Exposé Plank

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Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und –didaktik
Forschungskolloquium
Arbeitstitel: Arena für alle? Begründungslinien, Voraussetzungen und Merkmale demokratisch-inklusiver
Schule
Betreuung: Frau Prof. Dr. Christina Hansen
Kathrin Plank
Arbeitstitel:
Arena für alle?
Begründungslinien, Voraussetzungen und
Merkmale demokratisch-inklusiver Schule
Inhalt
1 Ausgangslage: Kassenhäuschen und Waffenlager – Partizipation vor dem
Hintergrund des demokratischen Kernprinzips politischer
Gleichheit…………………………………………………….…………………..……..2
2 Forschungsfragen………………………………………..………………………….7
3 Zielstellung der Dissertation…………………………..…………………………….8
4 Methodik……………………………………………….…………..………………….9
5 Geplante Laufzeit…………………………………………………….…….…….…10
Literatur………………………………………………………………….….…….……11
!1
1 Ausgangssituation: Kassenhäuschen und Waffenlager Partizipation vor dem Hintergrund des demokratischen Kernprinzips
politischer Gleichheit
Der nordamerikanische Partizipationsforscher Lester Milbrath beschreibt
Demokratie als Arena samt wacker kämpfender, weil aktiv partizipierender
Gladiator_innen und aufmerksamer Zuschauer_innen in ihrer Rolle als
interessierte Öffentlichkeit. Die so genannten Apathischen bleiben in dieser
Metapher der Arena der Demokratie fern. Aber was bedeutet das für eine
demokratisch verfasste Gesellschaft, wenn scheinbar nur bestimmte
gesellschaftliche Gruppen das Kassenhäuschen der Arena passieren
beziehungsweise sich mit Gladiatoren-Rüstzeug wappnen (dürfen), während
andere systematisch als Politik-Apathische auftreten? Bröckelt da nur die
Fassade der Arena oder sind zentrale Säulen in Gefahr?1
Demokratisch verfasste Systeme bewegen sich im Spannungsfeld zwischen
Individuum und Gesellschaft, zwischen Freiheit und Gleichheit. Moderne
Demokratie möchte gleichzeitig „eine Garantin individueller Rechte und des
Gemeinwohls“ (Hidalgo, 2014: 2014) sein. Die Bewahrung der Rechte
beziehungsweise Freiheiten des Einzelnen bei simultanem Streben nach einer
gleichberechtigten Gemeinschaft sind zentrale Strukturierungsmerkmale
demokratischer Organisationsformen. Diese Kernprinzipien wirken sich unter
anderem auf die Art der systeminternen und -externen Kommunikation, die
Prozesse der Entscheidungsfindung und -umsetzung, den Anspruch auf Schutz
aller Mitglieder und deren Verhältnis untereinander aus.
1
Vgl. Milbrath, L., 1995
!2
Die Schwächung der zentralen Merkmale einer Gesellschaft gefährdet sowohl
die Stabilität als auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten dieses sozialen
Systems.2
Das Prinzip der (politischen) Egalität kann unterschiedlich breit diskutiert
beziehungsweise in verschiedenen Funktionsbereichen demokratischer
Systeme interpretiert werden - jeweils mit weitreichenden Konsequenzen. Die
Bestrebung um Egalität kann beispielsweise in Verbindung mit der
demokratischen Funktion gesellschaftspolitischer Partizipation gesetzt werden:
Partizipation als Ergebnis, Ausdruck und Mittel demokratischer Gleichheit.
In einem eher liberalistischen, „mager-demokratischen“ Verständnis kann die
verfassungsgemäße Verankerung des gleichen Rechts auf Beteiligung als
ausreichend interpretiert werden.3 Weiter gefasste Ansätze legen den Anspruch
breiter aus und nehmen die faktische Wahrnehmung der formalen Möglichkeiten
in den Blick: Welche gesellschaftlichen Kohorten partizipieren (nicht) und warum
ist das so? Welche Ressourcen und Voraussetzungen ermöglichen den Zugang
zu einer Beteiligung am politischen Diskurs, welche
Barrieren erschweren
diesen? Und wie können derartige Hindernisse identifiziert und abgebaut
werden? Ergebnisse der empirischen Partizipationsforschung weisen die
systematische
Benachteiligung spezifischer gesellschaftlicher Kohorten im
Bereich gesellschaftspolitischer Partizipation nach. Nicht alle gesellschaftlichen
Gruppen können die formal im gleichen Ausmaß gewährleisteten Möglichkeiten
faktisch auch auf die gleiche Art und Weise wahrnehmen.
2
Vgl. Giddens, A., 1988
3
Vgl. Barber, B.,1994
!3
Dies betrifft in unterschiedlichem Ausmaß und auf unterschiedlichen Ebenen
unter anderem Zugehörige sozial benachteiligter Klassen,
Geringverdiener_innen, Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen,
Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen. Neben einer weniger intensiv
ausgeprägten Partizipationsperformance, der Unterrepräsentation in
parlamentarischen Gremien und außerparlamentarischen Netzwerken fällt vor
allem die politische Selbstwirksamkeitserwartung bei Zugehörigen der
genannten Gruppen auffallend gering aus.4
Ein dauerhafter Ausschluss von spezifischen Gruppen aus
gesamtgesellschaftlich relevanten Entscheidungsprozessen führt zu einer
Schieflage in der Repräsentation der Interessen aller Mitglieder eines
demokratisch verfassten Systems.5 Dies kann je nach Lesart als Gefährdung
der Anbahnung politischer Egalität und damit im strukturationstheoretischen
Kontext als Destabilisierungsfaktor gelesen werden.
Die Annäherung an den Anspruch politischer Egalität gemäß einer breiten
Interpretation stellt angesichts der lauter werdenden Klagen über eine
postdemokratische Krise6 eine zentrale Herausforderung an aktuelle
Demokratien dar.
4
Vgl. Bertelsmann Stiftung 2014; Vgl. Alexander von Humboldt Institut für Internet und
Gesellschaft, 2014; Vgl. Gisart, B., 2013; Vgl. Fuchs, D./ Roller E., 2013; Vgl. Hoecker, B., 2013;
Vgl. Infratest dimap, 2013; Vgl. Partheymüller, J./ Schäfer, A., 2013; Vgl. Petersen, T. u.a., 2013;
Vgl. Weßels, B., 2013; Vgl. Bödeker, 2012; Vgl. Reuband, K.-H., 2012; Vgl. Embacher, S., 2011;
Vgl. Sauer, B./ Wöhl, S, 2011; Vgl. Bertelsmann Stiftung, 2010; Vgl. Glaab, M./ Weidenfeld, W./
Weigl, M., 2010; Vgl. Merkel, W./ Petring, A., 2010; Vgl. Niedermayer, O., 2010; Vgl. Schäfer, A.,
2010; Vgl. Schutz, W., 2008; Vgl. Bertelsmann Stiftung 2004 Vgl. Schupp, J./ Wagner, G., G.,
2004; Vgl. Westle, B./ Schoen, H., 2002
5
Vgl. Schäfer, A., 2012
6
Vgl. Mouffe, C., 2011; Vgl. Sauer, B., 2011
!4
Doch wo ansetzen? Wie kann der Zugang zum politischen Diskurs
verantwortungsbewusst und nachhaltig für alle Mitglieder geöffnet werden? Eine
veränderte, anerkennungstheoretisch gewendete Perspektive auf die
notwendigen Voraussetzungen und Ressourcen, die gesellschaftliche
Akteur_innen zur Beteiligung befähigen, birgt in diesem Zusammenhang ein
gewisses Entwicklungspotential. Angelehnt an die Forderung des gleichen
Rechts auf moralischen Respekt wird dementsprechend jedem Mitglied einer
demokratischen Gesellschaft grundsätzlich die Fähigkeit zu Partizipation
zugestanden - sofern die dazu notwendigen sozialen Erfahrungen und
Lernprozesse gemacht werden können.7 Dies impliziert eine Verabschiedung
von der Vorstellung, dass nur mache oder per se alle zu politischer Beteiligung
befähigt sind - ohne Berücksichtigung erforderlicher Voraussetzungen oder
etwaiger Gefahren. Damit rückt der Zugang zur Anbahnung erforderlicher
Inhalte, Kompetenzen und Haltungen und damit die Schlüsselfunktion
institutionalisierter Bildungs- und Erziehungsprozesse in den Fokus. Der Schule
als immer zentralerer Sozialisationsinstanz wohnt einerseits das Potential inne,
Ungleichheiten und Benachteiligungen zu identifizieren und abzubauen, um
allen Mitgliedern einer demokratischen Gesellschaft den Zugang zum
politischen Diskurs anerkennungsgerecht zu öffnen. Andererseits kann die
Einrichtung auch zur Installation zusätzlicher Barrieren und zu einer
Zementierung gesellschaftlicher Ungleichverhältnisse beitragen.
7
Vgl. Honneth, A., 1992; Stojanov, K., 2008
!5
Welche Zielstellungen und Anforderungen sind dementsprechend mit einer
Schule verbunden, die über den anerkennungsgerechten Zugang zu individuell
bedeutsamen Lernprozessen und sozialen Erfahrungen den
anerkennungsgerechten Zugang zu gesellschaftspolitischer Partizipation
aufschließt? Welche Voraussetzungen und Merkmale zeichnet eine derartige
„demokratisch-inklusive Schule“ aus?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Dissertationsprojektes, im Rahmen
dessen das Modellkonzept der demokratisch-inklusiven Schule abgeleitet wird.
!6
2 Forschungsfragen
1.
Welche subjektbezogene und strukturelle Bedeutung kommt
gesellschaftspolitischer Partizipation beziehungsweise der gleiche Zugang
hierzu in einem sozialen System demokratischer Verfasstheit zu?
2.
Welche gesellschaftlichen Kohorten partizipieren (nicht) und in
welchem Ausmaß?
3.
Welche Voraussetzungen und Ressourcen ermöglichen
gesellschaftlichen Akteur_innen in einer demokratischen Gesellschaft
aktive, kritische und kompetente gesellschaftspolitische Partizipation?
4.
Welche Wissensinhalte, Kompetenzen und Haltungen stellen
partizipationsspezifische Ressourcen dar?
5.
Welche Bedeutung kommt der Schule im Rahmen der Eröffnung eines
anerkennungsgerechten Zugangs zu gesellschaftspolitischer Partizipation
zu?
6.
Welche Voraussetzungen auf struktureller, personeller und
unterrichtlicher Ebene muss Schule/ das Bildungssystem erfüllen, um der
Zielstellung einer anerkennungsgerechten Eröffnung des Zugangs zu
gesellschaftspolitischer Partizipation über die anerkennungsgerechte
Eröffnung des Zugangs zur Anbahnung partizipationsspezifischer
Kompetenzen und Haltungen gerecht zu werden und welche Möglichkeiten
sind in diesem Zusammenhang denkbar?
!7
3 Zielstellung der Dissertation
Ziel des Dissertationsprojektes ist die Systematisierung spezifischer
Begründungslinien hin zu einem in Zielstellungen, Anforderungen und
Merkmalen fachwissenschaftlich begründeten Modells demokratisch-inlusiver
Schule.
Zielstellung demokratisch-inklusiver Schule
• Analyse der Bedeutung einer anerkennungsgerechten Öffnung des Zugangs
zu Partizipationsmöglichkeiten
• Analyse subjektbezogener Voraussetzungen
• Ableitung eines Modells partizipationsspezifischer Wissensinhalte,
Kompetenzen und Haltungen
Anforderungen demokratisch-inklusiver Schule
• Analyse der Möglichkeiten zur Charakterisierung des Zugangs
• Spezifizierung der Bedeutung der Bildungs- und Erziehungsinstitution Schule
im Sinne einer anerkennungsgerechten Öffnung
• Identifizierung zentraler Barrieren
Voraussetzungen und Merkmale demokratisch-inklusiver Schule
• Ableitung zentraler Voraussetzungen demokratisch-inklusiver Schule
• Ableitung zentraler Merkmale demokratisch-inklusiver Schule auf struktureller,
personaler und unterrichtlicher Ebene
!8
5. Methodik
Aufgrund der breit angelegten Forschungsfrage und ihrer soziologischen
beziehungsweise bildungsphilosophischen Färbung ist in methodischer Hinsicht
eine theoretische Untersuchung geplant. Dies bedeutet, dass im Sinne einer
Sekundär-8 oder auch „Second- Desk“-Forschung bereits bestehende
Wissensbestände diskursiv, vergleichend und bezüglich aufbereitet werden, um
über nachvollziehbare gedankliche (De-) Konstruktionen logische
Zusammenhänge offen zu legen.
Dabei ist ein methodisches Gerüst erforderlich, das eine interdisziplinär offene
strukturelle Analyse ermöglicht, ohne dabei die Bedeutung handlungsmächtiger
Subjekte auszublenden. Benötigt wird demgemäß ein analytisches Instrument,
das den Dualismus zwischen Handeln und Struktur überwindet, um eine
Auseinandersetzung mit den wechselseitig aufeinander bezogenen strukturellen
und subjektbezogenen Aspekten gesellschaftspolitischer Partizipation
ermöglicht. Aus diesem Grund wird die Strukturationstheorie Anthony Giddens
als methodisches Gerüst verwendet.
Mit der Strukturationstheorie, die vor allem in seinem Hauptwerk „The
Constitution of Society. Outline of the theory of structuration“ von 1984 dargelegt
wird, konstruiert Anthony Giddens eine sozialwissenschaftliche und von ihm als
Sozialtheorie9 begriffene Grundlagentheorie, die beachtliche Ansätze zur
Überwindung des Dualismus zwischen subjektivistischen und objektivistischen
8 Vgl.
9
Sandberg, 2012, S. 47
Vgl. u.a. Walgenbach, P., 2006, S. 403, Reckwitz, A., 2007, S. 314
!9
Theoriegebäuden bietet.10 Unter Beachtung der Vorwürfe der Verwendung
unklarer beziehungsweise teilweise widersprüchlich eingesetzter
Begrifflichkeiten11, mangelnder empirischer Anwendbarkeit12 und des
Eklektizismus13 stellt die Strukturationstheorie aufgrund der darin ausgebreiteten
Denkfigur der Dualität der Struktur einen sinnvollen theoretischen Rahmen zur
Analyse partizipativer Strukturen und Prozesse bezüglich deren struktureller und
subjektbezogener Bedeutungsaspekte dar. Die Anschlussfähigkeit der
Strukturationstheorie kommt der interdisziplinären Betrachtung des
Forschungsgegenstands entgegen.14
6. Geplante Laufzeit
Die voraussichtliche Laufzeit wird auf den folgenden Zeitraum angelegt:
Wintersemester 2013/14 – Sommersemester 2017
10
Vgl. u.a. Thießen, A., 2011; S. 136
11
Thießen verweist auf die Uneindeutigkeit der unbestimmten, teilweise widersprüchlich
verwendeten Begriffsdefinitionen und deren Auswirkung auf die Anwendbarkeit des Ansatzes.
So verläuft die Grenze zwischen sozialen Praktiken und Institutionen beispielsweise schwammig
und unklar. (Vgl. Thießen, A., 2011, S. 136)
12
Giddens´ Theorie bewegt sich auf einem hohen Abstraktionslevel. Dies wirkt sich negativ auf
die Verwendbarkeit in empirischen Zusammenhängen aus und könnte die geringe Rezeption der
Theorie in empirischen Untersuchungskontexten erklären. (Vgl. Thießen, A., 2011, S. 137)
13
Zwar nimmt Giddens verschiedene theoretische „Versatzstücke“ in seinen Ansatz auf, um
daraus eine neue theoretische Einheit zu bilden, benutzt er diese aber keineswegs additiv,
sondern bedeutet gerade deren Verbindung die Überwindung theoretischer Schwächen (Vgl.
Thießen, A., 2011, S. 137).
14
Vgl. u.a. Thießen, A., 2011, S. 138
!10
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