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Allergien und Asthma bei Kindern und Jugendlichen, das
online-Buch
17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17. Alternative Diagnose- und
Behandlungsmethoden
17.1 Schulmedizin, Naturmedizin oder Alternativmedizin?
17.2 Anspruch und Wirklichkeit "alternativer" Methoden
17.3 Auch "alternative" Methoden müssen sich einem Wirksamkeits- und
Unbedenklichkeitsnachweis stellen
17.4 "Alternative" Methoden können auch Gefahren in sich bergen
17.5 Welche Methode ist wie einzuschätzen?
17.6 Untaugliche Methoden
17.7 Verfahren ohne bewiesene Wirkung
17.8 Sinnvolle ergänzende Heilmethoden
17.9 Das sollten Sie beachten
17.10Zusammenfassung
Erkrankungen wie Allergien, Neurodermitis und Asthma bronchiale sind chronische und
schubweise verlaufende Erkrankungen, die zu starken Belastungen führen und nicht in
kurzer Zeit geheilt werden können. Es ist verständlich, dass Eltern alles unternehmen
wollen, ihrem Kind zu helfen und sich neben der wissenschaftlichen Medizin auch nach
alternativen Heilmethoden umsehen. Für Sie als Eltern ist es meist schwierig, "alternative" Methoden zu beurteilen. Dieses Kapitel will Ihnen daher einige Denkanstöße und
Informationen zu diesem Thema liefern.
17.1 Schulmedizin, Naturmedizin oder Alternativmedizin?
Naturwissenschaftliche Medizin und Naturheilkunde entspringen dem Wunsch, möglichst
nebenwirkungsfrei zu heilen, die Rätsel von Gesundheit und Krankheit zu ergründen und
der Erfahrung, dass bestimmte Methoden Erfolg versprechender sind als andere. Die
Schulmedizin wendet Methoden an, deren Wirksamkeit und mögliche Risiken und Nebenwirkungen mit anerkannten wissenschaftlichen Verfahren überprüft wurden. Eine Heilmethode gilt dann als wirksam, wenn der Erfolg nicht nur bei einem bestimmten Menschen eintritt, sondern bei möglichst vielen Patienten überprüfbar und wiederholbar ist.
Für solche Prüfungen haben sich internationale Standards etabliert. Die klassischen Naturheilverfahren verwenden natürliche Mittel, die sich seit langem bewährt haben und
deren Wirksamkeit von der wissenschaftlichen Medizin anerkannt ist. Eine ganze Reihe
klassischer Naturheilverfahren steht daher nicht im Gegensatz zur Schulmedizin, sondern
ist in sie integriert. So genannte alternative und unkonventionelle Verfahren bedienen
sich hingegen Methoden, die auf eigenständigen Theoriesystemen beruhen, die von der
naturwissenschaftlichen Medizin abweichen.
17.2 Anspruch und Wirklichkeit "alternativer" Methoden
Die Anbieter alternativer Methoden liefern oft eine einfache Erklärung für viele Erkrankungen und versprechen eine schnelle und endgültige Heilung. Im Gegensatz dazu
deckt die wissenschaftliche Medizin beispielsweise bei der Neurodermitis immer komplexere Ursachengefüge auf. Die Versuchung, sich mit einfacheren Erklärungen zufrieden zu
geben, liegt nahe. Nicht alles, was das Etikett natürlich trägt, ist auch harmlos und gesund. Man bedenke nur, dass die meisten Allergieauslöser wie Pollen, Nahrungsmittel
oder Insektengift keine künstlichen, sondern natürliche Stoffe sind.
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
Seite 17-1
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17.3 Auch "alternative" Methoden müssen sich einem Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis stellen
Eine neue Diagnosemethode muss sich an bewährten diagnostischen Verfahren messen
lassen. Eine neue Behandlungsmethode muss in vergleichenden Untersuchungen wirksamer sein als ein Placebo (= ein Medikament, das keinen Wirkstoff enthält). Auch mögliche Nebenwirkungen müssen dokumentiert werden.
Viele alternative und unkonventionelle Methoden wurden in den letzten Jahren gründlich
überprüft. Für manche dieser Verfahren fehlen Vergleichsuntersuchungen. Eine Reihe
dieser Methoden hat sich in kontrollierten Studien als nicht sinnvoll erwiesen. Sie werden
jedoch weiterhin angewendet und kosten mitunter viel Geld.
Die alleinige subjektive Wirkungseinschätzung ("nach meiner Erfahrung hilft das gut") ist
kein ausreichender Wirksamkeitsnachweis. Dies gilt insbesondere für Erkrankungen wie
den Heuschnupfen oder die Neurodermitis. Der Heuschnupfen kann bei jedem Einzelnen
von Jahr zu Jahr unterschiedlich stark verlaufen, da die Pollendichte in jedem Jahr unterschiedlich ist. Auch die Neurodermitis zeigt in ihrem Verlauf deutliche Schwankungen
und hat zudem die Neigung, sich im Laufe der Zeit abzuschwächen. Diese natürlichen
Verläufe einer Erkrankung dürfen nicht von vorne herein mit der Wirksamkeit einer Behandlungsmethode gleichgesetzt werden.
17.4 "Alternative" Methoden können auch Gefahren in sich
bergen
Man hört oft das Argument, die Anwendung alternativer Methoden könnte ja zumindest
nicht schaden. Auch dies gilt nur mit Einschränkungen:
•
Die richtige Diagnose kann verzögert und eine wirksame Behandlung versäumt werden.
•
Im günstigsten Fall ist eine alternative Methode harmlos aber ohne Wirkung. Der
eigenmächtige Abbruch einer laufenden Therapie ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zugunsten einer alternativen Therapie kann jedoch z.B. bei einem Kind
mit Asthma bronchiale bedrohliche Konsequenzen haben.
•
Alternative Methoden zur Allergiediagnostik neigen dazu, fälschlicherweise zu viele
und gar nicht vorhandene Allergien zu diagnostizieren. Diese werden dann angeblich
rasch und natürlich wieder geheilt. Oder das Kind wird bei angeblichen Nahrungsmittelallergien gewaltigen, sinnlosen Ernährungseinschränkungen bis hin zur Mangelernährung unterworfen.
•
Auch alternative Medikamente sind nicht grundsätzlich harmlos. Bei manchen
alternativen Medikamenten sind die Inhaltsstoffe unzureichend deklariert. So war in
einer Untersuchung jedes fünfte Ayurveda-Arzneimittel mit zum Teil hohen Konzentrationen an Schwermetallen wie Blei, Quecksilber und Arsen belastet. Viele homöopathische Medikamente enthalten 40%igen Alkohol, der zur Gewinnung von Pflanzenauszügen verwendet wird. Eine Verabreichung von Alkohol an Säuglinge und Kinder
auch in kleinen Mengen ist grundsätzlich problematisch.
•
Bestimmte Methoden können unkontrollierte Immunreaktionen im Körper auslösen.
Dies ist bei allergischen Erkrankungen, bei denen das Immunsystem sowieso bereits
überschießend reagiert, besonders bedenklich. Beispiele sind die Therapie mit Frischzellen oder die Injektion von Eigenurin.
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
Seite 17-2
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17.5 Welche Methode ist wie einzuschätzen?
Man sollte bei der Suche nach alternativen und unkonventionellen Diagnose- oder Heilmethoden kritisch vorgehen und den gesunden Menschenverstand nicht ganz ausschalten, sonst könnte die einzige Wirkung nur ein leerer Geldbeutel sein. Tabelle 17-1
zeigt Beispiele naturheilkundlicher, alternativer und unkonventioneller Methoden mit der
Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Das Spektrum reicht von als wirksam anerkannt bis potentiell gefährlich und daher abzulehnen.
Tabelle 17-1: Beispiele anerkannter Naturheilverfahren sowie alternativer und unkonventioneller Methoden (in Anlehnung an Niggemann und Grüber)
•
•
•
•
•
•
•
als wirksam anerkannte Naturheilverfahren
Wärme- und Kältetherapie (z.B. Kneipptherapie)
in bestimmten Fällen wirksam, aber nicht prinzipiell nebenwirkungsfrei
Phytotherapie (Pflanzenheilkunde)
möglicherweise wirksam als ergänzende Methode
Yoga
möglicherweise wirksam, jedoch konventionellen Methoden unterlegen
Akupunktur bei Asthma bronchiale
niemals wirklich als effektiv bewiesen
Homöopathie
Bachblütentherapie
erwiesenermaßen wirkungslos bzw. als Diagnosemethode untauglich
Bioresonanz
Elektroakupunktur nach Voll
Kinesiologie
Irisdiagnostik
Haarmineralstoffanalyse
IgG-Antikörper auf Nahrungsmittel
"zytotoxischer" Lebensmitteltest
Pendeln
Wünschelrute
potentiell gefährlich
Frischzelltherapie
Eigenbluttherapie
Eigenurintherapie
17.6 Untaugliche Methoden
17.6.1 Bioresonanz
Die Bioresonanz geht von der Theorie aus, dass der Mensch ein ultrafeines elektromagnetisches Schwingungsmuster abstrahle, das auch Allergien anzeige. Diese Schwingungen könnten mit einem speziellen Gerät gemessen werden. Das Gerät wandle dann
schlechte Schwingungen ins exakte Spiegelbild um und gebe sie dem Körper wieder zurück, die Allergie werde dadurch "gelöscht". Studien an den Universitäten Innsbruck und
Wien sowie eine Studie in Davos an Neurodermitispatienten konnten die behaupteten
Wirkungen in keiner Weise nachvollziehen.
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
Seite 17-3
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17.6.2 Elektroakupunktur nach Voll (EAV)
Bei der EAV wird der elektrische Hautwiderstand an verschiedenen Punkten des Körpers
gemessen. Aus den gemessenen Hautwiderständen werden Rückschlüsse auf "veränderte
Energieflüsse" im Körper und damit verschiedene Erkrankungen gezogen. Auch Medikamente, die z.B. in einer Glasampulle in die Hand genommen werden, werden mit dieser
Methode ausgetestet. Die Elektroakupunktur nach Voll hielt konkreten Überprüfungen
nicht stand.
17.6.3 Kinesiologie
Der Behandler überprüft die Anspannung von bestimmten Muskeln und zieht daraus
Rückschlüsse auf erkrankte Organe, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder fehlende
Spurenelemente. Auch die Wirkung verabreichter Medikamente wird auf diese Art und
Weise ausgetestet. Kontrollierte Studien konnten die von den Anhängern dieser Methode
gemachten Behauptungen nicht nachvollziehen.
17.6.4 Irisdiagnostik
Die Irisdiagnostik beruht auf der Vorstellung, dass das Auge der Spiegel der Seele und
auch des Körpers sei. Durch Betrachtung der Iris (= Regenbogenhaut) könne so auf die
Konstitution, erbliche Belastung und Neigung zu bestimmten Erkrankungen geschlossen
werden. Überprüfungen der diagnostischen Aussagekraft dieser Methode verliefen völlig
enttäuschend.
17.6.5 Haarmineralstoffanalyse
Die Haaranalyse kann zur Bestimmung von Schwermetallen bei Verdacht auf eine Vergiftung oder zum Nachweis von Drogen sinnvoll sein. Zum Nachweis von Allergien oder
Mineralstoffmangelzuständen ist diese Methode jedoch nicht geeignet. Haarproben von
verschiedenen Personen wurden an mehrere Institute zur Analyse geschickt. Die Ergebnisse und deren Interpretation unterschieden sich beträchtlich von Labor zu Labor.
17.6.6 IgG-Antikörper auf Nahrungsmittel
Spezifische Antikörper vom IgG-Typ gegen Nahrungsmittel finden sich sehr häufig bei
Personen, die überhaupt keine Zeichen einer Nahrungsmittelallergie aufweisen. Sie sind
daher zur Diagnose einer Nahrungsmittelallergie wertlos. Hingegen ist der Nachweis von
IgE-Antikörpern im Haut- oder Bluttest ein wichtiger Hinweis auf eine Allergie vom Soforttyp. Die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie muss jedoch durch einen Auslass- und
Provokationstest bestätigt werden.
17.6.7 Zytotoxischer Lebensmitteltest
Leukozyten (= weiße Blutkörperchen) des Patienten werden im Labor mit dem vermuteten Allergieauslöser in Kontakt gebracht. Unter dem Mikroskop wird beobachtet, ob Veränderungen an den Leukozyten auftreten und daraus auf eine mögliche Allergie geschlossen. Überprüfungen haben gezeigt, dass mit dieser Methode keine zuverlässigen Befunde
erhoben werden können.
17.6.8 Pendeln, Wünschelrute
In keiner kontrollierten Untersuchung gelang es Pendlern, sichere Diagnosen zu stellen
oder Wünschrutengängern, angebliche "Erdstrahlen" nachzuweisen.
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
Seite 17-4
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17.7 Verfahren ohne bewiesene Wirkung
17.7.1 Homöopathie
Die Homöopathie wurde von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) Anfang des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen und war bereits zu Hahnemanns Zeit heftig
umstritten.
Prinzipien
•
Die Homöopathie geht davon aus, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden kann
(Ähnlichkeitsregel, Simileprinzip). Dies bedeutet, dass eine Substanz, die bei einer
gesunden Versuchsperson bestimmte Krankheitssymptome hervorruft (sog. Arzneimittelbild), bei einer erkrankten Person ähnliche Krankheitserscheinungen zum Verschwinden bringen soll. Wird bei einer bestimmten Erkrankung das passende Arzneimittel verabreicht, so löse dieses eine zweite, arzneimittelbedingte Erkrankung aus,
welche die erste auslösche.
•
Ein zweites Merkmal der Homöopathie ist die Verwendung von starken Verdünnungen
("Potenzen") in Form von Tropfen oder Streukügelchen (Globuli). Die Ursubstanzen
werden zu diesem Zwecke unter Schütteln verdünnt (in der Sprache der Homöopathie
"potenziert"), was ihre Wirkung steigern soll. D 1 bedeutet eine Verdünnung von
1:10, D 2 von 1:100, C 1 von 1:100, C 2 von 1:10 000 usw.. Bis zu einer Verdünnung von etwa 1:1 Million (D 6) kann die Arzneimittelwirkung einer Substanz wissenschaftlich erklärt werden. Ab einer Verdünnung von 1:24 Millionen (D 24 bzw. C 12)
kann allerdings im Arzneimittel kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr
enthalten sein. Die Homöopathie nimmt nun an, dass durch das Potenzieren "Energie"
auf die Trägersubstanz (z.B. Alkohol, Milchzucker) übergehe und so die Wirkung homöopathischer Medikamente zu erklären sei.
Kritik
Kritiker der Homöopathie führen vor allem folgende Kritikpunkte an:
•
Die theoretischen Grundlagen der Homöopathie sind mit wissenschaftlichen Methoden
nicht nachvollziehbar. Das Gedankengebäude der Homöopathie wurde in den letzten
200 Jahren in keiner Weise dem enormen Erkenntniszuwachs der Medizin angepasst.
Eine Arzneimittelwirkung ist bei den hohen Verdünnungen nicht erklärbar. In einer
Hochpotenz sind z.B. mehr Moleküle aus der Wand des Glasbehälters, in dem geschüttelt wird, enthalten als vom Ausgangsstoff – die Glasmoleküle sollen allerdings
nach der Lehre der Homöopathie keine Wirkung entfalten.
•
Auch 200 Jahre nach ihrer Einführung hat die Homöopathie keinen Wirksamkeitsnachweis nach wissenschaftlichen Kriterien liefern können. Studien, welche die Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen sollen, sind meist von unbefriedigender Qualität. Je
höherwertig eine Untersuchung ist, desto weniger Effekte konnten gezeigt werden.
Beispielsweise wurde eine von der Karl und Veronika Carstens-Stiftung initiierte Studie zur homöopathischen Behandlung der Neurodermitis nach 4 Jahren vorzeitig abgebrochen, da sich kein Behandlungserfolg gezeigt hatte. Die Wirkung homöopathischer Medikamente geht in den meisten Untersuchungen nicht über die eines Placebos (= Medikament ohne Wirkstoff, Scheinmedikament) hinaus, das heißt der Glaube
an die Wirksamkeit des Medikaments, auch vermittelt durch die Zeit und Zuwendung
des Verordners, spielt offenbar eine ausschlaggebende Rolle.
•
Homöopathische Mittel ab D 4 müssen nicht wie die anderen Arzneimittel ihre Wirkung, Nebenwirkungen und Unbedenklichkeit nachweisen und zugelassen werden. Sie
erhalten daher auch keine Zulassungs- sondern nur eine Registriernummer.
•
Die Homöopathie bietet für alle möglichen - vor allem leichte - Störungen ein entsprechendes Mittel an. Dies kann die Neigung fördern, auch bei geringfügigen Beschwer-
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
den sofort zum Medikament als Hilfe von außen zu greifen, anstatt auf die Selbstheilungskräfte des Körpers zu bauen und diese aktiv zu unterstützen.
Beurteilung
Eine spezifische Wirksamkeit der Homöopathie, die über die eines Scheinmedikaments
hinausgeht, konnte nicht nachgewiesen werden. Bei der Verwendung von starken Verdünnungen (sog. Hochpotenzen) sind keine Nebenwirkungen zu erwarten. Bei geringen
Verdünnungen (sog. Niedrigpotenzen) können durchaus Vergiftungen oder allergische
Reaktionen auftreten.
Homöopathische Mischpräparate ("Komplexmittel") haben mit der Lehre Hahnemanns,
der immer individuelle Einzelmittel verordnete, nicht mehr viel zu tun. Einen homöopathischen Cocktail, der allen hilft, kann es nach der Theorie der klassischen Homöopathie
nicht geben.
Die Homöopathie hat auch nichts mit der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) zu tun, bei
der Pflanzeninhaltsstoffe mit pharmakologisch nachweisbarer Wirkung (z.B. Gerbstoffe
aus Eichenrinde oder Schwarztee) therapeutisch genutzt werden.
17.7.2 Schüßler-Salze
Prinzipien
Nach der Meinung von Wilhelm Schüßler (1821-1898) ist ein Mensch dann gesund, wenn
seine Zellen ausreichend mit Mineralstoffen versorgt sind und sich deren Moleküle ungehindert bewegen können. Der Mensch erkrankt dann, wenn die Zellen bei der Abwehr
krankmachender Reize Mineralstoffe verlieren und sich die verbliebenen Moleküle nicht
mehr richtig bewegen können. Alle Erkrankungen werden durch eine Entzündung erklärt
und in 3 verschiedene Entzündungsstadien eingeteilt. Behandelt wird nach der Zuordnung zum Entzündungsstadium und der Bestimmung der Konstitution des Patienten mit
anorganischen Salzen, die nach dem Verfahren der Homöopathie zu D 3, D 6 und D 12
potenziert werden.
Beurteilung
Die Erklärungsversuche Schüßlers zur Entstehung von Krankheiten sind mit der heutigen
wissenschaftlichen Medizin nicht in Einklang zu bringen. Mineralsalze sind wichtig für
viele Abläufe im Organismus, jedoch lassen sich bei weitem nicht alle Erkrankungen
durch einen Mineralstoffmangel erklären. Auch sind viele Erkrankungen nicht durch eine
Entzündung bedingt. Wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise der Behandlungsmethode
liegen nicht vor. Zu beachten ist, dass zwischen niedrig verdünnten Schüßler-Salzen von
1:1000 (D 3) und anderen Medikamenten Wechselwirkungen auftreten können.
17.7.3 Bachblüten
Prinzipien
Für Edward Bach (1886-1936) war Krankheit "das Ergebnis eines Konflikts zwischen höherem Selbst und Persönlichkeit". 38 negative Seelenzustände sollen sich in präzisen
Beschwerden äußern und durch Einnahme von 38 speziellen Blütenextrakten gebessert
werden. Daneben soll eine fixe Kombination von 5 Blütenkonzentraten als "Notfalltropfen" dienen. Damit könne das nahezu gesamte medizinische Spektrum von Krankheiten
und Störungen behandelt werden.
Beurteilung
Bachs Krankheitsverständnis ist mit der modernen Psychologie und Medizin nicht vereinbar. Ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis dieser Behandlungsmethode liegt nicht
vor.
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17.7.4 Schlussfolgerung
Für die Homöopathie, Schüßler-Salze und Bachblüten gibt es keine Wirksamkeitsnachweise, die über die Wirkung eines Scheinmedikaments hinausgehen. Wollen Sie dennoch
zu diesen Methoden greifen, sollten Sie folgendes beachten:
•
Eine wirksamere Behandlung darf nicht versäumt oder abgesetzt werden. Dies gilt vor
allem für schwere und akute Erkrankungen.
•
Bei wenig verdünnten Schwermetallen, anorganischen Salzen oder Giftpflanzen (sog.
Niedrigpotenzen) sind Vergiftungen oder allergische Reaktionen möglich.
•
Vorsicht ist geboten bei der Verabreichung von alkoholhaltigen Medikamenten an Kinder und Schwangere.
17.8 Sinnvolle ergänzende Heilmethoden
Neben einer Vielzahl alternativer Verfahren, die sich nicht als hilfreich erwiesen haben,
gibt es eine ganze Reihe von natürlichen Heilmethoden, welche als wirksam anerkannt
sind und nicht im Widerspruch zur wissenschaftlichen Medizin stehen, sondern in sie integriert wurden. Einige Verfahren wie die Atemtherapie oder Entspannungsverfahren
beim Asthma bronchiale sind wichtige und feste Bestandteile der wissenschaftlichen Medizin geworden. Andere Methoden können unterstützend zur schulmedizinischen Behandlung eingesetzt werden.
17.8.1 Gesunde Lebensführung
Eine gesunde Lebensführung im weitesten Sinne mit einer ausgewogenen Ernähung, viel
körperlicher Bewegung, ausreichenden Erholungsphasen usw. ist ein wichtiger Baustein
sowohl einer ganzen Reihe naturheilkundlicher Verfahren (dort auch als Ordnungstherapie bezeichnet, z.B. in der Kneipp-Therapie) wie auch der Schulmedizin. Die genannten
Maßnahmen sind ganz allgemein zur Vorbeugung, Behandlung und Rehabilitation verschiedenster Erkrankungen sinnvoll. Ihre Bedeutung wurde von der wissenschaftlichen
Medizin nachgewiesen.
17.8.2 Physiotherapie
Die Physiotherapie ist ein fester Bestandteil in der Asthmabehandlung geworden. Mit der
krankengymnastischen Atemtherapie können eine sinnvolle Atemtechnik erlernt, Schleim
in den Bronchien mobilisiert, Muskelverspannungen gelockert und die Beweglichkeit des
Brustkorbs verbessert werden.
17.8.3 Wärme- und Kältetherapie
Wärme erweitert die Blutgefäße und führt zu einer Muskelentspannung. Ein warmer
Brustwickel kann so bronchialentkrampfend und schleimfördernd wirken. Ein kurzer Kältereiz verengt die Blutgefäße, die Muskeln spannen sich an. Nach Abklingen des Kältereizes erweitern sich die Blutgefäße und die Muskeln entspannen sich wieder. Die Blutgefäße und das vegetative Nervensystem werden durch die abwechselnde Anwendung von
Wärme- und Kältereizen in der Kneipp-Therapie (z.B. durch kalt/warme Wechselduschen
oder Fußbäder) trainiert. So kann beispielsweise die Blutdruckregulation verbessert werden. Bei der Neurodermitis erhöht kaltes Abduschen die körpereigene Kortisonproduktion und kann zur Stabilisierung des Hautzustandes unterstützend eingesetzt werden.
17.8.4 Entspannungsverfahren
Entspannungstechniken wie das autogene Training und die progressive Muskelentspannung nach Jacobson sind in ihrer Wirksamkeit erprobt. Sie werden sowohl bei der Neurodermitis als auch beim Asthma bronchiale sinnvoll als begleitende Therapie eingesetzt.
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
Auch für Yoga, das für Kinder allerdings weniger geeignet ist, gibt es Hinweise auf eine
therapeutische Wirksamkeit bei Asthma und Stresszuständen.
17.8.5 Phytotherapie (Pflanzenheilkunde)
Die wissenschaftliche Phytotherapie setzt pflanzliche Wirkstoffen in pharmakologisch
wirksamer Dosis ein (nicht zu verwechseln mit der Homöopathie, welche mit zum Teil
extrem hohen Verdünnungen arbeitet). Eine ganze Reihe wertvoller Medikamente wurde
ursprünglich aus Pflanzen gewonnen und entweder direkt als Pflanzenauszug verwendet
oder durch chemische Abwandlungen noch in der Wirksamkeit gesteigert. Viele, jedoch
bei weitem nicht alle von der Volksmedizin überlieferte Wirkungen konnten bestätigt
werden. Allerdings wurden auch ernsthafte Nebenwirkungen entdeckt. Für die Allergologie ist beispielsweise die allergieauslösende Wirkung bestimmter Kamillearten (insbesondere der Hundskamille) und ätherischer Öle von Bedeutung. Pflanzliche Medikamente
können bei verschiedenen, vor allem leichteren Erkrankungen durchaus sinnvoll eingesetzt werden. Jedoch nicht alle Krankheiten lassen sich ausschließlich mit pflanzlichen
Medikamenten behandeln. In der Neurodermitisbehandlung werden beispielsweise bei
nässenden Ekzemen Gerbstoffe aus Schwarztee oder Eichenrinde eingesetzt.
17.9 Das sollten Sie beachten
Bewerten Sie jede Methode – ob schulmedizinisch oder alternativ - mit dem selben
kritischen Maßstab.
Vermeiden Sie Ideologien und setzen Sie stattdessen den gesunden Menschenverstand ein.
Gehen Sie systematisch und nicht nach Versuch und Irrtum vor: testen Sie z.B. zwei
verschiedene Basispflegecremes parallel für einige Tage am rechten bzw. linken Arm
anstatt sie durcheinander und nacheinander auszuprobieren.
Lernen Sie zu akzeptieren, dass sich nicht
Krankheitszustandes eine Erklärung finden lässt.
Oft ist es besser, nach Rücksprache mit dem Arzt leichte Restsymptome zu tolerieren
anstatt zusätzlich weitere unbewiesene Therapiemethoden anzuwenden.
Besonders kritisch sollten Sie sein, wenn eine Methode nur von wenigen Behandlern
angewendet wird, Sie sich ganz schnell und ohne ausführliche Beratung für eine unter
Umständen teure Therapie entscheiden sollen, ein 100%iger Erfolg ohne Nebenwirkungen versprochen wird oder Sie aufgefordert werden, alle anderen laufenden Therapien abzubrechen.
Sprechen Sie Ihren Kinder- und Jugendarzt an. Er kann Ihnen sagen, ob eine bestimmte Methode überhaupt sinnvoll ist, ob Sie eine geplante Behandlung gefahrlos
neben der bisherigen Therapie einsetzen können, ob unerwünschte Wirkungen auftreten können oder ob von der Anwendung gar ganz abzuraten ist. Grundsätzlich wird
Ihr Kinder- und Jugendarzt versuchen, eine allergische Erkrankung, ein Asthma bronchiale oder eine Neurodermitis mit einem möglichst milden Mittel zu behandeln, wenn
es das Krankheitsstadium erlaubt.
Vertrauen Sie nicht nur auf Behandlungsmethoden und Medikamente, die eine
problemlose und schnelle Hilfe von außen versprechen. Je aktiver Ihr Kind und Sie
sich an der Behandlung beteiligen (z.B. konsequente auf den Hautzustand abgestimmte Basispflege bei Neurodermitis, Anwendung des Asthma-Notfallplanes), desto
größer wird der Erfolg sein.
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
immer
für
jede
Änderung
des
Seite 17-8
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17. Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden
17.10
Zusammenfassung
Der oft chronische Verlauf allergischer Erkrankungen weckt in vielen Eltern den Wunsch
nach "alternativen" Diagnose- und Behandlungsmethoden. Jedoch auch für diese
Methoden gilt, dass sie ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit unter Beweis stellen müssen. Viele "alternative" Verfahren sind in der Zwischenzeit gründlich untersucht worden,
für viele konnte kein überzeugender Wirksamkeitsnachweis geliefert werden. Bewerten
Sie jede Methode – ob schulmedizinisch oder alternativ - mit dem selben kritischen Maßstab.
Sinnvoll eingesetzt werden können Entspannungstechniken, die Physiotherapie, die
Wärme- und Kältetherapie, und bei leichteren Erkrankungen die Phytotherapie (Therapie
mit Pflanzeninhaltsstoffen). Vorbeugend und stabilisierend wirken eine gesunde Lebensführung, regelmäßiges körperliches Training und die Sauna.
Literatur:
Die Andere Medizin. "Alternative" Heilmethoden für Sie bewertet. Stiftung Warentest
2006
© Dr. P. J. Fischer – pina 8/2002 – 3/2007
Seite 17-9
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