Ethik in der Klinik II „Arbeitsgruppe Ethik“ des Klinikums Kempten-Oberallgäu 30.05.2007: Dr. Rupert Scheule, Dr. Gerd Kellner Worum geht es heute? Grundsätzliches und Praktisches Typen ethischer Argumentation „Ethik in der Klinik“ – praktisch. Die ethische Fallbesprechung im Rollenspiel 1 Was ist Ethik? Ethik ≠ Moral Ethik ist die Reflexion der Moral. Deskriptiv-empirische Ethik ≠ normative Ethik Beschreiben & Analysieren Orientieren & Begründen Was ist Ethik? Fundamentalethik ≠ Angewandte Ethik Allgemeine ethische Begründungsfiguren Ethische Imperative (handle moralisch!) im Zusammenspiel mit „funktionalen Imperativen“ (Heile! Verdiene Geld! Etc.) 2 Ethische Argumentationen Drei Aufgaben: ein „unhintergehbares“, „warum-festes“ ethisches Prinzip zu definieren, aus dem ethischen Prinzip Regeln ableiten, Regeln auf konkrete Handlungen beziehen, die dann entweder als richtig oder als falsch erscheinen. Ethische Argumentationen zwei heute vorherrschende Typen: Kantianismus (Immanuel Kant, + 1804) Utilitarismus/Interessens -ethik (John S. Mill, +1873) 3 Utilitarismus „warum-festes“ ethisches Prinzip? Der Wert von Glück und der Unwert von Leiden bilden ein Bewertungsprinzip, „von dem problemlos angenommen werden kann, daß es für jedermann nachvollziehbar ist und von allen akzeptiert wird“ (Birnbacher 1995, 82). Nutzen: maximales Glück, minimales Leiden Utilitarismus Utilitaristische Regel/Maxime? Maximiere die „Nutzensumme“ aller von einer Handlung Betroffenen (Nutzensummenutilitarismus) Maximiere den „Durchschnittsnutzen der von einer Handlung Betroffenen (Durchschnittssummenutilitarismus) 4 Utilitarismus - Würdigung Positiv: Negativ: Keine „Spaßethik“ hohe Alltagsevidenz unter Menschen mit ähnlichen Glücksvorstellungen Ist das Glück von A überhaupt B vermittelbar? Ist das Glück von A und B summenfähig? Maximiere die „Nutzensumme“ aller von einer Handlung Betroffenen (Nutzensummenutilitarismus) „Wie ist es möglich von ganz ungleichartigen Dingen eine Summe zu ziehen, die Befriedigung ganz verschiedener Gefühle dem Grade nach, in welchem sie Lust sind mit einander zu vergleichen, kleine Freuden und große Schmerzen gegen einander abzuwägen?“ Immanuel Kant Sollen ≠ Wollen Freiheit ≠ Lust Freiheit ~ Vernunft Vernunft ~ gedankliche Widerspruchsfreiheit Vernünftigkeit muss anerkannt werden, auch wenn sie außerhalb meiner eigenen Vernunft begegnet. Abgleich vernünftiger Freiheitsvollzüge Vorrang der Vernunft (und seiner TrägerInnen) vor der Unvernunft 5 Immanuel Kant „warum-festes“ ethisches Prinzip? Kategorischer Imperativ (KI): Was für mich gilt, muss auch für alle anderen TrägerInnen von Vernunft gelten. „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“ Immanuel Kant Kategorischer Imperativ Selbstzwecklichkeitsformel Vernünftigkeit begründet alle objektiven Zweckmäßigkeiten und ist damit kategorischer Zweck an sich selbst. „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Prson eines jeden anderen, jederzeit zugleich Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ 6 Immanuel Kant - Würdigung Positiv: Schnörkellose Vernuftethik Allgemeine Anwendungsfähigkeit „Niemand verzwecken“ ist klarer Imperativ Negativ: Fixierung auf Vernüftigkeit Föten, Koma-Patienten nur mittelbar zu berücksichtigen Ausblendung des menschlichen Glückshorizontes Vorläufiges Fazit In der Praxis ethischer Urteilsfindung können kantianische und utilitaristische Begründungsmotive zusammenwirken: Handle so, wie du wolltest, dass man an dir handelt. Habe stets den Nutzen aller Beteiligten vor Augen. Sorge dafür, dass möglichst alle Beteiligten selbst definieren, was ihren Nutzen ausmacht. Verzwecke niemand für dein eigenes Nutzenkalkül. 7 Weitere Informationen unter http://www.kthf.uniaugsburg.de/scheule/Neues 8