Kapitel 11 Determianten, Flächen und Volumen In der Schule lernt man, dass man die Fläche eines Dreiecks am Besten als “Grundseite mal Höhe durch zwei” berechnet. Das ist zwar ganz nützlich, setzt aber voraus, dass man sowohl auf die Grundseite, als auch auf die Höhe direkten Zugri↵ hat. Bei der Grundseite mag das unter praktischen Gesichtspunkten ja noch vergleichsweise einfach sein (Zollstock anlegen und Messen). Bei der Höhe ist dies meinst schon nicht mehr so selbstverständlich. Um sie bei einer ebenen Figur auszumessen, muss man zunächst einmal einen rechten Winkel anlegen. Liegt das Dreieck im Raum, so kann es sogar notwendig werden, das man den Satz des Pythagoras bemühen muss (Man denke an die Giebelseite eines schrägen Walmdachs). In Schulaufgaben hat man nicht selten Rechenkästchen, die es vergleichsweise einfach machen, den Inhalt zu bestimmen . . . zumindest so lange eine Seite Achsenparallel ist . . . ansonsten muss wieder Pythagoras herhalten. Dabei wäre es doch so schön, wenn man die Fläche direkt aus den Koordinaten der Ecken berechnen könnte, oder in anderen Fällen aus den Längen der Kanten, denn die kann man ja messen. An dieser Stelle kommen die Determinanten ins Spiel. Mit ihnen lassen sich verblü↵end elegante Formeln für Flächeninhalte und Volumina herstellen. Oftmals sind diese nicht nur elegant, sondern lassen auch noch spannende und überraschende Verallgemeinerungen zu. In der Tat haben auch historisch Volumenberechnungen bei der Begründung des Determinantenbegri↵s ein große Rolle gespielt. Bevor Sie weiterlesen, überlegen Sie bitte, wie Sie mit Schulmitteln, den Flächeninhalt des Nebenstehenden Dreicks berechnen würden (ein Kästchen ist eine Einheit), ohne dabei jemals eine Wurzel zu ziehen, oder mit dem Geodreieck herum zu hantieren. Voraussetzungen: Definition von Determinanten, 2 ⇥ 2 und 3 ⇥ 3 Determinanten berechnen können, Multilinearität, Matrizenmultiplikation, die Formel det(A · B) = det(A) · det(B) 163 164 11 Determianten, Flächen und Volumen 1 Prolog “Papa, gib mir Mathe-Vorhilfe. . .” so fing vor ungefähr neun Jahren ein Gespräch mit meiner Tochter an, die damals in der zweiten Klasse war. Nachhilfe wollte sie nicht, aber ein wenig Smalltalk über Mathematik konnte sicherlich nicht schaden. Da sie gerade das kleine Einmaleins lernte und ich Geometrieprofessor bin, einigten wir uns darauf, über die Zusammenhänge von Rechnen und Geometrie zu reden. Es ergab sich darauf hin ein Dialog, bei dem wir schrittweise immer komplexere Formen der Flächenberechnung entwickelten. Wir begannen mit einem einfachen Rechteck, bei dem zwei Seitenlängen in Kästcheneinheiten gegeben waren und bestimmten den Flächeninhalt, also die Anzahl der eingeschlossenen Kästchen. Meine Tochter fing zunächst an, die einzelnen Kästchen zu zählen, nachdem das aber begann, mühsam und fehleranfällig zu werden, konnten wir uns schnell darauf einigen, dass genau dies eine hübsche Anwendung für das kleine Einmaleins ist. Ist der Zusammenhang von Multiplikation und Rechtecken erst einmal verstanden, so kann man nicht viel mehr lernen wenn man jetzt zwanzig Aufgaben vom selben Typus berechnet. Stattdessen fingen wir an, die Aufgabenstellung zu variieren: Was passiert mit Rechtecken bei denen ein kleines Rechteck weggenommen wurde? Was passiert mit beliebig geformten (achsenparallel begrenzten) Flächen? Dies ist eine Fragestellung, bei der man sehr gut eine mathematische Grundstrategie lernen kann. Komplexe Probleme werden derart in viele kleine Einzelprobleme zerlegt, dass man aus deren Lösung einfach die Gesamtlösung rekonstruieren kann (diese Strategie sollte man such merken, die werden wir später noch oft anwenden). Sodann machten wir einen qualitativen Sprung und begannen uns schräg begrenzten Flächen zuzuwenden. Das Grundprinzip ist schnell verstanden: Wird ein Rechteck entlang einer Diagonalen zerschnitten, so entstehen zwei Teile, die beide gleich groß sind somit jeweils halb so groß wie das Rechteck. Erstaunlicherweise reicht diese Beobachtung bereits aus, um damit recht einfach den Flächeninhalt von beliebig geformten Dreiecken zu bestimmen, so lange die Eckpunkte nur auf dem Gitter liegen. Man umschließt das Dreieck einfach mit einem Rechteck (dessen Inhalt kann man ja einfach ausrechen) und zieht den Inhalt der an den Ecken verbleibenden überstehenden Dreiecke wieder ab (diese sind halbierte achsenparallele Rechtecke und deswegen auch einfach auszurechen). In der Tat ist es von diesen Überlegungen sogar nur noch ein kleiner Schritt bis hin zum Satz des Pythagoras, wie das neben stehende letzte Bild andeutungsweise erkennen lässt. Es treten rechtwinklige Dreiecke mit Kathetenlängen von 3 und 4 Einheiten auf, und man kann berechnen, dass der Inhalt des mittleren Quadrates 25 Einheiten beträgt. Also muss dessen Seitenlänge, die Hypotenuse, genau 5 Einheiten lang sein. Meine Tochter und ich haben uns an diesem Nachmittag richtig gut gefühlt. 2 Von Koordinaten zu Flächen 165 2 Von Koordinaten zu Flächen Was hat das Ganze nun mit Determinanten zu tun? In der Vorlesung Lineare Algebra lernt man, dass Determinanten dazu verwendet werden können, um aus den Koordinaten von Eckpunkten Flächeninhalte zu berechnen. Die Überlegungen im letzten Abschnitt, leisten genau das gleiche. Da der Flächeninhalt eine eindeutige Größe ist, müssen wir im Prinzip bei den Überlegungen des letzen Kapitels Determinanten ausgerechnet haben (und das letztlich mit Mitteln der Grundschulmathematik). Wir wollen zunächst analysieren, was die Betrachtungen des letzten Abschnittes algebraisch leisten. 2.1 Dreiecksinhalt Zunächst einmal ist es klar, dass der Inhalt eines achsenparallelen Rechtecks, dessen linke untere Ecke (0, 0) und dessen rechte obere Ecke (x, y) ist, genau den Flächeninhalt x · y hat. Das Dreieck dass durch halbieren dieses Rechtecks entlang einer Diagonalen entsteht hat den Flächeninhalt x·y 2 . Betrachten wir nun das an der Seite abgebildete Dreieck, dessen eine Ecke auf den Nullvektor einer Koordinatensystems fällt. Das umschließende Rechteck hat den Flächeninhalt x1 · y2 . Die beiden orangenen Dreiecke, die an den Nullvektor grenzen, haben Inhalte x12·y1 und x22·y2 . Für das blaue Dreieck müssen wir zunächst die Seitenlängen über die Di↵erenzen (y1 y2 ) und (x2 x1 ) be2 x1 ) stimmen: der Flächeninhalt des blauen Dreiecks ergibt sich zu (y1 y2 )·(x . 2 Alles in Allem erhalten wir für den Flächeninhalt F des weißen Dreiecks: F = x 1 y2 = x 1 y2 = x 1 y2 2 = (x1 y2 x 1 y1 2 x 1 y1 2 y1 x 2 2 x 2 y2 2 x 2 y2 2 (y1 y2 )·(x2 x1 ) 2 y1 x 2 y1 x 1 y2 x 2 2 + 2 + 2 y2 x 1 2 y1 x2 )/2 Das ist genau die Hälfte der Determinante einer 2 ⇥ 2 Matrix mit den beiden Spaltenvektoren (x1 , y1 ) und (x2 , y2 ). Somit ergibt sich eine Formel die man wohl in der Linearen Algebra gelernt hat. ✓ ◆ 1 x x F = det 1 2 y1 y 2 2 Es soll hier nicht behauptet werden, dass diese Herleitung besonders einfach ist (mit Mitteln der Linearen Algebra geht das schneller), aber sie ist besonders elementar. Letztlich haben wir fast nur Flächenberchung achsenparalleler Rechtecke, Ausklammern, Terme zusammenfassen und ein wenig gesunden Menschenverstand verwendet. 166 11 Determianten, Flächen und Volumen Gehirngymnastik: Die Formel (x1 y2 y1 x2 )/2 berechnet letztlich die Di↵erenz zweier halbierter Rechtecksinhalte. Frage 1: Welche Rechtecke sind das? Frage 2: können sie “sehen” wie sich aus der entsprechenden Di↵erenz die Größe F ergibt? 2.2 Wie allgemein ist das? Unsere gefundene Formel für den Flächeninhalt ist verblü↵end einfach: ✓ ◆ 1 x x F = det 1 2 = (x1 y2 y1 x2 )/2. y 1 y2 2 Bei genauer Betrachtung des letzten Kapitels wird man allerdings festgestellen, dass wir uns an einer Stelle das Leben ein wenig einfach gemacht haben. Beim Überragen der Zeichnung des Dreiecks in das Koordinatensystem haben wir die Vektoren so gewählt, dass das Vorzeichen des umschließenden Rechtecks positiv war, ebenso wie die Vorzeichen der subtrahierten Dreiecke. Dies lag daran, dass alle Koordinaten der Punkte positiv waren, und (x2 , y2 ) gegen den Uhrzeigersinn gegenüber (x1 , y1 ) gedreht lag. In anderen Situationen werden die in unserer Formel von oben berechneten Summanden, die den Rechtecks- und Dreiecksflächen entsprechen, eventuell andere Vorzeichen haben. Funktioniert unsere gefundene Formel dann immer noch? Man kann sich an dieser Stelle sehr schnell in eine lange Fallunterscheidung verstricken und versuchen, jeden möglichen Fall für Vorzeichen der Summanden, die sich durch Lage der Vektoren ergeben können, auszuprobieren. Es gibt aber auch einen eleganten argumentativen Weg zu verstehen, was die Formel genau leistet. Bevor wir uns dieser zuwenden, müssen wir uns aber über einen wichtigen Aspekt der Flächenberechnung Gedanken machen, nämlich das Vorzeichen einer Fläche. 2.3 Orientierte Dreiecke In der Schule betrachtet man üblicherweise den Flächeninhalt eines Dreiecks als eine positive Größe. Das ist auch durchaus vernünftig, denn für den Bauer in einer klassischen Textaufgabe ist ein negatives Stück Acker wenig sinnvoll. Dennoch ist es in der Mathematik oftmals sinnvoll, sich von Formeln, die bei einer Berechnung herauskommen, ein wenig, inspirieren zu lassen insbesondere, wenn diese einfach und elegant sind. Im vorliegenden Fall können bei der Determinante auch negative Werte herauskommen und wer die im letzen Kapitel angesprochene Mühe auf sich nimmt die Situation für verschiedene möglichen Lagen der Punkte durchzurechnen, stellt fest, dass in ziemlich genau der Hälfte der Fälle der berechneter Dreiecksinhalt genau gleich der 2 Von Koordinaten zu Flächen 167 positiven Determinante in der anderen Hälfte genau gleich der negativen Determinante sein wird. Wären wir ausschließlich an positiven Größen für Flächeninhalte interessiert, so müssten wir in unserer obigen Formel streng genommen folgendermaßen schreiben: ✓ ◆ 1 x x F = det 1 2 . y1 y 2 2 Durch die Betragsstriche werfen wir gewissermaßen Information fort (das Vorzeichen), die vorher in der Determinante noch vorhanden war. Wir wollen nun untersuchen, was es genau mit dem Vorzeichen auf sich hat, um dann später festzustellen, dass es mathematisch durchaus sinnvoll und nützlich sein kann auch negative Flächeninhalte zuzulassen (ganz ähnlich zur Situation bei den natürlichen Zahlen, bei denen es ja auch nützlich und sinnvoll ist, negative Zahlen einzuführen). Wir wollen uns also das Vorzeichen der Determinante ✓ ◆ x x det 1 2 y1 y2 ein wenig genauer ansehen. Hierzu halten wir zunächst den einen der beiden Vektoren fest und betrachten die Determinante als✓Funktion ◆ des anderen x x Vektors. Sei also v := (x1 , y1 )T und es sei f (v) := det 1 2 . Wir halten y 1 y2 also den zweiten Spaltenvektor fest und betrachten die Determinante als eine Funktion des ersten Spaltenvektors. Wie man in der Linearen Algebra lernt, ist die Determinante eine multilineare Funktion der Spalten der Matrix; also insbesondere linear in der ersten Spalte. Also ist f (v) eine lineare Funktion und damit insbesondere stetig in v. Als stetige Funktion kann sie natürlich wenn man v in der Ebene bewegt nicht plötzlich sprunghaft das Vorzeichen wechseln, sondern gleitet quasi sanft vom Positiven ins Negative über. Bei diesem Übergang muss sie notwendig zumindest einmal den Wert 0 annehmen, also schauen wir uns als Nächstes an, für welche Werte f (v) = x1 y2 y1 x2 den Wert 0 annehmen kann. In solch einem Fall gilt x1 y2 = y1 x2 . Anders ausgedrückt ist dies genau dann der Fall wenn einer der Spaltenvektoren ein Vielfaches des anderen ist. Für unsere Funktion f (v) bedeutet dies, dass sie genau dann gleich 0 wird, wenn der Vektor v auf der Geraden liegt, die von w := (x2 , y2 )T und dem Nullpunkt aufgespannt wird. Dies passt sehr gut zu zwei Dingen die wir kennen.Der Flächeninhalt unseres Dreiecks wird natürlich zu Null, wenn der Nullpunkt und die beiden Vektoren auf einer Geraden liegen. Weiterhin kennt man aus der Linearen Algebra den Satz, dass die Determinante verschwindet, wenn die Spalten linear abhängig sind. Beides ist im Prinzip die gleiche Tatsache, einmal in der Sprache der Geometrie, einmal in der Sprache der Algebra ausgedrückt. Die von (0, 0)T und dem Vektor w aufgespannte Gerade teilt also unsere Fläche in zwei Teile. Auf der einen Seite ist f (v) positiv, auf der anderen Seite ist f (v) negativ. Der positive Wert ergibt sich wenn – wie in unserem Beispiel 168 11 Determianten, Flächen und Volumen – die Richtung des Vektors (x2 , y2 ) sich durch eine Drehung von mehr als 0 und weniger als 180 gegen den Uhrzeigersinn aus der Richtung von (x1 , y1 ) ergibt. Muss man im Uhrzeigersinn drehen, wird die Determinante negativ. Beträgt der Winkel genau 0 oder 180 , so sind die Vektoren mit dem Nullvektor kollinear, und die Determinante verschwindet. In den nebenstehenden Abbildungen wird einerseits diese Gebietsaufteilung dargestellt, andererseits sieht man den Wert der Determinante dargestellt als Funktion f : R2 ! R in Abhängigkeit von v. Da die Determinante eine lineare Funktion in v ist, ist dieser Funktionsgraph nichts anderes als eine Ebene, die an genau der durch (0, 0) und (x2 , y2 ) aufgespannten Gerade die Nullline durchstößt. (TODO Bilder machen). Definition 11.1. Ist v = (x1 , y1 )T , w = (x2 , y2 )T und 0 = (0, 0)T , so nennt man die Funktion ✓ ◆ 1 x1 x2 F(0,v,w) := det y1 y2 2 den orientierten Flächeninhalt des Dreieckes = (0, v, w). 2.4 Stimmt unsere Formel? Wir haben bisher immer noch nicht geklärt, ob die in dieser Definition angegebene Definition auch wirklich mit dem tatsächlichen orientierten Flächeninhalt des Dreiecks übereinstimmt. Nach unserer Vorarbeit ist das aber verhältnismäßig einfach: Betrachten wir hierzu doch einmal die klassische Schulformel, dass sich die Dreiecksfläche als Grundseite mal Höhe durch zwei ergibt. Das einzige was wir von dieser Formel brauchen, ist die Tatsache dass sie linear in der Höhe des Dreiecks ist. Halten wir wieder den Vektor w fest, betrachten die Strecke G = 0, w als Grundseite des Dreiecks, so ergibt sich die Höhe des Dreiecks aus der Position von v gerade so, dass Orte gleicher Höhe des Dreiecks Parallelen zu G sind. Um nun orientierte Dreiecksflächen zu betrachten, müssen wir die Höhe auf der einen Seite von G positiv und auf deren andern Seite negativ werten. Zeichnet man den Funktionsgraph der sich so ergebenden tatsächlichen Dreiecksfläche, so ergibt sich genau das gleich Bild wie bei der Determinanten. Die Höhe und somit die Dreichecksfläche verschwindet, wenn das Dreieck ausartet (also v auf der Trägergeraden der Grundseite G liegt). Also stimmt die Funktion der tatsächlichen gemessenen orientierten Dreiecksfläche mit unserer definierten Funktion F(0,v,w) sowohl an den Stellen überein, wo sie null werden (die Trägergerade von G, bzw der von w aufgespannte Unterraum), als auch an einem weiteren Punkt, wie wir im Abschnitt 1.2.1 gesehen haben. Als lineare Funktionen müssen sie daher miteinander überein zu stimmen. Wir können somit guten Gewissens 3 Allgemeinere Flächen 169 F(0,v,w) als orientierten Flächeninhalt betrachten. Zwei Dinge sind an dieser Stelle noch erwähnenswert, die später noch relevant werden sollen. Bemerkung 1 Für die Linearität des tatsächlichen Flächeninhalts ist es essentiell wichtig, den orientierten Flächeninhalt zu betrachten. Der Absolutwert des Flächeninhalts f (v) würde sich zwar links und rechts der Gerade durch G wie eine Lineare Funktion verhalten hätte aber an dieser Stelle einen Knick, analog zur Betragsfunktion x 7! |x|. Bemerkung 2 Wir haben argumentiert, dass zwei lineare Funktionen f (v) und g(v) gleich sind, wenn sie die gleichen Nullstellen haben und in einem weiteren Punkt übereinstimmen. Wir werden im folgenden noch öfter argumentieren müssen, dass zwei Funktionen identisch sind. Wir werden uns hierzu einen Satz aus der Analysis entlehnen, der dazu dass vielleicht allgemeinste Werkzeug darstellt. Sind zwei Funktionen f (x) und g(x) analytisch und stimmen sie auf einer volldimensionalen Umgebung (egal wie klein die sein mag) eines Punktes ihres Definitionsbereiches überein, so sind beide Funktionen identisch. Insbesondere sind lineare Funktionen, affine Funktionen oder noch allgemeiner Polynome alles analytische Funktionen. 3 Allgemeinere Flächen Bisher haben wir uns sehr ausführlich mit einem einzigen Dreieck beschäftigt, dessen eine Ecke sogar noch im Ursprung des Koordinatensystems lag. Das ist wirklich sehr speziell! Wir wollen uns nun allgemeineren Flächen und deren Inhaltsbestimmung zuwenden. Wir fangen zunächst mit Dreiecken in beliebiger Lage an. Schaut man sich die Argumentationskette im Abschnitt 1.2.1 an, so wurde beim Bestimmen des Flächeninhalts lediglich auf das darunter liegende Koordinatenraster, nicht jedoch auf die Position des Nullpunktes Bezug genommen. Dieser spielte erst eine Rolle, als wir zu konkreten Berechnungen übergegangen sind. Wir könnten nun eine ähnliche Rechnung für Dreiecke in allgemeinen Positionen anstellen. Statt dessen wollen wir im folgenden einige Aussagen aus der Linearen Algebra verwenden, die uns hier das Leben ein wenig leichter machen werden. Determinanten haben zwei wichtige Eigenschaften 1. Determinanten sind multilinear in jeder Spalte 2. Determinanten sind antisymmetrisch in jeder Spalte. Wir werden diese Eigenschaften im Folgenden sowohl für 2⇥2 Determinanten als auch für 3 ⇥ 3 Determinanten verwenden. 170 11 Determianten, Flächen und Volumen 3.1 Dreiecke Wir betrachten nun ein Dreieck mit Eckpunkten u, v, w 2 R2 und bestimmen den orientierten Flächeninhalt F(u,v,w) . Verschieben wir dieses Dreieck so, dass die erste Ecke mit dem Nullpunkt zusammen fällt, so ändert sich der Flächeninhalt nicht. Diese Verschiebung kann man durch Subtraktion des Vektors u auf allen Ecken erreichen. Es gilt also F(u,v,w) = F(u u,v u,w u) = F(0,v u,w u) Wenden wir nun unsere vorherige Formel und die Eigenschaften der Determinante an, so erhalten wir: F(u,v,w) = F(0,v = = = = u,w u) 1 u, w u) 2 det(v 1 u) det(u, w u)) 2 (det(v, w 1 det(v, u) det(u, w) + 2 (det(v, w) 1 2 (det(u, v) + det(v, w) + det(w, u)) det(u, u)) = F(0,u,v) + F(0,v,w) + F(0,w,u) Die letzte Formel hat eine faszinierende geometrische Interpretation: Um den (orientierten) Inhalt eines Dreiecks zu erhalten, muss man lediglich die (orientierten) Inhalte der Dreiecke aufaddieren, die aus den Kanten von und dem Nullpunkt gebildet werden. Die Kanten werden dabei zyklisch gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen. Dies ist sofort einsichtig, wenn sich der Nullpunkt im Inneren des Dreiecks befindet. Dann zerfällt das Dreieck in drei kleinere Dreiecke deren Flächeninhalte allesamt positiv gewertet werden (hier verbirgt sich wieder das Zerlegungsprinzip, dass wir im Abschnitt 1.1 kennen gelernt haben). Überraschenderweise funktioniert das Ganze aber vollkommen unabhängig davon, wo der Ursprung liegt. Die Vorzeichen sorgen automatisch für die richtige Buchführung der Flächeninhalte. Dies erscheint zunächst ein wenig überraschend, ist aber genau das, was unsere gerade hergeleitete Formel besagt. Wir wollen uns dies dennoch an einem konkreten Beispiel verdeutlichen. Betrachten wir, wie in der untenstehenden Abbildung, ein Dreieck (u, v, w), 3 Allgemeinere Flächen 171 das den Nullpunkt nicht umschließt. So wie die Punkte in diesem Fall liegen, überschätzt der erste Summand F(0,u,v) die Dreiecksfläche gewaltig. Das was zu viel berechnet wurde, wird allerdings von den anderen beiden Summanden F(0,v,w) + F(0,w,u) perfekt kompensiert, da deren orientierter Flächeninhalt negativ ist. Bemerkung 3 Auch hier hätten wir argumentieren können, dass der orientierte Flächeninhalt eine analytische Funktion in den Koordinaten der Eckpunkte ist. Damit reicht es nämlich vollkommen aus, dass die Behauptung für Dreiecke, die den Ursprung umschließen, gilt. 3.2 Vierecke Betrachten wir als nächstes ein Viereck (t, u, v, w) und dessen Flächeninhalt F(t,u,v,w) . Das Viereck kann man einfach in zwei Dreiecke (t, u, v) und (v, w, t) zerlegen. Die Fläche des Vierecks ergibt sich als Summe der beiden Dreiecksflächen wir erhalten also: F(t,u,v,w) = F(t,u,v) + F(v,w,t) Berechnen wir den Inhalt der beiden Dreiecke nach unserer Formel, so ergibt sich: F(t,u,v,w) = F(t,u,v) + F(v,w,t) = F(0,t,u) + F(0,u,v) + F(0,v,t) + F(0,v,w) + F(0,w,t) + F(0,t,v) = F(0,t,u) + F(0,u,v) + F(0,v,w) + F(0,w,t) Die innere Kante v, t wird hierbei von den beiden Dreiecken in entgegengesetzter Richtung durchlaufen, die entsprechenden Terme fallen somit aus der Summe heraus. 172 11 Determianten, Flächen und Volumen Wieder ergibt sich, dass wir zur Berechnung des (orientierten) Flächeninhalts den Rand des Vierecks einfach nur gegen den Uhrzeigersinn ablaufen müssen, und für jede Kante vi , vi+1 den Flächeninhalt F(0,vi ,vi+1 ) aufaddieren. Wieder ist das Ganze vollkommen unabhängig von der genauen Position des Nullpunktes. An dieser Stelle erweisen sich unsere orienterten(!) Flächeninhalte ein weiteres Mal als richtig nützlich. Sie übernehmen nicht nur die Buchführung bei unterschiedlichen Positionen des Nullpunktes, sie sorgen auch dafür, dass nicht-konvexe Vierecke automatisch korrekt berechnet werden. Ein bildhaftes Beispiel soll zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes genügen: Das Dreieck (t, u, v) überschätzt zunächst den Flächeninhalt des konkaven Viereckes (t, u, v, w). Das zweite Dreieck (v, w, t) wird aber im Uhrzeigersinn durchlaufen, seine Fläche ist somit negativ zu werten und sorgt genau dafür, dass die einspringende Ecke wieder abgezogen wird. Die eben gemachte Überlegung, mit der negativ orientierten einspringenden Ecke ist übrigens für die Begründung, dass man um den Flächeninhalt durch Umlaufen, des Randes und Aufsummieren der Determinanten berechnen kann nicht die einzige Beweisstrategie. Auch ein konkaves Viereck lässt sich nämlich in zwei Dreiecke zerlegen, die beide nun mit jeweils positiver Fläche addiert werden. (in unserem Beispiel sind das (u, v, w) und (u, w, t). Wie zuvor heben werden Kanten aneinander grenzender Dreiecke in unterschiedlichen Richtungen durchlaufen. Die zugehörigen Determinanten heben sich dabei wieder weg. 3 Allgemeinere Flächen 173 3.3 Beliebige n-Ecke Hat man einmal das Prinzip verstanden, dass man jede Fläche in Dreiecke zerlegen kann, so kann man damit den Flächeninhalt eines belieben n-Ecks berechnen. Das Erstaunliche ist, dass man für die Berechnung des Flächeninhaltes die Dreieckszerlegung letztlich gar nicht benötigt, da alle inneren Kanten an zwei Dreiecke grenzen, von denen sie in entgegengesetzter Richtung durchlaufen werden. Die entsprechenden Terme in der Berechnung heben sich dann automatisch weg. Das folgende Bild verdeutlicht an einem recht willkürlich gewählten Zehneck (v0 , v1 , . . . , v9 ) was passiert: Wir zerlegen zunächst das Zehneck gedanklich in eine Ansammlung von Dreiecken (so etwas geht immer, soll aber hier nicht bewiesen werden). Welche Zerlegung wir dabei genau nehmen, ist im Prinzip egal, wie wir gleich sehen werden. Im obigen Beispiel wurde die Zerlegung sogar so gewählt, dass im Inneren neue Punkte verwendet werden, die gar nicht als ursprüngliche Eckpunkte auftauchen. Es gibt sogar Dreiecke (z.B. (a, c, b)) die vollständig im Inneren liegen. Um nun den Flächeninhalt zu bestimmen, summieren wir die orientieren Fläche all dieser Dreiecke. In unserem Fall sind das 16 Stück. Bei jedem der Dreiecke achten wir darauf, dass wir es gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen und wenden unsere Determinantenformel an. Somit liefert jede Kante einen Summanden (das macht in unserem Fall 48 Summanden). Nun passiert etwas Wunderbares: Alle inneren Kanten fallen aus der Rechnung vollständig heraus. (Jede solche innere Kante hat zwei Nachbardreiecke und beide durchlaufen die Kante in unterschiedlicher Richtung, was dazu führt, dass sich die Werte der zwei zugehörigen Kanten sich kompensieren.) Übrig bleiben alle Kanten am Rand des ursprünglichen Zehnecks. Denn das sind die, die jeweils genau nur einmal auftreten. Die Fläche ergibt sich somit zu F(0,v0 ,v1 ) + F(0,v1 ,v2 ) + · · · + F(0,v8 ,v9 ) + F(0,v9 ,v0 ) = 9 X i=0 F(0,vi ,vi+1 ) . 174 11 Determianten, Flächen und Volumen In der Summe werden dabei hier Indizes modulo 10 gerechnet. Das folgende Bild erklärt diese Formel nochmals von einer anderen Perspektive. Die in der Formel aufsummierten Dreiecksflächen beziehen sich ja auf einen beliebig zu positionierenden Nullpunkt 0 des Koordinatensystems. Nach Wahl dieses dieses Nullpunktes tragen die Kanten, die von 0 aus gesehen gegen den Uhrzeigersinn verlaufen, eine positive Fläche zur Summe bei. Die, die im Uhrzeigersinn verlaufen, tragen eine negative Fläche bei. Im Bild unten sind auf der rechten Seite der Gleichung positive Flächen grün und negative Flächen rot dargestellt. Wieder kompensieren die roten Flächen genau den Bereich, der in der grünen Fläche des ersten Summanden zu viel angenommen wurde. Gehirngymnastik: Stellen sie sich für das obige Diagramm einen Film vor, in dem der angenommene Nullpunkt langsam um das Polygon wandert? Wie müssen sich während des Filmes dabei rote und grüne Flächen verändern? 3.4 Selbstüberschneidung und Windungszahlen Wir haben an den Betrachtungen und Beispielen der letzen Abschnitte gesehen, dass wir für ein beliebiges n-Eck (v0 , v1 , . . . , vn ) dessen Flächeninhalt über die Formel n X F(v0 ,v1 ,...,vn ) = F(0,vi ,vi+1 ) i=0 berechnen können (Indizes modulo n). Der Begri↵ des Flächeninhalts ist natürlich nur so lange sinnvoll, wie sich der Kantenzug (v0 , v1 , . . . , vn , v0 ) nicht selbst überschneidet. Tut er das dennoch, gibt es zumindest im klassischen Sinn keinen wohldefinierten Flächeninhalt. Unsere Formel hat sich jedoch bisher in vielen Aspekten als so elegant und nützlich erwiesen, dass man diese in vielen mathematischen Situation direkt als Definition des Flächeninhaltes sich selbst überschneidender n-Ecke hernimmt. Sie ist die direkte und auch mathematisch sinnvolle Verallgemeinerung des klassischen 3 Allgemeinere Flächen 175 Flächeninhalts auf sich selbst überschneidende Polygone. Wir wollen uns hier kurz klar machen, was dabei genau gemessen wird. Wir betrachten dazu zunächst den nebenstehend abgebildeten fünfzackigen Stern. Die Pfeile geben an, in welcher Reihenfolge und Richtung die Ecken durchlaufen werden. Was kommt heraus, wenn wir mit unserer Formel den Flächeninhalt dieses Sternes berechnen? Wie immer ist für den Flächeninhalt die exakte Position des Nullpunktes vollkommen gleichgültig, obwohl er in der Rechnung vorkommt. Wir können ihn also insbesondere so wählen, dass die Berechnung möglichst übersichtlich wird. Für den Fünfzackstern müssen insgesamt 5 Dreiecke aufsummiert werden. Wählen wir den Nullpunkt im Inneren des kleinen Fünfecks im Stern so werden tatsächlich alle aufzusummierenden Flächen positiv und die die Analyse der Rechnung somit besonders einfach. Sie wird im nächsten Bild veranschaulicht. Wir betrachten also F(v0 ,v1 ,...,v5 ) = F(0,v0 ,v1 ) + F(1,v0 ,v2 ) + F(2,v0 ,v3 ) + F(3,v0 ,v4 ) + F(4,v0 ,v0 ) . Schaut man sich die Summanden genau an, so stellt man fest, dass jeder solche Punkt, der in einer Spitze des Sterns liegt in genau einem aufsummierten Dreieck liegt. Jeder Punkt, der im Inneren des zentralen Fünfecks liegt, wird jedoch von genau zwei aufsummierten Dreiecken erfasst. Somit wird der Inhalt im Inneren doppelt (!) gezählt. Die nebenstehende Abbildung verdeutlicht die Zählung der jeweiligen Flächenstückchen. Für jeden Punkt, der nicht auf dem Kantenzug des n-Ecks liegt, nennt man die Zahl, mit der der zugehörige Flächenbereich gewichtet werden muss, die Windungszahl des Punktes. Sie ist für jeden solchen Punkt immer ganzzahlig. In unserem Beispiel hat jeder Punkt im Zentrum des Sternes also Windungszahl 2. Jeder Punkt in einer Zacke des Sterns hat Windungszahl 1 und Punkte die komplett ausserhalb des Sternes liegen haben eine Windungszahl von 0 (sie tragen also gar nichts zur Fläche bei). Die Windungszahl hat eine sehr anschauliche Interpretation, der sie letztlich auch ihren Namen verdankt. Stellt man sich den Kantenzug als ein geschlossenes Seil vor, dass noch dazu eine (z.B. mit Pfeilen gekennzeichnete) Umlaufrichtung hat, so kann man die Windungszahl in einem Punkt folgendermaßen ermitteln: Man nimmt einen Bleistift und setzt dessen Spitze im fraglichen Punkt auf. Mit der noch freien Hand zieht man am Seil, bis bis es 176 11 Determianten, Flächen und Volumen überall soweit als möglich selbstüberscheidungsfrei ist und sich nur noch um den Bleistift windet. Das Seil darf sich dabei nach Belieben selbst durchdringen, wenn dies dem Entwirren zuträglich ist, nur durch den Bleistift darf es nicht wandern. Wie oft das Seil sich danach um den Bleistift windet, gibt genau die Windungszahl an. Windungen gegen den Uhrzeigersinn werden dabei positiv und die im Uhrzeigersinn negativ gezählt. Negative Windungszahlen entsprechen übrigens genau den Regionen, die in unseren Überlegungen negativen Flächeninhalten zugeordnet werden. Nebenstehende Abbildung zeigt die Situation eines sich selbst überschneidenden 4-Ecks, bei dem ein Teil der umschlossenen Fläche negativ zu werten ist. Gehirngymnastik: Geben sie ein 4-Eck an, bei dem keine drei Eckpunkte auf eine Geraden liegen und dessen Flächeninhalt Null ist. Bemerkung 4 Windungszahlen spielen übrigens sowohl in der Analysis, als auch in der Physik eine sehr große Rolle. Insbesondere bei den vielen Sätzen über den Zusammenhang von Pfad- und Flächenintegralen (z.B. Sätze von Gauss/Green/Stokes) müssen Flächenstücke oftmals gemäß ihrer Windungszahlen umschließender Pfade gewichtet werden. Eine typische Anwendung solcher Integralsätze ist es z.B. Flächeninhalte kontinuierlich berandeter Flächen durch Integrieren über den Rand zu bestimmen. Was wir in diesem Kapitel geleistet haben, ist im Prinzip eine diskrete Version solcher Zusammenhänge bei der kontinuierliche Pfade durch stückweise geradlinige Polygonränder ersetzt wurden. Gehirngymnastik: Bestimmen sie die Windungszahlen der verschiedenen Bereiche in nebenstehender Abbildung. 4 Ein-Blick in die nächste Dimension All unsere Überlegungen der letzten Abschnitte haben direkte Verallgemeinerungen in beliebige höhere Dimensionen. Ohne all zu sehr auf Details einzugehen, wollen wir die allgemeine Philosophie davon hier kurz vermitteln. Dazu fassen wir zunächst einmal zusammen, was wir auf den letzten Seiten eigentlich erarbeitet haben. 1. Wir haben den orientierten Flächeninhalt eines Dreiecks mit einer Ecke im Nullpunkt berechnet. 2. Wir haben n-Ecke mit mit einem konsistenten Umlaufsinn entlang ihres Randes versehen. 3. Wir haben die Fläche eines n-Ecks dadurch berechnet, dass wir über alle Randkanten die orientierten Dreiecks-Flächen aufsummiert haben, die die jeweiligen Randkanten mit dem Nullpunkt bilden. 4 Ein-Blick in die nächste Dimension 177 4. Die Fläche ergab sich somit allein aus der Betrachtung des Randes, die Position des Nullpunktes war gleichgültig. 5. Wir haben Windungszahlen betrachtet. Wir wollen nun sehen, wie sich all diese Konzepte in die nächste Dimension, also in den Raum übertragen. 4.1 Tetraedervolumina Wir wollen zunächst das Volumen eines dreidimensionalen Tetraeders bestimmen, dessen eine Ecke der Nullpunkt ist. Die anderen Eckpunkte seien v 1 , v2 , v3 . Im Zweidimensionalen mussten wir für ein Dreieck mit einer Fläche im Ursprung lediglich 12 det(v1 , v2 ) berechnen. Im Dreidimensionalen geht das analog. Das (orientierte) Volumen eines solchen Tetraeders ergibt sich zu V(0,v1 ,v2 ,v3 ) = 1 det(v1 , v2 , v3 ). 6 1 Hierbei ergibt sich der Vorfaktor 16 als n! wobei n die Dimension ist. Das Volumen hat wiederum eine Orientierung die sich daraus ergibt, ob die Punkte v1 , v2 , v3 im oder gegen den Uhrzeigersinn laufen wenn an sie sich vom Nullpunkt aus ansieht. Die Orientierung schlägt sich im Vorzeichen nieder. Mit zum zweidimensionalen analogen Argumenten kann man nun auch das Volumen eines beliebigen Tetraeders bestimmen. Dies ergibt sich zu V(v0 ,v1 ,v2 ,v3 ) = 1 (det(v0 , v1 , v2 )+det(v0 , v2 , v3 )+det(v0 , v3 , v1 )+det(v3 , v2 , v1 )) 6 Hierbei muss man ein klein wenig auf die Reihenfolge der Punkte in den Determinanten achten, damit die Vorzeichen der Summanden stimmen. Die Regel ist die folgende. Betrachtet man das Tetraeder mit Ecken (v0 , v1 , v2 , v3 ) von aussen, so trägt jede Seitenfläche einen Summanden bei. Die Reihenfolge der Punkte im Summanden ergibt sich aus dem von aussen betrachteten Umlaufsinn der Punkte gegen den Uhrzeigersinn. Mit welchem Punkt man dabei auf einer Fläche anfängt ist egal, da ja det(a, b, c) = det(b, c, a) = det(c, a, b) gilt. Vertauscht man bei einem so berechneten Tetraeder zwei Punkte, so ändert sich das Vorzeichen des orientierten Volumens. 4.2 Der konsistente Umlaufsinn In der Ebene haben wir nun allgemeine Polygone betrachtet und haben ihrem Rand zunächst einen Umlaufsinn gegeben. Dies haben wir dadurch gemacht, 178 11 Determianten, Flächen und Volumen dass die Kanten in der Reihenfolge des Umlaufs orientiert wurden. Für eine Fläche positiven Inhalts musste dabei der Umlaufsinn gegen den Uhrzeigersinn laufen. Anders ausgedrückt haben wir die Kanten so orientiert, dass wenn man sich dem Polygon von Aussen nähert eine Kante, die man sieht, immer von links nach rechts läuft. Dies lässt sich analog auf die räumliche Situation übertragen. Wir betrachten einen räumlichen Körper, dessen Volumen wir bestimmen wollen. Wir stellen uns die Oberfläche zerlegt in Dreiecke vor. Jedem Dreieck ordnen wir nun einen Umlaufsinn zu. Dies machen wir so, dass wenn man sich ein Dreieck von ausserhalb des Körpers anschaut, die drei beteiligten Ecken gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen werden. Diese Reihenfolge gibt die Reihenfolge in den Determinanteneinträgen in obiger Formel an. (TODO Bilder machen) Der so gewählte Umlaufsinn hat folgenden E↵ekt: Betrachtet man zwei Tetraeder, die entlang einer gemeinsamen inneren Dreiecksfläche verklebt sind, so wird diese Fläche von einem Tetraeder in einer Richtung, von dem anderen in der umgekehrten Richtung durchlaufen. Summiert man die beiden nach obiger Formel berechneten Tetraedervolumina, so heben sich wieder (vollkommen analog zu 2-dimensionalen Fall) die Determinanten der gemeinsam benutzte Dreiecksflächen weg. Das Volumen hängt also wieder nur vom Rand ab, nicht von den Verhältnissen im Inneren eines Körpers. 4.3 Die Formel Betrachten wir nun einen beliebigen (aber wenigsten selbstdurchdringungsfreien) Körper K. Dessen Oberfläche soll in viele Dreiecke zerlegt worden sein. Für jedes Dreieck betrachten wir ein, wie angegeben, zyklisch geordnetes Tripel (u, v, w) von Eckpunkten. All diese Tripel (also für jedes Oberflächendreieck eines) fassen wir in einer Menge zusammen. Das Volumen des Körpers lässt sich dann nach folgender Formel bestimmen X VK = det(a, b, c). (a,b,c)2 Wieder ist die Formel strukturell unglaublich einfach. Es kommt lediglich darauf an, dass in der Liste die Dreiecke nach der angegebenen Regel orientiert sind. (Die Begründung der Formel ist denkbar einfach: zerlegt man den Körper in lauter Tetraeder und summiert über alle Tetraedervolmina, so heben sich genau die Summenden, die von Dreiecken im Inneren des Körpers kommen in der Summe wieder weg, da sie zu zwei aneinandergenzenden Tetraedern gehören.) Mit dieser Regel lassen sich nun tatsächlich beliebige Volumina auch von verschlungenen Körpern oder Körpern mit Henkeln und Löchern berechnen. Betrachten wir zum Beispiel den Torus in der nächsten Abbildung. Die Oberfläche ist aus insgesamt 600 Dreiecken zusammengesetzt. Summiert man über die diesen Dreiecken zugeordneten 600 Determinanten, 4 Ein-Blick in die nächste Dimension 179 so erhält man sofort und exakt das Volumen des von dieser Oberfläche eingeschlossenen Torus. 4.4 Eine Anwendung Seit Erfindung moderner dreidimensionaler Drucktechniken gibt es im Internet Firmen, die professionellen 3D Druck als Serviceleistung anbieten. Als Nutznießer eine solchen Dienstleistung lädt man über das Internet eine digitale Beschreibung des auszudruckenden Objektes hoch. In den üblichen Beschreibungssprachen macht man dies durch eine Beschreibung dessen Oberfläche, die wiederum als eine Ansammlung von Dreiecken vorliegt. Das Material, aus dem die Drucke hergestellt werden, ist verhältnismäßig teuer und nicht selten wird der Objektpreis im Wesentlichen aus dem Materialverbrauch berechnet. Dieser ergibt sich wiederum direkt aus dem Volumen des bestellten Körpers. Will die Firma also (bereits vor Druck) dem Benutzer mitteilen, wie teuer ein bestelltes Modell wird, so muss sie lediglich die hochgeladenen Dreiecksdaten als Eingabe für unsere Formel des letzen Abschnitts verwenden und erhält sofort das gesuchte Volumen.