Psychopharmakatherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Fallstricke der Off-Label-Behandlung Dr. Christian Kienbacher www.kinderundjugendpsychiatrie.at 1 Kinder und Psychiatrie • Steigende mediale Auseinandersetzung • Mangelfachsituation ohne flächendeckende Versorgung • Innerhalb der KJP Unterversorgung von Erkrankungsgruppen 2 Kinder und Psychopharmaka • Polarisiert • Spannungsfeld Pädagogik und Psychiatrie • Kinder haben nur Stimmen die für sie sprechen 3 Parlamentarische Anfragen w w w . k i n d e r u n d j u g e n d 4 Antipsychotika Antidepressiva Psychostimulantien 0 - 4 Jahre 2633 5 - 9 Jahre 10 - 14 Jahre 2378 8598 15 - 19 Jahre 23070 0 - 4 Jahre 2303 5 - 9 Jahre 674 10 - 14 Jahre 5766 15 - 19 Jahre 36053 0 - 4 Jahre 61 5 - 9 Jahre 14679 10 - 14 Jahre 35692 15 - 19 Jahre 14362 www.kinderundjugendpsychiatrie.at 5 Herausforderungen in der Psychopharmakotherapie im Kindes- und Jugendalter • • • • • • Das Kind und seine Bezugspersonen Entwicklungsaspekt (ZNS, Verhalten, Emotion) Kinder und Jugendliche sind nicht kleine Erwachsene Unterschiedliche Wirkung und Nebenwirkung Compliance Fehlende Zulassung und fehlende Daten (bis auf Stimulanzien und einige Antipsychotika und Antidepressiva) • Individuelle Heilbehandlung (off label) • Multimodale Behandlung (medikamentöse, psychosoziale und psychotherapeutische) www.kinderundjugendpsychiatrie.at 6 Ängste der Patienten und ihrer Angehörigen • • • • Schädigende Nebenwirkung Angst vor Übermedikation Angst vor Persönlichkeitsveränderung Angst vor Suchtgenerierung Psychoedukation www.kinderundjugendpsychiatrie.at 7 Multimodale Therapie • Information und Psychoedukation für Patient und Angehörige (erhöht Compliance) • Einzel- und Gruppenpsychotherapie • Medikamentöse Therapie • Modifikation problematischer Interaktionsmuster • Ergotherapie, Physiotherapie • Ernährungsberatung • Tagesstruktur, berufliche Rehabilitation • Stationäre Behandlung www.kinderundjugendpsychiatrie.at 8 Leitlinie „Off-label-use“ Evaluierungskommission der ÖGKJP (Leitung: Ass. Prof. Dr. C. Vesely) Off-label-use bezeichnet die Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer Zulassung. Eine Zulassung erfolgt für bestimmte Indikationen, Darreichungsformen, Dosierungen und Altersgruppen. Es bedeutet daher eine Zulassungsüberschreitung, wenn eine oder mehrere dieser Grenzen überschritten werden. Allerdings deckt der Umfang der Zulassung in der Regel nicht alle Anwendungen ab, die medizinisch sinnvoll sind. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 9 Zulassung eines Arzneimittels Die Zulassung setzt einen Antrag des Herstellers oder Importeurs voraus. Der Antrag kann aus Gründen unterbleiben, die mit Wirkung oder Gefährlichkeit des Arzneimittels nichts zu tun haben: z.B. hohe Entwicklungskosten, begrenzte Gewinnerwartungen in bestimmter Indikation oder Altersgruppe, strenge gesetzliche Hürden für die klinische Prüfung bei besonders schützenswerten Probanden. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 10 Zulassung eines Arzneimittels Arzneimittelrechtlich (§7 Abs. 1 AMG) ist die Abgabe eines Arzneimittels an die Zulassung gebunden, nicht aber die Anwendung. Die Zulassungsvorschriften nach dem AMG richten sich an pharmazeutische Unternehmer, Importeure und Apotheke, nicht aber an Ärzte. Ärzte sind also bei der Anwendung eines Arzneimittels nicht an die Existenz, bzw. an die konkrete Reichweite der Zulassung gebunden. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 11 Zulassungsüberschreitender Einsatz Der zulassungsüberschreitende Einsatz ist kein Indiz für eine Sorgfaltswidrigkeit (keine Schutzgesetzverletzung iSd § 1311 ABGB), es kann im Gegenteil eine zulassungsüberschreitende Anwendung nach § 49 Abs 1 ÄrzteG auch geboten sein, wenn sie medizinisch indiziert und therapeutisch notwendig ist. Es wäre ethisch und rechtlich nicht haltbar, wenn ein Patient nicht behandelt würde, weil für eine Indikation keine zugelassenen Medikamente zur Verfügung stehen. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 12 Zulassungsüberschreitender Einsatz Erst wenn unter ausreichend langer Behandlung mit allen zugelassenen Arzneimitteln einer Indikation kein Behandlungserfolg eintritt, sollte ein nicht zugelassenes Medikament angewendet werden. Eine Ausnahme von dieser Richtlinie stellen Indikationen dar, wo nur Medikamente mit bekannt unzumutbarem Nebenwirkungsprofil, hohem Risiko oder bekannten unzumutbaren Spätfolgen zugelassen sind – hier sollten nach Maßgabe von Leitlinien, wissenschaftlichen Studien und klinischen Erfahrungen nicht zugelassene Medikamente zur Anwendung kommen. 13 Off-label Behandlung bei Minderjährigen Stehen für eine Indikation keine für Minderjährige zugelassenen Medikamente zur Verfügung, steht der Arzt vor der Wahl, eine für Erwachsene zugelassene Therapie off-label durchzuführen, oder mangels zugelassener Alternative keine Therapie durchzuführen. Eine „Nichtbehandlung“ ist aus ethischen Gründen nicht haltbar und muss mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Haftungsprozess als Verletzung der Sorgfaltspflicht bewertet werden. Dasselbe Prinzip gilt, wenn für Minderjährige zugelassene, alte Medikamente auf Grund des Nebenwirkungsspektrums nach dem derzeitigen Forschungsstand nicht zumutbar sind. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 14 Off-label Behandlung bei Minderjährigen Kann der Arzt sein Handeln und seine Dosierung aus den Empfehlungen von Experten, auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes, allgemein anerkanntem Wissensstand und klinischen Erfahrungen legitimieren, und sind die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen hinreichend bekannt, kann ihm aus medizinrechtlicher Sicht im Falle eines Schadens eines Minderjährigen durch den off-label-use keine Sorgfaltsverletzung vorgeworfen werden. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 15 Aufklärung und Zustimmung Jede medizinische Behandlung bedarf der Zustimmung des informierten, einsichts- und urteilsfähigen Minderjährigen (§ 46 c ABGB) •mündigen Minderjährigen (ab 14) •unmündige Minderjähriger (vor 14) Es gilt der Grundsatz, dass der Wunsch des Kindes so früh wie möglich zu berücksichtigen ist! Mangelt es an der nötigen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so ist die Zustimmung der Person erforderlich, die mit Pflege und Erziehung betraut ist (§ 146 c, Abs.1 ABGB) www.kinderundjugendpsychiatrie.at 16 Aufklärung und Zustimmung • „leichte“ Beeinträchtigung (unter 24 d medikamentöse Therapie) ist die Zustimmung des mündigen Minderjährigen ausreichend • „schwere“ Beeinträchtigung (über 24d medikamentöse Therapie) Zustimmung mündiger Minderjähriger und Erziehungsberechtigter Da in vielen Fällen Psychopharmaka länger als 24 Tage eingenommen werden, ist es zu empfehlen die Zustimmung der Obsorgeberechtigten immer einzuholen. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 17 Aufklärungspflicht off-label use erhöhte Aufklärungspflicht des Arztes •Information über den Einsatz außerhalb der Zulassung •Information über zugelassene Alternativen und deren Vorund Nachteile – insbesondere Risiken •Patientengerechte Information über Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Risiken des Medikamentes im offlabel-use (bisherige Erfahrungen, Datenlage, Leitlinien). •Information über eingeschränkte Haftung des Herstellers www.kinderundjugendpsychiatrie.at 18 Aufklärungspflicht off-label use Die Zustimmung von Patient und /oder Erziehungsberechtigten sollte schriftlich (Aufklärungsformular) nach einem beratenden Gespräch erfolgen, in dem der Patient und/oder Erziehungsberechtigter auch Gelegenheit hat, Fragen zu stellen – auch diese sollten dokumentiert werden. Nach der derzeitigen Judikatur ist es nicht ausreichend, dem Patienten und/oder Erziehungsberechtigten den Beipacktext zur Verfügung zu stellen, oder vorzulesen! www.kinderundjugendpsychiatrie.at 19 Aufklärungspflicht off-label use • Die Aufklärung ist kein einmaliges Ereignis vor Behandlungsbeginn, sondern ein Prozess im Rahmen der gesamten Behandlung. • Im Rahmen einer laufenden Behandlung muss auch beachtet werden, dass im Falle einer notwendigen Dosiserhöhung eines Medikamentes über den empfohlenen Bereich auch die Voraussetzung eines offlabel-use gegeben ist und eine Zustimmung dafür eingeholt werden muss. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 20 Aufklärungspflicht off-label use Wird ein Patient mit einer Medikation im off-label-Bereich aus einem stationären Aufenthalt entlassen und von einem niedergelassenen Arzt weiter behandelt, muss die Zustimmung erneut eingeholt werden. Dies ist auch sinnvoll, da ja mit dem Patienten ein neuer „Behandlungsvertrag“ abgeschlossen werden muss. www.kinderundjugendpsychiatrie.at 21 Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter • Neuroleptika • Antidepressiva • Stimulantien • Tranquilizer • Hypnotika • Antimanika www.kinderundjugendpsychiatrie.at 22 Neuroleptika bei Jugendlichen 23 Neuroleptika • atypische Neuroleptika - Antipsychotika – – – – Plus-Symptomatik und Minus-Symptomatik geringere extrapyramidale Nebenwirkungen modern, hoher Preis Meist keine Zulassung für Minderjährige • typische Neuroleptika – – – – Plus-Symptomatik deutliche extrapyramidale Nebenwirkungen alt, niedriger Preis Zulassung für Minderjährige www.kinderundjugendpsychiatrie.at 24 Atypische Neuroleptika • • • • • • • Amisulprid Aripiprazol Clozapin Olanzapin Quetiapin Risperidon Ziprasidon Solian® Abilify ® Leponex® Zyprexa® Seroquel® Risperdal® Zeldox® o (oral) o,p o, p (parenteral) o, p o o, p, Depot o, p www.kinderundjugendpsychiatrie.at 25 Hochpotente typische Neuroleptika • Haloperidol Haldol® • Zuclopenthixol Cisordinol® www.kinderundjugendpsychiatrie.at o, p, Depot o, p, Depot 26 Niederpotente typische Neuroleptika • Chlorprothixen (Truxal®) o, p • Levomepromazin (Nozinan®) o, p • Prothipendyl (Dominal®) o, p www.kinderundjugendpsychiatrie.at 27 Neuroleptika Indikationen / Anwendung • • • • • • Schizophrene Störungen schizoaffektive Störungen manische und andere Erregungszustände bipolare Störungen Verhaltensstörungen bei Demenzen Impulsivität bei Entwicklungsstörungen • • • • • Essstörungen Zwangserkrankungen, Ticstörungen Störungen des Sozialverhaltens ADHS Persönlichkeitsstörungen 28 Neuroleptika Nebenwirkungen • • • • • • • • • • • Blutdrucksenkung, Tachykardie, orthostatische Dysregulation Herzrhythmusstörungen, Reizleitungstörung QTc-Verlängerung Obstipation Heißhunger, Gewichtszunahme, Glukosestoffwechsel Exantheme, allergische Reaktionen, Photosensibilität w Fieber w w Ikterus, Transaminasenanstieg . k Hormonelle Störungen, Prolaktinämie, Amenorrhoe, Galaktorrhoe i Sexuelle Funktionsstörungen, Libidoverlust nd e Agranulozytose r u n EPS: Dyskinesie, Parkinson-Syndrom: Rigor, Tremor; Hypersalivation, Salbengesicht, Akathisie, Bewegungsarmut dj u g • malignes neuroleptisches Syndrom: Rigor, Stupor, hohes Fieber, e 29 n vegetative Störungen ANTIDEPRESSIVA 30 Antidepressiva Wirkung • • • • • Stimmungsaufhellend Antriebssteigernd bzw. hemmend Angstreduzierend Schmerzreduzierend Einschlaffördernd www.kinderundjugendpsychiatrie.at 31 Antidepressiva Indikationen • Depressive Syndrome – (rezidivierende) depressive Episode – Dysthymie – bipolare affektive Störung, depressiv – depressive Anpassungsstörung – schizodepressive Störung – organisch depressive Störung • • • • Bulimie Angststörungen (Panikattacken) Zwangsstörungen Anpassungsstörungen 32 Depressives Syndrom I • Affekte: depressive Stimmung, Interessenverlust, Freudeverlust, Gefühl der Gefühllosigkeit, Resignation • Denken: Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, Denkhemmung, Gedankenkreisen, Grübeln, Interessenverlust, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Unentschlossenheit, Bei schweren depressiven Störungen zusätzlich psychotische Symptome (depressiver Wahn) www.kinderundjugendpsychiatrie.at 33 Depressives Syndrom II • Antrieb: Antriebsminderung, gesteigerte Ermüdbarkeit, psychomotorische Hemmung, gelegentlich Agitiertheit • Selbstgefühl: vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle, Gefühl von Wertlosigkeit, Suizidgedanken • Vegetative Symptome, Vitalgefühle: Schlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen, Morgentief, Müdigkeit, Energie- und Kraftlosigkeit, Appetitmangel, Gewichtsverlust, Obstipation, Libido- und Potenzstörungen www.kinderundjugendpsychiatrie.at 34 Entwicklungskontext der Depression www.kinderundjugendpsychiatrie.at 35 Im Kleinkindalter (1-3 Jahr) •wirkt traurig, apatisch •erhöhte Irritabilität •Schlafstörungen •selbststimulierendes Verhalten: Jactatio capitis •Spielunlust •mangelnde Phantasie Im Vorschulalter (3-6 Jahre) •stimmungslabil •mangelnde Fähigkeit, sich zu freuen, Anhedonie •introvertiertes Verhalten, aber auch aggressives Verhalten •Essstörungen bis zu Gewichtsverlust/-zunahme •Schlafstörungen, Alpträume, Ein- und Durchschlafstörungen Bei Schulkindern •verbale Berichte über Traurigkeit •suizidale Gedanken •Befürchtungen, dass Eltern nicht genügend Beachtung schenken •Schulleistungsstörungen Im Pubertäts- und Jugendalter •vermindertes Selbstvertrauen und Selbstwert •Angst, somatoforme Beschwerden •Konzentrationsmangel, Leistungsstörungen •zirkadiane Schwankungen des Befindens •Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten www.kinderundjugendpsychiatrie.at 36 Therapie der Depression im Kindesalter nach Steinhausen 2007 Minor-Form Major-Form Setting Eher ambulant Eher stationär Einzeltherapie VT, interpersonelle Therapie, tiefenpsychologisch Therapie, systemische Familientherapie, Psychoedukation (Aktivierung, überschaubare Ziele, Stundenplan, Rückzug vermeiden) Lichttherapie w Initial stützend, keine langen psychotherapeutischen Gespräche, dann wie bei Minor-Form Familie Beratung Aufklärung der Angehörigen, dann wie bei Minor-Form Schule Frühe Wiederaufnahme, flankierende Hilfe Soziale Umwelt Kontaktaktivierung (Sport z.B.) Pharmakotherapie Kaum indiziert w w . k i n d e r u n d j u g e n d Inital reduzieren, dann wie bei Minor-Form Initial stützend, Tagesstruktur, dann wie bei Minor-Form Antidepressiva 37 Medikamentöse Therapie mit SSRIs im Kindes- und Jugendalter • Zu Beginn engmaschige Kontrollen • Min. 6-9 Monate Erhaltungstherapie nach Symptom Rückbildung • Bei fehlender Wirksamkeit Substanzwechsel • Wegen schneller Metabolisierung oft niedriger Spiegel • Oft fehlende Zulassung und wenig klinische Studien • Suizidgedanken erhöht • Initial Steigerung des Antriebs www.kinderundjugendpsychiatrie.at 38 Off- Label- Use von Antidepressiva bei Depression im Kindes- und Jugendalter + Fluoxetin (Fluctine ®) (Andrade et al., 2006; Richmond et al., 2005; Kutcher et al.,2002) + Citalopram (Seropram®) (von Knorring et al., 2006; Shirazi et al., 2005; Wagner et al., 2004) +Mirtazapin, NaSSA (Remeron®) (Haapasalo-Peso et al.,2004) -Duloxetin, SSNRI (Cymbalta®) (Desarkar et al., 2006, case report) -Paroxetin (Seroxat®) (Emslie et al., 2006; Berard et al., 2006) nicht wirksamer als Placebo -Escitalopram (Cipralex®) (Wagner et al., 2006) nicht wirksamer als Placebo -Sertralin (Tresleen®) (Wagner et al., 2003) wirksam (Donelly et al., 2006) Nicht wirksamer als Placebo -Venlafaxin, SSNRI (Efectin®) (Courtney, 2005; review) Inkonsistente Ergebnisse -Clomipramin TZA (Anafranil®) Imipramin TZA (Tofranil®) 3. Wahl, mangelnde Wirksamkeit 39 Zulassung in Österreich Antidepressiva / SSRIs + Fluoxetin (Fluctine ®) ab 8LJ bei Major Depression und wenn bei gleichzeitiger Psychotherapie diese nach 4-6 Sitzungen nicht ausreichend wirkt + Citalopram (Seropram®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 -Paroxetin (Seroxat®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 -Escitalopram (Cipralex®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 -Sertralin (Tresleen®) keine Zulassung unter 18 außer bei Zwangserkrankungen ab 6 zugelassen -Fluvoxamin (Floxyfral®) keine Zulassung unter 18 außer bei Zwangserkrankungen ab 8 zugelassen cave unter 25 www.kinderundjugendpsychiatrie.at 40 Zulassung in Österreich Antidepressiva / Andere NaSSA: (Noradrenerg /spezifisches serotonerges Antidepressivum) +Mirtazapin (Remeron®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 Trizyklika: -Clomipramin (Anafranil®) Zulassung ab 5 (Depressio, Zwang, Phobie, Enuresis nocturna) Johanniskraut (Jarsin®): keine Zulassung unter 18 SSNRI: (Selektive Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer) -Venlafaxin (Efectin®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 Duloxetin (Cymbalta®) Gelbe Box keine Zulassung unter 18 Milnacipran (Ixel®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 Andere: -Trazodon (Trittico ®) keine Zulassung unter 18 cave unter 25 41 Wirkungen der SSRIs im Kindes- und Jugendalter • • • • • • • • • • • • • • • • • Placeboeffekt 30-40% Schneller resorbiert und schneller metabolisiert, höhere Dosen erforderlich Toleranzphänomen nach mehrmonatiger Behandlung Cave bei Substanzwechsel Höhere Plasmaspiegel bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion Initial Antriebssteigerung, Umschlagen in Hypomanie, Reizbarkeit Schlaflosigkeit aber auch Sedierung Schwinde, Übelkeit, Verdauungsstörungen, Gewichtszunahme Appetitverlust, Wachstumshemmung Blutzuckersenkung Halbwertszeit Koffein gesteigert Beschleunigter Abbau durch Nikotin Verminderter Abbau durch Grapefruitsaft, dadurch erhöhte Plasmaspiegel Libido und Potenzverlust Suizidgedanken erhöht (2,6% vs 1% bei Placebo) Ein Todesfall bei 6000 mg Fluoxetin Serotoninsyndrom 42 43 WARNING •Suicidality in Children and Adolescents — Antidepressants increased the risk of suicidal thinking and behavior (suicidality) in short-term studies in children and adolescents with major depressive disorder (MDD) and other psychiatric disorders. •Anyone considering the use of Prozac or any other antidepressant in a child or adolescent must balance this risk with the clinical need. •Patients who are started on therapy should be observed closely for clinical worsening, suicidality, or unusual changes in 44 behavior. Dervic et al., Suicidal ideation among Viennese high school students Gesamt (n=214) Mit Suizidideen (n=81) Ohne Suizidideen (n=133) Männlich Weiblich 29.1% 48.55 70.9% 51.5% HAK HTL 28.6% 29% 71.4% 71% AHS 52.4% 47.6% 45 Wirkungen von Trazodon (Trittico ®) im Kindes- und Jugendalter • • • • • • • • • • • • • Initial: Kinder 25mg, Jugendliche 50mg; Erhaltung: 1-2mg/kg/d Zeitgleiche Nahrungsaufnahme verzögert Resorption Sedierung, Verbesserung von Schlafstörungen Verwirrung, Sehstörungen Cave plötzliche Dosissteigerung oder Absetzen (Grippe ähnliche Symptome) Schwindel, Hypotonie, Atembeschwerden Gewichtszunahme Sexuelle Funktionsstörungen Leberfunktion überprüfen (3-6 mal / Jahr) Verdauungsstörungen, Gewichtszunahme Koffein gesteigert Ängstlichkeit und Aggression Verminderter Abbau durch Grapefruitsaft Fraglich teratogen 46 Wirkungen von Mirtazapin (Mirtel®, Remeron®) im Kindes- und Jugendalter • Initial: Kinder 7,5mg, Jugendliche 15mg; Erhaltung: 15-45mg/d • Auch bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen Besserung der aggressiven Syptome • Sedierung, Reduktion Einschlaflatenz • Schwindel, Hypotonie • Appetitsteigerung, Gewichtszunahme • Frauen und Ältere höhere Plasmaspiegel • Blutbildkontrollen (bzgl. Agranulozytose) und Leberfunktionsparameter überprüfen www.kinderundjugendpsychiatrie.at 47 Wirkungen von Venlafaxin (Venlafab®, Efectin®) im Kindes- und Jugendalter • Inkonsistente Studienergebnisse • Initial: Kinder 12,5-25mg, Jugendliche 18,75-37,5mg; Erhaltung: Kinder max. 75mg/d (aufgeteilt), Jugendliche 225mg/d (aufgeteilt) • Mögliche Wirksamkeit bei autistischen Störungen • Raschere Metabolisierung als Erwachsene • Schlaflosigkeit • Nervosität, Hyperkinesie • Hypertonie • Mundtrockenheit, Schwitzen • Übelkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust , Obstipation • Sexuelle Funktionsstörungen • Koffein: Ängstlichkeit, Erregungszustände • Schrittweise Aufdosieren, langsam Ausschleichen www.kinderundjugendpsychiatrie.at 48 Zusammenfassung • Multimodale und interdisziplinäre Behandlung • Psychoedukation und Eingehen auf Vorurteile • Entwicklungstypische Reaktionen auf Medikation beachten • Langsam beginnen, aufdosieren und enden • Ausreichende Behandlungsdauer und Rückfallprophylaxe • Engmaschige Kontrollen und Exploration möglicher Suizidalität www.kinderundjugendpsychiatrie.at 49 Antidepressiva bei Angsterkrankungen Generalisierte Angststörung: • Paroxetin (Seroxat®) • Venlafaxin (Efectin®) • Fluoxetin (Fluctine ®) Sozialphobie: • Fluoxetin (Fluctine ®) • Paroxetin (Seroxat®) Panikstörung: • Paroxetin (Seroxat®) • Fluoxetin (Fluctine ®) • Citalopram (Seropram®) 50 Antidepressiva bei Zwangsstörungen • Sertralin (Tresleen®) 50-200mg/d • Fluvoxamin (Floxyfral®) 50-150mg/d www.kinderundjugendpsychiatrie.at 51 STIMULANZIEN 52 Psychostimulanzien Beste Studienlage (170 kontrollierte Studien im Kindes- und Jugendalter) • • • • Methylphenidat (Ritalin) (0,5-1mg/kg) Slow release Methylphenidat (Concerta) Atomoxetin (Strattera) (0,5-1,2mg/kg) Omega-3-Fettsäuren www.kinderundjugendpsychiatrie.at 53 Der Weg zur Therapieempfehlung • Die Diagnose wird durch Fachleute nach Auswertung aller erhobenen Befunde gestellt. • Der Aufwand beträgt mehrere Stunden. • Erst in diesem Zusammenhang erfolgt eine Einschätzung der Behandlungsbedürftigkeit und Einleitung erforderlicher Therapien. 54 www.kinderundjugendpsychiatrie.at Elemente und Schritte einer mulimodalen Behandlung • Aufklärung über das Krankheitsbild • Interventionen in der Familie • Interventionen in der Schule • Psychotherapie • Trainings- und Fördermaßnahmen • Medikamentöse Therapie • Vernetzung und Zusammenarbeit • Alternative Behandlungsformen 55 www.kinderundjugendpsychiatrie.at Medikamentöse Therapie bei ADHS • Methylphenidat • Atomoxetin 56 Methylphenidat HO CO2CH3 HO H NH+ Blockiert die Wiederaufnahme von Dopamin und Norepinephrin und erhöhen dadurch Dopamin im synaptischen Spalt 57 www.kinderundjugendpsychiatrie.at NNT=2,9-4,8 Methylphenidat Unter 0,3 mg / kg gleich wie Placebo 5 mg Ritalin ® langsam wirkungsabhängig bis max. 1mg/kg steigern über 1mg/kg kein wesentliche Verbesserung üblicherweise 3 x tgl. Ritalin® Concerta® 1x tgl. vor 8h Empfohlene Dosierung 0,5-0,8mg/kg KG Wirkungseintritt: 20 min. Dauer: 2-4 Std. Absetzversuch einmal pro Jahr in der Schulzeit empfohlen sonst eher keine Therapiepausen ev. Dosisanpassung (Wachstum) 58 regelmäßige Kontrollen Nebenwirkungen der Psychostimulantien • • • • • • • Appetitmangel, Gewichtsabnahme Einschlafstörungen Dysphorie, Weinerlichkeit Kopfschmerzen, Schwindel ev. Reboundhyperaktivität Auslösung/ Verschlechterung von Tics vorübergehende Wachstumsverlangsamung bei normaler Endgröße • dosisabhängige Puls- und Blutdruckerhöhung • Bauchschmerzen, Übelkeit 59 ADHS: Absatz Methyphenidat im Ländervergleich Methylphenidat Absatz 2191 Zähleinheiten (000) 100.000 Zähleinheiten pro 1000 Einwohner 2500 2000 80.000 1500 60.000 1279 1000 40.000 709 279 20.000 324 0 500 Zähleinheit (1 Packung MPH) pro 1000 Einwohner Zähleinheiten (000) 120.000 0 Deutschland Großbritannien Schweiz Frankreich Österreich 60 Prävalenz von ADHS versus Behandlungsprävalenz ADHS (Prävalenz 4% versus berechneter Behandlungsprävalenz laut ims Absatz) 5% Prävalenz Behandlungsprävalenz MPH 5% 4% 4% 3% 3% 2% 2% 1% 1% 0% Deutschland Großbritannien Schweiz Frankreich Österreich 61 Atomoxetin (Strattera®) H3C H3C O HO O HN CH 3 HN CH 3 4-hydroxyatomoxetine entdeckt 2003 Noradrenalinwiederaufnahmehemmer NNT=4,2 62 www.kinderundjugendpsychiatrie.at Atomoxetin (Strattera®) • Keine stimulierende Wirkung auf die Psyche • Kein Suchtmittel • Startdosis ca. 0,5mg/kg/Tag in 1.Woche oder je eine Woche 10, 18, 25mg bis • Erhaltungsdosis 1,2mg/kg/Tag (maximal 1,8mg/kg/Tag) • Wirkungseintritt 3 bis 4 Wochen 63 www.kinderundjugendpsychiatrie.at Indikationen für Atomoxetin nach G. Wiesegger et al 2007 – Bei non-response auf Stimulanzien – First-line: bei komorbider Angststörung – optional: • First-line bei komorbider Tic-Störung • Bei erheblicher Nebenwirkung von Stimulanzien • Bei Vorbehalten gegen Stimulanzien • Bei Substanzmißbrauch 64 www.kinderundjugendpsychiatrie.at Therapie von ADHS und komorbider Störung des Sozialverhaltens Wirkstoff Risperidon Kinder Jugendliche ® 0,25 - 1 0,5 – 2 2-4 ® 12,5 - 50 100 - 200 300 - 400 300 1000 1500 Risperdal Quetiapin Seroquel Tagesdosis Startdosis in mg Valproinsäure ® Depakine ® Convulex Medikamentöse Therapie bei Störungen des Sozialverhaltens www.kinderundjugendpsychiatrie.at 66 Multimodale Therapie • Auf den Ebenen Patient, Familie und soziale Umgebung • Eine auf den Jugendlichen zentrierte Behandlung ist nicht ausreichend • Aufgrund der Stabilität der Symptome, sind frühe und effektive Interventionen gefordert (60% der kindlichen oppositionellen Störungen gehen in eine Störung des Sozialverhaltens über – Turgay 2009) • Kein Wirknachweis für spezielle Einzelmaßnahmen www.kinderundjugendpsychiatrie.at 67 Behandlungsziele • • • • Kontrolle der Impulsivität und Aggression Erlernen und Anwenden von Entspannungstechniken Differenzierte Selbst- und Fremdwahrnehmung Prosoziale Verhaltensweisen (Kommunikationstraining) fördern • Erleben von positiven Beziehungserfahrungen www.kinderundjugendpsychiatrie.at 68 Medikamentöse Therapie der Störungen des Sozialverhaltens • • • • • • • Neuroleptika Methylphenidat Atomoxetin Lithium Valproinsäure Carbamazepin SSRIs www.kinderundjugendpsychiatrie.at 69 Medikamentöse Therapie Risperidon (Risperdal) • Atypisches Neuroleptikum mit den meisten kontrollierten Studien bei Störungen des Sozialverhaltens (Pappadopulos, 2006) • Gute Effektstärke (Caldwell, 2008) • Empfohlene Tagesdosis: 0,028 - 0,044 mg/kg (Pandina, 2006) 0,02-0,06 mg/kg (Finding, 2008) • Beeinflusst Kognitive Funktion nicht (Pandina, 2007) • Sehr gute Effektstärke bei komorbider Intelligenzminderung (Pappadopulos, 2006) • Sicher im mehrjährigen Gebrauch (Reyes, 2006) • Gewichtszunahme • Ausgeglichenes NW Profil Medikamentöse Therapie Olanzapin (Zyprexa) • Geringe Datenlage bei Störungen des Sozialverhaltens und Aggression machen weitere Studien notwendig (Findling, 2008) • Bei Intelligenzminderung Besserung der Irritabilität und Hyperaktivität (Findling, 2008) • Wirksamer als eine vorangegangene Therapie mit Phasenprophylaktika (Masi, 2006) • Verbesserung der Impulsivität und Aggression bei 60,9% (Masi, 2006) • Gewichtszunahme 4,6kg durchschnittlich bei 8mg pro Tag (Masi, 2006) • Sedierung als häufige NW www.kinderundjugendpsychiatrie.at 71 Medikamentöse Therapie Quetiapin (Seroquel) • Placebo-kontrollierte Pilotstudie zeigte positive Ergebnisse bei Störungen des Sozialverhaltens (Connor, 2007) • Dosis 200-600 mg / Tag bei Jugendlichen (Connor, 2007) • Dosis 75-350 mg / Tag bei Kindern (Findling, 2007) • Gewichtszunahme 2,3 kg • Kein EPS www.kinderundjugendpsychiatrie.at 72 Medikamentöse Therapie Aripiprazol (Abilify) • Wegen Übelkeit und Müdigkeit wurde die Dosis reduziert auf < 25 kg 1mg/d 25-50 kg 2mg/d 50-70 kg 5mg/d >70 kg 10mg/d (Findling, 2009) • EPS • Verbesserung der aggressiven Symptomatik 73 Medikamentöse Therapie Haloperidol (Haldol) • Zeigte in Studien hohe Effektstärken bei stationären Patienten (Pappadopulos, 2006) • Beträchtliches NW Profil www.kinderundjugendpsychiatrie.at 74 Medikamentöse Therapie Methylphenidat (Ritalin, Concerta, Medikinet) • Beeinflusst Aggression nur im Rahmen einer komorbiden ADHS (Conner, 2002) • Stimulantien zeigen bei kindlicher Aggression mittlere bis große Effektstärken (Pappadopulos, 2006) www.kinderundjugendpsychiatrie.at 75 Medikamentöse Therapie Atomoxetin (Strattera) • Geringe Effektgröße bei kindlicher Aggression (Pappadopulos, 2006) • Geringe Datenlage, aber wahrscheinlich keine Behandlungsoption bei Störungen des Sozialverhaltens www.kinderundjugendpsychiatrie.at 76 Medikamentöse Therapie Lithium (Quilonorm) • Beeinflusst Aggressionsverminderung positiv (Rifkin, 1997) • Doppelblind Studie zeigte positive Verhaltensänderungen (Malone, 2000) • Cave: hohe Compliance muss vorliegen • Geringe Datenlage www.kinderundjugendpsychiatrie.at 77 Medikamentöse Therapie Valproinsäure (Convulex, Depakine) • Besser als Placebo bei Jugendlichen (Huband, 2010) • Schlechter als Placebo bei Kindern und Jugendlichen mit komorbider Entwicklungstörung (Huband, 2010) • Unzureichende Datenlage, weitere Studien notwendig www.kinderundjugendpsychiatrie.at 78 Medikamentöse Therapie Carbamazepin (Neurotop, Tegretol) • Kein Unterschied zu Placebo bei Kindern mit Störungen des Sozialverhaltens (Cueva, 1996; Huband, 2010) • Keine Reduktion von Aggression und Impulsivität • Unzureichende Datenlage, weitere Studien notwendig www.kinderundjugendpsychiatrie.at 79 Medikamentöse Therapie SSRIs • Wenige Studien zu Aggression und Störung des Sozialverhaltens • Vorliegende Effektstärken zeigen niedrige Werte www.kinderundjugendpsychiatrie.at 80 DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT [email protected] www.kinderundjugendpsychiatrie.at 81