Nr. 14 - Juli 2008 - Asklepios Kliniken

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med tropole
Nr. 14 Juli 2008
IMPLANTIERBARE MITTELOHRHÖRSYSTEME
Operative Rekonstruktion des Gehörs ...
GRENZEN DER CHEMOTHERAPIE –
und ihre Überwindung durch neue Substanzen
FIBROMYALGIE –
ein psychosomatisches Krankheitsbild?
Aktuelles aus der Klinik
für einweisende Ärzte
Editorial
Impressum
Liebe Leserinnen und Leser,
Redaktion
Jens Oliver Bonnet
(verantw.)
Prof. Dr. Christian Arning
PD Dr. Oliver Detsch
Dr. Birger Dulz
PD Dr. Siegbert Faiss
Dr. Christian Frerker
Dr. Annette Hager
Dr. Susanne Huggett
Prof. Dr. Uwe Kehler
Dr. Jürgen Madert
Dr. Ulrich Müllerleile
Dr. Ursula Scholz
PD Dr. Gunther Harald Wiest
Prof. Dr. Gerd Witte
Cornelia Wolf
Herausgeber
Asklepios Kliniken
Hamburg GmbH
Unternehmenskommunikation
Rudi Schmidt V. i. S. d. P.
Rübenkamp 226
22307 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-82 66 36
Fax (0 40) 18 18-82 66 39
E-Mail:
[email protected]
Auflage: 15.000
Erscheinungsweise:
4 x jährlich
ISSN 1863-8341
die 14. Ausgabe der medtropole ist ein gutes Beispiel für das
Selbstverständnis der Macher dieser Zeitung: Information
und Fortbildung in einer Vielschichtigkeit zu bieten, die der
Vielschichtigkeit des Angebotes der Asklepios Kliniken Hamburg und des Bedarfes der Metropole Hamburg entspricht.
Und dies praxisnah, damit der Grundsatz „heute gehört –
gelesen, morgen in der Praxis umgesetzt“ erreicht wird. Ein
Garant für dieses Ziel sind die Autoren der Artikel: Es sind
Spezialisten ihres Faches, deren Hauptarbeit in der Patientenversorgung liegt
und die daher auch wissen, wo die Kernpunkte und Wichtigkeiten liegen.
In dieser Ausgabe beschäftigen sich zwei Artikel mit Erkrankungen von Sinnesorganen. Der Beitrag „Retinale Venenverschlüsse“ aus der Asklepios Klinik Nord
zeigt praxisnah die notwendige Diagnostik und die Therapie. Der Beitrag über
implantierbare Mittelohrhörsysteme zur operativen Rekonstruktion des Gehörs
aus der Asklepios Klinik Altona beleuchtet moderne, innovative Techniken.
Dem Trend zur minimal invasiven Operation sind zwei Artikel gewidmet: die
Therapie des Endometriumkarzinoms mittels minimal invasiver, laparoskopischer Hysterektomie aus der Asklepios Klinik Nord und der perkutane Aortenklappenersatz aus dem Hanseatischen Herzzentrum in der Asklepios Klinik
St. Georg. Beide Artikel zeigen, wie schnell innovative Techniken ihren Weg aus
Entwicklungs- und Experimentierlabors in die Patientenversorgung machen.
Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem Krankheitsbild der Fibromyalgie, der
Notfalldiagnostik bei transitorisch ischämischer Attacke und einer interessanten
Kasuistik aus dem Bereich der Urologie.
Das CME-Thema kommt, wie schon in der vorigen Ausgabe, aus der Asklepios
Klinik Barmbek: Dr. Müllerleile, Chefarzt der Onkologie und Palliativmedizin,
hat seinen Artikel überschrieben mit „Grenzen der Chemotherapie und ihre
Überwindung durch neue Substanzen“. Ergänzend und gut passend hierzu der
Hintergrundartikel Historie der Zytostatika – von der Tragödie zur Therapie.
Eine Übersicht über die zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen der Asklepios
Kliniken finden Sie übrigens unter www.asklepios.com/aerzteakademie und –
für das III. Quartal – auf der Rückseite des beiliegenden CME-Fragebogens.
Es würde uns freuen, wenn die Angebote der Asklepios Kliniken Hamburg, sei
es als Fortbildungsveranstaltung oder als Ausgabe der medtropole, Ihr Interesse
und Ihre Wertschätzung fänden.
Herzlichen Gruß
Ihr
PD Dr. Karl Wagner
Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik Barmbek
Chefarzt der Nephrologie/Diabetologie
Inhalt
548 | HALS-NASEN-OHRENHEILKUNDE
Implantierbare Mittelohrhörsysteme –
Innovative Techniken zur operativen Rekonstruktion des Gehörs
552 | GYNÄKOLOGIE
Endometriumkarzinom – die totale laparoskopische Hysterektomie:
Ein Ausweg aus der Misere!
S. 552
556 | NEUROLOGIE
Die „TIA unit“ verhindert Schlaganfälle
558 | PSYCHOSOMATIK
Fibromyalgie –
ein psychosomatisches Krankheitsbild?
S. 558
561 | PERSONALIA
Dr. Ralf Bader
PD Dr. Marc Schult
562 | ONKOLOGIE
Grenzen der Chemotherapie –
und ihre Überwindung durch „neue Substanzen“
566 | UROLOGIE
Adenokarzinom der Harnblase –
primär oder sekundär?
569 | KARDIOLOGIE/KARDIOCHIRURGIE
Perkutaner Aortenklappenersatz –
Eine neue Therapieoption für die hochgradige Aortenklappenstenose
572 | AUGENHEILKUNDE
Retinale Venenverschlüsse
576 | GESCHICHTE DER MEDIZIN
Zytostatika –
Von der Tragödie zur Therapie
S. 576
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Implantierbare Mittelohrhörsysteme
Innovative Techniken zur operativen Rekonstruktion des Gehörs
Prof. Dr. Thomas Grundmann
Das Gehör ist für den Menschen die Sinneswahrnehmung mit dem höchsten Informationsgehalt. Entsprechend
führen Störungen des Hörens sehr früh zu einer Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit. In der Bundesrepublik leiden zurzeit 14 Millionen Menschen unter einer Schwerhörigkeit. Erfolgt keine funktionelle Korrektur,
können bei Kindern Sprachentwicklungsstörungen resultieren. Beim Erwachsenen führt die unbehandelte Schwerhörigkeit zur zunehmenden sozialen Isolation. Derzeit erfolgt die funktionelle Wiederherstellung des Gehörs
mittels apparativer Hörhilfen, die dank der Fortschritte in der Mikroelektronik auch das selektive Gehör (Hören
im Störschall) wiederherstellen können.
Die meisten Patienten mit einer Schwerhörigkeit lassen sich mit konventionellen
Hörgeräten gut rehabilitieren. Dies betrifft
überwiegend leichte bis mittelgradige
Schwerhörigkeiten. Bei kompletter Ertaubung und noch funktionstüchtigem Hörnerven können Innenohrimplantate
(Cochlea Implants) die elektrischen Signale
direkt tonotopisch auf den Hörnerven
übertragen und so ein kommunikationstaugliches Gehör ermöglichen. Im Bereich
hochgradiger Schwerhörigkeit stoßen konventionelle Hörgeräte aufgrund der Technik der Schallübertragung schnell an ihre
Grenzen. Da solche konventionellen Hörgeräte (konvHG) die verstärkten elektrischen Signale in Schallenergie umwandeln,
ergeben sich hierfür Einschränkungen bei
bestimmten anatomischen Umständen. Für
diese Indikationen wurden implantierbare
Hörgeräte (ImplHG) entwickelt, die einen
alternativen Übertragungsweg der verstärkten Schallsignale nutzen.[3]
548
Während die elektrischen Signale bei konventionellen Hörgeräten direkt in Schallenergie umgewandelt und auf das Trommelfell beziehungsweise die dahinter
folgende Schallkette des Mittelohres übertragen werden, erfolgt die Signalübertragung bei den ImplHG durch mechanische
Vibrationen, welche direkt auf Strukturen
der Hörknöchelchenkette oder den Schädelknochen (knochenverankerte Hörgeräte,
BAHA) übergeleitet werden. Hierzu sind
zwei unterschiedliche Wandlertypen üblich:
elektromagnetische und piezoelektrische
Wandler. Sie unterscheiden sich im Energieverbrauch und im Verzerrungsfaktor.
Die mechanoakustischen Vorteile der
ImplHG liegen im Vergleich zu den
konvHG in der Verringerung der Klangverzerrung und damit besseren Klangqualität und differenzierten Spracherkennung.[3]
Dass einige ImplHG komplett unter die
Haut in den Schädelknochen integriert
werden können, bedeutet für viele Patienten einen nicht unerheblichen ästhetischen
Anreiz für diese Technik, was jedoch eine
untergeordnete Rolle spielt. Bei bestimmten Veränderungen im Bereich des Gehörganges und des Mittelohres, wie Gehörgangsentzündungen, Fehlbildungen oder
Vernarbungen im Bereich der Gehörknöchelchenkette, stellt das implantierbare
Hörsystem die einzige Möglichkeit einer
Hörversorgung dar, da es direkt an funktionstüchtige Reste der Schallübertragung
im Mittelohr ankoppelt.[2]
Technik implantierbarer Hörgeräte
Seit mehr als fünf Jahren werden mittelohrimplantierbare Hörgeräte in Deutschland
in spezialisierten HNO-Kliniken implantiert. Die Geräte unterscheiden sich in der
Art der implantierbaren Komponenten und
in der Lokalisation der Schallübertragung.
Bei halbimplantierbaren Systemen (MedEl)
befinden sich der Prozessor und der Transducer (Schallüberträger, Vibrationsgeber)
unter der Haut, während Mikrofon und
Batterie wie bei den konventionellen Hörgeräten im Bereich des äußeren Ohres plat-
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Abb. 2: Operativer Zugang zum
Mittelohr: Hohe Antrotomie, die
den Ambosskörper und Hammerkopf darstellt. Am Boden der Labyrinthblock mit dem horizontalen
Bogengang
Abb. 3: Fixation der Überträgerbefestigung, die eine exakte Justierung des Überträgers auf die Kette
ermöglicht
Abb. 1: Vollimplantierbares Mittelohrhörsystem: Alle Komponenten
wie Mikrofon, Prozessor mit Ladespule und Überträger sind unter der
Kopfhaut in den Schädelknochen integriert. Das System überträgt die
verstärkten elektrischen Reize als Vibrationen auf den Ambosskörper
der Hörknöchelchenkette
ziert werden. Die Vorteile liegen in der
Möglichkeit des naturnahen Schallempfangs durch Platzieren des Mikrofons im
Gehörgang sowie der geringeren Größe
des zu implantierenden Anteiles. Vollimplantierbare Hörsysteme verlagern alle
Komponenten unter die Haut in spezielle
Knochenlager im temporalen Schädelknochen. Die Bedienung und Einstellung des
Gerätes erfolgt von extern über eine Funkstation. Die ebenfalls implantierte Batterie
des Gerätes muss bei normaler Nutzungsdauer täglich über eine auf die Kopfhaut
gebrachte Spule für etwa eine Stunde aufgeladen werden.
Zur Schall-(Vibrations-)Übertragung wurden bislang verschiedene Teile der Gehörknöchelchenkette gewählt. Bei intakter
Kette kann der Transducer an den langen
Ambossschenkel, ähnlich einer Stapesprothese, geklemmt oder direkt an den
Ambosskörper über eine Laserbohrung
gekoppelt werden (Abb. 1).[1,4,5] Unklar ist,
inwieweit bei der ersten Technik der
Klemmprothese über einen längeren Zeitraum der sehr fragile Ambossschenkel
arrodiert werden kann. Bei unterbrochener
Gehörknöchelchenkette kann die Vibrationsübertragung auch auf schwingende
Reste des Mittelohres gebracht werden, die
eine Übertragung auf das Innenohr ermöglichen. Solche anatomischen Zustände finden wir bei Fehlbildungen des Mittelohres
oder nach Mittelohroperationen, bei denen
Teile der Kette entfernt werden mussten.
Vibrationsübertragungen sind in diesen
Fällen auf noch schwingungsfähige Komponenten wie den Steigbügel, die Fußplatte in der ovalen Nische oder auf das Runde
Fenster möglich.[2]
Patienten und Methodik
In der HNO-Abteilung der Asklepios Klinik
Altona werden seit zwei Jahren implantierbare Mittelohrhörsysteme verwendet. Seit
2006 wurden sieben Patienten mit einem
vollimplantierbaren Hörsystem der Firma
Otologics vom Typ Carina versorgt. Dabei
wird das gesamte System (Mikrofon, Prozessor mit aufladbarer Batterie, Überträger) unter die Kopfhaut implantiert. Die
Vibrationsübertragung erfolgt direkt auf
den Ambosskörper (Abb. 1). Hierzu wird
zunächst die Kette über eine hohe Antrotomie dargestellt, sodass Amboss und Hammer, ähnlich wie zur operativen Lösung
einer Hammerkopffixation, gut überschaubar sind (Abb. 2). Der Überträger wird am
Schädelknochen osteosynthetisch durch ein
Titangerüst fixiert und an einer Laserbohrung in den Ambosskörper adaptiert (Abb.
3 und 4). Der optimale Anpassdruck lässt
sich direkt intraoperativ über eine Computersimulation einstellen. Mikrofon und Prozessor werden in vorbereiteten Knochenla-
549
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Abb. 4: Bohrung im Ambosskörper (gelber Pfeil) mit
Abb. 5: Position der Komponenten des vollimplantierbaren Hörsystems vor Abschluss der Operation
einem Diodenlaser
gern integriert, wobei die Kopfschwarte
über dem Mikrofon und der Ladespule
eine minimale Dicke von 5 mm haben
sollte. Die Kabelverbindungen werden
in gebohrten Knochenkanälen versenkt
(Abb. 5 und 6). Die Funktionstüchtigkeit
aller Komponenten wird intraoperativ
mehrfach getestet.
Die Indikationen für die Implantationen
waren in fünf Fällen hochgradige Innenohrschwerhörigkeiten, die mit konventionellen Hörgeräten ungenügend oder gar
nicht eingestellt werden konnten. Bei zwei
Patienten bestanden kombinierte Mittel-/
Innenohrschwerhörigkeiten durch angeborene Fehlbildungen beziehungsweise Voroperationen, die eine Ankopplung des Systems an die Steigbügelfußplatte oder an
das Runde Fenster notwendig machten
(Abb. 7a und b).[5] Die Patienten blieben
nach den im Schnitt dreistündigen Eingriffen zwei Tage unter stationärer Beobachtung. Acht Wochen nach der Operation
wurden dann die Geräte eingeschaltet und
550
zusammen mit einem Audiologen über
mehrere Sitzungen angepasst.
Fazit
Implantierbare Mittelohrhörsysteme schließen eine Lücke in der Versorgung von
Innen- und Mittelohrschwerhörigkeiten.
Der direkte Übertragungsweg der verstärkten elektrischen Signale auf übertragungsfähige Strukturen des Mittelohres (Knöchelchenkette, Rundfenstermembran) ermöglicht
zum einen höhere Schallverstärkungsleistungen, zum anderen besteht die Möglichkeit der besseren Signalübertragung bei
strukturellen Veränderungen im Mittelohr
oder Gehörgang. Die Vorteile dieses Systems liegen damit in der besseren Signalübertragung sowie in der Optimierung der
Hörversorgung bei kombinierten Schallempfindungs- und Schallleitungsschwerhörigkeiten. Ungehindert dessen steht am
Anfang jeder Versorgung einer Schwerhörigkeit das konventionelle Hörgerät. Erst
bei ungenügender Hörrehabilitation oder
bei lokalen Hörgeräteunverträglichkeiten
(chronische Otitis externa) sollte, in enger
Absprache mit dem betreuenden Akustiker, die Indikation für ein implantierbares
Mittelohrhörsystem getroffen werden.
Kosmetische Aspekte sollten bei dieser
Entscheidung keine Rolle spielen, auch
wenn viele Patienten das Stigma des sichtbaren Hörgerätes durch ein implantiertes
Gerät kaschiert sehen möchten.
Absolute Indikationen für implantierbare
Hörgeräte sind Fehlbildungen des Mittelohres, bei denen eine Schallübertragung
nur noch auf das Runde Fenster möglich
ist, und die Hörgeräteinkompatibilität aufgrund mechanisch verstärkbarer, chronischer Gehörgangsentzündungen. Nachteilig bei den implantierbaren Hörsystemen
sind der operative Aufwand mit den Risiken der Implantatunverträglichkeit sowie
die immer noch begrenzte Lebensdauer
der Batterien von derzeit 10 bis 15 Jahren.
Bei korrekter Indikation stellen implantierbare Hörsysteme aber eine wertvolle
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Abb. 6: Lage der implantierten Komponenten im
Abb. 7a: Alternativer Übertragungsweg auf die Membran des Runden Fensters bei fehlenden Kontaktstrukturen der
Schädelknochen (postoperative Röntgenkontrolle)
Hörknöchelchenkette
Ergänzung in der Versorgung von hochgradigen Innenohr- und kombinierten
Schwerhörigkeiten dar.
Kontakt
Prof. Dr. Thomas Grundmann
Literatur
Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1
22763 Hamburg
[1] Dazert S, Shehata-Dieler WE, Dieler R, Helms J.
Das Mittelohrimplantat „Vibrant Soundbridge“ zur
Hörrehabilitation bei sensorischer Schwerhörigkeit.
Laryngorhinootologie. 2000; 79: 459-64.
Tel. (0 40) 18 18-81 17 41
Fax (0 40) 18 18-81 49 14
[2] Kiefer J, Arnold W, Staudenmaier R. Round window
stimulation with an implantable hearing aid (sound bridge)
combined with autogeneous reconstruction of the auricle –
Abb. 7b: Rundfensterüberträger in Originalgröße
E-Mail: [email protected]
a new approach. ORL J Otorhinolaryngol Relat Spec.
2006; 68(6): 378-85.
[3] Leuwer R. Die apparative Versorgung der Schwerhörigkeit: Konventionelle und implantierbare Hörgeräte.
Laryngorhinootologie. 2005; 84: 51-9.
[4] Spindel JH. Middle ear implantable hearing devices.
Am J Audiol. 2002; 11: 104-13.
[5] Zenner HP, Limberger A, Baumann JW, et al. Phase II
results with a totally implantable piezoelectric middle ear
implant: speech audiometry spatial hearing and psychosocial adjustment. Acta Otolaryngol. 2004; 124: 155-64.
551
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Endometriumkarzinom – die totale laparoskopische Hysterektomie:
Ein Ausweg aus der Misere!
Dr. Alexander Braun, Dr. Ingo von Leffern
Die Häufigkeit des Endometriumkarzinoms steigt stetig, die betroffenen Frauen sind meist adipös und in fortgeschrittenem Alter. Gleichzeitig nimmt das Problem der operativen kurativen Therapie bei steigender Adipositasfrequenz und Lebenserwartung zu. Adäquate laparoskopische Eingriffe ermöglichen eine schonende Lösung bei
gleichzeitig stadiengerechter Therapie. Das Endometriumkarzinom ist in den westlichen Ländern das häufigste
Genitalkarzinom der Frau. Pro Jahr erkranken weltweit 142.000 Frauen daran, 42.000 sterben.
Das Problem
Wesentliche Risikofaktoren
des Typ I Endometriumkarzinoms
Risikofaktor Nummer 1 ist die Adipositas,
außerdem das hohe Alter neben vielen
anderen (Tab. 1). Entsprechend der demographischen Entwicklung nimmt die Inzidenz der Erkrankung kontinuierlich zu.
Beide Risikofaktoren bedeuten für Operationen einen deutlich erhöhten Risiko- und
Schwierigkeitsgrad. Hinzu kommt, dass
das Endometriumkarzinom relativ früh
lymphogen streut, abhängig von der Eindringtiefe in die Uteruswand und dem
Tumor-Grading. Der Lymphknotenbefall
findet in gleicher Weise pelvin wie paraaortal statt. Daraus ergibt sich neben der
Hysterektomie und Adnektomie beidseits,
dass ab dem Stadium 1C oder dem Grading G3 die Lymphknoten immer pelvin
und paraaortal systematisch entfernt werden müssen. In diesen Fällen sind bereits
bei mehr als 15 Prozent der Frauen Lymphknoten befallen. Das größte Problem ist
aber, dass die endgültige Stadieneinteilung
■
■
■
■
552
Adipositas
Metabolisches Syndrom
Diabetes mellitus
Langzeiteinnahme von Östrogenen
ohne Gestagenschutz
■ Tamoxifentherapie
■ Frühe Menarche, späte Menopause
Tab. 1
und das Grading nur am entnommenen
Uterus festgelegt werden können. Schnellschnittuntersuchungen erlauben keine
sichere Diagnose. Konsequenterweise
müssten also alle Frauen maximal invasiv
mit Längsschnitt bis unter das Sternum
hysterektomiert, adnektomiert und die
Lymphknoten pelvin und paraaortal entfernt werden. Auf diese Weise würde ein
Drittel der Patientinnen übertherapiert!
Die Alternative wären zwei Bauchschnitte,
zuerst Hysterektomie und Adnektomie
beidseits mit klassischer Histologie, dann
eventuell später die Lymphonodektomie.
Doch dies verbietet sich aufgrund des
deutlich erhöhten Risikos zweier belastender Eingriffe.
Die Lösung
Mit einer totalen laparoskopischen Hysterektomie (LSK HE) mit Adnektomie beidseits unter onkologisch korrekten Kautelen
können auch ältere und adipöse Patientinnen minimal invasiv, schonend und kurzstationär operiert werden. Der Histopathologe legt eine genaue Stadieneinteilung am
Präparat fest und es folgt leitliniengerecht
im Stadium 1A, 1B und Grading G1 und
G2 keine weitere operative Therapie. Ab
Stadium 1C oder G3 erfolgt dann ebenfalls
kurzstationär eine laparoskopische pelvine
und paraaortale Lymphonodektomie. Ist
eine Patientin nicht für eine Laparoskopie
geeignet, kann selbstverständlich auch per
Laparotomie lymphonodektomiert werden.
Gynäkologie
Abb. 1: (v. l.) Instrumentierschwester, 1. Assistenz, 2. Assistenz, Operateur
Die Technik
Die laparoskopische totale Hysterektomie
stellt eine schonende Alternative zum vaginalen oder abdominalen Vorgehen dar. Sie
bietet sich an, wenn beide Eierstöcke sicher
mitentfernt werden sollen oder ein Adnexbefund vorliegt. Auch Nulliparität und
Zustand nach Sectio sind Indikationen für
diesen Eingriff. Die belastendere abdominelle Hysterektomie wird vermieden, die
OP-Zeit ist vergleichbar. Enge vaginale
Verhältnisse sind kein Problem. In unserer
Klinik wurde die LAVH komplett durch
die laparoskopisch totale Hysterektomie
ersetzt.
Die Technik der totalen LSK HE gleicht der
klassischen Laparoskopie. Allerdings kommt
ein dritter Arbeitstrokar hinzu. Beim Endometriumkarzinom sollte der Gebrauch des
Portioadapters (nach Hohl) vermieden
werden. Die Tuben werden zu Beginn verschlossen, Adnexe und Uterus werden
bipolar von den versorgenden Strukturen
abgesetzt und es wird unter Schonung des
Ureters auf die Scheide zu präpariert.
Schließlich werden die Cervix von der
Scheide abgesetzt und Uterus samt Adnexe
aus der Scheide über eine an der Portio
befestigte Kugelzange entfernt. Die Scheide
wird anschließend durch Einzelknopfnähte
laparoskopisch verschlossen. Intraoperativ
wird die Möglichkeit einer späteren laparoskopischen Lymphonodektomie mitbeurteilt.
Ist die Lymphonodektomie schon nach der
Abrasio indiziert (z. B. bei einem G3-Tumor
oder einem Typ-2-Karzinom), kann in
geeigneten Fällen die komplette Operation
primär laparoskopisch in einer Sitzung
erfolgen.
Strukturen im Bereich der großen Gefäße
siebenfach vergrößert dargestellt werden
und das Kapnoperitoneum zusätzlich die
zu präparierenden Schichten trennt.[5]
Das Setting ist auf den Abbildungen 1 und
2 zu erkennen: Drei 5-mm-Arbeitstrokare
im Unterbauch, die Kamera umbilikal und
ein vierter 10-mm-Arbeitstrokar unter dem
Rippenbogen links ermöglichen eine
Präparation von links caudal nach rechts
cranial. Zwei Monitore stehen links und
rechts der Patientin. Über den 10-mmArbeitstrokar wird das eröffnete Peritoneum zeltartig aufgespannt, sodass
Lymphknoten- und Fettgewebe der großen
Gefäße unter optimaler Sicht gewonnen
und über den großen Trokar asserviert
werden können (Abb. 3).
Die Technik der laparoskopischen Lymphonodektomie ist nach einer gewissen Lernkurve ebenfalls sehr elegant. Sie ist blutungs- und verletzungsarm, da die feinen
553
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Ätiologie
Die zwei Typen des Endometriumkarzinoms:
Typ 1: östrogenabhängige Karzinome
(85 % der Korpuskarzinome)
Kamera
Typ 2: östrogenunabhängige seröse oder klarzellige
Karzinome (15 % der Korpuskarzinome)
Die Entstehung des Typ-1-Karzinoms beruht auf
einem endogenen oder exogenen Östrogenstimulus.
So entsteht von der einfachen Endometriumhyperplasie über die Hyperplasie mit Atypien das hoch
differenzierte endometroide Adenokarzinom. Die
Hormonabhängigkeit verliert sich bei den entdifferenzierten Karzinomen (G3) oft.
Das Typ-2-Karzinom entsteht meist aus einem atrophischen Endometrium heraus und ist sehr aggressiv. Diese Zellen exprimieren keine Östrogen- oder
Progesteronrezeptoren. Die Frauen sind oft schlank
und älter, eine Vorbestrahlung des Uterus ist ein
Risikofaktor.
10 mm-Trokar
Drei 5 mm-Arbeitstrokare
Abb. 2: Operatives Setting bei der laparoskopischen Lymphonodektomie
Sicherheit
Adjuvante Therapie
Nach vorliegenden Studien[4,6,7,8,10,11,12] ist
die laparoskopische Methode zur Therapie
des Endometriumkarzinoms gleich sicher
dem offenen Verfahren.[2,9,13] Bei multimorbiden Patientinnen zeigt sie sogar eine
bessere Prognose.[3] Voraussetzungen sind
optimale Planung, operatives Setting und
große Erfahrung in der operativen Laparoskopie. Auch beim laparoskopischen Vorgehen erfolgt die Therapie leitliniengerecht.[1]
Die Empfehlung für die adjuvante Therapie
ist heute die Brachytherapie der Scheide für
die Stadien > pT1a oder > G1. Sie senkt die
Lokalrezidivrate in der Scheide, hat aber
auf die Mortalität keinen Einfluss. Patientinnen mit Lymphknotenbefall oder fortgeschrittenen Stadien profitieren nach neuesten Studien[14] von einer systemischen
Chemotherapie. Die Schemata gleichen
denen des Ovarialkarzinoms. Am deutlichsten ist der Nutzen für Patientinnen mit
Typ-2-Endometriumkarzinom. Eine adjuvante hormonelle Therapie mit Gestagenen
hat keinen Vorteil, sie erhöht sogar die
Gesamtmortalität. Nur fertilitätserhaltend
therapierte Patientinnen und solche mit
ausgedehnten Metastasen in der palliativen Situation profitieren von der Hormontherapie mit Medroxyprogesteronacetat.
Literatur
[1] Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Geburtshilfe
und Gynäkologie 2008.
[2] Schneider A, Possover M, Kühne-Heid R, Krause N.
Laparoskopische paraaortale und pelvine Lymphonodektomie. Gynäkologe.1997; 30: 483-99.
[3] Tozzi R, Malur S, Koehler C, Schneider A. Analysis of
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[4] Janda M, Gebski V, Forder P, Jackson D, Williams G,
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[5] Volpi E, Ferrero A, Jacomuzzi ME, et al. Laparoscopic
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[6] Tozzi R, Malur S, Koehler C, Schneider A. Laparoscopy
versus laparotomy in endometrial cancer: first analysis of
survival of a randomized prospective study. J Minim Invasive Gynecol. 2005; 12(2): 130-6.
554
Gynäkologie
Chorda umbilicalis
A. iliaca externa
Aorta
N. Obturatorius
Vana cava
Bergebeutel
Fossa Obturatoria
N. Obturatorius
A. mesenterica inferior
Abb. 3: Situs bei pelviner Lymphonodektomie
Abb. 4: Darstellung der großen Gefäße während der Lymphonodektomie
HSK, Abrasio
keine weitere OP
Planung der OP
Alle Typ 2, LSK nicht möglich
(Vor-OPs), Pat. wünscht
einzeitiges Vorgehen
Stadium 1A, 1B und G1,
G2 bei Typ 1-Karzinom
Totale LSK HE u AE bds
onkologisch korrekt
Stadium 1C oder G3
bei Typ 1-Karzinom
Längs-Laparotomie, HE u AE bds,
pelvine u paraaortale Lnn.
(evtl. Omentektomie )
Laparoskopische pelvine und
paraaortale Lymphonodektomie
Algorithmus zur operativen Therapie des Endometriumkarzinoms
[7] Querleu D, Leblanc E, Cartron G, Narducci F, Ferron G,
[12] Nezhat F, Yadav J, Rahaman J, Gretz H, Cohen C.
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Analysis of survival after laparoscopic-assisted vaginal
closure of the vagina affect the local recurrence rate?
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[14] Randall ME, Filiaci VL, Muss H, et al. Randomized
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phase III trial of whole-abdominal irradiation versus doxo-
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rubicin and cisplatin chemotherapy in advanced endome-
[9] Grund D, Köhler C, Schneider A, Marnitz S. Die Rolle
trial carcinoma: a Gynecologic Oncology Group Study.
der Laparoskopie in der Behandlung von Frauen mit
J Clin Oncol. 2006; 24(1): 36-44.
Kontakt
Dr. Alexander Braun
Abteilung für Gynäkologie und Brustzentrum
Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Tangstedter Landstraße 400
22417 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-87 31 26
Fax (0 40) 18 18-87 31 27
E-Mail: [email protected]
Endometriumkarzinom. Gynakol Geburtshilfliche
Rundsch. 2006; 46(1-2): 13-24.
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[11] Morelli M, Noia R, Costantino A, et al. Laparoscopic
lymphadenectomy as treatment of endometrial cancer.
Minerva Ginecol. 2007; 59(2): 111-6.
555
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Die „TIA unit“ verhindert Schlaganfälle
Prof. Dr. Christian Arning, Dr. Jürgen Schönwälder
Sofortige Diagnostik und Therapie reduzieren das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit TIA um 80 Prozent: Dieses
Ergebnis der EXPRESS-Studie wurde kürzlich in Lancet publiziert.[1] Voraussetzung sind unverzüglicher Beginn
und schneller Abschluss der Diagnostik, damit die gezielte Sekundärprävention frühzeitig, möglichst innerhalb
von 24 bis 48 Stunden erfolgen kann. Dies gelingt nur bei enger Verzahnung der neurologischen Diagnostik mit
der erforderlichen kardiologischen und radiologischen Zusatzdiagnostik, am besten in einem Zentrum mit
spezieller Organisationsstruktur: der „TIA unit“.
Trotz aller Fortschritte in der Schlaganfallbehandlung durch Lysetherapie und Stroke
unit-Überwachung bleibt die Prävention
die sicherste „Therapie“ des Schlaganfalls.
Bis zu 30 Prozent aller Schlaganfälle kündigen sich durch eine TIA an.[2] Eine kontrollierte Studie hat jetzt gezeigt, dass sofortige
Diagnostik nach einer TIA und die frühzeitige Behandlung ihrer Ursache Schlaganfälle vermeiden können[1]: Die Schlaganfallrate (innerhalb von 90 Tagen nach TIA)
betrug bei ambulanter Diagnostik 10,3 Prozent, bei sofortiger stationärer Diagnostik
aber nur 2,1 Prozent. In der ambulant untersuchten Gruppe dauerte die Diagnostik
länger, sodass die Therapie hier erst nach
durchschnittlich 20 Tagen beginnen konnte. Bei stationärer Diagnostik wurde die
Therapie bereits nach einem Tag eingeleitet.
556
Anforderungen an die Diagnostik
Die neurologische Diagnostik beginnt sofort, ohne Voranmeldung oder Wartezeit.[3]
Damit kardiologische und radiologische
Zusatzuntersuchungen ohne Zeitverlust
erfolgen können, ist die Diagnostik zentral
organisiert. Nach jeder Zusatzuntersuchung müssen die Ergebnisse sofort zur
Verfügung stehen und unverzüglich in den
Diagnostik- und Therapieplan eingefügt
werden. Ob eine TIA oder ein Schlaganfall
vorliegt, zeigt sich bei einigen Patienten
erst im Verlauf, die Aufnahme erfolgt deshalb für beide Patientengruppen gleich:
TIA-Patienten werden initial auf der Stroke
unit überwacht, nicht nur zum Herz-Kreislauf-Monitoring, auch eine Progredienz der
zerebralen Herdstörung wird durch das
Monitoring der neurologischen Funktionen
rasch erkennbar. Abweichungen von den
Abläufen der Stroke unit ergeben sich bei
TIA und kleinem Schlaganfall (minor stroke)
in der Organisation der Zusatzdiagnostik,
die nach einer eigenen Konzeption erheblich beschleunigt erfolgen muss.
Neurologische Diagnostik
Wie bei Schlaganfallpatienten ist zu klären,
ob überhaupt eine akute gefäßbedingte
Störung vorliegt. Mögliche Differenzialdiagnosen sind z. B. fokale Epilepsie, periphere Nervenläsion, Enzephalitis oder
psychogene Störung. Zur Abklärung von
Gefäßstenosen und zum Ausschluss eines
flottierenden Thrombus erfolgt frühzeitig
eine Gefäßsonographie. Aus der neurologischen Befundkonstellation wird bereits
eine vorläufige Einschätzung der wahrscheinlichen Pathogenese vorgenommen
(Beispiele: Aphasie oder Hemianopsie
machen eine Embolie wahrscheinlich, fluktuierende Symptome sprechen für ein
hämodynamisches Problem).
Neurologie
a
b
Abb. 1: Hämodynamisches Infarktmuster – typische
Abb. 2: Territoriales Infarktmuster durch Embolie –
Abb. 3: Mikroangiopathie – a: frischer lakunärer Infarkt
Kette von kleinen Läsionen im Endstromgebiet subkorti-
kortikaler Infarkt bei Verschluss eines peripheren
in typischer Lokalisation (periventrikulär); b: zusätzlich
kal. Hier liegen regelmäßig proximale Stenosen vor
Gefäßastes
Nachweis älterer lakunärer Infarkte. Bei dieser Konstel-
(z. B. A. carotis), die peripheren Gefäße sind offen.
Zerebrale Bildgebung
lation ist keine Emboliediagnostik erforderlich.
Internistische Diagnostik
Kontakt
Möglichst frühzeitig erfolgt ein zerebrales
MRT: Diffusionsgewichtete Serien weisen
auch bei TIA häufig einen Hirninfarkt nach.
Dabei lässt die Lokalisation des Infarkts
auf die Pathogenese schließen. Abb. 1 zeigt
das typische Bild einer hämodynamisch
bedingten Ischämie: Konsequenzen sind
Blutdruckstabilisierung und Prüfung der
Frage, ob eine Revaskularisation proximaler Stenosen (A. carotis) möglich ist. Abb. 2
weist einen kleinen territorialen (embolischen) Infarkt nach: Konsequenz ist hier
die komplette Emboliediagnostik inklusive
TEE. Abb. 3a zeigt einen frischen lakunären Infarkt. Zusammen mit zahlreichen
älteren lakunären Läsionen (Abb. 3b) kann
eine Mikroangiopathie diagnostiziert werden. Hier kommt es auf Optimierung der
Blutdruck- und Stoffwechseleinstellung an,
eine Emboliediagnostik ist nicht erforderlich.
Die internistische Untersuchung einschließlich EKG und Routinelabor erfolgt
wie beim Schlaganfall unter anderem zur
Frage einer Stoffwechsel- oder Elektrolytentgleisung, einer gleichzeitigen koronaren
Ischämie, einer Herzrhythmusstörung,
einer entzündlichen oder hämatologischen
Erkrankung. Bei möglicher Hirnarterienembolie werden Herzecho einschließlich
TEE und Langzeit-EKG durchgeführt.
Fazit
Prof. Dr. Christian Arning
Abteilung für Neurologie
Asklepios Klinik Wandsbek
Alphonsstraße 14
22043 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-83 14 13
Fax (0 40) 18 18-83 16 31
E-Mail: [email protected]
Literatur
[1] Rothwell PM, Giles MF, Chandratheva A et al. Effect of
Die „TIA unit“ als Variante der Stroke unit
optimiert die diagnostischen Abläufe zur
Frage einer gezielten Sekundärprävention.
Dadurch lässt sich eine große Zahl von
Schlaganfällen vermeiden, wie die
EXPRESS-Studie eindrucksvoll gezeigt hat.
urgent treatment of transient ischaemic attack and minor
stroke on early recurrent stroke (EXPRESS study): a prospective population-based sequential comparison. Lancet.
2007; 370: 1432-42.
[2] Hankey GJ, Warlow CP. Treatment and secondary prevention of stroke. Lancet. 1999; 354: 1457-63.
[3] Rothwell PM, Warlow CP. Timing of TIAs preceding
stroke: Time window for prevention is very short. Neurology. 2005; 64: 817-20.
557
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Fibromyalgie –
ein psychosomatisches Krankheitsbild?
Lars C. Lauk
Patienten mit einem Fibromyalgiesyndrom beklagen chronische Schmerzen. Körperliche wie apparative Untersuchungen ergeben meist unauffällige Befunde. Viele Patienten fühlen sich nicht richtig verstanden und suchen neue
Ärzte (durchschnittlich neun bis elf) auf, wodurch neben dem persönlichen Leid auch hohe Kosten entstehen.
Frühere Bezeichnungen waren die generalisierte Tendomyopathie[1] und „Weichteilrheuma“. Dieses chronische multilokuläre
Schmerzsyndrom weist bei Fehlen von
Entzündungsparametern Schmerzen im
Bereich der Muskeln, des Sehnenapparates,
der Ligamente und der periartrikulären
Strukturen auf. Die Arbeitsgruppe des
American College of Rheumatology (ACR)
formuliert eine deskriptive Definition des
Syndroms:[2]
ACR-Definition
■ generalisierte Schmerzen seit mindestens drei
Monaten
■ mindestens 11 von 18 druckschmerzhaften sog.
Tenderpoints
■ Schmerzen in mindestens drei Körperregionen
Vegetative Symptome im kardiovaskulären
und gastrointestinalen Bereich, affektive
Störungen (Angst und Depression) sowie
Schlafstörungen treten häufig auf. Ein
schlechter körperlicher Trainingszustand
bedingt viele der aufgetretenen körperlichen Symptome. Vieles spricht für eine
Schmerzverarbeitungsstörung auf spinaler,
subkortikaler und kortikaler Ebene.[3]
558
Mit einem Verhältnis von 6:1 sind vorwiegend Frauen betroffen. Das Fibromyalgiesyndrom ist bei drei bis vier Prozent der
Frauen der Allgemeinbevölkerung zu finden. Der Erkrankungsbeginn liegt um das
35. Lebensjahr herum mit einem Gipfel um
das Klimakterium.[4]
Klinisch klagen die Patienten meist über
ausgedehnte Schmerzen vorwiegend im
Zervikal- und Lumbalbereich. Schmerzen
im Bereich der Extremitäten sind meist
periartikulären Strukturen und Sehneninsertionsstellen zuzuordnen. Die Patienten
klagen über eine Verschlimmerung der
Schmerzen bei Witterungsumschlag, Kälte
und Nässe, aber auch nach schlechtem
Schlaf oder Stresssituationen. In der körperlichen Untersuchung nimmt man z. T.
ausgeprägte Myogelosen wahr. Neben den
druckschmerzhaften sogenannten Tenderpoints klagen Fibromyalgiepatienten aber
auch über eine allgemeine Senkung der
Schmerzschwelle. Der Krankheitsverlauf
ist sehr individuell und nicht vorhersehbar.
Differenzialdiagnostisch müssen das myofasziale Schmerzsyndrom, blande verlau-
fende Kollagenosen, die Polymyalgia
rheumatica sowie die Poly- oder Dermatomyositis abgegrenzt werden.[5]
Biopsychosoziales Krankheitsmodell
Egle und van Houdenhove[3] unterscheiden
auf dem Boden der wissenschaftlichen
Ergebnisse zwischen
■ genetischen und umweltbezogenen
Vulnerabilitätsfaktoren
■ biologischen und psychosozialen
Auslösemechanismen sowie
■ patientenbezogenen und iatrogenen
Chronifizierungsfaktoren.
Neben genetisch bedingten Gründen führen massiv überfordernde psychosoziale
Belastungssituationen vor allem in der
frühen Kindheit zu einer massiven Glukokortikoidausschüttung, welche eine toxische Schädigung von Hirnbereichen (Hippocampus) nach sich zieht, die für die
zentrale Stressverarbeitung von großer
Wichtigkeit sind. Risikofaktoren sind ein
unsicheres Bindungsverhalten, emotionale
Psychosomatik
Die sog. Tenderpoints spielen eine wichtige Rolle bei der Diagnostik der Fibromyalgie
Vernachlässigung oder frühe Ohnmachtserfahrungen im Rahmen schwerer körperlicher Misshandlungen oder sexueller
Missbrauchserfahrungen. Dies ist wahrscheinlicher, wenn das Kind ohnehin
ängstlich und gehemmt ist. Ein extrovertiertes, lebhaftes Kleinkind ist hingegen
zumindest partiell vor den Folgen einer
früheren psychosozialen Traumatisierung
geschützt.[6] Die psychosozialen Risikofaktoren führen zu einem labilen Selbstwertgefühl mit Neigung zu Angst und
Depression und unreifen Konfliktbewältigungsstrategien (Wendung gegen das
Selbst, Projektion, Katastrophisieren). Um
das schlechte Selbstwertgefühl zu kompensieren, treten Misstrauen, Hyperaktivität,
ausgeprägtes Kontrollverhalten und Leistungsorientierung auf. Dies führt in Verbindung mit biologischen Störungen der
Stressverarbeitung zu einer erhöhten
Vulnerabilität für biologische Stressoren
(Infektion oder körperliches Trauma), die
dann als Auslösefaktoren fungieren. Dies
wiederum führt zu einer Überforderung
und damit zu einer Aktivierung des bereits
vorgeschädigten Stresssystems, deren
Folge letztendlich Schmerz und Erschöpfung sein können.[3]
Die Angst vor Kontrollverlust und die
Neigung zum Katastrophisieren wird
durch fehlende ärztliche Aufklärung des
Schmerzsyndroms unterstützt. Dies wiederum kann auf dem Boden ängstlich-hypochondrischer Bewertung zu muskulären
559
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Kontakt
Lars C. Lauk
Abteilung für Psychosomatik und
Schmerztherapie
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Asklepios Westklinikum Hamburg
Suurheid 20, 22559 Hamburg
Tel. (0 40) 81 91-25 05
Fax (0 40) 81 91-25 99
E-Mail: [email protected]
Spannungszuständen und körperlicher
Dekonditionierung führen, was wiederum
als biologischer Stressor auf die Fibromyalgie Einfluss nimmt. Daneben können psychosoziale Faktoren wie sozialer Rückzug
und Enttäuschung über Ärzte (Doctorshopping) den Chronifizierungsprozess
begünstigen.
Therapie
Folgende Therapieverfahren kommen bei
der Fibromyalgie zum Einsatz.
1. Psychotherapie: Zu Beginn eines psychotherapeutischen Verfahrens sollten bei
Fibromyalgiepatienten edukative Anteile
im Vordergrund stehen, um den Kontrollverlustängsten entgegenzuwirken. Gerade
wenn frühe psychosoziale Risikofaktoren
zugrunde liegen und sich daraus interaktionelle Probleme ergeben, stehen tiefenpsychologische psychotherapeutische Verfahren im Vordergrund der Behandlung.[7]
Diese sollten wiederum als Gruppentherapie, die sowohl stationär als auch ambulant
erfolgen kann, umgesetzt werden.
4. Medikamentöse Therapie: Bis heute gibt
es kein einziges speziell für die Behandlung
der Fibromyalgie zugelassenes Medikament.
Insgesamt ist die Wirksamkeit trizyklischer
Antidepressiva, allen voran Amitriptylin,
in niedrigen Dosen auf die Symptome der
Fibromyalgie als günstig anzusehen. Fluoxetin und Citalopram sind in kontrollierten
Studien getestet worden, wobei die Unterschiede gegenüber Placebo nicht bedeutend
waren. Obwohl viele Fibromyalgiepatienten Analgetika erhalten, liegen diesbezüglich nur wenige kontrollierte Studien vor.
Nichtsteroidale Antirheumatika wirken
nicht besser als Placebo. Vermutlich kann
Tramadol die Schmerzen etwas besser lindern als Placebo. Der Einsatz anderer
Opiode ist durch Studien nicht gerechtfertigt. In der letzten Zeit kommt gelegentlich
Pregabalin zum Einsatz, hier ist die Studienlage aber noch nicht richtungweisend
und klinische Beobachtungen zeigen sehr
unterschiedliche Ergebnisse. Auf weitere
Medikation, allen voran die Muskelrelaxanzien, sollte auch vor allem im Hinblick
auf das bekannte Abhängigkeitspotenzial
verzichtet werden.[8]
unreifen Konfliktbewältigungsstrategien
gehen. Dadurch erkennt der betroffene
Patient Zusammenhänge zwischen
Schmerz- und Stressverarbeitung. Die
genannten biopsychosozialen Zusammenhänge unterstreichen, dass es sich bei der
primären Fibromyalgie um ein Syndrom
handelt, dessen Diagnostik und Behandlung eine wesentliche Aufgabe der psychosomatischen Medizin darstellt.
Literatur
[1] Müller W, Lautenschläger J. Die generalisierte Tendomyopathie. Z Rheumatol. 1990; 49(1): 11-29.
[2] Wolfe F, Hawley DJ. Evidence of disordered symptom
appraisal in fibromyalgia: increased rates of reported
comorbidity and comorbidity severity. Clin Exp Rheumatol.
1999; 17(3): 297-303.
[3] Van Houdenhove B, Egle UT. Fibromyalgia: a stress
disorder? Piecing the biopsychosocial puzzle together.
Psychother Psychosom. 2004; 73(5): 267-75.
[4] Egle UT, Derra C, Gruner B et al. Fibromyalgie und
Leistungseinschränkung. Psychotherapeut. 2007; 52(6):
436-42.
[5] Ecker-Egle ML, Egle UT. Fibromyalgie. In: Egle u. Mitarb. (Hrsg): Handbuch Chronischer Schmerz. Schattauer
Verlag 2002.
[6] Egle UT, Hardt J, Nickel R, Kappis B, Hoffmann SO.
2. Entspannungsverfahren: Allen voran ist
hier das Biofeedback zu nennen. Aus der
klinischen Beobachtung heraus profitieren
einige Patienten auch von den Entspannungstechniken nach Jacobson sowie autogenem Training.
3. Physikalische Behandlung: Neben passiven Elementen der physikalischen Therapie sollte eine aktive Krankengymnastik
frühzeitig einer frühen Entwicklung von
Inaktivitätsatrophien der Muskulatur entgegenwirken. Baldmöglichst sollte ein Ausdauertraining begonnen werden. Aus der
klinischen Beobachtung profitieren viele
Patienten vom Nordic Walking.
560
Fazit
Früher Stress und Langzeitfolgen für die Gesundheit. Wissenschaftlicher Erkenntnisstand und Forschungsdesiderate.
Die Forschungsergebnisse der vergangenen
Jahre zeigen, dass es sich bei der Fibromyalgie nicht um eine peripher verursachte
Störung, sondern um eine zentrale Schmerzund Stressverarbeitungsstörung handelt.
Auch bei der psychosomatischen Behandlung von Fibromyalgiepatienten sollten
nicht allein psychotherapeutische Verfahren
eingesetzt werden: Eine funktionsfähige
fachübergreifende Kooperation ist notwendig. Im Rahmen der psychosomatischen
Behandlung soll es um eine gezielte Bearbeitung der Stressverarbeitung sowie der
Veränderung von Beziehungsmustern und
Z Psychosom Med Psychother. 2002; 48(4): 411-34.
[7] Nickel R, Egle UT. Manualisierte psycho-dynamischinteraktionelle Gruppentherapie. Störungsspezifische
Behandlung somatoformer Schmerzstörungen. Psychotherapeut. 2001; 46(1): 11-9.
[8] Pongratz D. Fibromyalgie – Eine aktuelle Standortbestimmung. Management of neuromuscular diseases. 2006;
Letter Nr. 32.
Personalia
CardioCliniC: Neuer Chefarzt der Herzchirurgie
Neuer Chefarzt der Unfall- und Orthopädischen Chirurgie
in der Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Am 19. Mai 2008 trat Dr. Ralf Bader (46) als leitender Herzchirurg
der CardioCliniC die Nachfolge von Prof. Dr. Hans-Joachim Krebber
an, der bis zum Umzug in das neue Diakoniezentrum Eimsbüttel
weiterhin tätig sein wird. Bader wurde in Ludwigshafen/Rhein
geboren, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er studierte
Humanmedizin an der Justus-Liebig-Universität in Giessen, wo er
im Praktischen Jahr auch erste Kontakte zur Herzchirurgie knüpfte.
Im Rahmen seiner Dissertation in der Experimentellen Kardiologie
des Max-Planck-Institutes kam er nach Bad Nauheim. Dort untersuchte Bader mehrere Jahre biochemische Vorgänge bei der
Arrhythmie-Entstehung am Schwein und in laborchemischen
Untersuchungen. Seine Promotionsprüfung absolvierte er an der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster bei Prof. Dr. Scheld.
1990 begann Bader seine AiP-Zeit in der herzchirurgischen Abteilung der Kerckhoffklinik Bad Nauheim unter Prof. Dr. Bleese,
bevor er im Sommer 1991 zusammen mit dem Team nach Hamburg
in die neu gegründete herzchirurgische Abteilung des AlbertinenKrankenhauses wechselte. Dort führte Bader bereits 1996 rund
200 Herzoperationen/Jahr durch und absolvierte seine Facharztprüfung zum Herzchirurgen im Jahr 2000. Seit 2006 arbeitete er als
leitender Oberarzt. Baders fachliche Schwerpunkte sind im Bereich
der Bypass-Chirurgie die „komplett arterielle Revaskularisation“
mittels der skelettierenden Entnahmetechnik der beidseitigen
A. mammaria, die er im Albertinen-Krankenhaus einführte, die
minimal invasiven OP-Techniken, vor allem die Offpump-Chirurgie
sowie die klappenrekonstruktive Chirurgie. In der CardioCliniC
wird Bader diese Schwerpunkte weiter entwickeln und ausbauen,
wobei er die komplett arterielle Revaskularisation bereits etablieren konnte.
Priv.-Doz. Dr. Marc Schult (40) leitet seit dem 1. April 2008 als
Chefarzt die neugegründete Abteilung für Unfall- und Orthopädische Chirurgie der Asklepios Klinik Nord – Heidberg. Der geborene
Lüneburger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte an
der Medizinischen Universität zu Lübeck, absolvierte Auslandsaufenthalte an der University of Missouri in Columbia, im britischen Eastbourne, an der Universität Wien und in Simbabwe.
Seine chirurgische Ausbildung leistete er bei Prof. Dr. Pichlmayr
in der Klinik für Abdominal- und Transplantationschirurgie der
Medizinischen Hochschule Hannover und an der Klinik und
Poliklinik für Allgemeine Chirurgie der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster unter Prof. Dr. Senninger ab. 2001 wurde er
Oberarzt der dortigen Klinik und Poliklinik für Unfall- und Handchirurgie unter Leitung von Prof. Dr. Brug. Unter Prof. Dr. Raschke
wurde Dr. Schult dann im Jahr 2003 geschäftsführender Oberarzt
der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster sowie unter
anderem der Leiter des Bereiches Endoprothetik. Als Facharzt für
Unfallchirurgie und Orthopädie deckt Herr Priv.-Doz. Dr. Schult
das gesamte Fachgebiet operativ ab. Seine Schwerpunkte sind
jedoch die Becken- und Wirbelsäulentraumatologie sowie die
gesamte Endoprothetik. Die Zusatzbezeichnung „Handchirurgie“
rundet sein Profil als traumatologischer Orthopäde ab. An der
Asklepios Klinik Nord setzen er und sein Team auf die Intensivierung der gut etablierten Schwerverletztenversorgung und Alterstraumatologie sowie auf die Erweiterung der elektiven orthopädischen Chirurgie und Endoprothetik.
Kontakt
Kontakt
Dr. Ralf Bader
Priv.-Doz. Dr. Marc Schult
Leitender Herzchirurg
CardioCliniC
Moorkamp 2 – 8
20357 Hamburg
Unfall- und Orthopädische Chirurgie
Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Tangstedter Landstraße 400
22417 Hamburg
Tel. (0 40) 468 59-115
Fax (0 40) 468 59-117
Tel. (0 40) 18 18-87 32 10
Fax (0 40) 18 18-87 32 12
E-Mail [email protected]
E-Mail [email protected]
561
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Grenzen der Chemotherapie – und ihre
Überwindung durch „neue Substanzen“
Dr. Ulrich Müllerleile
Ziel der Chemotherapie ist, die Funktion
der DNS als Steuerungszentrum der
Tumorzelle oder die Vervielfältigung der
DNS bei der Zellteilung zu stören.
■ Antimetaboliten blockieren Stoffwechselwege, die für die Synthese neuer
DNS-Stränge erforderlich sind.
■ Topoisomerasehemmer stören ein
Enzym, das bei der Öffnung, dem Verschluss und dem Erhalt des Torsionsgrades der DNS–Doppelhelix wichtig
ist.
■ Alkylanzien sorgen für falsche Verknüpfungen zwischen oder in den
DNS-Strängen.
■ Tubulinbindende Substanzen stören
die für den Ablauf der Mitose wichtige
Funktion dieses faserartigen, nichtenzymatischen Makromoleküls.
Alle diese Funktionen sind ungezielt und
ziehen auch Nicht-Tumorzellen in Mitleidenschaft.
Derzeit sind knapp 60 verschiedene Substanzen zugelassen. Chemotherapie kann
einige hochmaligne Erkrankungen, z. B.
Leukämien, Lymphome und Keimzell-
562
tumoren, heilen. Bei anderen Tumorerkrankungen, z. B. beim Mamma- und beim
kolorektalen Karzinom, kann sie als adjuvante Therapie die Heilungschancen der
chirurgischen Therapie verbessern. Bei fortgeschrittenen, metastasierten Stadien vieler
Tumorerkrankungen kann Chemotherapie
das Leben verlängern und verbessern.[8]
primären oder sekundären Resistenz und
der Toxizität der Zytostatika: Die meisten
soliden Tumoren sind polyklonal und
genetisch instabil. Die Zellen haben ein
unterschiedliches Proliferationsverhalten –
und verändern sich laufend. Schon aufgrund der Zellkinetik ist nur ein Teil der
Tumorzellen chemotherapieempfindlich.
Grenzen der Chemotherapie
Ohne Schutzmechanismen (Resistenz)
würden Zellen des Normalgewebes eine
Chemotherapie nicht überstehen. Aber
auch Tumorzellen haben solche Resistenzmechanismen. Dazu gehören
Hier liegt aber auch die Grenze: Gerade die
häufigsten Tumorerkrankungen (Mammakarzinom, Prostatakarzinom, Bronchialkarzinom, kolorektales Karzinom, Urothelkarzinom) kann Chemotherapie im
metastasierten Stadium nicht heilen. Und:
Bei einigen Tumorerkrankungen, zum
Beispiel beim Pankreaskarzinom, sind mit
herkömmlicher Chemotherapie nicht einmal die Kernziele der palliativen Tumortherapie – Verbesserung der Lebensqualität, Verlängerung des Lebens – so zu
erreichen, wie es auch nur annähernd den
Erwartungen und Hoffnungen der Patienten entspricht.
Die Gründe für die Grenzen der Chemotherapie liegen in der Tumorbiologie, der
■ verminderte Aufnahme oder beschleunigte Ausschleusung von Substanzen
durch membranständige Pumpensysteme,
■ intrazelluläre Inaktivierung durch
Metabolismus oder Bindung,
■ Reparatur von Zielmolekülen,
besonders DNS,
■ Hemmung intrazellulärer Signalwege.
Multidrugresistenz heißt: Resistenz von
Tumorzellen gegen Zytostatika verschiedener Strukturklassen.
Onkologie
Abb. 1: Neue Substanzen und ihre Ziele
Tumorzellen können primär resistent sein.
Meist wird die Resistenz aber – mehr oder
weniger schnell – erworben. Die Toxizität
der Zytostatika beruht auf dem unselektiven Wirkungsmechanismus, auf der substanztypischen Emetogenität und der
Organtoxizität, die Nieren (Cisplatin), Herz
(Anthrazykline) und Nerven (Vincaalkaloide, Taxane und Platinderivate) bedroht.
Alle drei Faktoren begrenzen eine wirksame Therapie.
■ Gezielte biochemische Modulationen
können die Resistenz gegenüber einzelnen Zytostatika überwinden. Praktische
Bedeutung hat derzeit nur die Zugabe
von Kalziumfolinat zu 5-Fluorouracil.
■ Kalziumantagonisten sollten die Multidrugresistenz, die auf Efflux der Zytostatika zurückgeführt wird, blockieren.
Studien dazu haben aber enttäuscht.
■ Neue Zytostatika sind denkbar, ändern
die Situation aber nicht grundlegend.
schon lange bekannt und wird therapeutisch genutzt. Auch Zellen nicht-hormonabhängiger Tumoren haben auf ihrer Oberfläche Strukturen, die als Rezeptoren für
Botenstoffe fungieren. Über komplexe
Signalkaskaden im Zellinneren werden
Wachstum, Proliferation, Differenzierung,
Migration und auch Apoptose gesteuert.
Ansätze, die Wirkung der konventionellen Chemotherapie zu verbessern
Es ist also unwahrscheinlich, dass Entwicklungen auf dem Gebiet der Chemotherapie
die Grenzen der Tumorbehandlung
wesentlich verschieben werden.
■ das EGFR-System (Epidermal Growth
Factors): Bislang „prominentester“
Rezeptor dieser Gruppe ist EGFR-2
beim Mammakarzinom, identisch mit
ErB-B2 oder HER 2. Eine Blockade des
EGFR-Systems bewirkt eine Wachstumshemmung von Tumorzellen.[7]
■ das VEGFR-System (Vascular Endothelial Growth Factors): Es steuert die
Angiogenese, die Versorgung von
Tumoren mit Blut- und Lymphgefäßen.
Eine Blockade dieses Systems hemmt
das Wachstum der Gefäße, die von
Tumorzellen benötigt werden (Antiangiogenese).[3,6]
■ Hochdosistherapie mit Stammzellersatz ist effektiv, wenn die Knochenmarktoxizität die Wirkung der eingesetzten Substanzen begrenzt, vor allem
bei malignen Systemerkrankungen. Bei
Substanzen mit einem hohen Potenzial
für Organtoxizität, z. B. Anthrazyklinen,
Platinderivaten und Taxanen, ist mit
Hochdosiskonzepten keine Wirkungsverbesserung möglich. Deshalb hatte
dieses Konzept bei der Behandlung
solider Tumoren keinen nennenswerten
Erfolg.
„Neue Substanzen“
Hoffnungen liegen auf der Entwicklung
neuer „molekularer“ Substanzen, die
gezielter als die konventionellen Zytostatika das Wachstum von Tumorzellen blockieren und diese in den „programmierten
Zelltod“ dirigieren können.
Tumorzellen sind steuerbar. Bei den hormonabhängigen Tumoren (Mammakarzinom, Prostatakarzinom) ist das Prinzip
Zu den wichtigsten Rezeptorsystemen
gehören
563
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Mechanismen der neuen Substanzen
■ Tumorzellen gezielt durch Antikörper zerstören
■ Botenstoffe/Wachstumsfaktoren durch
Antikörper blockieren
■ Wachstumsrezeptoren durch Antikörper
blockieren
■ Intrazelluläre Signalkaskade durch
„kleine Moleküle“ stören
■ Intrazelluläres Recycling blockieren
■ Apoptosemechanismen stimulieren
Tab. 1
Biochemisch gehören die Rezeptoren zu
einer als Tyrosinkinasen bezeichneten
Gruppe von Proteinen, die durch Phosphorylierung von Tyrosin als „Kinasen“ fungieren und zelluläre Signalkaskaden vermitteln.
Rezeptor-Tyrosinkinasen sind an der Zellmembran lokalisiert und haben eine extrazelluläre Domäne – das ist der „Rezeptor“
– und eine intrazelluläre Domäne, die die
intrazelluläre Signalkaskade auslöst.
Davon zu unterscheiden sind Nicht-Rezeptor-Tyrosinkinasen, die im Zytosplasma als
Teil der Signalkaskade agieren. Zu den
bekanntesten gehört das Fusionsprotein
Bcr-Abl, das Produkt des „PhiladelphiaChromosoms“ der chronischen myeloischen Leukämie.
Die „neuen Substanzen“ zielen auf
■ Wachstumshemmung
■ Förderung der Apoptose oder
■ Entzug der Sauerstoff- und Substratversorgung von Tumorzellen durch
Störung der Gefäßversorgung (Antiangiogenese).
564
Die grundlegenden Wege und Mechanismen sind in Tab. 1 aufgeführt. Die ausführenden Substanzen agieren extra- und
intrazellulär (s. Abb. 1).
Antikörper
Gegen das Antigen CD 20 auf der Zellmembran von B-Zell-Lymphomen richtet
sich der Antikörper Rituximab. Er bewirkt
„direkt“ (mittels immunologischer Mechanismen) eine Zellzerstörung.[2]
Antikörper, die EGF-Rezeptoren blockieren,
sind Trastuzumab (Mammakarzinom)[9],
Cetuximab und Panitumumab (Kolorektales Karzinom). Gegen VEGF-Rezeptoren
gibt es noch keinen zugelassenen Antikörper, aber einen Antikörper, Bevacizumab,
der den Hauptliganden der VEGF-Rezeptoren, einen VEGF-Wachstumsfaktor, neutralisiert. Bevacizumab ist für die Therapie
des kolorektalen Karzinoms, des Mammakarzinoms und des Bronchialkarzinoms
zugelassen.[6] Alle Antikörper werden intravenös zugeführt.
„Kleine Moleküle“:
Tyrosinkinaseinhibitoren
Die intrazelluläre Domäne der RezeptorTyrosinkinasen und die Nicht-RezeptorTyrosinkinasen können durch Tyrosinkinaseinhibitoren („small molecules“) blockiert
werden. Diese haben oft mehrere Zielstrukturen im EGFR- und VEGF-, aber
auch in anderen Systemen, z. B. PDGF,
TGF, Bcr-Abl, c-kit etc.[5] und werden dann
als Multitarget-Tyrosinkinaseinhibitoren
bezeichnet (Tab. 2). Tyrosinkinasehemmer
sind meist oral resorbierbar. Prototyp und
erste zugelassene Substanz ist Imatinib. Es
hat die Therapie der chronischen myeloischen Leukämie revolutioniert.[1]
Weitere „neue“ Ansätze haben bereits
erhebliche klinische Bedeutung gewonnen:
Antiangiogenese ist der wichtigste Effekt
von Thalidomid und Lenalidomid. Wegen
weiterer Effekte, z. B. einer proapoptotischen und einer immunstimulierenden
Wirkung nennt man diese Substanzen
immunmodulatorische Medikamente
(IMiDs).[10]
Onkologie
Substanz
Handelsname
Wirkungsmechanismus
RTK = Rezeptor – Tyrosinkinase
NRTK = Nicht-Rezeptor – Tyrosinkinase
Klinische Bedeutung
Imatinib
Glivec
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK, NRTK)
CML, Ph+ALL, GIST-Tumoren Prototyp der Tyrosinkinasehemmer
Dasatinib
Sprycel
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK, NRTK)
CML, Zweitlinientherapie
Nilotinib
Tasigna
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK, NRTK)
CML, Zweitlinientherapie
Sunitinib
Sutent
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK, NRTK)
Nierenzellkarzinom
Sorafenib
Nexavar
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK, NRTK)
Nierenzellkarzinom, Hepatozelluläres Karzinom
Erlotinib
Tarceva
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK)
Bronchial- und Pankreaskarzinom
Lapatinib
Tyverb
Tyrosinkinaseinhibitor (RTK)
Mammakarzinom, noch nicht zugelassen
Rituximab
MabThera
Zytotoxischer AK (Anti CD 20)
B-Zell-Lymphome
Trastuzumab
Herceptin
EGF-Rezeptor-AK
Mammakarzinom adjuvante und palliative Therapie
Cetuximab
Erbitux
EGF1-Rezeptor-AK
Kolorektale und HNO-Karzinome palliative Therapie
Panitumumab
Vectibix
EGF-Rezeptor-AK
Kolorektale Karzinome
Bevacizumab
Avastin
VEGF-A AK
Kolorektale Karzinome, Mamma-, Bronchialkarzinom
Thalidomid
Thalidomid
IMiD (antiangiogenetisch,
-inflammatorisch, immunmodulatorisch)
Myelom
Lenalidomid
Revlimid
IMiD (antiangiogenetisch,
-inflammatorisch, immunmodulatorisch)
Myelom
Bortezomib
Velcade
Proteasominhibitor
Myelom
Tab. 2
Ein interessanter anderer Ansatz ist die
Proteasominhibition. Proteasomen haben
in der Zelle die Aufgabe, Proteine zu
degradieren, zum Teil, um sie in einen zellulären Recyclingprozess zu überführen,
zum Teil, um sie zu aktivieren. Sie sind auch
an der Regulation von Proliferation und
Apoptose beteiligt. Der erste Proteasominhibitor, Bortezomib, ist bereits Teil der
Standardbehandlung beim multiplen Myelom.[4]
Bilanz und Ausblick
Die „neuen Substanzen“ (Tab. 2) haben die
Grenzen der bisherigen Chemotherapie
deutlich erweitert. Bei malignen Lymphomen, CML und GIST-Tumoren haben sie
die Behandlungsergebnisse dramatisch
verbessert und zum Teil die Chemotherapie ersetzt. Bei einigen der häufigsten
Tumoren (Mammakarzinome, kolorektale
Karzinome, Bronchialkarzinome) können
sie kombiniert mit Chemotherapie Heilungsraten erhöhen und Überlebenszeiten
verlängern. Für Tumore, die chemotherapeutisch kaum zu behandeln waren, z. B.
Nierenzellkarzinom und Leberzellkarzinom, stellen sie erstmals echte Behand-
lungsoptionen dar. Aber auch sie haben
Grenzen: Es gibt – wie bei der Chemotherapie – Resistenzen und Toxizität. Die
neuen Substanzen stehen noch am Anfang
ihrer klinischen Entwicklung. Angesichts
der raschen Folge neuer Zulassungen ist
aber damit zu rechnen, dass sie in kurzer
Zeit das Bild der medikamentösen Tumorbehandlung nachhaltig verändern werden:
Sie werden dazu beitragen, mehr Krebserkrankungen zu heilen und dort, wo
weiterhin Heilung nicht möglich ist, aus
Krebs eine chronische Erkrankung zu
machen, an der man zwar leiden muss,
mit der man aber leben kann.
Kontakt
Dr. Ulrich Müllerleile
Onkologie und Palliativmedizin
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220
22307 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-82 38 30
Fax (0 40) 18 18-82 38 39
E-Mail: [email protected]
Literatur
[6] Mross K. Antiangiogene Substanzen mit Wirkung am
[1] Balabanov S et al. Small-molecule-Tyrosinkinaseinhibi-
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Onkologe. 2007; 13: 213-26.
565
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Adenokarzinom der Harnblase –
primär oder sekundär?
Dr. Claus Brunken, Stephanie Haupt, Dr. Joachim Schneider, Dr. Stephan Tauber,
Prof. Dr. Matthias Vierbuchen
Sekundäre Malignome der Harnblase lassen sich in drei Gruppen einteilen:
1. Tumore, die aus angrenzenden Organen direkt die Blase infiltrieren
2. Fernmetastasen
3. Neoplasien des hämatopoetischen oder lymphatischen Systems
Metastatische Absiedlungen können lymphatisch, hämatogen oder aber durch
Reimplantation von Tumorzellen aus dem oberen Harntrakt erfolgen.
Die Angaben zur Inzidenz sekundärer
Blasentumore variiert: In der Autopsieserie
von Sheehan[1] mit 5.200 männlichen Patienten waren ein Drittel aller gefundenen
Blasentumore sekundärer Natur. In einer
Serie von 1.614 chirurgischen Fällen lag
dieser Anteil bei 14 Prozent aller operierten
Blasentumore.[2] Diese Malignome entstehen meist durch direkte Infiltration von
Tumoren aus benachbarten Organen (weibliche Genitalorgane, Prostata, Rektum,
Sigma). Fernmetastasen, meist von malignen Melanomen, Magen-, Mamma- und
Bronchialkarzinomen, sind seltener.
Zuweilen ist histologisch der Ursprung
des Malignoms erkennbar, aber bei vielen
sekundären Neoplasien der Harnblase, insbesondere bei Adenokarzinomen, können
klinisch wie histologisch differentialdiagnostische Schwierigkeiten auftreten. Die
folgende Kasuistik schildert ein Adenokarzinom der Harnblase, dessen sekundäre
Genese erst postoperativ erkennbar war.
566
Kasuistik
Ein 52-jähriger, männlicher Patient wurde
mit Verdacht auf ein organüberschreitendes Blasenkarzinom zur operativen Therapie vorgestellt. Eine Makrohämaturie
bestand seit mehreren Wochen. Eine Pneumurie oder der transurethrale Abgang
fäkaler Partikel war zu keinem Zeitpunkt
beobachtet worden. Seit Kurzem bestand
eine Darmpassagestörung mit geringem
Gewichtsverlust, rezidivierender Übelkeit
und Stuhlunregelmäßigkeiten. Die körperliche Untersuchung ergab einen altersentsprechenden, allenfalls leicht reduzierten
Allgemein- und einen schlanken Ernährungszustand. Im Liegen war ein großer
Unterbauchtumor bereits auf Entfernung
deutlich sichtbar. Er palpierte sich hart und
indolent. Die Zystoskopie zeigte einen großen, exulzerierenden Blasentumor, der
nahezu die gesamte Harnblase ausfüllte,
das CT einen großen, die Blasenwand
breitbasig infiltrierenden Tumor. Das
Sigma war in den organüberschreitenden
Tumor mit einbezogen, Prostata und
Samenblasen erschienen ebenfalls infiltriert
(Abb. 1). Hinweise auf eine pulmonale,
hepatische oder ossäre Metastasierung fanden sich nicht. Die histologische Untersuchung des durch transurethrale Resektion
gewonnenen Spanmaterials ergab die
Diagnose eines oberflächlichen, hochdifferenzierten Adenokarzinoms. Die daraufhin
durchgeführte Koloskopie fand bei eingeschränkten Untersuchungsbedingungen
keinen Anhalt für ein Sigma- oder Rektumkarzinom. Die Schleimhaut im Bereich der
Adhärenz zur Harnblase wurde als polypös beschrieben. Hier entnommene Biopsien zeigten keine Malignität. Der Darm
war stenotisch und narbig fixiert. Weder
die Koloskopie noch ein Kolonkontrasteinlauf konnten eine Fistel zwischen Darm
und Harnblase nachweisen. Die Diagnose
eines organüberschreitenden, primären
Adenokarzinoms der Harnblase ohne Fernmetastasierung wurde gestellt. Somit
bestand die Indikation zur Cystektomie.
Intraoperativ fand sich ein riesiger, holzharter Tumor mit einer ausgedehnten
entzündlichen Umgebungsreaktion. Die
folgenden Strukturen waren in die Ge-
Urologie
Abb. 1: Computertomografie der Beckenregion nach oraler und intravenöser Kontrastmittelgabe in coronarer und axialer Schnittführung.
Die Harnblase ist zum großen Teil mit solidem Tumor ausgefüllt. Das Sigma ist dem Tumor adhärent. Prostata und Samenblasen erscheinen infiltriert.
schwulst mit einbezogen: beide Samenstränge, das Peritoneum des Blasendaches
und der Hinterwand, die Denonvillesche
Faszie (Grenzlamelle zwischen Prostata
und Rektum), die Samenblasen, beide
Arteriae iliacae internae, proximale Anteile
des Rektums, langstreckige Anteile des Sigmas, große Anteile des Mesosigmas sowie
eine Dünndarmschlinge. Die Beckenwand,
die Arteriae und Venae iliacae externae
sowie die Harnleiter auf Höhe der Gefäßkreuzung waren nicht befallen, sodass
eine R0 en bloc Tumorresektion durch die
Zystoprostatektomie in Kombination mit
Resektion des Rektosigmoids und einer
Dünndarmteilresektion erreicht werden
konnte. Auch die entnommenen pelvinen
und mesenterialen Lymphknoten waren
ohne Tumorbefall. Aufgrund einer Minderperfusion des Rektumstumpfes durch
die notwendige Ligatur beider Arteriae
iliacae internae und dem abgangsnahen
Absetzen der Arteria mesenterica inferior
wurde auf eine primäre Rektodescendostomie verzichtet. Das Kolon descendens
wurde als endständiges Stoma ausgeleitet,
der Rektumstumpf blind verschlossen. Die
Harnableitung erfolgte über ein Ileumconduit.
Das entnommene Präparat zeigte einen
weiten nekrotischen Fistelgang zwischen
Blase und Sigma mit einem breitbasigen
Einbruch des vom Sigma ausgehenden
Malignoms in die Harnblase (Abb. 2).
Die histologische Aufarbeitung ergab den
Befund eines adeno-papillären Karzinoms
vom intestinalen Typ, Stadium pT4, pR0,
pN0, G1. Der postoperative Verlauf war
komplikationslos. Der Patient wurde am
achten postoperativen Tag vollständig
kostaufgebaut in die häusliche Umgebung
entlassen.
befallen. Die Koloskopie blieb ohne Karzinomnachweis. Die Biopsien aus der Blase
erzielten keine histologische Differenzierung bezüglich der Herkunft.
Adenokarzinome mit Ursprung im Gastrointestinaltrakt oder Uterus können primäre
Adenokarzinome der Harnblase oder des
Urachus vortäuschen. Die Differentialdiagnose ist für die Therapieplanung wichtig.
Die Inzidenz primärer Adenokarzinome
der Harnblase wird mit 0,5 bis zwei Prozent aller Blasenkarzinome angegeben[3]
und ist damit niedriger als die sekundärer
Adenokarzinome. Etwa ein Drittel aller
primären Adenokarzinome betreffen den
Urachus.
Diskussion
Trotz ausführlicher Diagnostik war es in
dem geschilderten Fall zunächst nicht
möglich, zwischen einem primären oder
sekundären Karzinom der Blase zu unterscheiden. Computertomografisch zeigte
sich ein überwiegend intravesikales
Wachstum. Zystoskopisch waren Hinterwand und Dach der Harnblase von Tumor
Primäre Adenokarzinome der Harnblase
zeigen verschiedene histologische Muster
einschließlich intestinaler, müzinöser und
siegelringzellartiger Ausprägungen.[4] Alle
diese Typen können auch im Gastrointestinaltrakt auftauchen.
Das gemeinsame Auftreten eines Adenokarzinoms und einer Zystitis glandularis
567
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Abb. 2: Aufgeschnittenes OP-Präparat. Der organüberschreitende Tumor und der große nekrotische Fistelgang
zwischen Blase und Sigma sind gut zu erkennen.
Es zeigt sich eine massive entzündliche Umgebungsreaktion, die auch das perivesikale Fett, Prostata,
Samenblasen und Denonvillesche Faszie erfasst.
oder einer mukösen Metaplasie sprechen
für das Vorliegen eines primären Blasenkarzinoms. Beweisend ist der zusätzliche
Nachweis eines Karzinoma in situ. Im
Gegensatz hierzu spricht die Überlagerung
eines Adenokarzinoms mit einer intakten
Urothelschicht für das Vorliegen eines
sekundären Malignoms.[5] Das Fehlen verlässlicher morphologischer, immunhistochemischer oder ultrastruktureller Unterscheidungsmerkmale zwischen primären
und sekundären Adenokarzinomen der
Harnblase[6] könnte auf die Entstehung
vesikaler Adenokarzinome aus Arealen
intestinaler Metaplasien hinweisen. Diese
Hypothese wird auch durch die Expression
charakteristischer Kolonepithelmarker
durch Adenokarzinome von Urachus und
Harnblase gestützt.[7]
Literatur
[1] Sheehan EE, Greenberg SD, Scott R. Metastatic
neoplasms of the bladder. J. Urol. 1963; 90; 281-4.
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[3] Mostofi FK. Pathological aspects and spread of carci-
[4] Grignon DG, Ro JY, Ayala AG, Johnson DE, Ordonez
568
Urlogische Abteilung
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5
20099 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-85 43 24
Fax (0 40) 18 18-85 29 69
NG. Primary adenocarcinoma of the urinary bladder:
a clinicopathologic analysis of 72 cases. Cancer. 1991; 67;
2165-72.
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[6] Alroy J, Roganovic D, Banner BF et al. Primary adenocarcinomas of the human urinary bladder: histochemical,
immunological and ultrastructural studies. Virchows Arch
[7] Pantuck AJ, Bancila E, Das KM et al. Adenocarcinoma
of the urachus and bladder expresses a unique colonic epi-
Der Nachweis eines Adenokarzinoms in
der Harnblase sollte immer an ein sekundäres Geschehen denken lassen. Trotz
intensiver Diagnostik kann die wahre
Tumorherkunft aber verborgen bleiben.
Hierdurch können Schwierigkeiten bei der
Therapieplanung auftreten.
Dr. Claus Brunken
noma of the bladder. J Am Med Assoc. 1968;206; 1764-9.
A Pathol Anat Histol. 1981; 393; 165-81.
Fazit
Kontakt
thelial epitope: an immunhistochemical study. J Urol. 1997;
158; 1722-7.
E-Mail [email protected]
Kardiologie/Kardiochirurgie
Perkutaner Aortenklappenersatz
Eine neue Therapieoption für die hochgradige Aortenklappenstenose
Dr. Christian Frerker, Dr. Stephan Geidel, PD Dr. Michael Laß,
Prof. Dr. Jörg Ostermeyer, Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck
Die hochgradige Aortenklappenstenose ist heute in Europa und den USA die häufigste erworbene Herzklappenerkrankung mit einer Inzidenz bei über 65-Jährigen von zwei bis neun Prozent.[1] Und sie nimmt aufgrund der
steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung weiter zu. Dabei beträgt die durchschnittliche Überlebensdauer
einer symptomatischen Aortenklappenstenose nur etwa zwei bis drei Jahre.
Der aktuelle Goldstandard in der Therapie
der schweren symptomatischen Aortenklappenstenose ist der seit Jahrzehnten
durchgeführte herzchirurgische Aortenklappenersatz mit einer durchschnittlichen
perioperativen Mortalität unter fünf Prozent.[1,2] Der Erfolg einer solchen Operation
hängt jedoch von einer Reihe patientenund situationsspezifischer Risikofaktoren
ab. Komorbiditäten wie Herzinsuffizienz,
pulmonale Hypertonie, vorausgegangene
Herzoperationen, zumal verbunden mit
einem hohen Patientenalter, sind mit einem
deutlich erhöhten operativen Risiko vergesellschaftet.
Als etablierte Methode der präoperativen
Risikoeinschätzung gilt der EuroSCORE.
Er gibt anhand verschiedener klinischer
und prozeduraler Parameter einen Anhalt
für die zu erwartende individuelle peri-/
postoperative 30-Tage-Mortalität. So beträgt
das vorhergesagte Mortalitätsrisiko einer
80-jährigen Patientin mit leicht reduzierter
linksventrikulärer Pumpfunktion und
bekannter Niereninsuffizienz bereits circa
20 Prozent. Das „Euro Heart Survey“ zeigte, dass aktuell bei bis zu einem Drittel der
Patienten mit therapiepflichtiger Klappen-
erkrankung und Symptomklasse NYHA
III/IV aufgrund ihrer Komorbiditäten oder
einer reduzierten Lebenserwartung ein
operativer Eingriff abgelehnt wird.[3]
Bis vor einigen Jahren war die alleinige
Ballon-Valvuloplastie der Aortenklappe die
einzige interventionelle Alternative zum
operativen Aortenklappenersatz. Infolge
hoher Rezidivraten hat diese Technik aber
nur palliativen Charakter.
In jüngster Zeit wurde daher alternativ
zum operativen der perkutane Aortenklappenersatz entwickelt. Der Franzose Alan
Cribier implantierte 2002 die weltweit erste
katheterbasierte ballonexpandierbare Aortenklappenprothese.[4] Dabei handelte es
sich um die Cribier-Edwards-Klappenprothese, bestehend aus einem Stahlstent mit
einem Durchmesser von 23 mm und einer
Höhe von 14,5 mm, welcher eine eingenähte Perikardklappe beinhaltete. Die Prothese
wurde mittels anterograden Zugangs über
das venöse System mit nachfolgend transseptaler Positionierung implantiert. In einigen Fällen kam es jedoch zur Embolisation
der Prothese und paravalvulären Lecks.
Die Weiterentwicklung dieser ersten Herzklappengeneration führte zu einer neuen
flexibleren Kathetergeneration sowie neuen
Prothesengrößen (Durchmesser/Höhe von
23 mm/14,5 mm oder 26 mm/16 mm). Die
Implantation erfolgte nun unter Verwendung eines retrograden Zugangs. Hierdurch
konnten die Ergebnisse in der Folge deutlich verbessert werden.[5]
Bei der aktuell verwendeten Prothesengeneration, der SAPIEN-Prothese (Edwards
Lifesciences, Irvine, CA, USA), handelt es
sich um ein Xenograft aus Rinderperikard,
der auf einem Stahlstent fixiert ist. Der
untere Anteil des Stents ist mit Polyethylene-Terephtalat (PET) beschichtet. Diese
Herzklappe unterscheidet sich von ihren
Vorgängern unter anderem durch einen
höheren Ummantelungsring um die Prothese, was die Inzidenz paravalvulärer
Insuffizienzen weiter reduzieren soll.
Die Wahl der Prothesengröße erfolgt nach
Bestimmung des Aortenannulus-Diameters
mittels transoesophagealer Echokardiographie (TEE) in der Regel 2 bis 3 mm größer
(Oversizing Konzept). Die Klappenprothese wird auf einem Ballon, mittig zwischen
zwei röntgendichten Markierungen fixiert
569
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Abb. 1: SAPIEN-Aortenklappenprothese
Abb. 2: Zusammengedrückte Klappenprothese auf Implantationsballon
und mittels einer speziellen schraubstockartigen Presse zusammengedrückt (Crimping).
die stenosierte Aortenklappe eingebracht.
Anschließend wird hierüber eine 14FSchleuse eingebracht. Unter tachykarder
Ventrikelstimulation (rapid ventricular
pacing, HF 180 – 220/min) erfolgt nun eine
Ballon-Valvuloplastie, bevor je nach geplanter Prothesengröße eine 22F-(24 mm
Prothese) beziehungsweise 24F-(26 mm
Prothese)Schleuse eingebracht wird. Unter
TEE und Durchleuchtung folgt die Positionierung, sodass der Aortenannulus mittig
im Stent zur Deckung kommt. Die korrekte
Lage der Prothese wird mittels angiographischer Darstellung der Aortenwurzel
und der Koronararterien kontrolliert. Unter
erneutem rapid-pacing wird die Prothese
dann durch zügige Ballon-Inflation im
Annulus verankert, wodurch die degenerierte native Klappe nach außen verdrängt
wird. Die Funktion der Klappenprothese
wird unmittelbar nach Implantation angiographisch und mittels TEE beurteilt. Ein
mögliches paravalvuläres Leck kann durch
erneute Ballondilatation abgedichtet werden.
Die Implantation der Aortenklappenprothese erfolgt entweder transfemoral oder
bei unzureichenden zuführenden Gefäßen
(Kalzifikationen, Kinking) als kardiochirurgisch/kardiologischer Hybrideingriff mit
direktem apikalem Herzzugang. In einer
gemeinsamen Kardiokonferenz von Herzchirurgen und Kardiologen wird vor
Implantation der individuell bestmögliche
und risikoärmste Zugangsweg ausgewählt.
Transfemoraler Zugang
Zunächst werden beide Leistenregionen
chirurgisch freigelegt. Anschließend werden jeweils eine 5French(F)-Schleuse in die
rechte und linke A. femoralis platziert
sowie eine 8F-Schleuse in die kontralaterale V. femoralis der für die Prothesenimplantation gewählten A. femoralis. Über
die liegende venöse Schleuse wird eine
temporäre Herzschrittmachersonde gelegt.
Über die A. femoralis wird retrograd unter
Durchleuchtung ein Führungsdraht über
570
Transapikaler Zugang
Der Zugang zum linksventrikulären Apex
erfolgt über eine linkslaterale anteriore
Minithorakotomie mit Eröffnung des Perikards. Zunächst wird ein temporärer bipolarer epikardialer Schrittmacherdraht platziert. Apikal wird eine Tabaksbeutelnaht
gelegt. Nun erfolgt die Punktion des linksventrikulären Apex und ein Führungsdraht
wird antegrad unter Durchleuchtung über
die stenosierte Aortenklappe eingebracht.
Hierüber wird nachfolgend eine 14FSchleuse liegend positioniert. Es folgt unter
rapid-pacing die Ballon-Valvuloplastie.
Anschließend wird eine 33F-Schleuse
stumpf eingebracht. Die Implantation der
Aortenklappenprothese erfolgt wie beim
transfemoralen Zugang. Abschließend
wird der Apex mithilfe der Tabaksbeutelnähte wieder sicher verschlossen.
Zur Verhinderung von Thromboembolien
ist neben einer lebenslangen Medikation
mit ASS 100 mg/d für drei Monate eine
duale Plättchenaggregationshemmung mit
zusätzlich Clopidogrel 75 mg/d erforderlich.
Kardiologie/Kardiochirurgie
Abb. 3: Retrograde transfemorale Positionierung der Prothese
Fazit
Abb. 4: Antegrade transfemorale Positionierung der Prothese
Literatur
[1] Vahanian A, Baumgartner H, Bax J, Butchart E, Dion R,
Der kardiochirurgische Klappenersatz ist
weiterhin der Goldstandard der Therapie
der Aortenklappenstenose. Mit der perkutanen Prothesenimplantation steht aber
eine viel versprechende kurative Therapiealternative speziell für operative Risikokandidaten zur Verfügung. Sie wird jedoch
nur möglich durch das Zusammenspiel
konventioneller chirurgischer Techniken
mit der Erfahrung der interventionellen
Kardiologen.
Filippatos G et al. Guidelines on the management of valvular heart disease: The Task Force on the Management of
Kontakt
Hanseatisches Herzzentrum
Abteilung für Kardiologie
Valvular Heart Disease of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2007; 28(2): 230-68.
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representative database. Ann Thorac Surg 2000; 70(6):
1939-45.
Leitender Arzt Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5
20099 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-85 23 05
Fax (0 40) 18 18-85 44 44
[3] Iung B, Cachier A, Baron G, Messika-Zeitoun D, Delahaye F, Tornos P et al. Decision-making in elderly patients
with severe aortic stenosis: why are so many denied surgery? Eur Heart J 2005; 26(24): 2714-20.
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Nercolini D et al. Treatment of calcific aortic stenosis with
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Altwegg L, Moss R et al. Percutaneous transarterial aortic
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stenosis. Circulation 2007; 116(7): 755-63.
571
Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
Retinale Venenverschlüsse
Dr. Bernd Schroeder, Dr. Jan Zurdel
Retinale Venenverschlüsse sind nach der diabetischen Retinopathie die zweithäufigste Gefäßerkrankung der
Augen. Sie entstehen durch Thrombosen im Bereich anatomischer Gefäßengstellen, den arteriovenösen Kreuzungsstellen der Netzhautgefäße (Venenastverschlüsse, VAV) oder im Bereich des vorderen Sehnervenabschnittes
(Zentralvenenverschluss, ZVV). Das Ausmaß des visuellen Funktionsverlustes hängt von Grad und Lokalisation
der retinalen Ischämie ab (Tab. 1). Die schlechteste Prognose haben Zentralvenenverschlüsse mit ausgedehnten
Ischämien und einer schlechten Ausgangs-Sehschärfe < 0,1. Venenastverschlüsse und nicht-ischämische Zentralvenenverschlüsse haben eine deutlich bessere Prognose.
Gefürchtete Komplikationen ischämischer
Verschlüsse sind Gefäßneubildungen, die
am häufigsten die Iris betreffen (Rubeosis
iridis). Unbehandelt können die neu gebildeten Gefäße zu einer Verlegung des Kammerwinkels mit Augendruckanstieg, einem
sogenannten Neovaskularisationsglaukom
führen, welches unbehandelt eine schmerzhafte Erblindung des Auges zur Folge hat.
lung der Risikofaktoren, die Perfusionsverbesserung durch Viskositätssenkung, chirurgische Verfahren zur Dekompression von
Engstellen der Netzhautgefäße bzw. des
Sehnerven sowie die retinale Laserbehandlung zur Therapie bei Neovaskularisation
und Makulaödem. Neuerdings hat sich
auch die Gabe von Medikamenten in den
Glaskörperraum etabliert.
Die Therapiemöglichkeiten retinaler
Venenverschlüsse umfassen die Behand-
Klinische Ischämie-Kriterien und deren Wertigkeit
Sicher
Iris Neovaskularisation (Rubeosis Iris)
Sehr wahrscheinlich
Afferenzdefekt der Pupillen-Lichtreaktion
Reduzierte B-Welle im Elektroretinogramm
Ausgedehnte Gesichtsfeldausfälle
Sehschärfe < 0,1
Fluoreszein-Angiographie: Kapillarverschlussgebiet > 10 Papillendurchmesser
Wahrscheinlich
Tab. 1
572
Ausgedehnte retinale Blutungen und > 10 Cotton-Wool Herde
(hämorrhagischer Verschluss)
Behandlung der Risikofaktoren
Im Vordergrund stehen die bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterielle
Hypertension, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie und Nikotinabusus. An
okulären Risikofaktoren gilt es, einen
erhöhten Augendruck insbesondere des
Partnerauges zu erkennen und gegebenenfalls medikamentös zu behandeln. Eine
Thrombophiliediagnostik (Antiphospholipidantikörper-Syndrom, Hyperhomocysteinämie, APC-Resistenz, Protein S, Protein
C, Antithrombin 3) ist vor allem bei jungen
Patienten unter 50 Jahren oder bei Patienten mit rezidivierenden venösen Verschlüssen ratsam.
Augenheilkunde
Abb. 1: Neu gebildetes optikoziliares Shuntgefäß acht
Wochen nach Einschnitt des nasalen Sehnervenrandes
im Rahmen einer radiären Optikusneurotomie
Viskositätssenkung
(Isovolämische Hämodilution)
Ziel der isovolämischen Hämodilution
(IVH) ist die Verbesserung der Mikrozirkulation durch Senkung des Hämatokrits auf
Werte unter 38 Prozent. Dazu erfolgt bei
Hämatokritwerten über 38 Prozent ein
Aderlass mit gleichzeitiger HAES-Infusion.
(300/300 ml bei Hkt 38 – 40 %, 500/500 ml
bei Hkt > 40 %). Der erniedrigte Hämatokrit soll dann für etwa sechs Wochen
beibehalten werden, was gegebenenfalls
weitere Aderlässe mit simultaner HAESInfusion nötig macht. Bei einer Reihe von
Kontraindikationen sollte auf eine Hämodilution verzichtet werden. Dazu gehören
insbesondere eine manifeste Herz- oder
respiratorische Insuffizienz, Niereninsuffizienz, schwere Anämien und schwere
hämorrhagische Diathesen. Gegenüber
dem Spontanverlauf ist ein signifikant
positiver Effekt der IVH in wenigen randomisierten, placebokontrollierten Studien
nachgewiesen worden, während andere
Studien keinen Effekt zeigten. Die Rate der
Patienten, bei denen es nach einem ZVV zu
einem Wiederanstieg der Sehschärfe kommt,
steigt von 15 bis 25 Prozent (Placebo) auf
40 bis 45 Prozent (IVH). Gleichwohl bleibt
auch mit der IVH bei mehr als der Hälfte
der Betroffenen ein Visusanstieg aus. Es
kann sogar zu einer weiteren Verschlechterung kommen. Insgesamt sind die Ergebnisse der Behandlung daher relativ enttäuschend, gleichwohl gilt die IVH
hierzulande noch als Standard.
Chirurgische Verfahren
Radiäre Optikusneurotomie (RON) bei
Zentralvenenverschluss
Bei der radiären Optikusneurotomie werden eine Vitrektomie durchgeführt und der
nasale Skleralring des Sehnerven durchtrennt. Dies soll die Perfusion im Sehnerven verbessern und die Ausbildung von
Shuntgefäßen fördern. Tatsächlich sind
unmittelbar nach der Operation ein Absinken des venösen Verschlussdruckes sowie
eine reduzierte Passagezeit in der Angiographie nachweisbar. In verschiedenen
Fallstudien wurden signifikant positive
Ergebnisse mit einem durchschnittlichen
Visusanstieg von null bis drei SehzeichenZeilen erzielt. Dabei profitierten insbesondere die Patienten, bei denen eine RON
relativ kurzzeitig erfolgte, das heißt innerhalb von 90 Tagen nach dem Verschlussereignis. Patienten, bei denen es postoperativ zur Ausbildung von Shuntgefäßen im
Bereich des durchtrennten Skleralringes
kam (Abb. 1), hatten bessere Ergebnisse
und weniger Gefäßneubildungen. Das
Komplikationspotenzial der RON ist nicht
unerheblich, schwere Blutungen kommen
gelegentlich vor und Gesichtsfeldstörungen im korrespondierenden Bereich der
Schlitzungslokalisation sind häufig.
Arteriovenöse Dissektion (AVD) –
Adventitiaspaltung – Sheathotomy
bei Venenastverschluss (VAV)
Die arteriovenöse Dissektion beim VAV
wird seit einigen Jahren als chirurgisches
Verfahren angewendet und wurde in mehreren Fallkontrollstudien evaluiert. Nach
erfolgter Entfernung des Glaskörpers wird
versucht, die Adventitia im Bereich der
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Medtropole | Ausgabe 14 | Juli 2008
a
b
d
e
Abb. 2: Fundusfotografie, Fluoreszenzangiographie und OCT Schnittbild der Makula vor (a, b, c) und sechs Wochen
nach (d, e, f) intraokulärer Gabe des VEGF-Hemmers Bevacizumab; deutlicher Rückgang von Blutungen,
Gefäßdillatation, Makulaödem und Anstieg der Sehschärfe
arteriovenösen Kreuzungsstelle zu durchtrennen, um so die Perfusion in der verschlossenen Vene wiederherzustellen oder
zumindest zu verbessern. In den meisten
Fallserien zeigt auch dieses Verfahren
gegenüber dem Spontanverlauf signifikant
bessere Visusergebnisse. Allerdings zeigt
sich auch, dass das erzielte Visusergebnis
nur wenig vom Erfolg der eigentlichen
Dissektion abhängt, sondern dass der positive Effekt der Operation auch allein durch
eine Glaskörperentfernung erzielt werden
kann.
Laserkoagulation
Die retinale Laserkoagulation ist bisher das
einzige Verfahren, mit dem sich langfristig
neovaskuläre Komplikationen nach ischämischen Gefäßverschlüssen behandeln lassen. Ferner ist ein positiver Effekt einer
fokalen Koagulation auf länger bestehende
Makulaödeme bei VAV nachgewiesen. Die
Ergebnisse der Central Vein Occlusion
Study und Branch Vein Occlusion Study
geben für die Anwendung der Laserkoagu-
574
lation klare Richtlinien vor, sodass bei
nachgewiesener Neovaskularisation eine
flächige Laserkoagulation im gesamten
Verschlussgebiet sowie bei VAV mit persistierendem Makulaödem und Visus < 0,5
eine fokale Laserbehandlung durchgeführt
werden sollten.
Intravitreale Therapie
mit VEGF-Hemmern (Bevacizumab)
Die Eingabe von VEGF-Antagonisten in
den Glaskörperraum ist eine neue, vielversprechende Therapieoption, die in Fallserien bei allen Formen retinaler Venenverschlüsse eine gute Wirksamkeit zeigt. Es
kommt zu einem deutlichen Rückgang des
Netzhautödems (Abb. 2 a – f) mit Anstieg
der Sehschärfe, welche in den bisherigen
Studien durchschnittlich zwei bis vier
Zeilen beträgt. Vorteil der intravitrealen
Medikamentengabe ist deren einfache
Anwendung. Nachteilig ist die begrenzte
Wirkungsdauer von meist sechs bis neun
Wochen, was wiederholte Injektionen nötig
macht. Zudem verkürzt sich bei den fol-
genden Injektionen häufig die Wirkdauer
(Tachyphylaxie), sodass bei rezidivierendem Makulaödem und zunehmendem
Visusverfall ein therapeutisches Dilemma
besteht. Langzeitergebnisse größerer
Patientenkollektive liegen bisher nicht vor,
und es bleibt zu befürchten, dass die antiangiogenetische Wirkung der VEGF-Hemmer die retinale Ischämie unterhalten oder
sogar verstärken könnte.
Was ist evidenzbasiert?
Trotz zahlreicher Publikationen zur Therapie von Zentralvenen- und Venenastverschlüssen sind Arbeiten, die strengen Evidenzkriterien entsprechen, sehr rar.
Mohamed et al.[1] und McIntosh et al.[2]
sichteten in Metaanalysen die seit 1966
erschienenen Publikationen und fanden
aus 4.133 beziehungsweise 4.332 Artikeln
lediglich 17 beziehungsweise zwölf randomisierte Therapiestudien mit Placebo-Kontrollgruppe. Das höchste Evidenzniveau
(Level 1) ist bisher für die retinale Laserkoagulation und mit Einschränkung für
Augenheilkunde
c
f
die isovolämische Hämodilution nachgewiesen. Eine bessere Evidenzbasis ist in
näherer Zukunft am ehesten für die VEGFInhibitoren zu erwarten.
Aufgabe des Behandlers bleibt es, eine
Erfolg versprechende Kombination der
verfügbaren Therapiemöglichkeiten für
jeden Patienten individuell festzulegen.
Fazit
Literatur
Wichtig ist bei retinalen Venenthrombosen
die Abklärung kardiovaskulärer Risikofaktoren, da hier eine enge Assoziation besteht.
Bei jungen Patienten unter 50 Jahren ist
zusätzlich eine ausführliche Gerinnungsdiagnostik indiziert, insbesondere wenn
sonstige Risikofaktoren fehlen. Ein eventuell bestehendes Glaukom sollte abgeklärt
und behandelt werden.
Bei der Behandlung ist zwischen gesichert
wirksamen Verfahren (Laserkoagulation
und IVH) und neueren, vielversprechenden
Methoden mit noch unsicherer Evidenzbasis (chirurgische Verfahren, VEGF-Hemmer) zu unterscheiden.
[1] Mohamed Q, McIntosh RL, Saw SM, Wong TY. Inter-
Kontakt
Dr. Bernd Schroeder
Augenabteilung
Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Tangstedter Landstraße 400
22417 Hamburg
ventions for central retinal vein occlusion: an evidence-
Tel. (0 40) 18 18-87 34 56
Fax (0 40) 18 18-87 36 14
based systematic review. Ophthalmology 2007; 114(3):
E-Mail: [email protected]
507-19, 524.
[2] McIntosh RL, Mohamed Q, Saw SM, Wong TY. Interventions for branch retinal vein occlusion: an evidencebased systematic review. Ophthalmology 2007; 114(5):
835-54.
Dr. Jan Zurdel
Augenabteilung
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220
22291 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-82 35 37
Fax (0 40) 18 18-82 28 39
E-Mail: [email protected]
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ISSN 1863-8341
Zytostatika –
Von der Tragödie zur Therapie
Jens Oliver Bonnet
Es begann mit einer Katastrophe, die als
„2. Pearl Harbor“ in die Geschichte einging: Am Morgen des 2. Dezember 1943
versenkte die deutsche Luftwaffe neben
16 weiteren Schiffen den mit 100 Tonnen
geheim gehaltener Senfgasgranaten beladenen US-Frachter John Harvey im Hafen
von Bari (Italien). Ein Teil der Ladung lief
ins Wasser, ein weiterer Teil wurde durch
Explosionen in der Luft verteilt. Mehr als
1.000 Menschen starben, viele der Überlebenden litten unter Verätzungen.
Dass N-Methyl-bis(2-chlorethyl)-amin (NLOST) der Grund dafür war, blieb wegen
der strengen Geheimhaltung der US-Militärs zunächst unklar. Zeugen berichteten
nur über einen seltsamen Knoblauchgeruch, der über den brennenden Schiffen
gelegen habe. Bei der Autopsie der Toten
und der Untersuchung der Überlebenden
fiel den Ärzten auf, dass alle eine Leukopenie aufwiesen.[1] Dieser bereits 1919 von
dem amerikanischen Militärarzt Krumbhaar[2,3] beschriebene Zusammenhang führte schließlich zu bahnbrechenden Therapieversuchen mit N-LOST bei der Behandlung
von M. Hodgkin, Lymphosarkomen und
Leukämien.[4] Moderne Abkömmlinge sind
Cyclophosphamid und Nitrosoharnstoffe.
Nach den Erfolgen mit den LOST-Verbindungen begann eine rasante Entwicklung:
1947 führte der Bostoner Kinderarzt Sidney
Farber mit den Folsäureantagonisten die
erste Gruppe der Antimetabolite ein.[5] 1952
folgte mit dem Purinanalogon 6-Mercaptopurin das erste vollsynthetische Zytostatikum.[6] In der Folge wurden zahlreiche
weitere Wirkprinzipien entdeckt: 1962 untersuchte der Biophysiker Barnett Rosenberg den Einfluss elektrischer Felder auf
die Zellteilung von E. coli. Er brachte die
Bakterien in eine AmmoniumchloridLösung und legte eine Spannung zwischen
Platin-Elektroden an. Als die Zellen weiter
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wuchsen, ohne sich zu teilen, vermutete
Rosenberg die Ursache zunächst im Stromfluss. Nach weiteren Untersuchungen erkannte er aber, dass kleinste Mengen Platin,
die aus der Elektrode gelöst wurden, die
Zellteilung stoppten. Und er zeigte weiter,
dass Platinkomplexe auch das Wachstum
von Tumoren stoppen können.[7] Als wirksamste Substanz erwies sich das bereits seit
1844 als „Peyrones Salz“ bekannte Cisplatin.
Damit waren die extrem malignen Hodentumoren mit einem Mal zu 90 Prozent heilbar. Auf der Suche nach potenten Wirkstoffen im Kampf gegen den Krebs rückten
auch natürliche Ressourcen in den Fokus
der Wissenschaftler.[8] Rund 30 Prozent der
heute gebräuchlichen Krebsmedikamente
sind natürlichen Ursprungs oder Derivate
eines Naturstoffs, wie zum Beispiel Paclitaxel aus der Rinde der Pazifischen Eibe,
Docetaxel aus den Nadeln der Europäischen Eibe, der Topoisomerase I-Hemmer
Irinotecan aus der Rinde des chinesischen
Glücksbaums, der Topoisomerase II-Hemmer Etoposid aus der Wurzel des amerikanischen Maiapfels oder die Vincaalkaloide
aus dem Madagaskar-Immergrün. Nicht
nur Pflanzen beteiligen sich an der Entwicklung neuer Zytostatika, sondern auch
sonst ungern gesehene Bakterien: Nachdem
der New Yorker Chirurg William Coley
bereits 1892 über die günstige Wirkung
von Erysipeltoxinen auf bösartige Tumoren
berichtet hatte[9], bewährte sich 1957 das
aus Streptomyceten isolierte Anthrazyklin
Daunorubicin bei der Behandlung akuter
Leukämien.[10] Schließlich wurde sogar das
Meer als Quelle zytostatischer Substanzen
entdeckt: So geht das in der Leukämiebehandlung eingesetzte Cytosinarabinosid
auf einen in den 1950er-Jahren aus dem
karibischen Schwamm Cryptotheca crypta
isolierten Wirkstoff zurück.[11]
Senfgas-Verätzungen eines kanadischen Soldaten
im I. Weltkrieg
Literatur
[1] Hirsch J. An Anniversary for Cancer Chemotherapy.
JAMA. 2006; 296(12): 1518-20.
[2] Krumbhaar EB. Role of the blood and the bone marrow
in certain forms of gas poisoning. JAMA. 1919; 72: 39-41.
[3] Adair CPJ, Bagg HJ. Experimental and clinical studies
on the treatment of cancer by dichloroethylsulphide
(mustard gas). Ann Surg. 1931; 93: 190.
[4] Goodman LS, Wintrobe MM, Dameshek W, Goodman
MJ, Gilman A, McLennan MT. Nitrogen mustard therapy:
use of methyl-bis(beta-chloroethyl)amine hydrochloride
and tris(beta-chloroethyl)amine hydrochloride for Hodgkin’s disease, lymphosarcoma, leukemia, and certain allied
and miscellaneous disorders. JAMA. 1946; 132: 126-32.
[5] Farber S. Some observations on the effect of folic acid
antagonists on acute leukemia and other forms of incurable cancer. Blood. 1949 Feb; 4(2): 160-7.
[6] Burchenal JH. Recent advances in the treatment of
cancer. Merck Rep. 1953 Oct; 62(4): 3-6.
[7] Rosenberg B, VanCamp L, Trosko JE, Mansour VH.
Platinum compounds: a new class of potent antitumour
agents. Nature. 1969; 222(5191): 385-6.
[8] Cragg GM, Newman DJ, Weiss RB. Coral reefs, forests,
and thermal vents: the worldwide exploration of nature for
novel antitumor agents. Semin Oncol 1997; 24: 156.
[9] Coley WB. The treatment of malignant tumors by
repeated inoculations of Erysipelas, with a report of ten
original cases. Am J Med Sci 1893;105: 487-511.
[10] Weiss RB, Sarosy G, Clagett-Carr K, et al. Anthracycline
analogs: the past, present, and future. Cancer Chemother
Pharmacol 1986; 18: 185.
[11] Schwartsmann G, Brondana AD, Berlinck RG, et al.
Marine organisms as a source of new anticancer agents.
Mehr über dieses Thema: S. 562 – 565.
Lancet Oncol 2001; 2: 221.
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