GESUNDHEIT Ernährung Das Räuchern gehört zusammen mit dem Salzen und Trocknen zu den ältesten Konservierungsmethoden. Fisch, Fleisch, Gemüse oder gar Pilze und Früchte werden im Rauch jedoch nicht nur haltbar gemacht, sie erhalten auch einen speziellen Gout. Text: Heinz Knieriemen Fotos: Thomas Vogel R äuchern erschliesst neue Erlebniswelten und Sinneserfahrungen. Das gilt besonders dann, wenn es im Restaurant Villa Antique, der prachtvollen Jugendstilvilla des Spinnerei-Fabrikanten Jakob Heusser in Uster, gekonnt zelebriert wird. Die Gastgeberinnen Manuela Hewitt und Rebecca Fröslev verstehen, die duftenden Kräuter der französisch-mediterranen Küche mit dem dezenten Charme von Geräuchertem zu einer sinnesanregenden Komposition zu vereinigen. Sie setzen Rauchzeichen, die mit Kreativität und Experimentierfreude gepaart sind. Für Rebecca Fröslev wird das Räuchern dann zu einer Herausforderung, wenn sie ihrer Phantasie freien Lauf lässt und gekonnt Unkonventionelles zusammenstellt, das sich zu einem harmonischen Ganzen vereint: Räuchermehle, Gewürze, Kräuter aus dem eigenen Garten, Obst, Gemüse, Käse, Fisch und Fleisch. Räuchern statt grillieren Das Räuchern ist für sie seit der Kindheit Teil des Alltagserlebens wie bei anderen das sommerliche Grillvergnügen. In ihrer Heimat Dänemark gibt es kaum einen Ort, der mehr als 30 Kilometer vom Meer entfernt ist. Fischen ist hier nicht nur Hobby, sondern die Früchte des Meeres bildeten lange die Lebensgrundlage, die 52 Natürlich | 1-2006 Ernährung GESUNDHEIT haltbar gemacht werden mussten und den Vorrat bildeten. Vor allem die Insel Bornholm ist bekannt für geräucherte Spezialitäten. Neben dem eingesalzenen, getrockneten Stockfisch diente das Räuchern dem Konservieren, Bewahren, Erhalten, aber auch der geschmacklichen Verfeinerung. Räuchern ist ein kreatives Spiel mit Gewürzen, den variierenden Temperaturen des schwelenden Sägemehls und den Lebensmitteln. Ein Blick auf die Räuchertechniken erklärt auch, warum Räuchern als kompliziert und aufwändig gilt. Kalträuchern für eine hohe Haltbarkeit Es gibt drei unterschiedliche Räucherverfahren. Am bekanntesten und verbreitetsten ist das Kalträuchern, bei dem die Temperatur im Räuchergut zwischen 18 und 25 Grad liegt. Das Kalträuchern gilt als professionelle Technik. Für sie werden in der Regel grosse gemauerte Öfen eingesetzt, in denen Schinken, Bündnerfleisch oder ganze Lachse ihren speziellen Geschmack erhalten. Das Kalträuchern ist jedoch vor allem das traditionelle Verfahren, um Lebensmittel haltbar zu machen. Die Rezepte der Räuchermischungen und Gewürze stellen oft gut gehütete Geheimnisse dar. Eine Kalträucherung ist eine anspruchsvolle Sache und kann mehr als eine Woche beanspruchen. In dieser Zeit müssen Rauchgut und Temperatur dauernd kontrolliert werden. Es ist allerdings nicht nur ein anspruchsvolles, sondern auch ein ausgesprochen schonendes Verfahren, mit dem eine hohe Haltbarkeit erzielt wird. Hohe Temperaturen = kurze Räucherzeit Das halbwarme Räuchern stellt mit 40 bis 50 Grad eine Zwischenstufe dar, die für Gemüse, Pilze, Käse, aber auch für Fischfilets angewandt wird. Auch bei dieser Form erfordert das Einhalten der Temperaturen einige Erfahrung, doch mit etwas Übung gelingt das recht gut. Am wenigsten Aufwand erfordert das Warmräuchern mit Temperaturen von 70 bis 90 Grad in der Rauchkammer. Der Räuchervorgang wird durch die höheren Temperaturen drastisch verkürzt und beträgt selten mehr als 20 Minuten. Die Speisen garen zudem gleichzeitig, sie bedürfen also in der Regel keiner Koch- vorbereitung. Auch benötigt es keine grosse Räucherkammer. Eine Aluschale, ein Wok oder ein kleiner Topf reichen schon aus. Auch eine grosse Tonne kann mit wenig Aufwand zum Räucherofen umgebaut werden. Die Geruchsbelästigung durch Rauch ist minimal. Der leckere Rauchgeschmack und die appetitliche goldbraune Farbe kommen jedoch genau wie beim Kalträuchern zustande. Idealer Räucherofen: Wok Genauso wichtig wie Kreativität und Experimentierfreude ist, dass die ersten Erfahrungen mit dem Räuchern einfach und unkompliziert sind. Rebecca Fröslev rät für den Anfang, Aluschalen zu benützen, wie sie Haushaltsgeschäfte und die Grossverteiler im Angebot haben. Das ist billig und reicht fürs Erste völlig aus. Für das Räuchern von Forellenfilets zwei Hände voll Buchenholzmehl und Räucheröfen: Diese Öfen bieten ein breites Einsatzspektrum Wie entsteht der Rauchgeschmack? Der Rauch entwickelt sich in erster Linie durch unvollständige Verbrennung von schwelendem Sägemehl und Gewürzen. Der Chemiker nennt das Pyrolyse. Dabei wird eine Reihe von Stoffen frei, vor allem das Konservierungsmittel Methylalkohol und die Phenole als eigentliche Geschmacksgeber. Für die goldbraune Farbe sind vor allem die Teere verantwortlich. Nun ist nicht erst seit den Antiraucherkampagnen bekannt, dass Teere und ihre Derivate gesundheitsschädigend sein können. Eine spezielle Gefahr geht von Benzpyren aus. Doch dieser Teerabkömmling bildet sich bei höheren Temperaturen etwa in der Glut der Zigaretten oder wenn beim Grill Fett auf die glühende Holzkohle tropft. Beim Kalt- und Warmräuchern entsteht kein Benzpyren. Es ist daher auch wichtig, dass die Räuchertemperaturen 110 Grad nicht überschreiten. Natürlich | 1-2006 53 Ernährung GESUNDHEIT Gewürze auf den Boden geben, den gelochten Zwischenboden darauf legen, und darauf das Räuchergut wie zum Beispiel ein Forellenfilet legen. Fürs Erste sollte auch auf Anzündwürfel und Anzündpasten verzichtet werden, da die Aluschalen oder der Wok – der ebenfalls sehr gute Ergebnisse erbringt – direkt auf eine Feuerstelle oder Heizquelle gestellt werden können. Den Boden gut mit Buchenräuchermehl bedecken, eine Hand voll Wacholderbeeren und zwei Zweige Rosmarin darüber, dann den Gitterrost einlegen und das Räuchergut darauf geben. Elektro- oder Gasherd auf zwei Drittel der Maximalstärke einstellen und etwa 20 Minuten räuchern. Für die Räucherzeit muss mit der Zeit ein Gespür entwickelt werden. Wer Freude am Räuchern hat, für den lohnt sich die Anschaffung eines einfachen Räucherofens, den Fischereifachgeschäfte ab 100 Franken im Angebot haben. Salzlake vor dem Räuchern Die Krönung des erfolgreichen Angeltages ist das Räuchern des Fangs im heimischen Garten oder auf der Terrasse. Dazu gehören ein erprobtes Rezept, gekonntes Würzen und natürlich Kenntnis über Technik, Holz und Räuchermehl. Die Räucherzeit ist abhängig von der Grösse des Fisches. Räucherforelle schmeckt am besten, wenn sie noch warm serviert wird. Bevor es losgeht, wird der Fisch in Salzlake eingelegt. Das Salz hat Einfluss auf den Geschmack, und der Fisch bleibt länger haltbar. Faustregel: Ein drei Kilogramm schwerer Fisch wird in der 20-prozentigen Lake vier Stunden gesalzen. Anschliessend wird er ausgiebig gewässert und an der Luft gut getrocknet. Forellen können gern zwei bis drei Stunden trocknen, dann bekommen sie später durch das Räuchern die beliebte goldbraune Farbe. Filetierte Fische werden nur gesalzen und gewürzt – der Räuchervorgang ist daher unkomplizierter. man natürlich auch selbst zur Säge greifen. Das kreative Spiel beginnt jedoch erst mit den Gewürzen, denn hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Geräuchert wird mit Pfefferkörnern, Koriander, Kardamom, Rosmarin, Thymian, Wacholderbeeren, Heu, frischem Tabak – um nur einige der Möglichkeiten zu nennen. Professionelle Räuchereien haben zusammen mit Gewürzen eigene Mischungen entwickelt, die optimal auf die Räucherware abgestimmt sind und für eine individuelle Geschmacksnote sorgen. Ein kreatives Spiel mit Gewürzen In der Regel wird mit Buchen- oder anderen Laubbaumhölzern wie Wacholder oder Erle geräuchert. Tannen- oder Kiefernzapfen dienen jedoch häufig zur speziellen Geschmacksgebung. Sägespäne oder Sägemehl kann man in einer Sägerei oder in Fischereibedarfsgeschäften beziehen. Für geringe Mengen kann Virtuoses Spiel: Sägemehl, Wacholder oder Rosmarin geben dem Räuchergut eine individuelle Note Natürlich | 1-2006 55 GESUNDHEIT Ernährung RÄUCHER-REZEPTE von Rebecca Fröslev Geräucherte Forelle Die Forelle zwei Stunden in Salzlake legen (200 Gramm Salz auf ein Liter Wasser). Abspülen und an der Luft zwei Stunden trocknen lassen. Die Forelle innen mit Kräutern (Rosmarin, Thymian, Oregano) füllen, in mehrere Lagen Salatblätter einwickeln und wie beschrieben in die Alubox oder den Wok legen. Räucherzeit etwa eine Stunde. Die geräucherte Forelle in kleinen Stücken zusammen mit klein geschnittenen getrockneten Tomaten, Artischockenböden, grillierten Peperoni, frischen Kräutern und grünem Salat servieren. Geräucherter Lachs mit Randen und grobkörnigem Senf Lachsfilet mit Salz und Pfeffer würzen. Drei Hände voll Buchenholzsägemehl auf den Boden der Alubox geben und darüber einen Esslöffel Wacholderbeeren, einen Esslöffel Koriander und einen Esslöffel Rosmarin streuen. Auf den gelochten Zwischenboden die Lachsfilets legen. Den Lachs etwa zwölf Minuten räuchern. Die Randen blanchieren und mit einem halben Apfel fein würfeln. Für die Vinaigrette einen Esslöffel Obstessig, zwei Esslöffel Olivenöl, einen Esslöffel Orangensaft, einen Esslöffel geraffelten Meerrettich, Salz und Pfeffer bereitstellen. Den noch warmen Lachs mit dem Randensalat, über den etwas grobkörniger Senf gestreut wird, servieren. 56 Natürlich | 1-2006 Kartoffeln mit Kräuterquark Die Kartoffeln werden in der Schale kurz vorgekocht (etwa sieben Minuten) und anschliessend 15 Minuten nachgeräuchert. Serviert werden diese mit Kräuterquark und ergänzen vorzüglich Fisch. Geräucherter Brie Den Brie zehn Minuten warm räuchern wie beschrieben. Falls vorhanden, eine Zucchettiblüte miträuchern oder mit Schnittlauch bestreuen. Mit grillierten Feigen oder Zimtfrüchten noch warm servieren. Ernährung GESUNDHEIT Foto und Rezept: Heinz Knieriemen Infobox Thunfischsteaks kurz unter fliessend kaltem Wasser abwaschen, danach mit einem Tuch oder mit Küchenkrepp trockentupfen, mit Salz und Zitronensaft marinieren. Oliven in Scheiben schneiden, die Fleischtomaten in feine Würfel schneiden, die Artischockenherzen achteln, die Schalotten schälen und in feine Würfel schneiden, den Knoblauch schälen und mit einer Knoblauchpresse zerdrücken. Einen Topf mit Salzwasser aufsetzen und zum Kochen bringen für die Gnocchi. Internet • www.raeucheroefen.de • www.cruftbox.com/cruft/docs/elecsmoker. html, englisch, Anleitung für den Bau eines Räucherofens aus einem Abfalleimer Literatur • Binder: «Fische selbst räuchern», Eugen Ulmer Verlag 2001, ISBN: 3-8001-3239-7, Fr. 23.80 • Binder: «Räuchern – Fleisch, Wurst, Fisch», Eugen Ulmer Verlag 2004, ISBN: 3-8001-4625-8, Fr. 18.10 Thunfischsteak geräuchert an Oliven-Tomaten-Basilikumsauce 4 Thunfischsteaks à 150 g 2 Hand voll Räuchermehl 1 Zitrone 100 g grüne Oliven ohne Kerne 4 Fleischtomaten 2 Schalotten 1 Bund Basilikum 200 g Artischockenherzen 600 g Gnocchi 4 EL Olivenöl Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle 2 Knoblauchzehen Räucherofen: • Brumann Fischereiartikel, Stadthausquai 1, 8022 Zürich, Telefon 01 211 55 40 www.brumann.ch. Olivenöl in einer Pfanne auf mittlere Temperatur erhitzen. Zwei Hand voll Buchenholzsägemehl auf den Boden des Woks geben und einen Zweig frischen Thymian, die Schale einer Zitrone, darauf einen gelochten Einsatz. Den Wok auf die Herdplatte stellen (mittlere Hitze) und wenn die Räuchertemperatur von etwa 80 Grad erreicht ist, den Thunfisch auf den Einsatz geben und zudecken, etwa sechs Minuten räuchern. Gnocchi ins kochende Wasser geben, Temperatur verringern und drei Minuten ziehen lassen (die Gnocchi sind fertig, wenn sie oben schwimmen). Olivenscheiben, zerdrückten Knoblauch, Tomatenwürfel, Artischockenherzen und Schalottenwürfel sechs Minuten dünsten, mit Salz und Pfeffer würzen. Basilikum waschen, die Blätter fein zupfen und zur Sauce geben. Thunfischsteaks auf vorgewärmten Tellern anrichten, mit der Oliven-Tomaten-Basilikumsauce nappieren, Gnocchi drum herumlegen, mit Basilikumblättern garnieren. • Hauer: «Fische räuchern und beizen – Mit Tischräuchern, Räucherofenbau und so weiter», Leopold Stocker Verlag 2001, ISBN: 3-7020-0853-5, Fr. 25.80 • Hoff: «Fische räuchern», Verlag BLV 2003, ISBN: 3-405-16633-0, Fr. 19.50 • Rüdenauier: «Fische räuchern wie ein Profi», Verlag Müller Rüschlikon 2004, ISBN: 3-275-01487-0, Fr. 26.80 • Rehbronn / Rutkowsky / Jahn: «Das Räuchern von Fischen – Ein Leitfaden für Hobbyköche und Angler, Berufsfischer und Fischzüchter», Kosmos Verlag 2002, ISBN: 3-440-09083-3, Fr. 22.60 Rucolasalat mit geräuchertem Gemüse Sherrytomaten, Fenchelstücke und Blumenkohlrosetten wie oben beschrieben räuchern. Mit Aceto Balsamico, schwarzem Pfeffer, Basilikum und Zitronensaft ein Dressing für den Rucolasalat herstellen und mit dem geräucherten Gemüse servieren. Vanilleglace mit geräucherter Ananas Die Ananas in Scheiben acht Minuten warm räuchern und zusammen mit der Vanilleglace und etwas frischer fein gehackter Minze servieren. Natürlich | 1-2006 57