Workshop: Medizinethik

Werbung
Workshop
Ethische Konfliktfelder der
Interkulturalität im Krankenhaus
Alexianer Ethikforum 2016
Begegnungen und Erfahrungen mit dem Fremden
Berlin-Weißensee, 28. Oktober 2016
Name | Datum | sonstige Infos, auch mehrzeilig möglich
Seite 2
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Der Referent

Frank Kressing, geb. in Göttingen

Studium der Ethnologie, Empirischen Kulturwissenschaften und
Vergleichenden Sprachwissenschaften an der Universität Tübingen

Promotion zum Dr. hum biol. mit einer Studie zur Gesundheitsversorgung im
ländlichen Bolivien (Universität Ulm)

Wiss. Mitarbeiter am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
der Universität Ulm
Seite 3
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Gliederung
Gliederung

Die Relevanz von Interkulturalität in der medizinischen Praxis

„Das Fremde verstehen“ – Fallbeispiele
 Medizintourismus
 Tod und Trauer im Islam

Kulturgebundene Syndrome und regionale Krankheitspräferenzen

Kultur und Ethnizität als dynamische Kategorien der Selbst- und
Fremdzuschreibung
Seite 4
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Die Relevanz von Interkulturalität in der medizinischen
Praxis
Internationalisierung und Globalisierung
der Medizin - Bestandsaufnahme
Teilnehmende an der vom DAAD
geförderten Sommerakademie zum
Thema „Global Health –
Medizintourismus“, GTE-Institut der
Universität Ulm - Juli 2012.
Bild: Sonia-Elena Popovici
* Zur leichteren Lesbarkeit wird das generische
Maskulinum verwandt. Es sind jedoch immer–
wenn nicht gesondert markiert– beide
Geschlechter gemeint.

Zunehmend mehr Patienten* mit
Migrationshintergrund in Krankenhäusern
und Arztpraxen

Zunehmend mehr Patienten aus dem
Ausland – gerade auch KMT/Onkologie:
Patienten aus dem arabischen Raum und
östlichen Europa

Zunehmend mehr international
zusammengesetzte Behandlungsteams

Zunehmend mehr internationale
Studierende, die in deutschsprachigen/anderen europäischen
Ländern Medizin studieren
Seite 5
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Das Fremde verstehen –
Interkulturalität und ethische Konflikte in Medizin und Pflege
Die Bedarfslage – zunehmende Internationalisierung des Heil- und
Pflegesektors
 hoher Bevölkerungsanteil mit
Migrationshintergrund
(12 - 20% = 9 - 15 Mio. Menschen)
 steigende Zahl von Patienten
nichtdeutscher Herkunft
 steigende Zahl ausländischer
Patienten (Medizintourismus)
 steigende Zahl von Ärztinnen
und Pflegekräften
nichtdeutscher Herkunft
 steigende Zahl internationaler/ ausländischer Medizinstudierender
Seite 6
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Themenübersicht
Zwei Fallbeispiele
• Medizintourismus
• Tod, Trauer und Tod im Islam
Seite 7
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Themenübersicht
Medizintourismus
Seite 8
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Medizintourismus
Lernziele
Sommerakademie 18. Juli ‐7. August
2012
transkulturelle Facetten des Medizintourismus in einer multidisziplinären Perspektive ethisch begründete Bewertung und Dialog
transkulturelle Aspekte von Therapie‐ und Pflegeleistungen, gerade auch in Folge internationaler Migrationsbewegungen
Seite 9
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Robert Bosch-Institut für Medizingeschichte, Stuttgart
Seite 10
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Mögliche Definitionen von „Medizintourismus“
 Inanspruchnahme med. Versorgung
in den Industrieländern des Nordens
 Auslagerung von Heilund Pflegeleistungen in die
weltwirtschaftliche Peripherie
Erweiterte Definition?
 Traditionelle Inanspruchnahme von Heilund Kureinrichtungen in den industriellen
Zentren (Westeuropa, Nordamerika, …)
- auch Kur- und Badetourismus
 Verbindung von Medizintourismus mit
Hinwendung zu alternativen Heilverfahren
und der Kritik an der westlichen
„Apparatemedizin“
Seite 11
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Pilgerwesen
spirituelles Referenzsystem
Health &
Healer Shopping
„Paradigm Shopping“
Nicht-westliche
Medizinsysteme/-kulturen
Defizitäre Einschätzung
des westlichen Medizinsystems/
der westlichen Medizinkultur
„Med. Produktionsauslagerung“
Kostenminimierung
Ökonomisches Referenzsystem
„Organogramm“ zum Medizintourismus
Seite 12
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Theurgische statt empirische Medizin?
•
Trennung von Heilung und Ritual, Arzt und Priester aufgehoben
•
Defizitäre Einschätzung des westlichen Medizinsystems führt zur ReEtablierung eines spirituellen Bezugssystems
•
Referenzsysteme des Medizintourismus (im erweiterten Sinne)
•
Pilgerwesen
•
Health Shopping
•
„Entgrenzung der Medizin“
H.P. Blavatsky
(1831 – 1891
Theosophie
Lourdes
Ägypt. Derwisch
Seite 13
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Themenübersicht
Medizinischer Pluralismus „im Westen“
Grafik: © Sabine Gabrysch, Institut für Public Health
Universitätsklinikum Heidelberg
Seite 14
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Alternativmedizin und Lebensreform
Kritik an der western, allopathischen Medizin bereits im „vorantibiotischen“ Zeitalter


Sebastian Kneipp
(1821 – 1879): Hydrotherapie
Balneologie: Christoph W.
Hufeland (1762-1836), Emil Osann
(1778 – 1842)
 Homöopathie: Samuel Hahnemann
(1755 – 1843)


Die Lebensreformbewegung
- spätes 19./frühes 20. Jh.
Seite 15
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Themenübersicht
Tod und Trauer im Islam
Grafik: © Sabine Gabrysch, Institut für Public Health
Universitätsklinikum Heidelberg
Seite 16
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Fokus: Muslimische Patienten
Folge: Zunehmende Konfrontation mit „fremdkulturellen „
Wertmustern/Vorstellungen in Bezug auf Krankheit, Leiden und
Tod
Zentrale Fragen

Welche religiösen Hintergründe gibt es für diese aus einer westlichen Sicht
oft unverständliche Haltung?

Gibt es den muslimischen Patienten/die muslimische Patientin?

Werden Stereotypenbildungen unseren Patienten und deren Familien
gerecht? Oder laufen wir Gefahr, in dieser kritischen Lebensphase nicht
mehr offen zu kommunizieren?
Seite 17
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Zentrale Problemfelder – zentrale Thesen
•
Infauste Prognosen werden nicht oder nur unvollständig („verschleiert“)
vermittelt.
•
Auch im Falle infauster Prognosen werden lebensverlängernde Maßnahmen
über ein ethisch vertretbares Maß hinaus (massiv) eingefordert.
•
Problem des family consent - kultursensibler Schutzmantel für patriarchalisch
bestimmte Entscheidungsstrukturen?
„Der interkulturelle Patient ist im Wesentlichen ein
Interaktionsphänomen, das Achtsamkeit erfordert“
Imhof, C, Kressing, F: „Die ethnische Verlagerung von ethischen Problem- und Konfliktfällen“. Das Fremde
verstehen. Interkulturalität und ethische Konflikte in Medizin und Pflege, Göttingen 2014, S. 70-80
.
Seite 18
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Aspekte von Krankheit und Tod im Islam
Begründung dieser oft fremd erscheinenden Wertvorstellungen
aus dem Islam heraus?
„Wir haben unseren Körper nur ausgeliehen“

Verfügung Gottes über den menschlichen Körper, über Leiden und Tod
– Gott als eigentlicher Eigentümer von Leib und Seele
„Sprich: Mein Gebet und meine Kulthandlung, mein Leben und mein Sterben
gehören Gott, dem Herrn der Welten.“
(Sure 6/162)

Krankheit als Prüfung - auch als Folge ritueller Verfehlungen
Wesentlicher Unterschied zu christlichen Vorstellungen?
Seite 19
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Umgang mit Krankheit
Krankenbesuch als „heilige
Pflicht“, dem Kranken beizustehen
und Teilnahme zu üben
Islamische Tradition der
Wertschätzung der Medizin:
 Medizin als notwendiges und
gerechtfertigtes Mittel, dem
Menschen zu helfen und
Krankheiten abzuwenden 
Maximalversorgung
 Tendenz, medizinische
Hilfeleistungen auch in
aussichtslosen Fällen weiter zu
führen/ Geräte angeschaltet zu
lassen
Ibn Sīnā ‫ﺍﺑﻥ ﺳﻳﻧﺎ‬/Avicenna (980 – 1037 n.
Chr.) in der cineastischen Umsetzung des
„Medicus“
 im gegenteiligen Fall ist mit
Strafen (für die eigene Person)
im Jenseits zu rechnen
Seite 20
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Umgang mit infausten Prognosen
Zeitpunkt des Todes und Abberufung ins Jenseits von Allah
vorherbestimmt
Oft Verschweigen des bevorstehenden Lebensendes gegenüber dem Patienten

(paternalistische Arzt-Patientenbeziehung?)


„Der Tod als unreine Befleckung“

Erwähnung des Lebensendes kann dies ggf. herbeiführen oder beschleunigen
Oft Hemmungen von Dolmetschern, Prognosen des zu erwartenden Todes an
den Patienten weiter zu geben

Notwendigkeit qualifizierter Sprach- und Kulturvermittler
Seite 21
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Therapiebegrenzung oder Maximaltherapie?
Konservative Position
 Therapiepflicht bis zum Lebensende – keine Toleranz in Bezug auf passive
Sterbehilfe, Patientenverfügung (schriftl./ mündl.) nicht zu berücksichtigen
 Zustimmung zu lebenserhaltenden medizinischen Maßnahmen erstrebenswert –
evtl. Wunder am Lebensende – Medizin nie 100% exakt
Liberalere Position
 Verzicht auf lebenserhaltende medizinische Maßnahmen unter bestimmten
Bedingungen (Einwilligung des Patienten und/oder seiner Familie) legitim
 Diese Position findet aufgrund knapper medizinischer Ressourcen in vielen
muslimischen Ländern und geänderten Selbstbestimmungsverständnisses
zunehmend Zustimmung
Vgl. İlkılıç, İ, Kulturelle Aspekte bei ethischen Entscheidungen am Lebensende und interkulturelle Kompetenz.
Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 8/2008
Seite 22
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Sterbehilfe und eigener Todeswunsch



Sterbehilfe gilt – ebenso wie Mord und Selbstmord - als Aufruhr und
Rebellion gegen göttliche Gebote!
Selbst der eigene Todeswunsch im Krankheitsfall ist nach orthodoxer Auffassung untersagt:
„Wünscht euch nicht den Tod herbei, auch wenn es euch sehr schlecht geht, sondern sagt im
äußersten Fall: ,O Gott, lass mich weiterhin leben, solange das Leben besser für mich ist, und
lass mich sterben, wenn der Tod besser für
mich ist!’“

Im äußersten Falle ist es erlaubt, in einer scheinbar aussichtslosen Lage, Gott um das Beste für
sich zu bitten – in einem gesicherten hadith heißt es:
„Niemand soll sich nach dem Tode sehnen, weil ihn ein Unglück getroffen hat. Wenn jemand von
euch so sehr des Lebens überdrüssig ist, sollte er sagen: ‘Oh Allah, erhalte mich am Leben,
solange das Leben besser für mich ist, und nimm mich (zu Dir), wenn der Tod besser für mich
ist.‘“
Vergleich zu christlichen Überzeugungen??
Seite 23
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Körperliche Unversehrtheit vs. Organspende
„Und wenn jemand [einen
Menschen] am Leben erhält, so ist
 Auf der Basis, dass Organspenden Leben retten, können
es, als hätte er die Menschen alle
am Leben erhalten.“
alle anderen theologischen Gründe, die gegen eine
Sure 5,32
Organspende sprechen würden, außer Kraft gesetzt
werden
 Nierenspenden aufgrund der Möglichkeit von Dialysen nicht lebensrettend
 Die Rettung von Todgeweihten mag Allahs Pläne durchkreuzen
 1966 erste fatwa (ägypt. Großmufti), die Organspenden erlaubt
 seit 1986 (Konferenz islam. Rechtsgelehrter in Amman) Hirntod dem Herztod
gleichgestellt
 Organspende von einem Nicht-Muslim zu einem Muslim zwar möglich, jedoch nicht
umgekehrt (Auffassung einiger Rechtsgelehrter).
 Spendenbereitschaft unter Muslimen in Deutschland sehr gering - sehr große
Wahrscheinlichkeit, dass das Organ an einen Nicht-Muslim geht
Seite 24
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Problem familienbezogener Entscheidungen
Unterschiedliche Stellungsnahmen von Patienten und Angehörigen sowie unter den
Angehörigen:
•
oft Gegensatz zwischen (mutmaßlichem) Patientenwillen und familiären
Entscheidungen
•
Interfamiliäre Entscheidungskonflikte
•
Entscheidungsbefugte Person nicht unbedingt die Kontaktperson
Wahrung der individuellen Patientenautonomie vs. kollektive, familiäre
Entscheidungen?
Vgl. İlkılıç, İ, Kulturelle Aspekte bei ethischen Entscheidungen am Lebensende und interkulturelle
Kompetenz. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 8/2008
Seite 25
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Umgang mit dem
Tod und
Begräbniskultur
 Letzte Worte möglichst das Glaubensbekenntnis
 Nach den Tod Augen und Mund zu schließen
 Der Tote muss genau mit dem Gesicht nach Mekka
(qibla) liegen
 Waschung des Toten – möglichst durch Angehörige
desselben Geschlechts (nicht bei Kindern unter 7
Jahren)
 oft lautere Trauerbezeugungen als bei „christlichen“/
mitteleuropäischen Patienten üblich
 Sarglose Bestattung im leinenen Leichentuch - sollte
noch am Todestag stattfinden können.
Vgl. Eich, Th (2012) ,
Islamische Medizinethik.
Zeitschrift für Medizin Ethik – Recht 3: 36-40.
 Die Grabstätte muss sich in „jungfräulicher“ Erde
befinden
Seite 26
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Situation in der Bundesrepublik

rituelle Totenwaschung meistens noch
im Krankenhaus möglich
 sarg-lose Bestattung weitestgehend
ausgeschlossen – nur auf
muslimischen Friedhöfen/Gräberfeldern
 nach wie vor wird ein großer Teil (ca.
90%!) der Verstorbenen moslemischen
Glaubens in sein „Herkunftsland“ /
„Heimatland überführt.
Seite 27
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Gibt es den „moslemischen Patienten?“

Grad der Verwurzelung von Migranten im Islam?
 Dogmatische Buchreligion vs. volksreligiöse
„Performanz“ und säkulare „Performanz“
 Problem der Auslegung in verschiedenen
Rechtsschulen
Seite 28
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Themenübersicht
Umgang mit Interkulturalität
im Krankenhaus
Seite 29
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Ist Krankheit überall auf der Welt dasselbe?

Heterogenität der explanatory models
(Arthur Kleinman)

kulturspezifische Ansichten zu • Krankheitsätiologie
• Diagnose
• Therapie

Kulturgebundene Syndrome –culture‐bound syndromes (CBS), z.B.
• „der böse Blick“ – mal de ojo
• susto
• latah
• Auch: prämenstruelles Syndrom (PMS)
Krankheit als kulturelles Konzept?
Der „böse Blick“
Seite 30
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Umgang mit Interkulturalität
im Krankenhaus
Medical Diversity Management

Verpflichtung zur interkulturellen Öffnung,
zum kultursensiblen Umgang mit Patienten,
zur interkulturelle Kompetenz
 Einstellung auf spezifische Bedürfnisse von
Migranten und ausländischen Patienten –
Migrant friendly Hospital (Peter Saladin)
 Professionelle interkulturelle Vermittler –
nicht die Angehörigen
• P. Saladin (Hrsg.), Diversität und Chancengleichheit - Grundlagen für erfolgreiches Handeln im
Mikrokosmos der Gesundheitsinstitutionen 2006.
• European Project Migrant Friendly Hospital (MFH) (2004) The Amsterdam declaration towards
migrant-friendly hospitals in an ethno-culturally diverse Europe. http://www.mfheu.net/public/files/european_recommendations/ mfh_amsterdam_declaration_english.pdf
Seite 31
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Regionale Krankheitsprävalenzen
Die Deutschen
haben es am
Herzen,
die Franzosen an
der Leber,
die Engländer am
Magen …“
Nerven
Magenschmerze
n & Migräne
Herz &
Kreislauf
Leber
Nieren
„Morbus mediterraneus“
???
„Morbus bospurus,
Gastarbeiter-Ulkus
Ganzkörperschmerz
…“
???
Seite 32
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Ist der mediterrane Patient anders?
 Bedeutung kulturgebundener Syndrome oft übertrieben
 Konstruktion vermeintlich typischer „Migrantenkrankheiten“
•
•
•
•
Morbus Bosporus
Mama mia‐Syndrom
Ganzkörperschmerz Gastarbeiter‐Ulkus Südwestpresse Ulm 23.02. 2013
Die Harnschau – ein historisch
etabliertes Diagnoseverfahren
 Stereotypisierung und Stigmatisierung
• Vgl. „Kreisschmerz“: eine dt. (Frauen‐) „Krankheit?“
Morbus mediterraneus
Seite 33
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
„Vorsicht Kultur“

„Übersteigerte interkulturelle Sensibilität?“

Kultursensible Medizin birgt die Gefahr der ethnischen Segregation und
Stigmatisierung

Migrationsgeschichte „nur ein Aspekt der persönlichen Gesundheitssituation“
–
keine Reduzierung darauf

Sind spezifische Bedürfnisse von Migranten überhaupt kulturell bedingt oder
nicht auch schichtspezifisch?

Gültigkeit und Berechtigung ethnisch definierter Werte und Normen?
 Rechtfertigung eines „interkulturellen Schutzmantels?“
 Ethnische Verlagerung ethischer Konfliktfälle?
Grützmann, T., Rose, C., Peters, T. (2012): Interkulturelle Kompetenz in der medizinischen Praxis. Ethik in der Medizin 24:323–334.
Knipper, M. (2014): Vorsicht Kultur! Ethnologische Perspektiven auf Medizin, Migration und ethnisch‐kulturelle Vielfalt, in: Coors, M. et al. (Hrsg.) Das Fremde verstehen. Göttingen.
Seite 34
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
„Kultur – „Risiken und Nebenwirkungen“  sorgfältige Untersuchung des Kulturbegriffs nötig
 Essentialistisches Verständnis des Kulturbegriffs ist zu vermeiden
 Ethische Werte im Gesundheitsbereich (Anamnese, Diagnose, Therapie und
Pflege) eng mit kulturellen und religiösen Identitäten verknüpft

Respekt vor der Autonomie der Patientin/ des Patientin bedeutet auch:
Respekt vor kulturellen Unterschieden!
Imhof, C.; Kressing, F.: Die ethnische Verlagerung von ethischen Problem‐ und Konfliktfällen
Knipper, M. Vorsicht Kultur! Ethnologische Perspektiven auf Medizin, Migration und ethnisch‐
kulturelle Vielfalt, in: M. Coors, T. Grützmann, T. Peters eds. Das Fremde verstehen. Interkulturalität und ethische Konflikte in Medizin und Pflege. Göttingen 2014.
Seite 35
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Zeitlich und räumlich flexibler Charakter von „Kultur“
„Kultur ist ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und
Werteorientierungen, mit denen gesellschaftliche Gruppen auf strukturelle
Anforderungen reagieren. Dieses gemeinsame Repertoire an Symbolen,
Kommunikations- und Repräsentationsmitteln ist dynamisch in seiner
Anpassung an gesellschaftliche Veränderungsprozesse.
Es ist damit ein dem Wandel unterliegendes Orientierungssystem, das
Wahrnehmung, Werte sowie das Denken und Handeln von Menschen in
sozialen, politischen und ökonomischen Kontexten definiert“
Sabine Handschuck; Hubertus Schröer (2002):
Interkulturelle Orientierung und Öffnung von Organisationen.
„neue praxis" 5, S. 511-521.
Seite 36
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Determinanten von Ethnizität
 Konstruktivistische
Ethnologie
Ethnizität als dynamischer Prozess
von Selbst- und Fremdzuschreibung
 Flexibilität
 Temporalität
 z.T. willkürliche Abgrenzung über
Der „Kanakmän“ von Muhsin Omurca (geb. im
türk. Bursa, dt.-türk. Kabarettist und Cartoonist,
gründete mit Sinasi Dikmen 1986 das KnobiBonbon-Kabarett in Ulm (1. dt-sprachiges
türk. Kabarett in Dtl.)
• Sprache
• Religion/Überzeugungssysteme
• Wir-Bewusstsein
Seite 37
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
These zur „Interkulturalität“
„Der interkulturelle Patient ist im Wesentlichen ein
Interaktionsphänomen, das Achtsamkeit erfordert“.
Die Sensibilisierung für die Belange fremdkultureller Patienten trägt
letztendlich dazu bei, Standards der Versorgung
„einheimischer“ Patienten zu hinterfragen.
Seite 38
Ethische Konfliktfelder der Interkulturalität im Krankenhaus| Dr. Frank Kressing| 28-09. 2016
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
[email protected]
Herunterladen