Leben mit Krebs

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Eine Publikation des Reflex Verlages zum Thema
Leben mit Krebs
Neue Perspektiven durch Genomforschung
Seite
4
Alternative Therapieansätze
Seite
7
Zielgerichtet: Personalisierte Krebsmedizin
Seite
8
Schmerztherapien verbessern Lebensqualität
Seite
15
März 2013
Eine Publikation des Reflex Verlages
Leben mit Krebs
Eine Publikation der Reflex Verlag GmbH
am 6. März 2013 im Handelsblatt.
Der Reflex Verlag und die Verlagsgruppe
Handelsblatt sind rechtlich getrennte und
redaktionell unabhängige Unternehmen.
I N H A LT
Komplexität als Herausforderung
3
Hoffnungsträger Forschung
4
Der Blick auf das große Ganze
4
So kommt mehr Klarheit ins Dunkel
6
Schulmedizin reicht allein oft nicht aus
7
Zielgerichtet den Krebs in Schach halten
8
Verdrängungsschmerz
9
Geballte Ladung gegen den Tumor
10
Hoffnung auf Heilung beim Krebs im Kopf
11
Keine reine Frauensache
12
Rauchen verursacht nicht nur Lungenkrebs
13
Nicht immer tödlich
14
Lebensqualität mit der richtigen Begleitung
15
I M P R E S S U M
Projektmanager
Linda Guddat, [email protected]
Redaktion
Mike Paßmann, Julia Borchert, Nadine Effert,
Tobias Lemser, Otmar Rheinhold,
Astrid Schwamberger, Lena Winther
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Ann-Kathrin Gallheber,
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Druck
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Gebändigter Begleiter
W
er in alten Büchern blättert, die sich in der Mitte
des vergangenen Jahrhunderts mit der Zukunft
der Menschheit beschäftigten, wird immer wieder auf
eine Vorhersage treffen: Spätestens zu Beginn des 21.
Jahrhunderts werde der Krebs endgültig besiegt sein.
Wir alle wissen: Soweit ist es noch nicht. Dennoch
hat der Krebs viel von seinem Schrecken verloren.
Das liegt auch daran, dass die Medizin inzwischen viel besser versteht, was Krebs eigentlich ist. Und weiß: Den Krebs
gibt es nicht. Durchbrüche in der Genetik und der Molekularbiologie haben uns gelehrt, dass Tumoren eine enorme genetische und molekulare Vielfalt aufweisen. Die Genomanalyse
eines Tumors ist mittlerweile oft der erste Schritt einer
Therapie. So wird ermittelt, welche Maßnahmen bei diesem
speziellen Karzinom überhaupt greifen. Mit der Folge, dass
vielen Patienten unwirksame Therapien erspart bleiben,
wirksame Methoden rechtzeitig zur Anwendung kommen –
und die Überlebenschancen der Betroffenen rapide steigen.
Zielgerichtete Therapien, personalisierte Medizin lauten
die Schlagworte dieses Vorgehens, das eine Krebserkrankung als individuelles Phänomen begreift. Doch auch die
klassischen Methoden der Therapie unterliegen stetigem
Fortschritt. Chemotherapien können heute differenzierter
und oft mit weniger Nebenwirkungen eingesetzt werden. Der Nuklearmedizin stehen immer präzisere und
gesundes Gewebe schonende Instrumente zur Verfügung.
Auch die Diagnostik macht weiter Fortschritte. Neben
den erwähnten Möglichkeiten der genetischen Analyse
spielen bildgebende Verfahren weiterhin eine wichtige
Rolle. Sie spüren zum Beispiel heute Krebszellen anhand
von Stoffwechselvorgängen auf molekularer Ebene auf.
Noch ein weiterer Unterschied besteht zwischen unserer
Zeit und den Zukunftsträumen vergangener Zeiten. Damals
konzentrierte sich die Onkologie vor allem auf die Entfernung
des Krebses. Seltener wurde darüber nachgedacht, wie er zu
verhindern sei. Was auch daran lag, dass man Krebs als von
außen kommendes Schicksal begriff. Heute ist klar: Auf sehr
viele Risikofaktoren haben wir Einfluss. Niemand ist moralisch „schuld“ an seiner Krebserkrankung. Aber wer nicht
raucht, Alkohol meidet oder nur in Maßen zu sich nimmt, auf
seine Ernährung achtet und sich ab und zu bewegt – kurz,
wer einem „gesundheitsfördernden Lebensstil“ folgt, der
verringert erheblich die Gefahr, an Krebs zu erkranken.
Der Schwerpunkt nicht nur der Medizin, sondern auch
ihrer Aufklärungskampagnen liegt deshalb inzwischen auf
Prävention, also auf der Verhinderung der Erkrankung – und
auf der Früherkennung. Viele Krebsarten müssten nicht
tödlich verlaufen, würden sie nur rechtzeitig festgestellt.
Bekanntes Beispiel ist der Darmkrebs, der in seinem
Frühstadium mit grandiosen Aussichten behandelt werden
kann. Auch gibt es mittlerweile statistisches Material, das
eine positive Wirkung von Brustscreenings nahelegt.
Krebs ist nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für sein
Umfeld und die Gesellschaft als Ganzes eine Belastung.
Umso beruhigender ist es da, einen Wandel im Umgang
mit der Krankheit zu beobachten. Galt Krebs früher als
die böse Geißel der Menschheit, wird heute zunehmend
klar, dass bösartige Tumoren vielleicht einfach Teil des
menschlichen Lebens sind. Das soll das persönliche
Leid nicht verharmlosen. Aber wer Krebs so betrachtet,
muss auch die Betroffenen nicht mehr aus dem Leben
ausschließen und sie als bereits aus der Gemeinschaft
Ausgeschiedene brandmarken, wie es früher durchaus
geschah. Heute geht es der Onkologie oft darum, ein
gutes Leben mit dem Krebs zu ermöglichen, auch wenn
eine endgültige Heilung nicht mehr möglich sein sollte.
Und eben vor diesem Hintergrund verliert der Krebs tatsächlich viel von seinem Schrecken. Selbst wenn die alten Bücher vielleicht nie Recht behalten werden und der Krebs nie
ganz „besiegt“ werden wird: Die Behandlungsmöglichkeiten
werden nach wie vor mit jedem Jahr besser. Krebs, das
sollten alle wissen, ist schon längst kein Todesurteil mehr.
Mike Paßmann
Chefredakteur
PARTNER
Das Papier der Publikation, die im aufgeführten Trägermedium erschienen ist, stammt aus verantwortungsvollen Quellen.
Eine Publikation des Reflex Verlages
LEBEN MIT KREBS
3
LEITARTIKEL
Komplexität als Herausforderung
Krebs ist auf dem Vormarsch. Doch die Wissenschaft hält mit. Immer wichtiger ist die personalisierte Therapie.
VON OTMAR RHEINHOLD
J
edes Jahr sterben allein in Deutschland 215.000 Menschen an Krebs.
Tendenz steigend. Damit ist Krebs die
zweithäufigste Todesart in unserem
Land. Und nicht nur hierzulande
bestimmt Krebs – nur überholt von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen – die
Statistiken. Experten sprechen von
einer weltweiten Krebsepidemie und
gehen davon aus, dass spätestens ab
2030 weltweit jedes Jahr bei rund 26
Millionen Menschen Krebs diagnostiziert wird, 17 Millionen Menschen
an einem bösartigen Tumor sterben.
Vieles legt nahe, dass unser moderner Lebensstil daran schuld ist. Lungenkrebs etwa ist weltweit auf dem
Vormarsch, denn es gibt – im globalen Maßstab – immer mehr Raucher.
Andere Krebsarten treten deutlich
häufiger in industrialisierten Ländern
auf – etwa Blasenkrebs. Auch er wird
zu gut 50 Prozent vom Tabakrauchen
verursacht.
Komplexes Tumorgeschehen
Vor welchen Herausforderungen steht
also die Onkologie, die Lehre von der
Diagnose und der Therapie von Krebs
heute? Neben der steigenden Zahl der
Neuerkrankungen, die ein schlichtes
Mengenproblem in medizinischer,
wirtschaftlicher und menschlicher
Hinsicht darstellen, zählt auch das
fortschreitende Verständnis für Ursachen und Wirkprinzipien zu den großen Herausforderungen, auch wenn
das zunächst widersprüchlich klingt.
Doch die wachsende Einsicht in die
GASTBEITRAG
Komplexität des Tumorgeschehens
führt zu ebenso komplexen Lösungen in der Diagnose und Behandlung.
Lange Zeit galt in der Krebstherapie
der Dreiklang von Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. Diese
Kombination ist nach wie vor in vielen
Fällen erfolgsversprechend. Doch auch
hier tut sich Neues. Beispiel Bestrahlung: Allein aus psychologischen Gründen fürchten sich viele Menschen vor
dieser Therapieform. Doch von Jahr
zu Jahr wachsen die Möglichkeiten,
Strahlen genauer und gewebeschonender einzusetzen. Wo früher ganze
Körperregionen großflächig bestrahlt
wurden, können heute selbst kleine
Tumoren zielgenau, mit großer Intensität und geringen Kollateralschäden
getroffen werden.
Doch das große neue Paradigma auch
in der Krebstherapie ist die personalisierte Medizin, in der Praxis oft im
Zusammenhang mit zielgerichteten
Therapien genannt. Dahinter steckt der
Wunsch, Tumorzellen ganz spezifisch
anzugreifen – auf Basis individueller
Merkmale des Tumors und des Betroffenen – statt im Rundumschlag
der Chemotherapie zwar viele Krebszellen, aber auch viele gesunde Zellen
zu zerstören.
Den Krebs gibt es nicht
Das ist nur möglich durch Fortschritte
in der Genetik und der Molekularbiologie. Sie ermöglichen einerseits eine
bessere Diagnostik. Andererseits eröffnen sie neue Wege der Therapie.
Heute wissen wir zum Beispiel, dass
bösartige Tumoren eine riesige Viel-
Heute wissen wir, dass bösartige Tumoren eine riesige Vielfalt aufweisen. Den einen Krebs gibt es nicht.
falt aufweisen. Den einen Magenkrebs
etwa gibt es nicht. Sie sind verschieden.
Und das bedeutet: Was gegen den einen
funktioniert, muss gegen den anderen
nicht klappen.
Deshalb kann heute bei manchen
Krebsarten – Magenkrebs etwa, oder
Brustkrebs – vor einer Therapie getestet werden, ob der Tumor überhaupt
auf eine bestimmte Therapie anspricht.
Zielgerichtete, personalisierte Krebsmedikamente basieren zum Beispiel
unter anderem darauf, Krebszellen
für bestimmte im Körper vorhandene
Wachstumshormone blind zu machen.
Antikörper besetzen dann bestimmte
Rezeptoren auf der Oberfläche der
Krebszelle, deren Wachstum dadurch
gestoppt wird. Ob aber die Rezeptoren
der Krebszelle und des Medikaments
überhaupt zusammenpassen, muss zuvor durch eine Analyse geklärt werden.
Zugleich mit der Entwicklung spezialisierter Therapien geht der Trend
aber auch in die andere Richtung.
Wo die personalisierte und zielgerichtete Therapie ihr Augenmerk auf
Detailvorgänge in der einzelnen Zelle
richtet, betrachten systembiologische
und ganzheitliche Ansätze den ganzen
Menschen. Getrieben von der Einsicht,
dass eine Krebserkrankung kein isoliertes Phänomen ist, sondern Folge
einer Störung des gesamten, hochkomplexen Systems unseres Körpers. Vielleicht hilft dieser Ansatz, die drohende
„Krebsepidemie“ in die Schranken zu
verweisen.
n
Therapieentscheidung
Welche Therapie ist die richtige? Entscheidend sind die Tumorgene
Neue Wege in der Molekularpathologie.
M
it der Entschlüsselung des
menschlichen Genoms wurden
auch die Weichen für eine präzisere
und gezieltere Krebsdiagnostik und
-therapie gestellt. Heute geht die
Arbeit von Pathologen in der Tumor­
diagnostik weit über das hinaus, was
vor wenigen Jahren möglich war: So
liefert der Pathologe heute durch die
Kombination von klassisch pathologischer Diagnostik und molekularpathologischen Verfahren die Basis vieler
gezielt auf den Patienten abgestimmter
Therapien. Schon lange ist bekannt,
dass Tumorerkrankungen sehr unterschiedlich verlaufen können, auch
wenn die Tumoren anscheinend sehr
ähnlich sind. Die Vermutung lag nahe,
dass man hier auch unterschiedlich
hätte therapieren sollen. Aber erst
seit wenigen Jahren ist dies möglich.
Die Molekularpathologie kann die
entscheidenden Unterschiede für die
Therapie vor der Therapie klar darstellen. Analysiert werden Genveränderungen, die für die Wirksamkeit
von zielgerichteten Medikamenten von
entscheidender Bedeutung sind, zurzeit insbesondere beim Darmkrebs,
Lungenkrebs oder Hautkrebs. Auch
für Brustkrebspatientinnen wurden
genomische Mutationen identifiziert,
die die individuelle Prognose präzise
beschreiben können. Mithilfe eines
Tests, zum Beispiel des EndoPredicts,
lässt sich bestimmen, ob eine Patientin tatsächlich eine Chemotherapie
benötigt. Die Einführung des Tests in
deutschen pathologischen Instituten
stellt einen wichtigen Schritt zur personalisierten Brustkrebs­Therapie dar.
Die Analysen geben eine fundierte Entscheidungshilfe bei der Frage, ob eine
Chemotherapie nötig ist oder nicht.
Häufig kann auf eine Chemotherapie
verzichtet werden. Für viele Patientinnen bedeutet dies einen Gewinn an
Lebensqualität bei ebenso wirksamer
Therapie.
n
Autor: Prof. Dr. med. Werner Schlake,
Präsident Bundesverband Deutscher Pathologen e.V.
4
LEBEN MIT KREBS
Eine Publikation des Reflex Verlages
ARTIKEL Neue Perspektiven in der Krebsforschung
Hoffnungsträger Forschung
Perspektivenwechsel in der onkologischen Forschung ebnen neue Wege, damit Patienten mit der Diagnose Krebs besser leben können.
führt werden. Stichwort: klinische
Forschung.
VON NADINE EFFERT
M
it welchem Verfahren kann Eierstockkrebs frühzeitig erkannt
werden? Welches ist der künftige Beitrag der Medizin für eine möglichst
schonende Behandlung von Brustkrebspatientinnen? Wie können die Nebenwirkungen einer Chemotherapie reduziert werden? Antworten auf derartige
Fragen versucht die Krebsforschung zu
finden. Antworten, auf die Patienten
der heimtückischen Krankheit Krebs
hoffen. Rund um den Globus haben
Forscher in der Vergangenheit viele,
zum Teil bahnbrechende Fortschritte
erzielt – auch in Deutschland. Mit Erkenntnissen in der Molekularbiologie und Genomforschung wächst das
Wissen über die Entstehung von Tumoren. Ohne Forschung kein Wissen,
und ohne Wissen kein Fortschritt im
Kampf gegen den Krebs.
Neues aus der Forschung
So haben beispielsweise Heidelberger
Wissenschaftler herausgefunden, dass
das RNA­Molekül MALAT1 in Krebszellen Gene aktiviert, die Metastasen
Prostatakrebs:
Klinische Großstudie gestartet
Ohne Forschung kein Fortschritt.
eines Lungentumors begünstigen und
dass es durch kleine NukleinsäureSchnipsel blockiert werden kann.
Einen bislang unerkannten Mechanismus der Krebstherapie haben jüngst
Forscher an der Tübinger Uniklinik
entdeckt: Das Immunsystem ist in der
Lage, Krebszellen in einen Dauerschlaf
zu versetzen. Durch eine bestimmte
Kombination zweier Signalstoffe – Interferon und Tumor Nektrose Faktor
– kann Krebs domestiziert werden,
indem die Krebszellen wieder zu
einem normalen Verhalten gebracht
werden. Dies wurde experimen-
tell bei einem Krebs der Inselzellen
aus der Bauchspeicheldrüse gezeigt.
Auch wenn die Krankheit Krebs oft
nicht heilbar ist, so ist es doch der Forschung zu verdanken, dass es durch
neue Diagnosemethoden, innovative
Krebstherapien und eine individualisierte Behandlung für einige Krebsarten bereits gelungen ist, aus einem
Todesurteil eine chronische Krankheit
werden zu lassen.
Grundsätzlich müssen auch künftig
die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung so schnell wie möglich in
einen Nutzen für den Patienten über-
Rund 7.600 Patienten, 1.000 Urologen und Strahlentherapeuten sowie
90 Prüfzentren werden sich an der
„PREFERE­Studie“ beteiligen, für
die im Januar der Startschuss fiel.
Damit zählt das Forschungsprojekt
zur Bekämpfung von Prostatakrebs
in Deutschland zu einem der größten
in der Onkologie. Dazu Professor Dr.
Thomas Wiegel, Direktor der Klinik
für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Ulm:
„Jede der drei Therapieformen Strahlentherapie, Brachytherapie, also die
Behandlung des Tumors mittels vieler
kleiner, dauerhaft in der Prostata platzierter Strahlenquellen, und die aktive
Überwachung wird im Vergleich mit
der Radikaloperation auf ihre Effektivität überprüft.“ Bis zum Jahr 2030
finanzieren die Deutsche Krebshilfe
sowie die gesetzlichen und privaten
Krankenversicherungen das Projekt
mit rund 25 Millionen Euro.
n
ARTIKEL Systembiologische Ansätze
Der Blick auf das große Ganze
Warum die relativ neue Disziplin der Systembiologie der Krebsforschung einen neuen Schub verleihen kann.
VON NADINE EFFERT
W
ie funktionieren molekulare
Netzwerke in gesunden Zellen
und Krebszellen? Wie interagieren
verschiedene Moleküle bei der Entstehung von Krebs? Wie werden Gene
reguliert? Die Antworten auf diese
Fragen sind von äußerst komplexer
Natur. Die klassische biologische Vorgehensweise stößt dabei oftmals an
ihre Grenzen. Nur ein Ansatz, der die
Dynamik eines biologischen Systems
als Ganzes versteht, kann Lösungen
liefern. Diesem Anspruch gerecht wird
die Systembiologie, einer der jüngsten
Disziplinen der Lebenswissenschaften.
Modernste experimentelle Methoden
der Biologie werden hierzu interdisziplinär mit Wissen und Technik aus
Mathematik, Informatik, Physik und
Ingenieurswissenschaften verknüpft.
Kompetenz durch
interdisziplinäre Synergie
Heute weiß man, dass Krebs aus einer
Veränderung des Erbguts (Mutationen)
resultiert. In Verbindung mit neuen
Hochdurchsatz­Technologien zur Ana-
lyse von Struktur und Funktion des
Genoms und Epigenoms haben systembiologische Ansätze das Potenzial
einer spezifischeren Diagnostik, die
eine frühe Erkennung von Krebserkrankungen sowie eine Einschätzung
zu deren Aktivität und Entwicklung
erlaubt. Den immensen Fortschritten in der Genomforschung und der
Molekularbiologie
ist das Wissen zu
verdanken, dass
die grundlegenden
Vorgänge im Leben einer Zelle von
komplexen Netzwerken miteinander
in Wechselwirkung
stehender Proteine
und anderer Moleküle gesteuert werden.
Störungen können zu unkontrollierter Zellvermehrung
und einer Krebserkrankung führen.
Um die Dynamik dieser komplizierten
Prozesse zu verstehen, bedarf es vor
allem Rechenpower, um den großen
Datenmengen Herr zu werden. Dank
Computermodellen können aus dem
Datengewirr relevante Informationen
herausgefiltert und beispielsweise die
Interaktion verschiedener Moleküle
in der Krebsentstehung (Signalwege)
beschrieben werden. Neben der Simulation ist somit gleichzeitig auch
die Vorhersage krankheitsrelevanter
Prozesse möglich. Potenzial, das es
zu nutzen gilt.
Bund fördert Systembiologie
in der Krebsforschung
Am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg etwa
wurden im vergangenen Jahr drei systembiologische Forschungsverbünde
eingerichtet, die bis 2015 mit neun Millionen Euro vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF)
unterstützt werden. So untersuchen
Forscher zum Beispiel die molekularen
Mechanismen, die Krebszellen kindlicher Hirntumoren widerstandsfähig
gegen Chemo­ oder Strahlentherapie
machen. Oder welche Wechselwirkungen zwischen Erbinformation und
dessen „Verpackung“ (Epigenom) für
die Entstehung und Bekämpfung der
chronischen lymphatischen Leukämie
entscheidend sind. Mit Lungenkrebs
beschäftigt sich ein weiteres Forscherteam – genauer gesagt mit dem Einfluss auf das Tumorwachstum durch
ein Medikament, das im Rahmen einer
Chemotherapie zur Ankurbelung roter
Blutkörperchen verabreicht wird. n
WERBEBEITRAG
Klinikpräsentation
Prostatakarzinom: Individualisierte Therapie
Prognostische Medizin kann Operationen vermeiden.
ährlich erkranken in Deutschland
über 60.000 Männer neu an Pros­
tatakrebs. Damit ist das Prostatakar­
zinom die häufigste Krebserkrankung
bei Männern. Dank der vermehrten
Teilnahme an Vorsorgeuntersu­
chungen werden immer mehr Pro­
statakarzinome in frühen, heilbaren
Stadien diagnostiziert. Es ist jedoch
davon auszugehen, dass viele dieser
früh entdeckten Tumoren auch unbe­
handelt niemals Beschwerden verursa­
chen, oder gar zum Tode führen. Daher
gewinnen zurückhaltende Strategien
Test ermittelte CCP­Score erlaubt eine
spezifische Aussage zum Fortschrei­
ten der Erkrankung und zur Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten.
Damit liefert der CCP­Score in jeder
Phase der Erkrankung eine neue Entscheidungsgrundlage für die Wahl des
für jeden Patienten besten therapeutischen Vorgehens.
Die Aggressivität eines Tumors ist as­
soziiert mit spezifischen molekularen
Eigenschaften der Tumorzellen. In ag­
gressiven Tumorzellen sind bestimmte
Moleküle (RNAs) die die Aktivität
Tumorgewebe
Prostata-Biopsie oder operative
Entfernung von Tumorgewebe
Aufarbeitung der
Tumorzellen
Tumor RNA
Vergleichende Analyse
der Genexpression
Molekulare
Signatur
Tumor cDNA
Micro Array
Hohes Risiko
Geringes Risiko
31 Gene, die die
Zellteilung regulieren,
15 Kontrollgene
Der neue prognostische CCP-Score beim Prostatakrebs wurde entwickelt, um Ärzte bei der Vorhersage der
Aggressivität eines Prostata-Tumors zu unterstützen.
wie die „aktive Überwachung“ immer
mehr an Bedeutung. Aber wie kann
entschieden werden, wie aggressiv ein
Tumor wirklich ist? Eine Frage, die
auch nach der operativen Entfernung
der Prostata für die weitere Therapie
entscheidend sein kann.
Neuer Test ermöglicht
genauere Prognosen
Bei vielen Männern wächst ein Pros­
tatakrebs sehr langsam und in diesen
Fällen ist es oft sinnvoll, die Erkran­
kung zunächst aktiv zu überwachen.
Das heißt, den Tumor durch regel­
mäßige Kontrolluntersuchungen zu
beobachten und erst einmal keine
definitive Therapie wie Operation
oder Bestrahlung durchzuführen. In
anderen Fällen wächst der Tumor sehr
schnell und eine aggressive Behand­
lung ist unumgänglich. Um für jeden
Patienten die für ihn am besten geeignete Behandlungsstrategie festzulegen, ist es entscheidend, die zukünftige
Entwicklung des Tumors möglichst
genau einzuschätzen. Wie verschie­
dene wissenschaftliche Studien gezeigt
haben, kann ein neuartiger Test den
Verlauf einer Prostatakrebserkran­
kung sehr genau vorhersagen. Der im
einzelner Gene abbilden in höherer
Konzentration vorhanden, als in we­
niger aggressiven Tumorzellen. Der
prognostische Test misst die Aktivität
der Gene, die das Tumorwachstum
beeinflussen und kann, zusammen
mit weiteren klinischen Parametern,
eine Aussage über die Aggressivität
des Tumors treffen.
Klinische Studien bestätigen den
Nutzen des Tests
Dieser neue Test, der nach einer Bi­
opsie oder nach einer Operation an
Tumorgewebe durchgeführt werden
kann, gibt wichtige Informationen zur
Biologie des Tumors. Diese gehen über
den Informationsgehalt bislang zur
Verfügung stehender klinischer und
pathologischer Variablen hinaus. Diese
einzigartige zusätzliche Information
ermöglicht, mit anderen klinischen
Faktoren kombiniert, eine sehr genaue
Vorhersage der Krebsentwicklung. Der
klinische Nutzen des Tests wurde in
vier verschiedenen Studien an über
1.400 unbehandelten als auch an bereits behandelten Patienten nachgewiesen.
· Zwei Studien (366 Patienten und
413 Patienten), welche die Rückfall­
rate nach operativer Entfernung der
Prostata (radikale Prostatektomie)
voraussagten (Cuzick et al. 2011,
Schlomm et al. 2013).
· Zwei Studien (337 Patienten und 349
Patienten), die das Sterblichkeitsri­
siko nach zehn Jahren aktiver Über­
wachung vorhersagten (Cuzick et al.
2011, Cuzick et al. 2012).
In der jüngsten Studie wurde der
CCP­Score an einem typischen Pati­
entenkollektiv aus Deutschland an­
gewendet. Alle Patienten wurden im
Jahr 2006 in der auf die Behandlung
des Prostatakarzinoms hochspezia­
lisierten Martini-Klinik in Hamburg
operiert (Schlomm et al. 2013). Ziel
der Studie war es, möglichst genau
alle wichtigen Faktoren, die für ein
aggressives Tumorwachstum ver­
antwortlich sind, an winzigen Gewe­
bebiopsien (Prostatastanzbiopsien)
vorherzusagen. Die Ergebnisse der
Studie zeigen, dass die im Test ermit­
telten prognostischen Marker sehr
zuverlässig bereits vor Therapie an
diagnostischen Biopsien Informatio­
nen zur tatsächlichen Ausbreitungstendenz des Tumors geben können.
Der CCP­Score kann dem betroffenen
Patienten wertvolle Zusatzinformati­
onen zur Therapieentscheidung – ob
zum Beispiel eine sofortige Operation
oder Bestrahlung sinnvoll ist – geben.
Die Martini­Klinik am Universitäts­
klinikum Hamburg­Eppendorf ist das
weltweit führende Zentrum für Pros­
tatakrebsoperationen. Die Spezialisten
der Martini-Klinik behandeln über
5.000 Prostatakarzinompatienten pro
Jahr, von denen über 2.000 operiert
werden. Die Entscheidung eine Ope­
ration durchzuführen ist jedoch im­
mer sehr individuell und richtet sich
hauptsächlich nach der Aggressivität
des Tumors und dem allgemeinen Ge­
sundheitszustand des Patienten. Die
Experten der Martini-Klinik empfehlen häufig, den Tumor erst einmal zu
beobachten (beobachtendes Abwarten
= active surveillance). So beteiligt sich
die Martini-Klinik zum Beispiel an
der größten Europäischen active sur­
veillance Studie (PRIAS). Im Alltag
Sterberisiko in 10 Jahren (%)
J
stellt es sich jedoch so dar, dass viele
Patienten unsicher sind und deshalb
das beobachtende Abwarten ablehnen
oder nur sehr kurz durchführen las­
sen. Die Experten erwarten, mithilfe
des neuen prognostischen CCP­Score
mehr Patienten die Sicherheit geben zu
können, ein beobachtendes Abwarten
anzunehmen.
Chancen durch
personalisierte Medizin
Der CCP­Score, der für die Entschei­
dungsfindung zur individualisierten
Behandlung des Prostatakarzinoms
jetzt zur Verfügung steht, bietet viele
Chancen: Patienten, die aufgrund ihres
Risikoprofils für eine aktive Überwa­
chung infrage kommen bietet der Test
wertvolle Zusatzinformationen zur Ge­
fährlichkeit ihrer Krebserkrankung.
Ein Patient mit niedrigem CCP­Score
profitiert von zusätzlicher Sicherheit,
die ihm die oft schwere Entscheidung
zur Durchführung des beobachten­
den Abwartens erleichtert. Bei hohem
CCP­Score können hingegen schnell
entsprechende Therapiemaßnahmen
eingeleitet werden. Auch nach Entfernung der Prostata liefert der CCP­
Score wichtige Informationen, die zum
Beispiel die Entscheidung für oder ge­
gen eine Bestrahlung erleichtern können. Letztendlich kann der Patient
von einer personalisierten Therapie
profitieren, und unnötige Ausgaben
in der Patientenversorgung können
besser vermieden werden. Weitere
Informationen finden Sie unter www.
prolaristest.com.
Das Unternehmen Myriad, das eine
Vielzahl von molekularen Diagnosti­
ken für eine Reihe von Krankheiten
anbietet, führte den Test im März 2012
in den USA ein. Inzwischen ist der Test
über das Myriad Labor bei München
auch in Deutschland verfügbar und
wird in einigen Kompetenz­Zentren
angeboten. Mit einer Mail an info@
myriadgenetics.de können Sie erfahren, welche Kliniken den Test aktuell
anbieten.
n
Autor: Prof. Dr. med Thorsten Schlomm
Leitender Arzt Martini-Klinik am UKE GmbH
20
15
10
CCP Score = 0.76
Sterberisiko 4%
5
0
-2
-1
wenig aggressives
Prostatakarzinom
0
2
1
stark aggressives
Prostatakarzinom
Ergebnis des neuen molekularen Tests: Der CCP-Score (Risiko Score)
3
6
LEBEN MIT KREBS
Eine Publikation des Reflex Verlages
ARTIKEL Krebsregister
So kommt mehr Klarheit ins Dunkel
Krebsregister beinhalten ein umfassendes Spektrum an Krebsdaten. Diese tragen dazu bei, Krebs gezielter zu behandeln.
VON TOBIAS LEMSER
I
n Deutschland leben rund 1,4 Millionen Menschen, die innerhalb
der vergangenen fünf Jahre mit der
Diagnose Krebs konfrontiert wurden.
Tendenz steigend. Prostata­ und Brustkrebs gehören mit mehr als 63.000
beziehungsweise 71.000 Neuerkrankungen pro Jahr hierzulande zu den
häufigsten Krebsarten.
Datenflut für
verbesserte Krebsmedizin
Entscheidend, um diese und ein immenses Spektrum weiterer Daten
und Zahlen bestimmen zu können,
sind Krebsregister. Sie geben nicht
nur Antworten auf Fragen, wie häufig bestimmte Krebsarten auftreten,
sondern auch, welche Therapien
Krebspatienten bekommen und wie
ihre Erkrankung verläuft. Ebenso
sind sie dabei behilflich, die Qualität
verschiedener Behandlungsansätze
zu sichern und zu vergleichen – Informationen von denen neben Patienten, Ärzten und Wissenschaftlern
auch die Gesundheitspolitik profitieren
kann. Nicht zuletzt sind Krebsregister
unverzichtbar, um die Ursache von
Krebs ausfindig zu machen, sowie um
Aussagen zu Überlebensaussichten
etwa als Planungsgrundlage für die
onkologische Versorgung treffen zu
können.
Generell wird in Deutschland zwischen
zwei verschiedenen Krebsregisterarten
unterschieden, dem epidemiologischen
und dem klinischen Register. Während
klinische Krebsregister in erster Linie
dazu dienen, die Qualitätssicherung
in der Versorgung krebskranker Menschen zu gewährleisten, steht bei den
epidemiologischen Krebsregistern die
bevölkerungsbezogene Analyse im Fokus. Sie dokumentieren anonymisierte
Informationen über den Krebspatienten sowie über die Tumorart, deren
Ausbreitung sowie über das Erkrankungsstadium zum Zeitpunkt der
Diagnose.
Auf die Datenqualität kommt es an
Wesentlich, um mit verlässlichen Zahlen umgehen zu können, sind Qualitätskriterien. Diese geben unter anderem vor, die Daten vertrauenswürdig,
vereinheitlicht und nicht redundant
zu erheben. „Deshalb wird die Mel-
Geschätzte jährliche Krebsneuerkrankungen und durch Krebs
verursachte Todesfälle in Deutschland (Stand: Februrar 2012)
50000 0
30000 0
490000
10000 0
0
218000
Neuerkrankungen mit Krebs
Todesfälle durch Krebs
Quelle: Deutsche Krebshilfe e.V., Krebsstatistik für Deutschland 2010
Werbebeitrag
dequalität zumeist doppelt überprüft.
Auf diese Weise wird auch erkennbar,
ob die Daten, die zum Beispiel der Pathologe oder der Kliniker übermittelt, konsistent sind“, so Dr. Johannes
Bruns, Generalsekretär der Deutschen
Krebsgesellschaft.
Wie Krebsregister letztlich verwaltet werden, ist Sache der einzelnen
Bundesländer. Sie selbst bilden die
Organisationsstrukturen, allerdings
unter der Vorgabe, einheitliche Datensätze anzulegen. Bleibt die Frage der
Finanzierung: Hier finden die Bundesländer Unterstützung in der Deutschen
Krebshilfe, die den Löwenanteil der
Investitionskosten klinischer Krebsregister übernimmt.
Fakt ist: Zwar sind die Analysen der
Krebsregister für Patienten nicht unmittelbar von Nutzen, langfristig kann
jedoch jeder davon profitieren. So können nicht nur Entscheidungen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung
getroffen werden. Auch bringen die
Register Risikofaktoren ans Tageslicht
und helfen, Früherkennungsangebote
zu verbessern.
n
Unternehmenspräsentation
Beratung für Krebspatienten
Angebote der Landeskrebsgesellschaften.
K
rebspatienten und ihre Angehörigen haben einen besonderen Beratungs- und Unterstützungsbedarf. Die
Konfrontation mit Krebs verlangt von
den Betroffenen eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und
mit der Bedrohung durch Leiden. In
den letzten 25 Jahren ist die ambulante
Krebsberatung daher zu einem Hauptschwerpunkt der Arbeit der 16 gemeinnützigen Landeskrebsgesellschaften
in Deutschland geworden. Weitere
Schwerpunkte sind Forschungsförderung, Aufklärung, gesundheitspolitische Initiativen und Prävention. Als
Teil der Deutschen Krebsgesellschaft
können die Landesgesellschaften die
Verbindungen zur Wissenschaft und
Klinik für ihre vielfältigen Aufgaben
nutzen.
Die Beratungsstellen
Krebserkrankte sind durch die Krankheit und die Therapien in ihrer körperlichen Gesundheit zumindest vorübergehend stark beeinträchtigt. Daraus
ergeben sich erhebliche psychische und
soziale Probleme. Die Krebsberatungsstellen der Landeskrebsgesellschaften
erfüllen mit ihren interdisziplinären
Teams (Sozialpädagogen, Psychologen
und Ärzten) wichtige Aufgaben in der
Versorgung krebskranker Menschen.
Das Beratungsangebot wird für Ratsuchende kostenfrei zur Verfügung
gestellt.
Informationen zur Krankheit
Die behandelnden Ärzte sind für ihre
Patienten die wichtigsten Ratgeber für
das Verständnis der Erkrankung und
die Entscheidung für eine Therapie.
Nicht immer ist dafür ausreichend
Zeit vorhanden. Viele Patienten informieren sich unabhängig von ihrem
Arzt und nutzen dafür zunehmend
das Internet. Das Fehlen von medizinischen Kenntnissen kann jedoch zu
Missverständnissen führen. In den
Beratungsstellen versuchen Mitarbeiter medizinische Sachverhalte leicht
verständlich zu erklären und solide
Informationen weiterzugeben.
Hilfe für die Psyche
Ängste, depressive Stimmungen und
Gefühle der Hilflosigkeit bestimmen
häufig das Leben von Krebspatienten.
Die Beratungsstellen helfen mit Gesprächen und Begleitung während der
Behandlung und beim Wiedereintritt
in Alltag und Beruf und vermitteln
psychotherapeutische und psychopharmakologische Behandlungen.
Auch Angehörige von Krebspatienten
können in gleichem Maße belastet sein
und erhalten entsprechende Unterstützung. Neben der Einzel- und Familienberatung stehen Gruppenangebote
wie Kunst­ und Musiktherapie sowie
Bewegungs- und Ernährungskurse.
Zuwendungen muss langfristig durch
eine Regelfinanzierung abgelöst
werden. Es gibt Hoffnung, dass die
Umsetzung der Ziele des Nationalen
Krebsplans zukünftig allen Krebspatienten und Angehörigen in Deutschland Zugang zu einer qualifizierten
Beratung eröffnet.
n
Soziale Beratung
Krebspatienten leiden oft unter sozialen Problemen. Die Mitarbeiter
in Krebsberatungsstellen sind damit
vertraut und geben Orientierungshilfe
im Gesundheits­ und Sozialsystem,
unterstützen bei Anträgen und Widersprüchen, bei akuten Notlagen und
bei der Anpassung an veränderte Lebensumstände mit Auswirkungen auf
den Arbeitsplatz, die Familie und die
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Die Landeskrebsgesellschaften bieten
Krebspatienten und Angehörigen in ihren 29 Beratungsstellen und 67 Zweigstellen Informationen zur Krankheit,
psychologische Unterstützung und
Hilfe bei sozialen Problemen. Es gibt
allerdings in Deutschland noch viel zu
wenige Beratungsstellen. Die Finanzierung über Spenden und befristete
Dagmar Kürschner, Geschäftsführerin der
Hamburger Krebsgesellschaft e.V.
Eine Publikation des Reflex Verlages
LEBEN MIT KREBS
7
ARTIKEL Alternative Ansätze in der Onkologie
Schulmedizin reicht allein oft nicht aus
Komplementäre und alternative Krebstherapien sind zunehmend im Kommen und machen Standardtherapien Konkurrenz.
VON TOBIAS LEMSER
D
ie Anzahl der Krebserkrankungen
nimmt weiter zu. Wissenschaftler
gehen für das vergangene Jahr von
rund 486.000 Neuerkrankungen aus.
Verstarben vor dem Jahr 1980 noch
mehr als zwei Drittel aller Krebspatienten an ihrer Erkrankung, kann
heute mittlerweile über die Hälfte auf
dauerhafte Heilung hoffen.
Trotz verbesserter Heilungschancen
wollen sich viele Krebspatienten aber
nicht allein und teilweise gar nicht
mehr auf schulmedizinische Therapien
wie etwa Strahlen­ oder Chemotherapie verlassen. Oft bleibt im Einzelfall
zunächst unsicher, ob überhaupt eine
Heilung erreicht werden kann oder
nicht. Gerade deshalb, aber auch weil
Standardtherapien oftmals mit starken Nebenwirkungen einhergehen,
entscheiden sie sich dafür, nach zusätzlichen begleitenden oder anderen
unkonventionellen Wegen zu suchen.
Komplementärmedizin
vermehrt gefragt
Von immer mehr Medizinern anerkannt sind die Möglichkeiten der
Komplementärmedizin. Diese basiert auf den Grundlagen der wissenschaftlichen Medizin und nutzt
zudem Erkenntnisse aus der Erfahrungsheilkunde. Die am häufigsten
in Deutschland angewandte komple-
mentärmedizinische Maßnahme in
der Onkologie ist die Misteltherapie.
Mehr als zwei Drittel aller Patienten
werden begleitend zu Krebsstandardtherapien in der Nachsorgephase mit
Mistelextrakten der anthroposophischen Therapierichtung oder mit phytotherapeutischen Extrakten behandelt. Anwendung finden zudem die
Enzymtherapie oder die sogenannte
Orthomolekulare Therapie.
Alternative Methoden auf
dem Vormarsch
Einen Schritt weiter als die Komplementärmedizin gehen alternative
Krebstherapien. Diese komplett neuen
Ansätze unterscheiden sich erheblich
von komplementären Verfahren und
werden größtenteils von der Schulmedizin abgelehnt.
Während der konventionelle Markt
seinen Fokus auf sekundäre und tertiäre Prävention setzt, gehen alternative
Methoden immer wieder neue Wege
und versuchen, den Krebs innovativ
zu bekämpfen – was nicht selten zu
erheblichen Spannungen zwischen bei-
den Seiten führt. So scheiterte etwa der
Kanadier Rick Simpson damit, vor den
kanadischen Gesundheitsbehörden
sein Hanföl für die Krebsbekämpfung zuzulassen – obwohl er beweisen
konnte, viele Krebspatienten mit dem
Öl geheilt zu haben.
Besser erging es da Jack Andraka aus
Crownsville in den USA. Der 15­jährige
Schüler revolutionierte die Krebsmedizin mit einem effektiven Verfahren zur
Früherkennung von Bauchspeicheldrüsen­, Lungen­ und Eierstockkrebs.
Er entwickelte einen Teststreifen, der
das Protein Mesothelin erkennt. Es
kommt bei einer entsprechenden Erkrankung im Blut und im Urin vor.
Fakt ist: Krebs ist ein immer akutes
und umstrittenes Thema und die Erkenntnisse der nächsten Jahre werden
dazu beitragen, die Richtung weiter zu
bestimmen. Ziel aller Bestrebungen
sollte sein, sowohl den Ursachen von
Krebs entgegenzuwirken als auch die
Heilungschancen und Lebensqualität
von Krebspatienten zu erhöhen. n
Werbebeitrag
Interview
„Krebs kann ein Weg zur Selbstheilung sein“
Herr Dr. Doepp, Sie sind
Energiemediziner am
TimeWaver-Gesundheitszentrum in Bichwil in der
Schweiz. Zudem sind Sie seit
40 Jahren Nuklearmediziner.
Was empfehlen Sie Krebspatienten, um den für sich
optimalen Behandlungsweg
zu finden?
Wir stimmen zumeist einer Operation
zu. Denn die Tumormasse sollte verringert werden, damit der Körper besser
mit restlichen Tumorzellen umgehen
kann. Zu einer Chemo­ oder Strahlentherapie raten wir nicht. Allerdings
hat der freie Wille oberste Priorität.
Anschließend erfolgt unsere ganzheitliche Therapie.
Welche Bedeutung messen
Sie Integralen und Interaktiven
Krebstherapien bei?
Das ist unser Weg im TimeWaver­Gesundheitszentrum. Integral bedeutet
ein umfassendes Spektrum auf allen Ebenen, wie etwa biochemische
(GcMAF, Amanita phall., Ozon, etc.),
energetische und informatorische
Methoden. Interaktiv heißt, dass der
Patient immer an der Therapie beteiligt
ist, indem der Körper getestet wird,
was ihm wirklich hilft. Es gibt bei
uns kein „Schema F“ und keine Vermutungen wie in der konventionellen
Krebstherapie.
Ist das der entscheidende
Unterschied zu konventionellen
Methoden?
Solche Therapien berücksichtigen nicht
die Selbstheilungskräfte des Körpers.
Bei uns sind diese Kräfte dagegen der
Hauptfaktor. Auch spielt die Psyche
des Patienten eine große Rolle. Es geht
primär darum, den Krebs anzunehmen und die Verantwortung für ihn
zu übernehmen. Wir gehen über die
personalisierte Krebstherapie hinaus,
indem wir eine individualisierte Therapie anbieten. Dabei wird der Körper
des Patienten mithilfe eines Medikamententests befragt. Wir behandeln
nicht lokal oder symptomatisch, sondern auf der Ursachenebene.
Sie plädieren für eine
ganzheitliche Betrachtung
des Körpers.
Wie kann diese aussehen?
Der Körper ist eine Ganzheit. Wenn
man den Krebs nur lokal betrachtet,
lässt man entscheidende Systeme wie
das Immunsystem, das vegetative Nervensystem oder das Lymphsystem
außen vor. Zur Tiefentherapie haben
wir den TimeWaver in seinen beiden
Variationen: das TimeWaver Med­ und
das TimeWaver Frequency­System. Sie
sind die Basis unserer Behandlungen.
Wie funktioniert der
TimeWaver?
Er ist eine Synthese aus Energiemedizin und Informationsfeld­Medizin.
Jeder Krebspatient bekommt jeden
Tag vier Stunden TimeWaver­Diagnostik und ­Therapie. Der TimeWaver
arbeitet mit dem Informationsfeld.
Die zugrundeliegende Theorie besagt,
dass alles, was im Körper passiert,
und alle Krankheiten im Informationsfeld gespeichert sind. Mittels gekoppelter Rauschdioden und einem
Kozyrev­Spiegel kontaktieren wir die
Speicherfelder. Dies ermöglicht es uns,
aus dem Informationsfeld zum einen
die nötigen Informationen abzurufen und zum anderen vice versa über
das Informationsfeld zu behandeln.
Auf diesem Gebiet ist der TimeWaver
einzigartig. Wir haben damit gute Erfolge und halten es für die Heilkunde
der Zukunft.
n
Dr. Manfred Doepp, Energiemediziner
Weitere Informationen
TimeWaver GesundheitsZentrum AG
Dr. med. Manfred Doepp
Dorfstrasse 28
CH-9248 Bichwil
T +41 (0)848 64 64 64
[email protected]
www.timewaver-gesundheitszentrum.ch
8
LEBEN MIT KREBS
Eine Publikation des Reflex Verlages
ARTIKEL Personalisierte Krebsmedizin
Zielgerichtet den Krebs in Schach halten
In der Onkologie setzen sich individuelle Therapien sukzessive durch. Sie sind imstande, punktgenau Tumoren anzugreifen.
aum ein Krebskongress in jüngster
Vergangenheit in Deutschland,
aber auch weltweit, bei dem personalisierte Krebsmedizin nicht das vorherrschende Thema war. Egal, wie
die Therapien benannt werden – ob
individualisiert, maßgeschneidert,
zielgerichtet oder eben personalisiert
– in der Onkologie beschreiben diese
Begriffe alle das gleiche, nämlich eine
Therapie, die direkt auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten zugeschnitten ist.
Chemotherapie auch heute noch als
eine relativ ungezielte Therapie, da sie
nicht nur Krebszellen, sondern auch
gesundes Gewebe schädigen kann.
Nachdem lange unklar war, warum
Krebserkrankungen so unterschiedlich verlaufen können und bestimmte
Therapien nicht bei jedem Patienten
Wirkung zeigen, sind die Gründe dafür
heute zumeist bekannt, sodass maßgeschneiderte Krebstherapien entwickelt
werden können. Dank der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts lassen
sich Veränderungen der Erbinformation identifizieren.
Chemotherapie nicht
mehr alternativlos
Genetische Analysen
weisen den Weg
VON TOBIAS LEMSER
K
Bis vor wenigen Jahren galten Chemo­
und Hormontherapie als nahezu
einzige Therapiemöglichkeiten, um
fortgeschrittene Krebserkrankungen
aufzuhalten. Zwar hatten Onkologen
auch schon in der Vergangenheit jeden einzelnen Krebspatienten im Blick
und unterschieden je nach Geschlecht,
Alter, Tumortyp sowie Zustand des
Erkrankten, dennoch erweist sich die
INTERVIEW
Die zielgerichtete Therapie orientiert
sich vor allem an den spezifischen molekularen, genetischen Eigenschaften eines Tumors. Dabei basiert die
Behandlung nicht nur weiterhin auf
pathohistologischen Untersuchungen,
sondern auch auf zahlreichen Analysen. Beispielhaft hierfür sind das
immunhistochemische Profil sowie
genetische Untersuchungen am Tu-
Blutuntersuchung auf Tumorzellen
„Personalisierte Therapie“
Dr. Pachmann, wie bedeutend
ist die Erfolgskontrolle von
Chemotherapien für die
Lebensdauer und
Lebensqualität bei
Krebserkrankungen?
Es ist eine der wichtigsten Maßnahmen. Der Pathologe prüft die
Schnittränder auf Tumorfreiheit, der
Onkologe kontrolliert die Größe von
Tumorknoten. Die Tumorzellen im
Blut überwachen wir. Genau diese
Zellen können Metastasen auslösen.
Die Vernichtung der zirkulierenden
Tumorzellen heißt: Patient geheilt –
Sieg fürs Leben! Vermehren sie sich
trotzdem, kann frühzeitig gemeinsam
nachjustiert werden.
Wie relevant für Diagnose und
Behandlung sind die im Blut
zirkulierenden Tumorzellen im
Verhältnis zum Tumor?
Krebs beginnt mit einer ersten unsichtbaren Zelle. Bildlich darstellbar
wird ein Tumor ab etwa einem Zentimeter Durchmesser – rund eine
Milliarde Zellen. Der Chirurg kann
oft 99 Prozent entfernen. Bereits ab
einem Millimeter gewinnt der Tumor
Anschluss an die Blutversorgung. Je
größer er ist, desto mehr Tumorzel-
len sind im Blut. Verbleibende Zellen
sollen mit adjuvanter Chemotherapie
vernichtet werden.
Inwieweit spielt es eine Rolle,
individuelle Therapien nach
ihrer Wirksamkeit auszusuchen?
Der Verlauf der Zellzahl, Wachstums­
oder Hormonrezeptoren, die blockiert
werden könnten, Aggressivität und
„Schläfrigkeit“ sowie Genfaktoren und
das Testen der Wirkung bereits vor der
Anwendung an den Tumorzellen des
Patienten sind die wichtigsten Faktoren, damit die Therapie so erfolgreich
wie möglich verläuft.
n
Dr. med. Ulrich Pachmann, Transfusionsmedizin,
Prüfarzt, Humangenetische Diagnostik und Beratung
Transfusionsmedizinisches Zentrum Bayreuth (TZB)
Onkologie – Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp
in Deutschland 2011 in Prozent
Zellbasiert 2%
Natürliche Wirkstoffe 2%
Peptide 9%
RNA / DNA 14%
Rekombinate Proteine 17%
Niedermolekulare Wirkstoffe 27%
Monoklonale Antikörper 29%
Quelle: Ernest & Young - Deutscher Biotechnologie-Report 2012
mormaterial. So können Onkologen an
den Tumorzellen bestimmter Tumoren
erkennen, welche Therapie voraussichtlich anschlägt oder nicht.
Gerade für die Früherkennung von
Krebs sind bestimmte Biomarker sehr
wertvoll. An erster Stelle stehen dabei
in den Genen verankerte lebenslange
Neigungen. Diese Marker mahnen
lebenslang zu erhöhter Aufmerksamkeit, selbst wenn noch kein Tumor
entstanden ist. Biomarker sind in der
Lage, exakt vorherzusagen, ob eine
bestimmte Behandlungsmethode wirkt
und damit eingesetzt werden kann.
Das senkt nicht nur Kosten, sondern
erspart Patienten auch unwirksame
Behandlungen mit zahlreichen Nebenwirkungen.
Erfolge im Kampf
gegen Brustkrebs
Erfolgreich angewandt wurde die
personalisierte Krebsmedizin bisher
sowohl bei Dickdarmkrebs als auch
beim Schwarzen Hautkrebs. Mittlerweile sind mehrere Medikamente mit
molekularer Treffsicherheit bekannt.
Bei Lungenkrebs etwa kann jede fünfte
Erkrankung bereits recht gezielt behandelt werden. Experten rechnen
damit, in den nächsten Jahren sogar
bis zu jeden dritten Lungenkrebs treffsicherer behandeln zu können.
Aber auch Brustkrebspatientinnen,
deren Tumoren verstärkt den HER­
2­neu­Rezeptor ausbilden, können
vermehrt von zielgerichteten Therapien profitieren. Insbesondere da, wo
Chemotherapie allein bislang kaum
wirksam war, setzen Onkologen verstärkt auf den HER-2-Antikörper Trastuzumab. Der im Labor hergestellte
Eiweißkörper ist imstande – durch
Blockade dieses Rezeptors – den Chemotherapieeffekt erheblich zu steigern.
Als Infusion verabreicht kommt er sowohl bei Frauen mit fortgeschrittenem
Brustkrebs als auch in der vorbeugenden sogenannten adjuvanten Therapie
mit guten Heilungschancen zum Einsatz. Dadurch, dass der Antikörper so
an den HER­2­neu­Rezeptor andockt,
dass tumorfördernde Wachstumsfaktoren verdrängt werden, sind die gefährlichen Zellen nicht mehr in der
Lage, zu wachsen und sich zu teilen.
Signale innerhalb der Zelle stören
Nicht an der Zelloberfläche, sondern
im Inneren der Zelle wirken sogenannte Tyrosinkinase­Hemmer. Diese
als „Small Molecules“ bezeichneten
Stoffe können direkt in die Zelle eindringen und dort den inneren Teil der
Rezeptoren, die Tyrosinkinasen, blockieren. So wird innerhalb der Zelle
das Teilungssignal gestört. Als vorteilhaft erweisen sich Tyrosinkinase­
Hemmer, da sie in Tablettenform verabreicht werden können.
Auch wenn mithilfe dieser zielgerichtet
wirkenden Krebsmedikamente vielen
Patienten geholfen werden kann, lässt
es sich nicht immer verhindern, dass
Tumoren sich ausbreiten beziehungsweise wachsen. Zuversicht weckt allerdings die Forschung: Denn nicht
nur das Signalnetz der spezifischen
Aktivierung von Genen wird weiter
intensiv erforscht, auch werden zunehmend spezifische Hemmstoffe mit
modernsten chemischen Methoden
passgenau hergestellt.
n
Weitere Informationen
Hamburger Krebsgesellschaft
www.krebshamburg.de
Eine Publikation des Reflex Verlages
LEBEN MIT KREBS
9
ARTIKEL Spinale Tumoren
Verdrängungsschmerz
Tumoren an der Wirbelsäule sind relativ selten, können aber bis zur Lähmung führen.
VON OTMAR RHEINHOLD
T
umoren der Wirbelsäule, sogenannte spinale Tumoren, sind
relativ selten – lediglich ein bis zwei
Fälle kommen auf 100.000 Menschen.
Dennoch sind sie in der Bevölkerung
durchaus bekannt, nämlich als Metas­
tase, also der Streuung eines Karzinoms, das anderswo im Körper sitzt.
Vor allem Lungen­, Brust­, Nieren­,
und Prostatakrebs streuen häufig in
die Wirbelsäule. Rund 80 Prozent dieser als extradural (außerhalb der Rückenmarkshaut gelegen) bezeichneten,
spinalen Tumoren sind solche Metas­
tasen. Meist betreffen extradurale
verdrängen sie das Rückenmark und
schränken es in seiner Funktion ein,
was unbehandelt letztendlich zu einer
Querschnittslähmung führt. Ähnliches
gilt für Wirbelkörperkarzinome: Sie
zerstören letztendlich den Knochen,
destabilisieren die Wirbelsäule und
beeinträchtigen beziehungsweise schädigen so das Rückenmark.
Spinale Tumoren äußern sich zunächst
durch Schmerzen an der Wirbelsäule.
Das macht eine Diagnose schwierig,
denn Rückenschmerzen können vielfältige Ursachen haben. Zudem wachsen die Tumoren meist langsam und
machen sich lange Zeit kaum bemerkbar. Spinale Tumoren werden deshalb
Dank moderner mikrochirurgischer Verfahren
können OP-Schäden am Rückenmark immer
besser vermieden werden
Tumoren die Wirbelknochen selbst.
Daneben treten spinale Tumoren auch
innerhalb der das eigentliche Rückenmark umgebenden Rückenmarkshaut
auf. Dann handelt es sich um intradurale Tumoren. Häufig sind das Tumoren der Rückenmarkshaut selbst oder
einer Nervenwurzel. Und schließlich
kann auch das Rückenmark an sich
von einem Tumor befallen sein.
Erstes Symptom:
Rückenschmerzen
Handelt es sich nicht um die Metastase
eines Karzinoms, sind spinale Tumoren meist gutartige Geschwulste. Dennoch stellen sie für die Betroffenen eine
große Gefahr dar. Durch ihr Wachstum
INTERVIEW
oft erst spät entdeckt. Im späteren
Verlauf kommt es, je nach Lage des
Tumors, zu Kraft­, Bewegungs­ oder
Empfindungsstörungen an Armen
oder Beinen, Funktionsstörungen im
Verdauungstrakt oder der sexuellen
Leistungsfähigkeit. Manche Symptome
wie leichte Gangstörungen fallen allerdings oft zunächst der Umwelt auf.
Für die Abklärung eines Verdachts
dient eine MRT-Aufnahme zur Darstellung des Nervengewebes, vor allem des Rückenmarks, und sonstiger
Weichteilstrukturen. Röntgen­ oder
CT­Bilder zeigen den Zustand der Wirbelknochen. In der Regel werden spinale Tumoren operativ behandelt. Sind
Wirbelknochen befallen, werden sie je
nach Schweregrad ganz oder teilweise
entfernt. Anschließend wird die betreffende Stelle mit Stützimplantaten
aus Titan stabilisiert. Handelt es sich
um einen bösartigen Tumor, erfolgt
nach der Operation meist noch eine
Bestrahlung.
Gute Heilungschancen
Auch Tumoren, die nicht die Wirbelknochen betreffen, werden durch operative Maßnahmen behandelt, allerdings ist eine Bestrahlung meist nicht
sinnvoll – auch, weil das Rückenmark
auf eine Bestrahlung sehr empfindlich
reagiert. Gutartige Tumoren zeichnen sich unter anderem dadurch aus,
dass sie angrenzendes Gewebe „nur“
verdrängen, aber nicht infiltrieren.
Deshalb sind viele spinale Tumoren
sehr gut behandelbar, denn sie können
in der Regel komplett entfernt werden.
Herausforderungen ergeben sich aus
dem Umfeld der Operation. Zum einen
birgt die Nähe zum Rückenmark besondere Risiken. Zum anderen können
sich selbst gutartige, eigentlich in sich
abgeschlossene Tumoren als schwer
trennbar vom Rückenmarksgewebe
zeigen. Im Falle eines bösartigen, also
infiltrierenden Tumors gilt das umso
mehr. Oft kann dann nur ein Teil der
Geschwulst entfernt werden. Dank
moderner mikrochirurgischer Verfahren können Schäden am Rückenmark
aber immer besser vermieden werden. Zusätzlich gibt es immer bessere
Verfahren, die Funktionsfähigkeit des
Rückenmarks während der Operation
zu überwachen. Das bietet dem Operateur – und den Patienten – zusätzliche
Spinale Tumoren sind meist gutartige Geschwulste.
Sicherheit. Vor allem Patienten, denen
ein gutartiger spinaler Tumor entfernt
wurde, haben hervorragende Heilungsaussichten. Neurologische Beschwerden sind oft innerhalb kürzester Zeit
verschwunden.
Waren schon starke neurologische Einschränkungen bis hin zu einer Querschnittslähmung aufgetreten, ist nach
der Operation meist eine Rehabilitationstherapie nötig.
n
Operative Versorgung
„Stabilisierung der Wirbelsäule schenkt Lebensqualität“
Wie äußern sich
Wirbelsäulentumore?
Es gibt den primären Tumor, der aus
der Wirbelsäule selbst entsteht und
eher selten auftritt.
Viel häufiger entstehen Wirbelsäulentumoren aufgrund von Metastasen.
Oftmals ist der Bruch der Wirbelsäule
das erste Symptom. Die Patienten haben große Schmerzen, fallen hin und
können nicht mehr laufen.
Patienten kommen aber auch oft mit
neurologischen Ausfällen, wie etwa
Probleme beim Wasserlassen oder
Teillähmungen bis hin zu Komplettlähmungen.
Was bedeuten diese
gravierenden Symptome?
Liegen erst mal ein Wirbelsäulenbruch
oder eine neurologische Störung vor,
verschlechtern sich die Prognose und
die Lebenserwartung dramatisch. Die
Erkenntnis, zusätzlich zum Krebs auch
noch querschnittsgelähmt zu sein, ist
eine Katastrophe. Die Metastasen in
der Wirbelsäule können oft nicht mehr
ganz entfernt werden, aber die Stabilisierung der Wirbelsäule kann die
Lebensqualität erheblich verbessern.
Wie sieht diese
Stabilisierung aus?
Zunächst wird eine sogenannte Laminektomie durchgeführt: Der hintere Wirbelbogen wird entfernt, um
dem Rückenmark mehr Platz zu geben, wenn der Tumor quasi von vorne
nach hinten wächst. Zusätzlich wird
die Wirbelsäule durch Implantate stabilisiert.
Wird ein Tumor früh erkannt, können
sogar mehrere Wirbelkörper entfernt
und durch spezielle Implantate ersetzt
werden.
Was ist mit Chemotherapie
und Bestrahlung?
Sie sind ebenfalls wichtige Elemente.
Leider werden oftmals die Metastasen
zunächst sehr lange medikamentös
behandelt oder bestrahlt.
Der Bruchgefahr der Knochen wird zu
wenig Beachtung geschenkt. Was also
höchste Priorität haben sollte ist die
frühzeitige Stabilisierung der Wirbelkörper, damit auf gar keinen Fall ein
Bruch entsteht.
n
Prof. Dr. med. Christoph Josten, Direktor der Klinik
und Poliklinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und
Plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Leipzig
10
LEBEN MIT KREBS
Eine Publikation des Reflex Verlages
ARTIKEL Bestrahlung
Geballte Ladung gegen den Tumor
Moderne Strahlentherapien arbeiten zielgerichtet. So gibt es mehr Heilerfolge und weniger Nebenwirkungen.
VON LENA WINTHER
M
it Strahlen gegen den Krebs –
neben der medikamentösen
Behandlung und operativen Eingriffen ist diese Methode die wichtigste
Maßnahme gegen bösartige Tumoren. Durch zahlreiche Innovationen
und Verfeinerungen hat diese „dritte
Säule“ der Krebstherapie in jüngster
Zeit an Effektivität gewonnen: Bestrahlungen wirken zielgerichteter
und Nebenwirkungen sind sehr viel
wie Computer­ oder Kernspintomografie liegt die Behandlung immer einem Bestrahlungsplan zugrunde, der
unter großem Aufwand in 3D­Technik
erstellt wird, um möglichst exakt zu
arbeiten und gesundes angrenzendes
Gewebe zu schützen. Die Photonentherapie erfolgt zumeist ambulant
und Nebenwirkungen treten durch
die verfeinerte Technik weniger stark
auf als früher. Typische Beschwerden,
die mit einer Strahlenbehandlung assoziiert werden, sind Erschöpfung,
Bisher wird die Protonentherapie bei
seltenen Krebserkrankungen angewendet
weniger gravierend. Bei 40 Prozent
aller Krebsheilungen war auch eine
Strahlentherapie beteiligt.
Die gängigste Methode ist die Behandlung mit ultraharten Röntgenstrahlen oder Gammastrahlen aus
dem Linearbeschleuniger: die Photonentherapie. Die Strahlen dringen
aus verschiedenen Richtungen in den
Körper ein und töten die Tumorzellen
ab. Mithilfe bildgebender Verfahren
Schleimhautreizungen, Appetit­ und
Geschmacksverlust, Haarausfall und
Berührungsempfindlichkeit. Damit
noch zielgerichteter gearbeitet werden kann, ist die IMRT (Intensitäts­
modulierte Strahlentherapie) entwickelt worden, die dann eingesetzt
wird, wenn sich unmittelbar neben
dem Tumor wichtige Organe befinden,
die nicht in Mitleidenschaft gezogen
werden sollen. Das funktioniert, indem
die Strahlung in Einzelfelder zerlegt
wird und den Tumor quasi aus allen
möglichen Richtungen gleichzeitig attackieren kann. Dadurch kann auch
die Dosis erhöht werden.
Protonen könnten die Zukunft sein
Neben der noch jungen IMRT ist auch
die Protonen­Schwerionen­Bestrahlung eine besondere Innovation. Dabei
handelt es sich um kleine Teilchen,
die beim Auftreffen krebszerstörend
strahlen und ganz gezielt und auf den
jeweiligen Tumor geleitet werden. Bisher wird die Protonentherapie noch
bei eher seltenen Krebserkrankungen
angewendet, wie etwa bei Tumoren an
der Schädelbasis oder der Wirbelsäule,
oder auch beim Aderhaut­Melanom,
einem Augentumor. Obwohl die Protonentherapie äußerst kostspielig und
noch nicht genügend erforscht ist, wird
ihr großes Potenzial vorausgesagt in
der Behandlung von Lungenkrebs
im Frühstadium sowie bei gewissen
Tumoren im Gehirn und im Magen.
Ein weiteres Feld ist die pädiatrische
Onkologie, wo sie bereits zum Einsatz
Werbebeitrag
kommt. Recht speziell ist die sogenannte Nano­Therapie, eine ebenfalls
erst wenige Jahre alte Bestrahlungsmethode. Dabei werden Strahlung abgebende Substanzen an Nano­Partikel
gebunden und damit in Organe, in die
Blutbahn oder bestimmte Gewebe eingelagert. Erfolge wurden etwa bei der
Behandlung von Lebermetastasen
erzielt. Überhaupt wird unermüdlich
daran gearbeitet, Verfahren zu entwickeln, bei denen die Bestrahlung „vor
Ort“ und so kleinflächig wie möglich
wirkt. Bei inoperablem Gebärmutterkrebs werden mitunter radioaktive,
strahlende Goldstäbchen (Goldseeds)
operativ in den Tumor gebracht. Beim
sogenannten Afterloading­Verfahren
werden über einen im Tumor platzierten feinen Draht oder Schlauch
Strahlungsdosen computergesteuert
verabreicht.Die Strategie bei allen modernen Bestrahlungsmethoden ist also
immer die gleiche: Sie sind zielgenau,
präzise und konzentriert – und gehen so mit geballter Ladung gegen den
Krebs vor.
n
Klinikpräsentation
Radioonkologie: erfolgreicher und sicherer
K
urz gefasst hat die Radioonkologie zwei Ziele: Die erfolgreiche
Bekämpfung des Tumors und zugleich
die Verringerung radiogener Nebenwirkungen für die Patienten.
Dank des ständigen technischen Fortschritts, jahrzehntelanger strahlenbiologischer Grundlagenforschung
und klinischer Studien kommt die
Strahlentherapie diesen Zielen heute
immer näher.
Das Universitätsklinikum Münster
(UKM) setzt dabei auf eine fachübergreifende Kooperation aller an
der Behandlung von Krebspatienten
beteiligten Experten. „Wir arbeiten
nicht nur innerhalb der Klinik für Radioonkologie eng zusammen, sondern
stehen auch im ständigen Austausch
mit unseren Kollegen aus anderen medizinischen Fachbereichen“, erläutert
Professor Hans Theodor Eich, Direktor
der Klinik für Strahlentherapie am
UKM und Medizinischer Direktor des
dortigen Zentrums für Krebsmedizin
(Comprehensive Cancer Center Münster – CCCM).
Die neuen technischen Entwicklungen bieten aus Sicht des Mediziners
eine Reihe von Vorteilen: Sie ermöglichen zum Beispiel „Intensitätsmodulationen“, das heißt die Intensität
der Bestrahlung kann während einer
Sitzung verändert werden. Dabei
kommen nicht nur stehende, sondern
immer häufiger auch rotierende Bestrahlungsfelder zum Einsatz – mit
dem Ziel, die Strahlenbelastung für
das angrenzende gesunde Gewebe
möglichst gering zu halten. Realisiert
werden können derartige Techniken
mit Linearbeschleunigern der neuen
Generation oder mit Spezialgeräten,
wie der Tomotherapie, die am Universitätsklinikum Münster verfügbar sind.
Ein weiterer Vorteil der neuen Techniken ist eine deutlich kürzere Behandlungszeit. In vielen Situationen reicht
heute die Bestrahlung in einer einzigen
oder nur wenigen Sitzungen aus, während sonst eine „fraktionierte“ Strahlenbehandlung über einen Zeitraum
von vier bis sechs Wochen üblich ist.
Diese Form der Strahlentherapie nennt
sich „Radiochirurgie“ und sie kommt
bisher vor allem bei Hirntumoren, Lebermetastasen oder Lungentumoren
zum Einsatz, sodass eine operative
Therapie nicht notwendig ist. „Unser
Ziel ist, diese Methode in Zukunft noch
breiter anwenden zu können. Denn
eine kürzere Behandlungszeit bedeutet
für die Patienten eine deutlich geringere Belastung“, erklärt Professor Uwe
Prof. Uwe Haverkamp (l.) und Prof. Hans Theodor Eich mit dem Linearbeschleuniger, an den zur dreidimensionalen Lagerungskontrolle auch ein CT angedockt werden kann.
Haverkamp, Leitender Physiker der
Klinik für Strahlentherapie am UKM.
Da die Bestrahlung bei der Radiochirurgie sehr hoch dosiert ist, setzt sie
höchste Präzision voraus. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Einbindung der Bildgebung vor, während
und nach der Therapie. Bisher wurden
vor der Bestrahlung lediglich zweidimensionale Aufnahmen gemacht.
Die am UKM eingesetzten Beschleuniger verfügen über ein sogenanntes
„Onboard­Imaging“, das heißt ein inte­
grierter Computertomograf vermag
vor der eigentlichen Bestrahlung eine
dreidimensionale Lagerungskontrolle
vorzunehmen, sodass die Position des
Patienten noch modifiziert und die
Bestrahlung exakt appliziert werden
kann.
Die Anwendung dieser neuen Möglichkeiten ist ein Zusammenspiel der
medizinischen Anforderungen, der
technischen Möglichkeiten und der
strahlenbiologischen Grundlagen. Dabei steht die Sicherheit der Patienten
im Vordergrund.
n
Eine Publikation des Reflex Verlages
LEBEN MIT KREBS
11
ARTIKEL Gehirntumore
Hoffnung auf Heilung beim Krebs im Kopf
Gehirntumoren machen jährlich nur zwei Prozent aller neuen Krebserkrankungen aus.
VON LENA WINTHER
E
s ist und bleibt die Schaltzentrale
unseres Körpers: unser Gehirn.
Umso beängstigender, wenn gerade
dieses so fundamental wichtige Organ
von einem Tumor befallen ist. Doch
wer bei einer solchen Diagnose gleich
an ein sicheres Todesurteil denkt, liegt
falsch: Zwei Drittel aller Tumorerkrankungen im Gehirn sind gutartig.
Rund 7.000 Menschen erkranken in
Deutschland jährlich an einem primären Rückenmarks­ oder Hirntumor
– das macht etwa zwei Prozent aller
Krebsneuerkrankungen pro Jahr aus.
Tatsächlich kommen bösartige Hirntumoren also verhältnismäßig selten
vor. Meist sind Kinder oder auch ältere
Menschen betroffen. Gehirntumoren
bei Kindern treten am häufigsten im
Alter von drei bis zwölf Jahren auf, bei
Erwachsenen zwischen dem 50. und
70. Lebensjahr. Bei Erwachsenen ist
aber zu bemerken, dass die Tumoren
meist sekundär sind, also durch Metas­
tasenbildung von bereits vorhandenen
Krebserkrankungen entstehen.
Diagnose des Tumors
Die Tumoren können aus verschiedenen Arealen des Gehirns erwachsen:
den Hirnhäuten, dem Nervenstützgewebe, aus der Hirnanhangdrüse oder
auch den Nerven. Zu den bösartigen
Gehirntumoren gehört etwa das Glioblastom. Sie gehören zur Gruppe
der Gliome, zu denen obendrein auch
Oligoendrogliome, Ependymome
und Astrozytome zählen. Der gefährlichste Typ der Astrozytome sind die
Glioblastome. Das Tückische an der
Krankheit ist besonders die Tatsache, dass der Tumor fest eingebettet
im Schädel liegt und nur wenig Platz
den sind jedoch Kopfschmerzen,
Lähmungserscheinungen und Nervenausfälle, Sehstörungen, Schwindel,
häufiges Erbrechen, Persönlichkeits-
hat. So übt jedes Wachsen des Tumors
Druck aus auf das empfindliche Gehirngewebe, und selbst ein gutartiger
Tumor kann lebensgefährlich werden,
da er dem Gehirn buchstäblich den
Platz weg nimmt. Die Ursachen sind
wissenschaftlich bislang ungeklärt,
sind sie doch – anders als bei anderen
Krebsleiden – nicht auf ungesunde
Lebensgewohnheiten wie überhöhten
Alkoholkonsum oder Rauchen zurückzuführen.
Es kann einige Zeit vergehen, bis eine
Geschwulst im Gehirn überhaupt entdeckt wird. Die typischen Beschwer-
veränderungen, Vergesslichkeit oder
epileptische Anfälle. Die Symptome
hängen individuell von der Größe und
der Lage des Tumors ab und sind oftmals unspezifisch oder denen anderer
Krankheitsbilder nicht unähnlich. Für
die Diagnose wird zu bildgebenden
Verfahren gegriffen: Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie
(MRT).
Behandlung durch alle
„drei Säulen“
Die Therapiemöglichkeiten stützen
sich auf die drei Säulen der Krebs-
Werbebeitrag
behandlung: chirurgischer Eingriff,
Chemotherapie und Bestrahlung. Die
Operation ist bei Hirntumoren tatsächlich die häufigste Maßnahme. Doch es
kann auch passieren, dass ein Tumor
inoperabel ist, also weder vollständig
noch in Teilen entfernt werden kann.
Als inoperabel gilt er dann, wenn er
an lebenswichtige Bereiche, etwa die
Atemfunktion, angrenzt. Der Chirurg
entscheidet, ob mit Komplikationen zu
rechnen ist. Die bildgebenden Techniken werden auf diesem Gebiet immer
ausgefeilter. Sie können den Tumor
und deren Ausbreitung punktgenau
lokalisieren und so sind sehr präzise
Operationen möglich.
Die Strahlentherapie ist ein weiterer
wichtiger Baustein in der Hirntumor­
therapie, als Nachbehandlung einer OP
ebenso wie als alleinige Maßnahme.
Der Patient erhält über mehrere Wochen täglich gezielte Einzeldosen der
Bestrahlung. Auch die Radiochirurgie wird angewandt, wobei gebündelte
Gamma­Strahlen direkt auf den Tumor
zielen, ihn zerstören, aber das umliegende Gewebe schonen. Die Chemotherapie ist eine eher seltene Behandlungsart bei Hirngeschwulsten, doch
wurden auf diesem Gebiet durchaus
auch Erfolge erzielt, beispielsweise
bei bestimmten Typen von Gliomen
und Glioblastomen. Generell erfolgt
bei Gehirntumoren eine kombinierte
Behandlung aus Operation und nachfolgender Strahlen­ oder Chemotherapie. Den tückischen Geschwulsten im
Gehirn stehen also zahlreiche starke
Waffen gegenüber.
n
Klinikpräsentation
Die sanfte Revolution der Neurochirurgie
Radikal und doch schonend gegen Hirntumore: die navigierte transkranielle Magnetstimulation (nTMS).
D
iagnose Hirntumor – ein schwerer Schock für Patienten und ihre
Angehörigen. Denn selbst bei einer
Heilung stellt sich die Frage: Mit welchen Einschränkungen und Behinderungen ist zu rechnen? Schließlich
sind Funktionen wie Sprache und Bewegung Leistungen des menschlichen
Gehirns, die auf der Verknüpfung eines
Netzwerkes mehrerer Millionen Nervenzellen beruhen. Keine Gehirnarchitektur gleicht der anderen, und die Verteilung dieser sogenannten eloquenten
Areale ist daher höchst individuell.
Ein neues Verfahren erlaubt jetzt die
genaue Lokalisierung jener Zentren:
Durch die nTMS (navigierte transkranielle Magnetstimulation) lässt sich
vor der Operation eines Hirntumors
oder einer Metastase punktgenau bestimmen, wo sich Sprachzentrum und
Bewegungsregion befinden.
„Die Anatomiebücher gaben uns bisher eine ungefähre Idee. Doch dies
ist eine Revolution in unserem Fachgebiet. Und zwar eine sanfte“, erklärt
Professorin Terttu Pietilä, Chefärztin
der Klinik für Neurochirurgie in Bethel. Die Untersuchung ist tatsächlich
schmerzfrei und bedarf nur weniger
Vorbereitungen. Wird jetzt ein Eingriff
vorgenommen, kann auf Wachoperationen oder großflächige Schädelöffnungen verzichtet werden. Einen wesent­
lichen Grundsatz erfüllt diese sanfte
Methode dennoch: So radikal wie
nötig und so schonend wie möglich.
Die Technik, die im Evangelischen
Punktgenaue Bestimmung des Sprachzentrums und der Bewegungsregion vor der Operation durch nTMS.
Krankenhaus Bielefeld bereits zur
klinischen Routine gehört, wird nun
in mehreren Forschungsprojekten optimiert und auf neue Anwendungsbereiche geprüft.
n
Weitere Informationen
Evangelisches Krankenhaus Bielefeld
Klinik für Neurochirurgie
www.evkb.de/neurochirurgie
12
LEBEN MIT KREBS
Eine Publikation des Reflex Verlages
ARTIKEL Brustkrebs
Keine reine Frauensache
Brustkrebs ist die häufigste Tumorart bei Frauen. Doch auch Männer sind betroffen. Früherkennung ist das A und O.
und unter dem Mikroskop untersucht
wird. Über Chancen und Risiken der
einzelnen Methoden zur Früherkennung will das Leitlinienprogramm
Onkologie mit der Broschüre „Früherkennung von Brustkrebs“ aufklären.
VON ASTRID SCHWAMBERGER
N
ur wer hinschaut, findet auch
etwas – in der Medizin kann
diese Binsenweisheit Leben retten.
So hat sich einerseits die Zahl der
Brustkrebspatientinnen etwa durch
die Einführung des Mammografie­
Screenings im Laufe der Jahre enorm
vergrößert. Die Sterblichkeitsrate ist
dank Früherkennung und effizienterer
Therapiemöglichkeiten aber deutlich
zurückgegangen. Schätzungen des Robert Koch­Instituts zufolge wurden im
vergangenen Jahr rund 74.500 Frauen
erstmals mit der schockierenden Diagnose konfrontiert. Das Mammakarzinom ist somit in Deutschland die mit
Abstand häufigste Tumorerkrankung
bei Frauen. Doch nicht nur sie sind
betroffen. Das Krebsregister rechnet
für das Jahr 2012 mit zirka 600 Erstdiagnosen bei Männern.
Früherkennung tut nicht weh
Die Schlüsselrolle im Kampf gegen
Brustkrebs spielt die Früherkennung.
Im Rahmen der gesetzlichen Kranken-
Dem Krebs an den Kragen
Für Männer fehlt bislang ein Frühwarnsystem
versicherung haben Frauen bereits ab
dem 30. Lebensjahr ein Recht darauf,
sich einmal jährlich untersuchen zu
lassen. Bei der medizinischen Tastuntersuchung achtet der Frauenarzt
auf Veränderungen wie etwa Knoten,
Schwellungen und Entzündungen in
Brust und Achselhöhle, gerötete Haut
oder eingezogene Brustwarzen. Frauen
sollten deshalb nicht warten, bis sie
selbst etwas Verdächtiges entdecken.
Für Männer indes fehlt bislang ein entsprechendes Frühwarnsystem. Viele
schieben, oft aus Unwissenheit, den
Arztbesuch auf. So wird ein Karzinom
oft erst spät entdeckt, weil es zum Bei-
spiel für einen harmlosen Pickel gehalten wurde. Das „Netzwerk Männer mit
Brustkrebs“ informiert und bietet eine
Anlaufstelle für Betroffene.
Dem Tumor auf der Spur
Die Tastuntersuchung hat keinerlei
Nebenwirkungen, manche Tumoren
sind jedoch nicht tastbar. Der Arzt verschafft sich dann mithilfe einer Ultraschalluntersuchung, der Mammografie
oder der Magnetresonanztomografie
ein Bild des Brustgewebes. Ob ein
Befund bösartig ist, findet er heraus,
indem er eine Biopsie durchführt – ein
Eingriff, bei dem Gewebe entnommen
Wird Brustkrebs diagnostiziert,
kommt bei Frauen und Männern eine
Reihe von Therapien – von der Operation über die Behandlung mit Hormonen, Strahlen oder Medikamenten
bis hin zur Immuntherapie – infrage.
Je nach Stadium und Eigenschaften
des Tumors werden die Maßnahmen
geplant und kombiniert. So fortschrittlich die Früherkennung und Behandlung von Brustkrebs bereits sind,
so sehr tappen die Forscher bei den
Ursachen jedoch noch im Dunkeln.
Viele Fragen seien noch offen, heißt
es beim Deutschen Krebsforschungszentrum. Das Risiko ließe sich aber
senken, wenn Mütter ihre Babys stillen, Frauen in den Wechseljahren auf
eine Hormonersatztherapie verzichten
und auf ihr Gewicht achten.
n
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Forschung ist die stärkste Waffe im Kampf gegen den
Krebs – ohne sie gibt es keinen Fortschritt. Die Deutsche
Krebshilfe unterstützt zahlreiche Projekte renommierter
Wissenschaftler. Ihre Forschung bringt die Krebsmedizin
in Deutschland langfristig voran. Denn nur so erhalten
die Patienten die bestmögliche Behandlung.
Mehr Informationen und Beratung erhalten
Sie auch unter (02 28) 7 29 90-0.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Rita Schmutzler
und Prof. Dr. Christian Reinhardt für das Leben.
Beide forschen gegen den Krebs.
Eine Publikation des Reflex Verlages
LEBEN MIT KREBS
13
ARTIKEL Risikofaktoren
Rauchen verursacht nicht nur Lungenkrebs
Blasenkrebs ist relativ häufig. Über die Hauptursache sind sich viele nicht klar. Früh erkannt, bestehen gute Heilungschancen.
VON OTMAR RHEINHOLD
B
lasenkrebs ist insgesamt gesehen die fünfthäufigste bösartige
Tumorerkrankung in Deutschland.
Damit ist die Krebsart insgesamt die
fünfthäufigste bösartige Tumorerkrankung. Allerdings gibt es erhebliche
Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Für Männer ist das Risiko einer
Erkrankung gut dreimal so hoch wie
für Frauen. Blasenkarzinome zählen
zu den Krebsarten, die vor allem im
Alter auftreten. Erkrankungen bei
Menschen unter 50 Jahren sind sehr
selten, die meisten Betroffenen sind
zwischen 65 und 70 Jahren, wenn sie
die Diagnose trifft.
Blasenkarzinome sind Schleimhautkarzinome, die zunächst an der Oberfläche der Blaseninnenwand auftreten,
oft an mehreren Stellen. In diesem
Stadium sind sie gut operativ zu entfernen. Später dringen sie in tiefere
Schichten bis in den Blasenmuskel
ein oder wachsen gar in Organe und
Gewebe der Umgebung. Über die Blutbahn können auch Blasenkarzinome
Metastasen bilden.
Alarmzeichen: Blut im Urin
Blasenkarzinome sind zunächst
schmerzfrei und äußern sich meist
zuerst durch Blut im Urin. Der nächste
Diagnoseschritt ist dann in der Regel
eine Blasenspiegelung zur optischen
Kontrolle und eine Gewebeentnahme
(Biopsie). Zur Abklärung – vor allem
auch der Frage, inwieweit der Tumor
schon anderes Gewebes durchdringt
– kommen zudem oft bildgebende Ver-
GASTBEITRAG
fahren wie die Computertomografie
(CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT) zum Einsatz. Auch
Aufnahmen mit Kontrastmitteln helfen, Blase, Nieren und Harnleiter zu
untersuchen. Je nach Schweregrad
wird auch im Rest des Körpers nach
Metastasen gesucht.
Bei der Erstdiagnose wird in gut drei
Viertel aller Fälle ein oberflächliches
Karzinom gefunden. Nur in 20 Prozent
der Fälle ist es bereits invasiv, also
tiefer in die Blase oder die Umgebung
gewachsen, und in fünf Prozent der
Fälle liegen schon Metastasen vor.
Das bedeutet: Betroffene haben gute
Heilungschancen, wenn das Karzinom
früh erkannt wird. Treten Blutbeimengungen im Urin auf, sollte also
bald ein Arzt aufgesucht werden.
Hauptrisikofaktor Rauchen
Neben der Früherkennung zählt auch
beim Blasenkrebs die Vorbeugung. Die
Erkrankung ist zwar schon seit Ende
des 19. Jahrhunderts eine offizielle
Berufskrankheit, und bis heute sind
etwa Automechaniker, Arbeiter in der
Lederindustrie, aber auch Zahntechniker oder Frisöre einem erhöhten Risiko
ausgesetzt. Der größte Risikofaktor
ist aber ganz klar das Rauchen. Eine
wenig bekannte Tatsache, und doch
gelten laut eine aktuellen Studie die
Stoffe im Tabakqualm bei Männern
für 50 Prozent und bei Frauen für 52
Prozent aller Blasenkrebserkrankungen verantwortlich. Aktive Raucher
haben nach dieser Studie ein viermal
so hohes, ehemalige Raucher immerhin ein mehr als doppelt so hohes
Für Männer ist das Risiko einer Erkrankung gut dreimal so hoch wie für Frauen.
Risiko zu erkranken. Daneben sind
auch chronische Entzündungen oder
Bestrahlungen im Beckenbereich die
Ursache von Blasenkarzinomen. Süßstoffe hingegen, oft in der Diskussion,
wurden als Ursache beim Menschen
noch nicht klar nachgewiesen.
Totalentfernung versus
Strahlentherapie
Im frühen, oberflächlichen Stadium
wird ein Blasenkarzinom operativ
entfernt, oft verbunden mit einer örtlichen Chemotherapie – in der Regel
mit guten Heilungsaussichten. Bei
fortgeschrittenen, also invasiven Tumoren hingegen erfolgt häufig eine
Totalentfernung der Blase und eventuell befallener weiterer Organe. Dazu
kann auch der Harnleiter gehören. Als
therapeutisch ähnlich erfolgreich im
Hinblick auf die Überlebensraten gilt
daneben eine Strahlentherapie, unter
Umständen in Kombination mit einer speziellen Chemotherapie, die die
Wirkung der Strahlen erhöht. Hierbei
bleibt in gut 70 Prozent der Fälle die
Blase erhalten.
Wird die Blase entfernt und konnte
bei der Operation der Blasenschließmuskel erhalten werden, kann man
aus Teilen des Dickdarmes eine neue
Blase aufbauen und an Harnleiter und
Harnröhre anschließen. Ansonsten
wird der Urin über den Dickdarm abgeleitet oder fließt durch die Bauchdecke in einen Urinbeutel. Damit kann
man leben. Noch besser ist es, mit dem
Rauchen aufzuhören und beim ersten
Alarmzeichen zum Arzt zu gehen. n
Blasenkrebs
Bessere Diagnostik – gezieltere Therapie
Die Ersttherapie ist entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf.
I
n Deutschland werden pro Jahr über
23.000 neue Fälle von Blasenkrebs
diagnostiziert. Über 6.000 Patienten
versterben jährlich an dieser Erkrankung. Eine frühzeitige Diagnose und
gezielte Ersttherapie sind entscheidend. „Da sich die meisten Tumoren
bei Erstdiagnose nur auf die inneren
Schichten der Harnblase beschränken, sind diese in der Regel durch
kleine endoskopische Operationen,
sogenannte Blasenresektionen (TURB)
gut behandelbar“, betont Professor
Dr. H. Leyh, Chefarzt am Klinikum
Garmisch-Partenkirchen. Durch eine
komplette Entfernung der Tumoren
kann das Risiko eines Wiederauftre-
tens oder sogar einer Ausweitung in
tiefere Blasenschichten minimiert werden. Es können größere Operationen
wie eine komplette Blasenentfernung
vermieden werden.
Heutzutage können Tumoren durch
eine Blaulicht­Diagnostik (PDD)
mittels eines zuvor in die Blase eingebrachten flüssigen Diagnostikums
während der Operation besser sichtbar
gemacht werden. Insbesondere können
Tumoren aufgedeckt werden, die bei
einer normalen Blasenspiegelung nicht
erkennbar sind. Dies führt zu einer
deutlichen qualitativen Verbesserung
der Blasenoperation mit einer Senkung
des Rezidivrisikos. Der Behandlungs-
Blasenbefund während der Operation (TURB) ohne (links) und mit (rechts) Blaulicht -Diagnostik. Die Tumoren
leuchten pink. Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Professor Dirk Zaak, Klinikum Traunstein
ansatz, auch Blaulicht­Resektion genannt, wird von den Leitlinien empfohlen und inzwischen flächendeckend an
vielen führenden urologischen Kliniken in Deutschland durchgeführt. Bei
der Erstoperation und „insbesondere
bei Verdacht auf manche besonders
aggressive Tumorformen (CIS) sollte
eine Blaulicht­Diagnostik durchgeführt werden“, so Professor Dr. H.
Leyh.
n
Autor: Dr. Bryan Qvick, Facharzt für Urologie / Medical
Manager, Ipsen Pharma GmbH
14
LEBEN MIT KREBS
Eine Publikation des Reflex Verlages
ARTIKEL Prostatakrebs
Nicht immer tödlich
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern. Doch nicht immer ist eine OP nötig.
VON OTMAR RHEINHOLD
B
ei jedem sechsten Mann über 50
Jahren wird sie diagnostiziert.
Allerdings kann der Verlauf der Erkrankung sehr unterschiedlich ausfallen. Während beim einen eine mehr
oder weniger radikale Operation oder
eine Bestrahlung nötig ist, lebt der
andere weitgehend unbeeinträchtigt
mit dem Karzinom und nimmt es sogar mit ins Grab. Wichtige Faktoren
sind die Aggressivität des Tumors, in
welchem Stadium er festgestellt wird
und welches Alter der Betroffene hat.
Entsprechend breit gefächert sind die
Diagnose­ und Therapieverfahren.
Auf jeden Fall sollten Männer die von
den gesetzlichen Kassen ab dem 45.
Lebensjahr finanzierte jährliche Vorsorgeuntersuchung wahrnehmen. Dabei wird die Prostata durch Abtasten
untersucht. Wird eine Veränderung
festgestellt, folgen weitere Diagnoseschritte.
Grundsätzlich geht es bei der Abklärung eines Verdachtes und erst recht
nach der Feststellung eines Karzinoms
um die Frage, wie groß der Tumor ist,
ob er in umliegendes Gewebe eingewachsen ist oder schon in andere Körperregionen gestreut hat. Von großer
Wussten sie schon … ?
Das Wort „Prostata“ entstammt dem griechischen „Prostátes“, welches auf Deutsch „Vorsteher“ bedeutet. Die Prostata wird also auch
als Vorsteherdrüse bezeichnet und hat etwa die
Größe einer Walnuss. Sie wiegt ungefähr 20
Gramm und ist in etwa drei Zentimeter lang und
vier Zentimeter breit.
Neben Lungen- und Darmkrebs ist das Prostatakarzinom die dritthäufigste Todesursache
bei Männern. 80 Prozent der Patienten sind
bei Diagnosestellung über 60 Jahre alt. Die
Sterberate ist in einigen Industrieländern dank
besserer Erkennung, Vorsorge und Behandlung
jedoch rückläufig.
Rund 40 Prozent der deutschen Männer leiden
an einer vergrößerten Prostata. Im Alter vergrößert sich das Organ automatisch und bedeutet
noch keineswegs eine zukünftige Krebserkrankung. Eine vergrößerte Prostata führt häufig zu
häufigem Harndrang und Blasenproblemen.
70 bis 80 Prozent der Patienten bleiben nach
einer vollständigen Entfernung der Prostata
potent und 95 Prozent kontinent. Entscheidend
ist immer das Können des Chirurgs.
In Deutschland sterben drei von 100 Männern
an Prostatakrebs. Pro Jahr gibt es über 58.000
Neuerkrankungen. Über 15.000 Patienten
sterben an der Erkrankung.
Weltweit leben rund 680.000 Männer mit
Prostatakrebs.
Bedeutung ist auch die Wachstumsrate
des Tumors. Erst wenn diese Fragen
geklärt sind, können Betroffene zusammen mit ihrem Arzt eine informierte Entscheidung über Behandlungsmöglichkeiten treffen.
Biopsie verschafft Gewissheit
Liegt ein Anfangsverdacht vor, wird
in der Regel der PSA­Wert (Prostataspezifisches Antigen) gemessen.
Dieser Wert an sich ist kein alleiniger Indikator für das Vorliegen eines
Prostatakarzinoms, sondern einer von
möglichen Hinweisen. Wichtig ist die
regelmäßige Untersuchung des Wertes
und die Beobachtung seiner Dynamik.
Anders ausgedrückt: Weniger der absolute PSA­Wert, sondern wie schnell
und wie stark er sich verändert, ist von
Bedeutung. Weitere Diagnosemöglichkeiten sind bildgebende Verfahren wie
Ultraschall, CT oder MRT. Endgültige
Gewissheit verschafft aber erst eine
Biopsie, also eine Gewebeentnahme
und deren Untersuchung.
Eine operative Entfernung des Tumors
empfiehlt sich bei Betroffenen mit noch
relativ hoher Lebenserwartung und
einem aggressiv wachsenden Tumor.
Allerdings ist das Risiko von Impotenz und Inkontinenz bei einer Operation trotz immer besserer Methoden
und Verfahren immer noch hoch und
manchmal unvermeidlich. Das gleiche
gilt für die Bestrahlung, die zusätzlich
oft eine große körperliche Belastung
darstellt. Bei Männern, die voraussichtlich noch weniger als zehn Jahre
zu leben haben oder bei besonders
langsam wachsenden Tumoren, kann
deshalb die beste Lösung sein, schlicht
abzuwarten und dabei die Entwicklung des Karzinoms engmaschig zu
beobachten. Die Lebensqualität beeinträchtigende Nebenwirkungen einer
Behandlung werden so vermieden,
zugleich kann bei Verschlechterungen
schnell eingegriffen werden. Das kann
sich aber gerade bei älteren Männern
als unnötig erweisen. Dann gilt der
Satz: Sie sterben nicht an, sondern mit
ihrem Krebs.
n
Bei der Krebsvorsorge müssen deutsche
Männer noch viel lernen: Nur jeder vierte lässt
sich regelmäßig auf Tumoren untersuchen. Der
Grund: Viele Männer fürchten die rektale Untersuchung beim Urologen. Denn: Männer neigen
eher dazu als Frauen, das Thema Krankheiten zu
verdrängen.
Werbebeitrag
Interview
„Quantensprünge dank Hightech“
Die von Professor Dr. med. Dr. h.c.
Manfred Wirth geleitete Klinik für
Urologie am Dresdner Uniklinikum ist
eines der größten urologischen Zentren
in Deutschland. Seit dem Umzug in einen Neubau verfügt die Klinik über ein
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Wirth Facharzt für
Urologie, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
hochmodernes Umfeld und konnte sein
Angebot an wegweisenden Methoden
zur Diagnostik und Therapie urologischer Tumoren weiter ausbauen.
Herr Professor Wirth, ihre Klinik
verfügt mit dem Da Vinci über
einen OP-Roboter der neuesten
Generation.
Inwiefern profitieren Ihre
Prostatakrebspatienten davon?
Der Da Vinci stellt eine konsequente
Weiterentwicklung der laparoskopischen Operationstechnik dar, die viele
Schwachpunkte und Nachteile der konventionellen Laparoskopie beseitigt.
Die große Präzision des Robotersystems trägt dazu bei, so nervschonend
wie möglich zu operieren. Dennoch
ist die Erfahrung der Operateure entscheidend – die Klinik nahm bereits
mit dem Vorgänger­Modell des Da
Vinci mehr als 400 Operationen vor.
Ist Hightech auf
den OP beschränkt?
Keinesfalls. Gerade in der Diagnostik
hat sich sehr viel getan. Die Urologie des Dresdner Uniklinikums steht
diesen Verfahren offen gegenüber,
sofern sie für den Patienten wirklichen Nutzen bringen. Ein noch sehr
neues Untersuchungsverfahren ist das
Histoscanning: Bei einem verdächtigen PSA-Wert untersuchen wir im
Rahmen einer Studie die Prostata mit
einem speziellen Ultraschallgerät und
einer neuen Auswertungssoftware. Da
Krebsgewebe ganz besondere, am Bildschirm allerdings nicht erkennbare
Strukturen aufweist, wertet eine spezielle Software die Bilder aus.
Trotz aller Innovationen sind
dem Ultraschall Grenzen
gesetzt.
Lassen sich diese Defizite in der
Bildgebung ausgleichen?
Wir nutzen seit einem Jahr die MRTUltraschall­Fusion, um bei der Entnahme von Gewebeproben aus der
Prostata so präzise wie möglich vorzugehen. Dazu werden Bilder aus dem
MRT in das Ultraschallgerät eingegeben. Die Vereinigung der Tomografieaufnahmen mit den während der
Punktion gemachten Ultraschallbildern lenkt den Arzt zu den besonders
auffälligen Bereichen der Prostata, in
denen wir den Tumor vermuten. n
www.uniklinikum-dresden.de/uro
Eine Publikation des Reflex Verlages
LEBEN MIT KREBS
15
ARTIKEL Schmerztherapie
Lebensqualität mit der richtigen Begleitung
Krebspatienten haben oft mit schlimmen Schmerzen zu kämpfen – das muss nicht sein.
VON LENA WINTHER
W
er die Diagnose Krebs bekommt,
bei dem kommt existenzielle
Angst auf. Sie ist der Beginn eines
Überlebenskampfes, und jeder Betroffene weiß, dass ihm eine Menge
Leid bevorsteht. Besonders groß ist
die Angst vor Schmerzen. Diese können mitunter sogar so demoralisierend
wirken, dass sie eine Verschlechterung
des Zustands zur Folge haben. Körper,
Geist und Seele gehören eben zusammen und daher ist es wichtig, alle zu
stärken. Dazu gehört unter anderem
eine angemessene und individuelle
Schmerztherapie.
Was tun, wenn es wehtut?
Eigentlich haben Schmerzen durchaus
ihren „Sinn“. Unsere Schmerzrezeptoren dienen unserem Körper als eine
Art Warnsystem gegen Gefahren. Über
das Rückenmark wird der Schmerzreiz
ins Gehirn transportiert. Dabei ist die
Schmerzempfindung bei jedem Menschen einzigartig, allein schon, weil
die Verarbeitung über das Rückenmark unterschiedlich programmiert
GASTBEITRAG
ist. Krebspatienten haben oft durch
den eigentlichen Tumor Schmerzen,
etwa, wenn Knochenmetastasen entstanden sind. Auch können Schmerzen im betroffenen Organ oder in den
Nerven entstehen. Hinzu kommen Folgeerscheinungen von Medikamenten
und Operationen oder Überempfindlichkeiten durch Strahlentherapien.
Egal, welche Ursache die Schmerzen
haben, sollten sie nie heruntergespielt,
sondern angemessen therapiert werden. Das geht vor allem durch die
Dokumentation des Schmerzes und
den offenen Dialog zwischen Arzt
und Patient. Über Fachorganisationen und Krankenkassen können auch
Schmerztagebücher bezogen werden,
was dem Arzt eine Behandlung oder
gegebenenfalls Überweisung erleichtert. Neurologische Untersuchungen
können die Ursachen abklären – dann
ist durchaus eine Verabreichung von
morphinhaltigen Medikamenten sowie
von Präparaten, die bei plötzlichen
Schmerzschüben helfen, zu erwägen.
Sehr wichtig ist auch das Einbeziehen
der Angehörigen. Ihnen fällt es zwar
schwer zu akzeptieren, dass der ge-
liebte Mensch Schmerzen hat, doch
schlimmer leiden sie, wenn sie nicht
aufgeklärt sind.
Der Schmerz muss nicht
ertragen werden
Bei Krebspatienten kommt allerdings
oft auch die Psyche ins Spiel: Sie empfinden große Angst, und diese erzeugt
oder verstärkt oftmals den Schmerz. So
können regelrechte Phantomschmerzen entstehen, die völlig unnötig sind.
Umso wichtiger sind auch hier Transparenz und Aufklärung. Psychothera-
peutische Gespräche, etwa mit einem
speziell ausgebildeten Psychoonkologen, können Ängste lösen und Hoffnung schaffen.
Aber ganz egal, ob psychische oder
körperliche Faktoren die Beschwerden
auslösen, gilt die Formel: Schmerzen
sollten frühzeitig bekämpft werden.
Der Patient leidet schließlich schon
genug unter seiner Erkrankung, daher
ist eine medikamentöse wie auch psychologische Schmerzbegleitung dringend notwendig – und das am besten,
sobald die Schmerzen auftreten. n
Schmerzen müssen angemessen therapiert werden.
Tumorschmerzen
Besser leben mit Krebs
B
is zu 80 Prozent der Krebspatienten leiden an Schmerzen. In
der Regel können diese mit Schmerzmedikamenten gelindert werden. Bei
vielen Patienten treten aber zusätzlich
Schmerzspitzen auf. Damit diese richtig erkannt und wirksam behandelt
werden können, ist ein guter Informationsfluss zwischen Patient und Arzt
notwendig. Mit besonders schnell und
kurz wirkenden, starken Schmerzmitteln (Opioiden) können Schmerzspitzen heute gut kontrolliert werden. Die
Lebensqualität der Betroffenen verbessert sich dadurch erheblich.
Trotz gut behandelter Grundschmerzen leiden Krebspatienten häufig unter
Schmerzattacken. Im Durchschnitt
vier Mal täglich treten diese plötzlich
und oft ohne erkennbaren Grund auf.
Sie erreichen innerhalb weniger Minuten ihre maximale Stärke und klingen
im Durchschnitt nach einer halben
Stunde wieder ab. Mit einer höher dosierten Gabe der Basis-Schmerzmittel
lassen sich diese Schmerzspitzen oft
nur ungenügend und unter dem Risiko
vermehrter Nebenwirkungen abfangen. Daher ist die Lebensqualität von
Krebspatienten durch Schmerzspitzen
oft sehr beeinträchtigt.
Effektive Behandlung von
Schmerzspitzen bei
Krebspatienten
Wenn der Patient unter plötzlich auftretenden
Schmerzattacken leidet, sollte er zusätzlich zu
seinem normalen Schmerzmittel ein Medikament gegen diese Schmerzspitzen einnehmen.
In der Regel erhalten Krebspatienten gegen
ihre Schmerzen lang wirksame Opioide.
Um die Situation zu verbessern, sollten
Patienten solche Schmerzen beim behandelnden Arzt offen ansprechen. „Je
genauer Patienten ihre Symptome im
Gespräch mit dem Arzt beschreiben,
desto einfacher fällt die Diagnose von
Schmerzspitzen“, bestätigt Professor
Dr. Frank Elsner, kommissarischer Direktor der Klinik für Palliativmedizin
an der Uniklinik Aachen.
Nützliches Schmerztagebuch
Für eine genaue Beschreibung der
Schmerzen ist ein Schmerztagebuch
hilfreich. Darin notiert der Patient den
zeitlichen Verlauf, die Stärke, die be-
troffene Körperstelle und die Art der
Schmerzen. Darüber hinaus kann man
darin die Medikamenteneinnahme,
Schlafgewohnheiten, Beweglichkeit,
Verdauung, Stimmung, das Allgemeinbefinden sowie weitere Beschwerden
festhalten. So kann der Arzt sich ein
genaues Bild von der Gesamtsituation
seines Krebspatienten verschaffen.
Sind die Schmerzspitzen erst einmal
erkannt, können sie gezielt behandelt
werden. Damit erhält der Patient ein
Stück seiner Lebensqualität zurück.n
Autor: Christiane Weber,
Apothekerin und Fachjournalistin
Für die Schmerzspitzen gibt es spezielle
Opioide, die direkt über die Mundschleimhaut
resorbiert werden („Express-Opioid“). So
gelangt der Wirkstoff besonders rasch in
den Blutkreislauf und wirkt bereits ab fünf
Minuten nach der Einnahme. Die stärkste
Wirkung stellt sich bei den meisten Patienten
nach maximal 30 Minuten ein. Anschließend
klingt sie schnell wieder ab. Auf diese Weise
wird der zeitliche Verlauf der Schmerzspitzen
von Krebspatienten genau abgedeckt. Durch
den schnellen Wirkeintritt und die hohe Wirksamkeit können plötzliche Schmerzen effektiv
gelindert werden.
Das Express-Opioid ist ausschließlich für
die Behandlung von Schmerzspitzen bei
Krebspatienten mit Basis-Schmerztherapie
zugelassen und muss vom behandelnden Arzt
verordnet werden.
Prostata
Center im
Bildgebende
Institut für
DIAGNOSTIK
Bei Prostatakrebs:
Behandlung ohne Impotenz und Inkontinenz.
Warum die Prostata entfernen, wenn es möglich ist, die Krebsherde in der Prostata zu lokalisieren
und gezielt zu zerstören? Und dabei Nebenwirkungen wie Impotenz und Inkontinez zu vermeiden.
Step 1: Präzise Diagnostik
Nachweis und Lokalistaion der Krebsherde erfolgen
nicht-invasiv mit Magnetresonanz-Tomographie (MRT)
und –Spektroskopie (MRS), mit hoher Treffsicherheit
und Ortsauflösung. Gewebecharakterisierung (Gleason
Score) und Therapieplanung basieren auf 3D-Mapping
mit MRT-gesteuerter und transperinaler Biopsie –
schmerzfrei und ohne Infektionsrisiko.
Step 2: Fokale Therapie
Gezielte Zerstörung der Karzinomherde mit dem
NanoKnife® (Irreversible Electroporation) - mit
minimaler Schädigung der gesunden Prostataanteile.
Im Gegensatz zu anderen Behandlungsverfahren werden
Zellen selektiv zerstört - wichtige Gewebeanteile
wie Gefäße und Nerven bleiben erhalten. Impotenz
und Inkontinenz werden vermieden, ebenso wie
Wundschmerzen und Narbenbildung. Die Behandlung
ist in der Regel innerhalb von 24h abgeschlossen. Rehaund Nachsorgebehandlungen sind nicht erforderlich.
Fragen Sie die Experten im ProstataCenter.
Wir beraten Sie gerne, auch in Bezug auf alle
anderen Diagnose- und Behandlungsverfahren bei
Prostatakrebs – unverbindlich und objektiv.
Prostata-Center:
Innovativ – interdisziplinär – international
Leitung: Prof. Dr.mult. M. K. Stehling
Adjunct Associate Professor of Radiology
Boston University School of Medicine
Privatdozent an der LMU München
im Alpha-Haus
Strahlenberger Straße 110
63067 Frankfurt am Main –
Offenbach
Telefon +49 (0) 69 / 50 50 00 90
Internet www.prostata-center.de
E-Mail [email protected]
Nebenwirkungen, u.a. Impotenz und Inkontinenz, sind abhängig von individuellen Faktoren des Patienten, u.a. des Stadiums des Prostatakarzinoms. Vor jeder Behandlung sollten Sie sich deshalb ausführlich beraten
lassen, auch in Bezug auf die S3 Leitlinie Prostatakarzinom.
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