Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie Pflanzen sind in der Lage, aus Sonnenenergie, dem Kohlendioxid der Luft, Wasser und den darin gelösten mineralischen Stoffen niedermolekulare organische Verbindungen wie beispielsweise Zucker, Aminosäuren, Vitamine und Carotinoide aber auch hochmolekulare Polymere wie Stärke oder Ballaststoffe, wie Zellulose oder Fruktane, aufzubauen. Menschen und Tiere besitzen diese Fähigkeit nicht, sondern nehmen anorganische und organische Stoffe über die Nahrung auf und bauen die aufgenommenen Stoffe entsprechend ihren Bedürfnissen im Stoffwechsel um. Pflanzen sind somit die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Der Erforschung der Stoffwechselvorgänge in Pflanzen kommt deshalb ein besonderer Stellenwert im Hinblick auf die menschliche Ernährung und die industrielle Nutzung von Pflanzen zu. Wie funktionieren Pflanzen? Ziel der Forschung am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie ist es, das System Pflanze als Gesamtheit zu verstehen. Die Wissenschaftler des Instituts beschäftigen sich mit komplexen Prozessen in Pflanzen wie der Aufnahme von Stoffen durch die Wurzel, der Biosynthese pflanzlicher Inhaltsstoffe, dem Transport von Stoffen innerhalb der Pflanze und der Speicherung der Stoffe und ihrer Mobilisierung. Beide Ansätze werden letztendlich in der Herstellung einer eindeutigen Gen-Funktionsbeziehung (functional genomics) münden, um so das molekulare, biochemische und physiologische Netzwerk der Pflanzen zu verstehen (systems biology). Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Bei der Ackerschmalwand, der Modellpflanze der Pflanzenforscher, ist zwar das gesamte Genom (Gesamtheit aller Gene) mit seinen circa 28.000 Genen bekannt, jedoch konnte weltweit bisher nur für etwa 10 Prozent der Gene ihre Funktion aufgeklärt werden. Die Spannbreite der Untersuchungen am Institut reicht von einzelnen Zellen, Geweben und pflanzlichen Organen bis hin zu agronomischen Studien in Gewächshäusern und Freilandversuchen mit transgenen Pflanzen. Das Methodenspektrum umfasst Techniken der Molekularbiologie, der Genetik, der Physiologie, der Biochemie, der Biophysik und der Bioinformatik. Zu den eingesetzten Analysetechniken gehören modernste, multiparallele Methoden (Transcriptomics, Metabolomics, Proteomics). Forschungsobjekte sind in erster Linie die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die Kartoffel, der Tabak und die Tomate, darüber hinaus dienen aber auch Reis, Kürbis, Gurke, Zucchini, Weidelgras, Soja und japanischer Hornklee, jeweils entsprechend ihrer Eignung als Modellsystem zur Beantwortung spezifischer wissenschaftlicher Fragestellungen. Zur Koordinierung dieser Prozesse in der Zelle, aber auch zwischen den Pflanzenorganen, Blatt, Wurzel, Blüte, benutzt die Pflanze Signalstoffe zur Kommunikation. Jede Zelle der Pflanze „weiß“ wie sie sich während verschiedener Entwicklungsstadien verhalten muss, und was bei wechselnden Umwelteinflüssen zu tun ist. Die Blüten beispielsweise werden zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt gebildet, was einen geordneten Ablauf von Stoffaufbau, Stofftransport und Stoffmobilisierung erfordert. Diese Abläufe sind bisher nur zu einem geringen Teil aufgeklärt. Foto: J. Bergstein Mit modernsten Methoden dem Geheimnis der Pflanzen auf der Spur Während es sich früher bei der Pflanzenphysiologie um eine eher beschreibende Wissenschaft handelte, versucht man heute die Geheimnisse der Pflanze mit den Methoden der Molekularbiologie und der Genetik zu ergründen. Ein Ansatz am Institut zur Aufklärung der pflanzlichen Stoffwechselvorgänge besteht darin, Pflanzen unterschiedlichen Umweltbedingungen auszusetzen. Wechselnde Umweltbedingungen bewirken in der Pflanze eine Änderung der Merkmalsausprägung. Merkmalsausprägungen können nicht nur äußerlich sichtbar sein, wie die Blattform oder Blattgröße, sondern sie können auch unsichtbar sein, wie etwa die Zusammensetzung der Inhaltstoffe. Durch umfangreiche Analysen kann ein Zusammenhang zwischen einer bestimmten Merkmalsausprägung und einem Gen und damit der Funktion des Genes hergestellt werden. Der umgekehrte Ansatz wird bei der Verwendung von Pflanzen mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung (genetische Diversität), bei gleich bleibenden Wachstumsbedingungen verfolgt. Dabei wird zum einen die natürlich vorkommende genetische Diversität von Pflanzen genutzt, etwa von Wildtypen, zum anderen werden in ihrer Gen-Ausstattung veränderte Pflanzen durch klassische Mutagenese (Änderung des Erbgutes durch Bestrahlung oder Chemikalienzugabe) oder durch gentechnische Methoden erzeugt. Diese unterschiedlichen Genotypen, also Pflanzen, die sich in ihrem Erbgut unterscheiden, werden miteinander verglichen. Versuchspflanzenanbau auf 1.600 Quadratmeter Gewächshausfläche. Foto: Bergmann Fotodesign 18 Foto: Bergmann Fotodesign Untersuchungen zur Genaktivität in Pflanzen. Fotos: MPI-MP Zukunftsperspektiven Insgesamt werden in Zukunft Erkenntnisse aus der Pflanzenforschung Auswirkungen auf die Qualität, die Nährstoffzusammensetzung und die Gesundheit von Lebensmitteln, die Ertragssicherheit und die industrielle und pharmakologische Nutzung von Pflanzen haben. Weitergehende Untersuchungen werden zum Verständnis der Strategien führen, die den Pflanzen im Laufe der Evolution die Anpassung an unterschiedlichste Umweltbedingungen ermöglichten. Institutsstruktur und Kooperationen mit der Universität Potsdam Das 1994 gegründete Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie im Wissenschaftspark Golm gehört im Bereich der Pflanzenforschung weltweit zu den führenden Wissenschaftseinrichtungen. Bisher gliederte sich das Insitut in zwei Abteilungen. Mit der Berufung des dritten Direktors zum 1. Juni 2004 hat der Aufbau der dritten Abteilung begonnen. Ein wichtiger Bestandteil der Institutsstrategie ist die räumliche, organisatorische und wissenschaftliche Verflechtung mit Gastgruppen. Zwei unabhängige Nachwuchsgruppen, eine Biofuture-Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, eine Max-Planck-Juniorprofessur und zwei Universitätsgastgruppen sind am Insitut etabliert. Es bestehen sehr enge Beziehungen zur Universität Potsdam, aber auch zur Freien Universität Berlin und zur Humboldt Universität Berlin. Wissenschaftliche Mitarbeiter des Institutes halten Lehrveranstaltungen an der Universität Potsdam ab und zahlreiche Diplomanden und Doktoranden arbeiten am Institut und werden von Institutsmitarbeitern betreut. Darüber hinaus gibt es mehrere Forschungsprojekte, an denen das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie gemeinsam mit der Universität Potsdam und anderen nationalen und internationalen Partnern beteiligt ist. Die wichtigsten sind das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Schwerpunktprogramm 1149, das sich mit dem Phänomen der Heterosis bei Pflanzen beschäftigt, der gleichfalls von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Sonderforschungsbereich 429, der die detaillierte Untersuchung des Primärstoffwechsels zum Thema hat und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und privatwirtschaftlich geförderte Pflanzengenomprojekt GABI. Foto: J. Bergstein 19