10. Atomphysik 10.1 Das Bohrsche Atommodell

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10. Atomphysik
Seit den Streuexperimenten von Lennard und Rutherford ist bekannt, dass Atome, die kleinsten
Bausteine der Materie, keine homogen mit Masse gefüllten Kugeln sind, sondern wiederum aus
einem winzigen zentralen „dichten“ Atomkern bestehen, der von einer „dünnen“ Elektronenhülle
umgeben ist. Rutherford nahm an, dass die negativ geladenen Elektronen in der Atomhülle auf Kreisbzw. Ellipsenbahnen um den positiv geladenen Atomkern kreisen, genau wie sich die Planeten um
die Sonne bewegen. Das Rutherfordsche Atommodell wird deshalb häufig auch Planetenmodell
genannt. In diesem Modell ist der Raum zwischen den Elektronen und den Atomkernen leer, analog
zum luftleeren Weltraum zwischen den Planeten und der Sonne. Die für die Kreisbahn der Elektronen
erforderliche Zentripetalkraft wird von der Coulombkraft, also der elektrischen Anziehungskraft
zwischen positiven und negativen Ladungen geliefert (analog zur Gravitationskraft zwischen Planeten
und der Sonne).
Das Planetenmodell von Rutherford besitzt den großen Vorteil gegenüber modernen Atommodellen,
dass es sehr anschaulich ist und man sich den Aufbau der Atome hiermit gut vorstellen kann. Im
nachfolgenden Kapitel sollen nun die Grenzen des Rutherfordschen Atommodells aufgezeigt und die
physikalischen Eigenschaften der Atomhülle näher untersucht werden.
10.1 Das Bohrsche Atommodell
Im Jahre 1913 entwickelte der dänische Physiker Niels Bohr das nach ihm benannte Bohrsche
Atommodell. Dieses stellt eine Erweiterung des Planetenmodells von Rutherford dar mit dem die
Mängel des Rutherforschen Modells behoben werden konnten.
Mängel des Rutherforschen Atommodells
1. Mangel: Die Erforschung von Sonnensystemen in der Astrophysik hat durch die Entdeckung
von zahlreichen extrasolaren Sonnensystemen gezeigt, dass es Planeten in den unterschiedlichsten Größen und mit den unterschiedlichsten Bahnradien um ihr Zentralgestirn gibt. So
hängt der Abstand der Planeten von der Sonne von ihrer Geschwindigkeit und ihrer Masse
ab. Auch massereiche Gasplaneten können sich deshalb bei hinreichend hoher
Bahngeschwindigkeit auf stabilen Bahnen sehr nah an ihrer Sonne bewegen. Die Größe von
Planetensystemen variiert somit von System zu System stark. Die Vorstellung eines
mikroskopischen „Planetenmodells“ wie Rutherford es auch für die Elektronen in der
© M.Brennscheidt
Atomhülle forderte hat zur Folge, dass auch sehr kernnahe Bahnen der Elektronen existieren
müssen und die Größe von Atomen somit individuell verschieden sein müsste. Dies steht
jedoch im krassen Gegensatz zum experimentellen Befund. So besitzen alle Atome eines
Elements die gleiche Größe. => Die Elektronen können sich somit nicht auf Bahnen mit
beliebigen Radien bewegen.
2. Mangel: Elektronen, die sich auf einer Kreisbahn bewegen, erfahren durch die auf sie
wirkende Zentripetalkraft ständig eine Radialbeschleunigung in Richtung des Atomkerns.
Diese Radialbeschleunigung ist dafür verantwortlich, dass sich die Elektronen auf einer
Kreisbahn bewegen. Ohne die Radialbeschleunigung würde sich das Elektron gemäß dem
ersten Newtonschen Axiom (Trägheitssatz) einfach geradeaus weiterbewegen. Beschleunigte
Ladungen sind jedoch von einem magnetischen Feld umgeben, welches wiederum ein
elektrisches Feld hervorruft, usw. Genau wie in einem Hertzschen-Dipol, in dem Elektronen
hin und her beschleunigt werden, müssten die um den Kern fliegenden Elektronen also
ständig elektromagnetische Strahlung bzw. Wellen abgeben. Hierdurch würden die
Elektronen jedoch Energie verlieren, abbremsen und auf einer spiralförmigen Bahn langsam
in den Kern stürzen. Rechnungen zeigen, dass die Elektronenbahnen, so nur für höchstens
10-11s stabil sein könnten. Es könnte somit im Universum keine stabilen Atome existieren und
die Welt wie wir sie kennen würde es nicht geben. Auch diese Überlegungen stehen also im
Widerspruch zum experimentellen Befund. => Die Elektronenbahnen müssen also
strahlungsfrei sein.
Die Mängel des Rutherfordschen Atommodells konnte Niels Bohr durch die Forderung von zwei in
der Atomhülle geltenden Gesetzmäßigkeiten beheben. Hierzu übertrug Bohr das aus der
Quantenphysik von Photonen bekannte Quantisierungsprinzip auf die Elektronen in der Atomhülle:
1. Bohrsches Postulat: Im Atom bewegen sich Elektronen auf stationären (diskreten) Bahnen
ohne dabei elektromagnetische Strahlung abzugeben.
Die Radien der Bahnen sind durch den Drehimpuls
ganzzahlige Vielfache von der Konstanten
Elektronen wird Drehimpulsquantelung genannt:
bestimmt der in der Atomhülle nur
annehmen kann. Diese Eigenschaft der
Dabei ist
die Quantenzahl, die den Radius der Bahn bestimmt. Sie wird deshalb mit Bahnquantenzahl bezeichnet.
2. Bohrsches Postulat: Beim Übergang eines Elektrons von einer höheren in eine tiefere Bahn
wird Energie in Form von Licht abgegeben (Emission). Für den Übergang eines Elektrons von
einer niedrigeren in eine höhere Bahn, muss Energie aufgenommen werden (Absorption).
Das emittierte bzw. absorbierte Licht hat die Energie:
© M.Brennscheidt
Dabei geben die Indizes und die jeweilige Bahnquantenzahl der Elektronen vor bzw. nach dem
Übergang an.
und
sind die diskreten Energiewerte (Energieniveaus) der Elektronen auf der mten bzw. n-ten Bahn. Diese setzen sich aus potentieller und kinetischer Energie der Elektronen
zusammen.
Anmerkung: Die Bohrschen Postulate stehen im Widerspruch zur klassischen Physik, wonach
beschleunigte Elektronen Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung abgeben. Sie
beschreiben jedoch mit großer Genauigkeit die quantenhafte Emission und Absorption von Licht in
der Atomhülle. Dies kann durch Messungen, die in den folgenden Kapiteln beschrieben werden,
bestätigt werden.
10.2 Der Bohrsche Radius
Im Folgenden sollen nun die Radien der strahlungsfreien Elektronenbahnen berechnet werden.
Damit sich die Elektronen auf einer Kreisbahn bewegen können muss auf sie eine zum Mittelpunkt
der Bahn ausgerichtete Zentripetalkraft
wirken. Diese wird von der Coulombkraft , also der
elektrostatischen Anziehungskraft zwischen positiv geladenem Atomkern und negativ geladenen
Elektronen geliefert:
Der Radius der Elektronenbahnen ist somit abhängig von der Ladung, der Masse und der
Geschwindigkeit der Elektronen. Letztere kann mit Hilfe des 1. Bohrschen Postulats bestimmt
werden:
© M.Brennscheidt
Durch Einsetzen der Geschwindigkeit in die Formel für den Radius ergibt sich der Zusammenhang:
Durch Umsortieren erhält man schließlich die Gleichung der Bahnradien mit der Bahnquantenzahl :
Der Radius der innersten Bahn mit
beträgt
seinem Entdecker, Bohrscher Radius genannt.
. Dieser Radius wird nach
Durch Einsetzen der obigen Formel für die Bahnquantelung erhält man zusätzlich eine Formel für die
Geschwindigkeit der Elektronen auf der n-ten Bahn:
Wie man sieht ist auch die Geschwindigkeit der Elektronen quantisiert. Man spricht deshalb auch von
Geschwindigkeitsquantelung. Die Geschwindigkeit nimmt mit zunehmender Bahnquantenzahl ab,
d.h. je größer der Abstand zwischen Atomkern und Elektron ist, desto geringer ist die Bahngeschwindigkeit.
© M.Brennscheidt
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