Artikel in Praktische Augenheilkunde

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Stenose hirnversorgender Arterien –
Diagnose mit der Kontaktglas-Dynamometrie
(Stenosis in cerebroafferent arteries –
diagnose with the aid of contact lens dynamometry)
B. Löw1, R. Stodtmeister2, R. Gard3
Zusammenfassung: Mit der Kontaktglas-Dynamometrie lässt sich der Ophthalmikablutdruck
messen. 5 Patienten mit Sehstörungen, bei denen die neurologische Untersuchung und in vier
Fällen die Ultraschalluntersuchung keinen Anhalt für eine Stenose hirnversorgender Arterien
ergeben hatten, wiesen Druckdifferenzen des diastolischen Ophthalmikadrucks von mehr als 20
mm Hg auf. Daraufhin veranlasste eingehende internistisch-angiologische Nachuntersuchungen
führten in allen 5 Fällen zum Nachweis hämodynamisch bedeutsamer Stenosen hirnversorgender
Arterien.
Z. prakt. Augenheilkd. 25: #-# (2004)
Summary: With the aid of contact lens dynamometry, the pressure in the ophthalmic artery can
be measured. Five patients with vision disorders, on whom neither a neurological examination
nor - in four cases - an ultrasound test had provided any clues pointing to stenosis in
cerebroafferent arteries, were shown to have differences of more than 20 mm Hg in the diastolic
pressure in their ophthalmic artery. Subsequently, in thorough internistic-angiological follow-up
examinations, haemodynamically significant stenoses in cerebroafferent arteries were shown to
exist in all five cases.
Z. prakt. Augenheilkd. 25: #-# (2004)
Die Ophthalmodynamometrie ist eine relativ alte Untersuchungsmethode, die eine
Blutdruckmessung an den Gefäßen des Auges ermöglicht. Bereits 1917 hat Bailliart [1] den
Augeninnendruck mit einem Federstempel erhöht und dabei die Papille durch ein
Ophthalmoskop beobachtet. Die Aussagekraft der Methode war jedoch durch die zugrunde
liegende Technik eingeschränkt und es gab Probleme bei der Impression des Bulbus oder beim
Beobachten des Sehnervenkopfes.
1976 stellte Yablonsky [2] ein Gerät vor, bei dem erstmals ein handelsübliches Kontaktglas zur
Anwendung kam. Hierbei hielt der Untersucher jedoch nicht das Kontaktglas selbst, sondern die
Kraftmessvorrichtung in der Hand.
Bei der Ophthalmodynamometrie werden die Pulsationsphänomene der A. centralis retinae unter
künstlicher Erhöhung des Augeninnendrucks beurteilt. Heute setzen nur wenige Augenärzte
diese anerkannte Methode ein, da die Druckerhöhung mit dem Federstempelinstrument zwei
Untersucher erfordert und die Druckerhöhung mit dem Saugnapf umständlich ist oder gefährlich
erscheint [3-7]. Zudem stützen sich die Gefäßchirurgen heute bei der Indikationsstellung für
Operationen in erster Linie auf die Ergebnisse bildgebender Verfahren oder der
Ultraschalldiagnostik. [7, 8].
1
Augenarzt, Völklingen
Augenarzt, Pirmasens
3
Internist, Angiologe, Wadern
2
Ophthalmodynamometrie mit dem Kontaktglas:
Einfache Ermittlung des Ophthalmikablutdrucks
Nun ist ein neues Gerät auf dem Markt, bei dem die für die Ophthalmodynamometrie
erforderliche Erhöhung des Augeninnendrucks mit dem Goldmann-Dreispiegelglas erzeugt wird,
dessen Handhabung jedem Augenarzt vertraut ist [8]. Es wird vom Untersucher an einem
ringförmigen Ansatz gehalten, in den Kraftsensoren eingebaut sind. Der Sensorring ist über ein
dünnes Kabel mit einem Gerät verbunden, das sich in Reichweite des Untersuchers oder der
Helferin befindet. Die Kraft, mit der der Untersucher das Kontaktglas gegen das Auge drückt, ist
auf dem Anzeigenfeld dieses Gerätes abzulesen. Die Pulsationsphänomene werden in gewohnter
Weise mit der Spaltlampe durch den zentralen Teil des Dreispiegelglases beobachtet. Die früher
von vielen Augenärzten als schwierig eingeschätzte Technik ist auf die Untersuchung mit dem
Goldmann-Dreispiegelglas reduziert worden. Erst diese Vereinfachung hat die Methode
praxistauglich gemacht.
Bestimmung des Ophthalmikablutdrucks
mit dem Kontaktglas-Dynamometer
Unmittelbar vor der Dynamometrie wird die Augenoberfläche mit Oxybuprocain (Thilorbin)
anästhesiert und der Augeninnendruck applanatorisch bestimmt. Direkt im Anschluss daran
erfolgt die Ophthalmodynamometrie mit dem neuen Kontaktglas-Dynamometer (Fa. Meditron,
Völklingen/Saar).
Es handelt sich dabei um ein handelsübliches Goldmann-Dreispiegelglas (Haag-Streit), das
anstelle des Distanz- bzw. Halteringes mit einem ringförmigen Ansatz versehen ist, in den
Kraftsensoren integriert sind. In die Höhlung des Kontaktglases wird ein erbsengroßer Tropfen
eines Kontaktgels (Thilo Tears) gegeben, das Gerät am Haltering gefasst, entsprechend der
Gebrauchsanweisung durch Tastendruck kalibriert und auf das Auge aufgesetzt.
Das Gerät ist so kalibriert, dass die Anzeigeeinheit 1 einer Kraft von 40 Millinewton entspricht.
Mit dem Kontaktglas-Dynamometer wird durch diese Kraft der Augeninnendruck theoretisch um
1 mm Hg erhöht. Demzufolge ist der Druckzuwachs (∆P) auf dem LCD-Display direkt
abzulesen. Bei 10 bis 15-facher Vergrößerung werden durch das Kontaktglas hindurch die
Papillengefäße beobachtet.
Die Andruckkraft des Kontaktglases wird langsam soweit erhöht, bis das erste Kollapsphänomen
der Zentralarterie zu erkennen ist. Zu diesem Zeitpunkt wird der Messwert durch Betätigen einer
Taste festgehalten. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis mindestens drei Werte notiert werden
können, die nicht mehr als 5 mm Hg auseinander liegen. Aus mindestens drei Werten wird der
Mittelwert errechnet. Die Addition dieses Wertes zum zuvor gemessenen Augeninnendruck
ergibt den Augeninnendruck bei Beobachtung des (ersten) Pulsationsphänomens. Dieser
entspricht dem diastolischen Ophthalmikablutdruck [5], denn das erste Auftreten einer Pulsation
bedeutet, dass vorübergehend der auf den Netzhautgefäßen lastende Augeninnendruck den
Blutdruck überschreitet. Die erste Pulsation ist also immer dann zu beobachten, wenn der
Augeninnendruck etwas höher ist als der minimale Blutdruck einer Pulsphase. Was wir am Auge
zu diesem Zeitpunkt sehen können, entspricht dem Verschwinden der Korotkoff’schen
Geräusche bei der Messung des systemischen Blutdrucks am Oberarm.
Anschließend an die Messung des diastolischen Druckes wird die Andruckkraft zügig erhöht, bis
die Pulsationsphänomene der Zentralarterie verschwinden. Die bei Verschwinden ausgeübte
Kraft wird wie beim diastolischen Wert in den Ophthalmikablutdruck umgerechnet. Auf die
Messung des systolischen Wertes wird verzichtet, wenn der Druck für den Patienten zu
unangenehm ist, was bei höherem Systemblutdruck häufig der Fall ist.
Bei einseitig erniedrigten diastolischen Werten oder beidseits gegenüber dem systemischen
Blutdruck erniedrigten Werten oder klinischem Verdacht auf Vorliegen einer Stenose sollte man
jedoch zumindest versuchen, auch den systolischen Druck zu bestimmen, weil bei
Karotisstenosen, deren Verschlußvorgang bereits stabilisiert ist, über Anastomosen die
Druckunterschiede zum Teil ausgeglichen sein können und so unter Umständen nur der
systolische Blutdruck Differenzen aufweist [5].
Die mit dem Kontaktglas-Dynamometer ermittelten Werte des Ophthalmikablutdrucks liegen
erfahrungsgemäß diastolisch etwa 15-25% und systolisch etwa 35-45% unter den
entsprechenden systemischen Werten. Bislang gibt es noch keine Statistiken zur Prävalenz von
Karotisstenosen in Abhängigkeit von den mit dem Kontaktglas-Dynamometer ermittelten
Drucken oder Seitendifferenzen. Die Entscheidung, ob eine weiterführende Diagnostik
einzuleiten oder der Befund lediglich zu beobachten ist, basiert ebenfalls auf Empirie:
Druckdifferenzen bis zu 10% Abweichung vom arithmetischen Mittel werden als normal
eingestuft. Bei reproduzierbaren Differenzen bis zu 20% wird in der Regel eine neurologische
Untersuchung veranlaßt. Bei mehr als 20% Abweichung und unauffälliger neurologischer
Untersuchung wird in der Regel eine eingehendere dopplersonographische Kontrolle bei einem
Angiologen in die Wege geleitet.
Differenz des Ophthalmikablutdrucks:
Hinweis auf mögliche Gefäßstenose
Fall 1: Nach Kontaktglas-Dynamometrie ergab sich der dringende Verdacht auf einen
Verschluß der A. carotis interna links
Die Erstvorstellung der damals 61-jährigen Frau erfolgte im April 1999. Sie kam zum
Augenarzt, weil ihre Sehschärfe in der Ferne beidseits nachgelassen hatte. Der Visus betrug mit
Korrektion rechts 1,0, links 0,7. Der Augeninnendruck lag beidseits bei 13 mm Hg. Der
Vorderabschnitt wies einen ausgeprägten Arcus lipoides auf, brechende Medien und
Augenhintergrund waren unauffällig. Die Therapie erschien mit dem Ausgleich des
Refraktionsdefizits ausreichend.
Im Januar 2002 klagte die Patientin über Kopfschmerzen, verbunden mit Druckgefühl in den
Augen und Schleiersehen. Vor Jahren sei anläßlich eines stationären Aufenthaltes eine
Veränderung der Halsschlagader festgestellt worden, die sich aber bei einer Nachuntersuchung
bei ihrem Neurologen im April 2001 nicht bestätigt habe. Eine weitere Diagnostik hatte ihre
Hausärztin danach nicht mehr für erforderlich gehalten.
Bei der Kontaktglas-Dynamometrie fand sich rechts ein diastolischer Ophthalmikablutdruck von
69 mm Hg, links von 41 mm Hg. Dieser deutliche Druckunterschied war insofern erstaunlich,
weil in dem erst 8 Monate zuvor erhobenen dopplersonographischen Befund sämtliche
Hirnarterien als unauffällig beschrieben waren. Die Patientin wurde kurzfristig zur erneuten
Dopplersonographie überwiesen. Es ergab sich dabei der dringende Verdacht auf einen
Verschluß der A. carotis interna links.
Fall 2: Unauffällige Dopplersonographie - Kontaktglas-Dynamometrie gibt trotzdem
Hinweis auf Stenose
Bei der Erstvorstellung am 10. September 2001 gab der 83-jährige Mann an, sein Sehvermögen
sei rechts seit Jahren sehr schlecht und habe links in den letzten Wochen ebenfalls nachgelassen.
Im Juni des gleichen Jahres sei bei ihm eine Operation an der rechten Halsschlagader
durchgeführt worden, die gut verlaufen wäre. Es sei ihm gesagt worden, links wäre keine
Operation erforderlich.
Der Visus betrug rechts Fingerzählen in 1m, links 0,4. Der Augeninnendruck lag rechts bei 9,
links bei 12 mm Hg. Vorderabschnitt und brechende Medien waren unauffällig. Der schlechte
Visus konnte rechts auf eine feuchte Makulopathie und links auf eine trockene altersabhängige
Makuladegeneration zurückgeführt werden.
Bei der Kontaktglas-Dynamometrie fand sich rechts ein diastolischer Ophthalmikadruck von 56,
links von 35 mm Hg. Weil der deutlich niedrigere Druck links den Verdacht auf eine
hämodynamisch relevante Stenose nahe legte, wurde kurzfristig eine erneute
Dopplersonographie veranlasst. Sie erbrachte rechts unauffällige Narbenverhältnisse nach PatchPlastik. Links fand sich jedoch eine hochgradige Stenose, wesentlich ausgeprägter als 3 Monate
zuvor beschrieben. Daraufhin wurde kurze Zeit später auch auf dieser Seite eine
Karotisthrombendarteriektomie (TEA) durchgeführt. Bei einer erneuten Vorstellung beim
Augenarzt im Oktober 2001 berichtete der Patient, er fühle sich wesentlich wohler und er sehe
auf dem linken Auge wieder besser. Der Visus war rechts unverändert, links 0,63.
Fall 3: Karotisgabel-Desobliteration nach Kontaktglas-Dynamometrie
Bei der Erstvorstellung am 13.Januar 1999 berichtete ein 79-jähriger Patient über immer wieder
auftretende Sehstörungen rechts (minutenlang anhaltender Schleier oder Nebel). Eine
Karotisverengung sei bekannt. Bei der letzten dopplersonographischen Untersuchung im
September 1998 habe der Neurologe von einer 45%igen Stenose gesprochen, eine Operation sei
nicht erforderlich, die Behandlung mit ASS (Azetylsalizylsäure) reiche noch aus.
Aufgrund einer Kern- und Rindentrübung der Linse war die Sehschärfe rechts auf 0,7, links auf
0,6 reduziert. Am Fundus fanden sich keine Auffälligkeiten.
Die Kontaktglas-Dynamometrie erbrachte rechts einen diastolischen Ophthalmikablutdruck von
36 mm Hg, links von 60 mm Hg. Der wesentlich niedrigere Druck rechts und die Anamnese
gaben Anlass zu einer sofortigen erneuten dopplersonographischen Untersuchung, die bereits
eine Woche später erfolgte.
Laut Bericht des Angiologen fand sich links eine mittelgradige ACI-Stenose, zirka 70%, rechts
eine hochgradige, zirka 90%ige Stenose bei in diesem Bereich ausgeprägten sklerotischen
Plaques. Am 16.3.1999 wurde eine Karotisgabel-Desobliteration rechts durchgeführt. Die
Sehstörungen sind danach nicht mehr aufgetreten.
Fall 4: Druckdifferenz der Ophthalmikaarterien muss abgeklärt werden
Im März 2003 wurde bei einem 70-jährigen Patienten eine routinemäßige Kontrolle wegen einer
diabetischer Retinopathie durchgeführt. Seit einem Schlaganfall, den er 2 Jahre zuvor erlitten
hatte, war er regelmäßig neurologisch untersucht worden. Der Visus betrug rechts 0,2, links 0,1,
der Augeninnendruck beidseits 11 mm Hg.
Bei der Untersuchung des Fundus mit dem Dreispiegelkontaktglas kam es links bereits bei
leichtem Druck zu einem Pulsieren der Zentralarterie. Mit dem Kontaktglas-Dynamometer
nachgemessen ergab sich dann rechts ein diastolischer Druck von 50, links von 26 mm Hg. Eine
noch am gleichen Tag vereinbarte Dopplersonographie beim Neurologen war im Wesentlichen
unauffällig.
Da dieser Befund die Druckdifferenz nicht erklärte, wurde eine weitere eingehendere
Untersuchung bei einem Angiologen veranlasst. Sie erfolgte 2 Tage später. Als Ergebnis der
Doppler-, Duplex- und Farbdopplersonographie zeigte sich eine makroskopisch sehr
ungewöhnliche intraluminale Gefäßveränderung der distalen A. carotis communis linksseitig mit
hier gelegener mäßig- bis hochgradiger Stenose und
resultierender hochgradiger
Ursprungsstenose der A. carotis interna.
Die vom Angiologen empfohlene gefäßchirurgische Therapie konnte bislang wegen kardialer
Probleme und eines schlechten Allgemeinzustandes nicht durchgeführt werden.
Fall 5: Unklare Sehverschlechterung - Kontaktglas-Dynamometrie ergibt Hinweis auf
Arterienstenose
Bei der Erstvorstellung am 15. Februar 2003 klagte der 72-jährige Patient über eine
Sehverschlechterung rechts, die ihn zeitweilig stark beeinträchtige. Er sehe verschwommen, habe
aber keine Verdunkelungen bemerkt. Er habe eine koronare Bypass-Operation hinter sich, nehme
Betablocker, der Blutdruck sei niedrig. Zurzeit werde eine Chemotherapie durchgeführt wegen
eines malignen Lymphoms am Hals. In neurologischer Betreuung befinde er sich unter anderem
wegen des Verdachts auf eine Myasthenie. Die Halsschlagader sei vor Jahren
dopplersonographisch untersucht worden, ein gravierender Befund habe sich dabei nicht
ergeben.
Der Visus betrug rechts cc 0,7, links cc 1,0. Die Linse zeigte rechts eine zentrale Trübung der
hinteren Rinde. Die Papillen wiesen Verschmälerungen des neuroretinalen Randsaums auf. Der
Augeninnendruck lag rechts bei 25, links bei 22 mm Hg. Es wurde zunächst eine lokale
antiglaukomatöse Therapie mit einem Prostaglandin-Präparat eingeleitet und der Patient zur
Kontaktglas-Dynamometrie wieder einbestellt. Am 20. Februar 2003 lag der Augeninnendruck
rechts bei 17, links bei 15 mm Hg.
Bei der Dynamometrie war der diastolische Druck der Arteria ophthalmika rechts 28, links 61
mm Hg. Der systolische Blutdruck lag rechts bei 39, links über 91 mm Hg. Der deutlich
niedrigere Druck rechts legte den Verdacht auf eine hochgradige Gefäßstenose nahe. Deshalb
wurde noch für den gleichen Tag eine Dopplersonographie beim Angiologen vereinbart.
Dieser fand eine filiforme Stenose der rechten Arteria carotis interna bei unzureichender
intracerebraler Kompensation über den circulus arteriosus Willisii. Ursache hierfür war eine
fehlende communicans anterior und - posterior Kollaterale, so dass das rechte Media- und
offenbar auch das gesamte Anterior-Stromgebiet überwiegend über den poststenotischen
Restfluss und über leptomeningeale Anastomosen versorgt werden musste.
Der Patient wurde über die Ernsthaftigkeit des Befundes, insbesondere über die Gefahr eines
Schlaganfalls sowie über die Notwendigkeit der baldigen Operation aufgeklärt. Bereits einen
Tag später bemerkte er eine Schwäche der Arm- und Beinmuskulatur links. Wenige Tage später
wurde rechts eine Karotisthrombendarteriektomie (TEA) durchgeführt. Bereits im April 2003
waren keine klinischen Zeichen einer Muskelschwäche mehr nachweisbar. Am 14.11.03 betrug
der Ophthalmikablutdruck rechts diastolisch 56 mm Hg, links 64 mm Hg.
Kontaktglas-Dynamometrie kann Hinweis auf
lebensbedrohliche Durchblutungsstörung geben
Bei allen 5 Patienten hat die Kontaktglas-Dynamometrie die entscheidenden Hinweise auf eine
gefährliche, in den Fällen 3 und 5 sogar lebensbedrohliche Durchblutungsstörung erbracht. Bei 4
der hier beschriebenen Fälle waren in engem zeitlichem Zusammenhang vor der KontaktglasDynamometrie mit der Dopplersonographie Befunde erhoben worden, die nicht auf eine
hämodynamisch relevante Veränderung der hirnzuführenden Gefäße hingedeutet hatten. Die
behandelnden Ärzte und Patienten wiegten sich in Sicherheit. Im Fall 4 hatte die unmittelbar
nach der Kontaktglas-Dynamometrie durchgeführte Dopplersonographie kein Ergebnis erbracht,
das den dynamometrisch erhobenen Befund hätte erklären können. Erst die genauere
Untersuchung durch einen Angiologen schaffte Klarheit und erbrachte die Notwendigkeit zum
ärztlichen Handeln.
Obwohl es sich bei den 5 Patienten um Einzelfallbeobachtungen handelt, möchten wir wegen der
lebensbedrohlichen Grunderkrankung dennoch die Empfehlung geben, Patienten mit
Sehstörungen unklarer Ursache auch bei anamnestisch unauffälliger Dopplersonographie mit
dem
Kontaktglas-Dynamometer
zu
untersuchen.
Ergeben
sich
reproduzierbare
Blutdruckdifferenzen der Ophthalmikaarterien beider Augen von mehr als 20% Abweichung
vom arithmetischen Mittel sollte eine kurzfristige Abklärung durch einen erfahrenen Angiologen
sichergestellt werden. Umgekehrt kann die Kontaktglas-Dynamometrie bei Patienten mit nicht
absolut eindeutigen Ultraschallbefunden der hirnversorgenden Gefäße differentialdiagnostisch
weiterhelfen.
Literatur
1. Bailliart, P.: Ann. Ocul. 154, 648-666 (1917)
2. Yablonski, M.: A new fundus lens ophthalmodynamometer. Am. J. Ophthalmol. 1978, 86:
644-47
3. Hess, R., Klakow-Franck, R.: Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) UV-GOÄ. Deutscher ÄrzteVerlag, Köln 2003
4. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM). Deutscher
Ärzteverlag, Köln 2001.
5. Weigelin, E., Lobstein, A.: Ophthalmodynamometrie. Karger, Basel 1962
6. Ulrich, W. D.: Grundlagen und Methodik der Ophthalmodynamometrie,
Ophthalmodynamographie, Temporalisdynamographie. Thieme, Leipzig 1976
7. Stodtmeister, R., Kästner, R., Pillunat, L. E.: Saugnapfmethoden. In: Augenärztliche
Untersuchungsmethoden (Hrsg.: Straub, W., Kroll, P., Küchle, H. J.) S. 436-461. Enke, Stuttgart
1995
8. Jonas, J. B.: Reproducibility of ophthalmodynamometric measurements of central retinal
artery and vein collapse pressure. Br. J. Ophthalmol. 87: 577-579 (2003)
9. Ulrich, W. D., Engel, E., Haas, W., Lehmann, R., Ulrich, C.: Value of
ophthalmodynamography and ophthalmodynamometry in acute cerebrovascular processes.
Psychiatr. Neurol. Med. Psychol. Beih. 22-23: 62-67 (1977)
Funktionsprinzip des Kontaktglas-Dynamometers
Das Funktionsprinzip ist das gleiche wie beim Baillart'schen Gerät bzw. beim FederstempelDynamometer nach Müller: Da einerseits die Steigerung des Augeninnendrucks induziert wird
von einer Kraft, die man auf das Auge ausübt und diese Kraft andererseits eine gleich große
Gegenkraft erzeugt, kann man aus der Kraft auf die Erhöhung des Augeninnendrucks
rückschließen.
Beim Kontaktglas, einem handelsüblichen Goldmann-Dreispiegelglas, befindet sich an der
Rückseite eine Messeinrichtung. Diese enthält mehrere Präzisionssensoren, die die zur
Drucksteigerung erforderliche und mit dem Kontaktglas ausgeübte Kraft erfassen. Die aus der
Größe der Kraft berechnete Steigerung des Augeninnendrucks ist auf einem LCD-Display
abzulesen.
Physikalische und physiologische Grundlagen
Das Auge ist ein annähernd kugelförmiges und geschlossenes Organ. Jede Deformation führt zu
einer Erhöhung des Augeninnendrucks. Pulsationsphänomene der Gefäße des Auges treten dann
auf, wenn der Augeninnendruck deren intravasalen Druck überschreitet. Die Pulsationen werden
bei der Kontaktglas-Dynamometrie durch das Kontaktglas hindurch beobachtet während mit
diesem selbst der Augeninnendruck erhöht wird. Das Kontaktglas besitzt nicht nur den Vorteil
der ausgezeichneten Optik, sondern es ermöglicht die Beobachtung der Gefäße auch bei stärkerer
Vergrößerung, weil die Untersuchung an der Spaltlampe erfolgt.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. B. Löw, Augenarzt
66333 Völklingen, Poststraße 21
e-mail: [email protected]
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