Diss. ETH Nr. 9893 Die Inhibition der Auflösung von Eisen(lll)(hydr)oxiden und ihre Beziehung zur Passivität von Eisen ABHANDLUNG zur Erlangung des Titels DOKTOR DER NATURWISSENSCHAFTEN der SCHEN HOCHSCHULE TECHNI EIDGENÖSSISCHEN ZÜRICH vorgelegt von JÜRG SINNIGER dipl. Chem. ETH geboren am 10. Mai 1961 von Niedererlinsbach SO angenommen auf Antrag von Prof. Dr. W. Stumm, Referent Prof. Dr. W. Schneider, Korreferent Zürich 1992 !I' I1'/' ! For every man in the world functions to the best of his ability, and no one does less than his best, no matter what he may think about it. John Steinheck Dan k . Seine GrosszüMein erster Dank gilt meinem Doktorvater Prof. W. Stumm r aufs neue. Ich wiede gigkeit und sein Vertrauen überraschten mich immer in schwierigen Zeiten wusste mich in allen Belangen von ihm unterstützt, und den Sorgen und Növerriet mir sein schelmischer Blick, dass er nicht nur mit , dass diese keine ten eines Doktoranden vertraut war, sondern auch wusste uns mit all seivon jeden er Dass unüberwindbaren Hindernisse darstellten. e, in der ich Grupp eine nen Stärken und Schwächen akzeptierte, ermöglichte mich geborgen und aufgehoben fühlte. die spontane BereitHerrn Prof. W. Schneider möchte ich ganz herzlich für schaft danken, das Korreferat zu übernehmen. , vielen Menschen Während der Jahre meines Doktorates hatte ich das Glück Arbeit nicht mögdiese g zu begegnen, ohne deren Rückhalt und Aufmunterun An erster Stelle fühle. lich gewesen wäre und denen ich mich tief verbunden nd langer Zeit viestehen hier ganz bestimmt Gianluca und Michael, die währe cas Humor hat mir les mit mir teilten: Büro, Labor, Freud und Leid. Gianlu ewegung von ihm über manchen Misserfolg hinweg geholfen, und eine Handb ieren. reichte oft aus, vieles wieder zu relativ und lebhaftes GeDie Stummsche Grossfamilie war überhaupt ein lebendiges fröhlicher Feste. Sie bilde, Ursprung spannender Auseinandersetzungen und ter Charaktere, war ein sich ständig veränderndes Kaleidoskop verschiedens ragen hat: beiget phäre Atmos en farbig wobei jeder und jede viel zur guten und oph, Christ y, Barne , Dieter Laura , Barba ra, Annet te, Elke, Yael, Katja, ... , Daniel, Slavi, Paul, Yiwei, Tina, Made/eine, Elke, Adrian cs aus der ganzen Viel frischen Wind aus fernen Ländern brachten die Postdo oder so unheimliche Welt, die fremde Sitten wie z.B. das Chinesische Neujahr Tolle an all diesen Bräuche wie Halloweenpartys bei uns einführten. Das den kulinarischen passen dazu den Neuerungen war, dass wir dabei immer mit Genüssen verwöhnt wurden. Ihnen sei für ihre Offenheit, ihre Gastfreundschaft und häufig nicht ganz schmerzlose Kritik an der schweizerischen Mentalität gedankt: Patrick, Paul, Janet, Litza, Carrick, Philippe, Maria, Natasha, Georgios, ... Ein sicherer Hafen in stürmischen Zeiten war der Raum mit der Bezeichnung Pav 11, in dem Dieter und Jörg immer ein offenes Ohr für kleine und grosse Anliegen hatten. Vielen Mitarbeiterlnnen der EAWAG bin ich zu grossem Dank verpflichtet; immer sind sie mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden: Sonja Rex, Gerda Thieme, Elisabeth Stüssi, Maria Huber, Ursula Mohlberg, Hansulrich Laubseher, Claude Jaques, David Kistler, Michael Berg, Werner Roth, ... An dieser Stelle sei auch allen anderen gedankt, welche die EAWAG mit Leben füllen und einen manchmal vergessen lassen, dass man ja eigentlich zum Arbeiten hier ist. Ein ganz besonderer Dank geht an Beat und Vreni; sie beide haben mich während der vergangenen Jahre begleitet. Bei ihnen erfuhr ich Anteilnahme, die weit über meine Arbeit hinausging und mich nie alleine fühlen liess. Ihre Freundschaft bedeutet mir sehr viel. Zum Schluss möchte ich noch die Menschen erwähnen, die ganz am Anfang standen: meine Eltern und Geschwister. Ich bin dankbar für die uneingeschränkte Zuneigung, die ich zu jeder Zeit durch meine Familie erfahren durfte. Zusammenfassung vorkommenEisen ist nicht nur ein in unserer natürlichen Umwelt häufig es als Werkdass he, Tatsac die des Element, sondern es erhält auch durch ung. In Bedeut e stoff weiteste Verbreitung erfahren hat, eine herausragend ionsOxidat der Natur liegt Eisen dank seiner Reaktivität meistens in den Vielzahl stufen II und III vor. Es bildet mit natürlichen Substanzen eine nd ihrer revon Verbindungen, von denen die Oxide und Hydroxide aufgru Auflösung und g Bildun Die sind. sten aktiven Oberflächen mit die wichtig r Elemenandere ufen Kreislä dieser Oxide, die durch die Kopplung mit den Technik der in auch te in der Geochemie eine wichtige Rolle spielen, sind smeuktion bedeutend. Die natürliche Korrosionsbeständigkeit von Konstr gieruntallen wie Aluminium, Nickel, Stahl und anderen rostfreien Eisenle welche die gen beruht oft auf einer sehr dünnen oxidischen Deckschicht, Die Gedert. verhin hend weitge es Metall weitere aktive Auflösung des von der elbar unmitt also kann iert, schwindigkeit, mit der ein Metall korrod en. Die abhäng hicht Auflösungsgeschwindigkeit dieser schützenden Oxidsc rIIl)hyd Eisen( Aufklärung der Mechanismen, welche die Auflösung von natürli dem oxiden kontrollieren, ist also nicht nur im Zusammenhang mit die en, chen Eisenkreislauf von Interesse, sondern kann auch dazu beitrag en. versteh zu besser ung Hemm Korrosion von Metallen sowie deren oder auch Zur Beurteilung von Zusätzen, welche die Korrosion inhibieren ationsPolaris beschleunigen, wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit ommen. kurven einer Eisenelektrode in verschiedenen Elektrolyten aufgen trom ein Diesem Vorgehen liegt die Hypothese zugrunde, dass der Passivs ElekAls ist. Films n passive des Mass für die Auflösungsgeschwindigkeit ungen oratlös Perchl sowie trolyte kamen ein Borat-Puffer, Acetat-Puffer ationskurve zum Einsatz. Es zeigte sich deutlich, dass die Form der Polaris zung des stark abhängig ist von sowohl der Art als auch der Zusammenset konnElektrolyten. Anhand der in Perchloratlösung aufgenommen Kurven ichleun ngsbes auflösu die und at Benzo von te die inhibierende Wirkung . werden gende Wirkung von Oxalat nachgewiesen die aus der In Experimenten mit Partikeln konnte gezeigt werden, dass enbeproton die HCr04 und cr3+ Korrosionschemie bekannten Inhibitoren Das en. vermög ren inhibie schleunigte Auflösung von Goethit effizient zu ent, Instrum hes Speziierungsprogramm MICROQL erwies sich als nützlic ein an oren um die pH-Abhängigkeit der Adsorption dieser beiden Inhibit ische Eisen(III)oxid zu modellieren. Röntgenphotoelektronspektroskop (STM) kop mikros Tunnel dem mit men (XPS) Untersuchungen und Aufnah ten eines schliesslich gaben Aufschluss über die Struktur und das Verhal 3 läche. )-0berf Oberflächenkomplexes von Cr + an einer Hämatit-(001 der AuflöNeben einer allgemeinen Darstellung über die Mechanismen oordinasung von Eisen(Ill)(hydr)oxiden aus der Sicht des Oberflächenk meine über sion Diskus rliche ausfüh tionsmodells enthält diese Arbeit eine ibiionsinh Korros der bei nismen Vorstellungen bezüglich einzelner Mecha tion sowie bei der Passivierung von Eisen. Abstract also a very Iron is not only a ubiquitous element in our environment, but is iron in ity, common material for construction. Because of its high reactiv natural nature is usually present in the oxidation states II and III. With oxides and substances it forms a wide variety of compounds, of which the are most that ones the are s, hydroxides, due to their reactive surface coupled are which , oxides important. Formation and dissolution of these in the role ant import an with the transformations of other elements, play Tue logy. techno geochemical cycles and are also of great significance in , including useful natural corrosion resistance of many structural metals thin oxide aluminium, nickel, and the stainless steels, is often based on a rate of Tue tion. dissolu active further layer covering the metal, preventing of this tion dissolu of rate the to corrosion of a metal may thus be related which nisms mecha of protective oxide layer. Therefore, the investigation with t interes control the dissolution of iron(hydr)oxides is not only of tanding of regard to the iron cycle in nature, but can contribute to an unders the corrosion processes of metals and their inhibition. used to Cyclic voltammetry as well as potentiostatic methods have been passive of s kinetic tion evaluate effects of solution composition on dissolu d by reflecte layers on a pure iron electrode, the rate of dissolution being borate in the passive current density. Polarisation curves were recorded curve the of form Tue ns. solutio orate perchl buffer, acetate buffer and the of sition compo and type both on proved to be strongly depending borate ut (witho media solution. lt could be shown that in perchlorate x former buffer) in nearly neutral solution, the bidentate surface comple ligand entate oxalate tends to increase the passive current while the monod passive benzoate tends to reduce it. An attempt was made to relate complex phenomena to surface chemical processes, such as surface of pH, effects , ligands organic te formation with monodentate and bidenta results with red compa were metal ions, and dissolved oxygen. Tue results ced influen as ides from investigations on the dissolution kinetics of ironox by the same solutes interacting with the oxide surface. In experiments with particles it could be shown that the corrosion inhibitors Cr3+ and HCrO;j were able to inhibit effectively the proton promoted dissolution of goethite. Tue program MICROQL proved to be a useful tool to calculate the pH dependence of adsorption of the forementioned inhibitors. X-ray photoelectron spectroscopy (XPS) and scanning tunneling microscopy (STM) provided insight in the structure and behaviour of a 3 surface complex of Cr + on a hematite-(001)-surface. In addition to a representatio n of the mechanisms of dissolution of iron(III)(hydr)oxides from a point of view of the surface complex model, this work contains a thorough discussion of the inhibitors of corrosion and their specific mode of action. Inhalt Zusam menfas sung Abstra ct 1. 2. Synopsis 1.1. Einleitung 1.2. Bedeutung der Grenzflächenchemie bezüglich der Korrosion und Passivität von Metallen 1.3. Fragestellung und Zielsetzung 1.4. Wichtige Resultate Ueberb lick 2.1. Das Metall 2.2. Wichtige Reaktionen des Eisens 2.2.1. Die Hydrolyse 2.2.2. Die Komplexbildung 2.2.3. Die Redoxreaktionen 2.3. Die Oxide 2.4. Die Auflösung der Oxide 2.4.1. Oberflächenreaktionen 2.4.2. Kinetische Betrachtungen 2.4.3. Säureauflösung 2.4.4. Ligandkontrollierte Auflösung: Beschleunigung und Inhibition 2.4.5. Reduktive Auflösung 2.5. Bedeutung der Eisenoxide bezüglich der Passivität von Eisen 2.5.1. Aufbau und Zusammensetzung der passiven Schicht 2.5.2. Inhibition der Auflösung von passiven Schichten 2.5.3. Zusammenbruch der Passivität 1 1 3 4 5 11 11 13 13 14 15 17 20 20 21 22 23 24 25 25 26 27 3. Korrosion und Passivität 3.1. Kurze Einführung in die Korrosion 3.2. Die Entdeckung der Passivität 3.3. Spekulationen und Theorien 3.4. Definitionen der Passivität 3.5. Heutige Modelle der passiven Schicht 3.6. Der Passivfilm im Boratpuffer 28 4. Inhibition der Korrosion 4.1. Einführung 4.2. Inhibition in sauren Lösungen 4.3. Inhibition in neutralen Lösungen 4.3.1. Oxidierende Inhibitoren 4.3.2. Anionen, welche Eisen nur in Gegenwart von Sauerstoff passivieren können 4.3.3. Chelatbildner 48 Das Koordinationsm odell 5.1. Die Koordinationschemie an der Grenzfläche Oxid/ Wasser 5.2. Der Ligandaustausch 5.3. Die oberflächenkontrollierte Auflösung 5.4. Inhibition der Auflösung 5.5. Berechnungen mit MICROQL 5.5.1. Adsorption von Cr(III) an Goethit 5.5.2. Adsorption von Cr(VI) an Goethit 66 5. 6. Postulierung einer oberflächenche mischen Theorie der Passivität von Eisenoxiden 7. Instrumentatio n und experimentelle Bedingungen für die Aufnahme der Polarisationsku rven 7 .1. Einführung: Die elektrochemische Z'.elle 7 .2. Messzelle und Elektroden 7.2.1. Messzelle 7.2.2. Referenzelektrode 7.2.3. Arbeitselektroden und deren Vorbehandlung 7.3. Instrumentierung und Messanordnung 28 33 35 38 39 47 48 51 53 54 58 65 66 68 70 71 74 75 77 79 84 84 87 87 88 88 88 8. 9. 7.4. Aufnahme der Strom-Spannungs-Kurven 7 .5. Die Eisenanalyse 7.6. Versuchslösungen und Inertgase 89 91 91 Ergebnisse und Diskussion 8.1. Passivität im Borat-Puffer 8.1.1. Bildung der passiven Schicht im Borat-Puffer 8.1.2. Aufnahme der Polarisationskurve mit der drehenden Scheibenelektrode 8.1.3. Einfluss von Sauerstoff 8.1.4. Zusammenbruch der Passivität in chloridhaltiger Lösung 8.2. Passivität im Acetat-Puffer 8.2.1. Polarisationskurven im Acetat-Puffer 8.2.2. Einfluss von Sauerstoff 8.2.3. Polarisationskurve in Gegenwart von Benzoat 8.2.4. Einfluss von Benzoe- und Phthalsäure auf die Passivstromdichte bei 1.1 V/NHE 8.2.5. Vergleich von Benzoe- und Salicylsäure 8.2.6. Einfluss von Oxalsäure 8.2.7. Einfluss von Phosphat 8.3. Passivität in Perchloratlösungen 8.3.1. Polarisationskurven in Perchloratlösungen 8.3.2. Einfluss von Oxalat und Benzoat auf die Polarisationskurven 8.3.3. log Passivstromdichte vs log Zeit bei kurzen Zeiten 93 93 93 Experimen te mit Partikeln 9.1. Die Durchführung der Auflösungsexperimente 9.2. Inhibition der Auflösung von Goethit durch Cr(III) und Cr(VI) 9.3. XPS- und STM-Untersuchungen der Adsorption von cr3+ an Hämatit Literaturv erzeichnis Lebenslau f 98 101 103 105 105 108 108 109 109 110 111 112 112 115 116 119 119 120 121 124 1 1. Synopsis 1.1. Einleitung Eisen(III)(hydr)oxide sind wesentliche und wichtige Bestandteile der Erdkruste; ihre Löslichkeit und die Kinetik ihrer Auflösung spielen deshalb in der Natur eine eminent wichtige Rolle. Aber auch in der Technik kommen den Reaktionen der Eisenoxide grosse Bedeutung zu: Das Schicksal metallischer Eisenkonstruktionen hängt nur zu oft ab von der Geschwindigkeit, mit der sie korrodieren. Die Korrosionsgeschwindigkeit ihrerseits kann in vielen Fällen in Verbindung gebracht werden mit der Stabilität und der Auflösungsrate der oxidischen Schichten, welche das Eisen bedecken. Die Aufklärung der Mechanismen, welche die Auflösung von Eisen(III)(hydr)oxiden bestimmen, ist also nicht nur im Zusammenhang mit dem natürlichen Eisenkreislauf von Interesse, sondern kann auch dazu dienen, die Korrosion von Metallen sowie deren Hemmung besser zu verstehen und zu kontrollieren. Als Grundlage für die Untersuchung der Reaktionen an der Grenzfläche Oxid/Wasser erwies sich das Oberflächenkoordinationsmodell als äusserst erfolgreich. Im Rahmen dieses Modells kann die Auflösung von Mineralien in wässriger Lösung in folgende drei Gruppen aufgeteilt werden: Protonenbeschleunigte Auflösung Ligandenbeschleunigte Auflösung Reduktive Auflösung Die Auflösungsrate hängt ab sowohl von der Konzentration als auch der Struktur der durch die Liganden in der Lösung und den funktionellen Gruppen an der Oberfläche gebildeten Komplexe. Hinsichtlich der koordinativen Anordnung dieser Komplexe können folgende Fälle unterschieden werden: monodentat bidentat mononuklear binuklear 2 Ob ein Ligand die Auflösung einer Festphase beschleunigt oder inhibiert, steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit der Speziierung an der Oberfläche. Zu den auflösungsfördemden Anordnungen gehören z.B. folgende mono- oder bidentate, mononuklearen Oberflächenkomplexe: >FeOH + HL = >FeL + H10 wobei L z. B. Citrat, Salicylat oder Fluorid sein kann. Ist Lein Reduktionsmittel, kann eine reduktive Auflösung stattfinden. Es besteht die Hypothese, dass die Bildung von binuklearen Komplexen oft eine Inhibierung der durch Protonen oder Liganden beschleunigten Auflösung bewirkt: -2H20 Um gleichzeitig zwei oder mehr Fe(III)-Zentren aus der Gitteroberfläche herauszulösen, muss viel mehr Energie aufgewendet werden, als für die Loslösung eines einzelnen Zentrums notwendig ist. So wird die Auflösung einer passiven Oxidschicht erschwert, wenn deren oberflächenständigen funktionellen Gruppen mit Liganden reagiert haben, welche bi- oder multinukleare Komplexe bilden können. Im Falle der rostfreien Stähle enthält das Oxid bereits aus der Legierung selbst stammende Komponenten (z.B. Cr(III)), welche durch ihre Fähigkeit, multinukleare Komplexe zu bilden, die Schutzschicht stabilisieren und ihre Auflösungsgeschwindigkeit drastisch reduzieren. Die Resultate der Untersuchung dieser Prozesse sind nicht nur von praktischer Bedeutung, sondern sie liefern auch Hinweise auf die relevanten Strukturen an der Grenzfläche Mineral/Wasser und gestatten damit Einsichten in die Mechanismen, welche die Auflösung von Festphasen bestimmen. 3 1.2. Bedeutung der Grenzflächenchemie bezüglich der Korrosion und Passivität von Metallen Wie bereits erwähnt, sind die oben kurz und nur sehr schematisch dargestellten Reaktionen auch wichtig in Bezug auf die Korrosion von Metallen und dem damit verbundenen Phänomen der Passivität. Während sich der Begriff der Korrosion ganz generell auf die Zerstörung von Festkörpern durch in der Umwelt vorhandene Substanzen bezieht, beschreibt derjenige der Passivität die Herabsetzung der Korrosionsgeschwindigkeit von Metallen durch deren Bedeckung mit einem schützenden, meist oxidischen Film. Als eine der vielen Modellvorstellungen über den Aufbau der passiven Schicht sei an dieser Stelle das Bild eines polymerischen Oxidfilmes, der durch eingebautes Wasser amorph gehalten wird, wiedergegeben. 0 0 0 \ \ \ --0-Fe-O-Fe-O--Fe-OH ~ ~ / H, „H ~ / / O H, „H O H, „H o ,„o \ ,„o \ ,„o \ --o-F:-o-F:-o--F:-oH /\0 0 \/ /\0 0 0 \/ /\0 \/ --O-Fe-0-Fe-O--Fe-OH / O \ ',, / 0 H" 'HO ,•\ / ',, 0 H" 'H O ',\ 0 H" 'H 1\: --O-Fe-0-Fe-o-Fe-OH 0 EisenElektrode Fig.1.1: / 0 / 0 / Passiver Film Schematische Darstellung des hydratisierten Filmes; nach Pou (1984). 4 Neben dem Redoxpotential und dem pH-Wert des Elektrolyten beeinflusst dessen Zusammensetzung in entscheidender Art und Weise Aufbau und Struktur des Oxides, welches im Zuge der Passivierung gebildet wird. So können Liganden, welche binukleare Oberflächenkomplexe bilden, zu einer Vernetzung der Oxidoktaeder führen und dadurch die Entstehung eines dichten und porenfreien Oxides fördern. Auch Metallkationen, wie z. B. Cr(III), bilden durch spezifische Adsorption selbst bei tiefen pH-Werten bi- oder multinukleare Komplexe mit den funktionellen Gruppen der Oxidoberfläche. Bei Cr(III) ist ausserdem noch wichtig, dass durch dessen Einbau in die passive Schicht spezielle Kristallstrukturen (Spinels) ermöglicht werden, und dass das eingebaute Cr(III) aufgrund seiner inerten Eigenschaften den Ligandaustausch an der Oxidoberfläche erheblich verlangsamt. Oxidierende Liganden (z. B. HCr04, NOi, etc.), welche ebenfalls Oberflächenkomplexe bilden, erhöhen lokal die zur Entstehung und Erhaltung von Eisen(III)oxiden notwendige Redoxintensität, und verhindern gleichzeitig die Reduktion der Eisen(III)zentren durch allfällig vorhandene Reduktionsmittel. Die Gegenwart von aggressiven Anionen wie Cr und F kann zum Zusammenbruch einer bereits bestehenden passiven Schicht führen, da bei deren Koordination mit den oberflächenständigen >FeOHGruppen wasserlösliche Komplexe entstehen. 1.3. Fragestellung und Zielsetzung Im Vordergrund dieser Arbeit steht die Frage, inwiefern die koordinationschemischen Einsichten über die Oberflächenreaktivität der Oxide, wie sie aus der Oberflächenstruktur und ihrer Speziierung folgt, und vor allem unsere Vorstellungen über die auflösungsbestimmenden Faktoren (H+, Liganden etc.), auf die Korrosion und die Interpretation der Passivität übertragen werden können. Um diese Frage zu untersuchen, wurden elektrochemische Polarisationskurven aufgenommen, welche Aufschluss über das Auflösungsverhalten von passiven Eisen(IIl)oxidfilmen geben sollten. Eine Eisenelektrode, welche anodisch polarisiert wird, tritt in den passiven Zustand über und ist somit von einer dünnen Schicht mehr oder weniger definierter Eisenoxide bedeckt. Der anodische Strom, welcher nach der Passivierung noch durch die Elektrode fliesst, entspricht der Korrosionsge- 5 schwindigkeit der Elektrode und kann als Mass für die Auflösungsgeschwindigkeit der passivierenden Oxidschicht betrachtet werden. Werden nun dem Elektrolyten geeignete Zusätze beigegeben, welche die Auflösung dieser Oxidschicht inhibieren, so sollte dies durch ein Absinken des Passivstromes verifiziert werden können. Andererseits sollte sich eine beschleunigte Auflösung des passiven Filmes durch ein Ansteigen des Passivstromes bemerkbar machen. Die Beurteilung des Einflusses von Zusätzen erfolgte bei einem ersten Teil von Experimenten durch die Aufnahme von Polarisationskurven in Elektrolyten verschiedener Zusammensetzung. Dabei wurde der durch eine Eisenelektrode fliessende Strom als Funktion eines sich linear mit der Zeit ändernden Potentials aufgezeichnet. Bei anderen Experimenten wurde die Elektrode durch Anlegen eines positiven Potentials direkt in den passiven Zustand gebracht, um dann den Passivstrom als Funktion der Zeit zu verfolgen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden ausserdem Versuche mit Partikeln durchgeführt. Untersucht wurde der Einfluss der aus der Korrosionschemie bekannten Inhibitoren Cr(III) und Cr(VI) auf die protonenbeschleunigte Auflösung von Goethit. Die pH-Abhängigkeit der Adsorption dieser Liganden an der Oxidoberfläche wurde mit dem Speziierungsprogramm MICROQL modelliert. Röntgenphotoelektronenspektroskopie und Tunnelmikroskopie boten ferner die Gelegenheit, die Struktur und das Verhalten des an einer 3 Hämatit-Oberfläche gebildeten Cr +-Komplexes genauer zu analysieren. 1.4. Wichtige Resultate Die Form der Polarisationskurve ist stark abhängig vom Elektrolyten, in dem sie aufgenommen wurde. In Fig. 1.2 ist eine Polarisationskurve abgebildet, wie sie im Borat-Puffer (pH 8.4) und unter Stickstoff erhalten wurde. 6 200 c Boratpuffer (pH 8.4) Potentialänderungsgeschw. 5mV/s ....~ e < ~ ~ - 100 4 Q; -5 ~0 5 D 0 .... i'5 -+----- ....---- --..---- --.....- ----.--- --' -100 -0.8 0.2 1.2 Potential [V/NHE] Fif:. 1.2: Typisches Voltammogramm im Borat-Puffer bei pH 8.4 5 6 Auflösung von Eisen: Bildung eines Monolayers 3 2 Umwandlung Fe + ~ Fe + Rasches Wachsen der Eisen(hydr)oxid-Schicht Passive Schicht wächst langsamer, ohne Zusammensetzung oder Struktur gross zu ändern Sauerstoff-Entwicklung Reduktion des passiven Filmes und Entwicklung von Wasserstoff A B C D Open-Circuit-Potential Passivierungs-Potential kritischer Strom Passivstrom 1 2 3 4 Das Passivierungsverhalten einer Eisenelektrode in einem bestimmte n Elektrolyte n kann am besten beschriebe n werden durch die kritische Stromdichte, die benötigt wird, um die Elektrode zu passivieren, sowie das Potential, bei dem die Passivierung einsetzt. Die Passivstromdichte gibt 7 des passiven Filmes. In der Eigenschaften die über Aufschluss ausserdem untenstehenden Tabelle 1.1 sind diese charakteristischen Werte für die Passivierung in einem Borat-Puffer, in einem Acetat-Puffer sowie in einer Perchloratlösung zusammengestellt. Passivierungspotential [V/NHE] kritische Stromdichte [mA/cm 2] Passivstromdichte [gA/cm2] Borat-Puffer, pH 8.4 -0.3 0.060 - 0.165 17 - 19 Acetat-Puffer, pH 4.6 0.7 23 162 0.05 7.2 22 Elektrolyt Perchlorat, pH 7 Tab.1.1: Charakteristische Werte für die mit 5 mV!s aufgenommenen Polarisationskurven in verschiedenen Elektrolyten Der kleine Wert für die kritische Stromdichte der im Borat-Puffer passivierten Eisenelektrode ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das BoratAnion ein sehr effizienter Inhibitor ist und die Passivierung ganz erheblich erleichtert. Wird die Strom-Spannungskurve in Gegenwart von gelöstem Sauerstoff aufgenommen, nimmt die kritische Stromdichte sogar noch kleinere Werte an. Es wird angenommen, dass Borat dank seiner Fähigkeit, bidentate und binukleare Oberflächenkomplexe zu bilden, die Entstehung eines dichten und porenfreien Oxids begünstigt und zugleich dessen Auflösung inhibiert. Diesen Umständen ist es wahrscheinlich auch zuzuschreiben, dass die Passivstromdichte sehr kleine und nicht mehr reproduzierbare Werte annimmt, wenn das Potential während einer längeren Zeit im passiven Bereich gehalten wird. Die Aufnahmen der Polarisationskurven mit einer rotierenden Scheibenelektrode zeigten, dass die kritische Stromdichte eine Funktion der Rotationsgeschwindigkeit ist, während sich die Passivstromdichte als unabhängig von der Drehzahl der Elektrode erwies. Dieses Resultat bestätigt die Vermutung, dass im Gegensatz zu den transportkontrollierten Reaktionen bei der Passivierung die Vorgänge im passiven Zustand durch chemische 8 Reaktionen an der Grenzfläche Oxid/Wasser und/oder durch Festkörperdiffusionen bestimmt werden. Der Einfluss des aggressiven Anions Chlorid konnte ebenfalls anhand von Polarisationskurven nachgewiesen werden. Mit steigenden Konzentrationen an er verschob sich das Potential, bei dem die passive Schicht zusammenbrach und Lochfrass einsetzte, zu negativeren Werten. Wie aus Tab. 1.1 ersichtlich wird, ist für die Passivierung im Acetat-Puffer eine wesentlich höhere kritische Stromdichte erforderlich als für diejenige im Borat-Puffer; das nach anodischeren Werten verschobene Passivierungspotential weist ebenfalls auf eine erschwerte Passivierung im AcetatPuffer hin. Während sich aber die kritischen Stromdichten um rund einen Faktor 250 unterscheiden, ist die Passivstromdichte im Acetat-Puffer nur etwa zehnmal grösser als diejenige im Borat-Puffer. Bei den untersuchten Anionen erwies sich Oxalat als dasjenige mit dem grössten Einfluss auf die Form der Polarisationskurve. Während in seiner Gegenwart die kritische Stromdichte sogar leicht sank, wurde die Passivstromdichte um ein Vielfaches erhöht. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die Wirkung des Oxalatanions, die Auflösung von Eisenoxiden zu beschleunigen. Wurde das Potential der Elektrode im passiven Bereich gehalten, so zeigte der Passivstromverlauf hohe Schwankungen, welche die Reproduzierbarkeit der Experimente über längere Zeiträume verhinderte. Auch bei den in Perchloratlösungen aufgenommenen Polarisationskurven zeigte Oxalat eine konzentrationsabhängige Beschleunigung der Auflösung der passiven Schicht, die sich in einer Erhöhung der Passivstromdichte äusserte. Wurde dem Elektrolyten hingegen Benzoat zugegeben, führte dies zu einer Reduzierung des passiven Stromes, welche die postulierte auflösungsinhibierende Wirkung dieses Anions bestätigte. Die Auflösungsexperimente mit Partikeln demonstrierten die effiziente Inhibierung der protonenbeschleunigten Auflösung von Goethit durch Cr(III) und Cr(VI), wie dies aus Fig. 1.3 deutlich wird: 9 8 pH= 3.0 6 ~ ~ ro.. ~ 4 l'ol = ~ 0.1 mM Cr(III) oder Cr(VI) 2 0 0 20 40 60 80 Zeit [h] Fig.1.3: Die protonenbeschleunigte Auflösung von Goethit bei pH 3 und deren Inhibierung durch Cr(Ill) und Cr (VI). Goethit5 konz. 1 g!l, entsprechend 1.35 x 10- M Oberflächen-OH Mit Hilfe des Speziierungsprogramms MICROQL, welches auch Oberflächenspezies berücksichtigt, konnte die pH-Abhängigkeit der Adsorption dieser beiden Inhibitoren modelliert werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass das Kation Cr 3+ vor allem oberhalb pH 4 adsorbiert, während das Anion HCr04 vorzugsweise an die positiv geladene Oxidoberfläche bei neutralen oder tieferen pH-Werten gebunden wird. Röntgenphotoelektronspektroskopische Untersuchungen (XPS) sowie Tunnelmikroskopaufnahmen (STM) von an einer Hämatit-(001)-0berfläche adsorbiertem Cr(III) lieferten Aufschluss über die molekularen Verhältnisse an der Grenzfläche Oxid/Wasser. Aufgrund der mit diesen Analysetechniken erhaltenen Resultate kann angenommen werden, dass sich das adsorbierte Chrom im formalen Cr(IIl)-Zustand befindet und zumindest teilweise hydratisiert ist. Ausserdem scheint es bevorzugt Stellen zu besetzen, die eine trinukleare Bindung ermöglichen. Die geeigneten Stellen für die Ad3 sorption von Chrom sind möglicherweise Fe +-Vakanzen in der Oberflä- 10 ehe des Hämatits; wahrscheinlich ist ebenfalls der Ersatz eines Fe 3+, welches sich über einer Leerstelle der darunterliegenden Schicht befindet. Mit der Tunnelmikroskopie konnte ferner gezeigt werden, dass die Oberflächendiffusion von adsorbiertem Cr(III) extrem langsam ist, wie dies aufgrund der inerten Eigenschaften seiner Komplexe auch zu erwarten ist. Entsprechend kann angenommen werden, dass sich die Inertheit des Cr(III) (Wasseraustauschrate = 10·5·6 sec· 1) extrem retardierend auf die Auflösungsrate von des passiven Oxides auswirkt, da die Cr-H20 und Cr-0 Bindungen in der Gitteroberfläche sehr robust sind. Ebenfalls sichtbar wurden oligomerische Komplexe. Neben einer allgemeinen Darstellung über die Mechanismen der Auflösung von Fe(IIl)(hydr)oxiden, die meines Erachtens wichtig sind für das Verständnis der Passivität und der Inhibition der Korrosion, versuchte ich in dieser Arbeit, einige grundsätzliche Ideen über die oberflächenchemische Wirkung von H+, Off, Metallionen und organischen Liganden bei der Passivierung von Metallen sowie bei der Inhibition der Auflösung von passiven Filmen zu diskutieren. 11 2. Ueberblick 2.1. Das Metall Eisen ist wahrscheinlich das häufigste Element der Gesamterde; der Eisenanteil beim ganzen Erdball wird wegen des an Eisen reichen Erdkernes auf "' 37 % geschätzt. Demgegenüber ist Eisen am Aufbau der zugänglichen Erdkruste nur mit etwa fünf Gewichtsprozent beteiligt und steht damit hinter Sauerstoff (46.6), Silicium (27.7) und Aluminium (8.1) an vierter Stelle. Das Auftreten von vielen Eisenmeteoriten spricht dafür, dass dieses Metall auch im gesamten Sonnensystem häufig vorkommt. Seine besondere Stellung innerhalb des Periodensystems erhält das Eisen nicht zuletzt auch dank der Tatsache, dass es als Werkstoff bereits seit mehr als dreitausend Jahren zur Anwendung kommt und seither weiteste Verbreitung erfahren hat. Eisen trat verhältnismässig spät in den Bereich der von Menschen verwendeten Materalien. Erst nachdem Bronze bereits bekannt war, wurde Eisen während der nach ihm benannten Eisenzeit, die ihre älteste Ausprägung auf europäischem Boden etwa zwischen 1100 700 v. Chr. hatte, gewonnen und verarbeitet. Die im täglichen Leben von heute verwendeten Eisen- und Stahlsorten sind stets Legierungen von Eisen mit kleineren oder grösseren Anteilen von Kohlenstoff, Silicium, Mangan usw.; bei den legierten Edelstählen werden die technischen Eigenschaften des Eisens ausserdem noch durch besondere Zusätze von Aluminium, Chrom usw. verbessert. So erhöht z. B. Cr neben der Härte, Zug- und Verschleissfestigkeit die Korrosionsbeständigkeit des Eisens, bis es oberhalb eines Cr-Anteils von 12.5 % rostfrei ist. In der Metallurgie werden unterdessen Tausende von Eisenlegierungen für die verschiedensten Zwecke hergestellt. Kein anderes Metall kann seine Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Härte, elektrische Leitfähigkeit, magnetische Sättigung oder Korrosionsbeständigkeit durch Zugabe von anderen Legierungsbestandteilen über einen so grossen Bereich verändern. Reines Eisen ist ein silberweisses, glänzendes und zähes Metall, das nicht besonders hart und recht reaktionsfreudig ist. An feuchter Luft und in be- 12 lüfteter wässriger Lösung wird es ziemlich schnell unter Bildung von Eisen(IIl)(hydr)oxidenl oxidiert, die jedoch keine Schutzschicht ausbilden, da sie in Schuppen abspringen und dabei frische Metalloberfläche freilegen. In verdünnten Mineralsäuren ist das Metall leicht löslich. Man erhält dabei mit nichtoxidierenden Säuren und bei Abwesenheit von Luftsauerstoff Eisen(II). An der Luft oder bei Verwendung von warmer, verdünnter Salpetersäure geht ein Teil des Eisens in Fern über. Sehr starke Oxidationsmittel, wie konzentrierte Salpetersäure oder Dichromat enthaltende Lösungen, vermögen Eisen zu passivieren; der passive Zustand ist dadurch charakterisiert, dass das Eisen von einer dichten, schützenden Oxidschicht bedeckt ist. Eisen wird ferner von luftfreiem Wasser und verdünnten luftfreien Hydroxiden nur wenig angegriffen, wohl aber von heissem, konzentriertem Natriumhydroxid (Cotton 1980). In der Natur findet man Eisen fast ausschliesslich chemisch gebunden. Es liegt meistens in den Oxidationsstufen II und III vor und bildet mit unzähligen natürlichen Stoffen eine Vielfalt von Verbindungen. In Böden, Sedimenten und in Gewässern kommt es hauptsächlich in der Form verschiedener Oxide und Hydroxide vor, deren Bildung und Auflösung entscheidend von den chemischen Bedingungen der Umgebung abhängen. Da diese Transformationsvorgänge mit den Kreisläufen anderer wichtiger Substanzen gekoppelt sind, spielen sie im Rahmen der Geochemie eine eminent wichtige Rolle. In Lebewesen spielt Eisen bei den verschiedensten Stoffwechselreaktionen eine wichtige Rolle; es stellt das am weitesten verbreitete und wichtigste Uebergangsmetall mit einer Funktion im lebenden Organismus dar. Da die beiden häufigsten Oxidationszustände des Eisens, Fe11 und Fern, durch Redoxreaktionen leicht ineinander überführt werden können und beide Redoxzustände in einer geeigneten Umgebung relativ stabil sind, dient es bei vielen biologischen Redoxreaktionen als Zwischenspeicher für Elektronen oder als Redoxkatalysator. Eisenhaltige Proteine beteiligen sich neben den Prozessen der Elektronenübertragung auch am grundlegenden Prozess des Sauerstofftransportes. 1 Unter dem Sammelbegriff der Eisen(IIl)(hydr)oxide werden hier die Eisen(III)oxide, -oxyhydroxide und -hydroxide bezeichnet. 13 (In Klammem sei an dieser Stelle noch eine weitere Merk-würdigkeit des 5 Elementes Eisen vermerkt: Der Eisenkern 6Pe ist der stabilste von allen Atomkernen. Mit anderen Worten: Es wird immer nur dann Energie frei, wenn Kerne, die leichter als Eisen sind, zu Elementen in der Nähe des Eisens verschmelzen oder wenn schwerere Kerne wie Uran durch Spaltung leichtere Elemente in der Nähe des Eisens produzieren. Dickerson 1983) 2.2. Wichtige Reaktionen des Eisens Um zu einem besseren Verständnis des Mechanismus der Korrosion zu gelangen, ist es unabdingbar, die Reaktionen des Eisens in all seinen Oxidationszuständen zu kennen. Der erste Schritt in der Korrosion von Eisen besteht im wesentlichen aus einem Uebertritt von Metallatomen aus ihrem Gitter in einen Elektrolyten unter gleichzeitiger Abgabe von Elektronen. Nachstehend seien die Reaktionen, welche diesen Uebertritt begleiten oder auf ihn folgen, nämlich die Hydrolyse der Eisenionen, die Komplexbildung und die Redoxreaktionen, kurz dargestellt. Alle genannten Reaktionen, welche zu einem breiten Spektrum von Verbindungen mit den verschiedensten Eigenschaften führen, sind nicht nur im Zusammenhang mit dem Werkstoff Eisen und seinen Legierungen und deren technischen Anwendung von grösster Bedeutung, sondern spielen auch in natürlichen Systemen und lebenden Organismen eine wichtige Rolle. 2.2.1. Die Hydrolyse Der Begriff der Hydrolyse bezieht sich definitionsgemäss auf chemische Reaktionen, bei denen eine Substanz durch Wasser zersetzt oder gespalten wird. Im Rahmen der anorganischen Chemie findet dieser Begriff Verwendung bei wässrigen Lösungen von metallischen Salzen und den Reaktionen, welche sie in neue ionische Spezies oder Festphasen umwandelt. Die Hydrolyse von Salzen hat ihren Ursprung meist im Verlust von Protonen des aquotisierten Metallkations, und sie endet oft in der Fällung der entsprechenden Metall(hydr)oxide (Schneider 1988). In wässrigen Lösungen von Eisen(II), die keine anderen Komplexbildner 2 enthalten, liegt das blassblaugrüne Hexaquoeisen(Il)ion, [Fe(H20)6] +, 14 vor. Erst bei höheren pH-Werten spalten sich Protonen vom koordinierten Wasser ab; weil das Hexaquoeisen-(11)-ion ab etwa pH 8 der Hydrolyse unterliegt, kann es als eine schwache Säure betrachtet werden (Baes 1976): [Fe(H20)6] 2+ = [Fe(H20)5(0H)]+ + H+ log Ku = -9.5 (1 M NaCl04, 25°C) Eisen(III)-Salze hingegen hydrolysieren im pH-Bereich 5 < pH < 9, welcher sowohl in biologischer wie auch in natürlicher aquatischer Umgebung vorherrscht, rasch. Selbst bei pH-Werten von 2 - 3 ist das Ausmass der Hydrolyse, deren erster Schritt äquivalent der Säuredissoziation des Aquoions ist, sehr gross (Cotton1980): [Fe(H20)6] 3+ = [Fe(H20)5(0H)] 2+ + H+ log K = -3.05 Der nächste Hydrolyseschritt ist durch folgende Gleichgewichtskonstante bestimmt: [Fe(H20)5(0H)] 2+ = [Fe(H20)4(0H)2]+ + H+ log K = -3.26 Die bei der Hydrolyse entstehenden Hydroxoionen können auch zwei oder mehr Eisenzentren verbrücken: 2 [Fe(H20)6] 3+ = [Fe(H20)4(0H)2Fe(H20)4] 4+ + 2 H+ log K = -2.91 Um Lösungen zu erhalten, die Fem hauptsächlich in Form des Hexaquoions enthalten, muss also ein pH-Wert von etwa Null eingehalten werden. Steigt der pH-Wert über 2 - 3, so werden noch höher kondensierte Einheiten als der oben erwähnte zweikemige Komplex gebildet, und es entstehen kolloidale Gele. Schliesslich fällt amorphes Eisen(IIl)hydroxid in Formeiner rotbraunen, gallertartigen Masse aus. 2.2.2. Die Komplexbildung Die Stabilität der Eisenkomplexe hängt sehr stark von der Oxidationszahl des Eisenions ab. Komplexe von Eisen(II) sind meist oktaedrisch und in der Regel schwächer als die entsprechenden Eisen(IIl)komplexe. Komple- 15 xe von Fell mit Chelatliganden wie ortho-Phenanthrolin oder Bipyridil können jedoch eine beachtliche Stabilität aufweisen. Auch Eisen(III) bildet eine grosse Anzahl meist oktaedrischer Komplexe, so dass das Oktaeder als sein charakteristisches Koordinationspolyeder angesehen werden kann. Allerdings sind auch einige tetraedrische Komplexe bekannt, von denen [FeCl4r der wichtigste ist. Eisen(III) hat seine grösste Affinität zu Liganden, die über Sauerstoff koordinieren, insbesondere zu Monophosphationen, Polyphosphaten und Polyalkoholen. Mit Oxalat entsteht der Trisoxalatokomplex. Nur wenige stickstoffhaltige Liganden wie die chelatbildenden EDTA, NTA oder ortho-Phenanthrolin bilden relativ starke, über Stickstoff gebundene Komplexe. Das Eisen-(IIl)-ion bildet auch mit Halogenidionen Komplexe. Wie sich aus den Gleichgewichtskonstanten ergibt, ist besonders seine Affinität zu F recht hoch: Fe3+ + F = FeF2+ Die Gleichgewichtskonstante des entsprechenden Chlorokomplexes ist nur .,. 30. Diese Konstanten sind insofern von Bedeutung, als Fluorid und besonders Chlorid neben dem Sulfat die am häufigsten anzutreffenden aggressiven Anionen sind. Durch Komplexbildung kann die gesamte Löslichkeit von Eisen(III), die ohne Liganden bei höheren pH-Werten sehr gering ist, erheblich erhöht werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang ferner, dass die Komplexe von Eisen (II) und Eisen (III) relativ labil sind, so dass in Systemen mit verschiedenen Komplexformern Ligandaustauschreaktionen eine wichtige Rolle spielen können. 2.2.3. Die Redoxreaktionen Korrodiert Eisen, so geschieht dies in einem ersten Schritt immer unter Ab2 gabe von zwei Elektronen; das Potential2 Fe/Fe + beträgt dabei 0.44 V. Im Jahre 1953 wurde anlässlich einer IUPAC-Konferenz beschlossen, dass das Standard-Reduktionspotential einer beliebigen Halbzelle "das Potential" genannt werden würde. 2 16 Die entstandene Fe11-Spezie kann dann in einer Folgereaktion zu Fem wei- teroxidiert werden. Auch in der Natur kommt Eisen fast ausschliesslich als Eisen(II) und Eisen(III) vor. In einigen wenigen Verbindungen treten auch 2 3 die höheren Oxidationsstufen IV und VI auf. Das Potential Fe +/Fe + von 0.771 V liegt so, dass molekularer Sauerstoff in saurer Lösung Eisen(II)- in Eisen(III)-ionen überführen kann: 2 Fe2+ + 1/2 02 + 2 H+ = 2 Fe3+ + H20 E0 =0.46 V In basischer Lösung liegt das Oxidationspotential noch günstiger: E0 = -0.56 V Neutrale und saure Lösungen von Eisen(II)ionen oxidieren mit zunehmender Acidität weniger rasch (obwohl das Potential der Oxidationsreaktion stärker positiv wird). Dies ist der Fall, weil FeIII in Wirklichkeit, ausser in extrem sauren Lösungen, in Form von Hydroxokomplexen vorliegt; da die Stabilität der hydrolysierten Ionen von derjenigen der Hexaquoionen verschieden ist, hängt das Redoxpotential einer Eisenlösung stark von deren pH-Wert ab: Fe3\aq) + e- = Fe 2+(aq) Fe(OH)3 + e- = Fe(OH)2 + Off E 0 =+0.77 V E 0 = -0.75 V Das Redoxpotential wird auch durch Komplexbildung mit anderen Liganden als Hydroxid stark beeinflusst. In der Regel lassen sich Eisen(II)-komplexe gut zu Eisen(III)komplexen oxidieren; das System Ferr/Felll in wässriger Umgebung ist deshalb ein gutes Beispiel für den Einfluss von Komplexliganden auf die relativen Stabilitäten von Oxidationsstufen: [Fe(CN)6] 3- + e- = [Fe(CN)6] 4[Fe(H20)6]3+ + e- = [Fe(H20)6] 2+ E 0 =+0.36 V E 0 =+0.77 V Liganden, welche die Ionen der einen Oxidationsstufe stabilisieren, verschieben das Redoxgleichgewicht zu deren Gunsten. Im Falle des Eisens stabilisieren die meisten Komplexformer Eisen(III) stärker als Eisen(II), ausser wenn ein Ligand sehr starr ist und seine Geometrie besser zur Komplexierung von Eisen(II) geeignet ist, wie das z. B. für Phenanthrolin der Fall ist. Genauso können komplexierende Reagenzien, wie EDTA, Cyanide und starke Basen, dazu tendieren, die Korrosionsrate von vielen Metallen 17 zu erhöhen, weil sie die Metallionenaktivität in der Lösung reduzieren und dadurch das Metallpotential deutlich in die aktive Region verschieben (Uhlig 1985). Eisen(III) wird durch viele Reduktionsmittel wie etwa r in wässriger Lösung recht leicht reduziert. Es oxidiert auch das Sulfidion, so dass das bei Zugabe von Schwefelwasserstoff oder eines Sulfids zu Fem-Lösung entstehende Fe(III)-Sulfid rasch in Eisen(Il)-sulfid und kolloidalen Schwefel übergeht. Auch feste Eisen(hydr)oxide - seien sie Bestandteile einer passiven Schicht oder Partikel in einem natürlichen Gewässer - können Redoxreaktionen eingehen. Solche spielen bei der reduktiven Auflösung von Eisen(III)(hydr)oxiden eine entscheidende Rolle. Die Löslichkeit des dreiwertigen Eisens in natürlichen Wässern wird im wesentlichen durch die Löslichkeit seiner Hydroxide und Oxy-hydroxide begrenzt, die Löslichkeit des zweiwertigen Eisens durch die Löslichkeit von FeC03. Bei fast neutralen pHWerten ist Fell um einige Zehnerpotenzen löslicher als Fem. Die Erhöhung der Eisenlöslichkeit in einem natürlichen aquatischen System erfolgt daher am wirkungsvollsten durch reduktive Auflösung von Eisen(III)oxiden (Sulzberger 1988). Neben der Auflösung können Redoxreaktionen von Festkörpern auch zu Phasenumwandlungen führen. So führt eine teilweise Reduktion von Eisen(III)(hydr)oxiden zur Bildung von Magnetit (Fe304). 2.3. Die Oxide Da metallisches Eisen sowohl an der Luft als auch in belüfteter wässriger Lösung mit einer Oxidschicht bedeckt ist, kommen der Bildung, Struktur und vor allem auch der Auflösung der Eisen(hydr)oxide im Zusammenhang mit der Korrosionschemie eine entscheidende Rolle zu. Um Klarheit bezüglich der Mechanismen zu erhalten, wird im Labor sehr oft mit Modelloxiden gearbeitet, deren Stöchiometrie klar definiert und Kristallstruktur bekannt ist. Da Zusammensetzung und Aufbau der passiven Schichteinerseits von den Bedingungen bei deren Bildung abhängen und andererseits der experimentellen Untersuchung nur sehr schwer zugänglich sind, 18 befasst sich die Korrosionschemie mit verschiedenen Oxiden, von denen die wichtigsten Magnetit, Maghemit, Goethit, Lepidokrokit, Wüstit und "Grüner Rost" sind (Schwertmann 1991). Der Ausdruck "Eisen(hydr)oxid" wird gebraucht für jedes Produkt, welches aus einer Hydrolyse eines Eisensalzes in wässriger Lösung hervorgeht (Schneider 1988). Ausgebend von gelöstem Eisen in einer wässrigen Lösung können sich je nach Bedingungen eine grosse Anzahl verschiedener Oxide und Oxyhydroxide bilden. Sie unterscheiden sich bezüglich ihrer chemischen Zusammensetzung, Struktur, Partikelgrösse, Form der Partikel und Oberflächeneigenschaften. Auch (Hydr)oxide mit derselben Stöchiometrie können bezüglich ihrer Morphologie stark unterschiedlich sein; nicht nur die Partikelgrösse, sonder auch die äussere Form der Kristalle kann je nach Herstellungsbedingungen sehr verschieden sein. Welches Produkt sich bildet, hängt ab von verschiedenen Parametern wie dem pHWert, Temperatur, Redoxpotential und der Art der vorliegenden organischen und anorganischen Liganden. Alle Eisenoxide und -hydroxide bestehen aus Fe, 0 und/oder OH. Sie unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung, in der Valenz von Fe und vor allem in ihrer Kristallstruktur. Man kennt drei stöchiometrisch verschiedene Eisenoxide; sie alle neigen aber zur Ausbildung nichtstöchiometrischer Phasen. Die ideale Zusammensetzungen der Phasen sind FeO, Fe203 und Fe304. Kristallines FeO besitzt NaCl-Struktur und ist nur zugänglich, indem man es bei recht hohen Temperaturen unter Gleichgewichtsbedingungen herstellt und das Reaktionssystem abschreckt, da es bei tieferen Temperaturen gegenüber Fe und Fe304 instabil ist (Cotton 1980). Das rotbraune a-Fe203, Hämatit, weist Korund-Struktu r auf, und die Oxidionen bilden eine hexagonal dichteste Anordnung, deren oktaedrischen Hohlräume von Fem-Ionen besetzt werden. Die Struktur von yFe203, Maghemit, kann als kubisch dichteste Anordnung von Oxidionen betrachtet werden, in der die Fem-Ionen willkürlich über die oktaedrischen und tetraedrischen Zwischenräume verteilt werden. Fe304 schliesslich ist ein gemischtes Fen-Fem-Oxid, das in der Natur in Form der schwarzen, oktaedrischen Kristalle des Minerals Magnetit vorkommt. Es besitzt eine inverse Spinell-Struktur; die Fell-Ionen liegen daher alle auf oktaedrischen Plätzen, während sich die Fem-Ionen zur Hälfte 19 in tetraedrischen und zur anderen Hälfte in oktaedrischen Zwischenräumen einer kubisch dichtesten Anordnung von Oxidionen befinden. "Grüner Rost" ist nicht ein Oxid oder Hydroxid im strikten Sinne. Die unter diesem Namen zusammengefassten (Hydr)oxide enthalten Anionen als eine wesentliche Komponente. Sie bestehen aus hexagonal dichtest ge2 3 packten Schichten aus OH und 0 des Fe(OH)2-Typs mit Fe + und Fe + in 3 den Zwischenräumen. Fe + gibt den Schichten eine positive Ladung, welche durch Einschluss von Anionen zwischen den Schichten ausgeglichen wird. Formen mit Chlorid, Sulfat und Carbonat zwischen den Schichten sind bekannt. Die ersten beiden Formen können ein Verhältnis von Fe2+/Fe 3+ bis zu 4 haben, je nach Grad der Oxidation, während die Carbonatform ein Verhältnis von 2 oder 3 zu haben scheint. Der Name "Grüner Rost" ist abgeleitet von der bläulich-grünen Farbe der Verbindungen und ihrem Vorkommen als anaerobe Oxidationsprodukte von Stahl. In allen Oxiden kann das Fe 3+ in der oktaedralen Position teilweise ersetzt werden durch andere dreiwertige Metallkationen mit ähnlicher Grösse, wie z. B. Al 3+, Mn 3+ und Cr3+, ohne dass die Struktur des Oxides verändert würde (isomorphe Substitution). Auf diesem Wege können feste Lösungen gebildet werden. Andere Kationen, z. B. Ni, Ti, Co, Cu und Zi können ebenfalls in Eisenoxidstrukturen inkorporiert werden. Auch Umwandlungen zwischen den verschiedenen Oxiden sind möglich und gehen oft leicht vonstatten. Besonders die Hydroxy-oxide dehydrieren zu ihren Anhydriden und durch Erhitzen schlussendlich zu Hämatit. Bei tieferen Temperaturen und in Lösung geschehen Umwandlungen oft über den Umweg der Auflösung, gefolgt von einer Wiederausfällung einer neuen Phase. Ebenfalls möglich sind die bereits erwähnten Oxidationsoder Reduktionsreaktionen. Eisenoxide sind in der Natur weit verbreitet. Sie kommen in Böden und Gesteinen, Seen und Flüssen, in Sedimenten und sogar in der Luft vor. Eisenoxide sind von grosser Bedeutung für viele der Prozesse, welche in Oekosystemen ablaufen. Wegen ihrer Allgegenwärtigkeit in Böden und Sedimenten und ihrer reaktiven Oberflächen sind sie wichtige Regulatoren der Konzentration und Verteilung von Nährstoffen (z. B. Phosphat) und Spurenmetallen (z.B. Pb). Eisenoxide spielen aber nicht nur in der Bodenund Umweltchemie eine wichtige Rolle, sondern sie sind auch in anderen Disziplinen wie der Medizin und der industriellen Chemie von Bedeutung. 20 2.4. Die Auflösung der Oxide 2.4.1. Oberflächenreaktionen Wenn ein Eisenoxid mit Wasser in Berührung kommt, wird dessen Oberfläche hydratisiert. Die Hydroxogruppen an der Oberfläche von Oxiden und Hydroxiden sind amphoter und können deprotoniert oder durch Protonen aus der Lösung protoniert werden. Dementsprechend besitzen diese Hydroxogruppen charakteristische pK-Werte: >FeOH2 = >FeOH + H+ >FeOH = >FeO- + H+ pK:1 = 6.4 pK:i = 9.3 Ein Proton einer Hydroxogruppe an der Oberfläche eines Metall(hydr)oxides kann bei geeigneten Bedingungen auch durch ein Metallion ausgetauscht werden: >FeOH + Mz+ = >FeOM(z-l)+ + H+ Diese Reaktion ist stark vom pH-Wert der Lösung abhängig. Die Adsorption der Metallionen beginnt ungefähr beim gleichen pH-Wert wie die Hydrolyse des adsorbierten Metallions. Die Hydroxoionen an der Oberfläche des Oxides können durch andere Liganden ersetzt werden: Die Stabilitätskonstanten dieser Oberflächenkomplexe sind proportional den Stabilitätskonstanten Kt der entsprechenden mononuklearen Komplexe in homogener Lösung. Die Komplexbildung ist stark pH-abhängig, da zur Entfernung des Hydroxidions vom Metallzentrum ein Proton benötigt wird, welches aus der Lösung oder von einem protonierten Liganden stammen kann. Adsorbierte Metallionen können mit Liganden aus der Lösung auch ternäre Komplexe bilden: >FeOM(z-I)+ + L = >FeOML(z-2)+ Die Bildung solcher ternärer Komplexe beeinflusst nicht nur die Stabilität des Oberflächenkomplexes, sondern auch dessen Redoxpotential. Liganden können entweder die Oberflächenkomplexe oder die Lösungskomplexe sta- 21 bilisieren und dadurch entweder zu einer erhöhten oder erniedrigten Adsorption führen. 2.4.2. Kinetische Betrachtungen Löst sich ein Mineral auf, können verschiedene Schritte daran beteiligt sein, wovon jeder der geschwindigkeitsbestimmende sein kann: 1) Massentransport von gelösten Reaktanden von der Lösung zur Oberfläche des Minerals 2) Adsorption von gelösten Bestandteilen 3) Festkörperdiffusion von reagierenden Spezies 4) Chemische Reaktionen 5) Ablösung von Reaktanden von der Oberfläche, und 6) Massentransport weg von der Oberfläche in die Lösung Bei der Auflösung von Mineralien können anhand der Kinetik im wesentlichen zwei Typen von Reaktionen unterschieden werden. Im ersten Fall ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ein Transport-Schritt, z. B. der Transport eines Eduktes durch eine Schicht an der Oberfläche eines Minerals oder die Diffusion von Produkten bei der Auflösung von sehr leicht löslichen Feststoffen. Im zweiten Fall wird der Prozess der Auflösung kontrolliert durch eine Reaktion, welche an der Oberfläche stattfindet. Im Gegensatz zur diffusionskontrollierten Auflösung des ersten Falles spricht man hier von einem oberflächenkontrollierten Prozess (Stumm 1992). Unter natürlichen Bedingungen ist die Geschwindigkeit der Auflösung der meisten Mineralien zu langsam, um vom Massentranspor t von Edukten oder Produkten abhängig zu sein. Die Diskussion beschränkt sich deshalb sehr oft auf die Fälle, bei denen der geschwindigkeitsbestimmende Schritt entweder ein Massentransport von Reaktanden innerhalb eines Festkörpers oder eine Reaktion an der Oberfläche ist. Der kinetisch limitierende Schritt könnte somit die Adsorption des auflösungsbeschleunigenden Liganden, eine allfällige Reduktion des oberflächenständigen Metallzentrums oder die Loslösung eines oberflächenstän digen Ions sein. Da Adsorption und auch allfällige Reduktionen relativ schnell sind, nimmt man an, dass in der Regel die Loslösung geschwindigkeitsbestimmend ist. Die Auflösungsreaktion kann schematisch in zwei Sequenzen aufgeteilt werden: 22 Obetflächenständige Gruppe + Reaktanden (Protonen, Hydroxidionen, Liganden) schnell -----•.- Obetflächenspezies Obetflächenspezies langsam Me(aq) Die Ablösung des Metalles ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt Viele heterogene Prozesse wie die Bildung und Auflösung der festen Phase, Redoxreaktionen und photochemische Prozesse an der Grenzfläche Festkörper/Wasser sind kinetisch durch einen Reaktionsschritt an der Oberfläche und nicht durch einen Transportschritt kontrolliert. Da die Reaktionen an der Oberfläche langsam sind im Vergleich mit der Diffusion, folgt die Auflösungskinetik einer Reaktionsordnung 0-ter Ordnung. Voraussetzung ist allerdings, dass an der Obetfläche steady-state Bedingungen vorherrschen. Die Auflösungsgeschwindigkeit wird durch die Konzentration der adsorbierten auflösungsbeschleunigenden Lösungskomponenten bestimmt. Auflösungsbeschleunigende Lösungskomponenten können Protonen, Komplexbildner oder Reduktionsmittel oder auch eine Kombination derselben sein (Furrer 1983). 2.4.3. Säureauflösung Bei der Auflösung eines Oxides oder Hydroxides in Säure werden die oberflächenständigen Hydroxidionen protoniert. Die zu diesen Gruppen unmittelbar benachbarten Metallzentren bilden günstige Abgangseinheiten: >Fem-OH + H+ = >FeIII-OHi >Fem-OH2 + nH20 = >„. + Femaq An der Oberflächenstelle, wo ein Fem abgelöst worden ist (mit >„. bezeichnet) lagern sich sofort wieder Wassermoleküle und Protonen an, so dass wieder eine Obetflächenstelle der ursprünglichen Art generiert wird. 23 Wie oben bereits erwähnt, ist die Rate der Säureauflösung von Oxiden direkt proportional der Konzentration der Protonen an der Oberfläche. 2.4.4. Ligandkontrollierte Auflösung: Beschleunigung und Inhibition Wird ein Komplexbildner an der Oberfläche des Festkörpers adsorbiert, kann er entweder mit dem koordinierten oberflächenständigen Metallion eine günstige Abgangsgruppe bilden und dadurch die Auflösungsgeschwindigkeit gegenüber der protonenbeschleunigten Auflösung erhöhen oder aber die Auflösung inhibieren. Zur Loslösung eines Metallions von der Oberfläche eignen sich Chelate besonders gut, wobei ein von Ligand und Metallzentrum gebildeter Fünfring eine optimale Abgangsgruppe zu sein scheint. Ein solcher bidentater, mononuklearer Oberflächenkomplex sei hier am Beispiel des Oxalats dargestellt: " / Fe-o- + HOYO HOAu "10=\ / 'o 0 Fe 0 Auflösungsfördemde Liganden für Eisen(III)(hydr)oxide sind neben dem Oxalat z. B. ebenfalls Citrat, Salicylat oder Fluorid. Zu den geeigneten Komplexbildnern gehören auch EDTA und NTA. Viele auflösungsfördemde Liganden erhöhen die Löslichkeit der Oxidfestphasen. Als Folge davon wird der Aktivitätsgradient an der Grenzfläche Oxid/Wasser erhöht, was die Untersuchung der Auflösungskinetik erleichtert. Letztere wird aber durch die höhere Löslichkeit nicht beeinflusst, da die Auflösungsrate in den von uns untersuchten Systemen oberflächenkontrollie rt und nicht transportkontrolliert sind (Bondietti 1992). Monodentate Liganden sind weniger auflösungsaktiv, und zwar auch dann, wenn sie stark adsorbiert werden. Bildet ein Ligand vorzugsweise bidentate, binukleare Komplexe, dann kann Inhibition stattfinden. Die Inhibition folgt aus der Tatsache, dass die gleichzeitige Loslösung zweier Metallzentren aus dem Oxid wegen der ho- 24 hen Aktivierungsenergie sehr unwahrscheinlich ist. Phosphat ist ein prominenter Vertreter eines binukleare Komplexe bildenden, auflösungsinhibierenden Liganden: -2Hi0 Die Vorstellung, dass auch Benzoat binukleare Oberflächenkomplexe bilden kann, wurde durch kürzlich publizierte Daten, welche aufgrund von CIR-FfIR gewonnen wurden, unterstützt (Tejedor-Tejedor 1990). Folgende Struktur für einen Komplex an einer Goethitoberfläche wurde vorgeschlagen: Die Tendenz zur Bildung von Oberflächenkomplexen ist proportional der Tendenz zur Bildung von Komplexen mit dem selben Metall in Lösung. Da die Adsorption der Liganden vom pH-Wert abhängt, wird auch die Auflösungsrate durch den pH-Wert beeinflusst, indem die maximale Rate mit verschiedenen Komplexformem bei unterschiedlichen pH-Werten erreicht wird. 2.4.5. Reduktive Auflösung Wenn ein Reduktionsmittel wie z.B. Ascorbat an der Oberfläche eines reduzierbaren Metalloxides adsorbiert wird, so kann zwischen dem Liganden und dem Metallzentrum ein Elektronenübergang stattfinden. Das reduzierte Metallion passt dann wegen seiner vergrösserten Elektronenhülle nicht mehr in den ursprünglichen Gitterverband des Oxides, so dass seine Loslösung von der Oberfläche im Vergleich zur nichtreduktiven Auflösung stark beschleunigt werden kann. 25 2.5. Bedeutung der Eisenoxide bezüglich der Passivität von Eisen Eisen, das sich im passiven Zustand befindet, ist von einer Eisen(hydr)oxidschicht bedeckt, welche das darunterliegende Metall weitgehend vor weiterer Auflösung schützt. Die Wirksamkeit dieses Schutzes hängt sowohl von der Stabilität dieser Oxidschicht als auch von der Geschwindigkeit ihrer Auflösung ab. Im Zusammenhang mit der Korrosionschemie kommen deshalb den Reaktionen an der Grenzfläche Oxid/Elektrolyt eine entscheidende Bedeutung zu. Die mechanistischen Einsichten, die bei der Untersuchung der Oberflächenreaktionen von partikulären Eisen(hydr)oxiden gewonnen wurden, und die daraus entwickelten Modellvorstellungen der Oberflächen sind somit für das Verständnis von Korrosionsprozessen äusserst nützlich (Stumm 1990). 2.5.1. Aufbau und Zusammensetzung der passiven Schicht Eisen kann passiviert werden, indem es entweder einer passivierenden Umgebung (z.B. einer Chromat- oder Nitritlösung) oder anodischer Polarisation mit genügend hoher Stromdichte ausgesetzt wird. Aufbau und Zusammensetzung der dabei gebildeten passiven Schicht hängen stark von der jeweiligen chemischen Umgebung und den experimentellen Bedingungen ab, so dass keine allgemein gültige Aussage über ihre Zusammensetzung gemacht werden kann. Ausserdem ist die Untersuchung der meist nur wenige Angström dicken Schicht sehr schwierig. Den wenigen, kaum zugänglichen und aufwendigen in-situ Techniken stehen die ex-situ Analysemethoden gegenüber, welche alle den offensichtlichen Nachteil aufweisen, dass sie eine Schicht untersuchen, die bei der Entfernung aus dem Elektrolyten signifikant verändert wurde. Aus diesen Gründen besteht bis heute weder bezüglich der Stöchiometrie noch der Struktur der passiven Schichten Uebereinstimmung. Als Annäherung an den Aufbau des in einem Borat-Puffer erzeugten Filmes bedient man sich oft der Darstellung der passiven Schicht als einen dünnen Film von Fe203, amorph oder kristallin in seiner Struktur, und mit 26 unterschiedlichem Wassergehalt (Jovancicevic 1987). Andere Autoren schlugen eine Doppelschicht vor, welche innen aus Fe304 und aussen aus Fe203 besteht (Nagayama 1962). Pou (1984) zeichnete das Modell eines polymerischen Oxides, wobei eingeschlossenes Wasser die Funktion hat, den Film amorph zu halten. 2.5.2. Inhibition der Auflösung von passiven Schichten In bestimmten Fällen kann die Korrosionsgeschwindigkeit von passivem Eisen der Auflösungsrate der oxidischen Oberflächenschichten entsprechen (Grauer 1982). Bei durch anodische Polarisation passiviertem Eisen, welches sich bei konstantem Elektrodenpotential und konstanter Schichtdicke in einem stationären Zustand befindet, entspricht die Auflösungsgeschwindigkeit der oxidischen Schicht dem anodischen Strom (Heusler 1968). Der selbe Sachverhalt wurde bei anderen Metallen beobachtet. Zutic (1984) konnte zeigen, dass die Auflösungsgeschwindigkeit der passiven Schicht an einer rotierenden Aluminiumelektrode durch eine chemische Reaktion an der Grenzfläche Oxid/Elektrolyt bestimmt wird und nicht durch die Oxidation an der Grenzfläche Metall/Oxid oder durch die Festkörperdiffusion durch die Schicht. Wiedmer ( 197 4) untersuchte mit der drehenden Scheibenelektrode die anodische Auflösung von Reinstaluminium in fluoridhaltiger Lösung und kam ebenfalls zum Schluss, dass die Korrosionsgeschwindigkeit durch die Auflösungskinetik der Oxidschicht gegeben ist. Die Hemmung der Korrosion kann deshalb u. U. mit denselben Mitteln erreicht werden, mit denen die Auflösungsgeschwindigkeit von Eisen(hydr)oxiden herabgesetzt werden kann. Wichtig im Hinblick auf die Inhibition der Korrosion ist vor allem die Adsorption von Liganden an die Grenzfläche Oxid/Elektrolyt sowie die Art der gebildeten Oberflächenkomplexe. Eisen ist hauptsächlich in neutraler, belüfteter Lösung mit einer Oxidschicht bedeckt. Zu den am häufigsten verwendeten Inhibitoren in diesem Medium gehören u. a. o-Phosphat, Silicat und Benzoat. Ihre inhibierende Wirkung, die anerkanntermassen auf der Stabilisierung der oxidischen Deckschicht beruht, kann in direkten Zusammenhang mit ihrer Tendenz, an oxidischen Oberflächen binukleare Komplexe zu bilden, gebracht werden. Ein weiterer Aspekt ihrer schützenden Wirkung beruht darauf, dass sie mit 27 allfälligen aggressiven Anionen in Konkurrenz um die Adsorptionsplätze an der Oberfläche stehen und letztere von dort verdrängen. 2.5.3. Zusammenbruch der Passivität Aggressive Anionen können zu einem Zusammenbruch der Passivität führen oder die Bildung einer passiven Schicht zum vornherein verhindern. Zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe von Anionen gehören neben dem Chlorid das Sulfat und das Fluorid. Der erste Schritt, welcher zum Zusammenbruch der Passivität und somit zu einer erhöhten Auflösung des Metalls führt, besteht in der Adsorption des aggressiven Anions am passiven Film. Dort kann das Anion die eingeschlossenen Wassermoleküle oder die Hydroxidionen des Oxidgitters ersetzen und Eisenkomplexe bilden, welche eine viel höhere Löslichkeit als die entsprechenden Hydroxokomplexe aufweisen. Ebenfalls möglich ist, dass das aggressive Anion durch die Schicht hindurch diffundiert und die löslichen Komplexe direkt an der Grenzfläche Metall/Oxid bildet. So wie die Auflösung von Oxidpartikel durch eine erhöhte Konzentration an Protonen beschleunigt wird, führt die Senkung des pH-Wertes zu einer verstärkten Korrosion. Auch reduktive Substanzen können die passive Schicht angreifen und den Zusammenbruch der Passivität zur Folgen haben. 28 Korrosion und Passivität 3. Kurze Einführung in die Korrosion 3.1. Thermodynamische Aspekte Ganz allgemein kann man Korrosion als die Verwitterung von Substanzen unter Umwelteinflüssen bezeichnen; Beispiele dafür wären etwa die Verwitterung einer Kalksteinfassade oder das Rosten metallischer Gegenstände. Korrosionsprozesse beinhalten somit die Umwandlung von Metallen oder Legierungen in ihre Verbindungen - Carbonate, Sulfide, Sulfate oder (Hydr)oxide. Alle Metalle ausser Gold sind bezüglich ihrer Oxide nicht stabil und bilden eine Oxidschicht, wenn sie bei Raumtemperatur der Luft ausgesetzt werden. Die Tendenz der reinen Metalle, in ihre thermodynamisch stabileren Oxide überzugehen, widerspiegelt sich in den freien Bildungsenergien der Oxide: das negative Vorzeichen von ~Gf bedeutet, dass die Reaktion xM + y/2 02 (3.1) MxOy ~ spontan abläuft. (kcaVmol) Oxid ~G~ Fe 20 3 Al2 03 Cr2 0 3 MgO -177.4 -378.2 -252.9 -136.1 Oxid ~G~ CuO NiO ZnO Sn0 2 -31.0 -50.6 -76.1 -124.2 (kcal/mol) 29 Für Gold gilt: Au + 3/2 H20 (1) + 3/4 02 (g) AG~ = + 15.7 kcal ~ Au(OH)3 Elektrochemische Aspekte Gemäss Reaktion (3.2) kann Eisen in einem direkten chemischen Prozess von Wasser angegriffen werden (Walker 1982): (3.2) Reaktion (3.2) beschreibt eine Redox-Reaktion: das Eisen wird oxidiert, während der Wasserstoff reduziert wird. Korrosion kann also, neben dem direkten Angriff von Wasser auf Eisen, grundsätzlich als ein elektrochemischer Prozess ablaufen. Da Reaktion (3.2) im Vergleich zu den elektrochemischen Reaktionen sehr langsam ist, sind letztere sogar ausschlaggebend. Wie alle Prozesse dieser Art kann nun auch die elektrochemische Korrosion von Eisen in Wasser in Form von Halbreaktionen notiert werden. Die fundamentale Reaktion der Korrosion ist dabei die oxidative Auflösung des Eisens: Fe ~ Fe2+ + 2e- (3.3) Die Elektronen, welche in (3.3) freigesetzt werden, müssen in einer entsprechenden Reduktion konsumiert werden. In Wässern, die Sauerstoff gelöst haben, wird zuerst der Sauerstoff reduziert: (3.4) Steht kein Sauerstoff zur Verfügung, finden folgende Reduktionen statt: 2H+ + 2e- ~ H2 2H20 + 2e- ~ 20H' + H2 (3.5) (3.6) Im Hinblick auf den elektrochemischen Mechanismus der Korrosion kann die Tendenz eines Metalles, zu korrodieren, auch mittels der Elektromotorischen Kraft (EMK) der Korrosionszellen ausgedrückt werden. Die Bezie- 30 hung zwischen L\G (in Joules) und der EMK E (in Volts) ist gegeben durch L\G =-EnF, wobei n die Anzahl der übertragenen Elektronen und F die Faradaykonstante ist. Je grösser der Wert E für eine beliebige Zelle, desto grösser ist die Tendenz der Reaktion, abzulaufen. Standard-Reduktionspotentiale: (in Volt) Reduktion Zn2+ + 2e- -7 Zn Fe2+ + 2e- -7 Fe 2H+ + 2e- -7 H, 02+4e-+ 2H20 -7 4(0H)Au3+ + 3e- -7 Au -0.76 -0.44 0.00 +0.40 +1.5 Oxidation und Reduktion können räumlich getrennt voneinander ablaufen. Korrosion als elektrochemischer Prozess umfasst also: 1) anodische Gebiete, wo das Eisen oxidiert wird und Elektronen produziert werden. 2) kathodische Gebiete, wo die Reduktion vonstatten geht und Elektronen konsumiert werden. 3) ein metallischer Leiter zwischen kathodischem und anodischem Bereich, durch den die Elektronen fliessen können. 4) Ein ionischer Leiter (Elektrolyt), der mit sowohl anodischem als auch kathodischem Bereich in Kontakt steht. Auf der folgenden Seite ist in Figur 3.1 eine lokale Korrosions-Zelle dargestellt. Die Anode ist dabei der Ort der elektrochemischen Oxidation des Eisens; findet diese Reaktion in sauerstoffreicher Umgebung statt, wird Fe(II) schnell zu Fe(III) weiter oxidiert. Für den kathodischen Bereich ist mit der Reduktion des Sauerstoffes eine der möglichen Elektronen konsumierenden Reaktionen dargestellt. 31 oä Kathode 2+ Fe___.. Fe Fjg. 3.1: + 2e- Der Mechanismus der Korrosion von Eisen in neutraler, belüfteter Lösung. Anode und Kathode können verschiedene Metalle, verschiedene Bestandteile einer Legierung oder verschiedene Bereiche desselben Eisenstückes sein; finden beide Halbreaktionen am gleichen Stück Metall statt, spricht man von lokalen Anoden (Oxidation) und lokalen Kathoden (Reduktion). Das Metall selbst ist in diesem Falle der elektrische Leiter, während das die Metalloberfläche bedeckende Wasser die Funktion der Salzbrücke in der galvanischen Zelle hat und Ionenleitfähigkeit garantiert. ~+~~ (-~-~ Fig. 3.2: Schematische Anordnung von lokalen Zellen auf einer vergrösserten Metalloberfläche; nach Uhlig (1985). 32 Die obenstehende Figur 3.2 zeigt, dass jede Metalloberfläche zusammengesetzt ist durch das Metall selbst kurzgeschlossene, mit einem Elektrolyten in Kontakt stehenden Elektroden. Solange das Metall trocken bleibt, werden weder lokale Ströme noch Korrosion beobachtet. Wird das Metall aber Wasser oder einer wässerigen Lösung ausgesetzt, beginnen die lokalen galvanischen Zellen zu arbeiten, und das Metall wird in seine Korrosionsprodukte umgewandelt. Die anodischen Gebiete sind die reaktiveren und können Spalten in einer Oxidschicht, Korngrenzen oder Verunreinigungen sein. Die kathodischen Gebiete können das Oxid, edlere Verunreinigungen oder Verbindungen wie Sulfide oder Phosphide sein (Walters 1982). Die Elektronen, welche an der Anode produziert werden, fliessen durch den metallischen Leiter zur Kathode, um dort aufgebraucht zu werden. Die Intensität der Korrosion in den anodischen Bereichen ist verbunden mit der lokalen anodischen Stromdichte. Die Geschwindigkeit, mit der Elektronen an der Anode produziert werden, muss genau gleich gross sein wie diejenige, mit der sie an der Kathode konsumiert werden. Deshalb kann sowohl die Rate der anodischen als auch der kathodischen reduziert werden, um die Geschwindigkeit der Korrosion zu reduzieren. (Das Ausmass der Korrosion kann ebenfalls vermindert werden, indem der Widerstand im Metall und/oder im ionischen Leiter erhöht wird). Der passive Zustand Der Begriff des passiven Zustand eines Metalles kann vielleicht am besten am Beispiel des Aluminiums eingeführt werden. Dieses an und für sich unedle Metall mit einem Standard-Reduktionspotential von - 1.66 V dürfte eigentlich gar nicht für den Bau von Flugzeugen eingesetzt werden, da beim ersten Regen deren Auflösung zu befürchten wäre. Das dies nicht der Fall ist, ist darauf zurückzuführen, dass reines Aluminium an der Luftsoforteine kompakte, adherente und harte Oxidschicht bildet, die das darunterliegende Metall schützt. Diese Schicht hebt das Elektrodenpotential des Aluminiums auf+ 0.6 V, wobei es zwischen Kupfer und Silber in die Nähe der Edelmetalle rückt (Slabaugh 1974). 33 Auch Eisen ist im passiven Zustand von einer dünnen Oxidschicht bedeckt. Das bei der Auflösung von Eisen entstehende Fe(II) wird in der Regel weiter oxidiert, was zu einer Bedeckung der Eisenoberfläche mit einer schützenden Eisen(III)(hydr)oxidschicht führt. Im folgenden Kapitel 3.2. soll nun kurz auf die Geschichte der Entdeckung der Passivität eingegangen werden. 3.2. Die Entdeckung der Passivität Keir (1790) Bereits M. Lomonosov (1738) und C. Wenzel (1782) stellten fest, dass Eisen in konzentrierter Salpetersäure keine kontinuierliche Reaktion zeigt, ganz im Gegensatz zu seiner heftigen Reaktion in verdünnter Salpetersäure (Uhlig 1979). Sie konnten damals aber noch keine Erklärung für diese merkwürdige Tatsache geben; gemäss W. Ostwald wurde die Passivität von Eisen zum erstenmal von J. Keir im Jahre 1790 erwähnt. Keir löste Silber in konzentrierter Salpetersäure auf, um dann ein Stück Eisendraht in diese Lösung einzutauchen. Zuerst bildete sich sofort ein aus metallischem Silber bestehender Niederschlag auf dem Draht, doch dann stoppte die Reaktion mit dem Eisen. Der Silberüberzug löste sich wieder auf, den blanken Eisendraht zurücklassend. Keir stellte fest, dass sich das mit konzentrierter Salpetersäure behandelte Eisen verändert haben musste: er zeigte, dass sich Kupfer, Blei und Quecksilber aus den entsprechenden Nitrat-Lösungen auf "frischem" Eisen niederschlugen, während dieselben Reaktionen mit "verändertem" Eisen ausblieben. Dass dieses Phänomen ein Oberflächeneffekt war, konnte er demonstrieren, indem er das in konzentrierte Salpetersäure eingetauchte Eisen ankratzte, was eine sichtbare Reaktion zur Folge hatte. Die chemische Resistenz konnte ebenfalls aufgehoben werden, wenn das "veränderte" Eisen mit "frischem" Eisen in Berührung kam. 34 Schönbein (1836) Einer der ersten Berichte, gemäss denen Passivität von Eisen mit Hilfe von anodischer Polarisation erreicht werden konnte, stammt von C. Schönbein aus dem Jahre 1836. Er hielt fest, dass anodische Passivierung von Eisen in verdünnter Salpeter-, Schwefel- oder Phosphorsäure möglich war, sofern keine Halogenide vorhanden waren. Zur selben Zeit beobachteten andere, dass der Kontakt von Eisen mit edlen Metallen, wie z. Bspl. Platin, die Passivierung von Eisen in Salpetersäure begünstigte, während der Kontakt mit unedlen Metallen, wie z. Bspl. Zink, die Aktivierung und Verlust der Passivität bedeuteten. Diese Effekte waren natürlich im wesentlichen nichts anderes als die Resultate von anodischer sowie kathodischer Polarisation. Eisen, welches galvanisch mit Eisenoxid (Fe304) verbunden war, konnte in konzentrierter Salpetersäure (mit einer spezifischen Dichte von 1.35) passiviert werden. Ohne diesen Kontakt blieb das Eisen aktiv: die Passivierung erfolgte erst in einer konzentrierteren Säure. Um 1828 wurde festgestellt, dass passives Eisen ein edles Potential aufwies, und plazierte dieses oberhalb des Potentials von Silber. Eisendraht Salpeters. sp. D. 1.35 mit Eisenoxid bedeckter Eisendraht Fig. 3.3: Schönbein's Experiment: Eisen, welches in Salpetersäure mit spezifischer Dichte von 1.35 aktiv war, konnte durch Verbindung mit Eisenoxid im selben Medium passiviert werden. 35 Faraday (1836) Faraday führte die Passivität von Eisen auf einen Film zurück, der im Zuge der Passivierung auf der Oberfläche des Metalls entstand, und konnte 1836 demonstrieren, dass dieser Film kein Isolator sein konnte. Boutmy und Chateau werden als diejenigen angegeben, welche 1861 die Passivierung von Eisen in Chromatlösungen entdeckt hatten. 3.3. Spekulationen und Theorien Die mannigfachen Theorien, die seit den ersten Beobachtungen des Phänomens der Passivität aufgestellt wurden, lassen sich in vier Kategorien einteilen: 1) 2) 3) 4) Modifikation des Metalls Reaktionsgeschwindigkeit Oxidschicht Adsorption Die Erklärungsvorschläge sind ebenso vielfältig und fantasievoll wie ihre Vertreter und vermögen den allgemeinen Erkenntnisstand ihrer Zeit zu spiegeln: Modifikation des Metalls Schönbein vertrat 1838 die Hypothese, dass der passive und aktive Zustand von Eisen allotrophischen Modifikationen des Metalls (unterschiedliche Kristallstrukturen bei gleicher Summenformel) entsprächen, so wie Phosphor sowohl in einer weissen als auch in einer roten Modifikation auftreten kann. Hüttdorf schlug 1898 vor, dass passives Chrom einen "gespannten" Zustand des Metalls darstellt. Finkelstein unterstützte 1902 die Theorien der Metall-Modifikation, indem er die sogenannte Valenztheorie der Passivität erarbeitete: Er betrachtete metallisches Eisen als eine Mischung von 3 Fe2+ und Fe 3+, wobei passives Eisen vorwiegend als Fe + und aktives als 2 Fe + vorliegen sollte. Auch Byers und Langdon sahen 1913 die Gründe für 36 Passivität in einem veränderten Zustand des Metalles selbst. Dean spekulierte 1919, dass unter dem Einfluss eines Oxidationsmittels die Konzentration an Elektronen an der Oberfläche kleiner ist als innerhalb des Metalls, was zu einem unüblichen Voltapotential und somit zu einer verminderten Reaktivität oder eben Passivität führen könnte. Russen führte 1925 eine elektronische Interpretation ein, indem er den aktiven Zustand eines Uebergangmetalles als das Vorhandensein von zwei Elektronen im 4. Orbital beschrieb, und den passiven Zustand auf die Entfernung eines dieser Elektronen in das 3. Orbital zurückführte. Swinne vermutete 1925 ebenfalls, dass die passiven Eigenschaften der Uebergangsmetalle ihre Ursache in deren elektronischer Struktur hätten. Uhlig und Wulff schlugen 1939 eine Elektronen-Konfigurations-Theorie vor, mit deren Hilfe versucht wurde, die zur Erreichung von Passivität kritische Zusammensetzung von Legierungen quantitativ zu bestimmen. Dabei war wiederum die Reaktivität des Metalles oder der Legierung selbst das entscheidende Kriterium. Die Metall-Modifikations-Theorien haben in neuerer Zeit an Bedeutung verloren, ausser dass sie vielleicht noch dazu gebraucht werden, Hinweise auf die Art und Struktur des gebildeten Oberflächenfilmes zu liefern. Die passiven Eigenschaften von> 12 % Cr-Fe Legierungen z.B. resultieren aus einer elektronischen Modifikation des Metalls durch das beigemischte Chrom, was einen Oberflächenfilm begünstigt, welcher dem auf reinem Chrom gebildeten sehr ähnlich ist. Reaktionsgeschwindigkeit Die Hypothese von LeBlanc (1900) schrieb den passiven Zustand einer langsamen Auflösung des Metalles zu, welche unabhängig von der Anwesenheit eines Oberflächenfilmes war. Für die kleine Reaktionsgeschwindigkeit wurde eine langsame Hydratation der Ionen im Metallgitter verantwortlich gemacht. Schmidt und Rathert (1913) schlugen vor, dass Metalle üblicherweise in einem passiven Zustand sind, dass sie aber aktiv werden, wenn Wasserstoff im Metallgitter vorliegt. 37 Oxidfilm Der erste Vorschlag für ein Modell eines Oxidfilmes als Grund für Passivität wird üblicherweise Faraday zugeschrieben (ca. 1830): "My strong impression is that the surface of the iron is oxidised ... " Mit anderen hielt Flade einen Oxidfilm auf der Metalloberfläche für einen möglichen Grund für Passivität. Bennett und Burnham (1916) kamen zur Schlussfolgerung, dass die Passivität des Eisens durch ein höherwertiges Eisenoxid, nämlich Fe03, verursacht wird. Stabilisiert würde dieses Oxid durch Adsorption auf der Eisenoberfläche. Die Interpretation der Resultate moderner Analysetechniken von Oberflächen schreibt die Passivität des Eisens in den weitaus meisten Fällen dem Vorhandensein einer Schutzschicht zu, die sich aus den üblichen und bekannten Eisenoxiden wie Fe304 oder Fe203 zusammensetzt. Adsorption Faraday war der erste, der die These vertrat, dass der passive Film des Eisens aus Sauerstoff besteht. Dem adsorbierten Sauerstoff wurde die Rolle zugeschrieben, die Affinitäten oberflächenständiger Metallatome abzusättigen, ohne dass dabei Metallatome aus ihrem Gitter entfernt würden. Auf diesem Wege wurde Passivität nicht durch eine Oxidschicht erklärt, sondern durch eine variable Schicht an der Metalloberfläche adsorbierten Sauerstoffes. Der Schutzmechanismus beruht dabei nicht auf einer Diffusionsbarriere, sondern auf einer verminderten Reaktionsgeschwindigkeit, wobei der Sauerstoff die Auflösungskinetik beeinflusst. 38 3.4. Definitionen der Passivität Uhlig und Mears (1948) Die frühen Forscher, welche sich mit passivem Eisen befassten, definierten Passivität in Bezug auf eine unerwartet kleine Reaktionsgeschwindigkeit; als Beispiel diene hier die Auflösungsrate von Eisen in konzentrierter Salpetersäure, die klein ist verglichen mit derjenigen in verdünnter Salpetersäure. Später richtete sich das Augenmerk auf die Tatsache, dass passives Eisen ein im Vergleich zu aktivem Eisen positives Potential aufweist. Diese Beobachtungen veranlassten die oben genannten Autoren zu folgenden Definitionen: Def. 1: Ein Metall ist passiv, wenn in einem gegebenen Medium die Korrosionsgeschwindigkeit als Folge einer ausgeprägten anodischen Polarisation deutlich herabgesetzt ist. Def. 2: Ein Metall ist passiv, wenn in einem gegebenen Medium die Korrosionsgeschwindigkeit deutlich herabgesetzt ist, trotz einer ausgeprägten thermodynamischen Tendenz zu reagieren. Blei in Schwefelsäure, z. Bspl., wäre somit passiv im Sinne der Definition 2. Es korrodiert mit einer kleinen Geschwindigkeit, trotz seiner unedlen Position innerhalb der galvanischen Reihe. Dieses Verhalten wird bedingt durch eine relativ dicke Diffusionsbarriere, einem schützenden Film bestehend aus Bleisulfat, welche das Metall bedeckt. Die Nichtübergangsmetalle, wie z. Bspl. Zn, Cd, Cu, Pb, Mg, Sn, etc. und einige ihrer Legierungen, sind - wenn überhaupt - im Sinne der Definition 2 passiv. Die Uebergangsmetalle, wie z. Bspl. Fe, Cr, Co, Ni, Ti, Mo, etc. und ihre Legierungen tendieren dazu, gemäss Definition 1 passiv zu sein. 39 Wagner (1965) In seiner Publikation von 1965 gab C. Wagner zuerst zwei Beispiele von Passivität: Wird das Potential einer Eisenelektrode in 1 N Schwefelsäure konti(1) nuierlich erh<:iht, so löst sich die Elektrode zuerst mit zunehmender Geschwindigkeit anodisch auf. Bei 0.47 V/NHE verringert sich die Auflösungsgeschwindigkeit jedoch um etwa vier Grössenordnungen und wird dann über einen weiten Bereich praktisch unabhängig vom Elektrodenpotential. (2) Eisen löst sich in 0.1 M Salpetersäure spontan auf, wird aber durch konzentrierte Salpetersäure nicht angegriffen. In beiden Fällen wird die kleinere Auflösungsgeschwindigkeit bei stärker oxidierenden Bedingungen der Bildung eines Eisenoxidfilmes zugeschrieben; dieser Film wirkt als eine sehr effiziente Barriere, die den Transport von Eisenionen vom Metall zur Lösung verhindert. Wird Passivität als ein rein phänomenologischer Term gebraucht, dann ist ein Metall dann passiv, wenn a) b) die Geschwindigkeit der anodischen Auflösung eines Metalles in einem bestimmten Medium bei einem positiven Potential kleiner ist als bei einem negativen durch Erhöhung der Konzentration einer oxidierenden Substanz die Auflösungsgeschwindigkeit eines Metalles kleiner wird. 3.5. Heutige Modelle der passiven Schicht Die Auflösung von Metallen kann in drei verschiedenen Zuständen des Metalls geschehen: dem aktiven, dem passiven und dem transpassiven Zustand. Die anodische Auflösung des Eisens im aktiven Zustand, welche sich bei Potentialen unterhalb des Passivierungspotentials abspielt, findet an der unbedeckten Metalloberfläche statt. Im passiven Zustand ist die Auflösungsrate des Metalls sehr klein; die Oberfläche ist dabei mit der so- 40 genannten passiven Schicht bedeckt, welche in den meisten Fällen aus einem Eisenoxid besteht. Wie aus den vorhergehenden Kapiteln hervorgeht, kann Eisen passiviert werden, indem es z. Bspl. in konzentrierte Salpetersäure getaucht wird; dabei verschiebt sich das Potential des Eisens um mehrere hundert Millivolt in positiver Richtung. Passivität tritt aber ebenfalls auf, wenn eine Eisenelektrode direkt anodisch polarisiert wird. Zu diesem Zweck kann sowohl ein konstantes Potential als auch ein konstanter Strom angewendet werden. Bedingung ist aber in beiden Fällen, dass entweder ein gewisses minimales Potential oder ein minimaler Strom überschritten werden, um die Elektrode zu passivieren. Dieser Sachverhalt wird aus der in Fig. 3.4 dargestellten schematischen Polarisationskurve ersichtlich: bleibt das Potential unterhalb des Passivierungspotentials oder der Strom unterhalb der kritischen Stromdichte, bleibt die Elektrode im Bereiche der aktiven Auflösung: 41 j Passivstrom- E 1 dichte 1 Entstehung von Sauerstoff 1 1 Transpassive Region Passive Region Bildung der passiven Schicht Passivierungspotential Aktive Region kathodischer Strom Eie, 3.4; 0 anodischer Strom Anodische Auflösungsbereiche eines Uebergangmetalles 42 Die folgenden Faktoren beeinflussen die Form der Polarisationskurve: 1) Zusammensetzung und Struktur des Filmes, wie er im Bereich der aktiven Auflösung gebildet wird. 2) Die Löslichkeit der an der Metalloberfläche gebildeten Verbindungen. Die passivierende Wirkung verschiedener Anionen kann verglichen werden, in dem anodische Polarisationskurven aufgenommen werden. So hängt zum Beispiel die kritische Stromdichte für die Passivierung von Eisen von der Zusammensetzung des Elektrolyten ab. In beiden Fällen wird das Eisen also anodisch passiviert. Wie bereits angedeutet, besteht heute weitgehend Uebereinstimmung darin, dass anodische Passivierung zur Bedeckung des Eisens mit einer vor weiterer Auflösung schützenden, dreidimensionalen Eisenoxidschicht führt. Im vorliegenden Abschnitt sollen nun die heute gängigen Vorstellungen über den Aufbau dieses oxidischen Filmes diskutiert werden. Die Geschwindigkeit der anodischen Auflösung einer Eisenelektrode im aktiven Zustand hängt nicht nur vom Potential der Elektrode ab, sondern auch von der Konzentration der Hydroxidionen. Deshalb zeigt sowohl reines Eisen als auch dessen Legierungen in wässrigen Lösungen eine starke pH-Abhängigkeit des Passivierungsverhaltens. Die kritische, zur Passivierung notwendige Stromdichte sinkt mit steigendem pH-Wert der Lösung und das Passivierungspotential verschiebt sich zu negativeren Werten eine höhere Hydroxidionenkonzentration erleichtert also die Passivierung (Elsener 1983). Der im folgenden dargestellte, stark vereinfachende Mechanismus betont die wichtige Rolle der Adsorption von Wassermolekülen und Anionen an der Metalloberfäche (Sato 1989): M + H20 = (MOH)ad + H+ + e(MOH)ad = MOH+ + eMOH+ = M2+·aq + Off Dieser Typ von Reaktionsmechanismus, der mit adsorbierten Hydroxidionen formuliert ist, führt zur Passivierung von den meisten Uebergangsmetallen, wenn sie erhöhter anodischer Polarisation ausgesetzt werden. 43 Nagayama (1962) gibt im Bereiche der aktiven Auflösung des Eisens in einem Borat-Puffer bei pH 8.4 folgende mögliche Reaktionen an: Fe = Fe 2+ + 2e3Fe + 4H20 = Fe304 + SH+ + SeBei positiveren anodischen Potentialen, d.h. oxidierenderen elektrochemischen Bedingungen, wird die äussere Schicht des Fe304 umgewandelt zu y-Fe203: 2Fe + 3 H20 = y-Fe203 + 6H+ + 6e2Fe304 + H20 = 3y-Fe203 + 6H+ + 6eNagayama (1962) zeichnete aufgrund dieser Mechanismen folgendes Bild der passiven Schicht: Metall - Fe304 y- Fe203 Innere Schicht Aeussere Schicht 43 40 - Elektrolyt ' --------' ~ -~--1: ' ' Distan2 Fig. 3.5: Aenderung der Zusammensetzung des passiven Filmes als Funktion der Distanz von der Metall-Oxid-Grenzfläche; nach Nagayama (1963 ). 44 Der Aufbau der passiven Schicht ist auch heute noch Gegenstand von Kontroversen. Pou (1984) unterscheidet bezüglich der in einem Borat-Puffer bei pH 8.4 entstandenen Schicht zwei Modelle, das des kristallinen Oxides und dasjenige des hydratisierten, polymerischen Oxides. Im Rahmen des Modells des kristallinen Oxides wird der passivierende Film als eine Duplex-Schicht aufgefasst, bestehend aus einer inneren Schicht Fe304 und einer äusseren Schicht Fe203, ganz im Sinne des in Fig. 3.5 dargestellten Aufbaus des passiven Filmes. Das Modell des hydratisierten polymerischen Oxides beruht auf der Idee, dass in den Film eingebautes Wasser die Schicht amorph hält: 0 0 0 \ \ \ --O-Fe-0-Fe-o--Fe-OH / O ~1 H, ..,..HO \ /o '•/ H, ..,..H~ \ _,.o H, ..,..H O \ /o --o-F:-o-F:-o--F:-oH 1\ 1\ 1\ \/ \/ \/ --0-Fe-O-Fe-o--Fe-OH 0 / \ ',, H ..... o,H 0 / ,•\ '·\. H ..... o,H 0 / '\\ H ..... o,H 1\: --O-Fc-0-Fe-O--Fe-OH 0 EisenElektrode Fie. 3.6: / / 0 0 / Passiver Film Schematische Darstellung des hydratisierten Filmes; nach Pou (1984). Jovancicevic (1987) beschreibt die in einem Borat-Puffer entstandene passive Schicht als einen dünnen Film Fe203, kristallin oder amorph bezüglich dessen Struktur, sowie mit einem variierenden Wassergehalt. Biwer (1988) kommt durch Untersuchung der in alkalischer Lösung (0.1 M 45 NaOH) erzeugten Schicht zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Er betrachtete den Film ganz allgemein als Eisen im dreiwertigen Oxidationszustand: Fei0 3, FeOOH oder Fe(OHh. Beide Autoren sehen dieses Modell durch die Tatsache bestätigt, dass die elektrochemische Reduktion der passiven Schicht zwei Wellen ergibt, welche entweder als die Reduktion zweier verschiedener Schichten, Fe20 3 und Fe30 4 , oder als sukzessive Reduktion von Fe20 3 zu metallischem Eisen interpretiert werden können. O'Grady (1980) schliesslich kam durch in situ Mössbauer Spektroskopie zur Schlussfolgerung, dass der Film in keiner bekannten, gut definierten Form eines kristallinen, stöchiometrischen Oxides oder Hydroxides vorliegt. Er erzeugte den passiven Film ebenfalls in einem Borat-Puffer bei pH 8.4 durch Anlegen eines Potentials von 0.6 V/NHE. Die MössbauerSpektren zeigten grosse Unterschie de zu denjenigen der kristallinen (Hydr)oxide, waren aber charakteristisch für ein amorphes, polymerisches Eisenoxid. Die Daten deuteten auf verkettete Fe06-0ktae der, welche miteinander über di-oxy und di-hydroxy-Brücken verbunden sind. Jedes dieser Oktaeder unterscheidet sich vom anderen in seinem lokalen Bindungscharakter, da sowohl die Anzahl der benachbarten Oktaeder als auch der Umstand, ob die Bindung über eine Fläche, eine Kante oder nur über eine Ecke erfolgt, ändern kann. Weiter konnte O'Grady mit Hilfe der Mössbauerspektroskopie zeigen, dass der Film erst dann die Struktur eines y-Fe203 aufwies, wenn durch Dehydratisierung irreversible Aenderungen eingetreten waren. 46 Fie, 3.7: Mögliche Verteilung der Sauerstoffatome, Hydroxylgruppen und Wassermoleküle um die Eisenzentren; nach O'Grady (1980). In seiner Publikation von 1978 stellte Cohen im Rahmen einer Literaturübersicht eine ganze Reihe von Vorstellungen über den Aufbau der passiven Schicht zusammen: Fig. 3.8: Verschiedene Strukturvorschläge für den passiven Film; nach Cohen (1978). 47 3.6. Der Passivfilm im Boratpuffer Eisen zeigt im Borat-Puffer bei fast neutralen pHs ideales passives Verhalten. Allerdings haben die Parameter der Filmbildung einen grossen Einfluss auf die Struktur des passiven Filmes. So sind auch die Polarisationskurven, deren schematischer Verlauf in Fig. 3.4 dargestellt ist, stark abhängig von der Vorbehandlung der Proben und den experimentellen Details (Haupt 1987). Pou et al (1984) erzeugten den Film bei einem konstanten Potential von 0.3 V/NHE während 50 Min. Die Stromdichte sank während der Passivierung kontinuierlich und erreichte schliesslich Werte in der Grössenordnung von 1 µA/cm2. Die Integration der Strom/Zeit Kurve zeigte, dass die totale Ladung, die während den 50 Min. durch die Elektrode floss, ungefähr 6 mC/cm2 entsprach, was unter Annahme der Bildung von Fe203 eine Filmdicke von 26 Ä zur Folge hätte. Aufgrund von XPS-Spektren konnte gezeigt werden, dass der passive Film ausschliesslich Fe(III) und kein Fe(II) enthielt. In einem von Nagayama (1962) beschriebenen Experiment fiel der Strom nach einer zehnstündigen Polarisation bei einem im passiven Bereich liegenden Potential unter 0.01 µA/cm 2 und sank sogar dann noch weiter. Auch gemäss Cohen (1962) bildet sich im Borat-Puffer eine Oxidschicht an der Oberfläche der Eisenelektrode. Die Dicke des Films beträgt 10 - 30 Ä, wobei die Dicke von dem Potential, bei dem die passive Schicht erzeugt wurde, abhängt. Die passive Schicht selbst beschrieben sie als zweiteilig, wobei Fe 3 0 4 an der Metalloberfläche und y-Fe 0 an der Grenzfläche 2 3 Oxid/Elektrolyt vorherrschen. Sato (1976) gab als Dicke für den Film 9 50 Ä an (wobei die Dicke wiederum vom Potential abhängt) und beschrieb die passive Schicht als ein Oxid mit inhomogener Hydradation. Gemäss Nagayama (1962/63) ist Eisen, das in einem Borat-Puffer von pH 8.4 anodisch passiviert wurde, bedeckt mit einem Oxidfilm (10-30 Ä), bestehend aus einer inneren Fe30 4 - und einer äusseren y-Fe 0 -Schicht. Der 2 3 äusserste Anteil der passiven Schicht hat eine kationen-defiziente Struktur der Form Fe 6tFe:f_~,Ax·0 3 • Sowohl die Dicke der Schicht als auch die Konzentration der Defekte sind abhängig vom angelegten Potential. 48 4. Inhibition der Korrosion 4.1. Einführung Unter der Inhibition von Korrosionsprozessen versteht man ganz allgemein vorbeugende Massnahmen, um den korrosiven Angriff auf metallische Materalien auf ein Minimum zu beschränken (Trabanelli 1987). Diese Massnahmen bestehen meist in dem Gebrauch chemischer Verbindungen, welche, in kleinen Konzentrationen zum aggressiven Medium gegeben, die Geschwindigkeit der Korrosion substantiell herabsetzen. In der Regel adsorbieren diese als Inhibitoren bezeichneten Verbindungen an der Oberfläche des zu schützenden Gegenstandes und verlangsamen dadurch eine oder mehrere der Reaktionen, welche zur Korrosion beitragen (Thomas 1980). Die Korrosionsprozesse von Metallen, welche sich unter Beteiligung eines Elektrolyten abspielen, sind in den weitaus meisten Fällen elektrochemischer Natur (vgl. Kap. 3.1.). Die Geschwindigkeit der Korrosion hängt somit ab von zwei gleichzeitig an der Oberfläche des Metalls stattfindenden Teilreaktionen: der anodischen Reaktion, welche aus dem Uebertritt eines Metallatoms aus dem Gitter in die Lösung unter Abgabe von Elektronen besteht; und der kathodischen, bestehend aus der Aufnahme der bei der Oxidation des Metalls freigewordenen Elektronen durch einen Depolarisator. anodische Teilreaktion kathodische Teilreaktion ne-M 0 + = Mn+ + nene- + Ox = Red Da Korrosionshemmung immer dann stattfindet, wenn die Geschwindigkeit einer oder beider der Teilreaktionen gesenkt wird, können Inhibitoren als anodische, kathodische oder gemischte Inhibitoren 1 bezeichnet werden, 1 Die anodischen Inhibitoren werden manchmal als Passivatoren bezeichnet; gemäss dieser Definition kann ein Inhibitor Passivator sein oder nicht 49 je nachdem, ob nun eine Substanz die Geschwindigkeit der anodischen Oxidation und/oder der kathodischen Reduktion verringert. Inhibitoren können aber nicht nur gemäss diesem elektrochemischen Verständnis eingeteilt werden. Eine bequeme und gebräuchliche Klassifizierung, die hier z.T. übernommen werden soll, teilt sie in anorganische und organische ein. Diese vereinfachende Zuordnung erfährt ihre Berechtigung dadurch, dass anorganische Inhibitoren vornehmlich in neutralen Elektrolyten gebraucht werden, während organische in sauren zur Anwendung kommen (Rozenfeld 1981). Dies erklärt sich aus der starken Abhängigkeit der korrosiven Situation vom pH-Wert des Elektrolyten. Daher müssen je nachdem, ob Inhibitoren in saurer oder neutraler Umgebung eingesetzt werden, auch unterschiedliche Inhibitionsmechanismen in Betracht gezogen werden. Da bei neutralem pH die Löslichkeit von Oxiden sehr kleine Werte annimmt, beruht die Inhibition in den entsprechenden Elektrolyten auf einer dreidimensionalen, oxidischen Schicht zwischen dem korrosiven Medium und dem Metall. Anorganische Inhibitoren beeinflussen nun u.a. die Stabilität dieser passiven Schicht. Organische Inhibitoren, welche vorwiegend in sauren Lösungen eingesetzt werden, wirken nach einem anderen Mechanismus. Bei tiefem pH des korrosiven Mediums steht im Bereiche der aktiven Metallauflösung eine nackte Metalloberfläche in unmittelbarem Kontakt mit dem Elektrolyten. In dem Falle ist Adsorption des Inhibitors am Metall und die damit einhergehende Beeinflussung der Kinetik der kathodischen Reaktion von grosser Bedeutung. Somit wird in saurem Medium die Kinetik der Auflösung des Metalles verändert, indem die Geschwindigkeit der Reduktion von H+ oder eines anderen Depolarisators gesenkt wird. Die folgende Seite zeigt ein vereinfachendes Schema der Inhibitoren der unter aussenstromlosen Bedingungen stattfindenden Eisenkorrosion: (je nach dem, welche Teilreaktion er beeinflusst), aber alle Passivatoren sind Inhibitoren (Rozenfeld 1981). 50 Schematische Uebersicht der lnhibitioren der Korrosion von Eisen unter aussenstromlosen Bedingungen 1 basischer Elektrolyq Inhibitor: Olf -ionen vermögen Eisen bei pH 12 in Abwesenheit von Sauerstoff zu passivieren. Inhib.mech.: kathodisch Salzfilmbildung Inhib.mech.: anodisch Stabilisierung der passiven Schicht Inhibitoren: anorg. Kationen z.B. Ca2+, zn2+ 1 Sauerstofffreier Elektrolyt Inhibition kann nur in Anwesenheit von Sauerstoff erlolgen Inhibitoren: oxidierende Anionen z.B. Nitrit, Chromat Inhibitoren: schwach oder nichtoxidierende Anionen z.B. Molybdat, Borat saurer Elektrolyt 1 Inhib.mech.: kathodisch z.B. Bildung von Diffusionsbarrieren Inhibitoren: organische Moleküle 51 4.2. Inhibition in sauren Lösungen Ganz allgemein zeigen die anorganischen Inhibitoren, welche in neutralen wässrigen Lösungen effizient sind, keinen oder nur einen sehr geringen Effekt in sauren Lösungen. Hingegen können viele organische Substanzen den korrosiven Angriff in saurem Milieu verhindern. Zu diesen Inhibitoren gehören ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit Dreifachbindungen, Alkohole, Sulfoxide, Sulfide und Mercaptane, sowie aliphatische, aromatische oder heterozyklische Verbindungen, welche häufig Stickstoff enthalten (Trabanelli 1987). Der Umstand, dass in saurer Umgebung vor allem organische Verbindungen in der Lage sind, die Korrosion zu inhibieren, ist bedingt durch die mechanistischen Eigenheiten des Korrosionsprozesses bei tiefem pH. In einem sauren Elektrolyten ist der hauptsächliche kathodische Prozess die Wasserstoffentwicklung; die Wirkung des Inhibitors basiert daher auf dem Ausmass der Adsorption an die oxidfreie Metalloberfläche. Diese Art der Inhibition setzt eine starke Wechselwirkung zwischen der Oberfläche des korrodierenden Materials und des Inhibitors voraus. Die Faktoren, welche die Adsorption von Inhibitoren an der oxidfreien Metalloberfläche beeinflussen, sind vor allem die Oberflächenladung des Metalles, welche die elektrostatische Anziehung der adsorbierten Spezies bestimmt, sowie die funktionellen Gruppen und die elektronische Struktur des Inhibitors, welche die Stärke der koordinativen Bindung mit dem Metall beeinflussen (Thomas 1980). Wie oben bereits erwähnt, enthalten die meisten organischen Inhibitoren mindestens eine polare Gruppe mit N, S, 0 oder P. Die molekulare Struktur des Inhibitors ist insofern von Bedeutung, als die Elektronendichte des Atomes der funktionellen Gruppe, welche ein Reaktionszentrum bildet, die Stärke der Bindung zum Metall beeinflusst (Rozenfeld 1981). Mit einer Erhöhung der Elektronendichte am Zentrum wird auch die Bindung der Chemisorption zwischen Inhibitor und Metall verstärkt. So stellte Hackerman fest, dass die Fähigkeit von Pyridinderivaten, die Korrosionsgeschwindigkeit zu reduzieren, mit zunehmender Elektronendichte um das Stickstoffatom verbessert wird. Die Effizienz der Derivate nimmt in der Reihenfolge Pyridin < 3-Picolin < 2-Picolin < 4-Picolin zu. Dasselbe Muster wird bei aliphatischen und zyklischen Aminen beobachtet: je höher die Elektronen- 52 dichte am Stickstoffatom ist, desto besser sind die schützenden Eigenschaften. Daher sind zyklische Amine bessere Inhibitoren als aliphatische, weil bei den letzteren die Elektronendichte am Stickstoffatom beträchtlich kleiner ist als bei den ersteren. Die im Rahmen dieser Wechselwirkung gebildete zweidimensionale Adsorbat-Schicht kann die grundlegenden Korrosionsprozesse folgendermassen beeinflussen: 1) Bildung einer Diffusionsbarriere an der Elektrodenoberfläche durch ein indifferentes adsorbiertes Substrat. 2) Blockierung der auflösungsaktiven Oberflächenstellen durch ein indifferentes adsorbiertes Substrat bei einem vergleichsweise geringen Grad der Oberflächenbedeckung. 3) Durch Adsorption von Kationen wird die elektrische Doppelschicht an der Grenzfläche Metall-Elektrolyt verändert. Dies führt zu einer Verlangsamung der Reduktion der Wasserstoffionen. 4) Das Substrat ist nicht indifferent, sondern reaktiv: Das Adsorbat seinerseits nimmt an einer Redoxreaktion teil. In diesem Falle kann es zur primären und/oder sekundären Inhibition kommen, je nachdem, ob das ursprüngliche Adsorbat oder seine Reaktionsprodukte den Retardationsprozess beeinflussen. Die meisten Inhibitoren der Säurekorrosion zeigen oberhalb einer sog. kritischen Mindestkonzentration Proportionalität zwischen Konzentration und Inhibitionseffekt. Da aber ihre Wirksamkeit durch Chemisorption an der Metalloberfläche bedingt ist, bedarf es in der Säure höchstens einer solchen Inhibitorkonzentration, wie sie für die Ausbildung einer vollständigen Besetzung der elektrochemisch aktiven Oberflächenzentren erforderlich ist. Erhöht man die Inhibitorkonzentration über den für einen gewöhnlich monomolekularen Oberflächenfilm notwendigen Wert, dann hat das keinen Einfluss auf mehr auf die Wirksamkeit der Inhibition (Reinhard 1981). 53 4.3. Inhibition in neutralen Lösungen Der Korrosionsprozess von Metallen in Kontakt mit fast neutralen wässrigen Lösungen resultiert in der Bildung von schwerlöslichen Produkten an der Metalloberfläche. Weil die kathodische Reaktion in der Regel aus der Reduktion von Sauerstoff besteht, sind diese dreidimensionalen Schichten im allgemeinen aus oxidischen Korrosionsprodukten und/oder Inhibitoren aufgebaut. Dadurch, dass eine oxidische Oberflächenschicht anstelle der nackten Metalloberfläche vorliegt, verlieren viele der in Kapitel 4.2. aufgeführten Grenzflächeninhibitoren ihre Effizienz in Korrosionssystemen, welche die Bildung von dreidimensionalen Schichten bevorzugen. Dies hat seinen Grund in der schwachen Wechselwirkung zwischen dem organischen Inhibitor und dem Oxid. Die daraus resultierende geringere Adsorption hat eine kleinere Effizienz des Inhibitors zur Folge. In neutralen Lösungen kann eine Senkung der Korrosionsgeschwindigkeit erreicht werden durch Zugabe von Verbindungen, welche die schützenden Oxid-, Hydroxid- und Salzfilme bilden oder stabilisieren können. Als den fundamentalen Schritt der Inhibition betrachtet man üblicherweise das Verdrängen der adsorbierten Wassermoleküle durch den Inhibitor. Dass die minimale Konzentration des Inhibitors, um schützend zu wirken, von der Konzentration von aggressiven Anionen wie Chlorid und Sulfat abhängt, stützt die Hypothese, dass eine Form von Konkurrenz in der Adsorption zwischen aggressiven und inhibierenden Anionen besteht (Rozenfeld 1981). So nimmt die Wirkung des schützenden Anions dann überhand, wenn die Oberflächenkonzentration des aggressiven so weit reduziert werden kann, dass sie unterhalb eines bestimmten kritischen Wertes zu liegen kommt. Die Aufnahme des Inhibitors kann u.U. aber auch durch Ionentausch oder durch Ausfüllung einer unlöslichen Metallverbindung geschehen. Als Resultat der Adsorption eines Inhibitors an der oxidbedeckten Oberfläche oder dessen Einbau in den passiven Film können verschiedene Inhibitionsmechanismen auftreten. Thomas (1976) unterschied folgende mögliche Wirkungsweisen: 54 1) Stabilisierung des passiven Oxid-Filmes durch Reduktion seiner Auf- lösungsrate. 2) Repassivierung der Oberfläche. Der Film wird repariert durch Neubildung des Oxides. 3) Flicken des Oxidfilmes durch Bildung unlöslicher Oberflächenverbindungen und Verstopfen der Poren. 4) Verhindern der Adsorption von aggressiven Anionen durch Besetzen der reaktiven Oberflächenplätze des Oxides. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel bereits erwähnt wurde, sind die in neutraler Lösung wirksamen Inhibitoren meist anorganische Anionen. Szklarska-Smialowska (1978) teilte die Anionen, welche die Korrosionsgeschwindigkeit in neutraler Lösung auf irgendeine Art und Weise beeinflussen, in folgende drei Gruppen ein: 1) Aggressive Anionen: z.Bspl. Cr, soi2) Anionen, welche Eisen nur in Gegenwart von Sauerstoff passivieren können: z.Bspl. HPo1-. Pot N03, Bo~3) Anionen, welche Eisen in Abwesenheit von Sauerstoff passivieren können, u.a. oxidierende Anionen: z.Bspl. NOi, cr01-, und Off 4.3.1. Oxidierende Inhibitoren Der passivierende Oxidfilm ist üblicherweise nur über einen beschränkten Potentialbereich stabil. Unter aussenstromlosen Bedingungen hängt das Potential des korrodierenden Metalles ab von der Gegenwart oxidierender Substanzen in der Lösung; meist übernimmt Luftsauerstoff die Funktion des Elektronenakzeptors der anodischen Bruttoreaktion. Die Inhibition der Korrosion durch Anionen verlangt deshalb eine geeignete Kombination von Anionen, pH, und oxidierenden Reagenzien in der Lösung, so dass das Potential in dem Bereich liegt, in dem der Film stabil ist. Inhibitoren mit relativ ausgeprägten oxidativen Eigenschaften wie Natriumchromat und Nitrit vermögen Eisen sowohl in Gegenwart von gelöstem Sauerstoff als auch in sauerstofffreier Umgebung zu passivieren. Viel schwächere Oxidationsmittel wie Natriumwolframat oder -molybdat verhalten sich in luftgesättigten Lösungen ähnlich wie Chromat und Nitrit, können die Korrosion in entlüfteten Lösungen aber nicht verhindern (Pryor 1953). Die Wirkung 55 dieser oxidierenden Inhibitoren besteht darin, dass sie durch ihr Oxidationspotential die Selbstpassivierung des metallischen Materials fördern. Die Mechanismen der Inhibition durch oxidierende Substanzen und die dabei erzeugten passiven Schichten sollen im folgenden anhand von Nitrit, Chromat und Permanganat beschrieben werden. Nitrit Nitrit kann die Korrosionsgeschwindigkeit von Metallen und Legierungen reduzieren, welche gemäss der in Fig. 3.4 dargestellten schematischen Kurve einen aktiv-passiv Uebergang haben. Wird dieser Inhibitor zu einem Elektrolyten gegeben, so verschiebt sich das Potential der diesem Elektrolyten ausgesetzten Elektrode zu positiveren Werten, wobei das Metall in den passiven Zustand versetzt werden kann. Sowohl das Ausmass dieser Verschiebung bei schon geringen Konzentrationen an Nitrit als auch die Aenderung des Potentials über einen grösseren Zeitraum deuten darauf hin, dass die Bindung zwischen Metall und Inhibitor chemischer Natur ist und nicht nur auf physikalischer Adsorption beruht (Rozenfeld 1981 ). Wird ein Metall mit Hilfe eines oxidierenden Inhibitors in den passiven Zustand gebracht, könnte dies entweder eine Konsequenz von einer Beschleunigung des kathodischen Prozesses oder einer Hemmung des anodischen sein. Kinetische Studien des kathodischen Prozesses legen den Schluss nahe, dass im Falle von Nitrit die Inhibierung des anodischen Prozesses - also der Metallauflösung - und nicht die Beschleunigung der kathodischen Reduktion für das Erreichen der Passivität verantwortlich ist. Die inhibierende Wirkung des Nitritions wird durch dessen Adsorption an der Metalloberfläche und anschliessender Oxidation erklärt. Der Aufbau und die Zusammensetzung der passivierenden Schicht selbst scheint durch das Nitrit nicht wesentlich verändert zu werden; es besteht weitgehende Uebereinstimmung, dass der schützende Oxidfilm hauptsächlich aus Fe304 - y-Fe203 besteht und sehr dünn ist (2xI0- 9m) (Al-Bomo 1989). Dass die Adsorption im Inhibitionsprozess eine wesentliche Rolle spielt, wird bestätigt durch die Tatsache, dass die passivierenden Eigenschaften des Nitrits abhängig sind von der Gegenwart aggressiver Anionen wie z.B. er, SO~- oder N03, die mit dem Nitrit in Konkurrenz um die Adsorptionsplätze 56 stehen. Ob Inhibition stattfindet oder nicht, entscheidet in vielen Fällen das Verhältnis Inhibitor zu aggressivem Anion. Findet Korrosion in einem sauren Elektrolyten statt, so ist der Mechanismus ein anderer. Bei tiefem pH ist die Reduktion des Nitrits erleichtert durch die Bildung von Salpeteriger Säure. Diese Säure zerfällt zu Wasser und NO, das an verschiedenen Metallen reduziert werden kann: 3HN02 = 2NO + N03 + H+ + H20 NO + Se-+ 6H+ = NH; + H20 Die Summe der Reaktionen zur Bildung der erwähnten Oxide könnte folgendermassen aussehen (Al-Bomo 1989): 4 Fe + 3N02, + 3 H+ = 2 y-Fe203 + NH3 + N1 3 Fe(OH)2 + 2N02 = Fe304 + 2 Off + 2 H20 + 2 NO In saurem Medium kann das Nitrition also als kathodischer Depolarisator wirken und zu einer vermehrten Korrosion führen; deshalb kann der korrosive Angriff auf metallische Werkstoffe beschleunigt werden, falls in mit Nitrit geschützten Systemen der pH sinkt. Ist die Konzentration an Nitrit aber genügend hoch, so dass der kathodische Strom die zur Passivierung notwendige kritische Stromdichte überschreitet, kann Eisen auch in saurem Medium passiviert werden. Dass Nitrit die anodische Passivierung durch eine drastische Senkung der kritischen Stromdichte ganz erheblich erleichtert, kann anhand von Polarisationskurven leicht festgestellt werden. Chromat Zu den klassischen Passivatoren, welche in neutralen Elektrolyten die anodische Reaktion verhindern, gehören auch die Chromate. Wie Nitrit erhöhen Chromate und Bichromate die Geschwindigkeit der kathodischen Reaktion trotz ihrer oxidierenden Eigenschaften nicht. Aber im Gegensatz zu Nitrit wird bei den Chromaten bis zu einem gewissen Grade auch die kathodische Reaktion verhindert, so dass letztere als gemischte Inhibitoren bezeichnet werden können. 57 In neutraler Lösung und in Gegenwart von Chromaten ist die Oxidation von Eisen begleitet von der Fällung von Eisen(II)hydroxiden und ihrer weiteren Oxidation zu Eisen(IIl)hydroxiden. Dies führt zur Bildung einer genügend kompakten Schicht, um das Potential zu Werten ansteigen zu lassen, bei denen dann Passivierung erreicht wird. Gleichzeitig mit den Eisen(hydr)oxidfällungen wird durch die Reduktion von Cr(VI)-ionen Chrom(III)hydroxid gebildet, welches bei höheren anodischen Potentialen in das Oxid umgewandelt wird. Das schwerlösliche Chrom(III)oxid wird in den auf der Elektrodenoberfläche wachsenden Film eingebaut. Die passiven Schichten, welche in Chromatlösungen entstehen, werden als ein Gemisch von Cr203 und Fei03 dargestellt oder als ein Spineloxid interpretiert, welches Fe und Cr inkorporiert hat (Szklarska-Smialowska 1978 und 1988). Das Spineloxid weist eine Zusammensetzung von 3 +)04 bis Fe 3+cr3+03 Fe 2+(F,,.;?+cr "V.5 1.5 auf. Die inhibierenden Eigenschaften von Chromaten bestehen also nicht so sehr aus der Retardation der Reduktion von Sauerstoff als in ihrer Fähigkeit, durch die Bildung einer undurchlässigen Schicht die Geschwindigkeit der anodischen Reaktion in hohem Masse zu verringern. Eine wesentliche Rolle in der Passivierung von Metallen durch Chromate spielt die Konkurrenz um Adsorptionsplätze. Wenn zu einer 0.1 M so!-Lösung Na2Cr207 zugefügt wird, so dass eine 0.1 M Chromat-Lösung resultiert, verschiebt sich das Potential einer eingetauchten Elektrode zu positiveren Werten. Wird die Reihenfolge der Zugabe der Anionen vertauscht und Sulfat zu einer Chromatlösung gegeben, dann findet entgegen den Erwartungen keine Depassivierung statt, selbst wenn das aggressive Anion Sulfat in einem 10-fachen Ueberschuss zugegeben wird. Diese Resultate lassen die Schlussfolgerung zu, dass in Abwesenheit von aktivierenden Anionen Chromationen schnell an der Oberfläche der Elektrode adsorbiert werden. Die dabei gebildete starke chemische Bindung kann durch aggressive Anionen nicht ohne weiteres zerstört werden. Die Chromationen ihrerseits können die Sulfationen von der Metalloberfläche verdrängen und so die Ionisierung des Metalles verhindern (Rozenfeld 1981). 58 Permanganat In ungepufferten Lösungen wirkt Permanganat bei Konzentrationen von < 10- 2 M nicht mehr als Passivator, sondern stimuliert die Korrosion des Eisens, indem es als Elektronenakzeptor der anodischen Auflösungsreaktion Fe = Fe 2+ + 2efungiert. Für den in konzentrierten, reinen Permanganatlösungen aussenstromlos erzeugten Passivzustand des Eisens sind die gleichen Deckschichtkomponenten verantwortlich wie bei der anodischen Passivierung. Erfolgt die Passivierung des Eisens durch Permanganat jedoch in Gegenwart eines Puffersystems, dann entstehen Deckschichten, deren Eigenschaften offensichtlich auch durch eingebaute Reduktionsprodukte des Passivators bestimmt werden. Auf der Grundlage von Ergebnissen aus spektroskopischen und elektrochemischen Untersuchungen kann angenommen werden, dass die auf Eisen in 0.1 M KMn04-Lösung in Gegenwart eines Puffers bei pH 5.8 gebildete Deckschicht elektrolytseitig ausschliesslich aus Mn02 besteht. Reinhard (1982) schlägt für die Oberflächendeckschicht folgenden qualitativen Schichtaufbau vor: 4.3.2. Anionen, welche Eisen nur in Gegenwart von Sauerstoff passivieren können Lösungen von Natriumacetat, Benzoat, Carbonat, Hydroxid, ortho-Phosphat und Silicat, welche keine oxidierenden Anionen enthalten, passivieren Eisen nur in Gegenwart von gelöstem Sauerstoff. Werden diese Lösungen entlüftet, können diese Anionen Eisen sogar angreifen und dadurch die Korrosion fördern (Pryor 1953). Bei der Passivierung laufen bekanntlich zunächst aktive Metallauflösung, Schichtbildung und -auflösung als konkurrierende Reaktionen ab. Die Funktion der nichtoxidierenden Zusätze kann also in der Hemmung der aktiven Metallauflösung, in der Hemmung der Auflösung der bereits entstan- 59 denen Schicht bzw. in der Begünstigung der Schichtbildung bestehen. Die Anionen treten mit der Schicht durch Sorption bzw. Ionenaustausch in Wechselwirkung, wobei die Sorption als potentialabhängiger Vorgang verläuft. Je nach den Eigenschaften des vorliegenden Systems kann es in der Folge auch zum Ionenaustausch von OH-Gruppen gegen die Anionen kommen, jedoch sind die Anionen der nichtoxidierenden Zusätze meist nur in äusserst geringen Mengen in der Schicht enthalten. Die Hemmung der aktiven Eisenauflösung durch direkte Beteiligung der Anionen an diesem Vorgang kann nicht ausgeschlossen werden. Ihr Einfluss auf die Passivierung wird aber als geringer eingeschätzt als die stabilisierende Wirkung gegenüber der Schicht und ihrer Zwischen- und Vorprodukte, da Wasser der eigentliche Reaktionspartner für die Passivierung ist und die OH-Ionen bei steigendem pH-Wert an der Phasengrenze als Reaktionspartner des Eisens und seiner Ionen dominieren sollten (Fischer 1979). In den Lösungen dieser Substanzen besteht die anodische Reaktion in der Bildung von Fe2+ und die kathodische in der Reduktion von Sauerstoff. In Abwesenheit von passivierenden Anionen reicht die Stromdichte, welche der Reduktion von Sauerstoff entspricht, nicht aus, um die Oberfläche des Eisens zu passivieren. D.h., die Korrosionsprodukte werden nicht in genügendem Masse gebildet, um die Oberfläche des Eisens zu desaktivieren, damit die kritische Stromdichte überschritten werden kann. Der in neutralen, luftgesättigten Lösungen enthaltene Sauerstoff stellt sicher, dass die Lösung in genügend grossem Ausmasse oxidierend wirkt. Steigt die Konzentration an gelöstem Sauerstoff, können sowohl pH als auch die kritische Konzentration des Inhibitors gesenkt werden, ohne dass der Film zusammenbricht. Wird Eisen, welches mit einer an der Luft gebildeten Oxidschicht bedeckt ist, einer belüfteten Inhibitorlösung ausgesetzt, so beschränkt sich die Korrosion auf ein paar aktive Stellen. An diesen unbedeckten Stellen erhöht sich das Potential zu Werten, bei denen die passivierende Schicht gebildet wird. Der ursprüngliche Film wird dicker und schützender, und die Korrosionsrate nimmt sehr kleine Werte an. Der selbe Mechanismus gilt auch für Inhibitoren, welche in neutralen Lösung unlösliche Salze bilden. 60 Kathodische Inhibitoren Die Inhibitoren für neutrale, belüftete Lösungen können ihrerseits wieder in kathodische und anodische eingeteilt werden. Kathodische Inhibitoren, welche die weitaus kleinere Gruppe bilden, reduzieren die Korrosionsrate, indem sie durch Bildung eines schützenden Salzfilmes die Geschwindigkeit der Reduktion von gelöstem Sauerstoff herabsetzen. Diese Salzfilme verhindern die Diffusion von Sauerstoff zur Metalloberfläche; ausserdem besitzen diese in der Regel dicken Oberflächenschichten eine schlechte elektrische Leitfähigkeit, so dass der Sauerstoff auf der Oberfläche nicht reduziert werden kann. Diese Art von Inhibition wird durch Kationen gefördert, welche zu den kathodischen Bereichen diffundieren und mit den dort entstandenen Hydroxidionen schwerlösliche Niederschläge bilden. Zu den wichtigsten Vertretern gehören die in natürlichen Wässern vorkommenden Ca2+ und Mg2+, sowie Zn2+ und Ni 2+. Grosse kolloidale Kationen wie Polyphosphate (Na5CaP601s)0'1; können auch zur Kathode migrieren und Oberflächenfilme bilden (Walters 1982). Beispiel: Phosphate Die zur Inhibition gebrauchten anorganischen Phosphate umfassen orthoPhosphat, poly-Phosphate und meta-Phosphate; sehr oft gelangen sie kombiniert miteinander zum Einsatz. Bei den meta- und poly-Phosphaten ist die Inhibition der Korrosion üblicherweise mit der Bildung einer dicken Schicht verbunden, welche die kathodische Reaktion hemmt. Ortho-Phosphat kann bei tiefen Konzentrationen von 3 - 7 ppm als kathodischer, bei höheren von 12 - 20 ppm als anodischer Inhibitor auftreten. Bei Konzentrationen unterhalb eines kritischen Wertes können Phosphate die Korrosion beschleunigen. Insbesondere Poly-Phosphate können nur in Gegenwart von zweiwertigen Anionen, z.B. Ca2+, effektive Korrosionsinhibitoren sein. Die auf der Basis von Phosphaten beruhende Behandlung von mit Leitungswasser in Kontakt stehendem Eisen oder Stahl beruht daher sehr oft auf der Bildung einer Kalziumphosphat-Schicht, die das Metall vom wässrigen Medium trennt (Al-Borno 1989). 61 Anodische Inhibitoren Additive, welche dünne passive Filme bilden, verhindern die Metallauflösungsreaktion und gehören in die Klasse der anodischen Inhibitoren. Solche Inhibitoren sind meist Anionen von schwachen Säuren, z.B. Chromat, Nitrit, Benzoat, Silicat, Phosphat oder Borat. Ihre Wirkung beruht vor allem auf einer Stabilisierung des schützenden Oxidfilmes. Die dadurch begünstigten dünnen Passivschichten sind schlechte ionische Leiter und bieten der Diffusion der Metallionen vom Metall in die Lösung hohen Widerstand. Anionen von starken Säuren hingegen können die Wirkung von Inhibitoren aufheben und zum Zusammenbruch der passiven Schicht führen. Als Beispiele für solche aggressive Anionen gelten Halogenide, Sulphat, Nitrat usw. Die Verteilung der Anionen zwischen der Lösung und der sich passivierenden bzw. passiven Metalloberfläche wird aber nicht allein vom Potential der Metalloberfläche bestimmt, sondern hängt natürlich auch von der Molekülgrösse des Inhibitors ab. Die niedermolekularen, hydrophilen Zusätze, z.B. Acetat und Malonat, sind deshalb weniger effektive nicht-oxidierende Zusätze als die höhermolekularen Vertreter wie z.B. Valeriansäure. Die Untersuchung homologer organischer Verbindungen erlaubt das Aufzeigen der Zusammenhänge zwischen charakteristischen molekularen Strukturen und Ausmass der Inhibition. Anhand der folgenden Sulfide und Mercaptane erwies sich die Länge der Kohlenstoffkette als bedeutungsvoll (Trabanelli 1991). In 1 N H2S04 erwies sich Ethyloctylsulfid als ein wirkungsvollerer Inhibitor als Ethylpentylsulfid, das selbst wiederum wirkungsvoller war als Diethylsulfid. Die Effizienz der Inhibition von Mercaptanen nahm in der Reihenfolge n-Butylmercaptan < n-Hexylmercaptan < n-Octylmercaptan zu. Das Ausbleiben der passivierenden Wirkung von bestimmten Anionen kann aber auch auf deren Fähigkeit zurückgeführt werden, mit Eisenionen stabile, wasserlösliche Komplexe zu bilden. So erschweren Komplexbildner wie Rhodanid oder Komplexon die anodische Passivierung von Eisen, da sie die kritischen Passivierungsstromdichten erhöhen. Inwieweit bei den hydrophilen Vertretern der nichtoxidierenden Zusätze nicht nur die ungünstige Lage des Sorptionsgleichgewichtes, sondern die Fähigkeit dieser Anionen zur Bildung wasserlöslicher, stabiler Komplexe mit Eisenionen die Effektivität bei der chemischen Passivierung beeinträchtigt, kann nicht mit 62 Bestimmtheit gesagt werden. Die Kenntnisse über die Bildung von Oberflächenkomlexen der betreffenden Anionen und den jeweils an der Metalloberfläche herrschenden pH-Werten und Konzentrationen sind dazu zu ungenügend (Fischer 1979). Die Effizienz der Inhibition hängt auch ganz entscheidend ab von der mechanischen, strukturellen und chemischen Beschaffenheit der dreidimensionalen Schicht. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Porosität der Schicht. Poröse 3-D-Schichten werden in neutralen Medien sowohl unter Ausschluss als auch in Anwesenheit von Sauerstoff gebildet, während nichtporöse Schichten im passiven Zustand des Metalles entstehen (Siehe Fig. 3.4). Die Effizienz der Korrosion kann korreliert werden mit der Geschwindigkeit der transportkontrollierten kathodischen Korrosionsreaktion, welche in den Poren der dreidimensionalen Schicht stattfindet. Gute Inhibitoren sollten nicht nur an der Oxid/Elektrolyt-Grenzfläche adsorbieren, sondern sie sollten auch in die 3-D-Schicht eingebaut werden, um auf diesem Wege zu homogeneren und dichter gepackten Gittern mit wenig Poren und hoher Stabilität zu führen. Eine effektive Korrosionsinhibition in neutralem Medium in der Gegenwart von Sauerstoff ist nur möglich bei Retardation der transportkontrollierten Sauerstoffreduktion, welche in den Poren der oxidischen 3-DSchicht stattfindet. Ein effektiver Inhibitor muss die Porendichte der Schicht vermindern und ihre mechanische Stabilität erhöhen. Faktoren, welche das Ausmass der Inhibition bestimmen: Konzentration des Inhibitors muss höher sein als eine bestimmte kritische Konzentration Inhibitoren können nur bei einem pH, der höher als ein bestimmter kritischer Wert liegt, effektiv werden. Dieser kritische pH hängt auch von der Konzentration des Anions ab. Für eine 0.1 M Benzoat-Lösung z.B. liegt dieser Weit bei 6.0. Die Inhibition verlangt ein Minimum an oxidativem Potential der Lösung. Normalerweise wird dies durch den in der Lösung vorhandenen Sauerstoff erreicht. So muss eine 0.1 M Benzoat-Lösung bei pH 7 mindestens 0.3 ppm Sauerstoff enthalten, damit Passivierung erreicht wird. (Eine mit Luft gesättigte Lösung weist 8 ppm Sauerstoff auf.) 63 Molybdat Molybdat, ein schwach oxidierender Inhibitor, kann die Filmbildung fördern, den passiven Bereich ausweiten und die Passivstromdichte verringern. Es ist wahrscheinlich, dass die frühe Bildung eines unlöslichen Eisen(III)molybdats, welches die notwendige Polarisierung der Elektrode unterstützt, die Förderung des aktiv-passiv Ueberganges verursacht. Molybdat adsorbiert auch an der Oxidschicht und bildet dadurch einen Film, der für aggressive Anionen wie Cr und Sül undurchlässig ist (Al-Borno 1989). Die lonenselektivität von Oxidschichten wurde durch Experimente mit Eisen(IIl)(hydr)oxidmembranen bestätigt. Die Membranen waren in neutralen Chloridlösungen anionenselektiv, wurden aber in der selben Lösung kationenselektiv, wenn Molybdat an ihnen adsorbiert war (Sato 1989). Benzoat Die korrosionsverhindernden Eigenschaften von Natriumbenzoat wurden angeblich 1919 zum erstenmal erwähnt (Brasher 1968). Als Inhibitor wurde es vor allem in Wärmetauschern und Frostschutzmitteln eingesetzt, manchmal noch unter Zugabe von Nitrit (Wormwell 1952). Wie Nitrit und Chromat gehört auch Benzoat zu der Gruppe der anodischen, passivierenden Inhibitoren. Aber während Nitrit und Chromat oxidierende Anionen anorganischer Säuren sind, ist das Benzoat ein nicht-oxidierendes Anion einer Carboxylsäure. Davies (1971) untersuchte den Einfluss der Inhibitorkonzentration auf den kritischen pH-Wert der Passivierung von Eisen in !ungesättigten Natriumbenzoatlösungen. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Erhöhung der Konzentration des Natriumbenzoats einen höheren kritischen pH-Wert für die Passivierung zur Folge hatten. Die Abhängigkeit des pHkrit von der Inhibitorkonzentration liess sich für eine luftgesättigte Lösung durch eine Gleichung der folgenden Form darstellen: pHkrit = Alncs + B A= 0.46, B = 7 .22, ca = Benzoatkonzentration [M] Die obenstehende Gleichung könnte dahingehend gedeutet werden, dass Benzoat gegenüber Eisen aggressiv ist. Aber folgende Tatsachen sprechen 64 gegen diese Vermutung: a) ein an der Luft gebildeter Film wird in einer 0.1 M Benzoatlöung dicker als in einer 0.01 M Lösung, und b) die Toleranz gegenüber dem aggressiven Chloridion wächst mit zunehmender Benzoatkonzentration. Ferner fand Davies, dass bei pH-Werten oberhalb des pHkrit das Elektrodenpotential mit zunehmendem pH-Wert wieder leicht sinkt. Dieses Ergebnis bestätigt die von Wagner 1935 erhaltenen Resultate, dass passive Potentiale gemischte Potentiale sind; die Reduktion des Sauerstoffes ist dabei gemäss der folgenden Gleichung vom pH-Wert abhängig: E = 1.23 + 0.015log[02] - 0.059 pH [V] Eist das Gleichgewichtspotential bei einem beliebigen pH-Wert, und [02] ist der Sauerstoffpartialdruck. Da in luftgesättigten Lösungen der zweite Term konstant ist, hängt das Elektrodenpotential vom dritten Tem1 ab. Eine Erhöhung des pH-Wertes verschiebt daher die kathodische Polarisationskurve in negative Richtung, und das passive Potential stabilisert sich bei einem leicht unedleren Potential. Auch die Konzentration an Benzoat hatte bei sonst gleichbleibenden Bedingungen eine Auswirkung auf das Elektrodenpotential. Solange die Konzentration an Benzoat noch über der kritischen Konzentration lag, führte eine Verdünnung des Inhibitors zu einem Anstieg des Potentials. In einer weiteren Studie, die in der obengenannten Publikation erwähnt wurde, konnte Davies zeigen, dass für eine bestimmte Benzoatkonzentration der für die Inhibition notwendige Sauerstoffpartialdruck eine Funktion des pH-Wertes ist. Die Ergebnisse wurden dahingehend interpretiert, dass eine erhöhte Benzoatkonzentration die Sauerstoffdiffusion zur Elektrodenoberfläche behindert. In selbem Masse, wie die Konzentration des Inhibitors erhöht wird, verringert sich der Diffusionskoeffizient des Sauerstoffes und damit die Geschwindigkeit der Sauerstoffdiffusion zur Metalloberfläche. Um bei erhöhter Benzoatkonzentration Inhibition zu erlangen, muss das kritische Verhältnis von 02-Diffusion zu H+-Diffusion überschritten werden, was nur durch eine Verringerung der H+-Konzentration, also eine Erhöhung des pH-Wertes, erreicht werden kann. 65 4.3.3. Chelatbildner Chelate sind bevorzugte Inhibitoren, weil sie stabile Ringstrukturen bilden können. Oberflächenchelate sind effiziente Korrosionsinhibitoren, wenn sie schwerlösliche Oberflächenchelate bilden können. Die Bildung von löslichen Chelaten hingegen provoziert Stimulierung des Korrosionsprozesses. 66 5. Das Koordinationsmodell Oxide, besonders diejenigen des Si, Al und Fe, sind häufige und weitverbreitete Bestandteile der Erdkruste. Auch unter den Partikeln, welche in natürlichen Gewässern, Sedimenten und Böden anzutreffen sind, stellen die Oxide und Hydroxide der erwähnten Elemente einen grossen Anteil (Stumm 1991). Partikel erhalten ihre herausragende Bedeutung nicht zuletzt aufgrund ihrer Eigenschaft, dass sie bezüglich ihres Volumens eine sehr grosse Oberfläche aufweisen. Da an diesen Grenzflächen gerade in der aquatischen Umgebung wichtige Prozesse von grosser Tragweite ablaufen, ist es zu derem besseren Verständnis unabdingbar, brauchbare Modelle der Grenzfläche Oxid / Wasser zu entwicklen. 5.1. Die Koordinationschemie an der Grenzfläche Oxid I Wasser Eines dieser Modelle geht von der Annahme aus, dass die Oberfläche von Oxiden in der Gegenwart von Wasser mit Hydroxylgruppen bedeckt sind. Der Ursprung dieser oberflächenständigen Hydroxylgruppen kann folgendermassen dargestellt werden (Schindler 1987): 67 a) b) O•O•O•O •O•O•O• O•O•O•O .:.:.: O•O•O•O •O•O•O• O•O•O•o ••• H c) H H o·o•o•o •O•O•O• . O•O•O•O Fif:. 5.1; Querschnitt einer Obeifläche eines Metalloxides. Die kleinen, schwarzen Kreise stellen Metallionen dar, während die grossen die Sauerstoffionen symbolisieren. Die Oberfläche des trockenen Oxides ist charakterisiert durch niedrig koordinierte Metallionen, die durch ihre Elektronen-Akzeptoreigenschaften dem Oxid Lewis-Acidität verleihen (Fig. 5.1 a). Die Zugabe von Wasser führt in einem ersten Schritt zur Koordination von Wassermolekülen an die koordinativ untersättigten Metallzentren der Oberfläche (b). In einem weiteren Schritt erfolgt die Bildung einer kovalenten Bindung zwischen dem Metallzentrum und dem 0-Donoratom (c). Diese funktionellen Gruppen enthalten diesselben Donoratome wie auch andere gelöste Liganden. So weisen die Hydroxylgruppen an einer Oxidoberfläche ähnliche Eigenschaften auf wie die entsprechenden funktionellen Gruppen eines gelösten Liganden. Dies gilt auch für den amphoteren 68 Charakter der Oberflächenhydroxylgruppen: je nach pH der Lösung können sie Protonen aufnelunen oder abgeben. Auch die quantitative Beschreibung dieser Reaktionen geschieht entsprechend analogen Reaktionen in homogener Lösung. Die Oxidoberfläche kann dabei wie eine polyfunktionelle Säure oder Base behandelt werden (Fig. 5.2) (Stumm 1980, Kummert 1980). Oxid Fig. 5.2: Die Oxidoberfläche als polyfunktionelle Säure oder Base 5.2. Der Ligandaustausch Der hauptsächliche Mechanismus der Adsorption von Liganden ist der Ligandaustausch: die oberflächenständige Hydroxylgruppe wird gegen einen anderen Liganden ausgetauscht (Stumm 1983). Das Ausmass der Bildung von oberflächenständigen Komplexen ist aufgrund der in Fig.5.2 dargestellten Gleichgewichte stark pH-abhängig. So können z. Bspl. organische Säuren spezifisch an Oxiden adsorbieren. Unter spezifischer Adsorption verstehen wir dabei die nicht nur durch elektrostatische Anziehungskräfte bewirkte Adsorption. Um das Adsorptionsverhalten von organischen Säuren oder Basen mit einer oder mehreren funktionellen Gruppen an Oxiden zu beschreiben, kann im Ralunen des Koordinationsmodelles das Prinzip des Ligandenaustauschs angewendet werden. Die Adsorption geschieht durch Bildung von Koordinationsverbindungen des Adsorbates mit den Oberflächenhydroxylgruppen. Diese 69 Reaktionen sind oft genügend reversibel, um als Gleichgewichte betrachtet werden zu können. Säuren können mit den Oberflächenhydroxylgruppen des Oxides ungeladenen Oberflächenkomplexen bilden: 1-°H OH~ tOH + H 20 OH Fig. 5.3 a: Bildung eines ungeladenen Oberflächenkomplexes Falls die adsorbierte Säure weitere saure Gruppen besitzt, können diese, ihrem jeweiligen pK-Wert entsprechend, noch deprotoniert werden, wodurch die Oberflächen eine negative Ladung erhält (Kummert 1979): Ks Fig. 5.3 b: o~ l + OH Entstehung einer negativ geladenen Oberfläche Auch Kationen können an Oxidoberflächen spezifisch adsorbiert werden. So wird z. B. in verdünnten Lösungen die Adsorption von Pb(II) an yA!i03 auch an die positiv geladene Oberfläche des Oxides beobachtet. Dies zeigt, dass die Adsorption nicht auf bloss elektrostatischen Wechsel- 70 wirkungen beruht, sondern spezifische Oberflächenkomplexe mit kovalenten Bindungen gebildet werden. Die Adsorption von Pb(II) an oxidische Oberflächen ist stark pH-abhängig, weil sowohl die Oxidoberfläche als auch die Zusammensetzung der Lösung eine Funktion des pH-Wertes ist. Die Bildung der Oberflächenkomplexe findet demnach in pH-abhängigen Reaktionen gemäss dem folgenden Schema statt (Hohl 1976): >AlOH + Pb2+ 2>AlOH + Pb 2+ = = >Al-OPb+ + H+ (>Al-OPb)z + 2H+ wobei >AlOH eine Oberflächengruppe des Aluminiumoxides darstellt. Die quantitative Beschreibung dieser Reaktionen geschieht gleich wie für die analogen Komplexreaktionen in homogener Lösung. Mit bidentaten Liganden können Oberflächenchelate gebildet werden: 10--c~ Fe 1 b.---C::::::,,O Fe-OH 1 Fe-OH + :HiP04 Fe-0-......._ /o- Je-0/P~ 5.3. Die oberflächenkontrollierte Auflösung Die Art der gebildeten Oberflächenspezies bestimmt die Reaktivität einer Oberfläche, wie sie sich z. B. in ihrer Tendenz, sich aufzulösen, manifestiert. So können innersphärische Komplexe mit Liganden wie Oxalat, dessen Struktur oben dargestellt ist, die Ablösung des Metallzentrums aus dem Verband begünstigen und die Auflösung erheblich beschleunigen. Der adsorbierte Ligand verschiebt die Elektronendichte zum oberflächenständigen Metallzentrum und erhöht dadurch die negative Ladung in der Koordinationssphäre des Zentrums der Lewis-Säure. Die Metall-Sauerstoff-Bindungen im Oxid-Gitter werden geschwächt und die Loslösung des Metallions erleichtert. 71 Ganz entsprechend kann die Protonierung der Oberfläche die Geschwindigkeit der Auflösung beschleunigen. Adsorbierte Protonen führen zu stark polarisierten Bindungen in der unmittelbaren Nachbarschaft der oberflächenständigen Metallzentren und erleichtern so die Ablösung einer kationischen Gruppe von der Oberfläche in die Lösung (Stumm 1992). Eine oft nicht genügend beachtete Tatsache ist, dass die Adsorption eines Liganden bei einem beliebigen (konstanten) pH eine erhöhte Protonierung der Oberfläche zur Folge hat. Die Bindung eines Liganden an eine Oxidoberfläche verringert zwar die Oberflächenladung, bewirkt aber durch die Verschiebung der Elektronendichte zum Metallzentrum hin eine erhöhte Protonierung der Umgebung des Zentrums. Weil Protonen, welche an die 0- und OH-Gruppen des Oxidgitters gebunden sind, die Geschwindigkeit der Auflösung erhöhen, kann ein Teil der Beschleunigung der Auflösung durch Liganden erklärt werden, indem die Wirkung der durch die Adsorption eines Liganden verursachte Protonierung der Oberfläche mit in Betracht gezogen wird. 5.4. Inhibition der Auflösung Ebenso wichtig, wie die Gründe der Beschleunigung der Auflösung zu verstehen, ist es, die Faktoren zu kennen, welche zu deren Hemmung führen. Ganz offensichtlich wird die Auflösung durch Substanzen inhibiert, welche die oberflächenständigen funktionellen Gruppen blockieren oder deren Besetzung durch auflösungsfördernde Liganden verhindern. So können Metallionen - besonders diejenigen, welche unterhalb pH 7 spezifisch adsorbieren - die protonenbeschleunigte Auflösung von Oxiden inhibieren. Diese Art der Inhibition kann als direkte Folge der Konkurrenz zwischen Protonen und Metallionen angesehen werden. Schon sehr kleine Konzentrationen von Inhibitoren können effektiv sein, weil es unter Umständen ausreicht, nur die auflösungsaktiven Stellen an der Oberfläche zu besetzen. 72 Auf der folgenden Seite (Fig 5.4) sind in schematischer Art und Weise sowohl die Beschleunigung als auch die Inhibition der Auflösung dargestellt. Es bedeuten: A Protonierung der Oberfläche Deprotonierung der Oberfläche B Oberflächenkomplexbildung mit bidentaten (mononuklearen) Liganden, z.B. Oxalat, Salicylat, Citrat, Diphenolen usw. C Bildung von bi- oder multinuklearen Oberflächenkomplexen oder Oberflächenfilmen; Blockierung von oberflächenständigen Gruppen durch Metallkationen, z.B. Cr(III). D Blockierung der Oberfläche durch hydrophile funktionelle Gruppen von Fettsäuren, Huminsäuren oder Makromolekülen. ~ /H"-. /OHz M M ~ / -· ~~ t?:I "' ("') -·;::: ;:: ;:,.. <::: o<;· ..,.. 0 ... ;:,.. .,,.... ....... 0 ;:: 0 -·;:: ('> Beschleunigung der Auflösung "'"' ~-;:: ~ JH( ?Hz M M -· / ........ ~if+' "oHz+ .. [ "A 7 ("') ;::-- ('> § ~ (IQ ;:,.. ..,.. ;:: ;:: 0 ;::: ;:: E: ;::: ~- ~ ~~..._ ';:h 0: ~ "'~ (IQ -· /V M M /V "oH \') "l /V 'o M M l 2- ;;· c;J ~ /H"-. ?Hz M M M /V A B 1 /V~ /H"oH M M /V ~ /H"-. JJCr+ M M >::. COOH ~ OH ?Hz /~M'oo (5) . P ' ~ /H"-. JJ/~ ~/"-.?CH ~ /V ;:: ;:,.. t Inhibition der Auflösung M (IQ ~ "oH c "oH D "oH 3 -.l w 74 5.5. Berechnungen mit MICROQL Das Speziierungsprogramm MICROQL, bei welchem auch Oberflächenspezies miteinbezogen werden können, basiert im wesentlichen auf dem im vorliegenden Kapitel skizzierten Oberflächenkoordinationsmodell. Dieses Modell beschreibt die Sorption von gelösten Spezies an Oxidoberflächen als eine chemische Reaktion dieser Spezies mit spezifischen Oberflächenstellen. Diese Reaktionen umfassen Protonenaustausch sowie Bindung von Kationen oder Anionen durch Ligandenaustausch mit oberflächenständigen Hydroxylgruppen. Sind die Sorptionsreaktionen im Gleichgewicht, gelten für alle beteiligten Spezies die bekannten Massenwirkungsgesetze. Die Gleichgewichtskonstanten setzen sich aus den folgenden zwei Beiträgen zusammen: ein konstanter intrinsischer Term, welcher der Freien Bindungsenergie an einer spezifischen Oberflächenstelle entspricht, und ein variabler Coulomb'scher Term, welcher von der elektrostatischen Ladung an der Oberfläche herrührt. Die Oberflächenladung wird verursacht durch Ionisierung der funktionellen Gruppen an der Oberfläche. Der Coulomb'sche Term, welcher eigentlich ein Oberflächenaktivitätskoeffizient ist, wird aufgrund der Gouy-Chapman Theorie berechnet; die Gouy-Chapman Theorie beschreibt die elektrische Doppelschicht als eine planare Schicht von Oberflächenladungen und einer diffusen Schicht von Gegenionen in der Lösung. Die fundamentalen Konzepte dieses Oberflächenkomplexmodelles können wie folgt zusammengefasst werden (Dzombak 1990): Die Sorption an Oxiden findet an spezifischen oberflächenständigen Koordinationsstellen statt. Diese Sorptionsreaktionen können quantitativ durch Massenwirkungsgesetze beschrieben werden. Die Ladung an der Oberfläche entsteht durch die Sorptionsreaktionen selbst. Der Effekt der Oberflächenladung kann berücksichtigt werden, indem ein aus der EDL-Theorie hergeleiteter Korrekturfaktor auf die Gleichgewichtskonstanten der Oberflächenreaktionen angewandt wird. 75 Dieses verallge meinerte Doppels chichtm odell wurde im Comput erprogramm MICRO QL von J. Westall (1979) verwend et. B. Müller (1989) übersetz te es nach Pascal und passte es mit einigen Erweiter ungen an die Mac-Int osh-Um gebung an. Die compute rgerecht e Eingabe der relevanten chemisc hen Gleichgewichte erlolgt in Matrixform. Man wählt zur Beschreibung der in Betracht gezogenen Spezies die minimal e Anzahl geeignet er Kompon enten aus, mit denen die Bildung aller Spezies beschrie ben werden können. Dabei werden die stöchiom etrische n Koeffizi enten der Kompon enten, welche in den Gleichu ngen für die Spezies als Exponenten erscheinen, in der Matrix aufgeführt. Die Kompon enten stehen dabei in den Kolonne n, die Spezies in den Zeilen der Matrix. Bei der Berechn ung der Adsorpt ion an geladene Partikelo berfläch en müssen die funktion ellen Oberfläc hengrup pen sowie die Ladung der Oberflächenspezies ebenfalls als Komponenten genomm en werden. Für die Adsorpt ion von Chrom(I ll) und Chroma t an Goethit wurden folgende Paramet er im Modell eingesetzt: Oberfläche: Anzahl Oberflächenstellen: Konzent ration Festkörper: Ionenstärke: Kapazität der Doppelschicht: 5.5.1. 14.7 m 2/g 1.35 x 10-4 moVg 1 g/l 0.01 M 3 F/m2 Adsorption von Cr(lll) an Goethit Trivalen tes Chrom wird schnell, stark und spezifisch an Eisenox iden adsorbiert (Richard 1991). Wie aus Fig. 5.5 ersichtlich wird, zeigt Cr(III) ein Sorptionsverhalten, welches typisch ist für Kationen. D. h., dass das Ausmass seiner Adsorption mit steigendem pH zunimmt. Die Matrix für die Adsorption von Chrom(III) an Goethit sieht folgendermassen aus (Tab. 5.1): 76 FeOOH Ladun2 1 1 1 1 0 0 FeOOH FeOOFeoom FeOCrOH+ cr3+ H+ Tab. 5.1: 0 -1 1 -1 0 0 cr3+ H+ 102 K 0 0 0 1 1 0 0 -1 1 0 0 1 0.00 -9.00 6.70 4.35 0.00 0.00 Eingabematrixfiir die Adsorption von Cr(l/I) an Goethit Die mit Hilfe der obenstehenden Matrix und für Chrom(III)-Konzentrationen von 10-6 und 10- 4 M gerechnete pH-Abhängigkeit der Adsorption ist in Fig. 5.5 dargestellt: 100 80 t: :S... ~i:o !§ ..=... 60 * 40 * 4 3 TOT Cr + = 10 M u ~ 20 * ...:.---- *• • •• * 0 0 2 4 3 5 6 7 pH Fie. 5.5: Ausmass der Adsorption als Funktion des pH-Wertes für Cr(III) an Goethit. Die Sternchen stellen experimentell erhaltene Daten dar. 77 5.5.2. Adsorption von Cr(VI) an Goethit: Hexavalentes Chrom tritt bei Bedingungen, wie sie auch in natürlichen Wässern anzutreffen sind, vor allem in Form der Anionen HCr04 • und cr01· auf. Cr(VI) weist deshalb auch ein typisches anionisches Sorptionsverhalten auf, d. h., das Ausmass seiner Adsorption nimmt ab mit steigendem pH (Fig. 5.6). Die Matrix für die Adsorption von Chrom(VI) an Goethit sieht folgendermassen aus (Tab. 5.2): FeOOH Ladung FeOOH FeOOFeoom FeCr0.1 HCr0.1 H2Cr04 cr01HCr207 cf2o~- H+ Tab. 5.2: 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 -1 1 -1 0 0 0 0 0 0 HCrO.i H+ logK 0 0 0 1 1 1 1 2 2 0 0 -1 1 0 0 0.00 -9.00 6.70 4.35 0.00 -0.80 -6.50 1.59 1.52 0.00 1 -1 1 0 1 Eingabematrix für die Adsorption von Cr(Vl) an Goethit TOT Fe= 11.3 mM 0'-1---.-~.---.---...~..---.---.~~""""~~....__,. 4 5 6 7 8 9 10 pH Fie. 5.6: Ausmass der Adsorption als Funktion des pH-Wertes für Cr(Vl) an Goethit 79 6. Postulierung einer oberflächenchemischen Theorie der Passivität von Eisenoxiden Aufgrund der in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen Zusammenhänge würde man erwarten, dass sich aus der Erkenntnis über die Abhängigkeit der Oberflächenreaktivität von der Oberflächenstruktur von Eisen(Ill)(hydr)oxide eine oberflächenchemische Theorie der Bildung und Auflösung von passiven Schichten ableiten liesse. Obwohl die Korrosionsliteratur zahlreiche phänomenologische Hinweise über Einflussfaktoren enthält, gibt es bei den Korrosionsfachleuten keine umfassende oberflächenchemische Theorie. Die nachfolgenden Ausführungen sind etwas spekulativ, sie möchten aber versuchen, aufgrund unserer Einsichten über Oberflächenreaktivität an der Grenzfläche Oxid/Wasser einzelne Zusammenhänge in Bezug auf die Korrosion und Passivität als Hypothesen vorauszusagen. Protonen und Liganden Ohne Zweifel haben Säuren eine grosse Wirkung in der Beschleunigung der Auflösung von passiven Schichten. Die Oberflächenladung eines Oxides ist ein wichtiger Faktor in der Polarisierung der Bindungen an der Oberfläche des Oxidgitters. Es kann verallgemeinert werden, dass die Auflösungsrate verknüpft ist mit der durch H+ und/oder Off verursachten Oberflächenladung; die Geschwindigkeit der Auflösung wird erhöht durch sowohl eine hohe positive Oberflächenladung bei tiefen pH-Werten als auch durch eine hohe negative Oberflächenladung bei hohen pH-Werten. Ausserdem wurde schon früh erkannt, dass Säuren in Verbindung mit komplexbildenden Basen wie HCl, H2S04, H3P04 oder Oxalsäure eine grössere Auflösungsrate bewirken als Säuren mit nicht komplexbildenden konjugierten Anionen (z. B. HN03, HCl04). Dieser Effekt kann durch die koordinationschemischen Auflösungskonzepte jederzeit erklärt und quantifiziert werden. Die Rate der Auflösung ist gegeben durch: 80 Chlorid und Fluorid Diese beiden besonders nukleophilen Anionen sind in der Lage, in das Kristallgitter einzudringen. Die Bildung des passiven Eisenoxidfilmes wird durch die Gegenwart von er und F nachhaltig beeinflusst. Wie Schneider und Schwyn 1987 gezeigt haben, wird die Hydrolyse des Fe(III) und die nachfolgende Polymerisation durch er beschleunigt und die Bildung von ß-FeOOH-Strukturen werden durch diese Anionen gefördert. Ein "passiver" Film, der ß-FeOOH-Strukturen mindestens teilweise einschliesst, bietet wahrscheinlich wenig Schutz bei der Auflösung durch Säuren. Bidentate organische Liganden Bidentate organische Liganden wie Oxalat, Salicylat, Citrat, Brenzcatechin sind dank zwei oder mehr Donoratomen in der Lage, mononukleare Oberflächenkomplexe mit Chelatstruktur zu bilden. Diese Komplexe bewirken eine Verschiebung der Elektronendichte in Richtung der zentralen Eisen(IIl)ionen in der Oxidoberfläche und schwächen dadurch die Fe-0-Bindungen im Oberflächengitter. Der schwächende Effekt eines Liganden auf die Bindungen in der Oberfläche einer festen Oxidphase kann auch im Sinne des sog. Trans-Effektes interpretiert werden. Durch Wechselwirkung mit den Orbitalen des zentralen Metallions übt ein adsorbierter Ligand einen schwächenden Einfluss aus auf die 0- oder OH-Bindungen, welche trans zu ihm liegen. Um auflösungsaktiv zu sein, müssen diese Liganden an der Oberfläche durch Ligandaustausch koordinativ gebunden werden. Das Ausmass der Adsorption und ihre Abhängigkeit von pH und Lösungsvariablen kann mit Hilfe der Gleichgewichtskonstanten vorausgesagt werden. Leider sind nur wenige solcher Konstanten bekannt. Fig. 6.1 (Stumm, persönliche Mitteilung) gibt eine Uebersicht der Tendenzen verschiedener Liganden, Komplexe an der Oberfläche und die entsprechenden innersphärischen Komplexe in Lösung zu bilden. Solche Darstellungen gestatten es, Komplexbildungskonstanten entweder an der Oberfläche oder in Lösung vorauszusa- 81 gen. Um die relative Bedeutung dieser Konstanten zu illustrieren, enthält Fig. 6.2 einen Vergeich relativer Beladungsdichten (>FeX/>FeOHTOT) als 6 Funktion des pH-Wertes für die Bedingung XTOT = FeOHTOT = 10- M 2 und 1 = 10- M. Die Korrektur für die elektrostatische Wechselwirkung erfolgte nach dem diffusen Doppelschichtmodell von Gouy-Chapman. Reduktive Liganden Liganden, welche durch Fe(III) oxidiert werden, bewirken eine reduktive Auflösung, indem der schnellen Oberflächenkomplexbildung mit dem reduzierenden Liganden ein Elektronentransfer folgt. Ascorbat, gewisse Phenole und insbesondere S(-II)-Verbindungen beschleunigen die reduktive Auflösung. In Uebereinstimmung damit verursachen solche reduktive Liganden, insbesondere H1S, einen Zusammenbruch der Passivität. Auch bei kleinen Partialdrucken von H1S kann ein Eisenoxid wie z. B. Hämatit in Minuten aufgelöst werden. Oxidationsmittel Oxidationsmittel erleichtern die Bildung des passiven Oxides und schützen die passiven Filme vor Angriff durch reduktive Verbindunge n. Um wirkungsvol l zu sein, sollten die Oxidationsm ittel spezifisch an der Eisenoxidoberfläche adsorbieren. Dies ist der Fall bei cr01- und NOi. Anorganische Oxoanionen Die Korrosionsliteratur zeigt, dass Phosphat, Arsenat, Borat, Molybdat, Chromat, Vanadat, Wolframat etc. als Inhibitoren bekannt sind und zum Teil weite Verbreitung finden. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen: 1) 2) Werden diese Anionen spezifisch adsorbiert? Wenn ja, warum verhindern sie - im Gegensatz etwa zu Oxalat - die Auflösung? 82 Bezüglich der ersten Frage kann argumentiert werden, dass anorganische Oxoanionen sehr stark adsorbiert werden, wie das auch aus Fig. 6.2 ersichtlich wird. Viele dieser Oxoanionen sind in der Lage, bidentate Oberflächenkomplexe zu bilden. Man muss aber postulieren, dass sie in der Regel bi- oder multinukleare Oberflächenkomplexe bilden. Aus der Lösungschemie ist bekannt, dass diese Oxoanionen ebenfalls wie organische Liganden bidentate Komplexe mit Fe(IIl)aq bilden. Ein Vergleich der Ki (zur Bildung von FeL1) zeigt, dass die Ki-Werte eine ähnliche Grössenordnung haben wie die K 1-Werte der organischen Liganden - andererseits werden keine FeL2 und FeL3 Komplexe gebildet. Dementsprechend bilden anorganische Oxoanionen bei höheren Konzentrationen Bi- oder Multioxoanionen (Crio~- P20], B10], etc.). Entsprechend kann man postulieren, dass Oxoanionen bi- oder polynukleare Oberflächenkomplexe bilden. Viele dieser Oxoanionen sind in der Lage, die Polyederecken des Fe(III)oxides zu vernetzen. Aus der Tatsache, dass die simultane Loslösung zweier Metallzentren aus dem Oxidverband wegen der hohen Aktivierungsenergie unwahrscheinlich ist, folgt die inhibierende Wirkung der oben erwähnten Oxoanionen. Rostfreier Stahl Sogenannt rostfreier Stahl enthält in seiner Legierung häufig die Elemente Cr, Mo, Ni, Co, V. Diese Elemente werden bei der Bildung des passiven Filmes in das Fe-Oxid eingebaut, z. T. als isomorphe Substitution. Das Cr(III) und z. T. auch Co und Ni bringen kinetische Robustheit in die Struktur der passiven Schicht. (Cr tw = 1o-5·6 s·1). 83 -------- - ------- -- - 1 0 --<D 1- - 5 Tl J, Q) n ~ -, ~ '---'-_L__'-~-'-'----'--'---"1-'--'---'-'-~- Fi~. 1s 10 0 25 20 log K aq Vergleich der Tendenzen, Oberflächenkomplexe zu bilden oder die entsprechenden Komplexe in Lösung. 6.1: Q) .{l !! IQ > 0.1 IQ t/) Q) .... ~ 'O Q) a. ::i 0 0 0.001 0 ... t/) Q) (/) 1 o" 5 4 Fie, 6.2: 5 6 7 pH 8 9 10 Relative Beladungsdichte verschiedener Liganden als Funktion des pH-Wertes. 0 84 7. Instrumentation und experimentelle Bedingungen für die Aufnahme der Polarisationskurven 7.1. Einführung: Die elektrochemische Zelle Wann immer zwei verschiedene Phasen miteinander in Kontakt gebracht werden, stellt sich zwischen ihnen eine Potentialdifferenz ein. Dies kann z. Bspl. durch einen Fluss von Ladung geschehen, der solange anhält, bis die Potentialdifferenz A<I> der Differenz der chemischen Potentiale Aµi der verschiedenen Spezies i in den zwei Phasen entspricht. Die Schwierigkeit ist nun, dass wir den numerischen Wert dieser Potentialdifferenz zwischen Metall und Lösung nicht bestimmen können. Sobald nämlich eine absolute Potentialdifferenz gemessen werden sollte, führen wir notgedrungen eine weitere ein, welche ebenfalls unbekannt ist. Diesen Sachverhalt versucht die untenstehende Figur 7.1 darzustellen: Während ein Anschluss des Voltmeters mit der Elektrode Ml verbunden ist, muss der zweite in Kontakt mit dem Elektrolyten gebracht werden. Das Eintauchen des Drahtes M2 erzeugt eine zweite Phasengrenze, deren Potentialdifferenz in der Messung mit einbezogen wird (Bard 1980, Bockris 1974, 1970 - 1973). Was wir messen können, ist also immer nur die algebraische Summe der Potentialdifferenzen zweier Grenzflächen, und nie den Wert der Potentialdifferenz an einer der Grenzflächen alleine. So müssen wir uns damit begnügen, nur das Potential einer elektrochemischen Zelle, der Summe von wenigstens zwei Potentialdifferenzen, bestimmen zu können. Die an den Elektroden auftretende Zellspannung wird auch elektromotorische Kraft (EMK) genannt. Das ganze System besteht jetzt also aus der Elektrolytlösung als chemischem Teil und dem äusseren elektrischen Stromkreis. 85 Ml Potential yo 1 Ml Ml/E f11>nM1/R ~ E/M2 _;.?' V =PD Ml/E + PD E/M2 Fig. 7.1: Messung einer Potentialdifferenz Da die zweite Phasengrenze, die durch das Eintauchen des zweiten Anschlusses des Voltmeters in den Elektrolyten entsteht, ein zufälliges und schlecht reproduzierbares Potential aufweisen würde, muss das Potential einer Arbeitselektrode in Bezug auf eine Referenzelektrode, die ein stabiles und gut reproduzierbares Potential hat, gemessen werden. Referenzelektroden sind zum Beispiel die NHE (Normal Hydrogen Electrode ), die SCE (Saturated Calomel Electrode) oder die SSE (Saturated Mercury Sulfate Electrode). Das Potential der NHE wird nur durch die Konzentration der Wasserstoffionen in Lösung und des Partialdruckes von Wasserstoff bestimmt; wird beides konstant gehalten, ändert sich auch das Potential der Elektrode nicht. Nach internationaler Uebereinkunft ordnet man der Elektrodenreaktion der NHE (2H+ + 2e- = H2) unter Standardbedingungen bei allen Temperaturen das Standardpotential 0 mV zu; bei 25°C weist die SCE demgegenüber ein Potential von 242 mV/NHE, die SSE eines von 656 mV/NHE auf. 86 Die Metall-Lösung-Grenzfläche der Referenzelektrode weist also ein Potential auf, welches unabhängig ist von den Aenderungen, welche wir an der Arbeitselektrode vornehmen. Für die Messung der EMK einer Zelle ist es erforderlich, dass sie stromlos durchgeführt wird. Wird der Zelle Strom entnommen, laufen Reaktionen ab und das System gerät aus dem Gleichgewicht. Deshalb wird ein Voltmeter mit einer sehr hohen Impedanz zwischen Referenz- und Arbeitselektrode geschaltet, so dass bei der Messung der Potentialdifferenz so wenig Strom wie möglich fliesst (Fig. 7 .2). Voltmeter mit hoher Impedanz Spannungsquelle Arbeitselektrode Fie. 7.2: Aufbau einer elektrochemischen Zelle: Elektrolytlösung mit Elektroden Die obenstehende Figur zeigt eine Arbeitselektrode in einem Stromkreis mit zwei anderen Elektroden. Eine davon, die Hilfs- oder Gegenelektrode, wird gebraucht, um Ladung in die Lösung zu bringen oder aus ihr zu entfernen. Die Ladung fliesst also zwischen der Spannungsquelle, der Arbeitsund der Gegenelektrode. Relativ zum konstanten, bekannten Potential der Referenzelektrode kann das Potential der Arbeitselektrode gemessen werden; wichtig ist, dass diese Messung praktisch stromlos erfolgt. 87 7.2. Messzelle und Elektroden Stickstoff ~ Luggin-Kapillare + Referenzelektrode / Arbeitselektrode Fig. 7.3: 7.2.1. Gegenelektrode Messzelle und Elektroden Messzelle Die obenstehende Figur zeigt die Zelle, in welcher die Experimente durchgeführt wurden. Der zylindrische Messraum wies ein Fassungsvermögen von ungefähr 150 ml auf und wurde mit jeweils 100 ml Elektrolytlösung gefüllt. In zwei symmetrisch angeordneten, durch keramische Fritten abgetrennten Seitenarmen befanden sich die Platingegenelektroden. Der Messraum war mit einem Deckel abgeschlossen, der mit Halterungen für die Arbeits- und Referenzelektrode sowie für die Inertgasleitungen versehen war. Sämtliche Apparateteile bestanden aus Glas und Teflon. 88 7 .2.2. Referenzelektrode Als Referenzelektrode wurde die gesättigte Quecksilbersulfatelektrode (Saturated Mercury Sulfate Electrode, SSE) gebraucht. Die Kalomelelektrode wurde vermieden, um zu verhindern, dass der Elektrolyt mit Chlorid kontaminiert wurde. Das Bezugselektrodensystem bestand aus einer Haber-Luggin Kapillare mit Versuchsflüssigkeit, in welche die Referenzelektrode eingesetzt wurde. Alle angegebenen Potentiale beziehen sich auf die Normalwasserstoffelektrode; das Potential der SSE gegenüber der NHE beträgt bei 25°C +656 mV. 7.2.3. Arbeitselektroden und deren Vorbehandlung Als Arbeitselektrode diente ein ungefähr 1 cm langes, zylindrisches Stück reinstes Eisen (Durchmesser 6.35 mm, 99.99% Reinheit, Aldrich Chemical Company, Inc.). Mit Hilfe eines langen Gewindes wurde diese Elektro·· de gegen den Probenhalter, einen 10 cm langen Teflonzylinder mit 1.5 cm Durchmesser, gezogen; dieses Anschrauben gewährleistete einen guten elektrischen Kontakt. Um die Elektrode zu reinigen, wurde sie vor jedem Versuch mit 8-Alz03 poliert; die Frontfläche wurde mit einer Teflonkappe abgedeckt. Vor dem anodischen Sweep wurde die Elektrode jeweils 30 Minuten lang bei -0.74 V kathodisch belastet, um das Oxid an der Oberfläche der Elektrode vollständig zu reduzieren. Der Elektrolyt wurde dabei sowohl gerührt als auch mit dem jeweiligen Gas gespült. Wurden mehrere Sweeps hintereinander ausgeführt, so wurde die Elektrode zwischen den Sweeps für 30 Minuten bei -0.74 V/NHE belassen, wobei der Elektrolyt während dieser Zeit sowohl gerührt als auch begast wurde. 7.3. Instrumentierung und Messanordnung Die Experimente wurden mit einem AMEL Potentiostaten Model 583, einem AMEL Function Generator Model 657 und einem AMEL Digital X-Y Recorder Model 563 durchgeführt. 89 Funktionen Generator Schreiber X Fig. 7.4: Y i------1 Potentiostat i - - - - - t - - - 1-----1 StromSpannungs Wandler 1 - - - -..... Apparatur für die zyklische Voltammetrie Bezeichnung der Elektroden: W = Arbeitselektrode A = Gegenelektrode R = Referenzelektrode (Working Elektrode) (Auxiliary Elektrode) (Reference Elektrode) 7.4. Aufnahme der Strom-Spannungs-Kurven Durch Applizieren einer "Dreiecksspannung" wurde die Spannung an der Arbeitselektrode linear mit der Zeit verändert. Das Durchfahren des Spannungsbereiches mit einer konstanten Spannungsänderungsgeschwindigkeit v erfolgte dabei in beiden Polaritätsrichtungen. Zuerst wurde die Spannung an der Arbeitselektrode von Ul in der einen Richtung (kathodisch oder anodisch) bis zu einem definierten Wert U2 verändert und von da mit gleicher Geschwindigkeit wieder zum Ausgangspotential zurückgeführt (Fig. 7.5). 90 2 U2 t;! •J:l c: !! ~ 0 Ul -1 0 2 3 4 Zeit Fi~ 7.5; Potentialverlauf bei der cyclischen Voltammetrie (Ordinate und Abszisse in relativen Einheiten) Der durch die Arbeitselektrode fliessende Strom wurde als Funktion der kontinuierlichen Aenderungen der Spannung an der Arbeitselektrode registriert und in Form einer Strom-Spannungs-Kurve aufgezeichnet. Die yAchse des resultierenden Graphen stellt dabei den Strom dar; da das Potential linear mit der Zeit ändert, kann die x-Achse auch als Zeit-Achse betrachtet werden. In den meisten Experimenten zeigte die Variation des Potentials den in der obenstehenden Figur dargestellten Verlauf; die Geschwindigkeit der Potentialänderung betrug, wenn nicht anders vermerkt, 5 m V/s. Ebenfalls zur Anwendung kamen Programme, bei denen das Potential für eine bestimmte Zeit beim Potential U2 gehalten wurde. Bei diesem trapezförmigen Verlauf des Potentials wurden manchmal sehr hohe Spannungsänderungsgeschwindigkeiten (1000 mV/s) eingesetzt, um einen Potentialsprung von Ul nach U2 zu erhalten. 91 7 .5. Die Eisenanalyse Bei den Korrosionsexperimenten wurde Eisen (II) spektrophotometrisch mittels der Ferrocin-Methode gemessen. Ferrocin reagiert mit divalentem Eisen zu einem stabilen, magenta-farbenen Komplex, welcher sehr gut wasserlöslich ist. Das Absorptionsspektrum des Eisen(Il)-Ferrocin-Komplexes zeigt im sichtbaren Bereich eine einzelne scharfe Bande mit dem Absorptionsmaximum bei 562 nm. Bei dieser Wellenlänge beträgt der molare Extinktionskoeffizient 27900; das Beer-Lambertsche Gesetz ist bis ca. 4 mg/l Fe (~ 70 µM) erfüllt. Der ideale pH-Bereich für die Bildung des Komplexes liegt zwischen 4 und 9 (Stookey 1970). Da in den meisten Fällen das totale gelöste Eisen bestimmt werden sollte, wurde die filtrierte Probe mit einer Hydroxylammomiumchloridlösung versetzt, um allfällig vorhandenes Eisen(Ill) zu Eisen(II) zu reduzieren. In einem 25 ml Messkolben wurden 1 ml Eisen(II)-Standardlösung 1 oder Probe zuerst mit 1 ml Hydroxylammoniumchlorid-Reagenz2, dann mit 4 ml Ferrocin-Reagenz3 und anschliessend mit 5 ml Ammoniumacetat-Puffer4 versetzt; dann wurde mit destilliertem Wasser auf 25 ml aufgefüllt und die Absorption nach 10 Minuten in 2 cm Küvetten bei 562 nm gemessen. 7.6. Versuchslösungen und lnertgase Alle Versuchslösungen wurden mit vollentsalztem Wasser und mit Chemikalien in p.a. Qualität hergestellt. Der Elektrolyt wurde vor Beginn der Versuche jeweils während mindestens einer Stunde mit dem Gas, unter dem das Experiment stattfinden sollte, gespült; falls nicht anders erwähnt, handelte es sich dabei um Stickstoff. Um sicher zu stellen, dass der zur Verdrängung des Sauerstoffs in die Reaktionsgefässe eingeleitete Stickstoff frei von Sauerstoff war, wurde er 1 Ammoniumeisen(Il)-sulfat-Hexahydrat in leicht saurer Lösung 2 3 M Hydroxylammoniumchlorid in 13% HCl 3 0.25 g Ferrocin in 100 ml Wasser 4 200 g Ammoniumacetat und 48 ml Essigsäure in 1 L 92 durch eine Vanadium(II)lösung geleitet, welche allfällige Spuren von Sauerstoff quantitativ reduzieren sollte. Eine detaillierte Beschreibung der Herstellung dieses sogenannten "Jones-Reductors" findet sich bei Suter (1989). 93 8. Ergebnisse und Diskussion der elektrochemischen Experimente 8.1. Passivität im Borat-Puffer 8.1.1. Bildung der passiven Schicht im Borat-Puffer Um die passive Schicht zu bilden und anschliessend wieder zu reduzieren, wurde die im Kapitel 4.4. beschriebene "Dreiecksspannung" angewandt. Während des Potentialdurchlaufes, welcher mit 5 mV/s durchgeführt wurde, wurde der Elektrolyt nicht gerührt und nur der dem Elektrolyten überstehende Raum mit Stickstoff gespült. Als Puffer wurde eine 0.3 M Boratlösung eingesetzt; der pH-Wert des Elektrolyten betrug 8.4. Typisches Voltammogramm: 200....----------------------. c Boratpuffer (pH 8.4) Potentialänderungsgeschw. SmV/s 100 4 5 D -100 .+-----~---~---------~---' -0.8 0.2 1.2 Potential [V/NHE] Fig. 8.1: Typisches Voltammogramm im Borat-Puffer bei pH 8.4 1 2 3 4 5 6 94 Auflösung von Eisen: Bildung eines Monolayers Umwandlung Fe 2+ ~ Fe 3+ Rasches Wachsen der Eisen(hydr)oxid-Schicht Passive Schicht wächst langsamer, ohne Zusammensetzung oder Struktur gross zu ändern Sauerstoff-Entwicklung Reduktion des passiven Filmes und Entwicklung von Wasserstoff A Open-Circuit-Potential B Passivierungs-Potential C kritischer Strom D Passivstrom Im Borat-Puff er bewegten sich die Grössen A - D typischerw eise zwischen: Open-Circuit-Potential: Passivierungspotential: krit. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.1: -0.56 -0.34 60 17 -0.58 V/NHE -0.39 V/NHE 165 µA/cm2 19 µA/cm2 Werte für die Grössen A - D in Borat-Piif.fer bei pH 8.4 Der aufsteigende Ast des anodischen Peaks bei --0.4 V/NHE zeigt die simultane Auflösung von Eisen und die Bildung einer Eisenhydroxidschicht an. Das Erreichen der maximalen Stromdichte und ihr anschliessendes Abnehmen bedeuten, dass eine Monoschicht des passiven Filmes gebildet wurde. Der zur anodischen Passivierung des Metalles benötigte Strom entspricht also demjenigen, der gebraucht wird, um eine schützende Schicht von Korrosionsprodukten zu bilden, welche eine weitere Auflösung verhindert. Dem Eisenauflö sungspeak folgt die passive Region. Zwischen -0.3 und -0.2 V/NHE erfolgt im Film eine Änderung zu höheren Valenzzuständen, d.h„ dass Fe(II) zu Fe(III) oxidiert wird. Die Dicke des Filmes ändert sich dabei nicht gross. XPS-Studien zeigten, dass ein bei 0.3 V/NHE gebildeter Film ausschliesslich Fe(III) und kein Fe(II) enthielt (Jovancicevic 1987). Bei Potentialen oberhalb -0.2 V/NHE findet eine rasche Zunahme der Dikke der Eisen(IIl)o xidschicht statt. Ausserdem nimmt wegen des höheren Oxidationszustandes des Eisens das Ausmass der Hydratation um ein Viel- 95 faches zu. Bei Potentialen oberhalb +0.2 V/NHE bleibt die Stromdichte nahezu konstant. Auch die passive Schicht wächst in diesem Teil des passiven Bereiches kaum noch, und ihre Zusammensetzung oder Struktur erfährt keine wesentliche Aenderung mehr. Eine Schwierigkeit entsteht daraus, dass die Messung des anodischen Stromes an passiven Metallen zwar in jedem Falle die Oxidationsgeschwindigkeit des Metalles ergibt, die Aufteilung in die Teilströme des Schichtwachstums und der Schichtauflösung aber nicht erlaubt. Wird jedoch bei konstantem Elektrodenpotential und bei konstanter Schichtdicke ein stationärer Zustand erreicht, ist der anodische Strom gleich der Auflösungsgeschwindigkeit der passiven Schicht (Heusler 1968). Die Reduktion der passiven Schicht ergibt zwei Wellen, welche entweder als die Reduktion zweier verschiedener Layer, Fe20 3 und Fe30 4 , oder als sukzessive Reduktion von Fe20 3 zu metallischem Eisen interpretiert werden können. Die höhere Stromdichte bei kathodischeren Potentialen wird verursacht durch das gleichzeitige Auftreten sowohl der Entwicklung von Wasserstoff als auch der Reduktion der passiven Schicht. Der Verlauf der anodischen Polarisationskurve hängt ab von der Zusammensetzung, Dicke und physikalischen Eigenschaften der während der aktiven Auflösung gebildeten Schicht. Je nach Elektrolyt werden während dieser Phase verschiedene Verbindungen gebildet, zum Beispiel Hydroxide, Phosphate, Sulfate, Chloride etc. Um den Einfluss des pH-Wertes des Elektrolyten auf den Verlauf der Polarisationskurve zu untersuchen, wurde das Experiment in einem Borat-Puffer mit pH 7 .3 wiederholt. Open-Circuit-Potential: Passivierungspotential: krit. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.2: -0.SOV/NHE -0.19 V/NHE 403 µA/cm2 24 µA/cm2 Werte für die Grössen A - D in Borat-Puffer bei pH 7.3 96 Im Vergleich zu der Kurve, welche bei pH 8.4 aufgenommen wurde, sind das Open-Circuit-Potential sowie das Passivierungspotential zu anodischeren Werten verschoben. Auch die kritische Stromdichte und die Passivstromdichte sind höher. Diese Ergebnisse bestätigen, dass die Passivierung mit sinkendem pH-Wert zunehmend schwieriger wird. Die leicht erhöhte Passivstromdichte der bei pH 7.3 aufgenommenen Polarisationskurve deutet darauf hin, dass der tiefere pH-Wert zu einer erhöhten Auflösung der passiven Schicht führt. Die protonenbeschleunigte, oberflächenkontrollierte Auflösung eines beliebigen Oxids kann gemäss der folgenden Gleichung formuliert werden, welche die Abhängigkeit der Auflösungsrate von der Oberflächenkonzentration an adsorbierten Protonen zeigt: Rn= kn(cW RB kn (c~) j Gesschwindigkeit der protonenbeschleunigten Auflösung Geschwindigkeitskonstante Oberflächenkonzentration an adsorbierten Protonen Exponent Die Passivstromdichte zeigte eine lineare Abhängigkeit von der Potentialänderungsgeschwindigkeit, die in der untenstehenden Figur 8.2 dargestellt ist. Das bedeutet, dass im passiven Bereich pro Zeiteinheit immer gleich viel Ladung übertragen wird, unabhängig von der Geschwindigkeit der Potentialänderung. Mit anderen Worten ausgedrückt: die Oxidationsgeschwindigkeit der passivierten Eisenelektrode ist unabhängig von der Geschwindigkeit, mit der das Potential verändert wurde. 97 ..r iCll ... .c :a 200 100 ~ ] i:i... 0 0 10 20 30 40 50 60 Pot.änd.geschw. [mV/s) Fig. 8.2: Abhängigkeit der Passivstromdichte von der Potentialänderungsgeschwindigkeit Passivstrom nach langen Zeiten Wurde das Potential bei 1.1 V/NHE angehalten, dann sank der Passivstrom noch während längerer Zeit. Nach einer Stunde betrugen die Passiv2 stromdichten jeweils noch zwischen 0.6 und 1.28 µA/cm . Nach noch längereren Zeiten war der Passivstrom kaum noch messbar und daher auch schlecht reproduzierbar (vgl. Nagayama 1962). Dieses Ergebnis weist erneut darauf hin, dass das Boratanion die Bildung eines dichten und porenfreien Oxides begünstigt. Ausserdem zeigt das stetige Absinken des Passivstromes über lange Zeiträume, dass sich der passive Film verändert: das ursprünglich amorphe, nicht-stöchiometrische Oxid wandelt sich im Zug der Alterung zu einem stöchiometrischen Oxid. 98 8.1.2. Aufnahme der Polarisationskurve mit der drehenden Scheibenelektrode Die drehende Scheibenelektrode (engl. Rotating Disc Electrode, RDE), welche zu den sogenannten hydrodynamischen Elektroden gehört, erlaubt Messungen unter Bedingungen von definiertem Massentransport und gestattet dadurch die Unterscheidung zwischen oberflächenkontrollierten und transportkontrollierten Prozessen (Swayer 1974). Im vorliegenden Versuch wurde die Abhängigkeit des Verlaufs der Polarisationskurve von der Rotationsgeschwindigkeit der Elektrode untersucht. Die Versuche wurden entsprechend dem auf den vorhergehenden Seiten beschriebenen Verfahren durchgeführt. 800 2000U/Min . ..r lSOOU/Min. s i ~ :ä s lOOOU/Min. 400 - SOOU/Min. e C:l:l 0 -0.5 -0.3 -0.1 Potential [V/NHE] Fig. 8.3: Einfluss der Rotationsgeschwindigkeit auf die Polarisationskurve im Borat-Puffer bei pH 8.4. Die Passivstromdichte zeigte keine Abhängigkeit von der Rotationsgeschwindigkeit. 99 Bei einer Rotationsgeschwindigkeit von 500 U/Min. betrugen die charakteristischen Grössen: -0.30V/NHE 298 µA/cm2 64 µNcm2 Passivierungspotential: krit. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.3: Werte für die Grössen A - D in Borat-Puffer bei pH 8.4 und einer Rotationsgeschwindigkeit von 500 U!Min. Die kritische Stromdichte zeigte folgende Abhängigkeit von der Rotationsgeschwindigkeit: l 1000 ~ ~ ~s -"' ·c 0 v :i ....: ~ 800 600 400 200+--+-~..---.-~~..--.....---..~..---.----1 0 500 1000 1500 2000 2500 Rotationsgeschwindigkeit [U/Min.] Fig. 8.4: Abhängigkeit der kritischen Stromdichte von der Rotationsgeschwindigkeit Der Verlauf der Passivstromdichte zeigte keinerlei Abhängigkeit von der Rotationsgeschwindigkeit der Elektrode. Das deutet darauf hin, dass die Vorgänge an der passiven Schicht - im Gegensatz zur Bildung des passiven Filmes bei -0.3 V/NHE - nicht diffusionskontrolliert sind. Dieses Resultat ist in Einklang mit der Vorstellung, dass die Auflösungsgeschwindigkeit 100 eines Oxids zu langsam ist, um vom Massentransport von Edukten oder Produkten abhängig zu sein. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Auflösung der passivierten Eisenelektrode ist somit entweder ein Massentransport von Reaktanden innerhalb der passiven Schicht oder eine Reaktion - die Loslösung eines oberflächenständigen Metallions - an der Oberfläche des Oxidfilmes. Der kathodische Durchlauf verlief bei allen Kurven gleich. 101 Einfluss von Sauerstoff 8.1.3. Fig 8.5 zeigt den Einfluss von Sauerstoff auf den Verlauf der in Borat-Puffer bei pH 8.4 aufgenommen Polarisationskurve. Nachdem die mit "ohne Sauerstoff ' bezeichnete Kurve im mit Stickstoff begasten Elektrolyten aufgezeichnet worden war, wurde der Elektrolyt mit 20% 02/ 80% N1 gespült und die zweite Kurve aufgezeichnet. 600 ohne Sauerstoff 400 l e 200 0 mit Sauerstoff 0"'0" 0 -200 -0.8 1.2 0.2 Potential (V/NHE] Fjg. 8.5: Einfluss von Sauerstoff auf die Polarisationskurve im BoratPuffer bei pH 8.4 ohne Sauerstoff Open-Circuit-Potential: Passivierungspotential: krit. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.4: -0.59V/NH E -0.36 V/NHE 221 µA/cm2 16 µA/cm2 mit Sauerstoff -0.4 V/NHE -0.34 V/NHE 106 µA/cm2 16 µA/cm2 Werte für die Grössen A - D in Borat-Puffer bei pH 8.4 unter dem Einfluss von Sauerstoff 102 In Gegenwart von Sauerstoff ist die kritische Stromdichte, die zur Erzeugung von Passivität aufgewendet werden muss, bedeutend kleiner als in der reinen Stickstoffatmosphäre . Die beobachtete Reduktion der kritischen Stromdichte kann mit Hilfe der in Kap. 3.3 dargestellten Adsorptionstheorie der Passivität erklärt werden. Gemäss dieser Theorie führt der an der Oberfläche eines Uebergangsmetalles chemisorbierte Sauerstoff zu Passivität, indem er die adsorbierten Wassermoleküle ersetzt. (Uebergangsmetalle besitzen ungepaarte Elektronen oder Elektronenleerstellen in den dOrbitalen ihrer Atome, wodurch eine starke kovalente Bindung mit Sauerstoff, welcher ebenfalls ungepaarte Elektronen besitzt, ermöglicht wird.) Dies führt zu einer Verminderung der anodischen Auflösungsrate des Metalles, welche Hydratisierung der das Gitter verlassenden Metallionen beinhaltet. Fig. 8.6 zeigt die auflösungshemmende Wirkung von Borat auf die reduktive Auflösung von Goethit durch H2S im Vergleich mit der Auflösung ohne Liganden und derjenigen, welche durch Phosphat inhibiert wurde (Biber 1992). 2e-4~-----------------. 0.1 M Borat 1 mM Phosphat Oe+o..i..-..=-===r=====::!::::::;::=======$::::::::::=:a:::=1 0 100 200 Zeit [Min.] Fig. 8.6.· Inhibition der reduktiven Auflösung von Goethit durch Borat 3 und Phosphat. Goethitkonz. 0.03 g/l, 10- atm H2S, pH 5, 0.01 M NaC/04; mod. nach Biber (1992). 103 8.1.4. Zusammenbruch der Passivität in chloridhaltiger Lösung Die Polarisationskurven wurden in der beschriebenen Art und Weise in Borat-Puffer bei Konzentrationen von 0, 0.5 mM und 1 mM Chlorid aufgenommen. In der 0.5 mM Chlorid-Lösung stieg der Passivstrom bei Potentia len> 0.7 V/NHE leicht an, während in der 1 mM Lösung der Passivstrom zwischen 0.4 und 0.5 V/NHE steil anstieg und so den eigentlichen Zusammenbruch der Passivität anzeigte. -0.8 -0.4 0.0 0.4 0.8 1.2 Potential (V/NHE] Fie. 8.7: Zusammenbruch der Passivität in chloridhaltiger Lösung ohne Zugabe von Chlorid A: 0.5 mM Chlorid B: 1 mM Chlorid C: 104 in der Technik, die an lokal Korrosionsart gefürchtete Lochfrass ist eine die übrige Oberfläche während sehr scharf begrenzten Stellen stattfindet, nahezu unangegriffen bleibt. Die in Figur 8.7 abgebildeten Polarisationskurven zeigen deutlich, dass Lochfrass erst oberhalb eines bestimmten kritischen Lochfrasspotentials auftritt. Ausserdem verschiebt sich dieses kritische Potential mit zunehmender Chloridkonzentration nach kathodischeren Werten. Der steile Anstieg des anodischen Stromes zeigt eine Auflösung von Fe(II) an, welche die Fe(IIl)-Auflösung der intakten passiven Schicht um mehr als sechs Grössenordnungen übertreffen kann (Heusler 1976, Kesten 1976). Das chemisorbierte Chlorid ersetzt Sauerstoff- oder Hydroxidionen an der Oxidoberfläche und führt so zu einer verstärkten Auflösung des passiven Filmes, bis an dessen dünnsten Stellen die nackte Metalloberfläche mit dem Elektrolyten in Kontakt tritt. Hingegen konnte mittels Auger-Elektronenspektroskopie (AES) kein Eintritt von Chloriden in die Passivschicht nachgewiesen werden (Janik-Czachor 1982). 105 8.2. Passivität im Acetat-Puffer Polarisationskurven im Acetat-Puffer 8.2.1. Der Puffer setzte sich aus gleichen Teilen 0.15 M Essigsäure und 0.15 M Natriumacetat zusammen; der pH betrug 4.63. Der Elektrolyt wurde jeweils vor Beginn des Versuches während mindestens einer Stunde mit Stickstoff gespült. Vor dem Potentialdurchlauf wurde die Elektrode 15 - 30 Minuten bei - 0.74 V/NHE kathodisch belastet; der Elektrolyt wurde dabei gerührt und begast. Der Potentialdurchlauf selbst fand mit 5 mV/s im ungerührten und unbegasten Elektrolyten statt. 25 ..... 8 ~ - § Q; • 20 15 .:,;-;:;-.....••• 10 xlOO ~; .c :ä !§... 00 5 •• 0 -5 -0.8 -0.4 0.0 0.4 0.8 1.2 Potential [V/NHEJ Fig. 8.8: Polarisationskurve in Acetat-Puffer bei pH 4.63 Die gepunktete Linie ist bezüglich der ausgezogenen 100fach überhöht. 106 Passivierungspotential: max. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.6: 0.15 V/NHE 19mNcm2 68 µA/cm2 Charakteristische Werte der Polarisationskurve im 1 :1 Acetat-Puffer (pH 4.63) Die maximalen Stromdichten von ersten Voltammogrammen betrugen je 2 nach Versuch 14 bis 41 mA/cm (0.15 - 0.4 V/NHE). Der Bereich, in dem Passivität einsetzte, lag zwischen 0.4 und 0.7 V/NHE, und die Passiv2 stromdichten bewegten sich zwischen 25 und 336 µA/cm . Die Komponenten des Puffers, 0.15 M HAc und 0.15 M NaAc, wurden in verschiedenen Verhältnissen gemischt, um die pH-Abhängigkeit des Verlaufes der Polarisationskurven zu studieren. Die Aufnahme aller Kurven erfolgte ohne Rühren und Begasen des Elektrolyten bei einer Potentialänderungsgeschwindigkeit von 5 mV/s. In der untenst.ehenden Tabelle wird neben der maximalen Stromdichte auch noch das Potential angegeben, bei welcher sie auftrat. Der Ausdruck "Einsetzen der Passivität" bezeichnet das Potential, bei welchem das plötzliche Fallen des Stromes das Auftreten der Passivität anzeigte. HAc/Ac pH 1: 20 1: 10 1: 7 1: 2 1:1 6.00 5.63 5.46 4.93 4.63 Tab. 8.7: maximale Stromdichte [mA/cm21 [V/NHEl - 0.1 0.0 0.0 0.2 0.4 11 16 18 23 23 Einsetzen der Passivstromd. Passivität [uNcm2] [V/NHE] 0 0.1 0.25 0.45 0.7 78 62 70 92 162 Charakteristische Werte der Polarisationskurven im AcetatPuffer unterschiedlicher Zusammensetzung 107 Bestimmung des in Lösung gegangenen Eisens Das folgende Experiment versuchte die Frage zu beantworten, in welcher Form und wieviel Eisen während der anodischen Passivierung der Eisenelektrode im 1:1 Acetat-Puffer in Lösung geht. Der Potentialdurchlauf, welcher mit 5 m V/s durchgeführt wurde, fand unter Rühren und Begasen des Elektrolyten mit Stickstoff statt. max. Stromdichte: Passivstromdichte: 2 30 mA/cm (o.45 V/NHE) 2 93 µA/cm Gleich vor und nach dem anodischen Durchlauf wurden dem Elektrolyten 1 ml Proben entnommen und mit der Ferrocin-Methode auf Fetot untersucht. Nach dem anodischen Durchlauf betrug die Konzentration an gelöstem Eisen 0.17 mM. Nimmt man an, dass die unter der Polarisationskurve 2 liegende Ladung in Lösung gegangenem Fe + entspricht, so ergibt sich ebenfalls eine Konzentration von 0.17 mM. Dieses Resultat bes tätigt die Vermutung, dass korrodierendes Eisen in sauren, sauerstofffreien Elektrolyten als Fe2+ in Lösung geht. Passivstrom nach langen Zeiten Um den Verlauf des passiven Stromes als Funktion der Zeit zu untersuchen, wurde bei mehreren Experimenten das Potential nach dem anodischen Durchlau f bei 1.1 V/NHE angehalten und der Strom als eine Funktion der Zeit aufgezeichnet. Die Passivstromdichte variierte dabei von Versuch zu Versuch zwischen: anod. Potentialänderungsgeschwindigkeit: Passivstromdichte nach einer Stunde: SmV/s 2 10 - 80 µA/cm 1000 mV/s anod. Potentialänderungs geschwindigkeit: µA/cm2 22 2.8 Stunde: einer nach Passivstromdichte Zu bemerken ist an dieser Stelle allerdings, dass der Passivstrom in keinem der Experimente einen konstanten Verlauf zeigte, sondern vielmehr zum Teil grossen Schwankungen unterworfen war. 108 8.2.2. Einfluss von Sauerstoff Gleich wie in dem entsprechenden Experiment im Borat-Puffer, wurde der 1 : 1 Elektrolyt mit 20% 02 / 80% N1 begast; die Potentialänderungsgeschwindigkeit betrug 5 m V/s. max. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.8; 18 m.A/cm2 (0.2 V/NHE) 61 µA/cm2 Charakteristische Grössen der im Acetat-Puffer und unter Sauerstoff aufgenommen Polarisationskurve. Wie aus den in Tabelle 8.8 aufgeführten Werten hervorgeht, sind zu der unter Stickstoff aufgenommen Kurve keine markanten Unterschiede feststellbar. Dies kann damit erklärt werden, dass Acetat weder in belüfteten noch in sauerstofffreien Elektrolyten zu den Anionen mit inhibierender Wirkung gezählt werden kann. 8.2.3. Polarisationskurve in Gegenwart von Benzoat Die erste Polarisationskurve wurde im 1 : 1 Acetat-Puffer aufgenommen, die zweite in Acetat-Puffer, welcher eine Benzoat Konzentration von 0.02 M aufwies. Das Experiment fand unter Stickstoff statt; die Potentialänderungsgeschwindigkeit betrug 5 m V/s. ohne Benzoat: max. Stromdichte: Passivstromdichte: 13.8 m.A/cm2 (0.1 V/NHE) 32.6 µA/cm2 mit Benzoat: max. Stromdichte: Passivstromdichte: 8.4 m.A/cm2 (0.2 V/NHE) 32.6 µA/cm2 Bei der Aufnahme der Polarisationskurven schien Benzoat mit einer Konzentration von 0.02 M keinen Einfluss auf die Passivstromdichte zu haben. 109 Die maximale Stromdichte hingegen könnte durch die Gegenwart von Benzoat leicht gesenkt worden sein. 8.2.4. Einfluss von Benzoesäure und Phthalsäure auf die Passivstromdichte bei 1.1 V/NHE Zuerst wurde im 1:1 Acetat-Puffer ein anodischer Durchlauf durchgeführt und anschliessend das Potential bei 1.1 V/NHE gehalten. Nach einer Stunde wurde bei eingeschalteter Zelle und unter Stickstoff der Acetat-Puffer durch denselben Puffer, in dem Benzoe- oder Phthalsäure gelöst war, ersetzt. Eine Stunde nach Austauschen des Elektrolyten wurde erneut der Passivstrom abgelesen. Passivstromdichte Acetat-Puffer Passivstromdichte Acetat-Puffer, 0.01 M Benzoes.: 83 µA/cm2 24 µA/cm2 Passivstromdichte Acetat-Puffer Passivstromdichte Acetat-Puffer, 0.05 M Benzoes.: 60 µA/cm 2 6µA/cm Passivstromdichte Acetat-Puffer Passivstromdichte Acetat-Puffer, 0.01 M Phthals.: 10 µA/cm2 2 1.8 µA/cm 2 Sowohl Benzoesäure als auch Phthalsäure vermögen die Passivstromdichte signifikant gegenüber derjenigen zu verringern, welche in einem reinen Acetatpuffer gemessen wurde. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass diese beiden Anionen in der Lage sind, die Auflösung der passivierenden Oxidschicht durch die Bildung bidentater, binuklearer Oberflächenkomplexe zu inhibieren. 8.2.5. Vergleich von Benzoe- und Salicylsäure Der anodische Potentialdurchlauf fand mit 1000 m V/s im ungerührten und unbegasten Acetat-Puffer statt. Anschliessend wurde das Potential für 80 Minuten bei 1.1 V/NHE gehalten; die Passivstromdichte betrug nach die- 110 2 ser Zeit 6.4 µA/cm . Danach wurde soviel Benzoesäure zum Elektrolyten gegeben, dass eine Benzoatkonzentration von 0.01 M resultierte. Die 2 Passivstromdichte stieg in der Folge leicht auf 8.6 µA/cm an. Nach einer Stunde wurde erneut Natriumbe nzoat zum Elektrolyten gegeben; die resultierende Konzentration an Benzoat betrug 0.05 M. Die Passivstrom2 dichte sank hierauf auf 5.1 µA/cm . Der anodische Potentialdurchlauf fand mit 1000 mV/s im ungerührten und unbegasten Elektrolyten statt. Anschliessend wurde das Potential für 76 Minuten bei 1.1 V/NHE gehalten; nach dieser Zeit betrug die Passivstrom2 dichte noch 9.1 µA/cm . Danach wurde Salicylsäure zum Elektrolyten gegeben; die resultierende Konzentration an Salicylat war 0.01 M. Nach anfänglich unruhigem Verlauf sank der Passivstrom stetig. Die Passivstrom2 dichte betrug nach 90 Minuten 5 µA/cm . 8.2.6. Einfluss von Oxalsäure Der anodische Potentialdurchlauf fand mit 1000 mV/s im ungerühra) ten und unbegasten 1:1 Acetat-Puffer statt. Nach 76 Minuten bei 1.1 2 V/NHE betrug die Passivstromdichte 2.8 µA/cm . Anschliessend wurde soviel Oxalsäure zum Elektrolyten gegeben, dass die Konzentration an Oxalat in der Zelle 0.01 M betrug. Die Passivstromdichte veränderte sich in der Folge über einen Zeitraum von 90 Minuten nicht. Nach einer weiteren Zugabe von Oxalsäure, welche die Oxalsäurekonzentration auf 2 0.02 M verdoppelte, sank die Passivstromdichte leicht auf 2.7 µA/cm . Der anodische Potentialdurchlauffand mit 1000 mV/s im ungerührb) ten und unbegasten Elektrolyten statt. Nach 56 Minuten bei 1.1 V/NHE 2 betrug die Passivstromdichte 22 µA/cm . Nach Zugabe von Oxalsäure (resultierende Konzentration in der Zelle: 0.1 M) sank die Passivstromdichte 2 auf 11 µA/cm . Entgegen den Erwartungen, gemäss denen Oxalat die Auflösung eines Oxids beschleunigen sollte, zeigte bei den oben beschriebenen Versuchen die Passivstromdichte keine erhöhte Auflösungsrate des passiven Filmes an. 111 c) Vergleich der Polarisationskurven Acetat-Puffer max. Stromdichte Passivstromdichte 19 mA/cm2 (0.2 V/NHE) 68µNcm2 Acetat-Puffer, 0.05 M Oxalsäure max. Stromdichte Passivstromdichte 6.9 mA/cm2 (-0.1 V/NHE) 449µNcm2 Acetat-Puffer, 0.1 M Oxalsäure max. Stromdichte Passivstromdichte 5.7 mA/cm2 (-0.1 V/NHE) 573 µA/cm2 Werden die Polarisationskurven, welche bei verschiedenen Oxalatkonzentrationen aufgenommen wurden, miteinander verglichen, so zeigt Oxalat einen von seiner Konzentration abhängigen, beschleunigenden Einfluss auf die Auflösung des passiven Filmes, der sich in einer erhöhten Passivstromdichte äussert. 8.2.7. Einfluss von Phosphat Der anodische Potentialdurchlauf fand mit 1000 m V/s im ungerührten und unbegasten 1:1 Acetat-Puffer statt. Anschliessend wurde das Potential für 75 Minuten bei 1.1 V/NHE gehalten; die Passivstromdichte betrug nach dieser Zeit 5 µNcm2. Dann wurde Natriumhydrogenphosphat zugegeben, so dass eine Phosphatkonzentration von 0.05 M resultierte. Der Passivstrom zeigte in der Folge einen sehr unruhigen Verlauf; die Passivstrom2 dichte betrug im Mittel ungefähr 4.2 µNcm . 112 8.3. Passivität in Perchloratlösungen 8.3.1. Polarisationskurven in Perchloratlösungen Der Elektrolyt bestand aus einer 0.1 M Natriumperchloratlösung; der pH betrug 7 .0. Der Elektrolyt wurde vor der Aufnahme der Kurve während einer Stunde mit Stickstoff gespült. Vor dem Potentialdurchlauf wurde die Elektrode 15 - 30 Minuten bei - 0.74 V/NHE kathodisch belastet; der Elektrolyt wurde dabei gerührt und begast. Der Potentialdurchlauf selbst fand mit 5 mV/s im ungerührten und unbegasten Elektrolyten statt. 8 ..r i .l!l .c (,1 :a e ~ 00 0.08 6 0.06 0.1 M Natriumperchlorat 4 0.04 •• •• ••••••••• •• t 2 1 0 -2 -0.8 •••• -0.4 0.02 ............... u - •• •• 0.0 N"' 0.4 0.8 0.00 1.2 -0.02 Potential [V/NHE] Fiz, 8.9: Polarisationskurve in 0.1 M Natriumperchloratlösung Die gepunktete Linie ist bezüglich der ausgezogenen 100fach überhöht. e ~ § Qj ...... .c :ä § .... ...... 00 113 0.05 V/NHE 7.2mAfcm 2 22 µNcm2 Passivierungspotential: max. Stromdichte: Passivstromdichte: Charakteristische Werte der in 0.1 M Natriumperchloratlösung aufgenommenen Polaristionskurve. Potentialänderungsgeschwindigkeit: 5 mV!s. Tab. 8.6: Wurde das Potential nach dem Potentialdurchlaufbei 1.1 V/NHE gehalten, so zeigte der Passivstrom folgendes Verhalten: .... ~ 1.0 0.8 ~ Q; l:<J 0.6 :a ~..... 0.4 ·~ 0.2 ... ~ ~ 0.0 0 50 100 150 Zeit [Min.) Fie. 8.10: Zeitlicher Verlauf der Passivstromdichte in 0.1 M Natriumperchloratlösung bei 1.1 V!NHE. In einem zweiten Experiment wurde die Zelle nach der 30-minütigen kathodischen Belastung der Elektrode bei -0.74 V/NHE ausgeschaltet. Nach einer vierminütigen Wartezeit betrug das Ruhepotential -0.54 V/NHE. Danach wurde der Potentiostat wieder eingeschaltet, wobei nun ein Potential von 0.7 V/NHE angelegt wurde. 114 Nach dem Einschalten des Potentiostaten wurde die Aufzeichnung des Passivstromes als Funktion des Z.eit gestartet. Nach zwei Stunden stieg der Passivstrom allerdings wieder an, so dass kein Wert für einen stationären Strom nach langen Z.eiten angegeben werden kann. Das oben beschriebene Verhalten war charakteristisch für den Passivstrom in Perchloratlösungen: nach anfänglichem Absinken stieg der Passivstrom wieder an, wobei er oft starke Schwankungen aufwies. Diese Schwankungen deuteten zum Teil recht deutlich auf Lochfrass. Die Polarisationskurve wurde auch in einer 1 M Natriumperchloratlösung aufgenommen. Die Kurve wies dabei folgende charakteristische Werte auf: Passivierungspotential: max. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.6: -0.12 V/NHE 8.2mA/cm2 18.5 µA/cm2 Charakteristische Werte der in 1 M Natriumperchloratlösung aufgenommenen Polarisationskurve. Potentialänderungsgeschwindigkeit: 5 mV!s. Werden die in 0.1 Mund die in 1 M Natriumperchloratlösung aufgenommenen Kurven miteinander verglichen, so kann festgestellt werden, dass das Passivierungspotential im höher konzentrierten Elektrolyten zu negativeren Werten verschoben ist; sowohl die kritische Strom- als auch die Passivstromdichte sind in beiden Elektrolyten praktisch gleich. Die in einer mit Perchlorsäure auf pH 3 eingestellten Natriumperchloratlösung aufgenommene Kurve zeigte folgende Charakteristika: Passivierungspotential: max. Stromdichte: Passivstromdichte: Tab. 8.7: 0.1 V/NHE 64mA/cm2 18.8 µA/cm2 Charakteristische Werte der in 1 M Natriumperchloratlösung bei pH 3 aufgenommenen Polarisationskurve. Potentialänderungsgeschwindigkeit: 5 mV!s. Das nach anodischeren Werten verschobene Passivierungspotential sowie die um fast das achtfach höhere kritische Stromdichte der bei pH 3 aufge- 115 nommenen Polarisationskurve weist auf erschwerte Passivierung bei tiefem pHWert hin. Einfluss von Oxalat und Benzoat auf die Polarisationskurven 8.3.2. Die Polarisationskurven wurden in 1 M Natriumperchloratlösungen, welche 0.05 und 0.01 Min Oxalat oder 0.01 Min Benzoat waren, aufgenommen. Der pH wurde bei allen Lösungen auf 9 eingestellt; die Geschwindigkeit der Potentialänderung betrug 5 m V/s. 0.5 1 M Natriumperchlorat 0.05 M Oxalsäure pH9 0.4 ,q-' 0.3 0.2 '·········?' 0.1 U+.±+~+.!_.+~ - -0.8 -0.4 0.0 0.4 0.8 0.0 1.2 Ei ~ g .& ..c y :a eEi [J':J -0.1 Potential [V/NHE] Fie, 8.11: Einfluss von 0.05 M Oxalat auf die in 1 M Natriumperchloratlösung aufgenommene Polarisationskurve. Die gepunktete Linie ist bezüglich der ausgezogenen 100fach überhöht. 116 0.05 M Oxalsäure Passivierungspotential: kritische Stromdichte: Passivstromdichte: -0.03 V/NHE 4.3 rnA/cm2 68.1 µA/cm2 0.01 M Oxalsäure Passivierungspotential: kritische Stromdichte: Passivstromdichte: -0.08 V/NHE 17.0mNcm2 35.0 µA/cm2 0.01 M Benzoesäure Passivierungspotential: kritische Stromdichte: Passivstromdichte: 8.3.3. -0.18 V/NHE 4.4mNcm2 15.4 µA/cm2 log Passivstromdichte vs log Zeit bei kurzen Zeiten Bei den folgenden Experimenten wurde nach der Einstellung des Ruhepotentials der Potentiostat wieder eingeschaltet, wobei dann ein Potential von 0.7 V/NHE vorgelegt wurde; gemessen wurde der Strom als Funktion der Zeit. Trägt man nun log Stromdichte gegen die Zeit auf, so kann durch den ersten Teil der Kurve eine für die Entstehung der passiven Schicht charakteristische Gerade gelegt werden. Dieses Verfahren wurde in 1 M Natriumperchloratlösungen mit Zusätzen von Perchlorsäure, Benzoesäure, Oxalsäure sowie EDTA bei verschiedenen pH-Werten durchgeführt. Die Geraden zeigten aber sowohl in Steigung wie y-Achsenabschnitt nur unwesentliche Unterschiede. Alle Kurven stiegen auch nach längeren Zeiten wieder an und wiesen Schwankungen auf, welche für Lochfrass typisch sind. 117 80 ... e ~ i 60 Minimum: 2 239 s / 4.325 µNcm 40 20000 10000 0 Zeit [s] 2.0 ~ ~ cr.i ~ 1.5 1.0 5 4 3 2 0 log Zeit 2.0 j 1.6 ~ 1.4 .$ 1.2 cr.i y = 2.48 - 0.86x 1.8 .... l.0-1--~-------- ~ 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 log Zeit Fit:. 8.12 a: Verlauf des Passivstromes nach kurzen Zeiten 118 25 20 15 10 1 M Natriumperchlorat 1 mM Oxalsäure 5 pH6.08 0-+-~.---...~-.-~...---.~-.-~....---,..---.---,~ 10000 12000 14000 16000 18000 Zeit [Sek.] Fir:. 8.12 b: Verlauf des Passivstromes nach langer Zeit 20000 119 9. Experimente mit Partikeln 9.1. Die Durchführung der Auflösungsexperimente Die Auflösungsexperimente wurden in einem mit schwarzer Folie bedeckten Metrohm Reaktionsgefäss durchgeführt; das Reaktionsvolumen betrug 100 ml. Zuerst wurde eine bestimmte Menge destilliertes Wasser vorgelegt, dann wurden als Inertelektrolyt 10 ml einer 0.1 M Kaliumnitratlösung zugegeben, so dass schlussendlich eine Konzentration von 0.01 M Kaliumnitrat vorlag. Anschliessend wurden 10 m1 einer Goethit-Suspension, welche 5 g/l Goethit enthielt, zugegeben; die resultierende Konzentration an Goethit betrug somit 0.5 g/l. Um den in der Suspension gelösten Sauerstoff zu verdrängen, wurde Stickstoff eingeleitet, welcher mit Hilfe eines "Jones-Reductors" von allfälligen Resten von Sauerstof f gereinigt worden war. Nachdem der pH-Wert der Suspension mit 0.01 M Salpetersäure auf den gewünschten Wert eingestellt worden war, wurde bei den Inhibitionsexperimenten der Inhibitior (Cr(III) oder Cr(VI)) zugegeben. Während allen Experime nten wurde der pH-Wert mit einem Metrohm pH-Stat konstant gehalten. In geeigneten Zeitintervallen wurde anschliessend die totale Konzentration an gelöstem Eisen bestimmt. Dazu wurde eine Probe von einigen Millilitern aus dem Reaktionsgefäss entnomm en und mit Hilfe einer Spritze durch einen Zellulosenitratfilter von Sartorius mit einer Porengrösse von 0.1 µm gepresst. Die Konzentration an gelöstem Eisen im Filtrat wurde dann mittels AAS mit einem Flammen -Atomab sorptions spektrom eter (PERKIN-ELMER 5000) bei A. = 248.3 nm gemessen. 120 9.2. Inhibition der Auflösung von Goethit durch Cr(lll) und Cr(VI) Sowohl Cr(III) als auch Chromat bilden an der Oberfläche von Eisenoxiden starke Komplexe. Wie im Kapitel 4.5. mit Hilfe von MICROQL-Be3 rechnungen gezeigt wurde, adsorbiert das Kation Cr + vor allem oberhalb pH-Werten von 4, während das Anion HCr0,4 vorzugsweise an die positiv geladene Oxidoberfläche bei neutralen und tieferen pH-Werten adsorbiert. Bei einem pH-Wert von 3 sind in einer Goethit-Suspension mit einer Kon4 zentration von 1 g/l etwa 15% einer 10- M Cr(IIl)-Lösung an der Oberfläche der Partikel adsorbiert. Diese 10% scheinen aber zu genügen, um die protonenbeschle unigte Auflösung von Goethit effektiv zu inhibieren, da wahrscheinlich die auflösungsaktiven Stellen zuerst besetzt werden. 8 pH=3.0 6 ~ „ ~ c ~ 4 0.1 mM Cr(III) oderCr(VI) 2 o+---..---.-~-.-~....---.~-r~-.---1 0 20 40 60 80 Zeit [h] Fif. 9.1: Die protonenbeschleunigte Auflösung von Goethit bei pH 3 und deren Inhibierung durch Cr(lll) und Cr (VI). Goethit5 konz. 1 g!l, entsprechend 1.35 x 10- M Oberflächen-OH 121 9.3. XPS- und STM-Untersuchungen der Adsorption von cr3 + an Hämatit 6 Eine frisch gespaltene a-Fe203 -(00l)-O berfläch e wurde einer 10- M Cr(III)-Lösung ausgesetzt und anschliessend mittels XPS im Hochvakuum untersucht. Fig. 9.2 zeigt das dabei erhaltene Spektrum. Die Cr 2p-Bande weist darauf hin, dass sich das an der Oberfläche gebundene Cr im formalen Cr(III)-Zustand befindet und zumindest teilweise hydratisiert ist (Eggleston 1992). Das Oberflächen Cr/Fe-Verhältnis von 0.2 entspricht ungefähr 100% eines Monolayers. Andere XPS-Aufnahmen zeigten deutlich, dass die a-Fe203 -(00l)-O berfläch e sogar im Hochvakuum einige Monolayer von adsorbierten Wassermolekülen zurückbehält. XPS hat wie viele andere Oberflächenanalysetechniken den Nachteil, dass sie im Hochvakuum durchgeführt werden muss und damit für die Untersuchung der Strukturen an der Grenzfläche Oxid/Wasser nur bedingt geeignet ist. Mit der "Scanning Tunneling Microscopy" (STM) hingegen sind Untersuchungen bei Normaldruck möglich; die mehrere Monolayer dicke Schicht Wasser, welche die Oxidoberfläche bedeckt, lässt für die STM sogar die Bezeichnung semi-in situ Technik zu (Casey 1992). 3 Das STM-Bild einer a-Fe203 -(001)-0 berfläch e, an der Cr + adsorbiert wurde, ist in Fig. 9.3 dargestellt. Es konnte mit Hilfe dieser Technik gezeigt werden, dass Cr(III) innersphärische Komplexe bildet, wobei bevorzugt diejenigen Stellen an der a-Fe203 -(00l)-O berfläch e besetzt werden, welche eine tridentale Bindung ermöglichen. Hämatit besteht aus Schichten von Fe06-0k taedem, welche Kanten und Flächen miteinander teilen und senkrecht zur C-Richtung gestapelt sind. Zweidrittel der oktaedralen 3 Zwischenräume sind mit Fe + gefüllt, ein Drittel ist leer. Die bevorzugten 3 Stellen für die Adsorption von Chrom sind möglicherweise solche Fe +Vakanzen an der Oberfläche; wahrscheinlich ist ebenfalls der Ersatz eines Fe3+, welches sich über einer Leerstelle der darunterliegenden Schicht befindet. Die Distanz zwischen zwei Leerstellen auf der Hämatitoberfläche beträgt 0.5 nm; in der Fig. können zwei adsorbierte Cr ausgemacht werden, welche sich in genau diesem Abstand voneinander befinden. Mit der STM konnte ferner durch Aufnahmen, welche in bestimmten Zeitabständen hintereinander aufgenommen wurden, gezeigt werden, dass die Oberflächendiffusion von Cr(III) extrem langsam ist, wie das aufgrund der 122 langsamen Ligandaustauschreaktionen erwartet wurde. Ausserdem kann in der unteren Bildhälfte der Fig. 9.3 ist ein oligomerischer Cr-Komplex ausgemacht werden. l!ICA 111.TJF\EX 111/U/lt B.'°'t IEI t ANllE- G dog AC11 TDE-1.02 lln Fll.f: crJt er. 11111111-c ICM.E PMmll- 2.1!111 k c/1, llfl'ET• 0.111111 k c/1 Pol&& SEllY- 36.7&0 aV Mil «IG 1 to 9 • 7 1 !!! lil • 8 „ 5 3 2 il Fig. 9.2: . JI. 605 600 5115 510 515 590 IJIDDlll!IERl'I, IV 0 XPS-Aufnahmen von Cr(Ill) und cr 1) Cr(Ill) an Fe203 mit einer Bindungsenergie, wie sie für Cr(l/l) erwartet wurde. 0 2), 3) Cr-Metall mit Cr -Bande bei 574 eV und Cr(lll)Bande einer oxidierten Oberfläche bei 577 eV. 123 5.00 2.50 0 5.00 nM 2.50 0 -- 360.5 pA Nanoscop e III STH Scan ParaMete rs: 180.2 pA 0.0 pA Fig. 9.3: Z range Scan size NuMher or saMples Scan rate Setpoint Bias Data type 360.5 pA 5.0 nM 512 61.0 Hz 1.1 nA -319.5 MU Current STM-Aufna hme einer a-Fe203-( 001)-0berf läche, an der Cr(Il/) adsorbiert wurde. Die weissen Flecken stellen adsorbiertes Cr(III) dar. 124 Literatur Al-Bomo A., M. 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