vogelzug Große Bereiche der deutschen AWZ, die nur zu einem geringen Teil durch die gemeldeten EU-Vogelschutzgebiete abgedeckt werden, sind Teil international bedeutsamer Zugvogelrouten. Sie sind aufgrund dieser besonderen naturschutzfachlichen Bedeutung im Rahmen der Raumordnung entsprechend zu sichern. Sind Zugvögel gezwungen, von ihren tradierten Routen abzuweichen und damit Umwege zu fliegen, so hat das einen negativen Einfluss auf ihren Energiehaushalt, der in energetischen Engpasssituationen auch die Überlebensrate bzw. die Reproduktion der entsprechenden Populationen beeinflussen kann. Um insbesondere durchgängige Zugkorridore zu erhalten, sind die bedeutsamen Bereiche daher zu- Hier wird bewusst in der Doppelbezeichnung nicht nur von raumordnerischen Vorranggebieten sondern gleichzeitig von raumordnerischen Eignungsgebieten für Windkraftnutzung gesprochen, weil das Ziel der Freihaltung außerhalb dieser Gebiete dadurch erreicht werden soll, dass derartige Gebiete im Zuge der Raumordnung nicht nur als Vorranggebiete für Windkraftnutzung, sondern gleichzeitig auch als Eignungsgebiete im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ROG mit Ausschlusswirkung an anderer Stelle ausgewiesen werden (s. dazu Abb. 3 und 4 auf den Folgeseiten). Weitere verfahrensbezogene Anforderungen und Beiträge Neben diesen, vor allem inhaltlichen und regelungstechnischen Anforderungen sind von Seiten des BMU und BfN in einer ersten Meldung zusätzlich auch einige verfahrenstechnische und begleitende Anforderungen gestellt worden, um die Steuerungsmöglichkeiten der Raumordnung tatsächlich nutzen zu können. Über Hinweise zum Umgang mit den gesetzlichen Anforderungen an das Verfahren in Bezug auf SUP und FFH-Verträglichkeitsprüfung hinaus sind das insbesondere die Anforderungen, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, damit durch die Raumplanung in der AWZ die angestrebte Ordnung und Steuerung der Nutzungen sowie eine den Raumordnungsplänen an Land vergleichbare Wirkung auch tatsächlich erreicht werden kann. Dazu gehört u. a. die Einfügung einer Raumordnungsklausel in die SeeAnlV und die Auseinandersetzung mit Fragen im Hinblick auf Steuerungsmöglichkeiten, wenn in nachfolgenden Planungs- und Genehmigungsverfahren von den Vorgaben der Raumordnung abgewichen wird. An Land werden diese Fragen durch das ROG z. B. mit entsprechenden Vorschriften zu Zielabweichungen (§ 11), zur Untersagung raumordnungswidriger Planungen (§ 12), Raumordnungsverfahren (§ 15) oder auch Kompensationsregelungen (§ 7 Abs. 2) geregelt, die in der AWZ aber durch die fehlende Inbezugnahme in § 18a ROG in dieser Form nicht zur Geltung kommen. 61 Abb. 3: Erläuterungskarte zu den Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Vogelzug sowie zur Offshore-Windkraftnutzung in der AWZ der deutschen Nordsee und den verbleibenden durchgängigen Korridoren 62 Marine Raumplanung und IKZM Abb. 4: Erläuterungskarte zu den Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Vogelzug sowie zur Offshore-Windkraftnutzung in der AWZ der deutschen Ostsee Marine Raumplanung und IKZM 63 64 Marine Raumplanung und IKZM Darüber hinaus hat das BfN unabhängig vom hier dargestellten naturschutzfachlichen Planungsbeitrag dem BSH auch für den Umweltbericht Textbeiträge zur Bestandbeschreibung und –einschätzung in Bezug auf die Schutzgüter Biotoptypen/Benthos, Marine Säugetiere, Rast- und Zugvögel sowie Biologische Vielfalt zur Verfügung gestellt. Fazit Mit dem hier in seinen wesentlichen Inhalten dargestellten naturschutzfachlichen Planungsbeitrag konnten die Belange des Naturschutzes frühzeitig in das Verfahren zur Aufstellung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung für die deutsche AWZ von Nord- und Ostsee eingebracht werden. Einen Eindruck davon, inwieweit sie sich im weiteren Verfahren durchsetzen werden, wird der noch ausstehende erste Entwurf der Raumplanung als Ergebnis der raumordnerischen Gewichtung und Abwägung aller Nutzungs- und Schutzansprüche von Seiten BMVBS/BSH liefern. Entsprechend wird sich das BfN im weiteren Verfahren für die Durchsetzung der ein- gebrachten Belange einsetzen, dies gilt insbesondere im Hinblick auf • die aktive Aufgabenwahrnehmung des Meeresnaturschutzes (Ziel- und Grundsatzformulierungen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der Meeresnatur inkl. entsprechender Vorrang- und Vorbehaltsgebiete), • eine entsprechende Ausschöpfung der raumordnerischen Steuerungsmöglichkeiten von Nutzungen (Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windkraft und andere Nutzung im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ROG mit Ausschlusswirkung an anderer Stelle), um für den anzunehmenden Geltungszeitraum der Raumplanung von 10 bis 15 Jahren einen konkreten naturschutzverträglichen Ordnungsrahmen zu schaffen und die Nutzungen auf entsprechend geeignete Flächen begrenzen zu können sowie • eine angemessene Berücksichtigung der für den Umweltbericht zur Verfügung gestellten Bestandsbeschreibungen und –einschätzungen als Bewertungsgrundlage für die von BMVBS/BSH vorzunehmende Bewertung der Umweltauswirkungen und die entsprechende Alternativenprüfung. Anlage 1: Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Meeresnaturschutz in der AWZ der deutschen Nordsee Marine Raumplanung und IKZM 65 Anlage 2: Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Meeresnaturschutz in der AWZ der deutschen Ostsee 66 Marine Raumplanung und IKZM Marine Raumplanung und IKZM Literatur Rachor, E. und P. Nehmer, 2003: Erfassung und Bewertung ökologisch wertvoller Lebensräume in der Nordsee. Abschlussbericht für das F+E-Vorhaben FKZ 899 85 310; http://www.habitatmarenatura2000.de/de/downloads/berichte/Benthos_ oekolog_Untersuchungen_Nordsee_2004.pdf Anschrift des Verfassers: Torsten Wilke Leiter des Fachgebietes II 3.1 Landschaftsplanung und räumliche Planung Bundesamt für Naturschutz Außenstelle Leipzig Karl-Liebknecht-Str. 143 04277 Leipzig Köppel, J., Wende W., Herberg, A. Wolf, R., Nebelsieck, R. und K. Runge, 2005: Naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche Anforderungen im Gefolge der Ausdehnung des Raumordnungsregimes auf die deutsche AWZ. Abschlussbericht für das F+EVorhaben FKZ 804 85 017 des BfN; bisher unveröffentlicht. 67 Marine Raumplanung und IKZM Das Instrument der strategischen Umweltprüfung bei der Raumplanung im Meer Strategic Environmental Assessment as a tool in marine spatial planning Thomas Bunge Zusammenfassung Summary Seit Juli 2004 muss auch die Raumplanung für Meeresgebiete nach deutschem Recht grundsätzlich eine strategische Umweltprüfung einschließen, die die erheblichen Umweltauswirkungen der Pläne prognostiziert und bewertet. Diese Prüfung ist – ebenso wie die Raumplanung selbst – innerhalb der 12-Seemeilen-Zone Aufgabe der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee sind dagegen Bundesbehörden zuständig (§ 18a ROG). Die Anforderungen an die Umweltprüfung richten sich auf Bundesebene und vorläufig auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach § 7 Abs. 5 bis 10 ROG. In MecklenburgVorpommern existieren dagegen seit Juli 2006 eigene Vorschriften; vergleichbare Landesnormen sind demnächst in den beiden anderen Küstenländern zu erwarten. Alle diese Regelungen verlangen von der zuständigen Behörde insbesondere, während der Entwicklung des Plans einen Umweltbericht zu erarbeiten, am Verfahren die Öffentlichkeit zu beteiligen und nach Abschluss des Plans die erheblichen Umweltauswirkungen zu überwachen („Monitoring“). Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Ablauf der Umweltprüfung, mit deren Inhalt und mit der Möglichkeit, Mehrfachprüfungen zu vermeiden, indem die Aufgaben auf mehrere Verfahren aufgeteilt werden („Abschichtung“). Er geht außerdem auf die Unterstützung der Arbeiten durch landschaftsplanerische Beiträge ein. Abschließend spricht er knapp das Monitoring der Umweltfolgen an. Under German law, spatial planning for marine areas includes, since July 2004, a Strategic Environmental Assessment (SEA) which aims at identifying, describing and evaluating the environmental impacts of projects. As far as the coastal sea area (12 nautical miles) is concerned, spatial planning is a task of the three federal states (Laender) Lower Saxony, Schleswig-Holstein, and Mecklenburg-Western Pomerania, while the plans for the German Exclusive Economic Zone will be prepared by federal authorities. At the federal level, the legal basis for SEA is Art. 7, paras. 5 to 10, of the federal Spatial Planning Act. These provisions are also applicable to SEA in spatial planning in Lower Saxony and SchleswigHolstein until these states adopt their own legislation on this subject. The Spatial Planning Act of Mecklenburg-Western Pomerania, on the other hand, contains rules on SEA since July 2006. Both federal and Land legislation require the competent authority, in particular, to prepare an environmental report, to involve the public in the planning process, and, later, to monitor the environmental effects of the projects. The following text deals with the SEA procedure in marine spatial planning, with the scope of the assessment, and with possibilities of avoiding duplication of work by tiering. It also addresses the advantages of seascape planning in the SEA process. Finally, it briefly looks at the monitoring requirements. 69 Marine Raumplanung und IKZM 70 1 Einleitung Seit vielen Jahren lässt sich die Entwicklung beobachten, dass wirtschaftliche Aktivitäten, die bisher auf Landflächen beschränkt waren, mehr und mehr auch in Meeresgebieten stattfinden. Erdöl und Erdgas werden gefördert, Sand und Kies abgebaut. Über den Meeresboden laufen zahlreiche Öl- und Gaspipelines sowie Stromkabel, zumeist zwischen mehreren Staaten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch Offshore-Windparks, obwohl die meisten sich noch in der Planungsphase befinden und erst einige von ihnen gebaut werden.1) Die für die nächste Zeit in Aussicht genommenen Parks sollen jeweils eine große Zahl von Windkraftanlagen umfassen, die erheblich höher und leistungsfähiger sind als die bereits vor einigen Jahren realisierten. Deswegen benötigen sie vergleichsweise große Meeresflächen. Weiterhin gibt es immer wieder Pläne, im Meer künstliche Inseln aus Abfällen aufzuschütten oder schwimmende Urlaubsinseln zu verankern. Zu erwarten sind u. U. ebenfalls Einrichtungen zur Aquakultur. Auch die traditionellen Nutzungen, Schifffahrt und Fischerei, nehmen teilweise quantitativ zu und verändern sich technisch, so dass sie sich intensiver als früher auf die Meeresumwelt auswirken. Militärische Übungen, die Verklappung von Baggergut und weitere Beeinträchtigungsursachen kommen hinzu.2) Diese Entwicklung legte es nahe, das „klassische“ Instrument der Steuerung von Nutzungsansprüchen an Land, die Raumordnung, auf Meeresgebiete auszuweiten. Das gilt besonders auch wegen der außerordentlich hohen Empfindlichkeit der Meeresumwelt. Vor etwa fünf Jahren fasste die Ministerkonferenz für Raumordnung dementsprechend folgenden Beschluss: 1) „Die norddeutschen Küstenländer werden den Geltungsbereich ihrer Raumordnungspläne (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ROG) auf die 12-sm-Zone des Meeres ausdehnen. Wegen der besonderen Situation auf dem Meer sollte eine entsprechende Anpassung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung erfolgen.“ 3) Die Länder konnten dieser Anforderung ohne neue rechtliche Vorschriften nachkommen. Jenseits der 12-Seemeilen-Grenze, also in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee, besitzen sie dagegen keine Planungskompetenz. Dieser Bereich gehört nicht mehr zum deutschen Hoheitsgebiet; der Bundesrepublik Deutschland stehen dort aber nach dem Seerechtsübereinkommen besondere Rechte (sog. funktional beschränkte Hoheitsrechte4)) zu. Hierfür gab es bisher keine planungsrechtlichen Regelungen. 2004 ist jedoch eine besondere Vorschrift – § 18a – in das Raumordnungsgesetz eingefügt worden, die dem Bund die Aufgabe zuweist, raumplanerische Vorgaben für die ausschließliche Wirtschaftszone zu entwickeln. 2 2.1 Raumplanung im Meer Planungsarbeiten Als erstes Bundesland hat Mecklenburg-Vorpommern seine Raumplanung bis zur 12-See­meilen-Grenze ausgedehnt: Das Kapitel 7 des Landesraumentwicklungsprogramms 2005 dieses Landes5) enthält generelle Vorgaben zum Integrierten Küstenzonenmanagement und zur Raumordnung im Küstenmeer6) sowie spezielle Festlegungen über Windenergieanlagen, Leitungen, Naturschutz, Tourismus, Erholung und Rohstoffsicherung. Auch das Landes-Raumord- Bisher sind im deutschen Küstenmeer und in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone 14 Offshore-Windparks mit insgesamt 1 027 Einzelanlagen auf einer Fläche von 560,6 km² mit einer Gesamtleistung von ca. 4 600 MW genehmigt worden (www.bsh.de/de/Meeresnutzung/Wirtschaft/Windparks/index.jsp). Zahlreiche weitere Projekte sind geplant. 2) Eine ausführliche Beschreibung der anthropogenen Nutzungen findet sich bei Janssen u. a. [2006], S. 25 ff.; s. auch Schomerus u. a. [2006], S. 331 ff. 3) Beschluss der MKRO vom 3. Dezember 2001. 4) Vgl. Gündling [1983], S. 119. Die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone ist mit Proklamation vom 25. November 1994 eingerichtet worden (BGBl. II S. 3769). Sie wird durch die ausschließlichen Wirtschaftszonen der Nachbarstaaten begrenzt. 5) Landesverordnung über das Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (LEP-LVO M-V) vom 30. Mai 2005 (GVOBl. M-V S. 308). 6) Unter dem Begriff „Küstenmeer“ wird hier (und auch im folgenden Text) die 12-Seemeilen-Zone verstanden. Marine Raumplanung und IKZM nungsprogramm Niedersachsen legt seit Juni 2006 Ziele und Grundsätze über die Windenergienutzung auf See und eine Kabeltrasse zur Netzanbindung von Pilotphasen von Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone fest.7) Zusätzlich existiert hier das Raumordnungskonzept für das niedersächsische Küstenmeer aus dem Jahre 2005, das allerdings keine rechtliche Bindungswirkung besitzt.8) In SchleswigHolstein sind die Arbeiten zur Raum­planung in Meeresgebieten dagegen noch nicht abgeschlossen.9) Dort gibt es inzwischen allerdings auf der Ebene der Regionalpläne einige Vorgaben für den Bereich des Küstenmeeres.10) Was die ausschließliche Wirtschaftszone betrifft, weist das Raumordnungsgesetz dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (jetzt: Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) die Aufgabe zu, „Ziele und Grundsätze der Raum­ordnung ... hinsichtlich der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutz der Meeresumwelt“ aufzustellen. Die Vorbereitungsarbeiten leistet das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (§ 18a ROG). Zur Zeit werden solche Planungen sowohl für die Nordsee als auch für die Ostsee entwickelt.11) 2.2 Besonderheiten bei der Raumplanung für Meeresgebiete Im Vergleich zu Raumordnungsplänen für Landflächen weisen die Pläne für Meeresgebiete eine Reihe von Besonderheiten auf. Hier bestehen ebenfalls Unterschiede zwischen dem Küstenmeer und der ausschließlichen Wirtschaftszone. Im Küstenmeerbereich spielen selbstverständlich die Beziehungen zwischen Meeres- und Landflächen bei der Planung ebenfalls eine wichtige Rolle. Zudem sind beispielsweise die ökologischen Besonderheiten des Wattenmeers und dessen rechtlicher Schutz in Rechnung zu stellen. Auch die Nutzung des Meeresgebiets in Küstennähe unterscheidet sich in vielen Punkten von der der ausschließlichen Wirtschaftszone; so besitzt etwa der Tourismus eine viel größere Bedeutung. Rechtlich gelten für die 12-SeemeilenZone dieselben Vorgaben wie für die Raumplanung für Landflächen. Auch hier gibt es im Grundsatz die beiden Ebenen „landesweite Raumplanung“ und „Regionalplanung“.12) Offensichtlich können allerdings nicht alle Arten von Festlegungen getroffen werden, die an Land möglich sind. Beispielsweise entfällt die Ausweisung zentraler Orte. Zudem haben die Raumordnungspläne für Meeresflächen praktisch sehr selten die Aufgabe, die gemeindliche Entwicklung zu steuern: Die Bauleitplanung im Küstenbereich umfasst keine Meeresflächen oder allenfalls einen schmalen Streifen an der Küste, weil das Hoheitsgebiet der Gemeinden nicht weiter reicht. Die Pläne für die ausschließliche Wirtschaftszone sind andererseits nicht Bestandteil eines mehrstufigen Planungssystems, sondern beeinflussen unmittelbar die Zulassung bestimmter Projekte.13) Da die kommunale Planungsebene hier gänzlich fehlt, müssen sie nicht auf die gemeindlichen Planungskompetenzen Rücksicht nehmen, so dass ihr Detaillierungsgrad allein von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmt wird. Nach § 18a ROG können solche Pläne nur bestimmte Inhalte im Sinne des § 7 ROG festlegen: Ziele und Grundsätze der Raumordnung hinsichtlich der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit 7) Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen – Teil II – vom 27. Juni 2006 (GVBl. S. 244); s. dazu auch die Begründung (Landes-Raumord­nungsprogramm, Ergänzung 2006, hrsg. vom Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz). 8) Raumordnungskonzept für das niedersächsische Küstenmeer des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – Regierungsvertretung Oldenburg – Landesentwicklung, Raumordnung, 2005. 9) Vgl. Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, Hrsg. [2003], S. 17 f. 10) So schließt der Geltungsbereich der schleswig-holsteinischen Regionalpläne für die Planungsräume II, IV und V jeweils den Meeresbereich bis zur Hoheitsgrenze ein (Innenministerium Schleswig-Hol­stein, Regionalplan 2004 für den Planungsraum II, S. 6; Regionalplan für den Planungsraum IV, Fortschreibung 2005, S. 11; Regionalplan für den Planungsraum V, Neufassung 2002, S. 10). In Mecklenburg-Vorpommern werden Festlegungen für das Küstenmeer dagegen allein im landesweiten Plan getroffen (§ 6 Abs. 3 LPlG M-V). 11) Vgl. den Beitrag von L. Molitor in diesem Band, S.45 ff. 12) In Mecklenburg-Vorpommern werden raumplanerische Festlegungen für den Meeresbereich abschließend im Landesraumentwicklungsprogramm getroffen, so dass die Regionalplanung hier insofern keine Rolle spielt (§ 6 Abs. 3 LPlG). 13) Zu den besonderen Eignungsgebieten für Windkraftanlagen nach § 3a SeeAnlV s. 4.4.4. 71 Marine Raumplanung und IKZM 72 und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutz der Meeresumwelt. Auch Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete für bestimmte raumbedeutsame Funktionen, Nutzungen oder Maßnahmen lassen sich ausweisen. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass die Raumordnungsplanung für Meeresgebiete bisher nicht mit anderen (Fach-)Planungen verknüpft ist. Für die 12Seemeilen-Zone gilt zwar § 15 Abs. 1 BNatSchG, der eine flächendeckende Landschaftsplanung vorschreibt. Bislang existiert jedoch in keinem der betroffenen Länder ein solcher Plan für die Meeresgebiete. Was die ausschließliche Wirtschaftszone betrifft, fehlt eine Vorschrift im Bundesnaturschutzgesetz, nach der die Entwicklung der Raumordnungspläne i. S. des § 18a ROG durch landschaftsplanerische Beiträge unterstützt werden müsste.14) Künftig lässt sich jedoch damit rechnen, dass sowohl für die 12-See­meilen- als auch für die ausschließliche Wirtschaftszone anderweitige Pläne ausgearbeitet werden müssen, die die Raumplanung beeinflussen: Nach einem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom Oktober 200515) soll jeder Mitgliedstaat der EG unter anderem verpflichtet sein, eine Meeresstrategie mit folgenden Schritten zu entwickeln: • der „Anfangsbewertung“ des Umweltzustands der Meeresgewässer und der Umweltauswirkungen menschlichen Handelns dort (Art. 7), • der Beschreibung der Merkmale eines „guten Umweltzustands“ (Art. 8), • der Festlegung eines umfassenden Satzes von Umweltzielen einschließlich von Indikatoren (Art. 9) sowie • der Erstellung von Maßnahmenprogrammen für die Meeresgebiete (Art. 12 des Vorschlags). Aufgabe dieser Programme ist es, die Maßnahmen zu beschreiben, die erforderlich sind, um in jeder betroffenen Meeresregion einen „guten Umweltzustand“ (Art. 1, Art. 8 Abs. 1) zu erreichen. Die Meeresstrategie soll sowohl das Küstenmeer als auch die jeweilige ausschließliche Wirtschaftszone des betreffenden Staates umfassen. Auf diese Weise gäbe es künftig auch für die deutschen Areale eine zusätzliche Planung, die Umweltschutzziele verfolgte und die Raumplanung unterstützen könnte. Zwar hat sie anders als die Landschaftsplanung nicht die Aufgabe, den ökologischen Beitrag zur Raumplanung zu liefern. Dennoch kommen diese Planungsarbeiten insgesamt, was ihr Ziel betrifft, denen einer Landschaftsplanung für Meeresgebiete relativ nahe. In ihrer rechtlichen Bedeutung gehen die Maßnahmenprogramme indessen deutlich weiter. Die Wirkung der Aussagen der Raumordnungspläne bestimmt sich sowohl für den Küstenbereich als auch für die ausschließliche Wirtschaftszone – ebenso wie bei Plänen für Landgebiete – primär nach § 4 ROG. Hier ist wichtig, dass wohl die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten in Meeresgebieten private Träger haben, für die die raumordnerischen Ziele nicht verbindlich sind (vgl. § 4 Abs. 1 und 3 ROG). Bindenden Charakter besitzen solche Planaussagen in diesen Fällen allein für Planfeststellungs- und vergleichbare Entscheidungen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG). § 18a Abs. 3 ROG statuiert deswegen, dass die Ausweisung von Vorranggebieten für die Windkraftnutzung „im Verfahren zur Genehmigung einer Anlage nach der Seeanlagenverordnung im Hinblick auf die Wahl des Standortes [wenigstens] die Wirkung eines Sachverständigengutachtens“ haben soll.16) 3 Die strategische Umweltprüfung Mit dem Begriff „strategische Umweltprüfung“ bezeichnet man im deutschen Recht17) die Prüfung der voraussichtlichen Umweltfolgen von Plänen und Programmen, die im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung solcher Regelwerke abläuft (§ 2 Abs. 4 UVPG). Dieses Instrument geht auf die EG-Richtlinie 2001/42/ EG18) zurück und ist auf Bundesebene in den Jahren 2004/2005 für ca. 15 Plan- und Programmarten ein- 14) Janssen u. a. [2006], S. 240, 322. Allerdings hat das Bundesamt für Naturschutz im Februar 2006 einen naturschutzfachlichen Planungsbeitrag zur Raumplanung in der ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee erarbeitet; vgl. dazu auch 4.4.6. 15) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt vom 24. Oktober 2005, KOM (2005) 505 endgültig, 2005/0211 (COD). S. hierzu den Beitrag von M. Salomon in diesem Band, S. 23 ff. 16) Die Regelung beabsichtigt, raumordnerischen Vorranggebieten für die Windkraftnutzung die gleichen Wirkungen für die Standortauswahl zuzubilligen, wie sie der Festlegung von besonderen Eignungsgebieten nach der Seeanlagenverordnung zukommen (BT-Drs. 15/2250, S. 72). 17) Im internationalen Sprachgebrauch versteht man unter „strategic environmental assessment (SEA)“ die Umweltprüfung von Plänen, Programmen, Politikentscheidungen (policies) und Entwürfen von Rechtsvorschriften. 18) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme vom 27. Juni 2001 (ABl. EG Nr. L 197, S. 30). Marine Raumplanung und IKZM geführt worden. In seinen Anwendungsbereich fallen auch Pläne und Programme der Raumordnung und damit ebenfalls die hier interessierenden Planungsverfahren. Zur Zeit entwickeln die Länder die Rechtsgrundlagen für die Umweltprüfung weiterer Arten von Plänen und Programmen. Das neue Instrument soll in erster Linie zur Umweltvorsorge und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, indem es gewährleistet, dass die Umweltbelange bereits bei der Aufstellung von Plänen und Programmen systematisch und medienübergreifend prognostiziert und bewertet sowie im Entscheidungsprozess angemessen berücksichtigt werden. Das geschieht in einem formalisierten Verfahren, das unter anderem die Öffentlichkeitsbeteiligung einschließt. Ein wichtiger Vorteil der Prüfung liegt darin, dass sie es erlaubt, die Umweltfolgen beabsichtigter Entwicklungen frühzeitig, d. h. schon weit vor der Realisierung konkreter Projekte (also auf „vorgelagerten“ Ebenen des Planungs- und Entscheidungsprozesses) großräumig zu untersuchen und damit die Auswirkungen mehrerer (oder vieler) Vorhaben gemeinsam zu betrachten. Dabei lassen sich vor allem auch grundsätzliche (planerische) Alternativen einbeziehen, die später bei der Zulassung der einzelnen Projekte nicht mehr in Rechnung gestellt werden können. Auf dieser Ebene ist es ebenfalls möglich, großflächige Kompensationsmaßnahmen zu treffen. Inhaltlich bedeutet die Umweltprüfung zwar nichts grundlegend Neues, weil die Umweltbelange auch schon nach bisherigem Recht bei der Raumplanung angemessen in Rechnung gestellt werden mussten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG). Sie trägt aber dazu bei, dass der Planungsprozess etwas mehr strukturiert und formalisiert wird und damit größere Transparenz erhält. Zugleich ermöglicht sie es, später besser nachzuvollziehen, auf welche Weise die Behörde die Umweltauswirkungen prognostiziert und bewertet hat und welche Rolle die Umweltbelange bei der Entscheidung über die planerischen Aussagen spielten. Auch das Monitoring der Umweltauswirkungen der Pläne, das bisher ansatzweise – vor allem im Rahmen der Raumbeobachtung – stattfindet, wird verbessert. 4 Die strategische Umweltprüfung bei der Raumplanung für Meeresgebiete 4.1 Rechtsgrundlagen Bei Raumplanungen, die Meeresgebiete betreffen, richtet sich die strategische Umweltprüfung gegenwärtig vor allem nach § 7 Abs. 5 bis 10 ROG i. V. mit der EG-Richtlinie 2001/42/EG (§ 22 Satz 3 ROG), ergänzend nach den §§ 14f ff. UVPG (§ 14e UVPG). Diese Normen sind vorläufig auch für die Landesplanung in Niedersachsen und Schleswig-Holstein maßgeblich, da deren Landesplanungsgesetze noch nicht an die bundesrechtlichen Vorgaben angepasst worden sind. In Mecklenburg-Vorpommern bilden dagegen seit Ende Juli 2006 § 4 Abs. 5 bis 7, § 7 Abs. 2 bis 4 und § 20a Abs. 3 LPlG M-V die Rechtsgrundlagen.19) Sie legen allerdings ähnliche Anforderungen fest wie das Bundesrecht. Für die Raumplanung in der ausschließliche Wirtschaftszone in der Nord- und Ostsee gelten nach § 18a Abs. 1 Satz 2 ROG die Vorschriften des § 7 Abs. 1 und 4 bis 10 ROG entsprechend, also auch alle Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes über die Umweltprüfung. Freilich richten sich diese Regelungen nicht unmittelbar an die Planer, sondern verpflichten allein die Bundesländer, ihre Landesplanungsgesetze an die dort aufgeführten Vorgaben anzupassen. „Entsprechende Geltung“ für die Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone heißt jedoch, dass die inhaltlichen Anforderungen des § 7 Abs. 1 und 4 bis 10 ROG auch hier zu beachten sind, dass also vor allem die Pflicht besteht, eine Umweltprüfung durchzuführen. 4.2 Anwendungsbereich Grundsätzlich muss jedes der hier interessierenden Planungsverfahren eine strategische Umweltprüfung einschließen. Künftig können allerdings geringfügige Planänderungen, die keine erheblichen Umweltfolgen erwarten lassen, von der Prüfpflicht ausgenommen werden (§ 7 Abs. 5 Satz 5 ROG). 20) 19) Art. 2 des Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der SUP-Richtlinie vom 14. Juli 2006 (GVOBl. M-V, S. 560, 562). 20) Solche Einschränkungen erlaubt Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2001/42/EG auch für Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen. Diese Möglichkeit verbietet sich bei den Raumordnungsplänen für Meeresflächen indessen schon wegen deren großer Plangebiete. 73 74 Marine Raumplanung und IKZM Für die Raumplanung in der ausschließlichen Wirtschaftszone wirft der Verweis auf § 7 Abs. 5 Satz 5 ROG Fragen auf: Diese Norm schreibt nicht zwingend vor, auf die Umweltprüfung zu verzichten, wenn es um geringfügige Planänderungen ohne erhebliche Umweltauswirkungen geht. Vielmehr räumt sie den Ländern lediglich die Befugnis ein, Regelungen zu treffen, aufgrund deren die Landesplanungsbehörden in solchen Fällen von der Umweltprüfung absehen können. Allein der Verweis in § 18a Abs. 1 Satz 2 ROG erlaubt es der Planungsbehörde in der ausschließlichen Wirtschaftszone nicht, die landesrechtlich möglichen Einschränkungen ebenfalls zu nutzen. Die Rahmenvorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 5 ROG lässt den Ländern nämlich Raum für eigene gesetzgeberische Entscheidungen. Auf Bundesebene besteht dieser Handlungsspielraum ebenfalls; er muss aber auch hier durch ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung genutzt werden. § 18a ROG selbst statuiert keine solche Regelung. Solange sie fehlt, gelten für die Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone die gesamten Anforderungen des § 7 Abs. 5 bis 10 ROG ohne die dort genannten Reduzierungsmöglichkeiten. Auch geringfügige Planänderungen müssen dort deswegen eine Umweltprüfung einschließen. 4.3 Prüfverfahren anderweitigen Planungsmöglichkeiten für die Festlegungen des Plans entscheidungserheblich waren“ (§ 7 Abs. 8 Satz 2 ROG). – Später hat sie, wie erwähnt, die Aufgabe, die Umweltauswirkungen des Plans zu überwachen. Feststellung der Pflicht zur strategischen Umweltprüfung Bestimmung des Untersuchungsrahmens („Scoping“) Erstellung des Umweltberichtes Beteiligung der Öffentlichkeit, anderer Behörden und ggf. anderer Staaten Überprüfung und ggf. Änderung des Umweltberichtes 4.3.1 Schritte Das Prüfverfahren läuft innerhalb des Planungsprozesses in mehreren europarechtlich vorgegebenen Schritten ab (vgl. die folgende Abbildung): Nachdem die zuständige Behörde festgestellt hat, dass der Plan einer strategischen Umweltprüfung unterzogen werden muss, bestimmt sie zunächst – zusammen mit anderen fachlich betroffenen Behörden – den Untersuchungsrahmen (Scoping). Daraufhin erstellt sie einen Umweltbericht, der vor allem die Auswirkungen des Plans auf die Umwelt beschreibt und bewertet. Zu diesem Bericht und zum Planentwurf können die eben erwähnten anderen Behörden, die Öffentlichkeit und betroffene andere Staaten Stellung nehmen. Bei der anschließenden Abwägung der Belange berücksichtigt die zuständige Behörde den Umweltbericht und die Stellungnahmen. Nach der Entscheidung über den Plan stellt sie die Planbegründung fertig, die unter anderem angeben muss, „wie Umwelterwägungen, der Umweltbericht sowie die abgegebenen Stellungnahmen im Plan berücksichtigt wurden und welche Gründe nach Abwägung mit den geprüften Berücksichtigung der Ergebnisse des Umweltberichtes bei der Entscheidung über den Plan Bekanntgabe des Plans, des Umweltberichtes und der zusammenfassenden Erklärung (§ 14I Abs. 3 UVPG); Übersendung dieser Informationen an die beteiligten anderen Behörden und anderen Staaten Überwachung der Umweltauswirkungen (Monitoring) Abb.: Verfahren der strategischen Umweltprüfung Marine Raumplanung und IKZM 4.3.2 Zum Scoping-Abschnitt Der Scoping-Prozess ist auf der Plan- und Programmebene noch wichtiger als bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Umfang der erforderlichen Untersuchungen steht hier nämlich noch nicht in derselben Weise fest wie dort. Vielmehr besteht bei mehrstufigen Planungs- und Entscheidungsprozessen die Möglichkeit, die Schwerpunkte der Arbeiten auf die einzelnen Stufen zu verteilen. Mit anderen Worten ist in solchen Fällen immer zu entscheiden, auf welcher Stufe bestimmte Umweltfolgen detailliert untersucht werden sollten und auf welcher eine eher kursorische Prüfung genügt („Abschichtung“; vgl. dazu 4.4.4). Auch unabhängig hiervon lassen sich in vielen Fällen Informationen aus anderweitigen umweltbezogenen Prüfverfahren für die jeweils aktuelle Umweltprüfung nutzen. Die Reichweite und Intensität der Umweltprüfung müssen deswegen ebenso wie die Frage, welche der benötigten Informationen bereits zur Verfügung stehen, zusammen mit den anderen jeweils zuständigen Behörden geklärt werden. Hier spielt beispielsweise die ökologische Begleitforschung zur Offshore-Windnutzung in Nord- und Ostsee eine Rolle. Abgesehen davon dient der Scoping-Prozess vor allem dazu, folgende Punkte zu behandeln: die zu untersuchenden Alternativen, den Informationsbedarf, methodische Fragen, die geographische Reichweite und den Zeithorizont, die Verknüpfung mit einer ggf. erforderlichen FFH-Verträglich­keitsprüfung und die geplanten Monitoring-Maßnahmen. die Behörden keine zusätzlichen Möglichkeiten wie Pressearbeit oder Informationsveranstaltungen nutzen und die beabsichtigten Festlegungen auch nicht politisch kontrovers sind.21) Zum anderen werden bei der Raumplanung für Meeresgebiete individuelle Belange der „allgemeinen“ Öffentlichkeit zumeist wohl nur tangiert, wenn es um Areale geht, die zu Erholungs- oder Sportzwecken genutzt werden. Ein zusätzliches Interesse besitzen allein bestimmte Wirtschaftsunternehmen (beispielsweise potentielle Betreiber von Windkraftanlagen oder Sand- und Kiesabbaufirmen) und Umweltverbände. Deswegen kommen die Stellungnahmen der Öffentlichkeit in den hier interessierenden Verfahren wahrscheinlich in erster Linie von diesen beiden Gruppen. Während die ökonomischen Belange auch ohne externe Hilfe ausreichend vertreten sein dürften, kann man dies bei den Umweltbelangen nicht ohne weiteres vermuten. Dann lässt sich jedoch ein wichtiger Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung – dazu beizutragen, dass die Aussagen des Umweltberichts auch unter dem Aspekt des Umweltschutzes kritisch überprüft werden – in solchen Planungsverfahren voraussichtlich nicht erreichen. Daher empfiehlt es sich gerade hier, für eine ausreichende Partizipation der Umweltverbände Sorge zu tragen, etwa dadurch, dass sie über die entsprechenden Planungsprozesse individuell informiert werden, oder durch aktive Öffentlichkeitsarbeit der Behörden.22) Auf diese Weise ist es auch möglich, den speziellen Sachver­stand dieser Verbände für den Umweltbericht zu nutzen. 4.3.3 Zur Öffentlichkeitsbeteiligung 4.3.4 Zur grenzüberschreitenden Beteiligung Was die Beteiligung der Öffentlichkeit am Verfahren der Umweltprüfung betrifft, lässt sich vermuten, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer Partizipation gerade bei der Raumplanung im Meer sehr gering sein wird. Das gilt vor allem für den Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone, aber auch bei der Planung im Küstenmeergebiet dürfte die Zahl der Personen, die Stellungnahmen abgeben, deutlich begrenzt sein. Dies liegt zum einen an dem Umstand, dass es in allen Fällen um relativ abstrakte Festlegungen geht; auch bei Raumplanungen in Bezug auf Landflächen beteiligen sich nach den bisherigen Erfahrungen lediglich wenige Betroffene, sofern Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass die Raumplanung im Meer wohl zumeist grenzüberschreitende Bedeutung hat. Die landesweite Raumplanung im Küstenmeerbereich und diejenige in der ausschließlichen Wirtschaftszone dürften sich fast immer auf die Umwelt im Hoheitsbereich anderer Staaten oder in deren ausschließlicher Wirtschaftszone auswirken. Auch auf regionaler Ebene ist oftmals mit Umweltfolgen in Nachbarstaaten zu rechnen. Etwas anderes gilt allenfalls für die Regionalpläne, deren Geltungsbereich nicht teilweise an andere Staaten oder deren ausschließliche Wirtschaftszone grenzt. 21) Vgl. Danielzyk u. a. [2003], S. 137; s. auch die dort angegebenen praktischen Beispiele (S. 85 ff.). Für Österreich vgl. z. B. Sommer [2005], S. 25. 22) Für die Nutzung des Internet bei der Information der Öffentlichkeit auch Schomerus u. a. [2006], S. 152. 75 76 Marine Raumplanung und IKZM Bei der (projektbezogenen) Umweltverträglichkeitsprüfung hat sich gezeigt, dass es zweckmäßig ist, die potentiell betroffenen Staaten schon zum Scoping-Prozess einzuladen.23) Das UVP-Gesetz schreibt eine solche Beteiligung zwar nicht vor. Sie kann aber dazu beitragen, dass das Verfahren problemloser und zügiger abläuft als in dem Fall, dass diese Staaten erst nach Erstellung der Umweltverträglichkeitsstudie Gelegenheit erhalten, Stellungnahmen abzugeben. Können sie bereits bei der Bestimmung des Untersuchungsrahmens mitwirken, so lassen sich voraus­­ sichtliche Umweltfolgen in den Nachbarstaaten vergleichsweise früh diskutieren, so dass mehr Zeit zur Verfügung steht, einvernehmliche Lösungen zu entwickeln. Ebenso kann dann schon zu Beginn des Prüfprozesses geklärt werden, welche Informationen über die Umwelt in den betroffenen Staaten zur Verfügung stehen und welche zusätzlichen Erhebungen erforderlich werden. Auch für die Beteiligung bilateraler Institutionen, beispielsweise der deutsch-polnischen Grenzgewässerkommission, ist dann genügend Zeit. Entsprechendes dürfte auf der Planungsebene gelten. Gerade wegen der Bedeutung der Pläne für die Entwicklung der Meeresgebiete (und auch im Zusammenhang mit dem Integrierten Küstenzonenmanagement) empfiehlt es sich mithin, die anderen Staaten bereits bei der Festlegung des Untersuchungsrahmens zu beteiligen. 4.4 Inhalt der Umweltprüfung: Untersuchung der Umweltfolgen 4.4.1 Gegenstand der Umweltprüfung Den Gegenstand der Umweltprüfung bilden die Umweltfolgen aller Festlegungen des Plans, d. h. seiner normativ wirkenden Aussagen. Zu untersuchen sind mit anderen Worten die Umweltauswirkungen der Ziele, Grundsätze, Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete. Der Begriff „normative Wirkung“ ist dabei weit zu verstehen; er schließt auch die Bedeutung als Sachverständigengutachten ein, die Vorranggebieten für Windkraftanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone im Hinblick auf die Wahl des Standortes zukommt (vgl. § 18a Abs. 3 Satz 1 ROG). Es geht also keinesfalls allein darum, diejenigen Planaussagen zu untersuchen, die rahmensetzenden Charakter für UVP- oder vorprüfungspflichtige Pro- jekte haben oder eine Verträglichkeitsprüfung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie erfordern.24) Zu betrachten sind sowohl die negativen als auch die positiven Umweltfolgen der Festlegungen. Nicht zu den normativen Aussagen gehören nachrichtlich übernommene Informationen, etwa über eine Pipeline, die in der ausschließlichen Wirtschaftszone bereits durch Planfeststellungsbeschluss zugelassen worden ist. Derartige Planinhalte brauchen im Rahmen der Umweltprüfung also nicht auf ihre Umweltauswirkungen hin untersucht und ggf. mit günstigeren Alternativen verglichen zu werden. Allerdings können ihre voraussichtlichen Umweltfolgen selbstverständlich nicht außer Acht bleiben. Vielmehr hat die Behörde diese Auswirkungen im Rahmen der Vorbelastung des Plangebiets in Rechnung zu stellen. Ähnlichkeit mit solchen Informationen, die nur nachrichtlichen Charakter haben, besitzt die Ausweisung besonderer Eignungsgebiete für Windkraftanlagen im Sinne der Seeanlagenverordnung, wenn sie bis Ende 2005 abgeschlossen wurde. Diese Gebiete müssen in die Raumordnungspläne nach § 18a ROG übernommen und als Vorranggebiete nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG festgelegt werden (§ 18a Abs. 3 Satz 2 ROG). Auch sie bilden nicht selbst Gegenstände der strategischen Umweltprüfung; ihre Auswirkungen werden aber ebenfalls bei der Bestandsaufnahme der Umwelt einbezogen. Bei der Raumplanung im Binnenland diskutiert man, ob und wieweit es möglich ist, die erforderlichen Einzeluntersuchungen in ihrer Intensität zu beschränken. Verbreitet ist die Vorgehensweise, lediglich jene normativen Planaussagen genau zu betrachten, die den Rahmen für UVP- oder vorprüfungspflichtige Vorhaben setzen oder die sich auf FFH-Gebiete auswirken, und alle anderen Aussagen nur pauschal zu prüfen.25) Der Grund hierfür liegt in der Vielzahl der raumordnerischen Aussagen, die für Landgebiete zu treffen sind und die es nicht zulassen, jede von ihnen mit derselben Sorgfalt auf Umweltauswirkungen zu untersuchen.26) In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es dort unterhalb der Ebene der Raumordnung noch die beiden Stufen der Bauleitplanung gibt, auf denen detailliertere Prognosen und Bewertungen möglich sind. 23) Vgl. L ambrecht u. a. [2002], S. 9 (s. auch S. 150); Richter [2002], S. 16. 24) Jacoby [2005], S. 26 ff., 28. 25) S. beispielsweise Jacoby [2005], S. 26 ff., 28; C. Schmidt [2006], S. 2. 26) C. Schmidt [2006], S. 2. Marine Raumplanung und IKZM Die Richtlinie lässt eine solche Differenzierung allerdings wohl nicht zu. Sie erlaubt es zwar, die Aufgaben auf einzelne Stufen des Planungs- und Entscheidungsprozesses zu verteilen, sie also „abzuschichten“ (dazu 4.3.2 und 4.4.4). Abgesehen davon dürfte es aber nicht europarechtskonform sein, die Untersuchungen in der beschriebenen Weise in unterschiedlicher Intensität durchzuführen. Unabhängig von dieser grundsätzlichen Frage muss hier in Rechnung gestellt werden, dass die Pläne für Meeresgebiete ohnehin nicht dieselbe Komplexität aufweisen wie die auf Landflächen bezogenen, obwohl bei ihnen ebenfalls zahlreiche Festlegungen aufeinander abgestimmt werden müssen. Vor allem bei der Planung in der ausschließlichen Wirtschaftszone entfällt auch die Einteilung in mehrere Planungsebenen. Deshalb spricht vieles für die Pflicht, im Rahmen der Umweltprüfung von Raumordnungsplänen für Meeresgebiete jede Festlegung in der gleichen Ausführlichkeit und Tiefe auf ihre Umweltauswirkungen hin zu überprüfen. 4.4.2 Detaillierungsgrad Der Detaillierungsgrad der Untersuchungen wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Zunächst kommt es auf die Aussagegenauigkeit des jeweiligen Plans an. Hier lässt sich ebenfalls ein Unterschied zwischen der 12-Seemeilen-Zone und der ausschließlichen Wirtschafts­zone feststellen: Bei der Raumplanung im Küstenmeerbereich gibt es grundsätzlich27) zwei Stufen, so dass die landesweite Planung durch Regionalpläne verdichtet und verfeinert werden kann. Deswegen lassen sich die Festlegungen auf der landesweiten Ebene – ebenso wie im Bereich des Binnenlandes – noch relativ generell fassen. Anders ist es in der ausschließlichen Wirtschaftszone: Hier existiert nur eine Planungsstufe. Die Möglichkeit, die planerischen Aussagen durch weitere Pläne zu konkretisieren, besteht nicht. Auch die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden (Art. 28 GG) spielt hier keine Rolle. Ob und wieweit der Plan nach § 18a ROG bereits detaillierte Festlegungen enthalten soll, richtet sich deswegen ganz nach Zweckmäßigkeitserwägungen. Wie intensiv die Behörde die einzelnen Auswirkungen untersuchen muss, hängt zudem von der Genauigkeit der Informationen ab, die ihr entweder schon zur Verfügung stehen oder die sie mit zumutbarem Aufwand zusammentragen kann. In diesem Zusammenhang ist einerseits zu berücksichtigen, dass über 27) Anders in Mecklenburg-Vorpommern (§ 6 Abs. 3 LPlG M-V). die bestehenden und beabsichtigten Nutzungen der Meeresgebiete vielfältige ins Einzelne gehende Informationen existieren, etwa über Schifffahrtsrouten, die Größe geplanter Windparks, in Aussicht genommene Pipelinetrassen, die technischen Gegebenheiten der geplanten Vorhaben und die voraussichtliche Weiterentwicklung dieser Technik in einem überschaubaren Zeitraum. Dies erlaubt relativ genaue Aussagen im Umweltbericht. Andererseits fehlen gerade für den Meeresbereich teilweise detaillierte Angaben über den Zustand und die Entwicklung der Umwelt. Zwar stehen heute bei weitem mehr Informationen über die Meeresumwelt und über mögliche Auswirkungen von Projekten in diesen Gebieten zur Verfügung als noch vor wenigen Jahren; dennoch gibt es erhebliche Kenntnislücken, und die benötigten Daten liegen nicht immer vor. Die strategische Umweltprüfung verpflichtet in diesem Zusammenhang nicht zur Grundlagenforschung. Andererseits darf sich die Behörde nicht auf die Informationen beschränken, über die sie schon verfügt oder die sie ohne erheblichen Aufwand von anderen Institutionen erhalten kann. Vielmehr ist es durchaus möglich, dass sie – ebenso wie bei der Umweltverträglichkeitsprüfung von Vorhaben – eigenständig Erhebungen durchführen muss. Das gehört allerdings zum normalen Planungsprozess und ist nichts Neues. Eine wichtige Vorgabe lässt sich schließlich aus § 7 Abs. 10 ROG ableiten: Der Umweltbericht soll später die Grundlage für die Überwachung der Umweltfolgen (Monitoring) bilden. Deswegen müssen seine Angaben so konkret sein, dass sie sich später auch sinnvoll überwachen lassen. Dazu sind natürlich in erster Linie quantitative Aussagen über die erwarteten Umweltauswirkungen und die Beschreibung von Indikatoren für solche Folgen geeignet. 4.4.3 Zur Bewertung und Berücksichtigung der Umweltfolgen Maßstäbe für die Bewertung der Umweltfolgen und deren Berücksichtigung bei der Abwägung sind zunächst das generelle Ziel der Raumordnung, die nachhaltige Raumentwicklung im Sinne des § 1 Abs. 2 ROG, und die Grundsätze des § 2 ROG; im Küstenmeerbereich kommen weitere landesrechtliche Grundsätze hinzu. Außerdem spielen die naturschutzrechtlichen Grundsätze (§ 2 BNatSchG, für die 12-Seemeilen-Zone auch die entsprechenden Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze) eine Rolle. 77 Marine Raumplanung und IKZM 78 Für das Küstenmeer sind ebenso die Erhaltungsziele des § 1a WHG von Bedeutung.28) Bei klimarelevanten Festlegungen – beispielsweise bei der Ausweisung von Vorrangflächen für die Windenergie – müssen weiterhin politische Beschlüsse zum Klimaschutz auf EU- und innerstaatlicher Ebene (Verringerung der CO2-Emissionen) berücksichtigt werden.29) Zusätzliche Maßstäbe bilden die Umweltziele, die auf internationaler Ebene für die betreffenden Meeresgebiete festgelegt wurden, beispielsweise im Rahmen der Konvention über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks, der Konvention über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets, der Konvention über die biologische Vielfalt oder der Nordseeschutzkonferenzen.30) Sie konkretisieren die Vorgaben der nachhaltigen Raumentwicklung und die Anforderung, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 ROG). Besondere Anforderungen gelten für die Bewertung der Folgen raumplanerischer Festlegungen für Natura-2000-Gebiete. Hier geht es nicht lediglich darum, die Belange des Naturschutzes in der planerischen Abwägung angemessen zu gewichten, sondern § 34 BNatSchG statuiert bei möglichen erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets strikte Rechtsfolgen (dazu 4.4.5). 4.4.4 Abschichtung; Mehrfachnutzung von Daten Soweit die Raumplanung im Meer Teil eines mehrstufigen Planungs- und Entscheidungs­prozesses ist, lassen sich die Prüfaufgaben schwerpunktartig auf die einzelnen Stufen verteilen (Abschichtung; § 14f Abs. 3 UVPG31)). Auf diese Weise sollen Mehrfachprüfungen vermieden werden: Eine intensive Untersuchung der Umweltfolgen findet lediglich auf einer der Stufen statt; auf den übrigen werden deren Ergebnisse im Grundsatz übernommen, so dass hier eine kursorische Betrachtung genügt. Selbstverständlich lässt sich eine solche Vereinfachung nur nutzen, wenn die Resultate der ins Einzelne gehenden Untersuchung für die anschließende Stufe noch aktuell und ausreichend detailliert sind. 28) Gerade im Meeresbereich gibt es in diesem Zusammenhang mehrere unterschiedliche Kon­stellationen: In der 12-Seemeilen-Zone können in Niedersachsen und Schleswig-Holstein neben landesweiten Raumordnungsplänen auch Regionalpläne entwickelt werden. Deren normative Aussagen gelten dann im Rahmen des § 4 ROG in Zulassungsverfahren über einzelne Vorhaben in diesem Gebiet. In MecklenburgVorpommern werden die raumplanerischen Festlegungen für das Küstenmeer dagegen abschließend im Landesraumentwicklungsprogramm getroffen. Sie beeinflussen also unmittelbar die betreffenden Zulassungsverfahren. Ähnlich ist es in der ausschließlichen Wirtschaftszone: Hier existieren allein die Raumordnungspläne im Sinne des § 18a ROG. Die Ausweisung von besonderen Eignungsgebieten für Windkraftanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone nach § 3a SeeAnlV ist keine „Stufe“ unterhalb der Raumplanung, sondern eine eigenständige Fachplanung. Die Pläne im Sinne des § 18a ROG machen es nunmehr ohnehin überflüssig, solche Gebiete aufgrund der Seeanlagenverordnung auszuweisen. Die Abschichtung im Verhältnis zwischen landesweitem Raumordnungsplan und Regionalplan (in der 12-Seemeilen-Zone) wirft keine besonderen Schwierigkeiten auf. Anders ist es bei der Frage, ob und wieweit das Programm der strategischen Umweltprüfung zwischen Raumordnungs- oder Regionalplan einerseits und konkreten Zulassungsverfahren andererseits aufgeteilt werden kann. Insoweit kommt es darauf an, ob in den jeweiligen Zulassungsverfahren selbst Umweltverträglichkeitsprüfungen stattfinden. Die Abschichtung nach § 14f Abs. 3 UVPG setzt ja immer voraus, dass jede einzelne Stufe des Planungsund Entscheidungsprozesses eine Umweltprüfung oder Umweltverträglichkeitsprüfung einschließt. Was Projekte im Meer angeht, gibt es hier Unterschiede: Bergrechtliche Rahmenbetriebsplanverfahren über Förderplattformen für Erdöl und Erdgas erfordern eine solche Prüfung (§ 52 Abs. 1a BBergG, § 1 Nr. 2 Buchst. b UVP-V Bergbau), ebenso oftmals Planfeststellungen für Pipelines (§ 20 UVPG) 32) und auch Genehmigungsverfahren für Windenergie- und andere In der ausschließlichen Wirtschaftszone gilt das Wasserhaushaltsgesetz nicht (Schomerus u. a., [2006], S. 103). 29) Vgl. Schomerus u. a. [2006], S. 100 ff. 30) Weitere einschlägige internationale Maßstäbe werden bei Schomerus u. a. ([2006], S. 30 f., 93 ff.) aufgeführt. 31) § 7 Abs. 5 Satz 8 ROG, der sich ebenfalls mit der Abschichtung befasst, bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen landesweiten Raumordnungs- und Regionalplänen. Für die Bundesebene hat diese Norm schon deshalb keine Bedeutung, weil es für die ausschließliche Wirtschaftszone keine Regionalplanung gibt. § 7 Abs. 5 Satz 8 ROG verlangt außerdem nicht zwingend, die Umweltprüfung auf Regionalebene zu beschränken, sondern erlaubt lediglich Abschichtungsregelungen auf Landesebene. 32) Die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt sich hier aus den §§ 3b oder 3c UVPG, die – in europarechtskonformer Auslegung – auch für die ausschließliche Wirtschaftszone gelten (vgl. Janssen u. a., 2006, S. 279). Marine Raumplanung und IKZM Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 SeeAnlV (§ 2a SeeAnlV). Dagegen wird die Genehmigung für wissenschaftliche Aktivitäten im Bereich des Festlandsockels nach § 132 BBergG ohne Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt. Auch für Unterwasserkabel ist keine derartige Prüfung vorgeschrieben (§ 133 BBergG). Wegen dieser Besonderheiten sind die Abschichtungsmöglichkeiten bei der Raumplanung im Meer begrenzt. Auf die intensive Untersuchung der Umweltfolgen lässt sich hier nur insoweit verzichten, als sichergestellt ist, dass sie auf der folgenden Stufe des Planungs- und Entscheidungsprozesses im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung „nachgeholt“ wird. Die Umweltprüfungen auf allen Stufen zusammengenommen müssen immer dem vollständigen Prüfprogramm des UVP-Gesetzes entsprechen, also einer einheitlichen Umweltprüfung gleichwertig sein. Auch bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung darf es keine Lücken geben.33) G. Janssen u. a. haben in Einzelnen untersucht, auf welche Weise sich die Abschichtungsmöglichkeiten bei der Planung nach § 18a ROG nutzen lassen.34) Unabhängig von der Zulässigkeit der Abschichtung können in den Fällen, in denen die Verfahren der Zulassung von Vorhaben Umweltverträglichkeitsprüfungen einschließen, die dort gewonnenen Informationen selbstverständlich ebenfalls für die Umweltprüfung von Raumordnungsplänen genutzt werden. Dasselbe gilt umgekehrt. Auch im Verhältnis zwischen der Raumplanung im Küstenmeer und derjenigen in der ausschließlichen Wirtschaftszone besteht die Möglichkeit, bestimmte Informationen auszutauschen. Diese Planungen müssen ohnehin aufeinander abgestimmt werden. Das Verhältnis zwischen Raumordnungsplan und besonderen Eignungsgebieten für Windkraftanlagen nach der Seeanlagenverordnung wird durch spezielle Vorschriften geregelt. Solche Eignungsgebiete sind in die Gesamtpläne zu übernehmen, wenn sie bis 2005 festgelegt wurden (§ 18a Abs. 3 ROG). Diese Norm soll also nicht die Umweltprüfung im Rahmen des Raumplanungsverfahrens vereinfachen, sondern sie statuiert weitergehend bestimmte inhaltliche Vorgaben für die Raumordnungspläne. Da die Raumordnungsbehörden in Bezug auf diese Gebiete keine planerische Entscheidungsfreiheit mehr besitzen, müssen sie im Rahmen der Umweltprüfung nach § 7 Abs. 5 bis 10 ROG die Umweltauswirkungen der Eig­nungsgebiete als „plangegebene Vorbelastung“ in Rechnung stellen (vgl. 4.4.1). In diesem Zusammenhang liegt es natürlich nahe, die Ergebnisse der Untersuchungen über die Umweltfolgen, die für die Ausweisung der Flächen nach der Seeanlagenverordnung durchgeführt wurden, auch im Raumplanungsverfahren zu nutzen. 4.4.5 Verknüpfung mit der FFH-Verträglichkeitsprüfung Sowohl im Küstenmeer als auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone befinden sich Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete. Vor allem an der Nordseeküste gibt es viele solcher Areale.35) Für alle diese Flächen gelten die besonderen Regelungen der §§ 34 und 35 BNatSchG.36) Die Raumplanung muss deshalb in den meisten Fällen eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne des § 34 BNatSchG einschließen.37) Diese Prüfung richtet sich nach § 7 Abs. 7 ROG: Die Behörde hat in der Abwägung auch die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck dieser Gebiete zu berücksichtigen; sind erhebliche Beeinträchtigungen dieser Ziele oder Zwecke möglich, kann der Plan nur unter den engen Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 bis 5 BNatSchG verabschiedet werden. Für die ausschließliche Wirtschaftszone statuiert § 38 BNatSchG wieder einige (völkerrechtlich bedingte) Einschränkungen.38) 33) Janssen u. a. [2006], S. 281. Die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Einführung einer strategischen Umweltprüfung (BT-Drs. 15/4119, S. 5, i. V. mit BT-Drs. 15/3441, S. 31) weist darauf hin, dass die verfahrensrechtlichen Anforderungen der strategischen Umweltprüfung, wie Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, auf jeder Planungs- und Entscheidungsebene des mehrstufigen Prüfprozesses eingehalten werden müssen. 34) Janssen u. a. [2006], S. 278 ff. 35) Vgl. die Angaben auf der Internet-Seite des Bundesamtes für Naturschutz (http://www.bfn.de/0316_gebiete.html). Zur ausschließlichen Wirtschaftszone s. die Verordnung über die Festsetzung des Naturschutzgebietes „Pommersche Bucht“ vom 15. September 2005 (BGBl. I S. 2778) und die Verordnung über die Festsetzung des Naturschutzgebietes „Östliche Deutsche Bucht“ vom 15. September 2005 (BGBl. I S. 2782). Es handelt sich jeweils um Europäische Vogelschutzgebiete. 36) S. für die ausschließliche Wirtschaftszone § 38 Abs. 1 BNatSchG. 37) Vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 der beiden in Fn. 35 genannten Verordnungen. S. zur FFH-Verträglichkeits­prüfung auch Schomerus u. a. [2006], S. 490 ff. 38) Vgl. dazu den Bericht des Bundestags-Umweltausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, BT-Drs. 14/7490, S. 30 (zu § 37a). 79 80 Marine Raumplanung und IKZM 4.4.6 Raumordnung im Meer und Landschaftsplanung Bei allen Plan- und Programmarten, die Landflächen betreffen, lässt sich die strategische Umweltprüfung erheblich vereinfachen, wenn die zuständige Behörde auf Landschaftsplanungen zurückgreifen kann. Solche Pläne enthalten zum einen eine Bestandsaufnahme von Natur und Landschaft und gehen dabei auch auf die Schutzgüter Boden, Wasser, Luft und Klima ein. Da sie selbst einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen, befassen sie sich darüber hinaus mit den Schutzgütern „Menschen“ und „Kulturund Sachgüter“. Zum anderen konkretisieren sie die Ziele des Naturschutzes und bewerten anhand dieser Vorgaben den Zustand und die voraussichtliche Entwicklung von Natur und Landschaft. Damit stellen sie auch Maßstäbe für die Beurteilung der Umweltfolgen anderer Pläne und Programme zur Verfügung. Diese lassen sich nicht allein bei der Bewertung der Umweltfolgen nach § 14g Abs. 3 UVPG nutzen, sondern bereits bei der Feststellung der Prüfpflicht, soweit es auf die voraussichtlichen Umweltauswirkungen des Plans oder Programms ankommt, weiterhin beim Scoping-Prozess und beim Monitoring nach § 14m UVPG. Gerade im Meeresbereich macht sich deshalb das Fehlen der Landschaftsplanung negativ bemerkbar. Die Raumplanungsbehörden müssen deswegen die benötigten Informationen über die naturräumlichen Gegebenheiten und deren Bewertung selbst zusammentragen, was den Planungsprozess verzögert. Schon aus diesem Grund empfiehlt es sich, dass die Naturschutzbehörden der Länder ihre Kompetenz zur Landschaftsplanung auch für das Küstenmeergebiet wahrnehmen. Für die ausschließliche Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee existieren allerdings bisher, wie erwähnt, keine Vorschriften über die Landschaftsplanung. Hier besteht offensichtlich eine Regelungslücke: Das Landschaftsplanungssystem lehnt sich generell an das der Raumplanung und der Bauleitplanung an; soweit es um Landflächen und das Küstenmeer geht, gibt es durchweg parallele Vorschriften für die Gesamt- und für die Landschaftsplanung, so dass auf jeder Planungsstufe ein Gesamt- und ein naturschutzrechtlicher Plan existiert (oder existieren sollte). Nur auf diese Weise kann die Landschaftsplanung die Raum- und Bauleitplanung effektiv beeinflussen, so dass diese in der Lage ist, den Umweltschutzgrundsätzen des § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG, den Zielen „Beitrag zur Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt“ und „Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen“ in § 1 Abs. 5 Satz BauGB und den Grundsätzen des § 2 BNatSchG (i. V. mit dem entsprechenden Landesrecht) angemessen Rechnung zu tragen. Weshalb eine vergleichbare Norm über die Landschaftsplanung für die ausschließliche Wirtschaftszone fehlt, ist unklar.39) Eventuell hat man diese Besonderheit im Gesetzgebungsverfahren übersehen. Es empfiehlt sich deswegen, § 18a ROG durch eine Vorschrift im Bundesnaturschutzgesetz zu ergänzen, nach der die ökologischen Grundlagen der Raumordnungspläne für die ausschließliche Wirtschaftszone durch eine besondere Landschaftsplanung erarbeitet werden. Für eine solche Ergänzung sprechen vor allem Zweckmäßigkeitserwägungen und das (im Bereich der landbezogenen Gesamtplanung allseits akzeptierte) Erfordernis, gerade die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege mit Hilfe eines speziellen Planungsinstruments zu untersuchen. Deswegen war es nur konsequent, dass das Bundesamt für Naturschutz – auf „freiwilliger“ Basis – für die laufenden Raumordnungsplanungen in der ausschließlichen Wirtschaftszone einen solchen landschaftsplanerischen Beitrag ausgearbeitet hat.40) 4.5 Monitoring Mit der Pflicht, die erheblichen Auswirkungen zu überwachen, die die Durchführung der Raumordnungspläne auf die Umwelt hat, schreiben § 7 Abs. 10 ROG und § 14m UVPG einen wichtigen Schritt vor, der die Ex-ante-Prüfung ergänzt. Diese Aufgabe („Monitoring“) ist in der Praxis für die meisten Planarten ungewohnt. Sachlich handelt es sich allerdings um nichts gänzlich Neues: Auch bisher schon musste ja die Neuentwicklung oder Fortschreibung eines Plans eine Bestandsaufnahme einschließen, zu der es der unter anderem gehört, die tatsächlich eingetretenen Umweltauswirkungen des bisherigen Plans festzustellen und zu bewerten.41) Das Monitoring im Zusammenhang mit der strategischen Umweltprüfung dient dem Zweck, insbesondere unvorhergesehene Umweltfolgen des Plans festzustellen, damit die Behör- 39) Die Begründung zum Regierungsentwurf des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau (BT-Drs. 15/2250) geht auf die Thematik nicht ein. 40) Bundesamt für Naturschutz [2006]; s. dazu das Referat von T. Wilke in diesem Band, S. 53 ff. 41) Allerdings ist es in diesem Zusammenhang nicht immer erforderlich festzustellen, ob die Umweltauswirkungen gerade auf den bisherigen Plan zurückzuführen sind. Marine Raumplanung und IKZM den die Möglichkeit haben, ggf. Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Zudem sind seine Ergebnisse bei einer späteren Änderung oder Neuaufstellung des Plans zu berücksichtigen (§ 14m Abs. 4 UVPG; diese Anforderung bestünde aufgrund der Abwägungspflicht auch ohne eine ausdrückliche Regelung). Die Überwachung der Umweltfolgen des Plans ermöglicht es damit ebenfalls, die Methodik der Umweltprüfung zu verbessern.42) Die einschlägigen deutschen Regelungen sind bewusst unbestimmt formuliert worden, um den Behörden (oder auch den Bundesländern) Spielraum für eigene Entwicklungen zu geben.43) Die Behörde muss sich bereits bei der Erstellung des Umweltberichts Gedanken über das Monitoring machen und vor allem die Maßnahmen zusammenstellen, mit denen sie beabsichtigt, später die Umweltfolgen der Durchführung des Plans zu untersuchen. Gerade im Bereich der Raumordnung lässt sich das Instrument der Raumbeobachtung gut für diese Aufgabe nutzen. Bisher beschränkt sich die Raumbeobachtung allerdings auf Landflächen. Sie sollte deswegen auf die 12-Seemeilen-Zone und die ausschließliche Wirtschaftszone ausgedehnt werden, um auch hier ein effektives Monitoring der Umweltauswirkungen (ebenso wie der anderen Folgen des Plans) zu gewährleisten.44) Die Arbeiten nach § 7 Abs. 10 ROG lassen sich im Übrigen vereinfachen, wenn die Behörde Ergebnisse der Kontrolle von Projekten, Resultate aus der Umweltbeobachtung (§ 12 BNatSchG und Landesnaturschutzrecht) oder Monitoring-Daten anderer Behörden nutzen kann. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass die geplante Meeresstrategie-Richtlinie der EG die Mitgliedstaaten ebenfalls zur „laufenden Beurteilung des Umweltzustands ihrer europäischen Meeresgewässer“ verpflichtet (Art. 10 Abs. 1 des Entwurfs). Insgesamt empfiehlt es sich, auch im Zusammenhang mit der Raumplanung auf See ein besonderes Konzept für diese Aufgabe zu entwickeln, das vor allem die Zeitpunkte und Zeiträume der Überwachung, die geplanten Monitoring-Maßnahmen, die zur Verfügung stehenden Daten und Datenquellen, die beteiligten Behörden sowie die Zusammenarbeit zwischen ihnen angibt. Die Verknüpfung des Monitoring der Raumordnungspläne mit ähnlichen Arbeiten, die in anderem Zusammen- hang stattfinden (beispielsweise mit der Beobachtung der Umweltauswirkungen von Windparks), sollte hier ebenfalls angesprochen werden. Am günstigsten ist es, dieses Konzept schon im Rahmen des ScopingAbschnitts festzulegen; je sorgfältiger es ausgearbeitet wird, desto weniger Schwierigkeiten bereitet später die Überwachung der Umweltfolgen selbst. 5 Fazit Die Pflicht zur strategischen Umweltprüfung hat für die Raumplanung vor allem zur Folge, dass die zuständige Behörde nunmehr einen Umweltbericht erstellen muss, dass das Planungsverfahren die Beteiligung der Öffentlichkeit einschließt und dass die Auswirkungen des Plans auf die Umwelt zu überwachen sind. Das neue Instrument kann die Qualität der Planung verbessern, insbesondere weil es verlangt, die Umweltbelange einerseits gebündelt, andererseits aber getrennt von anderen Belangen zu untersuchen. Auch das Monitoring hat voraussichtlich positive Wirkungen für die Umwelt. Die Prüfung führt darüber hinaus zu größerer Transparenz des Planungsprozesses und fördert zudem gerade bei der Raumplanung im Meer die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Der zusätzliche Aufwand hält sich dagegen in Grenzen, weil die Behörde die Umweltbelange bei der Raumplanung auch ohne strategische Umweltprüfung angemessen berücksichtigen muss, was selbstverständlich eine Bestandsaufnahme, die Prognose der voraussichtlichen Umweltfolgen und deren Bewertung voraussetzt. Die für die Prüfung erforderlichen Arbeiten lassen sich erheblich vereinfachen und inhaltlich unterstützen, wenn sie durch ökologische Beiträge der Landschaftsplanung unterstützt werden; bei den Plänen für die ausschließliche Wirtschaftszone hat das Bundesamt für Naturschutz dementsprechend bereits einen solchen Beitrag erarbeitet. Es ist nach wie vor wichtig, die Methodik der Prognose und Bewertung der Umweltfolgen innerhalb der Raumplanung im Meer weiterzuentwickeln. Hierzu trägt die Umweltprüfung ebenfalls bei, unter anderem eben durch die Pflicht zur Überwachung der Umweltfolgen. Für das Monitoring empfiehlt es sich auch in Bezug auf das Küstenmeer und die ausschließliche Wirtschaftszone, insbesondere das Instrument der Raumbeobachtung zu nutzen. 42) Vgl. näher Bunge [2005], S. 124 ff., 125. 43) Bei § 7 Abs. 10 ROG folgt dies schon aus dem Umstand, dass es sich um eine Rahmenvorschrift handelt. Zu § 14m UVPG s. die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung (BT-Drs. 15/3441, S. 35); ähnlich auch – zu § 4c BauGB – die Begründung zum Regierungsentwurf des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau (BT-Drs. 15/2250, S. 46). 44) Für eine solche Erweiterung auch der Kabinettsbeschluss „Integriertes Küstenzonenmanagement in Deutschland. Nationale Strategie mit Bestandsaufnahme nach der EG-Empfehlung 2002/413/EG“ vom 22. März 2006, hrsg. vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2006, Nr. 4.8.1, S. 82. 81 82 Marine Raumplanung und IKZM Literatur Bundesamt für Naturschutz, 2006: Naturschutzfachlicher Planungsbeitrag zur Aufstellung von Zielen und Grundsätzen der Raumplanung für die deutsche ausschließlichen Wirtschaftszone der Nord- und Ostsee (erhältlich im Internet unter www.habitatmare.de/de/downloads/Planungsbeitrag_zur_Raumordnung_AWZ_2006.pdf). Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), 2006: Integriertes Küstenzonenmanagement in Deutschland. Nationale Strategie mit Bestandsaufnahme nach der EG-Empfehlung 2002/413/EG, Kabinettsbeschluss vom 22. März 2006, Bonn. Bunge, Th., 2005: Monitoring bei der strategischen Umweltprüfung, in: UVP-Report 19, S. 124 ff. Danielzyk, R., Hanebeck, K., Knieling, J. und F. Reitzig, 2003: Öffentlichkeitsbeteiligung bei Programmen und Plänen der Raumordnung, Bonn. Schriftenreihe „Forschung“ des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Nr. 113. Gündling, L., 1983: Die 200-sm-Wirtschaftszone. Entstehung eines neuen Regimes des Meeresvölkerrechts. Berlin: Springer, 370 S. Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.), 2003: Integriertes Küstenzonenmanagement in Schleswig-Holstein, Kiel. Jacoby, Ch., 2005: SUP in der Raumordnung: Positionen und Praxishinweise von ARL und MKRO. In: UVP-Report 19, S. 26 ff. Janssen, G., Albrecht, J., Sordyl, H., Koniecny, B., Wolf, F. und H. Schabelon, 2006: Anforderungen des Umweltschutzes an die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – einschließlich des Nutzungsanspruches Windenergienutzung. Forschungsvorhaben Nr. 205 16 101 im Auftrag des Umweltbundesamtes. L ambrecht, H., Kühne, R. und O. Vieth, 2002: Praxistest zur Umsetzung des UN ECE-Übereinkom­ mens über die UVP im grenzüberschreitenden Zusammenhang (Deutschland – Polen). Texte des Umweltbundesamtes 59/02, Berlin. Molitor, L., 2007: Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). In diesem Band, S.45 ff.. Richter, M., 2002: Empfehlungen für die Durchführung der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zwischen Deutschland und Polen (Deutschland als Ursprungsstaat eines geplanten Projektes). Texte des Umweltbundes­ amtes 42/02, Berlin. Salomon, M., 2007: Ein kritischer Blick auf die Europäische Meeresschutzstrategie. In diesem Band, S. 23 ff. Schmidt, C., 2006: Die Umweltprüfung in der Regionalplanung. In: P.-Ch. Storm/Th. Bunge (Hrsg.), Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung, Loseblattsammlung, Berlin 1988 ff., Lfg. 2/06, Kennzahl 5010. Schomerus, Th., Runge, K., Nehls, G., Busse, J., Nommel, J. und D. Poszig, 2006: Strategische Umweltprüfung für die Offshore-Windenergienutzung, Hamburg: Dr. Kovač, 551 S. Sommer, A., 2005: Die Strategische Umweltprüfung für ein Regionalprogramm. In: UVP-Report 19, S. 23 ff. Wilke, T., 2007: Naturschutz im Rahmen der Raumordnung in der AWZ. In diesem Band, S. 53 ff. Verfasser: Prof. Dr. Thomas Bunge Umweltbundesamt/ Technische Universität Berlin Postanschrift: Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau Marine Raumplanung und IKZM Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) in Deutschland: die nationale IKZM-Strategie Integrated coastal zone management (ICZM) in Germany Stefan Lütkes Zusammenfassung Summary Unter Federführung des Bundesumweltministeriums (BMU) ist die nationale Strategie für ein integriertes Küstenzonenmanagement formuliert worden. Nach Auffassung des BMU ist IKZM der dynamische, kontinuierliche, iterative und vom Nachhaltigkeitsprinzip geleitete Prozess der systematischen Koordination aller Entwicklungen im Meeres- und Küstenbereich, stets in den durch die natürliche Dynamik und Belastbarkeit gesetzten Grenzen. Die Strategie definiert IKZM als informellen Ansatz, der die nachhaltige und ökologisch tragfähige Entwicklung durch gute Integration, Koordination, Kommunikation und Partizipation unterstützen will. IKZM ist danach zum einen ein Prozess, der als Leitbild alle Planungs- und Entscheidungsbereiche durchdringen soll und zum anderen ein Instrument der integrierten Identifikation von Entwicklungsmöglichkeiten und Konfliktpotentialen sowie der unbürokratischen Konfliktlösung. Die Analyse der Situation an der Küste und den vorgelagerten Meeresgebieten hat gezeigt, dass durch das aktuelle Instrumente und Initiativen bereits wesentliche Teile der IKZM-Grundsätze realisiert bzw. aufgegriffen sind. Die IKZM-Strategie knüpft daran an, regt u.a. eine Reihe von weiteren Anpassungen des rechtlichen Steuerungsinstruments an und will den IKZM-Prozess durch Fortführung des Dialogprozesses fördern. Under the guidance of the Federal Environment Ministry (BMU), a national strategy for integrated coastal zone management has been formulated. According to the BMU‘s definition, ICZM is the dynamic, continuous, iterative, sustainable process of co-ordinating systematically all marine and coastal zone developments within the limits of natural dynamic processes and vulnerability. The strategy defines ICZM as an informal approach aimed at supporting a sustainable and ecologically sound development by good integration, co-ordination, communication and participation. ICZM is considered a process that should be implemented at all levels of project planning and decisionmaking, and which should serve as a tool allowing development opportunities and conflict potentials to be identified and conflicts to be solved in an unbureaucratic way. An analysis of the situation of the coasts and coastal waters has shown that certain elements of ICMZ have already been implemented or approached via available tools and initiatives. The ICZM Strategy will expand on this basis; it proposes a number of adjustments to the legal regulatory policy and will promote the ICZM process by continuing the dialogue process. 1 Hintergrund managements (IKZM) befasst. Nach Auffassung der Kommission soll IKZM dazu beitragen, „langfristig ein Gleichgewicht herzustellen zwischen den Vorteilen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Nutzung der Küstengebiete durch den Menschen, den Vorteilen des Schutzes, des Erhalts und der Wiederherstellung der Küstengebiete, den Vorteilen einer Minimierung der Verluste an menschlichem Leben und Eigentum sowie den Vorteilen des Zugangs der Öffentlichkeit zu Vor dem Hintergrund der erheblichen Bedeutung, die die europäischen Küstengebiete aus ökologischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht sowie für die Erholung besitzen, hat die Europäische Union sich seit Anfang der 1990er Jahre kontinuierlich mit der Entwicklung der europäischen Küstengebiete und den Möglichkeiten eines integrierten Küstenzonen- 83 84 Marine Raumplanung und IKZM den Küstenzonen, und zwar stets innerhalb der durch die natürliche Dynamik und Belastbarkeit gesetzten Grenzen“. Mit der Empfehlung 2002/413/EG wurden die Mitgliedsstaaten zur Auseinandersetzung mit diesem Instrument und zu einer Berichterstattung bis Februar 2006 aufgefordert. Diese Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30 Mai 2002 zur Umsetzung einer Strategie für ein Integriertes Management der Küstengebiete in Europa (2002/413/EG) bildet den Rahmen für die Entwicklung der deutschen IKZM-Strategie. Aufbauend auf einer nationalen Bestandsaufnahme werden Grundsätze für das integrierte Management der Küstengebiete und strategische Schritte entwickelt. Bestandsaufnahme, Grundsätze und Strategie bilden die Kernelemente des nationalen Berichts für ein integriertes Management der deutschen Küstenund Meeresgebiete. Diese Empfehlung ist Teil verschiedener Aktivitäten der EU zur Meeres- und Küstenpolitik; sie ist eingebettet in die strategischen Zielsetzungen der EU, die u.a. durch die Lissabon- und die Göteborg-Strategie formuliert sowie durch das Grünbuch zur EUMeerespolitik und die Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt konkretisiert werden sollen. Aus dem Gesamtkontext dieser Aktivitäten ergibt sich, dass die europäischen Küsten- und Meeresgebiete in nachhaltiger und ökosystemgerechter Weise genutzt werden sollen. 2 Die Entstehung der Strategie Auf Vorschlag von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat das Bundeskabinett am 22. März 2006 die nationale Strategie für ein Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) verabschiedet. Damit hat die Bundesregierung eine entsprechende Empfehlung der EU umgesetzt. Zur sachgerechten Erarbeitung gab das Bundesumweltministerium im Herbst 2004 ein Forschungsvorhaben in Auftrag, das vom Umweltbundesamt (UBA) unter Beteiligung des Bundesamtes für Naturschutz (BFN) durchgeführt wurde. Das Forschungsvorhaben „Nationale Umsetzungsstrategie für eine nachhaltige Entwicklung der Küstenzonen“ - EU-Forderung nach einem integrierten Küstenzonenmanagement (IKZM) (FKZ 202 16 138), hatte zum Ziel, den deutschen Bericht vorzubereiten. Auftragnehmer des Forschungs- vorhabens war das Büro BioConsult Schuchardt & Scholle GbR, Bremen. Die nationale Strategie wurde unter Berücksichtigung von Arbeiten anderer Ressorts, insbesondere des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vorbereitet. Die nationale Strategie ist in enger Abstimmung mit den Küstenbundesländern und unter Beteiligung der Öffentlichkeit und Einbeziehung aller betroffenen Akteure formuliert worden. Dazu wurde ein Arbeitskreis „Nationale IKZM-Strategie“ initiiert, zu dem verschiedene Bundesressorts, die Küstenbundesländer und betroffene Umwelt-, Wirtschafts- und Kommunalverbände gehörten. Er hat am 26. April und am 25. August 2005 getagt. Durch den Arbeitskreis konnte sichergestellt werden, dass die bestehenden Erfahrungen und bereits vorliegenden Beiträge Eingang in die nationale Strategie fanden. Dabei sind unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Vorstellungen zu einer nationalen IKZM-Strategie zwischen den beteiligten gesellschaftlichen Interessen deutlich geworden, die in der Strategie ihren Ausdruck finden und gleichzeitig die Notwendigkeit von IKZM-Prozessen unterstreichen. Der Entwicklungsprozess, die Stellungnahmen der beteiligten Akteure und das Ergebnis sind unter www.ikzm-strategie.de dokumentiert. Zu Beginn des Jahres 2006 wurde die Strategie zwischen den Bundesressorts und mit den Küstenländern abgestimmt und nach dem Kabinettsbeschluss noch im März 2006 an die EU-Kommission nach Brüssel weitergeleitet. Am 27./28. April 2006 wurde die Strategie auf einer vom Bundesumweltministerium mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz und des Umweltbundesamtes veranstalteten Tagung in Bremen der Öffentlichkeit und den betroffenen Parteien vorgestellt. 3 Die Bestandsaufnahme der Küs­ tenbereiche der Nord- und Ostsee Die Entwicklung der nationalen IKZM-Strategie beruht auf einer Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Situation der deutschen Küstenräume sowie der rechtlichen, politischen und administrativen Strukturen und Institutionen, die die Handlungsbedingungen in den Küsten- und Meeresgebieten prägen. Marine Raumplanung und IKZM Die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland widerspiegelt, und die Zusammenarbeit der Fachbehörden ist dabei in ein dichtes Netz internationaler Abkommen eingebunden, die vor allem die Schifffahrt und den Meeresschutz als nationale Grenzen überschreitende Belange regeln und die einen Rahmen für die grenzübergreifende Zusammenarbeit bieten. Mit Blick auf die Ziele eines integrierten Managements der menschlichen Aktivitäten sind in der Bestandsaufnahme die wirtschaftlichen Akteure Schifffahrt, Hafenwirtschaft, Industrie, Landverkehrsinfrastruktur, Erdöl- und Ergasförderung, erneuerbare Energien, Leitungstrassen, Sand- und Kiesgewinnung, Fischerei und Marikultur, Landwirtschaft sowie Tourismus aufgrund ihrer Bedeutung für den Meeres- und Küstenraum berücksichtigt. Als weitere relevante Aktivitäten sowie relevante Akteure und Instrumente im Küstenbereich sind der Küstenschutz, die Ordnung des Schiffsverkehrs, das Sedimentmanagement, die Abfallwirtschaft, die Verteidigung, die Siedlungs- und Regionalentwicklung, Schutzgebiete, die Bewahrung des Kulturerbes, die Ebenen und Instrumente der Raumordnung, Arbeiten der Nichtregierungsorganisationen, Bildung und Wissenschaft sowie das Monitoring und die Raumbeobachtung im Küstenbereich dargestellt. Für jeden dieser Themenbereiche werden der Status Quo sowie die Entwicklungsperspektiven und zentralen Strategien kurz charakterisiert. Nach einer Zusammenfassung des jeweils maßgeblichen rechtlichen Rahmens wird die ökonomische, ökologische und soziale Relevanz der jeweiligen Themenbereiche skizziert. Auf dieser Basis findet eine Identifizierung der zentralen Wechselwirkungen und Konflikte unter den verschiedenen Aktivitäten und Akteuren im Küstenbereich statt, deren Bearbeitung Gegenstand von IKZM-Prozessen sein sollte. Anschließend wird der aktuelle Zustand von Umwelt und Natur des deutschen Küsten- und Meeresbereichs von Nord- und Ostsee beschrieben. Als wichtigste Belastungen sind die intensive Fischerei, Schad- und Nährstoffeinträge, Umweltrisiken und Belastungen durch die Seeschifffahrt sowie raumwirksame Eingriffe zu nennen. Hinsichtlich des Eintrags von Nähr- und Schadstoffen werden sich verändernde Problemlagen und unterschiedliche Gefährdungspotentiale erkennbar. Die Veränderungen der Biodiversität in Nord- und Ostsee werden differenziert dargestellt. Durch den Klimawandel können sich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand Herausforderungen für den Küstenschutz ergeben. 4 Die IKZM-Grundsätze Die nationale Strategie versteht IKZM als informellen Ansatz, der durch gute Integration, Koordination, Kommunikation und Partizipation die nachhaltige Nutzung und Entwicklung der Meeres- und Küstengebiete unterstützen will. IKZM ist danach zum einen ein Prozess, der als Leitbild alle Planungs- und Entscheidungsbereiche durchdringen soll und zum anderen ein Instrument der integrierten Identifikation von Entwicklungsmöglichkeiten und Konfliktpotentialen sowie der Konfliktlösung. Die IKZM-Strategie verfolgt einen räumlich umfassenden Ansatz und betrachtet die Wechselwirkungen zwischen der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), dem Küstenmeer (12-sm-Zone), den Übergangsgewässern im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), den in den Ästuaren anschließenden tidebeeinflussten Abschnitten und auf dem Land den angrenzenden Landkreisen bzw. entsprechenden Verwaltungseinheiten. IKZM ist damit die einzige Ebene, die diesen funktional zusammenhängenden Raum, den Küstenbereich, in seiner Gesamtheit betrachtet (siehe Abb. 1 und 2, nächste Seite). Die nationale Strategie beruht auf den folgenden Grundsätzen: 1) IKZM soll eine nachhaltige Entwicklung des Küstenbereichs mit seinen spezifischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Eigenschaften befördern und die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung unterstützen. 2) IKZM stellt ein Leitbild für politisches und gesellschaftliches Handeln auf allen Ebenen im Küstenbereich dar und zielt darauf, die Koordination der Entwicklung des Küstenbereichs in umfassender Betrachtungsweise und durch Integration aller Belange zu verwirklichen. 3) IKZM bezieht alle relevanten Politikbereiche, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Akteure, gesellschaftlichen Gruppen und Verwaltungsebenen in den Prozess ein (Partizipation), um Entwicklungspotenziale frühzeitig zu erkennen, konsensfähige Lösungen zu identifizieren und das Konfliktmanagement zu verbessern. 4) IKZM versteht sich als kontinuierlicher Prozess, der die Phasen der Planung, Umsetzung und Evaluation von Veränderungen im Küstenbereich verbindet, um so Erfahrungen bestmöglich für die Zukunft nutzbar zu machen (Erfahrungstransfer). 85 86 Marine Raumplanung und IKZM 56° N Dänemark 55° Grenzen Festlandsockel/AWZ Küstenmeer Büsum Internationale Grenze 54° Wassertiefen Cuxhaven 0 - 10 m 10 - 20 m 20 - 30 m Norden 30 - 40 m 40 - 50 m Niederlande 50 - 60 m 4° Emden 5° 6° 7° Wilhelmshaven Bremerhaven Geodätisches Datum: WGS 84 Kartenprojektion: Mercator (54°N) 8° Abb. 1a: Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee und Küstenmeer Quelle: BSH, CONTIS-Informationssystem Abb. 1b: Übergangs- und Küstengewässer Nordsee im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Quelle: BfG, Küsten- und Übergangsgewässertypen E 9° Marine Raumplanung und IKZM 56° N Schweden Dänemark 55° Flensburg Schleswig Grenzen Grenzen Stralsund Kiel Festlandsockel/AWZ 54° Rostock Küstenmeer Küstenmeer Internationale Grenze Wassertiefen Wassertiefen 0 - 10 m0 - 10 m 10 - 20 m10 - 20 m 20 - 40 m20 - 40 m m 40 - 50 m40 - 50HAMBUR 50 - 60 m50 - 60 m 10° Greifswald Wismar Lübeck Geodätisches Datum: WGS 84 Kartenprojektion: Mercator (54°N) 11° 12° Abb. 2a: Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) der Ostsee und Küstenmeer Quelle: BSH, CONTIS-Informationssystem Abb. 2b: Küstengewässer Ostsee im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Quelle: BfG, Küsten- und Übergangsgewässertypen 13° E 14° Polen 87 88 Marine Raumplanung und IKZM 5 Analyse der Stärken und Schwächen des derzeitigen Instrumentariums körperschaften durch regionale Kooperationen, die Beteiligung an internationalen Foren und Projekten sowie durch Aktivitäten im Rahmen von lokalen Agenda-21 Projekten IKZM-Prozesse initiiert. In den vergangenen Jahren sind in Deutschland auf allen Ebenen bereits unterschiedliche Aktivitäten u.a. zur Weiterentwicklung des rechtlichen Instrumentariums in den Bereichen Raumordnung, Verfahren und Information initiiert worden, die inhaltlich für die Verwirklichung der Ziele von IKZM von erheblicher Bedeutung sind. Besonders der Bund, die Länder und die kommunalen Gebietskörperschaften haben neben der Weiterentwicklung und Anwendung des rechtlichen Instrumentariums über Forschungs- und andere Projekte dazu beigetragen, Kenntnisse und Erfahrungen mit IKZM-Prozessen zu gewinnen, das Nachhaltigkeitskonzept im Meeres- und Küstengebeit zu fördern, die Zusammenarbeit zwischen staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen und Organisationen zu verbessern sowie die Qualität des zur Verfügung stehenden Wissens weiter zu entwickeln. Von besonderer Bedeutung sind die folgenden Maßnahmen: Vor dem Hintergrund der o.g. Grundsätze werden die Ergebnisse der Bestandsaufnahme analysiert und unter Nutzung weiterer Arbeiten ein Stärkenund Schwächenprofil der gegenwärtigen Situation im Küstenbereich und der bestehenden rechtlichen Instrumentarien formuliert. Das Stärken- und Schwächenprofil macht deutlich, dass wesentliche Aspekte der IKZM-Grundsätze durch die in Deutschland auf der entsprechenden gesetzlichen Grundlage etablierte Planungspraxis in wichtigen Bereichen verwirk­ licht sind. Es wird aber auch deutlich, dass weitere Schritte zur Verbesserung der Zielerreichung auf der Planungs- und insbesondere auf der Einzelentscheidungsebene unternommen werden müssen: Der Bund hat durch die Umsetzung europäischen Rechts - besonders der Richtlinie zur Strategischen Umweltprüfung (SUP), der Wasserrahmenrichtlinie, der Erweiterung der Informationsfreiheitsgesetzte und der Natura 2000-Rechtsakte - in deutsches Recht und durch die Weiterentwicklung nationaler Regelungen (z.B. durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, die Ausdehnung der Raumordnung auf die AWZ, die Novellierung der Seeanlagenverordnung) das rechtliche Instrumentarium verbessert. In Kooperation mit den Ländern wurden und werden Programme konzipiert, die im Küsten- und Meeresgebiet Entwicklungsziele mit IKZM-Relevanz verfolgen. Hierzu gehören u.a. die nationale maritime Konferenz, die Hafenkonzeption der deutschen Seehäfen und das Havariekommando. Bedeutsam sind für das IKZM zudem die nationalen Strategien zur Nachhaltigkeit, zur biologischen Vielfalt und die Meeresstrategie sowie die Trilaterale Zusammenarbeit mit den Niederlanden und Dänemark zum Schutz des Wattenmeeres. Die Länder haben neben der Implementierung der europäischen und nationalen Rechtssetzungen in Landesrecht in den vergangenen Jahren vielfältige Aktivitäten in der Raumordnung, der Regionalentwicklung und der Entwicklung der Methoden des integrierten Küstenmanagements entwickelt, die eine Basis für das IKZM in Deutschland darstellen können. Weiterhin haben auch die kommunalen Gebiets- • Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung wird im Meeres- und Küstengebiet zunehmend thematisiert und findet auch in Rechtsakten zunehmende Berücksichtigung (z.B. ROG; Förderinstrument GAK). Er liegt auch der verstärkten Förderung regenerativer Energien durch das EEG zugrunde. Wichtige Fortschritte sind bei der Ausweisung von Schutzgebieten sowie der Reduzierung von Einträgen verschiedener umweltrelevanter Stoffe und Stoffgruppen erzielt worden. Jedoch werden Nachhaltigkeitsziele im Meeres- und Küstengebiet nur sporadisch formuliert und langfristige Entwicklungen zu wenig berücksichtigt. Negative Entwicklungen verschiedener ökologischer Parameter (z. B. schleichende Degradation) sind weiterhin festzustellen. • Das in Deutschland entwickelte abgestufte und ineinander greifende (planungs-) rechtliche Instrumentarium stellt grundsätzlich bereits geeignete Instrumente zur horizontalen, vertikalen, territorialen und zeitlichen Integration bei der Koordination der Entwicklung des Küstenbereichs zur Verfügung, das gegenwärtig durch die in Aufstellung befindliche Raumordnung in der AWZ ergänzt wird. Jedoch stellen sich Verfahren im Küstenbereich mitunter als zuwenig aufeinander abgestimmt dar und berücksichtigen Wechselwirkungen zwischen betroffenen Belangen nicht ausreichend. Partizipation und Kommunikation bei der Nutzung und Entwicklung des Meeres- und Küstengebiets sind durch die breite, frühzeitige, umfassende und gleichberechtigte Beteiligung aller relevanten Politikbereiche, wirtschaftlichen Akteure, gesellschaftlichen Marine Raumplanung und IKZM Gruppen und Verwaltungsebenen in den verschiedenen Prozesse und Verfahren durch das vorhandene rechtliche Instrumentarium und eine etablierte Praxis, die zum Teil darüber hinaus geht, grundsätzlich gegeben. Jedoch besteht ein Bedarf an erweiterter Kommunikation und Konfliktlösung auch durch informelle Beteiligungsverfahren. Der Erfahrungstransfer wird durch kontinuierliche Raumbeobachtung, Monitoringprogramme zur Umweltqualität und die Erfassung und Verfügbarkeit statistischer Daten zur sozialen und wirtschaftlichen Säule der Nachhaltigkeit gewährleistet, jedoch sind weitere Schritte, wie die der Formulierung von IKZMIndikatoren einschließlich deren Operationalisierung und Anwendung sowie die bessere Abstimmung von Monitoringprogrammen sinnvoll. schen Natur- und Umweltschutz auf der einen und der Flächennutzung (Infrastruktur, Siedlungsentwicklung, Tourismus) auf der anderen Seite. 6 Weitere Schritte der Strategie 7 Ausblick Anknüpfend an das vorhandene Instrumentarium und die bestehenden Aktivitäten sieht die nationale Strategie vier Bereiche vor, in denen weitere Schritte verfolgt werden sollen: Die nationale IKZM-Strategie ist vor dem Hintergrund des entwickelten rechtlichen Instrumentariums einerseits und der Vorbehalte gegenüber weiteren Regulierungen andererseits kleinschrittig angelegt. Der Beitrag dieser Schritte zu einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Entwicklung des Meeres- und Küstengebiets wird von der weiteren Ausgestaltung des IKZM-Prozesses abhängen. 1) die weitere Optimierung des rechtlichen Instrumentariums entsprechend den IKZM-Grundsätzen; 2) die Schaffung der Voraussetzungen zur Fortführung des Dialogprozesses; 3) die Initiierung und Durchführung von „best practice“-Projekten und ihre Evaluation; 4) die Entwicklung und Anwendung von IKZM-Indikatoren. Die Umsetzung der nationalen Strategie wird insbesondere bei der Optimierung des vorhandenen Instrumentariums im Sinne der IKZM-Grundsätze durch den Bundes- bzw. die Landesgesetzgeber als „Top down“-Ansatz verfolgt werden müssen. Weiterhin werden Bund und Länder Ressourcen und Kommunikationsplattformen bereitstellen und Koordinierungsaufgaben übernehmen müssen. Daneben wird ein weiterer Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit im Sinne des „bottom up“ von staatlichen Institutionen mit örtlichen und regionalen gesellschaftlichen Akteuren liegen. Die Lang- und Kurzfassung der Nationalen IKZMStrategie ist im Internet verfügbar unter: www.ikzm-strategie.de. Hierdurch sollen jedoch keine neuen bürokratischen Hürden aufgebaut werden. Im Gegenteil – durch Initiierung einer breit angelegten Partizipation wird eine Beschleunigung der Problemlösung angestrebt, da Konflikte frühzeitig erkannt, diskutiert und ausgeräumt werden können. Aus der Bestandsaufnahme lassen sich aktuelle Handlungsfelder ableiten, auf die sich IKZM- Aktivitäten in den nächsten Jahren z.B. im Rahmen von „best practice“-Projekten fokussieren sollten. Dies sind vor allem, die vertiefte Analyse von ökologischen, ökonomischen und sozialen Trends im Meeres- und Küstengebiet vor dem Hintergrund der angestrebten nachhaltigen Entwicklung, die Koordinierung der Offshore-Nutzungen, die Reduzierung des Flächenbedarfs durch verträgliche Mehrfachnutzung, die Möglichkeiten vermehrter Kooperation in der Hafenwirtschaft, die Herausforderungen im Rahmen des Küstenschutzes sowie die Zielkonflikte zwi- Anschrift des Verfassers: Dr. Stefan Lütkes Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Robert-Schuman-Platz 3 53175 Bonn 89 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Histopathologische Aspekte zur akustischen Belastung von Schweinswalen Histopathological aspects of acoustic impacts on harbour porpoises Susanne Prahl und Ursula Siebert Zusammenfassung Über den Einfluss von anthropogenem Unterwasserlärm auf die marine Fauna ist bislang wenig bekannt. Das liegt vor allem an der Schwierigkeit, bei Säugern pathologisch monokausale Zusammenhänge mit Unterwasserschallereignissen herzustellen. Darüber hinaus kommt erschwerend hinzu, dass diese einen dreidimensionalen Lebensraum nutzen, dessen akustische Eigenschaften erheblich von denen landlebender Säugetiere/Menschen abweichen. Der prinzipiell ähnliche Aufbau des Walinnen- und mittelohres sowie wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden aus der humanen HNO-Heilkunde erlauben es, daraus ableitend Grundlagenwissen zu schaffen, welches die Voraussetzung für die Beurteilung von Veränderungen darstellt. Dieses Basiswissen ist notwendig, will man aktuelle Geschehnisse z.B. bezüglich der Massenstrandungen von Walen im Zusammenhang mit Verlärmungen (Militäreinsatz von Sonar, Einsatz von “Pingern“ in der Fischerei) untersuchen. Im Rahmen eines vom BMVEL geförderten Projekts wurden diesbezüglich erstmals Mittel- und Innenohren von 28 Schweinswalen in Deutschland beprobt. Von August 2002 bis Juli 2005 wurden Gehörorgane von versehentlich beigefangenen oder gestrandeten Schweinswalen histopathologisch analysiert. Wichtige Grunddaten zur generellen Morphologie der Innenund Mittelohren bei Schweinswalen konnten erfasst werden. In keinem bisher untersuchten Tier wurden intravitale Atrophien von Sinneszellen des Corti-Organs nachgewiesen, demzufolge keine Indizien für akustische Schäden vorlagen. Darüber hinaus wurden verschiedene Veränderungen gefunden, z.B. parasitärer Befall, und damit vermutlich assoziierte entzündliche Reaktionen. Inwiefern der Parasitenbefall die Hörfähigkeit einschränkt, ist noch unklar. Andere, möglicherweise lediglich als natürliche morphologische Varianten zu betrachtende Veränderungen wie Zustandsänderungen des akustischen Fetts, reduzierter Hörnerv, Weichgewebseinlagerungen sollten durch weiterführende Untersuchungen eines größeren Stichprobenumfangs analysiert werden. Um den Faktor Lärm auf marine Säuger beurteilen zu können, muss es Anliegen bleiben, den gesamten Organismus und verschiedene auftretende Veränderungen, wie z.B. durch parasitären Befall hervorgerufen, zu betrachten. Summary Little is known about the impact of anthropogenic waterborne noise on the marine fauna. This is mainly due to problems in finding direct pathologic correlations with underwater noise in marine mammals. Additionally, marine mammals inhabit a three-dimensional environment with different acoustic characteristics, compared to the airborne habitats of terrestrial mammals/humans. Basic knowledge can be derived from the similarity of the cetacean inner and middle ear and from scientific methods and findings of human otolaryngology. This is a major requirement in order to detect and evaluate pathologies. It is also important to understand and evaluate the possible impact of noise in the occurrence of mass strandings or with regard to by-catches (e.g. military use of sonar, use of pingers in fisheries). From 2002 to 2005, for the first time, the ears of 28 harbour porpoises were examined in Germany under this aspect. The study was funded by the BMVEL. The ears of incidentally by-caught or stranded animals were sampled and analysed histopathologically. Important morphologic basic data of the middle and inner ear were collected. None of the animals had intravital atrophies of sensory cells of the organ of Corti. However, several pre-mortem changes were found. These comprised parasitic infestations, and, inflammatory reactions, either of which may be the cause of the other. The pathology, however, is still unknown. Even the effects of commonly found parasites on hearing are still unknown. Additional changes in the acoustic fat of the lower jaw, a reduced 8th cranial nerve and soft tissue deposits, among others, should also be investigated and analysed based on a larger sample. However, examinations of the whole animal are essential, and some inner or middle ear conditions and their causes (infections, parasitic infestations) are best understood in the context of an assessment of the condition of the whole animal, which may reveal other tissues with correlated disease or trauma. 93 94 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Wale sind zur Orientierung, zur Nahrungssuche, aber auch zur Kommunikation mit Artgenossen unter Wasser wesentlich auf ihre auditiven Fähigkeiten angewiesen. Das Empfangen und auch Aussenden von Lauten ist für Wale lebenswichtig. Im Laufe von ca. 50 Millionen Jahren haben sie, von landlebenden Säugern abstammend, erstaunliche Anpassungen an den aquatischen Lebensraum entwickelt. Dazu gehört die hochentwickelte Fähigkeit, Ultraschalllaute zu erzeugen und wahrzunehmen und diese zur Orientierung (Echolokation) zu nutzen. Der Aufbau des Innenohres eines Wals entspricht prinzipiell dem landlebender Säuger. Es hat eine Kochlea, ein Corti-Organ mit inneren und äußeren Haarzellen auf einer Basilarmembran, sowie endo- und perilymphatische Flüssigkeitskompartimente. Artspezifische morpho-metrische Unterschiede in Teilen der Strukturelemente von Innenohr und Gehörknöchelchen werden diskutiert als Folge einer Habitatanpassung (Ketten [1992, 2000]). Wale sind natürlichen Lärmquellen meteorologischer und geologischer Natur (z.B. Wind, Wellen, Sturm, Erdbeben, Eisbewegung) ausgesetzt. Im Laufe der kulturellen Entwicklung der Menschen und der damit einhergehenden Nutzung der Meere sind Lärmquellen hinzugekommen, deren Anzahl und Vielfalt seit Beginn der industriellen Revolution vor mehr als 150 Jahren nochmals durch erheblich gesteigerte wirtschaftliche Nutzung der Meere gewachsen ist. Große Teile der Weltmeere sind heute konstant verlärmt. Wachsende Nutzung der Meere durch Schiffsverkehr, Fischerei, Militär, Seismik, Förderung von Erzen, Öl, Kies und Sand, Forschung und freizeitlichen Aktivitäten sowie gegenwärtig der Bau und Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen führen zwangsläufig zu noch stärkerem Hintergundlärm oder gar akuter unmittelbarer Lärmbelastung (McDonald et al. [2006]). Langfristige Folgen für die marine Umwelt sind bisher nur schwierig oder gar nicht abschätzbar. Schwierig erweist sich dabei die Bewertung von hohen Schalldrücken im aquatischen Medium für das Innenohr von Walen. Dabei kommt auch zum Tragen, dass sich Schall unter Wasser im Vergleich zur Luft mit erheblich größerer Geschwindigkeit ausbreitet (Luft: 340m/s vs Wasser: 1440m/s). Aus der humanen HNO-Heilkunde sind durch zahlreiche Studien Klassifizierungen hinsichtlich des Schalldruckpegels und der Einwirkdauer sowie der zu erwartenden Schäden im Innenohr möglich und nachweisbar: • Knalltrauma: definiert durch eine Impulsdauer von weniger als 2 ms, mit einer Schalldruckspitze von mehr als 150 dB. Folgen: Einrisse in der Basilarmembran, Lösen der Tip-Links an den Stereozilien der Haarzellen, Zerstörung der äußeren Haarzellen. • Explosionstrauma: definiert durch eine Impulsdauer von mehr als 2 ms, mit einer Schalldruckspitze von mehr als 150 dB. Folgen: Zerreißung des Trommelfells, Luxation/Fraktur der Ossikel (Gehörknöchelchen), Einblutung in die Paukenschleimhaut, Zerstörung der Haarzellen, Basilarund Reissnermembran. • Akutes Lärmtrauma: definiert durch eine Impulsdauer von erheblich mehr als 2 ms, mit einer Schalldruckspitze von mehr als 150 dB. Folgen: zunächst TTS (temporäre Hörschwellenabwanderung, d.h. zeitweilige Vertäubung), Untergang der äußeren Haarzellen, wobei es sich hierbei um physiologische, nicht um mechanische Schäden der Sinnes- oder Stützzellen handelt. • Chronisches Lärmtrauma: definiert durch eine lange Impulsdauer (Monate, Jahre), mit einer Schalldruckspitze von mehr als 85 dB. Folgen: zunächst TTS, beginnende Schwerhörigkeit, Degeneration zunächst der äußeren Haarzellen, dann der inneren Haarzellen. (Strutz /Mann [2001]). Studien an Tiermodellen belegen eine Korrelation zwischen lärminduziertem TTS und strukturellen Änderungen im Corti-Organ. Dies sind im Wesentlichen eine veränderte Anordnung der Stereozilien, Schwellungen afferenter Nervenfasern und Verformungen der Stützzellen. Jedoch findet sich keine Konsistenz in diesen pathologischen Veränderungen, so dass der Mechanismus für TTS unklar bleibt (Kluge et al. [2007]). Inwieweit Korrelationen aus dem humanen HNO-Bereich zu möglichen Einwirkungen von Schall auf Wale möglich sind, bleibt bisher völlig unklar. Die Sensitivität für dieses Thema jedoch hat an Interesse derzeit und in der jüngsten Vergangenheit deutlich gewonnen. Vermehrt sind in den letzten Jahren Massenstrandungen dokumentiert worden, die in zeitlich und räumlich engem Zusammenhang mit starkem Lärmeintrag, zumeist militärischem Sonareinsatz (~235 dB re: 1 µPa @ 1 m), vorkamen (Cox et al. [2006], Dinter [2003]). Dabei sind nicht nur tief tauchende Schnabelwale betroffen. Massenstrandungen von flach tauchenden Arten wie dem Schweinswal sind in jüngster Vergangenheit vorgekommen. 2003 kam es im Mai nach einer militärischen Übung der US amerikanischen USS „Shoup“ zwischen Vancouver Island und San Juan Island unter Einsatz eines sogenannten mittelfrequenten Sonars noch am selben Tag zu einer Strandung von 15 Schweinswalen. Auffällige Verhaltensänderungen dieser und anderer marinen Arten wurden von Augenzeugen beobachtet (Norman et al. [2004]). Was aber genau zur Strandung führt und welche Vorgänge ursächlich zum Tode führen, ist ebenfalls unklar. Es gab keine eindeutigen Hinweise auf Einwirkungen durch akustisches Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Trauma. Da viele der untersuchten Kadaver einen mäßigen bis schlechten Erhaltungszustand hatten, d.h. sich in fortgeschrittener Verwesung befanden, wollten die Autoren aber die Möglichkeit eines akustischen Traumas durch den Einsatz des mittelfrequenten Sonars als beitragenden Faktor der Sterblichkeit nicht ausschließen. Der oben geschilderte Fall ist typisch für die Schwierigkeiten, dieser Frage näher zu kommen. Problematisch bei der Suche nach Ursachen ist der Wettlauf gegen die Zeit, d.h. in den weit überwiegenden Fällen sind die gestrandeten Tierkadaver zum Zeitpunkt der Beprobung bereits in der Verwesung fortgeschritten, so dass eine systematische histopathologische Untersuchung sämtlicher Organsysteme kaum mehr möglich ist. Ausnahmen haben interessante neue Befunde zu Tage befördert: Fernández und Kollegen [2005] untersuchten 14 Schnabelwale, die vor den Kanarischen Inseln am 24. September 2002 nahe einer internationalen Marineübung auf der „Neo Tapon“ strandeten. Die Strandungen begannen etwa 4 Stunden nach Beginn des mittelfrequenten Sonareinsatzes. 6 Tiere waren so frisch, dass komplette Sektionen vorgenommen werden konnten. Diese Tiere zeigten hochgradige, diffuse Stauungen der Gefäße und deutlich verbreitete perivaskuläre Blutungen kleinerer Gefäße, assoziiert mit Fettembolien vitaler Organe, z.B. der Lunge. Zusätzlich waren Gasblasen in mehreren Organen zu finden. Es wurden keine entzündlichen Prozesse oder pathogener Befall von Bakterien festgestellt, die diese Blasen hätten hervorrufen können. Wie es genau zu diesen Veränderungen kommt, ist bisher unklar. Die Autoren vermuten aber, dass die Blasenbildung durch zu schnelles Auftauchen begünstigt wird (Jepson et al. [2003]). Dies sei ähnlich den Symptomen der Taucherkrankheit, bei der gelöster Stickstoff durch zu schnelles Auftauchen in den gasförmigen Zustand übertritt, bevor er die Lunge erreicht. Dies kann bei Menschen sehr schmerzhaft und lebensbedrohlich werden. Hierdurch kommt es zu Schäden in sämtlichen Körpergeweben. Nur durch erneute, und vor allem rasche Kompression kann Stickstoff wieder gelöst und über die Lunge abgeatmet werden und so Linderung bringen. Bis heute ist nichts über die chemische Zusammensetzung der Gasblasen oder der genauen Entstehung bekannt. Neuere experimentelle Untersuchungen mit Leber- und Nierengewebe vom Schwein deuten aber darauf hin, dass es in übersättigten Geweben und Blut zu Blasenbildung kommt, die extensivere Formen annimmt, wird das Gewebe mit Ultraschall bestrahlt (Crum et al. [2005]). Gezielter Einsatz von Lärm im Meer soll im Zusammenhang mit der neuen EU-Verordnung Nr. 812 den Rückgang hoher Schweinswalbeifangzahlen bewirken. Anlass waren erschreckend hohe Zahlen vor allem in der Grundstellnetzfischerei der dänischen Nordsee, die für 1992 und 1993 7.000 Tiere per anno auswiesen (Vinther [1997], Larsen [1999]). Ähnlich hohe Zahlen wurden für 1994 bis 1998 errechnet (Vinther [1999]). Versuche mit Geräten zur akustischen Abschreckung (Pingern) zeigten die erhoffte Wirkung, Schweinswale blieben signifikant den Netzen fern (Larsen [1999], Krause [1997], Laake et al. [1998], Trippel et al. [1999], L arsen et al. [2002], Barlow and Cameron [2003]). Diese Methode ist bis heute die Erfolg versprechendste, um Schweinswalbeifänge erheblich zu reduzieren. Fraglich sind dabei mehrere Aspekte: werden Schweinswale nur vorübergehend vertrieben oder bedeutet der flächendeckende Einsatz von Pingern Habitatverlust? Gibt es Gewöhnungseffekte, die die Pinger irgendwann wirkungslos machen (Habitation)? Hat der nun gewollte, zusätzliche Einsatz von Lärm negativen Einfluss auf die innerartliche Kommunikation (Maskierung) oder gar auf das Hörvermögen an sich (chronische oder akute Vertäubung bzw. Hörschäden)? Um der letztgenannten Frage nachzugehen, fanden im Rahmen eines vom BMVEL geförderten Projekts (514-33.29/01HS089) erstmals Untersuchungen an Innenohren von 28 Schweinswalen in Deutschland statt. Von August 2002 bis Juli 2004 wurden Gehörorgane von versehentlich beigefangenen oder gestrandeten Schweinswalen aus deutschen und angrenzenden dänischen Gewässern der Nord- und Ostsee beprobt, sowie computertomographisch und histopathologisch untersucht. Um das Innenohr auf Lärmschäden hin beurteilen zu können, ist dabei von entscheidender Bedeutung, unverzüglich nach Eintritt des Todes entsprechend frische Proben zu entnehmen. Äußere Faktoren wie Wasser und Lufttemperatur können sich dabei positiv oder negativ auf den Erhaltungszustand auswirken. Das angepeilte Ziel, Tiere aus Netzen mit Pingern Tieren aus Netzen ohne Pingern bzw. gestrandeten Tieren gegenüberzustellen, konnte nicht erreicht werden. Während des Zeitraums der Beprobung sind durch starke Rückgänge des Dorschbestandes in der Nordsee (2000 bis 2002) erheblich weniger Fischereifahrzeuge mit Grundstellnetzen eingesetzt worden. Ein positiver Effekt waren die erheblich reduzierten Beifangzahlen. Damit ergaben sich jedoch weniger Möglichkeiten, entsprechende Tiere der Untersuchung zuzuführen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann also keine Einschätzung zur Belastung der Innenohren bei Schweinswalen durch Pinger vorgenommen werden. Die Untersuchungen haben darüber hinaus wertvolle Hinweise zu morphologischen Aspekten geliefert, sowie pathologische Befunde, die im Folgenden beschrieben werden. 95 96 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Abb. 1: P.p. 1931, Normales Corti-Organ mit leichter Biegung der Basilarmembran, hervorgerufen durch Überentkalkung, 200fache Vergrößerung Abb. 2:P.p. 2473, Corti-Organ linkes Ohr. Nuklei der äußeren Haarzellen unter den Stereozilien (Pfeile). 1: Tektorialmembran, 2: Innerer Tunnel, 3: Nuelscher Raum, umgeben von äußeren Pfeilerzellen, 4: Basilarmembran, 5: Innere Haarzellen, 1000fache Vergrößerung Abb. 3:P.p. 2364. Parasiten (Stenurus minor, Pfeile) im Mittelohr. Tympanikum am unteren Rand, 400fache Vergrößerung Abb. 4:P.p. 2367, Einige dichtere und möglicherweise geschrumpfte Spiralganglionzellen (Zellen), 200fache Vergrößerung Abb. 5:P.p. 2364, Bacilli in der Scala tympani, 1000fache Vergrößerung Abb. 6: P.p. 2364, Eingekapselte, spiralige Erstlarvenstadien von Stenurus minor, 400fache Vergrößerung Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Die bestfixierten Innenohren hatten zumeist ein intaktes Erscheinungsbild (Abb. 1, 2). Das Corti-Organ, Stützzellen, Basilar-, Tektorial- und Reissnermembran sowie Stria vascularis und Spiralligament waren ohne Befund. Ein häufiges Erscheinungsbild sind parasitisch lebende Nematoden im Mittelohr (Abb. 3 und 6). Im Falle der Schweinswale ist bisher lediglich eine Art, Stenurus minor, bekannt. Über den Lebenszyklus dieses Nematoden weiß man nur wenig. Hier konnte neben dem adulten Habitus das spiralige Stadium der Erstlarven dokumentiert werden. Etwa zwei Drittel der Ohrproben (64 %) waren parasitär belastet. Welche Bedeutung der Befall für die Orientierung oder den Hörsinn hat, ist ebenfalls unklar. Die Beurteilung der Spiralganglionzellen (Abb. 4) kann durch autolytische Vorgänge dahingehend erschwert werden, dass z.B. typische Schrumpfungen und stärkere Anfärbbarkeit der Perikaryen lediglich Artefakte und keine pathologischen Veränderungen darstellen. Hier ist es wichtig, das gesamte Präparat zu betrachten und den Gesamtzustand bei der Bewertung mit zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind Spezialfärbungen hilfreich. Auch der massive Befall von Stäbchenbakterien in zwei Proben (Innen- bzw. Mittelohr; s. Abb. 5) deutet nicht unmittelbar auf ein prämortales Geschehen hin. Sind keine Entzündungszellen anwesend, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es sich dann vermutlich um postmortale Veränderungen handelt. Keines der untersuchten frischen Tiere zeigte Atrophien der Sinneszellen des Corti-Organs oder Zeichen neuronaler Degeneration. In einem Tier jedoch zeigte das CortiOrgan über eine Länge von 2,2 mm einen Verlust von inneren Haarzellen in der oberen Windung der Kochlea (Abb. 7 bis 9). Dieser Verlust kann als nekrotische Veränderung angesehen werden, die möglicherweise ursächlich mit Sauerstoffarmut in Verbindung zu bringen ist, d.h. mangelnder Blutzufuhr (Ischämie) oder schlechter Sauerstoffversorgung des Blutes (Asphyxie). Experimentelle Untersuchungen an Chinchillas haben ergeben, dass äußere Haarzellen die ersten Sinneszellen sind, die durch Lärm geschädigt werden, während innere Haarzellen durch Ischämie degenerieren (Bohne [1976]). Im Falle der Schweinswale ist in Betracht zu ziehen, dass das betreffende Tier als Beifang verstarb und dass der Verlust der inneren Haarzellen wahrscheinlich auf den Todeskampf im Netz zurückzuführen ist. Abbildung 10 zeigt den intakten Zustand des Petro-Tympanikums mit seiner Aufhängung im peribullären Raum mittels CT-Aufnahme. Mittelohr und Gehörknöchelchen haben ebenfalls ein normales Erscheinungsbild Abb. 11 zeigt beispielhaft eine Weichgewebseinlagerung, die möglicherweise eine verminderte Schallweiterleitung zur Folge hat. Fig. 7: P.p. 2367, Corti-Organ in Schnitt Nr. 371, Vergr. 1000fach, mit äußeren Haarzellen (schwarze Pfeile) und fehlenden inneren Haarzellen (roter Pfeil) Fig. 8: Pp. 2367, Corti-Organ in Schnitt Nr. 381, Vergr. 1000fach, mit äußeren Haarzellen (schwarze Pfeile) und fehlenden inneren Haarzellen (roter Pfeil) Fig . 9: P.p. 2367, Corti-Organ in Schnitt Nr. 391, Vergr. 1000x, mit äußeren Haarzellen (schwarze Pfeile) und fehlenden inneren Haarzellen (roter Pfeil) 97 98 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Untersuchungen durchzuführen. Man muss die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass diejenigen Befunde, die jetzt zur „Gas Bubble Mechanism Theory“ geführt haben, bereits vorher aufgetreten sind, aber eventuell nicht im Zusammenhang mit akustischen Ursachen gesehen wurden. Problematisch dabei ist neben der noch unklaren Ätiologie dieses Phänomens, dass noch weitere Fragen offen sind, z.B. über die chemische Zusammensetzung des Gases. Fig. 10: P.p. 2431, rechtes Ohr, intakte suspensorische Ligamente (blauer Pfeil), Stapes (pink), akustisches Fett (gelb) und VIII. Nerv (orangefarbener Pfeil) Fig. 11:P.p. 2428, Weichgewebe medial und hinter dem Petrotympanikum (Bulla) (eingekreistes Areal). Dies kann einen Zustand darstellen, der das Hören beeinträchtigt, wenn das Weichgewebe akustische Fettkörper ersetzt, die mit der Schallwahrnehmung assoziiert sind Schlussfolgerung Um die pathologischen Auswirkungen von Lärm auf marine Säuger einschätzen zu können, sind mehrere Ansätze vonnöten. Die jüngsten Veröffentlichungen zeigen, dass es hinsichtlich organischer Untersuchungen von enormer Bedeutung ist, nicht nur einzelne Aspekte wie den Gehörsinn separat zu betrachten, sondern zu versuchen, ganzheitliche In Bezug auf die Untersuchung von Innenohren von 28 Schweinswalen in deutschen und dänischen Gewässern sind bisher keine Anzeichen für akustische Schäden in Innenohren nachweisbar. Versehentlich beigefangene Tiere aus mit Pingern bestückten Netzen waren bisher nicht für Untersuchungen zugänglich. Die untersuchten Schweinswale sind Wildtiere, über deren Lärmexposition keine genauen Angaben gemacht werden konnten. Dies ist jedoch möglich, wenn beigefangene Schweinswale aus Netzen, die mit Pingern versehen sind, beprobt werden können. Alternative Lärmquellen können nicht berücksichtigt werden. Eine bestimmte Lärmquelle kann nur dann detektiert werden, wenn unter kontrollierten Bedingungen entsprechende Schäden im betreffenden Frequenzbereich mit statistisch signifikanten Vorkommen nachgewiesen werden können. In diesem Fall müssen Tiere aus Netzen mit Pingern verglichen werden mit Tieren, die nicht pingerexponiert gewesen sind. Die neue EU-Verordnung 812 verpflichtet zum Einsatz dieser Geräte mit genauen technischen Vorgaben in der EU-Fischerei. Hier können Zusammenhänge hergestellt werden, da das Spektrum der Pinger (Schalldruck, Frequenzbereich) bekannt ist. Es ist erfreulich, dass in Deutschland Untersuchungen in diesem Bereich begonnen werden konnten. Auch wenn zur Zeit noch keine greifbaren Ergebnisse und demzufolge Erkenntnisse zum Einsatz von Pingern hinsichtlich einer Lärmbelastung vorliegen, so wurde eine wesentliche wissenschaftliche Grundlage geschaffen, auch zum Vergleich mit noch folgenden Daten. Eine langsam wachsende Zahl europäischer wissenschaftlicher Einrichtungen nutzen nun die Möglichkeit, hier ebenfalls Proben der Untersuchung zuzuführen. Es besteht somit die Möglichkeit, größere Datensätze zu erstellen und zu robusteren Ergebnissen zu kommen. Um Veränderungen im Innen- bzw. Mittelohr von Schweinswalen (Parasitenbefall, Infektionen) und ihre Entstehung besser zu verstehen, sowie akustisch verursachte Beeinträchtigungen, Schäden bzw. Zusammenhänge dieser oder auch anderer Veränderungen zu erkennen (kumulative Effekte?), ist es darüber hinaus hilfreich, aus der humanen HNOHeilkunde entsprechende Methoden zu adaptieren. Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Es gibt derzeit Anstrengungen, das Sektionsprotokoll international zu überarbeiten, so dass die oben genannten Aspekte im Hinblick auf lärminduzierte Veränderungen verstärkt berücksichtigt werden. Dennoch ist es von Wichtigkeit und allgemein angestrebt, die gesetzten Schwerpunkte in der Untersuchung nicht so zu fokussieren, dass die Gesamtbeurteilung des Gesundheitszustands eines Individuums vernachlässigt wird. Um den Faktor Lärm auf marine Säuger beurteilen zu können, muss es Anliegen bleiben, den gesamten Organismus und verschiedene auftretende Veränderungen, wie z.B. durch parasitären Befall hervorgerufen, zu betrachten. Danksagung Hier gilt der besondere Dank den Kollegen, die bei der Erstellung der Ergebnisse mitgearbeitet haben: Julie Arruda, Darlene Ketten, Eva Kuhn, Jennifer O’Malley. Diese Studie wurde gefördert vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernähung (BLE) unter #514-33.29/01HS029. Ihre Ergebnisse werden vom BMELV zur Verbesserung und Entwicklung von Schutzmaßnahmen für Kleinwale gegen akustische Einflüsse mit gefährlichem Potential verwendet. Literatur Barlow, J. and G.A. Cameron, 2003: Field Experiments show that acoustic pingers reduce marine mammal bycatch in the California drift net fishery, Marine Mammal Science, Vol. 19(2), 265-283. Bohne, B.A., 1976: Mechanisms of Noise Damage in the Inner Ear. In: Effects of Noise on Hearing. Eds: D. Henderson, R.P. Hamernik, D.S. Dosanjh, J.H. Mills. New York: Raven Press, pp. 41-68. Cox, T.M., T.J. Ragen, A.J. Read, E. Vos, R.W. Baird et al., 2006: Understanding the impacts of anthropogenic sound on beaked whales. J. Cetacean Res. Manage., 7(3), 177-187. Crum, L.A., Bailey, M.R., Guan, J., Hilmo, P.R., K argl, S.G., and T.J. Matula, 2005: Monitoring bubble growth in supersaturated blood and tissue ex vivo and the relevance to marine mammal bioeffects. JASA, ARLO, 6(3), 214-220. Dinter, W., 2003: Auswirkungen von anthropogenem Unterwasserschall auf Meerssäugetiere. In: Meeresumwelt-Symposium 2003, herausgegeben vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz im Auftrag des BMU. 115-127. Fernandez, A., J.F. Edwards, F. Rodriguez, A. Espinosa de los Monteros, P. Herráez, et al., 2005: Gas and Fat Embolic Syndrome. Involving a Mass Stranding of Beaked Whales (Family Ziphiidae) Exposed to Anthropogenic Sonar Signals. Vet. Path., 42, pp. 446-457. McDonald, M.A., J.A. Hildebrand and S.M. Wiggins, 2006: Increases in deep ocean ambient noise in the Northeast Pacific west of San Nicolas Island, California. JASA, 120 (2), 711-718. Jepson, P.D., M. Arbelo, R. Deaville, I.A.P. Patterson, P. Castro, et al., 2003: Gas-bubble lesions in stranded cetaceans. Nature, Vol. 425, pp. 575576. Ketten, D.R., 1992: The Marine Mammal Ear: Specializations for Aquatic Audition and Echolocation. In: The Evolutionary Biology of Hearing. Eds.: Webster, Fay, Popper. New York: Springer, pp. 717-750. Ketten, D.R., 2000: Cetacean Ears. In: Hearing by Whales and Dolphins. Eds: Whitlow, W.L. Au, Arthur N. Popper, Richard, R. Fay. New York: Springer. Springer handbook of auditory research, 12, pp. 43-108. Kluge, K.L., G.W. Harding and B.A. Bohne, 2007: High-Frequency Noise-Induced TTS Correlates with Outer-Pillar-Pathology. Association for Research in Otolaryngology, Midwinter Meeting, Denver, 10th - 15th Feb. 2007, 113 pp. Kraus, S.D., A.J. Read, A. Solow, K. Baldwin, T. Spradlin et al., 1997: Acoustic alarms reduce porpoise mortality. Nature, Vol. 388 (6642), S. 525. L aake, J., D. Rugh, and L. Baraff, 1998: Observations of harbor porpoise in the vicinity of acoustic alarms on a set gill net. U. S. Dep. Commer., NOAA Tech. Memo. NMFS-AFSC-84, 40 pages. L arsen, F., 1999: The effect of acoustic alarms on the by-catch of harbour porpoises in the Danish North Sea gill net fishery. Paper SC/51/SM41, Scientific Committee of the IWC, 8 Seiten. L arsen, F., M. Vinther, and C. Krog, 2002: Use of pingers in the Danish North Sea wreck fishery. IWC/SC/54/SM32 presented to the IWC Scientific Committee, April 2002, Shimonoseki, Japan, unpublished. Norman, S.A., S. Raverty, B. McLellan, A. Pabst, D. Ketten et al., 2004 : Multidisciplinary investigation of stranded harbor porpoises (Phocoena phocoena) in Washington State with an assessment of acoustic trauma as a contributory factor (2 May – 2 June 99 100 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 2003), U.S. Department of Commerce, NOAA Technical Memorandum NMFS-NWR-34, October 2004. Strutz, J. und W. Mann (Hrsg.), 2001: Praxis der HNO-Heilkunde. Kopf- und Halschirurgie. Stuttgart: Thieme, 1-1071. Trippel, E.A., M.B. Strong, J.M. Terhune, and J.D. Conway, 1999: Mitigation of harbour porpoise (Phocoena phocoena) by-catch in the gillnet fishery in the lower Bay of Fundy. Can. J. Fish. Aquat. Sci., Vol. 56(1), 113-123. Anschrift der Verfasserinnen: Susanne Prahl Dr. Ursula Siebert Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ) Universität Kiel Werftstr. 6 25761 Büsum Vinther, M., 1997: Incidental catch of harbour porpoise (Phocoena phocoena) in Danish North Sea Gillnet Fisheries. Quality status report. Proceedings of the Scientific Symposium on the North Sea 1993, Ebeltoft, April 1994, Eds.: Danish Environmental Protection Agency, Ministry of Environment and Energy. Vinther, M., 1999: By-catches of harbour porpoises (Phocoena phocoena, L.) in Danish set-net fisheries. J. Cetacean Res. Manage., Vol. 1(2), 123135. Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Beifang von See- und Wasservögeln in Stellnetzen der Küstenfischerei der Ostsee Bycatch of seabirds and waterfowl in set nets of Baltic Sea coastal fisheries Frithjof Erdmann Zusammenfassung Summary See- und Wasservögel können zum Beifang bestimmter Fischereiformen werden, in der Ostsee vor allem bei der Stellnetzfischerei (am Grund oder pelagisch gestellt). Aus den meisten Ländern ist dazu Material verschiedener Qualität verfügbar, hier werden Beiträge aus Deutschland, Polen, Litauen und Schweden ausgewertet. Ergänzend wurden von B. Schirmeister 1989–2005 gesammelte Daten (bisher teilweise unveröffentlicht) aus den Küstengewässern vor Usedom (Pommersche Bucht) analysiert. Seabirds and waterfowl may become bycatch in certain forms of fishing, in the Baltic Sea mostly in drift and set net fisheries using gillnets and trammel nets. Information of different quality is available on this subject from most countries, but here we have analysed the contributions from Germany, Poland, Lithuania, and Sweden. Additionally, data from coastal fisheries off the island of Usedom (Pomeranian Bay, NE Germany) collect by B. Schirmeister in 1989–2005 are analysed. Stellnetze sind gefährlich sowohl für Fisch fressende Vögel als auch für Entenarten, die ihre Nahrung am Gewässergrund finden. Die meisten Opfer entlang der südlichen Ostseeküste sind Eisenten, die hier überwintern. Auch Samt- und Trauerente, gebietsweise auch Eider- und Bergente gehören zu den häufig betroffenen Arten. Die spezifische Gefährdung ist allerdings bei den nach Fischen tauchenden Arten größer; am häufigsten gehören See- und Lappentaucherarten zu den Opfern, gebietsweise auch Kormorane, Alken und Lummen. Die Ergebnisse beziehen sich bisher ausschließlich auf Vogelbeifänge der küstennahen Fischerei. Gillnets and related gear are dangerous as well for fish eating birds as for duck species feeding on macrozoobenthos from the sea floor. Most victims along the southern Baltic coast are wintering Longtailed Ducks. Also frequently affected are Common and Black Scoter, in some areas Eider and Scaup. However, the specific threat is much higher for species diving to catch fish; most victims are divers and grebes, in some regions also cormorants and guillemots. The results actually only reflect bird bycatches in near-coastal areas. Seevogelkonzentrationen hängen vor allem von der Verfügbarkeit von Nahrung ab. Die Analyse und Vorhersage potentieller Konflikte muss deshalb sowohl die Vogelbestände als auch die ökologischen Bedingungen einschließen. Der ornithologischen Information adäquate Daten zur Fischerei werden benötigt. Vorstellungen zu Möglichkeiten der Minderung solcher Vogelbeifänge und zur weiteren Arbeit an dem Problem werden diskutiert. Seabird concentration depends on food availability. Therefore both, bird numbers and ecological conditions have to include in the analysis and prediction of potential conflicts. Also more information on fisheries activities is needed. Possible opportunities of re­ ducing bird bycatches are discussed and proposals for further work on the problem are given. 101 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 102 1 Hintergrund und Aufgabe Zu Beginn der 1990er Jahre erhielt das Wissen um das Zug-, Rast- und Überwinterungsgeschehen von Seeund Wasservögeln1) im Ostseeraum einen bedeutenden Aufschwung. Als Ergebnis einer mehrjährigen wissenschaftlichen Zusammenarbeit von Ornithologen aller Anrainerstaaten legten Durinck et al. [1994] erstmals eine Übersicht der wichtigsten Überwinterungsgebiete von See- und Wasservögeln in der Ostsee vor. Gab es vordem in mehreren Ländern nur Zählungen von Land, war es nunmehr möglich, überall Erfassungen von Schiffen und Flugzeugen aus einzubeziehen. Die neuen Daten erlaubten erstmalig nicht nur die Identifizierung und Abgrenzung der Überwinterungsgebiete, sondern auch die Quantifizierung der dort weilenden Vogelbestände. Deutsche Küstengewässer sind unter den von ­Durinck et al. [1994] erkannten und nach Anzahl der Arten und Individuen bewerteten 39 wichtigsten Gebieten fünfmal vertreten: • Pommersche Boddenlandschaft von der DarßZingster Boddenkette bis zum Stettiner Haff (Zalew Szczeciński), einschließlich der rügenschen Bodden (ostseeweit 1. Rang) • Pommersche Bucht (Territorialgewässer Mecklenburg-Vorpommerns und Polens sowie Teile der deutschen und polnischen AWZ/EEZ2)) (2. Rang) • Kieler Bucht (einschl. der Anteile dänischer Gewässer) (8. Rang) • Gewässer vor und in der Wismar-Bucht einschließlich des Salzhaffs (13. Rang) • Seegewässer nördlich des Darß und des Zingst3) bis zum Plantagenetgrund (19. Rang). Ergebnisse späterer Forschungen (z.B. Bundesprojekte MINOS und MINOS+, Befliegungen im Auftrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Gutachten für Windparkplanungen etc.) bestätigten die ersten Bewertungen der Überwinterungsgebiete. Zusätzlich wurden dabei Informationen zum Zugrast- und Mausergeschehen zu anderen Jahreszeiten gewonnen. Die Bedeutung der inneren Küstengewässer (Bodden und Haffe) als Rast- und Überwinterungsgebiet war schon lange vor den Untersuchungen von Durinck et al. [1994] bekannt (s. IfAÖ [2005]). 1) 2) 3) Für die Staaten der EU besteht die Verpflichtung zur Ausweisung als Vogelschutzgebiet, sobald ein Gebiet nach rein fachlichen Kriterien als eines der „geeignetsten“ identifiziert wurde; bei der Festlegung von Kriterien ist der Ermessensspielraum gering. Für jene Arten, für die ein Gebiet ausgewiesen wurde, ist ein effektiver Schutz durchzusetzen. Das bedeutet, dass in Vogelschutzgebieten die Verpflichtung besteht, Konflikte aus Nutzungsansprüchen und ökologischen Funktionen der Arten soweit zu reduzieren, dass sie sich nicht erheblich auf die Schutzerfordernisse für die betreffenden Vogelarten auswirken. Es ist bekannt, dass auch in der Ostsee See- und Wasservögel in erheblicher Anzahl in Fischereigeräten ertrinken, insbesondere in Stellnetzen. Deshalb sollte ermittelt werden, ob sich daraus ein besonderes Konfliktpotential zwischen den Erfordernissen des Vogelschutzes und der Fischerei ableitet, schließlich aber auch, ob bestimmte Maßnahmen erforderlich sind. In einem ersten Schritt sollte die Situation in der Ostsee anhand verfügbarer Literatur und darüber hinaus vorhandener Daten analysiert werden. Dabei waren nach Möglichkeit folgende Fragen zu beantworten: • Welche Größenordnung erreichen die Verluste von See- und Wasservögeln in Fischereigeräten? • Sind daraus Bestandsgefährdungen von Vogelarten durch die Fischerei abzuleiten? • Welche Fischereiformen sind im Hinblick auf Vogelbeifang besonders konfliktträchtig? • Gibt es Möglichkeiten zur Reduzierung der Konflikte? Die Studie wurde vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern in Auftrag gegeben und vom I.L.N. Greifswald – Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz – in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Ökologie in Broderstorf erarbeitet (Erdmann et al. [2005]). Im Ergebnis konnten Grundlagen zur Beschreibung und Bewertung des Konfliktfeldes „Seevögel und Fischerei“ vorgelegt werden. Wesentliche Inhalte der Studie werden im Folgenden wiedergegeben. Eine wissenschaftlich haltbare Abgrenzung zwischen Seevögeln und Wasservögeln gibt es nicht. Mit dem kombinierten Begriff sind alle regelmäßig bzw. ständig Seegebiete nutzenden Vogelarten eingeschlossen. AWZ: ausschließliche Wirtschaftszone = EEZ: Exclusive Economical Zone Einschließlich der Gewässerflächen vor der Außenküste des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 2 Verfügbare Untersuchungser­geb­­­­­­­­­­­ nis­­se aus dem Ostsee-Raum Übersicht Aus dem Ostseeraum lagen 16 spezielle Studien bzw. zur Einschätzung der Vogelbeifangsituation verwertbare Beiträge aus der Literatur vor, überwiegend aus Deutschland, Polen und Schweden sowie eine Studie aus Litauen – einige werden hier kurz vorgestellt. Auf die Beiträge aus Dänemark, Finnland, Lettland und Russland wird hier nicht eingegangen. Deutschland: Schleswig-Holstein In der Kieler Bucht und den westlichen Teilen der Mecklenburger Bucht ist die Eiderente außerhalb der Brutzeit sowohl hinsichtlich ihrer Anzahl als auch des Anteils ihrer europäischen Winterpopulation die bedeutendste Art. Von Trauerente, Eisente, Haubentaucher und Schellente wurden ebenfalls große Winterbestände festgestellt (Durinck et al. [1994]). Bräger und Nehls [1987] stellten erstmals die Ergebnisse kombinierter Zählungen (Küste, Schiff, Flugzeug) vor und konnten so die Bedeutung dieser Gewässer für die Überwinterung von See- und Wasservögeln quantitativ beschreiben. Eine Aktualisierung (Daten bis Frühjahr 1992) wurde von Bräger et al. [1995] vorgelegt. Bereits von Kirchhoff [1982] wurden Ergebnisse vierjähriger Untersuchungen zu Vogel­beifängen veröffentlicht. Erwartungsgemäß waren die Eiderente Somateria mollissima mit 64 % und die Trauerente Melanitta nigra mit 18 % der 2.839 erfassten Stellnetzopfer (8 Arten) am stärksten betroffen. Ebenfalls einen hohen Anteil von 8 % stellte die auf sehr flache Gewässerteile spezialisierte Reiherente ­ Aythya fuligula. Der Autor hatte Daten von etwa 19 % der Boote und Kutter im deutschen Teil der Kieler Bucht untersucht und schätzte daraufhin die mittleren jährlichen Verluste auf ca. 16.000 Vögel von mindestens 8 Arten. Deutschland: Mecklenburg-Vorpommern Die Küste im Westen Mecklenburg-Vor­pommerns bildet einen Übergang von der westlich anschließenden Fördenküste über Buchten zur Bodden- bzw. Haffküste im mittleren und östlichen Teil des Landes (Pommern). Durch die unterschiedlichen Küstenformen, Expositionen und den Salinitätsgradienten entsteht eine Vielfalt an ökologischen Angeboten für rastende und überwinternde Vögel, die sich sowohl in großen Individuenzahlen als auch in einem breiten Artenspektrum widerspiegelt. Deshalb wurden insbesondere die pommersche Boddenküste und die vorgelagerten Seegebiete der pommerschen Bucht als hoch bedeutsame Überwinterungsgebiete für große Individuenzahlen mehrerer Arten identifiziert (Durinck et al. [1994], Garthe und Sonntag [2004], Garthe et al. [2004], IfAÖ [2005]). In den Boddengewässern bilden vor allem Tauchenten1) und Säger, in der Pommerschen Bucht einschließlich der Oderbank See- und Lappentaucher, die sogenannten Meeresenten2) sowie Alken und Lummen den größten Teil der Bestände. Das Artenspektrum der Pommerschen Bucht findet sich auch in den Seegebieten zwischen Bornholm und Rügen (Adlergrund, Rønne-Bank) sowie nördlich des Darß (Plantagenetgrund, Darßer Schwelle) bei geringeren Bestandsgrößen. Das Artenspektrum der Wismarbucht und angrenzender Küstenstreifen ähnelt dagegen mehr dem der Kieler Bucht. Die relativ hohen Bestände der genannten Überwinterungsgebiete widerspiegeln sich auch im Beifanggeschehen der Küstenfischerei. Schirmeister [2003] stellte die Ergebnisse seiner Untersuchungen von Beifang-Stichproben der Küstenfischerei3) vor der Insel Usedom aus 12 Winterhalbjahren von 1989/1990 bis 2000/2001 vor. Diese Daten umfassten zwar überwiegend Stellnetzbeifänge von der Außenküste (Pommersche Bucht), waren aber mit einer Anzahl von Stellnetz- und Reusenopfern aus inneren Küstengewässern und Binnenseen vermischt. So stellte die Eisente Clangula hyemalis mit 62 % der 10.701 erfassten Individuen (26 Arten) zwar den größten Anteil der Beifangopfer, an zweiter Stelle folgte aber mit 19 % der Kormoran Phalacrocorax carbo, der fast nur in Reusen des Küstenhinterlandes gerät. 1) Tauchenten erbeuten ihre Nahrung (überwiegend Mollusken und Krebstiere, auch Ringelwürmer, Laich, Pflanzenteile) durch Tauchen, sind aber nicht an Meere gebunden (hier Tafel-, Reiher-, Berg- und Schellente). 2) Meeresenten verbringen den größten Teil ihres Lebens auf dem Meer, brüten aber oft im Binnenland (Eisente, Trauerente), andere überwiegend (Samtente) oder ausschließlich (Eiderente) an der Küste. Außerhalb der Brutzeit sind sie exklusiv an das Meer gebunden, bzw. kommen nur selten auf Binnengewässern vor. Ein ähnliches Verhalten findet sich bei den sogenannten Seetauchern und bei den meisten Lappentaucherarten. 3) Fischerei mit kleinen Booten (Besatzung meist 2, heute oft nur 1 Mann) mit geringen Reichweiten. Die Netze werden oft einige Hundert Meter vor der Küste gestellt, auch bis etwa 3 sm Entfernung. Gelegentlich werden gute Fanggründe vor der Greifswalder Oie aufgesucht. Fänge von der Oderbank oder anderen zentralen Teilen der Pommerschen Bucht sind also nicht enthalten. 103 104 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten B. Schirmeister und die Verfasser der aktuellen Studie (Erdmann et al. [2005]) kamen überein, beide Datenbestände voneinander zu trennen und zugleich die Daten von vier weiteren Winterhalbjahren einzubeziehen. Die Ergebnisse von nunmehr 16 Jahren, ausschließlich aus küstennahen Bereichen der Pommerschen Bucht, stellen sich folgendermaßen dar: unter den 11.263 erfassten Individuen (31 Arten) war die Eisente Clangula hyemalis mit 74 %, Trauerente Melanitta nigra und Sterntaucher Gavia stellata mit jeweils 7 % vertreten. Die übrigen Arten stellen in der Summe 12 % – mehr Information findet sich dazu im Abschnitt 4 dieses Artikels. Anders als vor Schleswig-Holstein, wo die meisten Verluste in der ersten Hälfte des Winterhalbjahres (Maximum im November) gefunden wurden (Kirchhoff [1982]), fallen in Vorpommern die meisten Verluste in die Monate Februar und März (Schirmeister [2003]). Wir finden also nicht nur unterschiedliche Artenspektren, sondern auch jeweils eine eigene Phänologie des Zugrast- und Überwinterungsgeschehens. Polen In Polen veröffentlichten Kowalski und Manikowski [1982] erstmals Ergebnisse von quantitativen Untersuchungen zum Ertrinken von Vögeln in Stellnetzen, wenngleich nur aus einem Winterhalbjahr. Sie wurden unweit der späteren Untersuchungen Schirmeisters [2003] in der Pommerschen Bucht (Zatoka Pomorska) durchgeführt. Kowalski und Manikowski [1982] werteten Einsammlungen von Fischern des kleinen Hafens Dievenow (Dzivnów), im Winter 1977/1978 aus: bei 581 Individuen (9 Arten) wurden 53 % von der Eisente, 27 % von der Samtente Melanitta fusca und 16 % von der Trauerente gestellt. Im Mittel wurden pro Boot und Einsatztag 2,4 Vögel gefangen, allerdings mit ausgeprägtem Maximum in der 2. Märzund der 1. Aprilhälfte. Umfangreichere Untersuchungsergebnisse über Vogelverluste durch die Stellnetzfischerei in der Danziger Bucht (Zatoka Gdańska) wurden durch ­ Stempniewicz [1994] vorgelegt. Kieś und Tomek [1990] werteten Daten aus der Putziger Wiek (Zatoka Puc­ka) aus, die den nord­west­lichen Abschluss der Danziger Bucht bildet. Stempniewicz [1994] fasste die Vogelbeifangzahlen von 8 Zugrast- und Überwinterungs­zyklen (1972 bis1976 und 1986 bis1990) aus der westlichen Danziger Bucht zusammen. Von den 1.254 ausgewerteten Opfern (24 Arten) waren 48 % Eisenten, 23 % Samtenten, 8 % Berg­enten Aythya marila und jeweils ca. 6 % Trauerenten und Eiderenten. Die übrigen Arten stellten zusammen 9 %. Stempniewicz [1994] legte auch Berechnungen zur Größenordnung der Fischereiverluste im Verhältnis zum Gesamtbestand vor (s.u. Abschnitt 3). Kieś und Tomek [1990] erfassten in 3 Winterhalbjahren 860 ertrunkene Vögel von mindestens 15 Arten. Unter den Opfern dominieren ebenfalls Eisenten und Samtenten mit 41 bzw. 22 %, doch lassen 21 % Trottellummen Uria aalge und 5 % Tordalken Alca torda einen erhöhten Anteil von Stellnetzfischerei (teilweise pelagischer) in tieferen Gewässern vermuten. Die Beobachtungen von Kieś und Tomek [1990] weisen auch darauf hin, dass in leichten, oberflächennah gestellten Netzen nicht alle Vögel ertrinken, sondern teilweise noch auftauchen und atmen können. Allerdings wurde ein recht großer Anteil dieser Tiere von Möwen attackiert und angefressen (insgesamt ca. 30 % der Opfer), was bei den meisten zum Tode führte. Kieś und Tomek [1990] ermittelten für die Putziger Wiek ca. 250 Beifangopfer für ein Boot pro Saison. Stempniewicz [1994] fand dagegen für den Westteil der eigentlichen Danziger Bucht jährlich nur 76 Vögel pro Fahrzeug. Litauen Eine kleine, doch hinsichtlich Planung, Durchführung und Auswertung recht intensive Studie legten Dagys und Žydelis [2002] vor. Die Stellnetzfischerei, vor der litauischen Küste erst seit 15 Jahren verbreitet, hat in den letzten Jahren stärker zugenommen. Nach Angaben bei Žydelis et al. [1999], Dagys und Žydelis [2002] und Žydelis [2002] sind ent­lang der litauischen Küste jährlich ca. 5.000 bis10.000 in Netzen gefangene Vögel zu erwarten. An der litauischen Außenküste vor Polangen (Palanga) und Memel (Klaipéda) wurden von Dezember 2001 bis April 2002 die Seevogel-Beifänge von 6 Fischereiunternehmen ausge­wertet, insgesamt von 357.653 NMD (net meter days). Die Fischereiintensität war im April am höchsten, im Februar am niedrigsten. 219 Vögel wurden in den Netzen gefunden. Die mittlere Beifangrate betrug 0,61 Vögel pro 1.000 NMD, was im täglichen Mittel 1 Vogel auf 1.640 m Stellnetz bedeutet. Mit 61 % stellte die Eis­ente den größten Anteil, gefolgt von Samtente und Trauerente mit 11 % und 5 %. Die Seetaucherarten (Gavidae) waren mit zusammen 14 % der Opfer stark vertreten, also zumindest eine Art häufiger als die Trauerente (Dagys Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten und Žydelis [2002]). Mit einem Anteil von 2 % sind die Verluste der Scheckente Polysticta stelleri ebenfalls sehr bedeutsam, da der Bestand dieser Art, der vor der Küste des Baltikums überwintert, gefährdet ist (s. auch Žydelis und Skeiveris [1999], Žydelis et al. [1999]). dischen Berufsfischerei verursachten Opfer vorgenommen, man ermittelte ca. 18 000 Vögel pro Jahr (Lunneryd et al. [2004]). Die Fischer wurden auch zu den Gerätetypen befragt, in denen sie ihre Vogelbeifänge feststellten. Dabei rangierten vier Stellnetzarten vorn, die mit Grundstellnetz, Dorschnetz, Schnäpelnetz und Lachsnetz angegeben waren (Abbil­dung 1, nach Lunneryd et al. [2004]). Schweden Von den aus Schweden bekannten Studien sind zwei für die allgemeine Betrachtung der Vogelbeifänge bedeutsam: eine Felduntersuchung auf ornithologischer Grundlage (Oldén et al. [1988]) und eine Umfrage-Studie der Fischereibehörde (Lunneryd et al. [2004]). Oldén und Kollegen führten in 3 Winterhalbjahren (1982/83 bis 1984/85) Befragungen bei Fischern in Nordwest-Schonen (nordvästra Skåne; südöstliches Kattegat) durch und musterten in mehreren Häfen die Vogelbeifänge. In den drei darauf folgenden Wintern (bis 1988) wurde diese Arbeit auf zwei Fischerhäfen konzentriert. Insgesamt wurden 25.300 Vögel erfasst. Unter den Opfern war der Anteil der Trottellumme mit 90 bis 95 % außerordentlich hoch, der Kormoran folgte mit einen Anteil von 3 bis 7 % (Oldén et al. [1988]). In Dorschnetzen fingen sich erheblich mehr Vögel als in Heringsnetzen. Kormorane wurden allerdings ausschließlich in Heringsnetzen (monofiler Typ) gefangen (Oldén et al. [1988]). Während Heringe der gefangenen Größe zum Nahrungsspektrum von Kormoranen gehören und deshalb der Verdacht berechtigt ist, dass ein Teil der Vögel durch die in den Netzen gefangenen Fische angelockt wurde, gibt es derartige Anhaltspunkte für Trottellummen nicht – heringsgroße Fische gehören nicht zum Nahrungsspektrum dieser Art. 3% 8% 5% 3% 10 % 42 % 29 % Grundstellnetz Lachsnetz Dorschnetz Salmonidenfalle Schnäpelnetz Aalreuse Übrige Abb. 1: Verteilung der Seevogel-Beifänge in verschiedenen Typen von Fischerei­geräten der schwedischen Berufsfischer nach Untersuchungen von Lunneryd et al. [2004], Anzahl der gemeldeten Vögel n = 2 650 Nach der Studie von Lunneryd et al. [2004] ergibt sich ein anderes Bild, was bei anderer Untersuchungszeit, Methode und anderem Bezugsgebiet nicht überrascht. In Telefoninterviews mit 191 Berufsfischern (entspricht 17 % der schwedischen Fischereiflotte) wurde der Beifang von 2.650 Vögeln gemeldet. Hier dominiert der Kormoran mit 54 %, gefolgt von der Eiderente mit 14 % und der Trottellumme mit 11 %. Auch Säger-Arten (Mergus spec.) mit 9 % und die Eisente mit 5 % stellten erhebliche Anteile (Lunneryd et al. [2004]). Neben diesen Studien fanden sich aus Schweden noch hinsichtlich des Vogelbeifangproblems verwertbare Aufsätze zur Ostseepopulation der Trottellumme (Olsson et al. [2000], Österblom et al. [2002]). Sie beruhten bei dieser recht intensiv betreuten Art im Wesentlichen auf der Auswertung von Ringwiederfunden. Für die ausschließlich von Fischen (Sprottengröße) lebenden Lummen sind Stellnetze ein bedeutender Mortalitätsfaktor: etwa die Hälfte der Ringwiederfunde stammte aus Fischereigerät, soweit die Geräteart bekannt war, ganz überwiegend aus Stellnetzen (Olsson et al. [2000]). Für die 10 am häufigsten beigefangenen Arten wurde eine Hochrechnung für die insgesamt von der schwe- Eine knappe Literaturübersicht zum Beifang von Vögeln und Säugern gab Österblom [2002]. 105 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 106 3 Kann die Anzahl der Stellnetz­ opfer für betroffene See- und Wasservogelpopulationen be­ deut­­sam sein? Für die Einschätzung, ob eine durch die Fischerei abgeschöpfte Anzahl von Vögeln für die Populationsentwicklung bedeutsam oder gar gefährlich ist, sind vor allem zwei Fragen zu klären: • Wie groß ist der Anteil der durch die Fischerei entnommenen Tiere am Gesamtbestand der jeweiligen Art? • Welchen Bedrohungen sind die Vogelbestände neben den Verlusten durch die Fischerei ausgesetzt? Art Anteil an ertrunkenen Vögeln in %* Bereits die Beantwortung der ersten Frage ist nicht einfach. Über repräsentative Stichproben kann wohl der Umfang der Vogelbeifänge eines Gebietes bekannt sein, die Ermittlung der Größe der Grundgesamtheit ist jedoch ein eigenes Problem. Einige Autoren behelfen sich deshalb mit einem Vergleich zwischen Vogelbeifängen und den durch regelmäßige Zählungen ermittelten Höchstbeständen ras­tender oder überwinternder Vögel. Als Beispiel dafür stehen die von Stempniewicz [1994] in der Danziger Bucht (Zatoka Gdańska) ermittelten Zahlen (Tabelle 1)1). Ein umfangreicher Vergleich dieser Art findet sich in der sehr intensiven Untersuchung von van Eerden et al. [1999] aus dem IJsselmeer-Markermeer (Niederlande). Anteil ertrunkener Vögel Danziger Bucht gesamt Westteil** Geschätzter höchster Winterbestand*** Anteil der ertrunke­ nen Vögel am Höchstbestand in % Clangula hyemalis 48,3 8.443 6.681 30.000 - 40.000 1) 16,7 - 22,3 Melanitta fusca 23,0 4.020 3.181 14.800 2) 21,5 Aythya marila 7,7 1.346 1.065 10.000 3) 10,6 Melanitta nigra 6,2 1.084 858 4.200 2) 20,4 Somateria mollissima 5,5 961 761 500 152,2 andere Arten 9,3 1.626 1.286 * ** *** 4) Bezogen auf den gesamten polnischen Teil der Danziger Bucht Westteil der Danziger Bucht (westlich der Weichselmündung) Angaben nach: 1) Meissner und Maracewicz [1993], 2) Meissner [1993], 3) Michno et al. [1993], 4) Meissner und Sikora [1993] Tab. 1: Geschätzte Anzahl der in der Danziger Bucht in einem mittleren Winterhalbjahr in Netzen ertrunkenen Vögel der fünf häufigsten Tauchentenarten im Verhältnis zu den ermittelten Höchstbeständen (Stempniewicz [1994]) Eine bessere Annäherung an den wirklich betroffenen Anteil von Vögeln erreicht man über die mittlere Anzahl der Vögel und deren Verweildauer im Rast- bzw. Überwinterungsgebiet (Anzahl „VogelTage“). Nach diesem Prinzip verfuhren offenbar Dagys und Žydelis [2002] bei der Ermittlung relativer Gefährdungsindizes für die Arten, ohne jedoch ihre Datengrundlagen im Einzelnen zu veröffentlichen (siehe Tabelle 2). Die Vogelbeifänge an der litauischen Küste entsprechen etwa 5 bis 10 % des dort anwesenden mittleren Winterbestandes (Žydelis [2002]). 1) 2) Bei gut untersuchten und markierten Vogelbeständen gibt es eine dritte Möglichkeit: Aus Ringfunddaten errechneten Olsson et al. [2000], dass 1.500 bis 4.500 Trottellummen2) der Ostseepopulation jährlich in Fischereigeräten ertrinken; das entspricht jeweils 3 bis 10 % des Bestandes. Die Wiederfunde konzentrieren sich in jenen Bereichen der Ostsee, in denen starke Stellnetzfischerei und Überwinterungsgebiete zusammenfallen: um Öland und Gotland, in der Hanö-Bucht, den Gewässern um Bornholm und Rügen sowie in der Pommerschen und der Danziger Bucht (Olsson et al. [2000]). Sehr hohe Anteile ertrunkener Vögel (Beispiel: Somateria mollissima) können sowohl durch Unterschätzung der Bestandsgröße als auch durch eine starke Dynamik der Rastbestände entstehen. Die Spanne entsteht durch den unbekannten Anteil der Meldungen an den wirklichen Funden: werden alle gemeldet, wären es 1.500, wird nur jeder dritte Vogelfund gemeldet, wären es 4.500 ertrunkene Vögel. Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Die meisten durch die Stellnetzfischerei beeinträchtigten Arten sind diesem Mortalitätsfaktor über den größten Teil des Jahres ausgesetzt, sowohl bei Rast­ aufenthalten während des Zuges als auch in den Überwinterungsgebieten, oft auch in Mausergebieten. Für Beeinträchtigungen während der Brutzeit gibt es dagegen nur relativ wenige Hinweise (z.B. für Eiderenten). Die Frage, welchen Bedrohungen die Vogelbestände neben den Verlusten durch die Fischerei ausgesetzt sind, war nicht Gegenstand der hier besprochenen Studie. Species Vogelbeifangrate (Vögel/1.000 NMD) Aufschlussreich ist die Ermittlung relativer Gefährdungsindizes (Tab. 2) für die verschie­denen Vogelarten (Dagys und Žydelis [2002]). Damit kann quantifiziert werden, was man nach Beobachtungen verschiedener Bearbeiter (z.B. Stempniewicz [1994], Schirmeister [2003]) erwarten konnte und durch van Eerden et al. [1999] bereits auf andere Weise nachgewiesen wurde: Für die einzelnen Arten bestehen unterschiedliche spezifische Gefährdungen. Generell sind Fisch fressende Arten erheblich stärker betroffen als Arten, die sich von Benthos ernähren (van Eerden et al. [1999], Dagys und Žydelis [2002]). Mittlerer Bestand* (Anzahl der Individuen) Relativer Gefährdungsindex Prachttaucher, Sterntaucher Gavia arctica, G. stellata 0,08 60 1,33 Haubentaucher Podiceps cristatus 0,02 500 0,04 Scheckente Polysticta stelleri 0,02 300 0,07 Samtente Melanitta fusca 0,15 5.600 0,03 Eisente Clangula hyemalis 0,37 3.400 0,11 * Mittlerer Wintervogelbestand des untersuchten Fischereigebietes, von den Autoren als „relative Abundanz“ bezeichnet. Tab. 2: Beifangrate, relative Abundanz* und relativer Gefährdungsindex der häufigs­ten in Stellnetzen gefangenen Vogelarten (Dagys and Žydelis [2002]) Dagys und Žydelis [2002] konnten auch nachweisen, dass weitmaschige Netze für die meisten Vogelarten gefährlicher als engmaschige sind. Selbstverständlich darf dieser Umstand nicht zum Anlass für Forderungen zur Reduzierung der vorgeschriebenen Maschenöffnungen werden, die ja ein wichtiges Instrument bei der Durchsetzung einer nachhaltigen Fischerei sind. 4 Näher untersucht: Vogelbeifänge der Küstenfischer vor Usedom 1989 - 2005 Anzahl und Anteile der Arten Die von B. Schirmeister, Ahlbeck, in 16 Jahren zusammengetragenen und bereits teilweise veröffentlichten Daten zu Vogelbeifängen kleiner Küstenfischereibetriebe in der Pommerschen Bucht (Schirmeister [1993, 2003]) konnten im Rahmen dieser Studie einer vertieften Auswertung unterzogen werden. Die Liste umfasst nunmehr 11.263 Individuen von 31 Arten, die häufigsten 10 werden in Tabelle 3 genannt, außerdem solche, für die möglicherweise erhöhte Schutzanforderungen abzuleiten sind. Vergleich der vor Usedom gefangenen Vögel mit Referenzbeständen Dass durch bestimmte Umstände bei der Nutzung von Land und Meer Tiere umkommen, ist bedauerlich, aber nur bis zu einem gewissen Grad vermeidbar. Besondere Anstrengungen sind in dieser Hinsicht vor allem geboten, wenn durch die wirtschaftlichen Aktivitäten der Bestand einer Art in einem Gebiet oder das ökologische Gleichgewicht von Lebensräumen gefährdet werden kann. Soll festgestellt werden, in welchem Maße ein Bestand einer Art betroffen ist, sind die absoluten Anzahlen betroffener Individuen mit den Größen von Referenzbeständen zu vergleichen (s. Tab. 4). Darüber hinaus sind weitere Parameter von Bedeutung, insbesondere solche zum Reproduktionspotential der Bestände. 107 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 108 Art Species Anzahl der Individuen Anteil in % Die häufigsten Vogelbeifänge 1 Eisente Clangula hyemalis 8.341 74,06 2 Trauerente Melanitta nigra 811 7,20 3 Sterntaucher Gavia stellata 733 6,51 4 Haubentaucher Podiceps cristatus 271 2,41 5 Rothalstaucher Podiceps grisegena 230 2,04 6 Samtente Melanitta fusca 181 1,61 7 Mittelsäger Mergus serrator 181 1,61 8 Eiderente Somateria mollissima 70 0,62 9 Bergente Aythya marila 63 0,56 Trottellumme Uria aalge 61 0,54 10 Weitere bedeutsame Arten 12 Prachttaucher Gavia arctica 47 0,42 15 Tordalk Alca torda 27 0,24 17 Gryllteiste Cepphus grylle 18 0,16 20 Ohrentaucher Summe (31 Arten) Podiceps auritus 14 11.263 0,12 Art Species mittlere jährl. vor Usedom gefangene Anzahl Individuen* Tab. 3: Beifang von See- und Wasservögeln durch die Küstenfischerei in Testbetrieben in der Pom­mer­schen Bucht vor Usedom 1989–2005, nach Daten von B. Schirmeister, Ahlbeck Referenzbestände Nordwesteuropa** Anteile der Beifänge zu den verschiedenen Referenzbeständen (%) Überwinterer in der Ostsee*** Ostsee vor Deutschland Nordwesteuropa Überwinterer in der Ostsee Ostsee vor Deutschland Eisente Clangula hyemalis 521 4.700.000 4.272.400 596.000 0,011 0,012 0,087 Trauerente Melanitta nigra 51 1.300.000 783.310 177.000 0.004 0,007 0,029 Sterntaucher Gavia stellata 46 2,359 1.950 Seetaucher Gavia stellata/arctica 49 110.00 56.665 4.250 0,045 Haubentaucher Podiceps cristatus 17 100.000 11.325 9.700 0,017 0,150 0,175 Rothalstaucher Podiceps grisegena 14 15.000 5.510 950 0.093 0,245 1,474 Samtente Melanitta fusca 11 1.000.000 932.690 51.200 0,001 0,001 0,021 Mittelsäger Mergus serrator 11 100.000 44.325 13.500 0,011 0,025 0,081 Eiderente Somateria mollissima 4 3.000.000 1.048.230 242.000 0,000 0,000 0,002 Bergente Aythya marila 4 310.000 145.700 111.000 0,001 0,003 0,004 Trottellumme Uria aalge 4 8.300.000 45.000 700 0,000 0,009 0,571 Ohrentaucher Podiceps auritus 1 5.000 1.830 580 0,020 0,055 0,172 * ** *** 0,086 1,153 Küstenstreifen der Pommerschen Bucht vor Usedom. Daten nach B. Schirmeister 1989 - 2005 Nach Angaben verschiedener Autoren ausgewählt und ggfs. nach neueren Erfassungen korrigiert von Durinck et al. [1994] Errechneter Wert nach Durinck et al. [1994] Bestandsgrößen deutsche Ostsee (Garthe et al. [2003]) Tab. 4: Vergleich der 10 im Mittel jährlich in der Pommerschen Bucht vor Usedom in Stell­netzen am häufigsten gefangenen Vogelarten sowie des Ohrentauchers mit deren nord­westeuropäischen und Ostsee-Überwinterer-Beständen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Zum gegenwärtigen Stand der Untersuchungen konnten zum Vergleich nur großräumige Referenzbestände (Europa, Ostsee, Deutschland) herangezogen werden, da erstens aktuelle Beifangdaten nur von einzelnen Plätzen verfügbar sind und zweitens die Modellbildung zum Zugrast- und Überwinterungsgeschehen noch nicht abgeschlossen ist. Eine Bewertung im engeren Sinne ist nicht möglich, weil das Flächenverhältnis und vor allem die Dichte der Arten im Fanggebiet im Saisonverlauf noch nicht bekannt sind. Jedoch kann die Aufmerksamkeit bereits auf jene Arten gelenkt werden, die in überdurchschnittlichem Maße betroffen sind. Das sind vor allem die Fisch fressenden Arten, insbesondere Sterntaucher und Rothalstaucher. Ohne eine gründliche Bewertung vorwegzunehmen, lässt sich sagen: Wenn, wie im Fall des Sterntauchers, von den unvollständig erfassten Beifängen aus einem Seegebiet, das weit weniger als 1 % des deutschen Küstenmeeres umfasst, mehr als 2 % der vor der deutschen Küste lebenden Vögel betroffen sind, ist das eine Größenordnung, die Anlass zu Bedenken geben sollte. Die Phänologie der Beifänge, eine Funktion aus Zug­ rast- und Überwinterungsgeschehen, Witterung, Eisgang, Fischereiart und –intensität sowie weiteren Einflussfaktoren, kann für die Suche nach Vermeidungsmöglichkeiten Bedeutung erlangen. Beispiele für verschiedene Muster zeigt Abbildung 2. Trends und Phänologie des Beifanggeschehens in der Pommerschen Bucht Die Unterschiede im Beifanggeschehen der einzelnen Jahre sind groß. Nach hohen Opferzahlen zu Beginn der 1990er Jahre waren die Beifänge einige Jahre recht niedrig, um in jüngster Zeit wieder anzusteigen (besonders 2004/2005). Die Ursachen sind vielfältig und lassen sich nach­träglich auch mit hohem Aufwand nur unvollständig rekonstruieren: witterungsbedingte Einschränkungen der Fischerei, witterungsbedingte Änderungen des Vogelverhaltens und Änderungen der Vogelbestände werden als mögliche Ursachen überlagert von stärkeren Schwankungen im Zeitfonds des Bearbeiters B. Schirmeister, der alle Arbeiten in seiner arbeits­be­dingt unterschiedlich verfügbaren Freizeit durchführte. Unter diesen Umständen sollte man bei den einzelnen Arten kaum nachweisbare Trends erwarten, zumal ohnehin nur wenige häufig gefangenen Arten für eine Prüfung in Frage kommen. Diese Erwartung wird mit einer Ausnahme bestätigt: Der Sterntaucher Gavia stellata nimmt im vorliegenden Material sowohl nach der absoluten Zahl gefangener Individuen als auch nach seinem Anteil an der Gesamtheit der Beifänge zu – ein weiterer Grund, die Beifangverluste dieser Art zu verfolgen. Abb. 2:Phänologische Typen beim Beifanggeschehen in der Pommerschen Bucht: a) Eisente (Überwinterer-Maximum), b) Sterntaucher (Zugrast- und Überwinterungs-Maxima), c)Rothalstaucher (Zugrast-Maximum, eingipflig) 109 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 110 5 Räumliches und zeitliches Konfliktpotential Seevögel und Fischerei Der Schlüsselfaktor Nahrung Bei der Eingrenzung des Konfliktpotentials wie bei der Suche nach Vermeidungsmöglichkeiten ist die Nahrung der entscheidende Faktor. Fischer wie auch Fisch fressende Seevögel haben im Wesentlichen das gleiche Ziel: den Fang von Fischen einer bestimmten Größe1) und nutzen dabei möglichst fischreiche Seegebiete. Viele Fische und die Benthos fressenden Enten bevorzugen ebenfalls ähnliche Habitate, artenreiche und produktive Flachwassergebiete, in denen sie mit relativ geringem Energieeinsatz ihre Nahrung finden. So ergeben sich generell enge räumliche Beziehungen mit Konfliktpotential. Mit Ausnahme einer relativ geringen Zeit vom späteren Frühjahr bis zum Sommer (Brutzeit der meisten Vögel) gibt es aber auch zeitlich eine relativ starke Überlappung von fischereilichen Aktivitäten und Vogelkonzentrationen in nahrungsreichen und deshalb auch für die Fischer interessanten Gebieten. Für die nähere Untersuchung des Konfliktpotentials sind deshalb die nahrungsökologischen Ansprüche der Arten zu differenzieren. Es lassen sich vier Gruppen mit verschiedenen Habitat­ansprüchen unterscheiden: • Tauchenten als Konsumenten von Makrophytenteilen (z.B. Samen), Krebstieren, Insekten, Schnecken und Muscheln: Tafelente Aythya ferina, Schellente Bucephala clanga küstennahe Flachgründe, makrophytenreiche Flachwasserzonen innerer Küsten­gewässer • Tauchenten als Muschelfresser: Bergente Aythya marila, Reiherente Aythya fuligula innere Küstengewässer, überwiegend mit Tiefen bis 6 m • Meeresenten als Muschelfresser: Eiderente Somateria mollissima, Eisente Clangula hyemalis, Trauerente Melanitta nigra, Samtente Melanitta fusca Flachgründe in den äußeren Küstengewässern mit dichtem Vorkommen von kleinen Muscheln bis ca. 20 m Wassertiefe (Beispiel s. Abbildung 3) 1) • Fisch fressende See- und Wasservögel: Seetaucher Gavia spec., Lappentaucher Podiceps spec., Kormoran Phalacrocorax carbo, Alken (Gattungen Alca, Uria, Cepphus, Alle), Säger Mergus spec. Gewässer unterschiedlicher, auch größerer Tiefen, mit einer gewissen Bevorzugung von Bänken und submarinen Terrassen (daher häufiger über 10 bis 30 m Tiefe). Abb. 3:Tiefenabhängige Verteilung von Eisenten am Plantagenetgrund 2002–2004 (Vögel pro km eines 397,3 m breiten Transsekts, 9 Flugzeugzählungen des IfAÖ) Jahreszeitliche Verteilung der fischereilichen Aktivitäten, besonders der Stellnetzfischerei Bei einer Anzahl von Befliegungen und Befahrungen zur Erfassung von Meeresvögeln wurden auch Fischereigeräte (Netzmarkierungen) und arbeitende Fischereifahrzeuge registriert. Es zeigte sich eine hohe Koinzidenz zu Konzentrationen bestimmter Vogelarten. Allerdings erfüllt diese Art der Erfassung nicht alle Ansprüche hinsichtlich weiterer Auswertungen. Aber auch die offizielle Fischereistatistik bietet kein besseres Material, da die räumliche Einteilung (sog. ICES-Quadrate) weit hinter der erforderlichen Auflösung für die gemeinsame Verarbeitung mit ornithologischen Daten zurückbleibt. Auch die zeitliche Auflösung (Monate) lässt Wünsche offen. In den meisten Fällen sind sie dabei keine unmittelbaren Konkurrenten, da es bei den bevorzugten Größen nur eine relativ geringe Überlappung gibt. Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 6 Strategische Ansätze zur Minderung der Vogelverluste durch die Fischerei Grundsätzliche Möglichkeiten Generell sind zur Minderung von Vogelverlusten zwei Wege möglich: 1) Modifikationen am Fanggerät, die den Vogelbeifang vermeiden oder vermindern und 2) Beschränkungen für vogelgefährdende Fischereimethoden in bestimmten Räumen für bestimmte Zeiten (s. auch Melvin and Parrish [2001]). Mit dem ersten Lösungsweg ist man – zumindest in Ländern, die solche Methoden für verbindlich erklärt haben – bei der Reduktion der Vogelbeifänge in der Langleinenfischerei sehr erfolgreich. Gleichwertige technische Möglichkeiten gibt es für die Stellnetzfischerei (noch) nicht, dazu ist eher festzustellen: • Technische Lösungen für Meeressäuger sind bei Vögeln weitgehend wirkungslos. • Eine bessere Sichtbarkeit von Stellnetzen (z.B. durch farbige Warnleinen) vermindert in der Regel deren Fangleistung. • Die Einschränkung der Netzhöhen auf den optimalen Fangtiefenbereich kann Vogel-Beifang mindern (wird bereits öfter angewandt; s. auch Mentjes und Gabriel [1999]). • Langleinen könnten in Gebieten mit stärkeren Vogelbeständen ein Ersatz für Stellnetze sein, z.B. um die Verwendung von Netzen mit großen Maschenweiten einzuschränken. Sollen Effekte über Beschränkungen bestimmter für Vögel gefährliche Fischereimethoden in bestimmten Räumen für bestimmte Zeiten erreicht werden, gibt es folgende Möglichkeiten: • Die Fischer können bei starkem Vogel-Beifang selbständig auf Fangplätze mit geringeren Problemen ausweichen. • Die Fischerei könnte in bestimmten Gebieten unter Berücksichtigung der Bestandsdichte der Vögel behördlicherseits geöffnet bzw. geschlossen werden. • Für bestimmte Jahreszeiten und Räume könnten tageszeitabhängige Fischereirestrik­tionen erlassen werden. • Für bestimmte Räume könnten jahreszeitliche Einschränkungen bestimmter Fischerei­arten (vor allem mit Stellnetzen) erlassen werden. Einschränkungen der Fischerei, ob freiwillig oder vorgeschrieben, führen in der Regel zu erhöhtem Aufwand oder geringerem Ertrag der Fischereibetriebe. Deshalb sollten bei Entscheidungen für die Anwendung solcher Maßnahmen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1) Die Maßnahmen müssen – wissenschaftlich begründet – für den Schutz bestimmter Arten erforderlich sein, um nicht unbegründete Beeinträchtigungen der Küstenfischerei hervorzurufen. 2) Entsprechend der wirtschaftlichen Auswirkungen durch die einschränkenden Maßnahmen muss eine adäquate finanzielle Förderung der Fischereibetriebe sowie die Unterstützung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Marktsituation (z.B. Zertifizierungen) gesichert sein (s. auch Döring et al. [2005]). Begrenzte Restriktionen müssen im Übrigen nicht zwangsläufig mit Nachteilen für die heimi­sche Küs­ tenfischerei verbunden sein, z.B. wenn es gelänge, herausragende Vogelrast- und Fischreproduktionsgebiete ebenso vor dem Zugriff der internationalen Fischerei zu bewahren. Schritte zur Verbesserung der Kenntnislage Im Interesse einer räumlich und zeitlich differenzierten Quantifizierung und Bewertung der Vogelbeifänge und der Suche nach fischereiverträglichen Lösungen wird zur Verbesserung der Kenntnislage vorgeschlagen: • Vorhandene räumlich und zeitlich differenzierte Information zur Dichte und Verteilung der Vögel (Überwinterungs- und Zugrastphänologie der Seegebiete) sollte im Interesse der Entwicklung von Lösungsmodellen weiter ergänzt und aufbereitet werden. • In verschiedenen Fischereigebieten sollten Erfassungen von Vogel-Beifängen durchgeführt werden, einschl. bestimmter fischereilicher Parameter. • Zur Entwicklung einfacher, aber zur ornithologischen Information kompatibler Modelle der vorherrschenden Fischereiaktivitäten sollten Daten zur Art und Intensität bestimmter Fischereiformen gesammelt werden. Um in den nächsten Jahren befriedigende Lösungen zu erzielen, wurden Kontakte zwischen Naturschutzbehörden, Fischereiverbänden in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sowie im Meeres-Naturschutz engagierten Verbänden hergestellt und gegenseitig der Wille zu sachlicher Zusammenarbeit bekundet. 111 112 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Literatur Bräger, S., Meissner, J. and M. Thiel, 1995: Temporal and spatial abundance of wintering Common Eider Somateria mollissima, Long-tailed Duck Clangula hyemalis, and Common Scooter Melanitta nigra in shallow water areas of the southwestern Baltic Sea. Ornis Fennica, 72, 19–28. Bräger, S. und G. Nehls, 1987: Die Bedeutung der schleswig-holsteinischen Ostsee-Flachgründe für über­winternde Meeresenten. Corax, 12, 234–254. Dagys, M. and R. Žydelis, 2002: Bird Bycatch in Fishing Nets in Lithuanian Coastal Waters in Wintering Season 2001–2002. Acta Zoologica Lituanica, 12, 276–282. Döring, R., L aforet, I., Bender, S., Sordyl, H., Kube, J., Brozda, K., Schulz, N., Meier, T., Schaber, M. und G. Kraus, 2005: Wege zu einer natur- und ökosystemverträglichen Fischerei am Beispiel ausgewählter Gebiete der Ostsee. Endber. F+EVorhaben (FKZ 802 25 010). Bundesamt f. Natur­ schutz, Bonn – Bad Godesberg, 298 S. www.habitatmarenatura2000.de/de/downloads/ berichte/ Oekosystemvertraegliche_Fischerei_ Ostsee_2005.pdf Durinck, J., Skov, H., Jensen, F.P. and S. Pihl, 1994:Important marine areas for wintering birds in the Baltic Sea. EU DG XI research contract no. 2242/9009-01, Ornis Consult report, 110 pp. Eerden, M.R. van, Dubbeldam, W. en J. Muller, 1999: Sterfte van watervogels door visserij met staande netten in het IJsselmeer en Markermeer. RIZA rapport nr. 99.060, 42 pp. Erdmann, F., Bellebaum, J., Kube, J. und A. Schulz, 2005: Verluste von See- und Wasservögeln durch die Fischerei unter besonderer Berücksichtigung der international bedeutsamen Rast-, Mauser- und Überwinterungsgebiete in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns. Studie im Auftrag d. Landesamtes f. Umwelt, Naturschutz u. Geologie Meckl.-Vorpom. I.L.N. Greifswald – Inst. f. Landschaftsökol. u. Naturschutz & IfAÖ – Inst. f. Angew. Ökol., Forschungsges. mbH, Greifs­wald, Neu Broderstorf, 129 S. Garthe, S. und N. Sonntag, 2004: Erfassung von Meeressäugetieren und Seevögeln in der deutschen AWZ von Ost- und Nordsee (EMSON): Teilvorhaben Seevögel, Zwischenbericht. Bundesamt für Naturschutz, F+E-Vorhaben FKZ 802 85 260, 34 S. Garthe, S., Ullrich, N., Weichler, T., Dierschke, V., Kubetzki, U., Kotzerka, J., Krüger, T., Sonntag, N. und A.J. Helbig, 2003: See- und Wasservögel der deutschen Ostsee. Verbreitung, Gefährdung und Schutz. Münster-Hiltrup, Landwirtschaftsverlag,170 S. Institut für Angewandte Ökologie (IfAÖ), 2005: Gutachtlicher Vorschlag zur Identifizierung, Abgrenzung und Beschreibung sowie vorläufigen Bewertung der zahlen- und flächenmäßig geeig­ netsten Gebiete zur Umsetzung der Richtlinie 79/409/EWG in den äußeren Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns. Gutachten im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, 203 S. Kieś, B. and T. Tomek, 1990: Bird mortality in fishing nets in the Gulf of Gdansk, Polish Baltic coast. ­Pelagicus, 5, 23–27. Kirchhoff, K., 1982: Wasservogelverluste durch die Fischerei an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Vogelwelt, 103, 81–89. Kowalski, W. i S. Manikowski, 1982: Liczebność ptaków ginących w sieciach rybackich na Bałtyku. Ochrona przyrody, 44, 245–248. Lunneryd, S.G., Königson, S. och N.B. Sjöberg, 2004: Bifångst av säl, tumlare och fåglar i det svenska yrkesfisket. Finfo : Fiskeriverket informerar, 2004/8, Öregrund, Göteborg, 21 s. Meissner, W., 1993: Zimowanie markaczki Melanitta nigra i uhli Melanitta fusca na Zatoce Gdańskiej w sezonach 1984/85–1986/87. Notatki Ornitologiczne, 34, 95–101. Meissner, W. i T. Maracewicz, 1993: Zimowanie lodówki Clangula hyemalis na Zatoce Gdańskiej w sezonach 1984/85–1986/87. Notatki ­Ornitologiczne, 34, 87–94�. Meissner, W. i A. Sikora, 1993: Zimowanie edredona Somateria mollissima na Zatoce Gdańskiej w sezonach 1984/85–1986/87. Notatki Ornitologiczne, 34, 81–85. Melvin, E.F. and J.K. Parrish (Eds.), 2001: Proceedings of the Symposium Seabird Bycatch: Trends, Roadblocks and Solutions, February 26-27, 1999, Blaine Washington, Annual Meeting of the Pacific Seabird Group. University of Alaska Sea Grant, AK-SG-01-01, 206 pp. Mentjes, T. und O. Gabriel, 1999: Fangtechnische Möglichkeiten zur Reduzierung des Beifangs von Meeresenten in der Dorschfischerei mit stationären Fanggeräten. Inf. Fischwirtsch. Fischereiforsch., 46, 36–41. Michno, B., Meissner, W., Musiał, K. i M. Kozakiewicz, 1993: Zimowanie głowienki Aythya ferina, czernicy Aythya fuligula i ogorzałki Aythya marila na Zatoce Gdańskiej w sezonach 1984/85–1986/87. Notatki Ornitologiczne, 34, 63–80. Oldén, B., Peterz M. och B. Kollberg, 1988: Sjöfågeldöd i fisknät i nordvästra Skåne. Naturvårdsverket Rapport 3414. Solna, Sweden, 51 s. Olsson, O., Nilsson T. och T. Fransson, 2000: Longterm study of mortality in the common guillemot Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten in the Baltic Sea. Analysis of 80 years of ringing data. Swedish Environmental Protection Agency Rep. 5057: 47 s. http://www.nrm.se/download/18.3f4924f310cc 92438458000462/SNV-report5057.pdf Österblom, H., 2002: Bifångster i fiskeredskap av fågel, säl och tumlare i Östersjön. Naturhistoriska riksmuseet, Stockholm. 22 s. http://www.wwf.se/source.php/1003322/wwf1020504.pdf Österblom, H., Fransson, T. and O. Olsson, 2002: Bycatches of Common Guillemots (Uria aalge) in the Baltic Sea gillnet fishery. Biological Conservation, 105, 309–319. Schirmeister, B., 1993: Zu Verlusten von Wasservögeln in Fischnetzen der Küstenfischerei. Falke, 40, 343–346. Schirmeister, B., 1993: Zu Verlusten von Wasservögeln in Fischnetzen der Küstenfischerei. Ornithol. Rundbrief Mecklenb.-Vorpomm., N.F. ,35, 23–27. Anschrift des Verfassers: Dr. Frithjof Erdmann I.L.N. Greifswald – Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz Am St. Georgsfeld 12 17489 Greifswald Schirmeister, B., 2003: Verluste von Wasservögeln in Stellnetzen der Küstenfischerei – das Beispiel der Insel Usedom. Meer und Museum, 17, 160–166. Stempniewicz, L., 1994: Marine birds drowning in fishing nets in the Gulf of Gdańsk (southern Baltic): numbers, species composition, age and sex structure. Ornis Svecica, 4, 123–132. Žydelis, R., 2002: Habitat selection of waterbirds wintering in Lithuanian coastal zone of the Baltic Sea. Diss., Institute of Ecology, Univ. of Vilnius. Žydelis, R. and R. Skeiveris, 1999: Increasing conflict between gill-net fishery and Steller’s Eiders wintering along the Lithuanian coast. Wetlands International. Seaduck Specialist Group Bulletin, 8, 9–11. Žydelis, R., Vaitkus, G., Gražulevičius, G. and K. ­Castrén, 1999: Wintering Seabird Survey in Lithuanian Offshore Waters, March 1999. Acta Zoologica Lituanica, 9, 142–146. 113 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Globale Erwärmung und Zooplankton Global warming and zooplankton Wulf Greve Zusammenfassung Summary Auf der Basis 32-jähriger Meßreihen zur Häufigkeitsverteilung von 250 Zooplanktonpopulationen an der Position Helgoland Reede (54°11´3´´ N, 7°54´0´´ O) wurde untersucht, welchen Einfluss die beobachtete globale Erwärmung in diesem Zeitraum auf die wechselwarmen Organismen hatte. Dazu wurden die Trends in der für Zooplankton charakteristischen Saisonalität der Einzelpopulationen verglichen. Festgestellt wurden sehr unterschiedliche artspezifische Trends in der Terminierung von Saisonbeginn, Saisonmitte und Saisonende. Die Erwärmung um 1,4°C im Zeitraum von 30 Jahren führte zu Verschiebungen von bis zu 20 Wochen. Die Varianz der Nordatlantischen Oszillation (NAO) erlaubte die Berechnung der phänologischen Funktionalität der Zooplanktonarten. Auf dieser Basis wurde die operative phänologische Prognose entwickelt, die seit 2004 unter www. senckenberg.de/dzmb/plankton online verfügbar ist. Die Phänologie einiger Nutzfische der Nordsee wird erläutert. Die mit der globalen Erwärmung einhergehende Lateralverschiebung von Populationen wird am Beispiel von Einzelarten diskutiert. Die Konsequenzen für das Messprogramm der EU werden dargestellt. Based on 32 years of measurements of the abundance distribution of 250 zooplankton populations at the position Helgoland Roads (54°11´3´´ N, 7°54`0´´ E) the influence of global warming on poikilothermal organisms during this period was investigated. For this purpose, trends in the characteristic seasonality of individual populations were compared. Very diverse species-specific trends were found in the timing of start of season, middle of season and end of season. The observed temperature increase of 1.4° C led to deviations of up to 20 weeks. The variance of the North Atlantic Oscillation (NAO) allowed the phenological functionality of the zooplankton species to be calculated. On this basis an operative phenological prognosis was developed which has been available online since 2004 at www.senckenberg.de/dzmb/plankton. The phenology of several commercial fish species of the North Sea is discussed. The lateral displacement of populations accompanying global warming is discussed on example species. The consequences of the impact of global warming to the EU monitoring programmes are described. Klimaeinwirkungen auf Ökosysteme können nur durch langfristige vergleichbare Beobachtungen gemessen werden. Seit April 1974 wird an jedem Montag, Mittwoch und Freitag auf der Reede Helgolands 54°11´3´´ N 7°54´0´´ O mit zwei Schräghols das Mesozooplankton (> 150 µm) und das Makrozooplankton (> 500 µm) als Netzplankton gefangen, bestimmt und gezählt. Diese Langzeitreihen wurden in der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH) begonnen und seit 1998 in der Zusammenarbeit von Forschungsinstitut Senckenberg (FIS), Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und BAH jetzt in der Stiftung Alfred Wegener Institut fortgesetzt. In diesem Zeitraum von 32 Jahren wurden globale Änderungen der Meeresoberflächentemperatur festgestellt. Nach den Analysen des Goddard Institute for Space Studies variiert der Anstieg je nach Breitengrad und Jahreszeit (Abb. 1). Nach den Messungen der Biologischen Anstalt Helgoland stieg die Meerwassertemperatur in diesem Zeitraum um über 1°C an (Wiltshire and Manly [2004]). Insbesondere in den Winter- und Frühlingsmonaten der gemäßigten bis polaren Regionen weicht die Temperatur um bis zu 1,8 °C von den früheren Werten ab. Das sind über 10 % des jährlichen Tempera­ turumfangs in der südöstlichen Nordsee. 115 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 116 Entsprechend vielfältig sind die beteiligten Prozesse und damit der Einfluß der Temperaturänderungen. Viele dieser Reaktionen sind an der zeitlichen Verschiebung des Vorkommens der einzelnen Arten abzulesen. Zooplankter haben ein saisonales Vorkommen. Obwohl Holoplankter ganzjährig im Pelagial überleben müssen, beschränkt sich ihr Abundanzmaximum auf wenige Wochen oder Monate (Abb.3). So haben auch die einzelnen Copepodenarten ihr Vorkommensmaximum zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Das entspricht ihrer spezifischen Lebensweise. Abb. 1:Temperaturabweichung (°C) nach Breitengrad und Jahreszeit (nach GISS, NASA) 20 200 18 180 16 160 14 140 12 120 min 10 100 max 8 6 mean 80 % 60 4 40 2 20 0 % °C (SST) Bezogen auf die Wintersaison mit einer Mitteltemperatur von 3 °C und einer Temperaturvarianz von 6 °C bei Helgoland ist die Abweichung um etwa 1,5 °C entsprechend gewichtig (Abb 2). Die Geschwindigkeit aller physiologischen Prozesse wird von der herrschenden Temperatur bestimmt. Bei wechselwarmen Orgasmismen – und dazu gehören die meisten Meerestiere – steuert die Meerwassertemperatur die Prozessgeschwindigkeit ausschließlich. 0 0 5 10 15 20 25 30 W oche week 35 40 45 Jede Art hat ein besonderes Anforderungspektrum, was z.B. Temperatur, Salzgehalt, Nahrung und Schutz vor Feinden angeht. Dieses Spektrum wird als „ökologische Nische“ bezeichnet. Für Noctiluca scintillans, einen häufigen Zooplankter der Deutschen Bucht, wurde dieses Anforderungsprofil als Funktion der Reproduktionsintensität vermessen (Uhlig and Sahling [1995]). Als erste Näherung sind solche Spektren aus der Korrelation von Vorkommen und Umgebungstemperatur abzulesen. Das Auftreten einer Art ist dabei nicht nur von der Temperatur zum Zeitpunkt des Vorkommens abhängig. Davor liegen andere temperaturabhängige Prozesse. Das kann die Generationsdauer während des Populationsaufbaus, die Keimung von Dauerstadien, die Knospung der Medusen von Polypen oder die langfristige Gonadenentwicklung der Elterntiere sein (Greve [2003]). Das betrifft sowohl das Zoobenthos als auch die Fische, deren Larven Teil des Merozooplanktons sind. Neben dem Einfluß auf die Prozeßgeschwindigkeit sind Steuerungsmechanismen durch Temperaturschwellenwerte beobachtet worden. 50 Abb. 2:Der mittlere Jahresgang der Temperatur bei Helgoland 1974 bis 2004 und die jeweilige relative Varianz der Temperatur Das marine Zooplankton besteht aus dem zeitlebens im Pelagial lebenden Holoplankton und dem Meroplankton, das nur in bestimmten Lebensstadien, als Larve, als vertikal wandernder Benthos­ organismus oder im Generationswechsel in der planktonischen Generation (z.B. als Meduse) im freien Wasser lebt. Die Definition der Saison, des Hauptvorkommens einer Art, wurde aus der Abundanzverteilung errechnet. Dabei musste für den interannuellen Vergleich die sehr unterschiedliche jährliche Abundanz auf die jeweilige relative Abundanz umgeformt werden. Aus Mengenangaben werden Zeitangaben. Die kumulative Abundanzsumme wurde als Standard für die Berechnung der Zeitpunkte gesetzt, an denen die Grenzwerte von 15 % = SOS (start of season), 50 % = MOS (middle of season) und 85 % = EOS (end of season) überschritten wurden. Aus der Differenz EOS - SOS ergibt sich LOS (length of season) (Abb. 4). Mit den Definitonen zur Saison ist gleichzeitig ein Kriterium für die phänologische Beschreibung und die Biodiversität der Zooplanktonarten gegeben. Die Phänologie befasst sich mit der Terminierung zyklisch wiederholter Ereignisse, der Phänophasen. Als solche Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten sind die Blühtermine von Frühlingspflanzen ebenso bekannt wie das Austreiben der Baumarten und der Laubfall im Herbst. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) unterhält ein Netz von etwa 800 Beobachtern, die nach einer Checkliste in Deutschland in jeder Woche ihre Beobachtungen dokumentieren und an den DWD melden. Der DWD nutzt diese Informationen u.a. für die agrameteorologische Beratung. Das dichte Beobachtungsnetz läßt z.B. am Beginn der Apfelblüte erkennen, wie sich warme und kalte Jahre, das regionale Klima und die Höhenlage des Beobachtungsgebietes auf die Terminierung der Blüte auswirken. Die terrestrische Phänologie ist heute auch in der Ornithologie und in anderen Feldern wohl etabliert (Schwartz [2003]). Abb. 3:Mittlere Häufigkeitsverteilung (1975 bis 2005) der pelagischen Copepoden der Deutschen Bucht als Farbwertverteilung (rot: Abundanzmaxima) Oikopleura dioica 25.000 19 Individuen/m3 15 EOS 15.000 13 11 MOS 10.000 9 7 5.000 mittlere Temperatur in °C 17 20.000 5 SOS 3 0 0 5 10 15 20 25 30 Woche 35 40 45 50 Abb. 4:Saisondefinition bei Oikopleura dioica (siehe Text) und mittlerer Jahresgang der Temperatur (blau) Obwohl die marinen Bedingungen durch die höhere spezifische Wärme des Wassers sehr viel stabiler und damit von kurzfristigen Wetterschwankungen unabhängiger sind als das wetterabhängige terrestrische System und obwohl auch die Fische als Hauptnutztiere des Meeres wechselwarm und damit den Temperatureinflüssen besonders ausgesetzt sind, hat sich die Biometeorologie erst seit etwa 10 Jahren in der Meeresökologie etabliert (Beaugrand et al. [2002], Greve [2003], Greve et al. [2001], Greve et al. [1996], Heyen et al. [1998]). Fast alle Ökosysteme der Erde reagieren auf die globale Erwärmung (Walther et al. [2002]). Neben der Vorverlagerung des Frühjahrs wurden Verspä- 117 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten tungen des Herbstes und Verschiebungen der Verbreitungsgrenzen zu den höheren Breitengraden festgestellt. Diese Reaktionsweisen sind über die match/mismatch-Gesetzmäßigkeit miteinander verknüpft (Cushing [1990]). Wenn der Nachwuchs des Räubers erscheint, bevor die Beute heranwächst, wird die nächste Generation kaum überleben. Die Entwicklung des Räubers kann nicht erst durch das Vorhandensein des Futters ausgelöst werden, da Gonadenentwicklung, Embryonalentwicklung und Schlupf der Larven Zeit benötigen. Wenige Wochen können dabei entscheidend sein. Die Algenentwicklung in der Deutschen Bucht zeigt eine Tendenz zur zeitlichen Verspätung im Frühjahr (Wiltshire and Manly [2004]). Das Zooplankton reagiert seinerseits auf die Erwärmung. Die Rippenqualle Pleurobrachia pileus verfrüht sich im Saisonbeginn um 17 Wochen und verspätet sich im Saisonende um 6 Wochen. Die Saisonlänge wächst von etwa 6 auf 20 Wochen an. Bei der Familie der Eutimidae schrumpft die Saisonlänge dagegen von 14 auf 6 Wochen. Die Reaktion auf die Änderungen des Ökosystems unter dem Einfluss einer Erwärmung um etwa 1,4 °C ist also nicht einheitlich, sondern artspezifisch unterschiedlich (Abb. 5). 44 40 1997 1995 1993 2 30 R = 0,014 2 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 18 1991 R = 0,0137 1975 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 1991 34 22 10 6 2 R = 0,1811 26 R = 0,6776 14 2005 R = 0,6269 2 2003 2 2005 22 2001 26 Woche 30 2003 38 1999 42 2 R = 0,0452 34 1997 38 18 Eutimidae 46 1995 Pleurobrachia pileus 42 1993 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 16 1989 2 R = 0,4417 2 R = 0,0569 1987 20 1985 11 1983 24 1981 15 7 2 R = 0,3235 28 1979 19 32 2001 2 R = 0,4634 2 R = 0,3087 36 1977 23 Woche 27 1999 2 R = 0,3975 31 Bougainvillia spp. 48 1975 35 Woche Die Entwicklung einiger Quallen und Rippenquallen zeigt die Spannweite der Reaktionen. Die Hydromeduse ­Eutonina indicans verfrüht sich mit einem hohen Bestimmtheits-Koeffizienten in allen Saisonstadien von 1975 bis 2005 um etwa 15 Wochen. Die Gattung Bougainvillia verspätet sich im gleichen Zeitraum um 12 Wochen. Eutonina indicans 39 Woche 118 Abb. 5:Zeitliche Veränderung der Phänophasen (∆: SOS, •: MOS, : EOS) einiger Coelenteratenpopulationen von 1975 bis 2006 (siehe Text) Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Die globale Erwärmung ist eingebettet in saisonale und regionale Temperaturänderungen, von denen insbesondere die Nordatlanische Oszillation (NAO) in ihrem Einfluss auf die Windverteilung und damit die Temperaturen in den Wintermonaten untersucht wurde (Marshall et al. [2001]). Durch diese Temperaturwechsel wurde von der Natur in den vergangenen 30 Jahren ein variables Fall-Spektrum für die Ermittlung des Einflusses der Temperatur auf die Phänologie geboten. Bei der Analyse der Phänologie wurden insbesondere bei den Fischlarven selektiv die extrem kalten (z.B. 1996) und warmen (z.B. 1990) Jahre ausgewertet, um das natürlich gebotene Spektrum möglichst gut auszunutzen. Die Appendicularie Oikopleura dioica ist ein Nanoplankton (5-20 µm) fressender Holoplankter mit Generationszeiten von etwa 14 Tagen. Sie ist vom Mittelmeer bis Nordnorwegen verbreitet. In der Deutschen Bucht kommt sie in jedem Jahr vor. 119 ringeren Steigung der Regressionsgrade bei steigenden Wintertemperaturen zu (Abb.6). Der Bestimmtheitsgrad von R² = 0,49 zum Saisonbeginn nimmt zu den späteren Phänophasen ab. Die Populationsdynamik der Appendicularien ist für Helgoland, wo Nahrungsmangel nicht zu erwarten ist, ausschließlich auf der Basis der Temperaturabhängigkeit zu simulieren (Greve [2004]). Der hohe Bestimmtheitsgrad bei der Definion der funktionalen Relationen der zeitlichen Abhängigkeit der Phänophasen von den Wintertemperaturen führte zur Entwicklung einer operativen Online-Prognose des Zooplanktons der Deutschen Bucht, die seit April 2004 unter www.senckenberg.de/dzmb/plankton abgerufen werden kann (Greve et al. [2004]). 20 18 16 0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 R = 0,4995 2 3 4 °C 6 7 2 R = 0,298 5 6 7 19 93 19 99 18 19 20 98 02 16 14 12 19 79 19 1 817 9 9 19 9 8 6 86 5 Wochen Saisonlänge 19 81 19 77 20 119 119 03 9 89419 9 87901 4 79 6 83 19 19 83 19 99 20 01 19 922109 0 98 90 20 5 02 19 1 1 889 9 7 891 99 5 0 19 97 Woche Saisonende 19 79 19 1 8 9 1 19 9 8 7 96 86 5 1 5 OIKOPLEURA DIOICA 10 8 6 4 0 4 °C OIKOPLEURA DIOICA 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29 28 3 2 °C 19 90 22 1 19 1290 7179 119 849 703 8109 991 6 9 74 19 8 8 20 19 3 01 20 9129 00 9 5 1 19 9 8 19 75 8 89 24 1 19 9 97 81 19 19 119 19 20 771 19 039 94 19 849 791 80 78 6 93 19 19 83 99129 0 901 19 20 219 98 95 20 00 02 19 19 8 19 8 75 19 89 90 26 19 81 28 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 19 97 30 Woche Saisonmitte Woche Saisonanfang 32 19 79 1 19 19 1 9 96 87 859 8 6 OIKOPLEURA DIOICA 1 19 9 97 81 19 77 210 19 19 1 9 091 9 8 9 19 349 1 04 76 7 93 19 8 19 83 129 99 19 190 902120 98 20 95 00 02 1 19 9 8 19 8 75 19 89 90 OIKOPLEURA DIOICA 19 79 1 19 119 9 96 87 9 885 6 In allen Phänophasen ist Oikopleura dioica negativ mit der mittleren Wintertemperatur (Woche 1-10) korreliert. Die Saisonlänge nimmt aufgrund der ge- Mit den übrigen 250 Zooplanktonarten des Mesound Makrozooplanktons, für die der Temperatureinfluss auf die Phänologie bei Helgoland gemessen wurde, konnte für die Larven der Fischarten der Nordsee bestimmt werden, wie sie phänologisch auf die wechselnden Wintertemperaturen reagieren. 0 1 2 R = 0,2317 Abb. 6:Abhängigkeit der Phänophasen von Oikopleura dioica von der Wintertemperatur 2 3 4 °C 5 6 2 7 R = 0,2465 Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten 120 Die Phänophase MOS (middle of season) ist für 7 Nutzfischarten in Abbildung 7 dargestellt. Alle Arten sind mit unterschiedlichen Steigungen der Regressionsgraden negativ mit den Wintertemperaturen korreliert. Das entspricht der Erwartung aus physiologischen Untersuchungen (L ange and Greve [1997]). Für die Ökologie dieser Fischpopulationen ist der Zeitpunkt des Auftretens der Larven von großer Bedeutung. Die Primärproduktion ist primär von der Tageslichtlänge bestimmt. Die Futterorganismen der Fischlarven sind in der Regel davon abhängig. Mit der Entfernung von der Frühjahrsblüte bis in den Februar hinein sinkt so z. B. die Überlebensmöglichkeit für Kabeljaularven in einem wärmeren Meer. Das entspricht den Beobachtungen über den Rückgang dieser Art in der Nordsee. Penilia avirostris 100000 10000 1000 341 323 100 305 Tag 287 10 269 251 1 233 215 1990 1993 1994 1998 1999 2001 2002 2003 2004 Jahr Abb. 8:Penilia avirostris: Dokumentation der Populationsgeschichte der Einwanderung eines Neozons (Individuen/m3) 35 Durch die langfristige engmaschige Beobachtung der natürlichen Zooplanktondynamik konnte unter Ausnutzung der „Naturexperimente“ globale Erwärmung und Varianz der Nordatlantischen Oszillation festgestellt werden, dass die Phänologie der Zooplanktonarten sich artspezifisch ändert (Greve et al. [2004]). Dazu wurde jeweils die langfristige Veränderung und die funktionale Reaktion auf die Wintertemperatur gemessen. Temperaturgesteuerte Faunenveränderungen wurden registriert und die operative Prognose zur Phänologie des Zooplanktons auf dieser Basis entwickelt und online zur Verfügung gestellt (Greve et al. [2004]). 30 25 Woche 20 15 10 5 0 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 mittlere Wassertemperatur im Winter (Woche 1 - 10) in °C Abb. 7:Vorkommen von Fischlarven in der Nordsee in Abhängigkeit von den Wintertemperaturen Dieser Verdrängung einer Population nach Norden steht das Auftreten der Arten gegenüber, die aus den wärmeren Gebieten im Süden in die Nordsee einwandern. Ein Vertreter dieser Neozoen ist die Cladocere Penilia avirostris. Seit ihrem ersten beobachteten Auftreten 1990 bei Helgoland nahm diese Art zunächst im Spätherbst von Jahr zu Jahr zu. Inzwischen tritt die Population schon im August in Mengen auf, die für das übrige Ökosystem von Bedeutung sind (Abb. 8). In der Meeresforschungsstrategie der EU gilt die Aufmerksamkeit nicht nur den einzelnen Arten, sondern auch der saisonalen und regionalen Verteilung der Populationen. Diese Indices werden die zukünftige Wirkungsweise der Klimaänderung erkennen lassen. Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf marine Arten Literatur Beaugrand, G., Philip C. Reid, Frederic Ibanez, J. Alistair Lindley and M. Edwards, 2002: Reorganisation of North Atlantic Marine Copepod Biodiversity and Climate. Science, 296(5573), 1692-1694. Cushing, D.H., 1990: Plankton production and yearclass strength in fish populations: an update of the match/mismatch hypothesis. Adv. mar. Biol., 26, 1-122. Greve, W., 2003: Aquatic Plants and Animals. In: M.D. Schwartz (Editor). Phenology: An Integrative Environmental Science. Dordrecht: Kluwer. Greve, W., 2004: Biometeorology of North Sea Appendicularians. In: G. Gorsky, Youngbluth, M, and Deibel, D. (Editor). Response of marine ecosystems to global change: Ecological impact of appendicularians. Gordon and Breach, Scientific Publishers, pp. 277-290. Greve, W., Reiners, F., Nast, J. and S.Hoffmann, 2004: Helgoland Roads time-series Meso- and Makrozooplankton 1975 to 2004: lessons from 30 years of single spot high frequency sampling at the only off-shore island of the North Sea. Helgoland Marine Research, Vol. 58, 4, 274-288. Greve, W., L ange, U., Reiners, F. and J. Nast, 2001: Predicting the Seasonality of North Sea Zooplankton. In: I. Kröncke, M. Türkay and J. Sündermann (Editors). Burning issues of North Sea ecology, Proceedings of the 14th international Senckenberg Conference North Sea 2000. Senckenbergiana marit., Frankfurt am Main, pp. 263-268. Anschrift des Verfassers: Dr. W. Greve Forschungsinstitut Senckenberg c/o DESY, Gebäude 3 Notkestr. 85 22607 Hamburg Greve, W., Reiners, F. and J. Nast, 1996: Biocoenotic changes of the zooplankton in German Bight: the possible effects of eutrophication and climate. ICES J. mar. Sci., 53, 951-956. Heyen, H., Fock, H. and W. Greve,1998: Detecting relationships between the interannual variability in ecological time series and climate using a multivariate statistical approach - a case study on Helgoland Roads zooplankton. Climate Res., 10, 179-191. L ange, U. and W. Greve,1997: Does temperature influence the spawning time, recruitment and distribution of flatfish via its influence on the rate of gonadal maturation? Dt. hydrogr. Z., 49 (2/3), 251-263. Marshall, J. et al., 2001: North Atlantic Climate Variability: Phenomena, Impacts and Mechanisms. International Journal of Climatology, 21, 1863-1898. Schwartz, M.D., 2003: Phenology: An Integrative Environmental Science. Dordrecht: Kluwer. Uhlig, G.U. and G. Sahling, 1995: Noctiluca scintillans: zeitliche Verteilung bei Helgoland und räumliche Verbreitung in der Deutschen Bucht (Langzeitreihen 1970 - 1993). Ber. Biol. Anst. Helgoland, 9, 1-127. Walther, G.-R. et al., 2002: Ecological responses to recent climate change. Nature, 416, 389-395. Wiltshire, K.H. and Bryan F.J. Manly, 2004: The warming trend at Helgoland Roads, North Sea: phytoplankton response. Helgoland Marine Research, 58, 4, 269-273. 121 Ballastwassermanagement Ballastwassermanagement Internationales Übereinkommen von 2004 zur Überwachung und Behandlung von Ballastwasser und Sedimenten von Schiffen Petra Bethge und Rolf von Ostrowski Im Februar 2004 hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) das Ballastwasserübereinkommen verabschiedet. Die einheitliche Ausführung des Übereinkommens soll durch 14 ergänzende Richt­­ linien gewährleistet werden. Das Übereinkommen dient dazu, das Einschleppen nicht heimischer Arten zu verhindern, die das Gleichgewicht eines Ökosystems empfindlich stören und zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen können. Schiffe führen aus Stabilitätsgründen Ballastwasser mit sich, das je nach Beladungszustand beim Beund Entladen aufgenommen oder abgelassen wird. Große Massengutschiffe und Tanker nehmen auf diese Weise bis zu 100.000 Tonnen Wasser an Bord. In die Deutsche Bucht und die Häfen an Nord- und Ostsee fließen ca. 20 Millionen Tonnen Ballastwasser pro Jahr. Muscheln, Krebse und Fische sowie insbesondere Viren, Bakterien, Pilze, Algen und Plankton gehen mit auf die Reise. Treffen diese Arten auf für sie günstige Lebensbedingungen, können sie heimische Arten verdrängen und so das ökologische Gleichgewicht bedrohen. So verdrängt der Nordpazifische Seestern vor der australischen Küste heimische Bestände von Krebsen, Muscheln und Garnelen. Neben ökologischen Schäden entstehen auch ökonomische Nachteile. Die chinesische Wollhandkrabbe ist etwa in die Nordsee eingewandert und räubert in Fischteichen, zerbeißt Fischernetze und unterhöhlt Deiche. Ein prominentes Beispiel ist auch die Zebramuschel, die an den großen Seen der USA dank ihrer extremen Vermehrung Zuflussrohre von Wasserkraftwerken und industriellen Kühlsystemen zuwuchert, die unter erheblichen Kosten zum Teil mehrmals jährlich gesäubert werden müssen. Die Vereinten Nationen haben die Einschleppung fremder Arten in nicht heimische Gewässer als eine der vier größten Bedrohungen der Meeresumwelt eingestuft. Das Ballastwasserübereinkommen schreibt für Schiffe ab 2009 bis spätestens 2016, je nach Ballastwasserkapazität und Baujahr ein Ballastwassermanagement vor. Für eine Übergangszeit kann der Ballastwasseraustausch praktiziert werden, bei dem unter bestimmten Vorgaben die Ballasttanks in geeigneten Gebieten insgesamt dreimal während der Fahrt umgepumpt werden müssen. Dabei macht man sich zu Nutze, dass viele Arten, die in küstennahen Gewässern aufgenommen werden, etwa wegen des unterschiedlichen Salzgehaltes oder anderer Temperaturen auf hoher See nicht überleben können und umgekehrt. Letztlich sollen jedoch alle Schiffe eine Qualität des Ballastwassers aufweisen, die nur durch eine Behandlung erzielt werden kann. Ob die dafür erforderliche Technologie auf dem Markt rechtzeitig verfügbar sein wird, soll im Rahmen des zweiten sogenannten „Reviews“ auf der kommenden Sitzung des Umweltausschusses (MEPC) der IMO abgeschätzt werden. Mit dem Ballastwasserübereinkommen hat die IMO einen ehrgeizigen Standard festgesetzt, der zum Zeitpunkt der Verabschiedung noch nicht erfüllbar war und zu Innovation anregt. Nur bei positivem Ergebnis kann an den bislang vorgesehen Daten festgehalten werden. Auch die aufwendigen Zulassungsverfahren stellen dabei eine Herausforderung dar. Bereits im vergangenen Jahr wurde im MEPC eine Übersicht über die sich entwickelnde Technologie erstellt, bei der von 14 vorgestellten Verfahren allein vier Erfolg versprechende aus Deutschland stammen. Entwickelt werden physikalische Methoden wie UV-Strahlung, Sauerstoffentzug oder Erhitzen sowie kombinierte Verfahren, bei denen Ozon, Chlordioxid oder Biozide zum Einsatz kommen sollen. Auf Empfehlung eines eigens zum Zweck der Bewertung von zur Ballastwasserbehandlung vorgesehenen aktiven Substanzen eingerichteten UN-Experten Gremiums (GESAMP Ballastwasser Technical Group) erteilte der Umweltausschuss zu Beginn dieses Jahres die weltweit ersten Teil­zulassungen für 125 126 Ballastwassermanagement ein deutsches sowie ein koreanisches Produkt. Unter Einhaltung bestimmter Auflagen können nun Testfahrten unternommen werden. Deutschland hat mit vorbereitenden Arbeiten im Hinblick auf die Umsetzung des Übereinkommens be- gonnen. Das BSH soll zukünftig als zentrale Behörde die einheitliche und koordinierte Umsetzung des Ballastwasserübereinkommens sicherstellen. In die dazu erforderlichen Verfahren sind weitere Behörden, Klassifikationsgesellschaften und Sachverständige einzubinden. Beteiligte Institutionen im Zulassungsverfahren BMVBS Klassifikationsgesellschaft Bundesinstitut für Risikobewertung BSH Seeberufsgenossenschaft Umweltbundesamt Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit Anschrift der Vortragenden: Petra Bethge Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Robert-Schuman-Platz 1 53175 Bonn Rolf von Ostrowski Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Bernhard-Nocht-Straße 78 20359 Hamburg Ballastwassermanagement Ballast Water Management – from the Perspective of the Environment Anne-Beth Skrede The threat from ships’ ballast water Most marine species have planctonic stages in their lifecycle, which means that most marine species are potential stowaways through ships’ ballast water intakes and pumps. Unwanted species may also be bacteria, microbes, invertebrates and the spores, eggs and larvae of larger species. At any given time, seven thousand different species are under way in ships’ ballast tanks around the globe. Most of these species do not survive their voyage, - but some do. The survivors may become alien intruders in a new environment, and every nine weeks there is a “successful” invasion of species introduced by ships’ ballast water. IMO estimates that somewhere between 3 and 10 billion tonnes of ballast water is carried around the world annually. Norwegian coastal areas alone receive between 25 and 35 million tonnes of ballast water annually, most of which is released in harbours and by oil refineries. A few years ago a study at the Sture Refinery showed living organisms in 29 out of 30 ballast tanks. 2. The European Zebra Mussel Introduced to the North American Great Lakes. It has spread to infest more than 40 % of US waterways, fouls the cooling water intakes of industry and control measures have reached more than USD 750 million. Consequences Once introduced and established, alien species are often impossible to eliminate, and impacts are usually irreversible. Impacts are both ecological and economical, and human health can be jeopardized when toxic organisms, diseases and pathogens are introduced to new territories. There are many scary examples of devastating consequences for the native environment after being invaded by a new species. I will mention three examples: 1. The North American Comb Jellyfish Introduced to the Black Sea in the early 1980ies. Arrived in the Caspian Sea 10 -15 years later. Has literally wiped out local fish stocks. Extreme reproduction rate. No natural enemies in its’ new environment. Causing fish death and poverty. 3. The Golden Mussel Originates from Chinese Rivers. Introduced to Argentina Inland Waters by ships’ ballast water in the late nineties. Rapidly taking over inland water- 127 128 Ballastwassermanagement ways in South America, suppressing local natural species, destroying water supply systems and water intake - causing enormous costs and poverty among the population dependant on fishing in the rivers. Expected to reach the Amazon Delta by 2008. Consequences for the biodiversity in this pristine area is unknown, but feared to be fatal for several species. Mitigation and management There are no good solutions to repair the damage caused by alien species. This means that precaution and regulation are the most effective tools to prevent ecological disasters caused by introduced species. Regulations are the driving force behind investments and innovation. We have seen a boom in research and development of ballast water treatment technologies the past two years, after the adoption of the IMO Convention for the Control and Management of Ships’ Ballast Water and Sediments in February 2004. Apart from the ballast water treatment technology itself, the Ballast Water Convention also creates markets for other products and services related to equipment certification, sampling equipment analysis material, etc. Recommendations WWF strongly urges all shipping and coastal states to ratify the IMO Convention on ballast water. Ballast water exchange should be regarded as a temporary mean, and not a solution in itself, as exchange just minimizes, but do not eliminate risks. WWF calls for special requirements in sensitive areas, strict rules on permissions for non-treatment of ballast water, and protection for vulnerable parts of the high seas. In addition, coastal states should ensure reception facilities for on-land treatment of ballast water. Address of lecturer: Anne-Beth Skrede WWF Norway Advisor Petroleum and Shipping PO Box 6784 St. Olavs plass 0130 Oslo Norway Ballastwassermanagement Technische Entwicklungen zur Behandlung von Ballastwasser Technical developments in ballast water treatment Matthias Voigt Zusammenfassung Im Februar 2004 hat die IMO eine neue Konvention zum Thema Ballastwasser verabschiedet. Ziel der neuen Konvention ist die Reduzierung des Einschleppungsrisikos von Fremdarten, das durch die Abgabe von Ballastwasser und Feststoffen aus Ballastwassertanks entstehen kann. Die BallastwasserKonvention gestattet dabei zwei unterschiedliche Arten des Ballastwasser­managements: 1. einen Ballastwasserwechsel auf offener See, bei dem mindestens 95 % des Ballastwassers ausgetauscht werden, oder 2. eine Behandlung des Ballastwassers gemäß Bestimmung D2 der Konvention. Dieser Vortrag gibt einen Überblick zu den neuen Anforderungen der Ballastwasser-Konvention aus technischer Sicht und gibt Beispiele für technische Lösungen zur Behandlung von Ballastwasser an Bord von Schiffen. Die Problematik von Einschleppungen fremder Organismen mit dem Ballastwasser von Schiffen hat eine globale Bedeutung. Es sind bereits heute zahlreiche Einschleppungen bekannt, die zum Teil gravierende ökologische und auch ökonomische Schäden verursacht haben. An dieser Stelle sei nur auf das bekannte Beispiel der Einschleppung der Zebramuschel aus Europa in die Großen Seen verwiesen. Um das Risiko von Einschleppungen fremder Organismen durch Ballastwasser zu reduzieren, hat die IMO eine Konvention zum Thema Ballastwasser verabschiedet. Bisher unterzeichneten 6 Staaten (August 2006) die Konvention (Malediven, Saint Kitts und Nevis, Syrien, Spanien, Nigeria und Tuvalu). Gültigkeit Summary In February 2004, IMO adopted a new Ballast Water Convention. The Convention is aimed at reducing the risk of foreign species invasions due to discharges of ballast water and solids from ballast water tanks. Under the Ballast Water Convention, two different types of ballast water management are allowed: 1. exchange of ballast water in the open sea, with replacement of at least 95% of the ballast water, or 2. treatment of ballast water in accordance with Art. D2 of the Convention. This contribution deals with the technical implementation of the amended provisions of the Ballast Water Convention and gives examples of practical solutions for shipboard ballast water treatment. erlangt die Konvention jedoch erst 12 Monate später, nachdem 30 Staaten, die mindestens 35% der Welthandelsflotte repräsentieren, ratifiziert haben. In dieser Konvention sind unterschiedliche Methoden des Ballastwassermanagements aufgezeigt. So kann das Ballastwasser auf hoher See vollständig ausgetauscht werden, oder aber mittels spezieller Verfahren derart aufbereitet werden, dass nur 10 Organismen größer als 50 µm/m³ sowie 10 Organismen mit einer Größe zwischen 10 µm und 50 µm pro Milliliter mit dem Ballastwasser abgegeben werden. Ferner sind die Anzahlen von Krankheitserregern, die mit dem Ballastwasser abgegeben werden dürfen, streng begrenzt: (Vibrio cholerae 1 cfu/100 ml, E. Coli, 250 cfu/100 ml, Enterococcus, 100 cfu/100 ml). 129 130 Ballastwassermanagement Außer der IMO-Konvention gibt es außerdem bereits zahlreiche regionale und/oder nationale Bestimmungen (z.B. USA, Australien), die ein Management des Ballastwassers fordern. Bereits im Jahr 2009 soll die IMO-Ballastwasser­konvention verbindlich für Schiffe gelten, deren Ballastwasservolumen 5000 m³ nicht übersteigt. Diese sehr engen Zeitvorgaben der Konvention erfordern schnell praktikable Lösungsansätze. Zwingende Voraussetzung für die Umsetzung der IMO-Ballastwasser­konvention ist die Verfügbarkeit von geeigneten Behandlungsanlagen. Um den aktuellen Stand der Entwicklungen weltweit besser beurteilen zu können, hat die IMO einen „Review process“ in die Konvention integriert. Im Rahmen dieses Pro- zesses wurde während der 53. Sitzung des MEPC (Marine Environmental Protection Committee) der Entwicklungsstand aller bekannten Verfahren/Systeme bewertet (Ref: MEPC 53/24 und MEPC 53/ WP.9). Es wurden 16 Systeme von 6 Flaggenstaaten einge­reicht. Teilweise handelte es sich dabei um Doppelnennungen (siehe Tabelle 1). Die Bewertung der vorgelegten Informationen zeigte, dass lediglich die beiden in der Tabelle fett gedruckten Systeme die vollständige Erreichung des D-2Standards in Landtests nachweisen konnten. Auf das in Deutschland entwickelte SEDNA® System der Hamann AG soll hier näher eingegangen werden, da es ein gutes Beispiel für ein mehrstufiges Behandlungsverfahren darstellt. Flaggenstaat System Australien MEPC 53/2/15 Hitzeverfahren Filtration + Chlordioxid Deutschland MEPC 53/2/11 Mechanische Abscheidung + Desinfektion Filtration + UV Physikalische Abscheidung + Desinfektion Filtration + Desinfektion Norwegen MEPC 53/2/16 Filtration/Separation + UV Filtration + Stickstoffübersättigung + Kavitation Korea MEPC 53/2/31 Elektrochemische Desinfektion Schweden MEPC 53/2/6 Filtration + AOT USA MEPC 53/2/14 Chlordioxyd Tab. 1: Auswahl der bei der IMO eingereichten Behandlungsverfahren zum Review Prozess während der 53. Sitzung Technische Beschreibung Zweistufige physikalische Behandlung Das SEDNA® System arbeitet ausschließlich während der Aufnahme von Ballastwasser. Es basiert auf einem modularen Konzept, das aus einer zweistufigen physikalischen Abscheidung und aus einer Nachbehandlung mit einem chlorfreien Oxidationsmittel besteht. Die Anlage ist für den Einsatz auf unterschiedlichsten Schiffstypen ausgelegt. Das modulare Konzept kann für Ballastwasserpumpen mit einer Kapazität von 200 m³/h bis 1.000 m³/h maßgeschneidert werden. Es ist ebenfalls möglich, für Ballastwasserpumpen über 1.000 m³/h modulare Bauteile zu kombinieren. 1. Stufe Die erste Stufe der physikalischen Behandlung erfolgt mittels eigens neu entwickelter Hydrozyklone, die speziell für die Behandlung von Ballastwasser entwickelt wurden. Mit diesen wird die Sedimentmenge im Ballastwasser erheblich reduziert. Gleichzeitig werden zahlreiche Organismen entfernt. Die geringen Abmessungen der Hydrozyklone erlauben eine Installation innerhalb eines Decks. Die Anzahl der benötigten Hydrozyklone hängt von der maximalen Kapazität der Ballastwasserpumpen ab. Ballastwassermanagement 2. Stufe Tests Die zweite Stufe der physikalischen Behandlung besteht aus einem selbst reinigenden 50-µm-Filter. Die automatische Reinigung des Filters wird über den Differenzdruck gesteuert. Während der Rückspülung werden die Filterelemente einzeln mit Seewasser ohne Zusatz von Reinigungsmitteln gesäubert. Die Ballastwasserbehandlung wird während der kurzen Reinigungsphase mit einer leicht reduzierten Durchflussrate fortgesetzt. Zwei „full-scale“ SEDNA® Anlagen wurden während der letzten drei Jahre an verschiedenen Orten über einen Zeitraum von mehr als 3500 Betriebsstunden umfangreich getestet. Die beiden Pilotanlagen hatten jeweils eine Kapazität von 200 m³/h bzw. 500 m³/h. Alle Versuche wurden bei voller Leistung oder nahe der kalkulierten Nennleistungen durchgeführt. Während der Tests liefen die Anlagen durchschnittlich 8 bis 10 Stunden ununterbrochen. Die Kombination von zwei physikalischen Behandlungsschritten gewährleistet, dass die Anlage selbst in Gewässern mit hoher Sedimentmenge, dichter Algenblüte - oder einer Kombination von beiden – absolut wirksam funktioniert und eine hohe Betriebssicherheit gewährleistet. Dieses ist besonders in Hafenbecken ein entscheidender Faktor. Ein weiterer Vorteil dieses Systems ist es, dass sämtliche Feststoffe bereits während der Ballastwasseraufnahme entfernt werden. Eine Behandlung der Sedimente entfällt somit. Mit zu den Hauptfunktionen der physikalischen Trennung gehören: - erhebliche Reduzierung der Sedimente bei der Ballastwasseraufnahme und gleichzeitige Entfernung nahezu aller Organismen, die größer als ­5 0­ µm sind. - Schädigung eines großen Teils der Organismen durch mechanische Belastung während der zweistufigen physikalischen Behandlung und somit erhöhte Empfindlichkeit der Organismen gegenüber PERACLEAN® Ocean d.h. gegenüber der Nachbehandlung. Zweite Behandlung oder auch Nachbehandlung Die Nachbehandlung besteht aus einer biologisch voll abbaubaren, chlorfreien Desinfektion mit dem Oxidationsmittel PERACLEAN® Ocean. Die wirksamen Substanzen in PERACLEAN® Ocean sind Peressigsäure und H2O2. Beide Substanzen sind vollständig biologisch abbaubar. PERACLEAN® Ocean wird nach der physikalischen Trennung automatisch zum Ballastwasser dosiert. Dieses Produkt ist umweltfreundlich und stellt bei sachgemäßer Anwendung keinerlei Sicherheits- oder Gesundheitsrisiken dar. So ist PERACLEAN® Ocean gut verträglich mit handelsüblichen Tankbeschichtungen, d.h. es tritt keine verstärke Korrosion an Oberflächen auf. Auf der 54. Sitzung des MEPC erhielt PERACLEAN® Ocean die erste Zulassung (Basic Approval) durch die IMO. Die Teststandorte wurden nach den dort vorherrschenden und entsprechend variierenden Wasserqualitäten ausgesucht, zum Beispiel nach Salzgehalt und Trübung des Wassers. Versuche wurden gefahren in: - - - - Brunsbüttel, Unterelbe Kiel, Ostsee Hamburger Hafen Insel Texel im Wattenmeer bei „Royal NIOZ Institute“. Während der Versuche wurde die biologische Wirksamkeit der SEDNA® Anlage anhand einer Vielzahl von verschiedenen Ballastszenarien geprüft. Unter anderem wurden wechselnde Durchflussraten, sowie unterschiedliche Drücke und Gegendrücke, die z.B. verschiedene Tankfüllmengen simulieren, ausgiebig getestet. Die biologische Wirksamkeit wurde mittels natürlich vorkommender Planktonorganismen und einem Surrogat d.h. ATS (Artemia Testing System) beurteilt. In speziellen Versuchen wurden außerdem die Abscheideraten, also die Effizienz der Hamann Hydrozyklone untersucht. Die Berechnung der Abscheideraten basiert auf der Veränderung der Menge aller Schwebstoffe im Testwasser, gemessen in Absolutwerten (TSS mg/l) als auch in Anteilen (%) von unterschiedlichen Partikelgrößen. Alle Versuche wurden nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführt. Sie sind damit aussagekräftig und statistisch verwertbar. Ferner wurde eine SEDNA®-Anlage mit einer Gesamtkapazität von 500 m³/h auf einem ContainerFeeder installiert. Der Vorratstank für PERACLEAN® Ocean ist integriert. Die Anlage ist für den Bordbetrieb GL-zugelassen und wie PERACLEAN® Ocean hat auch die SEDNA® Anlage die erste Zulassung (Basic Approval) für Schiffs- und Landversuche von der IMO erhalten. 131 Ballastwassermanagement 132 Testergebnisse biologische Wirksamkeit Darüber hinaus wurden Versuche vom Royal NIOZ Institute in Den Burg auf Texel, Niederlande, durchgeführt. Die niederländischen Tests zeigten keine Neubildung von Algen (Abb. 1) oder Bakterien im behandelten Wasser innerhalb von 5 Tagen. Natürliche Bakterien, die dem bereits behandelten Wasser zugeführt wurden, zeigten jedoch ein normales Wachstum. Das beweist, dass es zu keinen Umweltschäden kommt, wenn das behandelte Wasser im Zielhafen gelöscht wird. Die biologische Wirksamkeit wird in Abb. 2 verdeutlicht. Beide Landtestanlagen haben an den Standorten bewiesen, dass sie den D2-Standard der IMO Ballastwasser Konvention für Organismen > 50 µm und Organismen zwischen 10 µm und 50 µm als kleinste Körperabmessung erreichen, oder sogar übertroffen haben. Weder Änderungen des Salzgehaltes noch überhöhte Schwebstoffmengen zeigten irgendeinen Effekt auf die Leistungsfähigkeit der SEDNA® Anlage. Wiederaufwuchs-Experiment A Inkubation Kulturraum 7e+7 450x103 5e+7 400x103 4e+7 3e+7 Bakterien (Anzahl/ml) Phaeocystis (Zellen/l) 6e+7 Feld Pumpe 2e+7 Hydrozyklon Filter [50µm] Peraclean 1e+7 0 350x103 300x103 250x103 200x103 150x103 100x103 50x103 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 0 2.8e+6 5.0e+6 Filter Marsdiep [Kontrolle] 2.6e+6 2.4e+6 4.0e+6 Hydrozyklon Peraclean-Wasser mit Marsdiep-Bakterien 2.2e+6 2.0e+6 A 3.0e+6 15 18 21 24 27 30 2.0e+6 D 1.0e+6 0.0 0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 Peraclean Abb. 2a: Anzahl von DNA-Fragmenten als Indikatoren für abgetötete Bakterienzellen nach den einzelnen Behandlungsstufen des SEDNA®-Systems Abb. 1: Abtötungsraten und Wiederaufwuchs einer Alge (Phaeocystis sp.) nach den einzelnen Behandlungsstufen des SEDNA®-Systems Bakterien (Anzahl/ml) Pumpe Feld Tage 30 33 36 39 Zeit [d] Abb. 2b:Abtötungsraten und Wiederaufwuchs von Bakterien im Behandlungstank (Langzeitversuch über 14 Tage) Ballastwassermanagement Versuchsergebnisse Sediment­ab­ scheidung Die Leistungsfähigkeit der kompletten SEDNA® Anlage, Sedimente abzutrennen, wurde während des normalen Betriebes im Hamburger Hafen unter Beweis gestellt. Zusätzliche Tests wurden unter kontrollierten Bedingungen nur mit den speziellen Hydrozyklonen gefahren. Die Testergebnisse zeigen deutlich, dass die Hydrozyklone bereits bis zu 40% der Partikel >10 µm und > 95% der Partikel > 30 µm abscheiden. Das führt zu einer wesentlichen Reduzierung der gesamten Sedimentmenge, die in die Ballastwassertank gelangt. Die Versuchsergebnisse der Sedimentabscheidung sind in Abb. 3 dargestellt. Abscheiderate (%) Partikelabscheidung mit Sedna-Hydrozyklonen bei verschiedenen Durchflussraten Partikelgröße (μm) Abb. 3:Versuchsergebnisse der Sedimentabscheidung mit Hydrozyklonen des SEDNA®-Systems Fazit Die neue IMO Konvention zum Thema Ballastwasser stellt hohe Anforderungen an die Schifffahrt, aber auch an die Schiffsausrüster. Es sind zahlreiche Behandlungsanlagen in der Entwicklung, jedoch sind nur wenige auf einem geeigneten Stand der Industrialisierung. Damit ein reibungsloser Einstieg in die Ballastwasserkonvention für die Schifffahrt ermöglicht werden kann, ist pro-aktives Handeln gefragt. Nur ein rechtzeitiges Planen bei Werften und Reedern kann helfen, teure Nachrüstungen zu vermeiden. Anschrift des Verfassers: Dr. Matthias Voigt Hamann AG Bei der Lehmkuhle 4 21279 Hollenstedt 133 Offshore-Windparks Offshore-Windparks Ökologische Begleitforschung auf den Forschungsplattformen FINO I – III Ecological accompanying research at the FINO I - III research platforms Antje Finger Zusammenfassung Summary Strom aus Offshore-Windenergie wird in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Energiepolitik leisten. Um die für den Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland erforderlichen Erkenntnisse zu sammeln, wurde der Bau von drei Forschungsplattformen beschlossen. Aufgabe der Plattformprojekte ist es, die Kenntnisse über die meteorologischen und hydrologischen Bedingungen auf See zu verbessern und konkrete Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die marine Natur und Umwelt zu ermitteln. Electricity from offshore wind turbines will make an important contribution to tomorrow‘s energy policy. In order to gather the information needed for the expansion of offshore wind power in Germany, it was decided to erect three offshore research platforms. The purpose of the platform projects is to improve knowledge on the meteorological and hydrological conditions at sea, and to investigate the impacts of offshore wind turbines on marine life. Entsprechend der Offshore-Strategie der Bundesregierung wurde im Sommer 2003 die erste Forschungsplattform – FINO 1 – in der Nordsee ca. 45 km nördlich von Borkum errichtet. Auf der Forschungsplattform werden umfangreiche physikalische, hydrologische, chemische und biologische Messungen durchgeführt. Die Ergebnisse sollen wichtige Erkenntnisse liefern, die für die technische und umweltbeeinflussende Bewertung der Technologie benötigt werden. In the summer of 2003, the first offshore research platform – FINO 1 - was erected in the North Sea, approx. 45 km off the island of Borkum, within the framework of the German government‘s offshore strategy. Comprehensive physical, hydrological, chemical and biological measurements are being performed at the research platform. The results are expected to yield findings of great importance for the technical and environmental assessment of wind technology. A further measuring platform – FINO 2 – is due to be installed in the Baltic Sea in spring 2007. FINO 3 will be erected in the North Sea in 2008. Die Errichtung einer weiteren Forschungsplattform – der FINO 2 – ist für das Frühjahr 2007 in der Ostsee vorgesehen. Anfang 2008 soll die dritte Plattform – FINO 3 – in der Nordsee errichtet werden. 1 Hintergrund Die Nutzung der Offshore-Windenergie bietet mittelfristig das größte Potenzial unter den erneuerbaren Energien, die Klimaschutzziele und die Ziele zum Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in Deutschland zu erreichen. Für die Realisierung vom Offshore-Windparks mit Standorten in großen Wassertiefen und in weiten Entfernungen zur Küste liegen weltweit noch keine Erfahrungen vor. Zur Vorbereitung der OffshoreWindenergienutzung sollen daher entsprechend der „Strategie der Bundesregierung zur Windenergie auf See“ (Bundesregierung [2002]) insgesamt drei Forschungsplattformen in Nord- und Ostsee (FINO) errichtet werden. 137 138 Offshore-Windparks Die Untersuchungen auf den Forschungsplattformen haben zum Ziel, die bestehenden Risiken zu verkleinern und den Ausbau der geplanten Offshore-Windparks zu beschleunigen. Auf den Plattformen sowie baubegleitend werden umfangreiche Messungen und Untersuchungen durchgeführt, die u.a. technische, metrologische, hydrologische und biologische Fragestellungen betrachten. Ein Schwerpunkt liegt dabei auch in der Ermittlung von möglichen Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt sowie in der Entwicklung von Möglichkeiten zur Vermeidung und Verminderung von Beeinträchtigungen. So sollen auf den Forschungsplattformen im Rahmen der ökologischen Begleitforschung z.B. der Vogelzug, das Risiko von Vogelkollisionen mit WEAs sowie die Besiedlung von benthischen Organismen und mögliche Anziehungseffekte auf Fische untersucht werden. Das Fundament der Plattform ist eine Jacketkonstruktion, die mit vier Rammrohrpfählen (Durchmesser je 1,5 m, Länge 38 m) im Meeresboden verankert ist. Das 16 X 16 m große Plattformdeck befindet sich 20 m über dem Meeresspiegel (SKN). In den fünf Containern sind die Messgeräte, Computer, Arbeitsräume, Notunterkunft und der Dieselgenerator untergebracht. Auf dem Plattformdeck ist ein Windmessmast installiert, der bis in eine Höhe von 101 m (über SKN) ragt. Die Plattform ist weiterhin mit einem OffshoreKran und einer kleinen Krananlage für die Entnahme von Bodenproben ausgerüstet. Während des Baus der Plattformen werden Messungen zu den Schallimmissionen vorgenommen sowie verschiedene Maßnahmen zur Verminderung von Bauschall erprobt. Diese Maßnahmen sollen insbesondere dem Schutz von Meeressäugetieren dienen. Die Ergebnisse der Plattformforschungen sind für die Bewertung der Offshore-Windkraft aus technischer und ökologischer Sicht von großer Bedeutung. 2 Forschungsplattform FINO 1 Bereits seit September 2003 ist die Forschungsplattform FINO 1 in Betrieb und liefert seitdem systematisch Daten. FINO 1 befindet sich in der Nordsee etwa 45 km nördlich von der Insel Borkum. Die Wassertiefe beträgt am Standort ca. 28 m. Mit dem Schiff erreicht man die Plattform in 3 bis 4 Stunden, der Hubschrauber benötigt nur ca. 35 Minuten. Die Forschungsplattform liegt im mittleren Cluster des besonderen Eignungsgebiets für Windenergieanlagen „Nördlich Borkum“. In unmittelbarer Nähe zur FINO 1 befindet sich der Standort des geplanten Offshore-Testfelds. Nur ca. 400 m östlich der Plattform soll ab 2008 mit der Errichtung von 12 Anlagen der 5-MW-Klasse begonnen werden. 2.1 Projektdaten Mit der Projektkoordination beim Bau und Betrieb der FINO 1 wurde die Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH beauftragt. Abb.1: Die Forschungsplattform FINO 1 in der Nordsee (Quelle: BMU/ Christoph Edelhoff) 2.2 Mess- und Forschungsprogramm Auf der Forschungsplattform werden eine Vielzahl von Messungen und Untersuchungen durchgeführt, mit denen die Umweltverhältnisse (Meteorologie, Hydrologie etc.) und die Auswirkungen auf die Natur und Umwelt ermittelt werden, die im Folgenden exemplarisch aufgelistet werden. Die Messungen auf FINO 1 Offshore-Windparks erfolgen automatisch und können z.T. auch von Land aus ferngesteuert werden. Per Richtfunk werden die Daten an Land gesendet und von den beteiligten wissenschaftlichen Institutionen ausgewertet. Nur ein bis zwei Mal pro Monat kommen Wissenschaftler und Wartungspersonal mit dem Hubschrauber auf die FINO 1. serstruktur der Plattform durch Meeresorganismen (Benthos). Des Weiteren werden Veränderungen der Sedimentzusammensetzung im Nahbereich um die Plattform und damit einhergehende Veränderungen der benthischen Gemeinschaft sowie deren Reichweite erfasst. Gegenstand der Untersuchungen ist auch die Dokumentation von Anlockeffekten auf die Fischfauna. 2.2.1 Meteorologische Messungen Die Messungen an der Plattform und in deren Umfeld sollen als Grundlage für die Modellierung der räumlichen Effekte von Offshore-Windparks dienen. Mit Hilfe entsprechender Sensoren werden eine Reihe von meteorologischen Parametern auf der FINO 1 gemessen, wie zum Beispiel: • Windgeschwindigkeit und –richtung, Turbulenzen, • Regen, • Blitze, • Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, • Globalstrahlung, UV-A, Sichtweite. Aus diesen Langzeitmessungen können beispielsweise mögliche Energieerträge errechnet und Rückschlüsse auf die optimale technische Auslegung von Windenergieanlagen gezogen werden. Im Rahmen des Projektes kommen u.a. die folgenden Untersuchungsmethoden zum Einsatz: • • • • • Probennahmen mit van Veen-Greifer Aufwuchskratzproben durch Tauchereinsätze Abhängen von Platten fahrbare Unterwasserkamera Planktonbeprobung mit Nasennetz und Planktonpumpe • Fischecholot. Die technischen Messungen und die Aufbereitung der Daten werden vom Deutschen Windenergie Institut (DEWI) in Kooperation mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) durchgeführt. 2.2.2 Ozeanographische Messungen Das BSH führt eine Reihe von Messungen zur Erfassung verschiedener ozeanographischer Parameter durch. Untersucht werden zum Beispiel: • Seegang (Wellenhöhe, -periode und -richtung) • Strömungsgeschwindigkeit und -richtung, Wasserstand • Wasserschichtung, Wassertemperatur, Salzgehalt, Sauerstoffgehalt. Die Messungen liefern u.a. wichtige Eingangsdaten zur Berechnung der Bauwerksbelastungen und zur Optimierung des Gründungsdesigns von OffshoreWindenergieanlagen. 2.2.3 Ökologische Messungen Prozesse im Nahbereich Das Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven (AWI) untersucht im Rahmen der Forschungsprojekte BeoFINO und BeoFINO II die Besiedlung der Unterwas- Abb. 2:Entnahme von Sedimentproben vom Meeresgrund Quelle: BMU/ Christoph Edelhoff 139 Offshore-Windparks 140 über den Vogelzug über See erheblich verbessert und erste Einschätzungen zu möglichen Auswirkungen von Offshore-Windparks abgegeben werden. 2.2.4 Weitere Untersuchungen Neben den oben vorgestellten Untersuchungen werden noch eine Reihe weiterer Forschungsprojekte auf FINO 1 durchgeführt. Hierzu gehören: • Messungen zu Schallemissionen und zur Schallausbreitung während des Rammens der Gründungspfähle (Curt-Risch-Institut Uni Hannover, Deutsches Windenergie Institut, Institut für technische und angewandte Physik) • Untersuchungen zur Beanspruchungen der Gründungsstruktur / Lastmessungen (Deutsches Windenergie Institut) • Erfassung von Schiffsbewegungen (Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest) • Test eines LiDAR („Light Detection And Ranging“)-Messsystem (WINDTEST) • Untersuchung bodenphysikalischer Parameter (DFG-Projekt). Zukünftig könnte die Forschungsplattform FINO 1 auch als Basis für bau- und betriebsbegleitende Forschungen zum Offshore-Testfeld dienen. Abb. 3: Muschelprobe Quelle: BMU/ Christoph Edelhoff Vogelzugerfassungen Das Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ führt im Rahmen der Forschungsprojekte BeoFINO und FinoBird umfangreiche Untersuchungen zum Vogelzug über der deutschen Nordsee durch. Hierfür wurden auch verschiedene Erfassungsmethoden und technische Gerät entwickelt und getestet: • • • • Vertikal- und Horizontalradar Wärmebild- und Videokamerasysteme Audiosystem zur Vogelruferfassung Fledermaus-Detektorsystem. Die Langzeituntersuchungen auf FINO 1 liefern wichtige Informationen zur räumlichen und zeitlichen Verteilung des Vogelzugs über der Nordsee im Hinblick auf potenzielle Standorte für Offshore-Windparks. Mittels kombinierter Technik können u.a. Artenspektrum, Zughöhen, -richtung und -zeiten sowie die Reaktion der Tiere auf Offshore-Bauwerke erfasst werden. Mit Hilfe dieser Untersuchungen können die Kenntnisse 3 Forschungsplattform FINO 2 Die Errichtung und Inbetriebnahme der Forschungsplattform FINO 2 soll im Frühjahr 2007 erfolgen. Die Plattform wird ca. 40 km nördlich von Rügen in einer Wassertiefe von ca. 20 m aufgestellt. FINO 2 liegt somit im nördlichen Bereich des besonderen Eignungsgebiets für Windenergieanlagen „Kriegers Flak“ und des gleichnamigen geplanten Offshore-Windparks. 3.1 Projektdaten Der Bau der FINO 2 wird vom BMU mit 3,5 Mio. Euro gefördert. Weitere 1,3 Mio. Euro steuert das Land Meck­ lenburg-Vorpommern bei. Die Projektleitung hat das Schifffahrtsinstitut Warnemünde übernommen. Die Monopilegründung der Plattform wurde bereits im Oktober 2006 eingebracht. Hierfür wurde ein 50,5 m langes, 270 t schweres Stahlrohr ca. 25 m tief in den Meeresboden gerammt. Die Plattform wird mit einem Windmessmast und Containern für Messtechnik ausgerüstet. Offshore-Windparks 3.2 Mess- und Forschungsprogramm Ähnlich wie bereits auf FINO 1 sollen auch auf der Forschungsplattform in der Ostsee meteorologische Langzeitmessungen vor allem zu verschiedenen Windparametern vorgenommen werden. Das ökologische Messprogramm umfasst zum einen Untersuchungen zur Besiedlung von Hartsubstraten mit Hilfe von abgehängten Platten. Zum anderen soll der Vogelzug über der Ostsee und das Vogelschlagrisiko mit Radar- und Kamerasystemen erfasst werden. Während der Rammarbeit zur Gründung der Plattform wurden vom Institut für Statik und Dynamik der Universität Hannover und dem Institut für technische und angewandte Physik bereits erfolgreiche Versuche zur Lärmminimierung durchgeführt. Zudem wurden Messungen zur Ausbreitung des Unterwasserschalls vorgenommen. 4 Forschungsplattform FINO 3 Eine weitere Plattform – FINO 3 – soll Anfang 2008 in der Nordsee ca. 80 km westlich von Sylt in einer Wassertiefe von 23 m errichtet werden. Die Plattform befindet sich in der Nähe zu den geplanten Offshore-Windparks DanTysk, Nördlicher Grund und Sandbank 24. 4.1 Projektdaten Das Projekt FINO 3 wird vom Bundesumweltministerium mit 3,6 Mio. Euro und vom Land Schleswig-Holstein mit 4,3 Mio. Euro gefördert. Die Projektleitung und Koordination hat die Forschungs- und Entwicklungszentrum GmbH Fachhochschule Kiel übernommen. Nach derzeitigem Planungsstand wird die Plattform auf einer Monopilegründung errichtet. Das Plattformdeck soll in ca. 22 m über der Wasseroberfläche installiert werden. Hierauf soll neben zwei Containern für die Energieversorgung und die Messtechnik ein 85 m hoher Windmessmast errichtet werden. Um eine gute Erreichbarkeit zu gewährleisten, wird die Plattform mit einem Helikopterdeck ausgestattet. 4.2 Mess- und Forschungsprogramm Das Projekt FINO 3 umfasst neben dem Bau und der Errichtung der Plattform ein physikalisch-technisches Untersuchungsprogramm. Folgende Forschungspro- jekte befinden sich derzeit in der Vorbereitung: • Messung und Analyse hochfrequenter (< 10 kHz) Turbulenzanteile im Offshore-Wind zur Optimierung von aerodynamischen Blattprofilen (Fachhochschule Kiel) • Messung von Blitz-Häufigkeiten und BlitzstromParametern auf dem Meer (Fachhochschule Kiel) • Technologie für Vor- und Nacherkundung des Baugrunds von Offshore-Bauwerken mit 3D-Reflexionsseismik, Scher- und Kompressions-WellenTomographie zur Quantifizierung des Gefahrenpotentials infolge von Strukturveränderungen im Boden (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) • Geotechnische In-situ-Messungen und ergänzende Modellversuche zu Grenzzustandsbetrachtungen für die Gründung von Offshore-Windenergieanlagen (Technische Universität Carolo Wilhelmina zu Braunschweig) • Seegang- und Brechererfassung mittels Doppler Messung (FINO 3/ SEEDOM) zur Untersuchung der raum-zeitlichen Veränderlichkeit im Seegangsfeld im Einflussbereich von Offshore-Bauwerken (GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH) • Meteorologische Messungen am Windmessmast der Offshore-Forschungsplattform FINO3: Beschaffung und Installation des Messsystems, Betrieb, Überwachung, Auswertung der Messgrößen und Instandhaltung (WINDTEST Kaiser-WilhelmKoog GmbH) • Ozeanographische Messungen an der OffshoreForschungsplattform FINO 3: Installation und Betrieb des Messsystems, Erfassung, Archivierung und Bewertung der ozeanographischen Daten (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrograhie). Im Rahmen der ökologischen Begleitforschungen sollen zudem weitere Untersuchungen zum Vogelzug über der Nordsee durchgeführt werden. Geplant ist auch der Test weiterer Schallminimierungsmaßnahmen und Messungen zur Ausbreitung des Unterwasserschalls während der Rammarbeiten zur Fundamentgründung. 4.3 Weitere Informationen Weiterführende Informationen zu den Forschungsplattformen sowie die Kontaktdaten der jeweiligen Ansprechpartner können auf folgenden Internetseiten abgerufen werden: http://www.fino-offshore.de http://www.bine.info/pdf/publikation/projekt0905internetx.pdf http://www.fino2.de http://www.fino3.de 141 142 Offshore-Windparks Literatur Bundesregierung, 2002: Strategie der Bundes­ regierung zur Windenergienutzung auf See im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. http://www.thema-energie.de/media/article005841/windenergie_strategie_br_ 020100.pdf Anschrift der Verfasserin: Antje Finger Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Alexanderplatz 6 10178 Berlin Offshore-Windparks Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf Seevögel - Ergebnisse der skandinavischen Begleitforschung Impacts of Offshore Wind Farms on Seabirds - Results of the Scandinavian Monitoring Thomas Merck Zusammenfassung Die Bundesregierung hat sich weitreichende Ziele für die Nutzung von Windenergie in den deutschen Meeren gesteckt und den Willen bekräftigt, diese ­Energieform umwelt- und naturverträglich zu gestalten. Inzwischen sind in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee 15 Projekte mit zusammen über 1.000 Windenergieanlagen (WEA) genehmigt worden. Im Rahmen der Prüfung der Natur- bzw. Umweltverträglichkeit der einzelnen Projekte spielte die Frage nach den Auswirkungen auf Seevögel eine wichtige und oft entscheidende Rolle. In den deutschen Meeresbereichen kommen regelmäßig eine Vielzahl von Seevogelarten vor, die die Offshore-Bereiche zur Nahrungssuche oder als Rast-, Mauser- und Überwinterungsgebiet nutzen. Das Monitoring an skandinavischen Offshore-Windparks erbrachte inzwischen erste Erkenntnisse über die Reaktion einzelner Seevogelarten auf die WEA. Diese Erkenntnisse ermöglichen quantitative Prognosen der Auswirkungen auf Seevögel. Die betriebsbegleitenden Untersuchungen in Skandinavien zeigen, dass die einzelnen Seevogelarten sehr unterschiedlich auf Offshore-WEA reagieren. Während einige Möwenarten offenbar von den Anlagen angezogen werden und innerhalb des Windparks häufiger anzutreffen sind als vor dem Bau, meiden Nahrung suchende Seeschwalben den Windpark komplett, konzentrieren sich aber in den unmittelbar angrenzenden Randbereichen. Die ersten Ergebnisse zu den Meeresenten zeigen zwar Meideverhalten mit reduzierten Bestandsdichten, eine vollständige Meidung des bebauten Bereichs und seiner Umgebung konnte aber nicht festgestellt werden. Die als besonders störempfindlich geltenden Seetaucher meiden ebenfalls komplett den bebauten Bereich, fehlen aber auch fast vollständig in der den Windpark umgebenden 2-km-Zone. Selbst in der anschließenden 2- bis 4-km-Zone sind die Dichten der Seetaucher deutlich reduziert. Auch Alkenvögel meiden den bebauten Bereich komplett und erreichen in der 2-km-Zone weniger als die Hälfte der ursprünglichen Bestandsdichten, zeigen aber keine Veränderungen in der 2- bis 4-km-Zone. Diejenigen Arten, die Meideverhalten gegenüber Offshore-WEAs zeigen, werden so aus ihren angestammten Rast- und Nahrungsgebieten verscheucht und sind von Lebensraumverlust betroffen. Das Verdrängen in andere Meeresgebiete kann u.a. zu schlechteren Nahrungsbedingungen oder verstärk­ ter innerartlicher Konkurrenz führen. Insbesondere kumulative Lebensraumverluste werden das Ausmaß solcher Beeinträchtigungen erhöhen. Durch geeignete Geometrie des Windparks lassen sich solche Lebensraumverluste bei Seevögeln vermindern. Die wirksamste und damit entscheidende Maßnahme zur Vermeidung negativer Auswirkungen liegt in der Wahl konfliktarmer Standorte mit nur geringen Vorkommen empfindlicher Arten bzw. dem Ausschluss von Standorten innerhalb von Rastgebieten solcher Seevogelarten. Summary The German government has formulated a large range of objectives regarding the use of wind energy at sea and has underlined its intention to use this type of energy in an environmentally sound manner. To date, 15 projects comprising more than 1 000 wind turbines have been permitted in the German Exclusive Economic Zone of the North Sea and Baltic Sea. 143 144 Offshore-Windparks In the environmental impact assessments, the impacts on seabirds play an important and often crucial role. In German waters, numerous seabird species regularly use the offshore area as feeding and/or resting, moulting and wintering areas. Monitoring at the Scandinavian offshore wind farms for the first time has provided data on the reactions of seabirds to offshore wind farms. These findings allow quantitative predictions of the impacts on seabirds. Different species- specific reactions to wind farms were observed. Several gull species are obviously attracted to the wind turbines and are more abundant in the area of the wind farm than before the construction. Feeding terns, on the other hand, avoid entering the wind farm area completely, but aggregate in the surrounding areas. With respect to sea ducks, initial results show avoidance behaviour leading to reduced densities of these species but complete avoidance of the construction area and its vicinity has not been observed. Red- and Black-throated Divers appear to be especially sensitive to disturbance, avoid the wind farm Einleitung Die Bundesregierung hat im Januar 2002 mit ihrer Strategie zur Nutzung der Windenergie auf See konkrete Ziele für eine stufenweise Entwicklung der Windkraftnutzung im Offshore-Bereich der deutschen Meere benannt (Bundesregierung [2002]). Zeitraum area completely, and are mostly absent within the surrounding 2 km zone. Even in the adjacent 2-4 km zone the number of divers is substantially reduced. Similarly, alcids avoid the wind farm completely and occur in the 2 km zone at less than 50 % of the original density. In the adjacent 2-4 km zone no change was observed. The species showing avoidance reactions to the wind farm were displaced from their natural resting and feeding areas and thus suffered habitat losses. Displacement of seabird species into other marine areas may lead to negative impacts, such as a lessened or lower quality food supply, or to increased intraspecific competition. Cumulative displacement can only increase the likelihood of such negative impacts. Such losses of seabird habitats can be reduced by proper wind farm location and configuration. The most efficient and direct way to avoid negative impacts to seabirds is the selection of areas of least conflict, i.e. areas outside the regular resting, feeding, and moulting areas of seabirds that are sensitive to offshore wind farms. Diese Ziele wurden inzwischen über den „Wegweiser Nachhaltigkeit 2005“ (Bundesregierung [2005]), in dem bis 2020 ein Aufbau von 10.000 MW vorgesehen sind, und über die „Roadmap Windenergienutzung“ (BMU [2006]) mit einem Aufbau von 1.000 MW bis 2010 und 15.000 MW bis 2020 fortgeschrieben (vgl. Tab. 1). Bundesregierung 2002 Bundesreg. 2005 (Leistung in MW) 2001 - 2003 1. Vorbereitungsphase: mind. 500 2.000 bis 3.000 bis 2020 2011 - 2030 4. Weitere Ausbauphasen BMU 2006 (Leistung in MW) - 2003/4 - 2006 2. Startphase (Erste Baustufen) 2007 - 2010 3. Erste Ausbauphase (Leistung in MW) 1.000 10.000 15.000 20.000 bis 25.000 Tab. 1: Ziele der Bundesregierung für die Offshore-Windkraft Bis November 2006 wurden in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee 13 Projekte mit zusammen über 900 Windenergieanlagen genehmigt. Bei Realisierung dieser Projekte wären allein in der deutschen Nordsee bis zu 4.500 MW installierter Leistung möglich. Zusätzlich sind in der deutschen AWZ der Ostsee bisher zwei Projekte mit zusammen 160 Einzelanlagen und einer möglichen Leistung von 800 MW genehmigt worden, so dass bereits über 1.000 Einzelanlagen in den deutschen Meeren genehmigt sind. Offshore-Windparks Ein wesentlicher strategischer Eckpunkt dieser Strategie ist der Wille, diese Energieform umwelt- und naturverträglich zu gestalten (Bundesregierung [2002]). Im Rahmen der Prüfung der Umwelt- bzw. Naturverträglichkeit der einzelnen Projekte spielte die Frage nach den Auswirkungen auf Seevögel eine wichtige und oft entscheidende Rolle. So wurde in der Ostsee zwei Projekten vor allem wegen der prognostizierten Auswirkungen auf Meeresenten die Genehmigung versagt. Quantitative Vorhersagen der Auswirkungen eines Projektes erfordern sowohl Kenntnisse über das Vorkommen der verschiedenen Arten in dem Gebiet des beantragten Windkraftprojektes als auch Kenntnisse über die spezifischen Reaktionen der einzelnen Arten auf Offshore-Windenergieanlagen. In den deutschen Meeresbereichen kommt eine Vielzahl von Seevogelarten regelmäßig vor, die teils als Brutvögel der Küste die Offshore-Bereiche zur Nahrungssuche nutzen oder hier als Zugvögel ihre Rast-, Mauser- oder Überwinterungsgebiete finden. Kenntnisse über ihre Verbreitung liegen vor allem aus großflächigen Erhebungen des Bundes (Garthe [2003], Garthe et al. [2005]), aber auch aus den Umweltverträglichkeitsuntersuchungen der Antragsteller vor. Einige der in unseren Meeren vorkommenden Arten (Seetaucher, Seeschwalben und Zwergmöwe) sind im Anhang 1 der europäischen Vogelschutzrichtlinie aufgeführt und Deutschland ist verpflichtet, zu ihrem Schutz besondere Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere durch die Ausweisung entsprechender Schutzgebiete. Dieser Verpflichtung ist Deutschland im Mai 2004 durch die Meldung der Vogelschutzgebiete „Östliche Deutsche Bucht“ sowie „Pommersche Bucht“ an die EU-Kommission nachgekommen. Die Gebiete wurden im Oktober 2005 zum Naturschutzgebiet erklärt (siehe auch www.habitatmarenatura2000.de). Während bisher in den deutschen Meeresgebieten von Nord- und Ostsee keine Windkraftanlagen gebaut worden sind, befinden sich in den Gewässern Dänemarks, Schwedens aber auch Großbritanniens Offshore-Windenergieanlagen z.T. bereits seit den 90er Jahren im Betrieb (www.offshorewindenergy. org/). Die seit 2002 bzw. 2003 im Betrieb befindlichen dänischen Projekte Horns Rev in der Nordsee sowie Nysted in der Ostsee entsprechen mit ihren 80 bzw. 72 Einzelanlagen in ihrer Dimensionierung am ehesten den Größenordnungen der in Deutschland geplanten Windparks. Die bau- und betriebbegleitenden Untersuchungen an diesen beiden OffshoreWindparks erbrachten inzwischen Erkenntnisse über die artspezifischen Reaktionen einzelner Seevogelarten auf die Anlagen. Die Untersuchungen ermög- lichen so erste quantitative Prognosen der Auswirkungen auf Seevögel, die auch auf die Projekte in den deutschen Meeresgebieten übertragbar sind. Die Begleituntersuchungen an den Windparks Horns Rev und Nysted Im Mittelpunkt der bau- und betriebsbegleitenden Seevogeluntersuchungen an den beiden dänischen Offshore-Windparks (OWP) stand die Frage, ob die Verteilung rastender und Nahrung suchender Tiere durch Bau und Betrieb der Windenergieanlagen verändert wird und ob die Seevögel hierdurch aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben werden. Vor, während und nach dem Bau wurde die Verteilung der Seevögel mehrfach durch großflächige Befliegungen entlang von Transekten ermittelt (u.a. Kahlert et al. [2005], Petersen [2004, 2005]). Das untersuchte Gebiet betrug dabei z.B. in Horns Rev ca. 1.700 km2, in seinem Zentrum lag das etwa 20 km2 große Baugebiet. Für die Beschreibung möglicher Verlagerungen von Seevögeln wurde von den dänischen Wissenschaftlern der Jakobs-Index herangezogen. Mit seiner Hilfe lässt sich analysieren, ob in einem festgelegten Teilbereich einer größeren untersuchten Fläche die Zahl festgestellter Tiere größer oder kleiner ausfällt als sie bei einer gleichmäßigen Verteilung zu erwarten wäre. Der Jakobs-Index berechnet sich nach folgender Formel und kann Werte zwischen –1 und + 1 annehmen: D= (r - p) (r + p - 2rp) wobei r = Anteil der Vögel und p = Anteil der Transektlänge im Betrachtungsraum im Vergleich zum Vogelbestand bzw. zur Transektlänge in der Gesamtuntersuchungsfläche. Bei einem Jakobs-Index von +1 befinden sich alle im Untersuchungsgebiet festgestellten Tiere innerhalb des betrachteten Teilbereichs, bei –1 kein einziges (vollständige Meidung). Ein Jakobs-Index von 0 besagt, dass der Betrachtungsraum genauso intensiv von den Seevögeln genutzt wird wie das übrige Untersuchungsgebiet. Für die verschiedenen Seevogelarten wurde der Jakobs-Index jeweils für das eigentliche Baugebiet (OWP), das Baugebiet einschließlich einer 2 km breiten Pufferzone sowie einschließlich einer 4 km breiten Pufferzone ermittelt (Abb. 1). Ob eine dabei festgestellte Abweichung von 0 (gleichmäßige Verteilung) signifikant ist, wurde jeweils statistisch geprüft. 145 Offshore-Windparks EK R 35 Transektlinien Militärisches Sperrgebiet Horns Rev Windpark Windpark + 2 km Windpark + 4 km EK D 81 EK R 34 EK R 33 13 12 EK D 80 11 EK R 32 19 18 16 17 14 15 9 10 8 7 6 5 4 3 2 1 23 22 21 20 25 24 26 0 5 10 km Abb 1: Gebiet der Seevogeluntersuchungen bei Horns Rev. Angegeben ist die Lage der Transekte, des Baugebietes sowie der 2-kmund der 2- bis 4-km-Zone (Quelle: nach Christensen et al. [2003]) Die für die Berechnung des Indexes jeweils notwendigen Zahlenwerte von r und p sind in den entsprechenden Berichten wiedergegeben (K ahlert et al. [2005], Petersen [2004, 2005]). Für die folgenden Betrachtungen wurde aus diesen Werten eine etwaige Veränderung der Seevogeldichten im eigentlichen Windparkgebiet, in der den Windpark umschließenden 2-km-Zone sowie einer sich anschließenden 2- bis 4-km-Zone quantifiziert. Dabei wurde die Verteilung vor dem Bau jeweils als Basislinie bzw. als Erwartungswert genommen. Zu den Ergebnissen Die beiden regelmäßig in größeren Anzahlen in unseren Gewässern überwinternden Seetaucherarten Stern- und Prachttaucher nutzten vor der Errichtung der Turbinen das Baugebiet des OWP Horns Rev sowie die 2-km-Zone genauso intensiv, wie bei einer gleichmäßigen Nutzung des Gesamtuntersuchungsgebietes zu erwarten gewesen wäre (Petersen [2005]). Der relative Bestand betrug entsprechend 100 % (Abb. 2). Lediglich die 2- bis 4-km-Zone wurde mit nur etwas mehr als 40 % deutlich weniger intensiv genutzt. In den ersten beiden Betriebsjahren wurden innerhalb des OWP überhaupt keine Seetaucher festgestellt. In der 2-km-Zone lag der relative Bestand unter 5 % und in der anschließenden 2- bis 4-kmZone nunmehr nur noch bei ca. 20 % (Abb. 2). Seetaucher (n=1106, m=1611) 120 relativer Bestand vor/nach Bau [%] 146 100 80 60 40 20 0 W indpark 0 2 4 Abstand [km] Abb. 2:Nutzung des Windparkgebietes sowie der umge­ benden 2-km- und 2- bis 4-km-Zone durch Seetaucher vor (blau) und nach dem Bau (rot) (n, m: Anzahl Seetaucher im Gesamtuntersuchungsgebiet vor bzw. nach Bau) Offshore-Windparks Im Vergleich zur Situation vor dem Bau sank der anteilige Bestand der Seetaucher im OWP um 100 %, in der 2-km-Zone um 96,2 % und in der 2- bis ­­­­ 4-km-Zone um 55,4 % (Tabelle 2). Diese beiden fischfressenden Seevogelarten werden offenbar durch die Offshore-Windenergieanlagen großflächig aus ihren angestammten Rast- und Nahrungsgebieten verscheucht und sind von Lebensraumverlust betroffen, der über das eigentlich bebaute Gebiet weit hinausgeht. OWP 2-km-Zone 2-4-km-Zone Seetaucher (n = 1.106, m = 1.611) - 100,0 % - 96,2 % - 55,4 % Eisente (Nystedt) (n = 5.966, m = 4.474) - 74,4 % - 65,0 % - 41,6 % Zwergmöwe (n = 127, m = 822) + 427 % + 178 % + 79 % Küsten-/Flussseeschwalbe (n = 586, m = 575) - 100 % + 351 % + 126 % Trottellumme/Tordalk (n = 219, m = 309) - 100 % - 61,8 % + 12,6 % Tab. 2: Betriebsbedingte Änderungen der Vogelbestände (s. Text) (n, m: Anzahl der Vögel im Gesamtuntersuchungsgebiet vor bzw. nach dem Bau) Zu den benthophagen Meeresenten, die sich vor allem von Muscheln ernähren, gehört die Eisente, deren Reaktion am Windpark Nysted untersucht worden ist. Eisenten wurden hier nach dem Bau auch innerhalb des Windparks festgestellt, aber der Bestand sank um fast drei Viertel (Petersen [2004]; Tab. 2). Auch die Nutzung der angrenzenden Zonen nahm gegenüber der Situation vor dem Bau deutlich ab. Die Untersuchungen an den schwedischen Windturbinen im Kalmar Sund unterstützen diese Ergebnisse (Petterssen [2005]). - Nach den Untersuchungen bei Horns Rev zeigen Trauerenten, ebenfalls eine benthophage Entenart, mit einer Abnahme der Nutzung des Gebietes des OWP und seiner Umgebung ähnliche Reaktionen (Petersen [2005]). Windparkes, traten aber in den angrenzenden Bereichen in deutlich höheren Beständen auf (Tab. 2; Petersen [2005]). Bei den Möwen wurde eine deutliche Zunahme der Nutzung des Meeres im Bereich der OWP festgestellt. Beispielsweise stieg der Bestand der Zwergmöwe im 1. Betriebsjahr innerhalb des OWP um mehr als das Vierfache an und auch in den umgebenden Zonen wurden deutlich mehr Tiere angetroffen als vor dem Bau (Tab. 2; Petersen et al. [2004]). Offenbar üben die Offshore-Anlagen und/oder der mit dem Betrieb verbundene Schiffsverkehr eine anziehende Wirkung auf die Möwen aus und führen zu einer Ausweitung ihres Lebensraumes. Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen des dänischen Monitorings Seeschwalben (Küsten-/Flussseeschwalben) wiederum, sich stoßtauchend von Fischen ernährende Seevögel, zeigten zwar eine komplette Meidung des Die negativen Auswirkungen auf diejenigen Seevogelarten, die gegenüber Offshore-WEAs ein Meideverhalten zeigen und den Windpark sowie seine Trottellummen und Tordalken, zwei Alkenvogelarten, die sich wie Seetaucher tauchend von Fischen ernähren, zeigten ebenfalls eine komplette Meidung des OWP (Tab. 2). In der 2-km-Zone erreichten diese Arten nach dem Bau weniger als die Hälfte der ursprünglichen Bestände, es zeigten sich aber keine Veränderungen in der 2- bis 4-km-Zone. Die von den Anlagen ausgehende Scheuchwirkung und der damit verbundene Lebensraumverlust fällt entsprechend geringer aus als bei den Seetauchern. Es ist davon auszugehen, dass die an den beiden dänischen Windparks untersuchten Seevogelarten bei entsprechenden Projekten in anderen Seegebieten keine grundsätzlich anderen Reaktionen gegenüber Windenergieanlagen im Meer zeigen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Arten in anderen Phasen ihres Lebenszyklus, z.B. während der Mauser, sensibler auf menschliche Aktivitäten reagieren. 147 Offshore-Windparks 148 Umgebung gar nicht oder nur noch in geringerem Maß zu Rast und Nahrungssuche nutzen, lassen sich durch geeignete Geometrie des Windparks reduzieren. Wenn z.B. 100 Anlagen nicht in 4 Reihen zu 25 WEAs sondern in einem Quadrat mit je 10 Reihen aufgestellt werden, erhöht sich zwar die eigentliche Baufläche rechnerisch1) um 9 km2 (Abb. 3). Dem gegenüber steht aber eine Verminderung der 2-km-Zone und der 2- bis 4-km-Zone um jeweils 36 km2 bzw. fast ein Drittel bzw. ein Viertel. Die entscheidende Möglichkeit, negative Auswirkungen auf Seevögel bei dem Aufbau der Offshore-Nutzung von Windenergie zu vermeiden bzw. zu vermindern liegt in der Wahl eines geeigneten Standortes. In Gebieten, die für sensible oder besonders zu schützende Seevogelarten nur geringe Bedeutung als Rast,- Mauser- oder Nahrungsgebiet haben, sind entsprechend geringere Auswirkungen zu befürchten. R echteck (4 • 25) W EA 100 W E A W EA 72 km ² 2 km -Z one 121 km ² 2-4 km -Z one 146 km ² Q uadrat(10 • 10) 100 W E A 81 km ² 85 km ² 110 km ² + 13 % - 30 % - 25 % Abb. 3:Flächengröße von Windparks und der umgebenen 2-km- und 2- bis 4-km-Zone bei unterschiedlichen Aufstellungskonstellationen Dierschke et al. [2006] haben für die in der deutschen Nordsee bis dahin 26 geplanten bzw. 9 genehmigten Offshore-Windparks für verschiedene Seevogelarten die zu erwartenden Lebensraumverluste berechnet. Die Berechnungen erfolgten auf Basis der Ergebnisse der Begleitforschung in Dänemark sowie der mittleren Seevogeldichten, die für verschiedene Teilbereiche (Cluster) der deutschen Nordsee von Dierschke et al. [2006] aus eigenen Erhebungen (Schiffserfassungen, bzw. bei Seetauchern Flugzeugerfassungen) ermittelt wurden (Abb. 4). Dierschke et al. [2006] sind bei ihren Berechnungen davon ausgegangen, dass der Windpark sowie die entsprechende 2-km-Zone2) von den Tieren gänzlich gemiedenen werden. Zur Bewertung der kumu- 1) 2) lativen Flächenverluste setzten die Autoren die errechnete Anzahl von Flächenverlust betroffenen Seevögel ins Verhältnis zum Rastbestand im deutschen Teil der Nordsee (national population size). Inzwischen wurden weitere vier OWP in der deutschen AWZ der Nordsee genehmigt; in die folgenden Berechnungen sind diese Projekte auf Grundlage der von Dierschke et al. verwendeten Dichteangaben eingerechnet worden. In den deutschen Nordseebereichen, in denen bereits OWPs genehmigt wurden, kommen von den empfindlichen Arten vor allem Seetaucher und Alkenvögel in relevanten Dichten vor. Die Vorkommen von z.B. Seeschwalben und Meeresenten in diesen Bereichen sind so gering, dass hier keine signifikanten Auswirkungen zu erwarten sind. Bei der Berechnung der Baufläche wurden die Standorte der äußeren WEAs ohne Berücksichtigung der Durchmesser ihrer Rotoren zu Grunde gelegt. Überschneiden sich die 2-km-Zonen zweier OWP, wurde bei der kumulativen Betrachtung nur die durch den später genehmigten Windpark hinzukommende Fläche eingerechnet. Offshore-Windparks Abb. 4:Geplante und genehmigte OWP in der deutschen Nordsee mit ihren 2-km- und 2- bis 4-km-Zonen (Stand: November 2006). Die Rechtecke geben die 4 Cluster (nördlich Helgoland, nördlich Borkum, nördlich Verkehrstrennungsgebiet, westlich Sylt) wieder, für die Dichteberechnungen durchgeführt wurden (s. Text) Aus Abbildung 5 lässt sich darüber hinaus ablesen, dass die einzelnen Windparks in sehr unterschiedlichem Umfang zur Gesamtmenge beeinträchtigter Sterntaucher beitragen. Eine genauere Analyse zeigt, dass mehr als 75 % des Vertreibungseffektes auf die vier OWP im Bereich der deutsch-dänischen Grenze zurückzuführen sind (Abb. 6 a). Auf die verbleibenden 9 Projekte zusammen entfällt das restliche Viertel. 1,600 R ed-throated D iver spring national population size: 12,000 12 11 10 1,400 1,200 9 1,000 8 7 800 6 600 5 4 400 3 2 number of birds affected 13 % of national population Der Großteil der in unseren Nordseegewässern überwinternden Seetaucher sind Sterntaucher, deren Bestände in den Frühlingsmonaten vor dem Heimzug in die Brutgebiete 12.000 Individuen erreichen (Dierschke et al. [2006]). Bei Realisierung aller 13 bisher genehmigten Windkraftprojekte würden ca. 800 Sterntaucher aus ihren angestammten Rastgebieten vertrieben werden, entsprechend mehr als 6,6 % des nationalen Frühjahresrastbestandes (Abb. 5). Legt man den Berechnungen die in Tab. 2 angegeben Werte für die Scheuchwirkung aus den dänischen Untersuchungen zu Grunde, erhöht sich die Anzahl vertriebener Sterntaucher auf 1.100 bzw. auf mehr als 9 % des nationalen Bestandes. 200 1 0 0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 number of wind farms Abb. 5:Kumulativer Anteil an den nationalen Frühlingsrast­be­ ständen bzw. Anzahl der von Flächenverlust betroffenen Sterntaucher (Dierschke et al. [2006], verändert) 149 150 Offshore-Windparks Sterntaucher – und entsprechendes gilt für die nah verwandten Prachttaucher – geben somit ein Beispiel dafür, dass je nach Standort auch vergleichbar große Windkraftprojekte in sehr unterschiedlichem Umfang zu Lebensraumverlusten führen können bzw. dass durch die Wahl des Standortes die negativen Effekte auf sensible Seevögel reduziert werden können. Ursächlich hierfür ist, dass diese Art auf den Meeren sehr ungleichmäßig verteilt ist und deutliche Vorkommensschwerpunkte zeigt. Auf Grundlage der Berechnungen von Dierschke et al. [2006] ergäben sich bei Bau aller 13 OWP in der deutschen Nordsee eine Anzahl von 1.024 Trottellummen, entsprechend 3,2 % des nationalen Win- terrastbestands von 33.000 Tieren, die aus ihrem Lebensraum vertrieben werden würden. Nach Tab. 2 ist eine komplette Meidung der 2-km-Zone aber nicht zu erwarten, so dass hier auf Basis der Erkenntnisse aus Dänemark mit 644 Individuen nur ein geringerer Vertreibungseffekt anzunehmen ist. Im Falle der Trottellumme haben die verschiedenen Windparkprojekte annähernd gleichgroße Anteile an der Gesamtzahl der von Lebensraumverlust betroffenen Individuen (Abb. 6 b). Eine nennenswerte Reduktion der Zahl beeinträchtigter Lummen durch die Wahl geeigneter Standorte ist wegen des Fehlens deutlicher Verbreitungsschwerpunkte bei dieser Art kaum möglich. 1,3 % 1,2 % 1,4 % 3,1 % 16,3 % 7,2 % 5,0 % 5,3 % 2,7 % 2,0 % 3,0 % 9,9 % 5,5 % 4,8 % 11,9 % 5,0 % 22,5 % 13,7 % 10,2 % 6,0 % 10,3 % 4,6 % 4,5 % 7,8 % 23,2 % a) 11,7 % b) Abb. 6:Anteil einzelner in der deutschen Nordsee genehmigter Windparkprojekte an dem prognostizierten Lebensraumverlust für: (a) Sterntaucher und (b) Trottellummen Cluster nördlich Helgoland: grün; nördlich Borkum: rot; nördlich Verkehrstrennungsgebiet: gelb; westlich Sylt: blau Fazit Die Reaktionen der Seevögel auf Offshore-Wind­ energieanlagen sind artspezifisch und reichen von großflächiger Meidung (z.B. Seetaucher) über moderate Abnahme (z.B. Eisenten) bis hin zu starken Attraktionswirkungen (z.B. Möwen). Bei empfindlichen Seevogelarten hängt das Ausmaß der Vertreibung bzw. des Lebensraumverlustes von der Anordnung der Windenergieanlagen ab. Seevogelarten, die mit Meideverhalten auf die Anlagen reagieren, werden aus ihren angestammten Rast- und Nahrungsgebieten verscheucht und sind von Lebensraumverlust betroffen. Das Verdrängen in andere Meeresgebiete kann u.a. zu schlechteren Nahrungsbedingungen oder zu verstärkter innerartlicher Konkurrenz führen. Insbesondere kumulative Lebensraumverluste werden das Ausmaß solcher Beeinträchtigungen erhöhen. Bei der Bewertung der Eignung von Standorten für Windkraftnutzung muss das lokale Arteninventar berücksichtigt werden. Die entscheidende Maßnahme zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf Seevögel ist die Wahl konfliktarmer Standorte mit nur geringen Vorkommen empfindlicher Arten bzw. dem Ausschluss von Rastgebieten dieser Arten. Offshore-Windparks Literatur Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), 2006: Offshore und Netzintegration – künftige Schwerpunkte in der Windenergieforschung. Umwelt, 6, 332-334. (http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/umwelt_06_01.pdf) Bundesregierung, 2002: Strategie der Bundesregierung zur Windenergienutzung auf See im Rahmen der Nachhaltigkeitsstra­tegie der Bundesregierung. 26 S. (http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/ allgemein/application/pdf/windenergie_strategie_ br_020100.pdf) Bundesregierung, 2005: Wegweiser Nachhaltigkeit 2005. Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland. Kabinettsbeschluss vom 10. August 2005, 129 S. Christensen, T.K., Clausager, I. and I.K. Petersen, 2003: Base-line investigations of birds in relation to an offshore wind farm at Horns Rev, and results from the year of construction. NERI Report, commis­sioned by Tech-wise A/S, 65 pp. Dierschke, V., Garthe, S. and B. Mendel, 2006: Possible Conflicts between Offshore Wind Farms and Seabirds in the German Sector of North Sea and Baltic Sea. In: Köller, J., Köppel, J. and Peters, W. (eds.): Offshore Wind Energy, Research on Environmental Impacts. Berlin: Springer, 121-143. Garthe, S., 2003: F&E-Vorhaben Erfassung von Rastvögeln in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee (ERASNO). Studie im Auftrage des BfN. Forschungs- und Technologiezentrum Westküste Büsum, Außenstelle der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Endbericht (http://www.habitatmarenatura2000.de). Garthe, S., Dierschke, V., Weichler, T. und P. Schwemmer, 2004: Teilprojekt 5: Rastvogelvorkommen und Offshore-Windkraftnutzung: Analyse des Konfliktpotenzials für die deutsche Nord- und Ostsee. In: Marine Warmblüter in Nord- und Ostsee: Grundlagen zur Bewertung von Windkraftanlagen im Offshore-Bereich. Endbericht, Landesamt für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, Tönning, 195-333 (www.minos-info.de). K ahlert, J., Petersen, I.K., Fox, A.D., Desholm, M., and I. Clausager, 2004: Investigations of birds during construction and operation of Nysted offshore wind farm at Rødsand: Annual status report 2003. NERI Report, commissioned by Energi E2 A/S, 82 pp. K ahlert, J., Petersen, I.K., Desholm, M. and O. Therkild sen, 2005: Investigations of birds during operation of Nysted offshore wind farm at Rødsand: Results and conclusions, 2004. NERI Report to Energi E2 A/S, 90 pp. Petersen, I.K., 2004: Investigation of birds during the operational phase of the Nysted Wind Farm. Preliminary notes on the issue of habitat loss. NERI Note to Energi E2. Petersen, I.K., Clausager, I. and T.K. Christensen, 2004: Bird numbers and distribution in the Horns Rev offshore wind farm area. Annual status report 2003. NERI Report to Elsam Engineering A/S. 39 pp. Petersen, I.K., 2005: Bird numbers and distributions in the Horns Rev offshore wind farm area. Annual status report 2004. NERI Report to Elsam Engineering A/S, 34 pp. Petterssen, J., 2005: The Impact of Offshore Wind Farms on Bird Life in Southern Kalmar Sound, Sweden. A final report based on studies 1999 – 2003. Report at the request of the Swedish Energy Agency. 128 pp. Anschrift des Verfassers: Thomas Merck Bundesamt für Naturschutz AS Insel Vilm 18581 Putbus 151 Offshore-Windparks Problem Kabelwärme? – Vorstellung der Ergebnisse von Feldmessungen der Meeresbodentemperatur im Bereich der elektrischen Kabel im Offshore-Windpark Nysted Havmøllepark (Dänemark) Heat emission from subsea power cables – a problem? Seabed temperature measurements near submarine power cables in the offshore wind farm Nysted Havmøllepark (Denmark) K arin Meißner, Jens Bockhold, Holmer Sordyl Zusammenfassung Summary Vom Institut für Angewandte Ökologie GmbH wurden im Rahmen eines vom BMU geförderten Forschungsprojektes Messungen der Meeresbodentemperatur im Offshore-Windpark Nysted Havmøllepark (Dänemark) durchgeführt. Messungen wurden am 33-kVKabel und am 132-kV-Kabel in definiertem Abstand zu den Kabeln vorgenommen. Generell war die Meeresbodentemperatur am 132-kV-Kabel höher als am 33-kV-Kabel. Die höchste im Zeitraum März bis September 2005 gemessene Temperatur in größter Nähe zum Kabel (Sensor T32) betrug 17,7 °C (132-kV-Kabel, 16 Juli 2005). Von September 2005 bis März 2006 wurden vergleichende Messungen zwischen dem 132-kV-Kabel und einem von der Wärmeemission unbeeinflussten Referenzstandort durchgeführt. Zu jedem Zeitpunkt während dieser Messperiode waren die Temperaturen im Meeresboden in der Umgebung des Kabels höher als am Referenzstandort. Die maximale Temperaturdifferenz zwischen dem Sensor T32 und der Referenz, gemessen in adäquater Sedimenttiefe, betrug 2,5 K, im Mittel jedoch weniger als 1 K. Die Schwankungen der Seebodentemperatur waren im Bereich der Kabel häufig und deutlich, während am Referenzstandort eher allmähliche Temperaturänderungen zu beobachten waren. Die Temperaturen im Meeresboden wurden beeinflusst durch die Produktionsleistung des Windparks und die Wassertemperaturen. Die Ergebnisse der Feldmessungen werden verglichen mit Prognosen der Meeresboden­erwärmung basierend auf Modellierungen. Die potentiellen Auswirkungen der Wärme­ emission auf die marine Umwelt werden diskutiert und auf den dringenden Forschungsbedarf zu dieser Fragestellung hingewiesen. The results of field measurements of seabed temperatures at Nysted offshore windfarm (Denmark, Baltic Sea) conducted by the Institute of Applied Ecology Ltd (IfAÖ Ltd) are presented. Seabed temperature was measured in the vicinity of the 33 kV and 132 kV power cables at defined distances from the cable. It was found that seabed temperature was generally higher at the 132 kV cable than at the 33 kV cable. The highest temperature recorded close to the cable (sensor T32) between March and September 2005 was 17.7 °C (132 kV cable, 16 July 2005). From September 2005 to March 2006 seabed temperature at the 132 kV cable was compared with seabed temperature at a control site (unaffected by heat emission). At any time during this period seabed temperature at the cable was higher than at the control site. The maximum difference between sensor T32 and the control site was 2.5 K (26.10.2006, measured at an adequate depth below seabed), the mean difference was less than 1 K (0.8 K). Temperatures varied signifi­cantly close to the cable whereas seabed temperatures at the unaffected site changed more smoothly. Seabed temperature was positively correlated with power production and water temperature. Results from the field studies were compared to predictions for temperature rise in the vicinity of power cables based on mathematical models. Potential effects of heat emission on the marine environment are discussed and the need for studies investigating such effects is emphasized. 153 154 Offshore-Windparks Einleitung Dem Institut für Angewandte Ökologie GmbH, Neu Broderstorf (IfAÖ) wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten Forschungsprojektes mit dem Titel „Einsatz von Biomarkern für die Erfassung möglicher Wirkungen von elektromagnetischen Feldern und Temperaturen auf marine Organismen unter Laborbedingungen“ (BMU FKZ 0329954) die Möglichkeit gegeben, Feldmessungen der Meeresbodentemperatur im Bereich der elektrischen Kabel im Offshore-Windpark Nysted (Dänemark, Ostsee) durchzuführen (Abb.1). Die dänischen Kooperationspartner für dieses Vorhaben waren SEAS Transmission A/S und DONG Energy A/S (früher ENERGI E2 A/S). 20 cm unter der Sediment­ober­fläche im Bereich der AWZ für tolerabel ausweist. Nach den Angaben der Antragsteller für Offshore-Windpark-Projekte lässt sich dieses Kriterium bei Kabelverlegetiefen von etwa 1 m in der Regel einhalten. Allerdings werden in größerer Nähe zum Kabel deutlich größere Temperatur­ änderungen von weit mehr als 10 K erwartet. Diese könnten nach Befürchtungen von Ökologen Änderungen der physiko­chemischen Eigenschaften des Sedimentes, einen Anstieg der mikrobiellen (heterotrophen) Produktion und der Primärproduktion sowie eine Verschiebung des Artenspektrums angefangen von der Bakterienfauna über das Mikro- und Makrophyto­benthos bis hin zum Meio- und Makrozoobenthos nach sich ziehen. Ziel der Messungen im Offshore-Windpark Nysted Havmøllepark war es, erstmals die tatsächlich vorliegenden Seebodentemperaturen im Bereich der elektrischen Kabel in einem Offshore-Windpark zu ermitteln und die Ergebnisse dieser Messungen mit den Voraussagen zur Meeresbodenerwärmung auf Grundlage theoretischer Modellierungen zu vergleichen. Material und Methoden Abb. 1: Lage des Offshore-Windparks Nystedt in der südlichen Ostsee Die mathematische Modellierung der Seebodenerwärmung in der Umgebung von Strom­kabeln wurde häufig im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Windparks in der deutschen AWZ unternommen. Offensichtlich gibt es keinen einheitlichen Standard für solche Modellierungen, denn die betrachteten Variablen und Methoden bei der Berechnung waren recht unterschiedlich. Aus diesen Gutachten konnte jedoch postuliert werden, dass für das Ausmaß des Temperatur­anstieges im Seeboden Faktoren wie die Kabeleigen­schaften (Kabeltyp), die Über­ tragungs­leistung (Last), die Seeboden­eigen­schaften (Wärmewider­stand / Wärmedurchlass­koeffizient des Sedimentes) und die Umgebungs­bedingungen entscheidend sind. In der Regel waren die Modellierungen orientiert an einer Vorgabe des Bundesamtes für Naturschutz, dem sogenannten 2-K-Kriterium, welches eine Temperaturerhöhung von ∆T<2 K Im Offshore-Windpark Nysted vor der Küste Lollands sind in einer Wassertiefe von 6 - 9,5 m 72 Turbinen mit einer maximalen Leistungskapazität von 2,3 MW installiert. Das ergibt eine maximale Gesamtleistung von rund 166 MW für den Windpark. Je neun Windenergieanlagen sind in acht Nord-Süd-orientierten Reihen über 33-kV-Kabel (18/30 kV AC, 3 x 185 mm2, Cu, Aluminium, XLPE) miteinander und mit der Trans­for­mator­plattform verbunden. Die Anbindung von der Transformatorplattform zum Land erfolgt über ein 132-kV-Kabel (132 kV AC, 3 x 760 mm2, Cu, XLPE) (Abb. 2). Die Kabelverlegetiefe wurde von den Betreibern des Windparks mit 0,5 m - 1 m angegeben. Der im Gebiet vorliegende Substrattyp wurde als Geschiebemergel, der mit unterschiedlich starken Schichten von Sand überlagert ist, charakterisiert. Für die Messungen der Seebodentemperaturen standen zwei Messsysteme zur Verfügung. Zu jedem Messsystem gehörten zwei Titanrohre, die mit je 16 Sensoren (PT100) bestückt waren (Abb.3, links). Der Abstand zwischen den Sensoren betrug 10 cm. Jeder Sensor war einzeln thermisch isoliert, um die Temperaturleitung durch das Rohr zu minimieren. Da die PT100-Sensoren in 4-Draht-Technik betrieben wurden, wurden pro Messstab 64 analoge Eingänge benötigt. Zur Reduzierung dieser Zahl kam ein Multiplexer Offshore-Windparks zum Einsatz. Die Daten wurden in einem Datenlogger (Typ Campbell CR10X) mit 1 MB Speicher zwischen­ gespeichert. Die Datenfernübertragung wurde über das vorhandene IP-Netzwerk der Windparkbetreiber vor Ort (SEAS und DONG Energy) realisiert. Diese Variante des Datentransportes konnte gewählt werden, da alle Temperaturmessungen in der näheren Umgebung der Transformator­plattform durchgeführt wurden. Hierzu wurde ein Daten- und Versorgungskabel durch vorhandene Kabelkanäle in der Transformatorplattform gelegt und von hier mittels eines Com-Port-Servers die Verbindung zum Netzwerk hergestellt. Der Abruf der Daten erfolgte wöchentlich via VPN-Client direkt zur Firma JeBo-Elektronik und von dort zum IfAÖ. 33 kV Kabel Transformatorplattform 132 kV Kabel Windgenerator Abb. 2:Schema des Kabelnetzes vom Offshore-Windpark Nysted Die Temperaturmessungen wurden am 33-kV-Kabel, am 132-kV-Kabel und außerdem an einer Referenzstation durchgeführt. Da nur zwei Messsysteme zur Verfügung standen, wurde am 22.3.2005 zunächst mit Messungen am 33-kV-Kabel und am 132-kV-Kabel begonnen. Die Mess­stationen lagen in einer Entfernung von etwa 18 m (33-kV-Kabel) bzw. 25 m (132-kV-Kabel) von der Trans­for­ma­tor­­ plattform. Die Messstation am 33-kV-Kabel wurde dann am 20.09.2005 zugunsten einer Referenzmessstation aufgegeben. Diese Station befand sich unweit der Transformatorplattform abseits der Kabel. Seeboden­tempe­raturen wurden für den Bereich direkt senkrecht über den stromführenden Kabeln und 30 cm seitlich versetzt davon ermittelt (Abb. 3, rechts). Die Messsysteme wurden durch Taucher der dänischen Firma COMDIVE APS in den Meeresboden eingespült. Dabei wurde zunächst das Kabel vollständig freigespült, um seine exakte Lage zu bestimmen. Anschließend wurden die Messsysteme in die gewünschte Position gebracht und das Spülloch durch die Taucher mit Strandsand aufgefüllt (Korngrößenmedian d50 310 – 390 µm, entspricht Mittelsand). Zwischen Kabel und Messstange musste ein Sicherheitsabstand von mindestens 10 cm eingehalten werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die erste Messung der Seebodentemperatur 25 cm über dem Kabel stattfand. Die Verlegetiefe der Kabel lag deutlich unter 1 m (etwa 65 cm am 33-kV-Kabel bzw. 80 cm am 132-kV-Kabel), so dass nur fünf bis sechs der Sensoren einer Messstange Temperaturen des Meeresbodens dokumentierten. Die übrigen zeichneten Temperaturen des Wasserkörpers auf. Für die Dauer von insgesamt etwa einem Jahr, bis zum 27.3.2006, wurden die Temperaturen im Minutentakt für alle 2x32-Sensoren (entspricht 92160 Einzelwerten pro Tag) aufgezeichnet. Ein Datenverlust trat für eines der Messsysteme für wenige Tage im Juli/August 2005 auf. Alle Daten wurden in einer Datenbank des IfAÖ GmbH gesammelt und analysiert. Ergebnisse Abb. 3:Teile des Messsystems: Titanrohr mit Bohrungen für Anordnung der Sensoren, unterer Teil des Titanrohres mit thermisch isolierten Sensoren, Schema der Anordnung des Messsystems bestehend aus zwei Messstäben über den Kabeln (von links nach rechts) Die Seebodentemperaturen waren im Untersuchungszeitraum 22.3.-20.9.05 im Offshore-Windpark Nysted an der Messstation am 132-kV-Kabel stets höher als an der Messstation am 33-kV-Kabel (Abb. 4). Die höchste Temperatur im Meeresboden wurde am 16. Juli 2005 am Temperatursensor T32 in größter Nähe zum 132-kV-Kabel gemessen. Sie betrug zu diesem Zeitpunkt 17,7 °C. Die Wasser- 155 Offshore-Windparks temperatur lag zum selben Zeitpunkt bei 19,4 °C. Die größten Unterschiede zwischen den Seebodentemperaturen am 33-kV- und am 132-kV-Kabel traten am 6. Juli 2005 auf, als der Temperatursensor T32 am 132-kV-Kabel eine um 0.9 K höhere Temperatur als Sensor T32 am 33-kV-Kabel aufzeich­nete. Die Sedimenttemperaturen senkrecht über dem Kabel waren höher als 30 cm seitlich vom Kabel (Abb. 5). Die maximale Temperaturdifferenz zwischen den Sensoren T32 (senkrecht) und T16 (seitlich, siehe Abb. 3) am 132kV-Kabel betrug 0,5 K (12. August 2005), für das 33kV-Kabel lag dieser Wert bei 0,2 K (24. März 2005). Vergleich der Meeresbodentemperatur über dem 33 kV- und dem 132 kV-Stromkabel (Werte der Temperatursensoren mit größter Nähe zum Kabel - T32) 20,0 17,5 Temperatur [°C] 15,0 12,5 132 kV 10,0 33 kV 7,5 5,0 2,5 20 Sep 05 13 Sep 05 6 Sep 05 30 Aug 05 23 Aug 05 9 Aug 05 16 Aug 05 2 Aug 05 26 Jul 05 19 Jul 05 5 Jul 05 12 Jul 05 28 Jun 05 21 Jun 05 14 Jun 05 7 Jun 05 31 Mai 05 24 Mai 05 17 Mai 05 10 Mai 05 3 Mai 05 26 Apr 05 19 Apr 05 12 Apr 05 5 Apr 05 29 Mrz 05 22 Mrz 05 0,0 Abb. 4:Vergleich der Meeresbodentemperatur über dem 33-Kv- und dem 132-kV-Stromkabel In größter Nähe zu den Kabeln durch die Sensoren T32 gemessene Temperaturen im Zeitraum 22.03.-20.09.05 132 kV- Kabel 17 16 T32 (senkrecht) 15 T16 (seitlich) 14 Wasser 13 Referenz 12 11 Temperatur [°C] 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 22. Mrz 06 16. Mrz 06 4. Mrz 06 10. Mrz 06 26. Feb 06 20. Feb 06 14. Feb 06 8. Feb 06 2. Feb 06 27. Jan 06 21. Jan 06 9. Jan 06 15. Jan 06 3. Jan 06 28. Dez 05 22. Dez 05 16. Dez 05 4. Dez 05 10. Dez 05 28. Nov 05 22. Nov 05 16. Nov 05 10. Nov 05 4. Nov 05 29. Okt 05 23. Okt 05 17. Okt 05 11. Okt 05 5. Okt 05 29. Sep 05 -1 23. Sep 05 156 Abb. 5:Temperaturen aufgezeichnet durch die Sensoren T32 und T16 an der Messstelle 132-kV-Kabel, Temperaturen des Wasserkörpers und Temperaturen an der Referenzmessstelle in vergleichbaren Sedimenttiefen im Zeitraum 23.09.05 bis 27.03.06 Offshore-Windparks Generell war zu beobachten, dass die Seebodentemperaturen im Einflussbereich der Kabel im Frühjahr und Herbst meist höher waren als die Temperaturen im Wasserkörper. Im Sommer hingegen über­stiegen die Wassertemperaturen in der Regel die Temperaturen im Substrat. Phasen mit Ausbildung eines Temperaturgradienten im Sediment wechselten mit Phasen fast homogener Temperaturbedingungen im Meeresboden (Abb. 6). dem fällt auf, dass durch die Wärmeabgabe vom Kabel viel häufiger und deutlichere Schwankungen der Temperatur im Meeresboden auftreten. Die maximale Temperatur­differenz zwischen unbeeinflusstem Meeresboden und dem Substrat im Bereich des Kabels wurde am 26. Oktober 2005 verzeichnet. Die an diesem Tag gemessenen Temperaturen sind in der Tab. 1 aufgeführt. Die höchsten Temperaturen im Meeresboden wurden an diesem Tag wieder in größter Nähe zum Kabel, also durch Sensor T32 etwa 50 cm unter der Sedimentoberfläche, gemessen. Die Differenz zur Referenzmessstation in vergleichbarer Messtiefe betrug 2,5 K. Mit abnehmender Messtiefe sank die Temperatur im Substrat über dem Kabel und erreichte knapp unter der Sedimentoberfläche die Temperatur des Wasserkörpers. Die Temperaturdifferenz zur Referenzmessstation verringerte sich erst bei etwa 20 – 30 cm unter der Sedimentoberfläche deutlich. Nach Veränderung der Messanordnung im Feld (Verschiebung des Messsystems am 33-kV-Kabel in einen von der Wärmeemission unbeeinflussten Bereich) konnte ein Vergleich der Seebodentemperaturen am 132-kV-Kabel mit denen unter natürlichen Bedingungen erfolgen. Aus Abb. 5 wird deutlich, dass das Sediment im Bereich des Kabels erwärmt wird, also eine stetige Erhöhung der Seebodentemperatur gegenüber den natürlichen Verhältnissen auftritt. Zu- 132 kV Kabel - Messungen senkrecht über dem Kabel Wasserkörper 22 T28 T29 20 T30 Temperatur [°C] T31 18 T32 keine Daten 16 14 12 4 Okt 05 27 Sep 05 20 Sep 05 13 Sep 05 6 Sep 05 30 Aug 05 23 Aug 05 16 Aug 05 9 Aug 05 2 Aug 05 26 Jul 05 19 Jul 05 12 Jul 05 5 Jul 05 28 Jun 05 21 Jun 05 14 Jun 05 10 Abb. 6:Temperaturmessdaten für die senkrecht über dem 132-kV-Kabel installierte Messstange mit den Temperatursensoren T17 bis T32 für den Zeitraum 14. Juni bis 16. Oktober 2005, Temperatur-Wasserkörper-Sensoren T17 bis T27 (Mittelwert) im Seeboden Temperatur am 132-kV-Kabel (°C) 30 cm seitlich Temperatur (°C) Referenzstation ∆ T max 14,8 14,6 14,4 13,5 12,5 12,1 13,6 13,2 12,9 12,6 12,4 12,2 12,3 12,3 12,2 12,1 12,2 12,3 2,5 2,3 2,2 1,4 0,3 -0,2 12,1 12,2 12,4 Tiefe senkrecht über dem Kabel 50 cm 40 cm 30 cm 20 cm 10 cm 0 cm Wasserkörper Tab. 1: Temperaturmessdaten für den 26. Oktober 2005, aufgezeichnet im Offshore-Windpark Nysted 157 Offshore-Windparks Einen Eindruck vom Einfluss der Produktionsleistung des Windparks auf die beobachteten Temperaturveränderungen im Seeboden gibt Abb. 7. Die Leistung des Windparks konnte aufgrund von Auflagen der Windparkbetreiber nur für einen begrenzten Zeitraum und unskaliert dargestellt werden. Es lässt sich jedoch deutlich aus der Darstellung ablesen, dass jeder Peak in der Produktionsleistung, ein Maß für den Lastfaktor oder die Übertragungs­leistung der Kabel, einen Anstieg der Temperaturen im See- boden nach sich zog. Im gleichen Zeitraum fiel hingegen die Temperatur am Referenzstandort stetig ab, offensichtlich bedingt durch den Abfall der Wassertemperaturen. Die Temperaturen des Wasserkörpers spielen natürlich auch für die Temperaturbedingungen des Seebodens im Bereich der Kabel eine Rolle. Sie können den primären Effekt der Beeinflussung der Seebodentemperatur durch die Übertragungsleistung der Kabel sekundär verstärken oder abschwächen. 132 kV- Kabel 17 160,00 T32 (senkrecht) 16 140,00 15 T16 (seitlich) Wasserkörper 14 120,00 13 Temperatur [°C] 100,00 12 Referenz Leistung Windpark (relative Angabe) 11 80,00 10 9 60,00 8 40,00 7 6 20,00 5 4 16. Dez 05 13. Dez 05 7. Dez 05 10. Dez 05 4. Dez 05 1. Dez 05 28. Nov 05 25. Nov 05 22. Nov 05 19. Nov 05 16. Nov 05 13. Nov 05 7. Nov 05 10. Nov 05 4. Nov 05 1. Nov 05 29. Okt 05 26. Okt 05 23. Okt 05 20. Okt 05 17. Okt 05 14. Okt 05 8. Okt 05 11. Okt 05 0,00 5. Okt 05 158 Abb. 7:Temperaturen aufgezeichnet durch die Sensoren T32 und T16 an der Messstelle 132-kV-Kabel, Temperaturen des Wasserkörpers und Temperaturen an der Referenzmessstelle in vergleichbaren Sedimenttiefen ergänzt durch Angaben zur Stromproduktion des Offshore-Windparks Nysted (nicht skaliert) im Zeitraum 05.10.-16.12.06 Diskussion Die Messungen der Seebodentemperatur im Offshore-Windpark Nysted Havmøllepark sollten einen Beitrag zur Diskussion der Kabelwärme-Problematik liefern. Diese Diskussion war in Deutschland im Zusammenhang mit der Förderung des Ausbaus der Nutzung der Windenergie, verbunden mit der Errichtung von Windparks auf dem Meer, entstanden. Im Rahmen der Genehmigungs­verfahren für die einzelnen Windpark-Projekte in Nord- und Ostsee wurden Studien vorgelegt, in denen die voraussichtliche Erwärmung des Meeresbodens, verursacht durch eine Wärmeemission der elektrischen Kabel, untersucht wurde. Ein Beispiel für das Ergebnis einer solchen Studie ist in Abb. 8 dargestellt. Für den Nahbereich des Kabels (20 cm Distanz, also 80 cm unter der Sedimentoberfläche) wird hier eine Temperaturerhöhung von etwa 17 K prognostiziert, 40 cm unter der Sedimentoberfläche könnte der Temperaturanstieg bei 5 K liegen und bei 20 cm Sedimenttiefe werden noch etwa 2 K Temperaturdifferenz vorausgesagt. Dieses Ergebnis deckt sich in der Grundaussage mit Berechnungen anderer Autoren: in Kabelnähe können hohe Temperaturen auftreten, in größerer Nähe zur Sedimentoberfläche überschreitet der Temperaturanstieg einen Wert von 2 K nicht (z.B. Eos Offshore AG [2003], Worzyk und Böngeler [2003], Offshore Wind Technology GmbH [2004]). Brakelmann [2006] argumentiert, dass die Ergebnisse der Offshore-Windparks Modellierungen als sehr konservative Schätzungen anzusehen sind, da in den meisten Fällen von mehrtägigen Volllastphasen ausgegangen wurde. Solche Phasen traten nach Quellen Brakelmanns (Geo mbH) nicht häufig auf. So zitiert Brakelmann [2006], dass zwei aufeinander folgende Volllasttage in den Jahren 1994 bis 2003 an einem Offshore-Standort vor Sylt maximal 10mal pro Jahr auftraten (im betrachten Zeitraum nur im Jahr 2002), im Durchschnitt rund 7mal. Drei aufeinander folgende Volllasttage traten im betrachteten Zeitraum im Mittel zweimal im Jahr auf, im Jahr 1994 allerdings 7mal. Vier, fünf oder sechs aufeinander folgende Volllasttage sind seltene Ereignisse und konnten maximal einmal pro Jahr beobachtet werden. Somit sollte in der Konsequenz die Meeresbodentemperatur an der großen Mehrzahl der Tage im Jahr unter denen in den Berechnungen ermittelten Werten liegen. Abb. 8:Beispiel für eine Modellierung der Temperatur im Seeboden für die parkinterne Verkabelung (Mittelspannung, Wechselstrom) eines Offshore-Windparks mit grosser Leistung (nach Pöhler [2006]) Die Ergebnisse der Messungen in Nysted scheinen die Aussagen Brakelmanns zu bestätigen. Die mittels Modellierung vorausgesagten Sedimenttemperaturen für verschiedene Windpark­projekte in Nord- und Ostsee wurden im Havmøllepark Nysted im Untersuchungs­zeitraum nicht im vergleichbaren Rahmen erreicht. Allerdings muss für diesen Standort auf potentiell begünstigende Momente für eine geringe Sedimenterwärmung hingewiesen werden. Zum einen wurden die Messungen in recht grobem Substrat durchgeführt (Mittelsand, siehe Material und Methoden), welches die Wärme vergleichsweise schnell in den überstehenden Wasserkörper ableiten kann. Zum anderen war die die Kabel überdeckende Sedimentschicht mit 65 - 80 cm recht gering, so dass die Temperatur des Wasserkörpers auch für kabelnahe Seebodenbereiche eine wichtige Einflussgröße darstellte. Außerdem muss die vergleichbar geringe Kapazität des Windparks für die Stromproduktion (166 MW) berücksichtigt werden. Offshore-Projekte im deutschen Küstenmeer und in der deutschen AWZ planen Kapazitäten zwischen 500 und 600 MW. Die Abführung der Leistung aus Offshore-Parks dieser Größenordnung wird neue technische Lösungen erfordern. Dies könnten neue leistungsfähigere Kabel sein, die höhere Übertragungsleistungen garantie- 159 160 Offshore-Windparks ren. Auch werden Überlegungen diskutiert, die Kabel verschiedener Windparks in gemeinsamen Trassen zusammenzuführen. Möglicherweise entstehen dadurch Bedingungen, die eine stärkere Erwärmung des Meeresbodens fördern. Nach Kenntnis der Autoren sind die in Nysted durchgeführten Messungen bisher die einzigen ihrer Art. Die Ergebnisse lassen sich nicht ohne weiteres auf andere Standorte übertragen. Deshalb sind weitere Untersuchungen an anderen Standorten dringend erforderlich, um eine fundierte Diskussion der Problematik führen zu können. Eine Entwarnung für das „Problem Kabelwärme“ kann nach dem heutigen Kenntnisstand noch nicht gegeben werden. Es gibt bisher nahezu keine publizierten Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien, die Auswirkungen des Wärmeeintrags in den Meeresboden auf die lokale Flora und Fauna oder auf biogeochemische Prozesse im Seeboden untersucht hätten. In einer vom IfAÖ und der Universität Rostock betreuten Diplomarbeit wurden erste Vorarbeiten zu dieser Fragestellung durchgeführt (Borrmann [2006]). In Laborexperimenten wurde die Veränderung der Besiedlung von zwei Arten des Makrozoobenthos bei Anlegen eines Temperaturgradienten im Sediment untersucht. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass Marenzelleria viridis, ein röhrenbauender Polychaet, erwärmte Bereiche mied und aus ihnen abwanderte, während für den Schlickkrebs Corophium volutator, der hauptsächlich im Gezeitenbereich flache Röhren unter der Sedimentoberfläche baut und auch häufig außerhalb dieser anzutreffen ist, keine signifikanten Veränderungen der Besiedlung dokumentiert werden konnten. Ebenfalls an der Universität Rostock wird derzeit eine Diplomarbeit abgeschlossen, die sich der möglichen Beeinflussung biogeochemischer Stoffkreisläufe in marinen Sedimenten durch Temperaturanstieg widmete (Dr. Selig, FB Biowissenschaften, Institut für Aquatische Ökologie [persönliche Mitteilung]). Erste Mitteilungen zu diesen Laborarbeiten waren, dass schon bei geringsten Temperaturerhöhungen (∆T > 0,5 K) Auswirkungen auf die Stoffkreisläufe in den inkubierten Sedimentkernen beobachtet werden konnten. Die mikrobielle Aktivität und Ammonium-Konzentrationen stiegen schon nach wenigen Tagen Inkubation an. Durch die Erwärmung tieferer Sedimentschichten könnten also dort bereits festgelegte Nährstoffe wieder remineralisiert und freigesetzt werden, was bei stetiger Erwärmung zur allmählichen Ausbildung eines Gradienten im Substrat und schließlich zur Rückführung in den Wasserkörper führen könnte. Die Diplomarbeit wird jedoch letztlich nur erste Anhaltspunkte zu möglichen Effekten liefern können. Um Bilanzierungen für bestimmte Standorte vorzunehmen, muss der Untersuchungsrahmen erweitert werden. Weitere Erkenntnisse zu Auswirkungen von Temperaturerhöhung auf tierische Organismen auf zellulärer Ebene sind nach Abschluss der Laborarbeiten des vom BMU geförderten Projektes „Einsatz von Biomarkern für die Erfassung möglicher Wirkungen von elektromagnetischen Feldern und Temperaturen auf marine Organismen unter Laborbedingungen“, in deren Rahmen auch die Feldmessungen in Nysted durchgeführt wurden, im nächsten Jahr zu erwarten. Insgesamt muss festgestellt werden, dass aus der Sicht des Ökologen eine Abschätzung des „Problems Kabelwärme“ derzeit nicht möglich ist. Auch das momentan als allgemeine Richtlinie dienende 2 K-Kriteriums des BfN sollte auf wissenschaftlicher Grundlage verifiziert werden. Literatur Borrmann, C. B., 2006: Wärmeemission von Stromkabeln in Windparks – Laborunter­suchungen zum Einfluss auf die benthische Fauna. Diplomarbeit, eingereicht an der Universität Rostock, 82 pp. Brakelmann, H., 2005: Kabelverbindung der Offshore-Windfarmen Kriegers Flak und Baltic I zum Netzanschlußpunkt. Studie im Auftrag der Offshore Ostsee Wind AG, 71 pp. Brakelmann, H., 2006: Meeresbodenerwärmung durch Hoch- und Höchstspannungskabel zur Netzanbindung von Offshore-Windparks. Vortrag beim Fachgespräch der dena „Verlegung von Seekabeln zum Netzanschluss von Offshore Windparks in Schutzgebieten im Meer“, 20. 21.06.2006 in Bremen; www.offshore-wind.de/show_article.cfm?cid=1623 EOS Offshore AG, 2003: Parkinterne Verkabelung Berechnung der Temperatur­vertei­lung im Meeresboden. Studie EOS Offshore AG, Varel, 10 pp. Offshore Wind Technologie GmbH, 2004: Wärmeausbreitung im Meeresboden infolge Verlustwärme der Netzanbindung des Windparks „Borkum West“ (Windnet I). Studie im Auftrag der PROKON Nord Energiesysteme GmbH. Pöhler, S., 2006: Übertragungstechnik für Offshore Windparks - Stand der Technik und Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Vortrag beim Fachgespräch der dena „Verlegung von Seekabeln zum Netzanschluss von Offshore Windparks in Schutzgebieten im Meer“, 20. - 21. 06. 2006 in Bremen. http://www.offshore-wind.de/show_article.cfm?cid=1623 Offshore-Windparks Worzyk, T. und R. Böngeler, 2003: Abschätzung der Sedimenterwärmung durch das parkinterne Kabelnetz im Offshore-Windpark GlobalTech1. Studie der ABB Power Technology Products AB, Anschriften der Verfasser: Dr. Karin Meißner Prof. Dr. Holmer Sordyl Institut für Angewandte Ökologie GmbH Alte Dorfstraße 11 18184 Neu Broderstorf Jens Bockhold JeBo-Elektronik Stützpunktstr. 35 19258 Bickhusen Karlskrona (Schweden) und Enveco GmbH, Münster, im Auftrag der Nordsee Windpower GmbH & Co. KG, Sulingen, 28 pp. 161 Offshore-Windparks Mögliche Auswirkungen von Offshore-Windenergie­ anlagen auf den Wasseraustausch der Ostsee („QuantAS-Off“) Hans Burchard Im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nord- und Ostsee ist die Errichtung einiger Offshore-Windparks geplant, da die Standorte an Land begrenzt sind. Während in den Küstenbereichen der Nordsee die Gezeitenaktivität eine weitgehende vertikale Vermischung der Wassersäule bewirkt, sind die Wassermassen der Ostsee typischerweise stark geschichtet. Die­se vor allem auf starken Salzgehaltsunterschieden beruhende Schichtung wird sowohl durch die Frischwasserzufuhr aus den Flüssen in die Ostsee (z.B. Oder, Weichsel, Neva) bedingt, als auch durch Salzwassereinbrüche aus der Nordsee, die über den Skagerrak und das Kattegat über die dänischen Belte und den Öresund in die Arkonasee gelangen. Es schiebt sich dabei das schwere salzhaltige Nord­ seewasser unter das ausströmende weniger salzige Ostseewasser. Sobald das einströmende Nordseewasser die flachen Schwellen im Öresund (die nur 7 m flache Drogdenschwelle) und zwischen dem Darß und der dänischen Insel Falster (die 20 m tiefe Darßer Schwelle) überwunden hat, taucht es ab und sucht sich seinen Weg entlang des Meeresbodens der Arkonasee, angetrieben durch die Neigung des Bodens, gebremst durch die Reibung am Boden und durch die Erdrotation in Strömungsrichtung nach rechts abgelenkt. Auf seinem Weg durch die Arkonasee verdünnt sich dieser Salzwasserstrom durch Einmischung von salzarmen Oberflächenwasser und fließt schließlich über das Bornholmsgatt zwischen der dänischen Insel Bornholm und dem schwedischen Festland ins Bornholmbecken ab. Dort schichtet sich das verdünnte Nordseewasser in Tiefen zwischen 60 und 80 m so ein, dass das darunterliegende Wasser schwerer und das darüberliegende Wasser leichter ist, siehe Abb. 1. Kattegatt Ostsee Frischwasser Salzwasser Salzwasserstrom nach Stigebrandt 2003 Abb. 1:Schematische Darstellung des Wasseraustausches zwischen Nordsee und Ostsee (nach Stigebrand [2003]) Was ist nun die ökologische Bedeutung dieser Einschichtung in das Bornholmbecken? Dort sinkt vor allem nach massiver Vermehrung von Phyto- und Zooplankton (Algenblüten) totes organisches Material ab und verottet auf dem Weg zum Meeresboden, ein Prozess, bei dem im Wasser gelöster Sauerstoff verbraucht wird. Die Sauerstoffzufuhr vom gut durchlüftetem Oberflächenwasser ist durch die stabile salzgehaltsbedingte Schichtung stark eingeschränkt, so dass sich schnell ein Sauerstoffmangel in Tiefen unter 60 m einstellt. Dadurch ist zum Beispiel die Entwicklung von Dorscheiern, die typischerweise in diesen Tiefen im Wasser schweben, akut gefährdet. Die einzige Möglichkeit, den Tiefenbereich unter 60 m mit Sauerstoff zu belüften, ergibt sich durch die oben dargestellten Einströme von salzreichem Nordseewasser, dass vor allem im Winterhalbjahr einen hohen Sauerstoffgehalt aufweist, siehe Abb. 2. Damit werden die Salzwassereinbrüche zur Lebensader der Bornholmsee. Je stärker die Verdünnung des Nordseewassers auf dem Weg durch die Arkonasee ist, 163 164 Offshore-Windparks desto leichter wird das Wasser, und desto weniger tief kann es sich in das stabil geschichtete Bornholmbecken einschichten, mit der Folge, dass bei starker Verdünnung ein größerer Bereich des Bornholmbeckens unbelüftet bleibt. Abgesehen von der Verstärkung der Algenblüten infolge von einer landwirtschaftlich bedingten Überdüngung des Meeres und der damit gesteigerten Sauerstoffzehrung in den tieferen Schichten der Bornholmsee handelt es sich bei den beschriebenen Vorgängen um einen natürlichen Prozess. Oktober 2002 (vor Einstrom) Juni 2003 (nach Einstrom) Abb. 2:Sauerstoffkonzentration in der Ostsee vor und nach dem großen Einstromereignis im Januar 2003, dargestellt entlang des Monitoring-Schnittes von der Westlichen (links) bis in die Zentrale Ostsee (rechts) Quelle: Institut für Ostseeforschung Warnemünde, siehe auch: http://www.io-warnemuende.de/research/salzwassereinbruch2003.html Die Frage ist nun, ob die Errichtung von OffshoreWindparks im Bereich der Arkonasee die natürliche Verdünnung des Nordseewassers spürbar verstärken kann und somit die Sauerstoffversorgung der Bornholmsee negativ beeinflussen kann. Um diese Frage mit einiger Sicherheit beantworten zu können, müssen sowohl die natürlichen Vermischungs- und Verdünnungsprozesse besser verstanden werden, als auch die Einflüsse der Fundamente von Windkraftanlagen untersucht werden. Dieser Problematik widmen sich seit Beginn des Jahres 2005 zwei Projekte, die am Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) koordiniert werden. Die sogenannten QuantAS-Projekte (Quantifizierung von Wassermassentransformationsprozessen in der Arkonasee) untersuchen die natürliche (QuantAS-Nat) und die durch OffshoreWindparks (QuantAS-Off) bedingte Vermischung in der Arkonasee. Im QuantAS-Konsortium arbeiten neben deutschen auch polnische, schwedische und dänische Meeresforscher zusammen. Während insgesamt fünf QuantAS-Schiffsexpeditionen in die Arkonasee, an denen auch deutsche Marineforschungsschiffe und ein polnisches Forschungsschiff teilnahmen, wurden die Salzwasserströme durch die Offshore-Windparks Arkonasee mit Hilfe verschiedenster Messinstrumente unter die Lupe genommen. Dabei wurde festgestellt, dass der Hauptstrom durch den Öresund nach Passieren der Drogdenschwelle nach Osten abbiegt, um dann entlang der Nordflanke der Untiefe Kriegers Flak ins breite Arkonabecken einzuströmen. Dabei wurden überraschend hohe Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 1 m/s gemessen, wobei der Salzwasser- 56oN 01−Feb−2004 00:00:00 strom eine Dicke von bis zu 10 m aufwies, und bis zu 10 kg/m3 schwerer war, als das darüberliegende Oberflächenwasser. Am IOW durchgeführte Computersimulationen für den gesamten Bereich vom Kattegat über die Arkonasee bis ins Bornholmbecken konnten diesen Salzwasserstrom simulieren und damit helfen, seine Dynamik besser zu verstehen, siehe Abb. 3. 10−Feb−2004 00:00:00 56oN 22 18 o o 55 N 55 N 16 S/psu latitude/degrees north 20 14 12 10 o o 54 N 12oE 54 N 13oE 14oE longitude/degrees east o 12 E o o 13 E 14 E longitude/degrees east Abb. 3:Mit dem General Estuarine Transport Model (www.getm.eu) simulierter Bodensalzgehalt in der Arkonasee vor und nach einem mittleren Einstromereignis durch den Öresund. Sehr gut ist zu erkennen, wie die Untiefe Kriegers Flak (13° E, 55° N) durch die dichte Bodenströmung umflossen wird Wie sich nun Fundamente von Windkraftanlagen auf diese Strömungen auswirken, untersuchen Projektpartner an den Universitäten von Hannover und Rostock. Die Rostocker Kollegen vom Institut für Strömungsmechanik haben sich einen Strömungskanal bauen lassen, in dem Salzwasserströme im Maßstab 1:100 ein zylindrisches Fundament umströmen. Die Hannoveraner Kollegen führen hochaufgelöste Computersimulationen der geschichteten Zylinderumströmung durch. Durch Vergleich dieser beiden Methoden soll untersucht werden, wie ein Fundament die Strömung beeinflussen kann. Davon soll abgeleitet werden, wie ein ganzer Windpark (bestehend aus etwa 80 Einzelanlagen) die Strömung verändert. Die vermischende Wirkung eines oder mehrerer Windparks soll dann in das Arkonasee-Computermodell des IOW eingebaut werden, so dass die Auswirkungen der Windparks auf die Strömung abgeschätzt werden können. Mit verlässlichen Ergebnissen wird nicht vor Ende des Jahres 2007 gerechnet. Erste generelle Aussagen über das Vermischungspotential von Windparks in der Arkonasee sind jedoch schon jetzt möglich. Windkraftanlagen, die in Wassertiefen geringer als 25 m errichtet werden, können die Salzwassereinströme kaum behindern, da diese sich den Talweg durch das Arkonabecken suchen, der sich unterhalb dieser Tiefe befindet. Die zur Zeit in der Arkonasee geplanten Windparks (Kriegers Flak und Adlergrund) decken einen Tiefenbereich von 20 m bis 40 m ab, so dass einzelne Fundamente in die Salzwasserströme hereinreichen können. Diese sind jedoch von der Anzahl her so gering, dass eine spürbare zusätzliche Verdünnung unwahrscheinlich ist. Diese Windparks stehen auch etwas abseits des wichtigsten Salzwasserstromes, der nördlich von Kriegers Flak entlangfließt. Es sind jedoch auf polnischer, schwedischer und dänischer Seite Windparks geplant, die in der Gesamtheit für eine spürbare zusätzliche Verdünnung des einströmenden Nordseewassers sorgen könnten. Das IOW 165 166 Offshore-Windparks hat sich mit seinen QuantAS-Projekten zur Aufgabe gemacht, Empfehlungen für die langfristige Standortplanung von Offshore-Windparks zu geben, sowie die Kapazitätsgrenzen für die Errichtung von Windparks in der gesamten Arkonasee aufzuzeigen. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Hans Burchard Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde Seestraße 15 18119 Rostock-Warnemünde Weitere Informationen zu den QuantAS-Projekten sind unter http://www.io-warnemuende.de/quantas/ index.php zu finden. Offshore-Windparks Marikultur als Co-Nutzung in Offshore-Windparks: Status Quo, Probleme und Perspektiven Co-use of offshore wind farms for mariculture: status quo, problems, and prospects Bela Hieronymus Buck Zusammenfassung Summary Ziel der Aquakultur-Studien im AWI ist die Anfertigung eines wissenschaftlichen und technischen Fundaments für die Zucht von marinen Organismen in der Deutschen Bucht unter dem Aspekt nachhaltiger und multifunktionaler Nutzung von Offshore-Gebieten und deren natürlicher Ressourcen. The purpose of the aquaculture studies conducted by AWI is to obtain a scientific and technical basis for cultivating marine organisms in the German Bight in order to achieve a sustainable and multifunctional use of offshore areas and their natural resources. Die bisher hauptsächlich an Land und in Küstennähe gelegenen Nutzflächen für Windenergieanlagen sollen in den nächsten Jahren auf Offshore-Gebiete in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftzone (AWZ) ausgedehnt werden. Da die geplanten Anlagen in den Windparks Verankerungsmöglichkeiten bieten werden, könnte hier die Möglichkeit für eine multifunktionale Nutzung durch Kombination mit Aquakultursystemen gegeben sein. Um dieses Konzept auf Machbarkeit und wirtschaftliches Potential hin zu prüfen, werden die aus biologischer und technischer Sicht nötigen Vorraussetzungen sowie das bei der Durchführung erforderliche Management untersucht. In the next few years, offshore wind farms are planned to be built in the waters of the German Exclusive Economic Zone (EEZ). As the structures of the projected wind farms might be suitable for establishing commercial aquaculture systems, multifunctional use of wind farms could be an option. To study the feasibility and commercial potential of this concept, its prerequisites and management requirements both from a biological and engineering point of view have been reviewed. Einleitung Floß- und Laternensysteme für die Zucht von Muscheln und Makroalgen betrieben (Beveridge [2004], Hickman [1992]). In vielen Gebieten sind dabei nicht nur die Eingriffe in das umliegende Ökosystem, z.B. durch Verschmutzung durch nicht verwertete Futterpellets oder andere Stoffe sowie die Veränderung der Biodiversität, von großer Brisanz. Auch die sehr starke Nutzung des Küstenmeeres (z.B. durch Schifffahrt, militärische Nutzung, Tourismus, Fischerei, Naturschutzgebiete und andere schützenswerte Flächen, Besatzmuschelfischerei, Kiesabbau) führt zu wachsenden Raumnutzungskonflikten (z. B. Wirtz et al. [2003], Buck et al. [2004], siehe auch CONTISInformationssystem, BSH). Die kommerzielle Zucht von Meeresorganismen wird weltweit überwiegend in Küstenländern betrieben. Diese marine Aquakultur oder Marikultur konzentriert sich meist auf küstennahe Bereiche oder landgestützte Durchfluss- oder Kreislaufanlagen (Abb. 1 a-d), in denen insbesondere für letztgenannte Systeme versucht wird, Optimalbedingungen für die gezüchteten Organismen zu schaffen. Die Kulturanlagen im Meer beschränken sich auf geschützte Gebiete unmittelbar vor der Küste sowie den gesamten Inshore-Bereich (Fjorde, Buchten, Rias). Hier werden Käfiganlagen für Fische und Langleinen-, Pfahl-, 167 168 Offshore-Windparks a) b) c) d) Abb. 1:Aquakultursysteme an Land und in geschützten Gebieten a) Kreislaufanlage für Steinbutt (Psetta maxima) im AWI Bremerhaven (Deutschland), b) Durchflussanlage für Garnelen (Penaeus monodon) bei Honolulu, Oahu/Hawaii (USA), c) Netzkäfiganlage für Seebrassen (Pagrus major) bei Sanyang (Süd-Korea) und d) untergetauchtes Langleinensystem für Miesmuscheln (Mytilus edulis) bei Trondheim (Norwegen) Fotos: B. H. Buck (AWI) Der globale Bedarf an aquatischen Lebensmitteln ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen. Nach Daten der Welternährungsorganisation (FAO [2006]) stehen einer Gesamtproduktion aus Fischerei und Aquakultur zu Beginn der 1950er Jahre von etwa 21 Mio. Tonnen etwa 160 Mio. Tonnen im Jahre 2004 gegenüber (Abb. 2). Während die Produktionszahlen aus der Fischerei zunächst bis 1988/89 stetig anstiegen, stagnieren sie seit dieser Zeit oder konnten nur kurzzeitig erhöht werden. Dieses ist neben der Überfischung vieler Meeresgebiete auch auf den Einsatz moderner Fangflotten und -techniken zurückzuführen, auf den Fang von Organismen aus niedrigeren Trophiestufen sowie auf ein nicht nachhaltiges Management (Pauly et al. [2002]). Im Gegensatz dazu steigen die Produktionsmengen aus der Aquakultur bis heute dauerhaft an. Sie erleben gerade in den letzten drei Jahrzehnten einen auffallend starken Zuwachs. Die Gesamtproduktion wurde innerhalb von 25 Jahren verachtfacht. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Eindruck, Produkte aus der Aquakultur seien ein guter Ersatz für die stagnierenden Mengen aus der Fischerei, äußerst kritisch zu betrachten ist. Während Naylor und Kollegen [2000] der Auffassung sind, bei der stark gewachsenen Aquakultur stamme ein Großteil der in der Fisch- und Shrimpkultur verwendeten Futterpellets aus Fischmehl und -öl und diese seien somit von den Anlandungen aus der Fischerei abhängig, argumentieren Roth und Co-Autoren [2002], dass der Anstieg in der Aquakulturproduktion hauptsächlich auf herbivore Organismen zurückzuführen sei und somit kein zusätzlicher Fischereidruck entstehe. Offshore-Windparks Abb. 2:Produktion aus der Fischerei und der Aquakultur nach Daten der FAO (Buck [2007a]) Die Entwicklungen in der Fischerei sowie der steigende Bedarf an aquatischen Produkten führten weltweit zu einer starken Zunahme von Forschungsaktivitäten im Bereich der Aquakultur (Gace [2006], siehe auch WAS). Der Grund dafür ist, dass viele Meeresgebiete, die noch vor Jahren im Rahmen von Fischereiaktivitäten als produktiv galten, heute überfischt sind und dadurch keine ausreichende Menge an Meeresprodukten zur Verfügung steht. In Deutschland konnte sich eine Meeresmassenzucht aus vielerlei Gründen bisher nicht etablieren. Dazu zählen neben den bereits beschriebenen Nutzerkonflikten in den Küstenmeeren und in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) auch andere Probleme: die allgemein rauen Umweltbedingungen (starke Strömungsgeschwindigkeiten und hohe Wellen), die geographische und topographische Lage (geringe Wassertiefe, keine geschützten Buchten) und die kommerziellen Potentiale (hoher Personalaufwand) stehen einer konventionellen und kostengünstigen Aquakulturentwicklung entgegen. Ferner fehlt es in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern an einem aquakulturspezifischen Reglement, klaren Richtlinien und definierten Standards, so dass beispielsweise für die deutsche AWZ keine auf die Zucht von aquatischen Organismen abzielenden rechtlichen Rahmenbedingungen existieren (Buck et al. [2003]). Ein Ausweg aus einigen der oben genannten Problematiken bietet eine räumliche Verlagerung in den Offshore-Bereich. Die erwähnten Interessenskonflikte und Problemzonen des Küstenraumes werden reduziert und die Wasserqualität verbessert sich mit dem Abstand zur Küste und den Flussmündungsgebieten. Durch die Verlegung entstehen jedoch neue, andere Probleme, die sich sowohl in der Bereitstellung geeigneter Kulturorganismen, die harte Stürme und starke Strömungen aushalten, und stabilen, sicheren Techniken in einem moderneren und angepassten Design darstellen, als auch in der Erreichbarkeit solch ferner Areale und einem ausgeklügelten Management liegen. Offshore-Kulturen sind in den USA, Kanada und einigen europäischen Ländern zu einer neuen Richtung der Marikultur geworden. Die Schlagwörter, die diese neue Art der Kultivierung von Organismen umschreiben, sind: Offshore, Open Ocean, Far out und Farming the Deep Blue (Buck [2002], Ryan [2005]). Bislang haben sich mit diesem Open Ocean Bereich 169 Offshore-Windparks 170 weltweit unterschiedlichste Fachrichtungen beschäftigt, die aus der Biologie, der Geologie, der Aquaristik, der Aquakultur, dem Ingenieurwesen, dem Management, der Logistik und der Sozio-Ökonomie stammen. Vorreiter dieser Technologie sind Projekte aus den USA, wie das so genannte „New Hampshire Open Ocean Aquaculture Demonstration Project“ (Ward et al. [2001]). biete ausgewiesen werden sollen. Gleichzeitig bringt dieser Flächenkonflikt auch eine mögliche Lösung, die der traditionellen Fischerei Vorteile verschaffen kann, nämlich die multifunktionale Nutzung solcher Flächen mit geeigneten Aquakulturtechniken, die die Bewirtschaftung fern der Küste auch für letzteren Wirtschaftszweig rentabel machen und Fischern ein alternatives Einkommen sichern können. In Deutschland ist diese Art der Kultivierung noch neu und wird kommerziell nicht betrieben, sondern eher als „Offshore Vision“ angesehen. Der Begriff „Offshore“ wird hierzulande vorrangig mit den geplanten Offshore-Windparks im Nord- und Ostseeraum in Verbindung gebracht. In der Realität wird der Offshore-Bereich durch verschiedene Interessensgruppen schon jetzt vermehrt beansprucht. Durch die rasche Entwicklung der geplanten Windparks entstehen auch in diesem Bereich Probleme in der Nutzung der Nordsee. Aus Sicht der Fischerei werden die befischbaren Gebiete verkleinert, da die Windparkareale, je nach Anzahl und Größe, als Sperrge- Die Integration dieser beiden Parteien (Abb. 3) in der Deutschen Bucht wird zurzeit am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)1) in Bremerhaven und in der Biologischen Anstalt Helgoland erforscht. Ziel der Aquakultur-Studien ist die Anfertigung eines wissenschaftlichen Fundaments für die Zucht von marinen Organismen in der Deutschen Bucht unter dem Aspekt nachhaltiger und multifunktionaler Nutzung von Offshore-Gebieten und deren natürlichen Ressourcen. Unterstützt wird das AWI dabei von etwa 30 Partnern aus der Industrie sowie anderen Forschungsinstituten und universitären Einrichtungen. Abb. 3:Beispiel einer multifunktionalen Nutzung: Aquakulturinstallationen (Langleinen, Ringsysteme) untergetaucht in Verbindung mit den Pylonen und Gründungsstrukturen von Windenergieanlagen (Abb. aus Buck et al. [2004]). 1) Siehe hierzu auch die Homepage der AWI-Arbeitsgruppe „Marine Aquaculture, Maritime Technologies and ICZM“: http://www.awi.de/en/go/aquaculture Offshore-Windparks Untersuchungsreihen zur multifunktionalen Nutzung am AWI Die bisher hauptsächlich an Land und in Küstennähe gelegenen Nutzungsflächen für Windenergieanlagen sollen in den nächsten Jahren auf Offshore-Gebiete in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftzone ausgedehnt werden (Abb. 4 a-b). Eben dort und in Küstennähe befinden sich die Untersuchungsgebiete für mögliche Offshore-Aquakulturen. Testgebiete in der Deutschen Bucht sind Orte, in denen Windparks geplant sind, und Gebiete im Weserästuar, Bereiche um Helgoland und Areale im Rückseitenwatt der Insel Sylt. Abb. 4: Karten der deutschen Bucht mit den Testgebieten für marine Aquakulturen: (a) nördlich Niedersachsens und (b) westlich Schleswig-Holsteins (modifiziert nach Koch [2006]). 171 172 Offshore-Windparks Um das Konzept der Kombination von Aquakultursystemen und Windenergieanlagen auf die Machbarkeit und ihr wirtschaftliches Potential zu überprüfen führt das AWI vernetzte Projekte zu biologischen und technischen Voraussetzungen sowie zu dem bei der Durchführung erforderlichen integrierten Küstenzonen Management (IKZM) durch (Tab. 1, Abb. 5). Projekt Roter Sand (1) OffshoreAquakultur (1) Coastal Futures MytiMoney (2) (2) AquaInno 1 Inhalt AWI Offshore-Technologie und System-Design Senator für Bau, Umwelt und Verkehr (SBUV) der Stadt Bremen, AWI Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), AWI Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), AWI Senator für Bau, Umwelt und Verkehr (SBUV) der Stadt Bremen, AWI Senator für Bau, Umwelt und Verkehr (SBUV) der Stadt Bremen, AWI (2) Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI), AWI (3) 2 abgeschlossen, laufend, Projektenvorhaben. 3 Startphase, 4 Netzwerk AQ-Potential von Muscheln und Algen Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) Wirtschaftlichkeit Fitness & Gesundheit von Offshore-Muscheln, SiteSelection-Criteria Lasten und Kräfte durch Aquakulturkonstruktionen auf Windenergieanlagen, Zertifizierung, Modifizierung Entwicklung eines NearshoreKultursystems mit Wasseraufbereitung (Pond-inPond) Einordnung z. Zt. nicht möglich, 5 (5) AquaLast Förderer alle MytiFit (2) Ob diese neue Wirtschaftsform von den Fischern als Alternative für die Aufgabe des zuvor genutzten Fanggebietes angenommen wird, soll in enger Zusammenarbeit mit den Beteiligten geprüft werden. Dieses stellt einen weiteren entscheidenden Schwerpunkt eines Projektes - Coastal Futures - dar (K annen [2004]). neu (4) transdisziplinär zu allen Tab. 1: Liste der Projekte und bearbeitete Themenfelder Offshore Aquaculture Projekt MytiFit Projekt Roter Sand Projekt AuqaLast Projekt Abb. 5:AWI-Projekte zur Co-Nutzung von Offshore-Windparks für Marikulturen (modifiziert nach Fisch und Buck [2006], Buck et al. [2006]) Coastal Futures Projekt MytiMoney Projekt AquaInno Projekt Offshore-Windparks Als Aquakulturkomponente für die potentielle multifunktionale Nutzung der Offshore-Windparks wurde eine extensive Muschel- und Seetangzucht (Mytilus edulis und Laminaria saccharina) auf ihre Eignung geprüft und mit folgenden Schwerpunkten untersucht: 1. Einfluss der biotischen und abiotischen Faktoren auf das Wachstum von heimischen Algen und Muscheln an exponierten Standorten: a) Wirkung hydrodynamischer Effekte auf die Kulturorganismen, b) Wachstumsparameter, c) verschiedene Kulturtechniken, d) Unversehrtheit, e) Brutfall, f) Parasitierungsgrad und Fitness sowie g) Resonanz auf harsche Kulturbedingungen an verschiedenen Standorten. 2. Resistenz von Offshore-Techniken in Gebieten der deutschen Nordsee, die das Potential für marine Aquakultur aufweisen, sowie Kräfte, die auf Gründungsstrukturen einwirken. 3. Gesetzgebung im Sinne einer multifunktionalen Nutzung sowie Aufstellung einer Managementstrategie. 4. Sozioökonomische und rechtliche Konsequen­ zen von Offshore-Muschelzucht mit traditioneller Besatzmuschelfischerei sowie deren Interaktionen. In den laufenden Projekten wird somit die extensive Zucht von Miesmuscheln und Zuckertang (Mytilus edulis und Laminaria saccharina) hinsichtlich der oben genannten Schwerpunkte untersucht. Beide Arten kommen ganzjährig in der Nordsee vor, sie sind heimisch und gefährden daher nicht die Nordsee-Fauna und -Flora. Ein weiterer Vorteil dieser Organismen ist, dass sie nicht gefüttert werden müssen und so der Einsatz von umweltbelastenden zusätzlichen Nährstoffen und vor allem Antibiotika und Impfstoffen von vornherein ausgeschlossen ist. Algen entnehmen ihre Nährstoffe aus der Wassersäule. Sie werden somit oft zur Abwasserklärung z. B. in der Aquakultur (Chopin et al. [2001], Neori et al. [2004]) und der Industrie (Stirk and Staden [2000]) genutzt. Muscheln filtrieren Plankton und andere Schwebstoffe aus dem Wasser. Beide Kandidaten könnten der bei den regionalen Umweltbehörden durch intensive Fischzucht in Misskredit geratenen Marikultur eine neue Chance geben, indem durch die umweltfreundliche Erzeugung qualitativ hochwertiger Meeresprodukte eine größere Akzeptanz entgegengebracht wird. Grundsätzlich sollten keine nichtheimischen Arten in Erwägung gezogen werden, da dringend von einer möglichen Gefahr der Floren- und Faunenverfälschung gewarnt werden muss. Dieses betrifft ebenso diejenigen Organismen, die nicht das ganze Jahr über in der Nordsee vorkommen. Auch für Folgeprojekte sollten nur Kandidaten vorgeschlagen werden, die nicht gefüttert, geimpft oder anderwärtig medizinisch behandelt werden müssen. Nur so kann der Einfluss auf das Ökosystem Wattenmeer und die angrenzende Nordsee dezimiert werden. Die praktische Durchführung der Studien umfasst monatliche Probennahmen an verschiedenen Kultursystemen, an denen Miesmuscheln oder Zuckertang wachsen sowie Probennahmen in der Wassersäule. Die Proben werden bei Ausfahrten mit Forschungsschiffen (Heincke, Uthörn, Mya, Aade, Diker) und durch den Einsatz von Tauchern genommen. Probennahme/Inhalt Parameter Biologie I: Miesmuscheln Wachstum: Länge, Breite, Dicke, Gewicht Kultur: Ansiedlungerfolg, Abundanz von Miesmuschellarven in der Wassersäule Fitness: Konditionsindex, Fleischgehalt, Parasitierungsgrad (makro/mikro) Biologie II: Zuckertang Wachstum: Länge, Breite, Fläche Resistenz: Haftungskraft von Haptopheren, Bruchlast von Kauloiden Biochemie Nahrungsverfügbarkeit und -qualität durch Nährstoff-, Chlorophyll-, POC- und TON-Konzentrationen und C/N-Verhältnis Ozeanographie Strömungen, Wellen, Salinität, Temperatur, Licht Technik Langleinen, Offshore-Ringsysteme, Brutsammler, Lasten, Kollektoren IKZM Managementoptionen und - ansätze, Rechtssprechung Tab. 2: Probennahmen und Parameter 173 Offshore-Windparks An den Proben werden folgende Parameter untersucht: Morphologie (Länge, Breite, Dicke) und Gewicht von Muscheln und Algen, Konditionsindex, Fleischgehalt und Parasitierungsgrad von Miesmuscheln, die Abundanz von Miesmuschellarven in der Wassersäule und der Ansiedlungserfolg der Post-Larven an unterschiedlichen Kollektoren, die Haftungskraft von Haptopheren, die Bruchlast von Kauloiden und die Widerstandskraft des gesamten Thallus von L. saccharina gegenüber physikalischen Kräften. Zusätzlich werden biochemische Parameter (Nährstoff-, Chlorophyll-, POC- und TON-Konzentrationen sowie POC/TON Verhältnisse in der Wassersäule) bestimmt, um die Nahrungsverfügbarkeit und -qualität für Muscheln und die Nährstoffzusammensetzung für das Algenwachstum zu ermitteln (s. Tab.2). Die Kandidaten und Ihre Einsatzmöglichkeiten in der Aquakultur Die Konzentration von Miesmuschellarven verringert sich bei zunehmender Entfernung von der Küste und sorgt daher für einen geringen Ansiedlungserfolg im Offshore-Bereich (Buck [2004], Walter et al. [2007]). Dieses kann an den zahlreich im Offshore-Bereich verankerten Brutsammlern festgestellt werden. Das Wachstum wiederum erfolgt sehr schnell, was u. a. daran liegt, dass weniger Konkurrenz um Raum und Nahrung an den Brutsammlern stattfand (Buck [2007b]). Bei den Parasitierungsuntersuchungen zeigt sich des Weiteren, dass Muscheln an Brutsammlern im Offshore-Bereich nicht von Makroparasiten befallen und somit gesünder als ihre Artgenossen an küstennahen Standorten sind (Buck et al. [2005]) (Abb. 6). Die Untersuchungsergebnisse der Mikroparasiten stehen noch aus. Prevalence 174 100 % 75 Trematoda Mytilicola Polydora 50 25 0 inshore benthic intertidal inshore benthic subtidal inshore suspended offshore suspended Abb. 6:Parasitierungsgrad von Miesmuscheln in unterschiedlichen Habitaten (Buck et al. [2005]) Laminaria saccharina zeigte unterschiedlichen Längenzuwachs an untergetauchten Systemen im OffshoreBereich (Buck and Buchholz [2004]). Belastungs- und Zugkraftuntersuchungen an Haftkrallen, Kauloiden und Thalli ergaben, dass diese Algen den in exponierten Habitaten der Nordsee herrschenden Kräften gut widerstehen (Buck and Buchholz [2005]), wenn sie früh als Jungalge ins Meer gebracht werden. Positiv zeigte sich auch der Nährstoffgehalt in diesen Gebieten. Design der Kultursysteme und technische Machbarkeit Neben den Parametern, die direkt den zu kultivierenden Organismus betreffen, wurden auch technische Untersuchungen an unterschiedlichen Orten (küstennah und küstenfern) durchgeführt, um ein geeignetes Design für die Kultur von Muscheln und Algen zu finden. So wurden eine horizontal verspannte Langleine (Abb. 7) und ein freischwimmender Offshore-Ring (Abb. 8) in zwei Zuständen, schwimmend und untergetaucht, gestestet. Eine weitere Langleine und die daran hängenden Kollektoren wurden mit Unterwasser-Zuglastsensoren ausgestattet (Abb. 9), um Rückschlüsse auf die zu erwartenden Kräfte von voll besiedelten und erntereifen Muschelkollektoren auf die Gründungsstrukturen der Windenergieanlagen zu testen (Buck et al. [2006]). Im Hinblick auf eine mögliche Verknüpfung mit Marikulturinstallationen dienen die Ergebnisse aus dieser Studie der weiteren Entwicklung von Gründungsstrukturen, auf denen später die Windenergieanlagen gebaut werden. Mögliche Anknüpfungspunkte von Aquakulturkonstruktionen an den Pylonen bzw. Tripods der Offshore-Windmühlen werden modelliert und die nötigen Materialdicken berechnet (Abb. 10 a-b). Ferner wird ein drittes System, der Offshore-Brutsammler, getestet. Dieser sollte Aussagen über den Ansiedlungserfolg von Muschellarven im Offshore-Bereich zulassen. Zusätzlich werden verschiedene Kollektoren (Hartsubstrate) gestestet, die den rauen Bedingungen standhalten und gleichzeitig ein ausreichend gutes Substrat zur Ansiedlung der Larven zu bieten (Abb. 11 a-c). Der Erfolg der drei Offshore-Kultursysteme gestaltet sich unterschiedlich. Der Brutsammler und der Offshore-Ring konnten den Offshore-Kräften standhalten. Die Langleine hingegen wies einige Nachteile auf, die sich insbesondere auf die Materialeigenschaften, das Design und das Verfahren selbst bezogen. Die Kräftemessungen an der untergetauchten Langleine sind noch nicht abgeschlossen. Offshore-Windparks Abb. 7:Technik zur Kultivierung von Miesmuscheln (Mytilus edulis) und Zuckertang (Laminaria saccharina): untergetauchte Langleine aus unterschiedlichen Materialien wie (a) Leinenmaterial aus Polypropylen, (b) Leinenmaterial aus Stahl sowie segmentierte Bauweise, (c) Kupplungsstück, (d) eingespleisste Bojen-Kollektoren-Verbindung und (e) Bojen-Kollektoren-Verbindung über angeschraubte Plattenelemente (Buck [2007b]) Abb. 8:Offshore-Ring-Konstruktion zur Zucht von Zuckertang (Laminaria saccharina) und anderen Makroorganismen (Buck and Buchholz [2004], Foto: C. M. Buchholz) 175 Offshore-Windparks 176 Abb. 9:Untergetauchte Langleine mit Lastsensoren zur Messung der Kräfte, die aus Wellen und Strömung resultieren (Buck et al. [2006]) a) b) Abb. 10: Konstruktion eines statischen Modells eines Tripods (Windenergieanlage) mit möglichen Aufhängungspunkten einer Langleine (Buck et al. [2006]) und Assheuer [2007] (TKB) a) Abb. 11: b) Weitere Techniken und Konstruktionsdesign für Offshore-Kultivierungen von Miesmuscheln (Mytilus edulis): a) Offshore-Verankerung zum Test unterschiedlicher Brutsammler (Brenner et al. [2006]), b) Offshore-Brutkollektor zur Ansiedlung von Miesmuschellarven (Walter et al. [2007]) und c) Kollektoren aus unterschiedlichen Materialien für den Offshore-Test (Foto: D. Voss, AWI) c) Offshore-Windparks IKZM: Akzeptanz und Co-Management Um mögliche Folgen Rechtsprechung sowie Nutzern abschätzen zu dien zum Integrierten (IKZM) durchgeführt. der momentan geltenden die Interaktion mit anderen können, werden zudem StuKüstenzonen Management Die bisherige Gesetzgebung ist im Bereich der deutschen AWZ nicht direkt auf die Aquakultur anwendbar (Buck et al. [2003]) und stellt ein Schlüsselproblem für die Umsetzung einer multifunktionalen Nutzung dar. Bei grundsätzlicher Beteiligung aller potentiellen Nutzer der AWZ bietet sich jedoch genügend Spielraum, um dieses Defizit in der Rechtsprechung zu entkräften und ein Offshore-Co-Management aufzubauen (Buck et al. [2004]). Ob Offshore-Marikulturaktivitäten gewinnbringend sein können, kann hier nicht ausführlich beantwortet werden, da zunächst der Bau der Offshore-Windparks abgewartet werden muss. Die Vorstudie einer Firma für Unternehmensberatung zeigt jedoch auch hier ein wirtschaftliches Potential. Ein weiterer Folgeschritt ist die Prüfung, ob die Bereitstellung von größeren Mengen an marinen Nahrungsmitteln aus der Nordsee den vorhandenen Bedarf und die wachsenden Nachfrage decken kann. Für die Zucht von Miesmuscheln scheint neben einer großen Anzahl von Parametern nur die Besiedlungsdichte und der momentane Marktpreis die Kalkulation des BreakEvens zu bestimmen. Zukunft der Offshore Aquakultur in Deutschland Bevor private Investoren für den Bau und Betrieb einer Anlage gesucht werden, müssen neben den biologischen, technischen und wirtschaftlichen auch die sozialen Bedingungen geklärt werden. Dafür sollen weit reichende Voruntersuchungen nicht nur auf biologische und technische Aspekte beschränkt bleiben, sondern auch die lokalen Akteure und Interessensgruppen in ein solches Projektvorhaben aktiv mit einbezogen werden. Es sollen Partnerschaften zwischen den ansässigen Fischern, den Käfig- und Netzherstellern, den Aquakulturbauern, den Wissenschaftlern, den Ingenieuren und anderen Interessensgruppen aufgebaut werden. Dieses garantiert, dass sich Offshore-Technologien von Windenergie- und Aquakulturanlagen nicht unabhängig voneinander entwickeln. Ferner sollen in regelmäßigen Abstän- den Treffen und Workshops durchgeführt werden, um den aktuellen Wissensstand und die Erfahrungen auszutauschen. Eine aktive Partizipation der beteiligten Akteure schon in der Planungsphase garantiert eine langfristige Perspektive für eine kommerzielle und wissenschaftliche Nutzung. Gleichzeitig wird so schon im Vorfeld Konfliktpotential reduziert: z. B. zwischen Fischergruppen und Aquakulturbetreibern. Ausblick Die abgeschlossenen und laufenden Untersuchungen zur Aquakultur im Offshore-Bereich der Nordsee als Integration in Windparks zeigen das große Potential dieser neuen Branche. Probleme, angeführt durch die momentanen rechtlichen Rahmenbedingungen und die technische Realisierung, können in naher Zukunft gelöst werden. Im diesem Jahr ist mit dem Offshore-Windpark „North Hoyle“ an der Küste von Wales (UK) ein erster Versuch für eine Pilotfarm geplant. Erste Kontakte bestehen bereits und es ist ein gemeinsamer Entwurf für eine Förderung seitens der EU formuliert worden. Literatur Assheuer, J., 2007: Statische Modelle eines Tripods für Offshore-Windenergieanlagen und mögliche Lastfälle. Technologiekontor Bremerhaven (TKB), F & E Gesellschaft für die Nutzung regenerativer Energien mbH. Beveridge, M., 2004: Cage Aquaculture. Oxford: Blackwell Publishing, 376 pp. Brenner, M., Buck, B.H. and A. Koehler, 2006: New concept combines offshore wind farms, mussel cultivation. Global Aquaculture Advocate, 10, 1, 79-81. Buck, B.H., 2002: Open Ocean Aquaculture und Offshore-Windparks: Eine Machbarkeitsstudie über die multifunktionale Nutzung von Offshore-Windparks und Offshore-Marikultur im Raum Nordsee (Open Ocean Aquaculture and Offshore Wind farms: A feasibility study on the multifunctional use of offshore wind farms and open ocean aquaculture in the North Sea). Reports on Polar and Marine Research, 412, 252 pp. Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research, Bremerhaven. 177 178 Offshore-Windparks Buck, B.H., 2004: Farming in a High Energy Environment: Potentials and Constraints of Sustainable Offshore Aquaculture in the German Bight (North Sea). Dissertation, University of Bremen, 258 pp. Buck, B.H., 2007a: Muschel- und Algenzucht in Offshore-Windparks: Potentiale für eine nachhaltige Produktion aquatischer Lebensmittel? Arbeiten des Deutschen Fischereiverbandes (im Druck). Buck, B.H., 2007b: Experimental trials on the feasibility of offshore seed production of the mussel Mytilus edulis in the German Bight: Installation, technical requirements and environmental conditions. Helgoland Marine Research, DOI:10.1007/ s10152-006-0056-1. Buck, B.H., Krause, G., Rosenthal, H. and V. Smetacek, 2003: Aquaculture and Environmental Regulations: The German Situation within the North Sea. In: Kirchner, A. (Ed.). International Marine Environmental Law: Institutions, Implementation and Innovation. International Environmental. Kluwer: The Hague, Law and Policies Series of Kluwer Law International, 64, 211-229 pp. Buck, B.H. and C.M. Buchholz, 2004: The OffshoreRing: A new system design for the open ocean aquaculture of macroalgae. Journal of Applied Phycology, 16, 5, 355-368. Buck, B.H., Krause, G. and H. Rosenthal, 2004: Multifunctional Use, Environmental Regulations and the Prospect of Offshore Co-Management: Potential for and Constraints to Extensive Open Ocean Aquaculture Development within Wind Farms in Germany. Ocean & Coastal Management, 47, 95-122. Buck, B.H. and C.M. Buchholz, 2005: Response of offshore cultivated Laminaria saccharina to hydrodynamic forcing in the North Sea. Aquaculture, 250, 3/4, 674-691. Buck, B.H., Thieltges, D.W., Walter, U., Nehls, G, and H. Rosenthal, 2005: Inshore-offshore comparison of parasite infestation in Mytilus edulis: Implications for open ocean aquaculture. Journal of applied ichthyology, 21, 2,107-113. Buck, B.H., B erg -Pollack, A., A ssheuer, J., Zielin ski, O, and D. K assen, 2006: Technical Realization of Extensive Aquaculture Constructions in Offshore Wind Farms: Consideration of the Mechanical Loads, Proceedings of the 25th International Conference on Offshore Mechanics and Arctic Engineering, OMAE 2006 : presented at the 25th International Conference on Offshore Mechanics and Arctic Engineering, 4-9 June 2006, Hamburg, Germany / sponsored by Ocean, Offshore, and Arctic Engineerig, ASME. New York: American Society of Mechanical Engineers, 1-7 pp. Chopin T, Buschmann, A.H., Halling, C., Troell, M., K autsky, N., Neori, A., Kraemer, G.P., ZertucheGonzález, J.A., Yarish, C. and C. Neefus, 2001: Integrating Seaweeds into Marine Aquaculture Systems: A Key Toward Sustainability. Journal of Phycology, 37, 975-986. FAO, 2006: Fishery Information, Data and Statistics Unit. Aquaculture production: values 1984-2004. FISHSTAT Plus - Universal software for fishery statistical time series. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rome, Italy. Fisch, R. und B.H. Buck, 2006: Neues Aquakultursystem für das Meer made in Germany. Fischerblatt, 12, 13-16. Gace, L., 2006: The evolution of integrated off shore aquaculture platforms. Australian Aquaculture Conference 2006, Adelaide (Australia). August 2730, Adelaide Convention Centre, Adelaide, 1 pp. Hickman, R.W., 1992: Mussel Cultivation. In: Gosling, E. (ed.). The mussel Mytilus: Ecology, Physiology, Genetics and Culture. Development in Aquaculture and Fisheries Science, No. 25. Amsterdam: Elsevier, 465-510 pp. K annen, A., 2004: Holistic Systems Analysis for ICZM: The Coastal Futures Approach. Coastline Reports, 1, 177-181. Koch, A., 2006: Marine Aquakulturen im Nordseraum: Status, Probleme und Potentiale unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Bucht. Diplomarbeit, Universität Hannover, Institut für Physikalische Geographie und Landschaftsökologie, AWI, BSH. 120 pp. Naylor, R.L., Goldburg, R.J., Primavera, J.H., K autsky, N., Beveridge, M.C.M., Clay, J., Folke, C., Lubchenco. J., Mooney, H., and M.Troell, 2000: Effect of aquaculture on world fish supplies. Nature, 405, 1017-1024. Neori, A., Chopin, T., Troell, M., Buschmann, A.H., Kraemer, G.P., Halling, C., Shpigel, M., and C. Yarish, 2004: Integrated aquaculture: rationale, evolution and state of the art emphasizing seaweed biofiltration in modern mariculture. Aquaculture, 231, 361-391. Pauly, D., Christensen, V., Guénette, S., Pitcher, T.J., Sumaila, R.U., Walters, C.J., Watson, R., and D. Zeller, 2002: Towards sustainability in world fisheries. Nature, 418, 689-695. Roth, E., Ackefors, H., Asche, F., Balnath, C., and E. Black et al., 2002: An intellectual injustice to aquaculture development: a response to the review article on „Effect of aquaculture on world fish supplies“, Report of the ICES Working Group on Environmental Interactions of Mariculture, F:04 REF ACME, Annex 4 (Stellungnahme zu dem Artikel von Naylor et al. 2000), 83-89. Offshore-Windparks Ryan, J., 2005: Offshore Aquaculture - Do we need it, and why is it taking so long? International Salmon Farmers Association (Ireland). Expert workshop on “Sustainable Aquaculture”, DG JRC European Commission, Institute for Prospective Technological Studies, 17th-18th January 2005, Seville (Spain). Stirk, W.A. and J. van Staden, 2000: Removal of Heavy Metals from Solution Using Dried Brown Seaweed Material. Bot. mar., 43, 5, 467-473. Walter, U., Buck, B.H. and G. Liebezeit, 2007: Larval occurrence and settlement in the German Bight: A trial to estimate potentials for Mytilus edulis culture in offshore areas. Aquaculture international, (in review). Anschrift des Verfassers: Dr. Bela Hieronymus Buck Stiftung Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft (AWI) Am Handelshafen 12 27570 Bremerhaven Ward, L.G., Grizzle, R.E., Bub, F.L., L angan, R., Schnaittacher, G., and J. Dijkstra, 2001: New Hampshire Open Ocean Aquaculture Demonstration Project. Site Description and Environmental Monitoring Report on Activities from Fall 1997 to Winter 2000. University of New Hampshire, Jackson Estuarine Laboratory, Durham, New Hampshire. Wirtz, K.W., Tol, R.S.J. und K.G. Hooss, 2003: Mythos “Offene See”: Nutzungskonflikte im Meeresraum. In: Lozan, L. et al. (eds.): Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer. Eine aktuelle Umweltbilanz. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 157-160. 179