JOURNAL TUMORZENTRUM ERFURT Die Radiochirurgie / Stereotaktische R a d i o t h e r a p i e : E r w e i t e r u n g e n d e r t h e r apeutischen Optionen bei Hirntumoren und arteriovenösen Malformationen Gabriele Kleinert, Klaus-Detlef Hamm, Gunnar Surber Abteilung für stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt Zusammenfassung Stereotaktische Strahlenanwendungen sind konformale Präzisionsbestrahlungen, entweder einmalig mit hoher Dosis („klassische“ Radiochirurgie = radiosurgery = RS) oder fraktioniert in kleinen Einzeldosen (Stereotaktische Radiotherapie = SRT) appliziert werden [11,18]. Durch den steilen Dosisgradienten in unmittelbarer Umgebung des Tumors kann a) das umgebende Gewebe weitgehend geschont und b) die Dosis im Tumor erhöht werden. Te c h n i s c h e Voraussetzungen, Durchführung und Indikationsspektrum der Methode, Besonderheiten der Abb. 1 b) R e a k t i o n s m u - Abb. 1 a) stereotaktische Ringfixierung stereotaktisches Maskensystem ster in Klinik und Bildgebung und die Konsequenzen einer weitgehenden interdisziplinären Kooperation werden dargelegt. Fortsetzung Seite 3 Abb. 2 a) Mikro-Multileaf-Kollimator Abb. 2 b) Ausblendung der Tumorumgebung durch Kollimator-Lamellen (virtuell) 02/2006 INHALT Seite 3 Die Radiochirurgie / Stereotaktische Radiotherapie: Erweiterungen der therapeutischen Optionen bei Hirntumoren und arteriovenösen Malformationen Seite 8 Operative Behandlung des Magenkarzinoms Seite 10 Spektrum und Diagnose humaner PapillomavirusInfektionen Seite 12 Symposium „Ganzheitlichkeit – Vison oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin“ Seite 15 Zum Begriff „Ganzheitlichkeit“ Seite 20 Gedanken zur Palliativmedizin in Deutschland Seite 24 Neue Abteilung Palliativmedizin und Schmerztherapie am HELIOS Klinikum Erfurt Seite 25 Symposium „Pädiatrische Onkologie – state of art“ anlässlich 40 Jahre Kinderonkologie in Erfurt Seite 26 Weltkongress für Humangenetik in Brisbane Seite 27 Gemeinsames Veranstaltungsverzeichnis Seite 29 Angebote des Tumorzentrum Erfurt e.V. 19. Onkologische Konferenz des Tumorzentrum Erfurt Haus Hainstein, Eisenach, 3. und 4. November 2006 Wissenschaftliches Programm Freitag, 3. November 2006 14.00 Uhr Eröffnung, Prof. Dr. med. B. Ulshöfer, Tumorzentrum Erfurt Urogenitale HPV-Infektionen – Diagnostik, Erscheinungsbilder und Behandlung 14.10 Uhr Management der urogenitalen HPV-Infektionen aus der Sicht des Frauenarztes Prof. Dr. med. U. B. Hoyme, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, HELIOS Klinikum Erfurt 14.30 Uhr Klassifikation der epithelialen Tumoren und ihrer Vorläuferläsionen von Zervix und Vulva unter Berücksichtigung einer HPVAssoziation Prof. Dr. med. H. Kosmehl, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt 14.50 Uhr Molekularbiologische Diagnostik der HPV-Infektion – eine Standortbestimmung Dr. rer. nat. Regine Dahse, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt 15.05 Uhr Risikobewertung HPV-assoziierter intraepithelialer Läsionen der Zervix mittels FISH-Technik Dr. rer. nat. Birgit John, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt 15.15 Uhr Paradigmawechsel in der Prävention des Zervixkarzinoms – Die Entwicklung eines HPV-Impfstoffs Dr. med. Gudrun Mächler, GlaxoSmithKline, München 15.45 Uhr Kaffeepause TNM als Mittel der Qualitätssicherung – Die Bedeutung der R-Klassifikation für die Therapie 16.15 Uhr Prinzipien der TNM-Klassifikation unter besonderer Berücksichtigung der R-Klassifikation Prof. Dr. med. C. Wittekind, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Leipzig 17.15 Uhr Was hat der Arzt vom Krebsregister Erfurt? Prof. Dr. med. B. Ulshöfer, Klinik für Urologie, HELIOS Klinikum Erfurt 17.30 Uhr Pause Diagnostische und therapeutische Standards bei häufigen Tumoren I 17.45 Uhr Magenkarzinom - Diagnostik und Prävention Prof. Dr. med. U. Schmidt, 2. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum Erfurt 18.05 Uhr Operative Therapie und Nachsorge beim Magenkarzinom Prof. Dr. med. Dr. phil. B. Böhm, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt Sonnabend, 4. November 2006 Nebenwirkungen der Strahlentherapie – Was man über Strahlen und ihre Folgen am Normalgewebe wissen sollte. 9.00 Uhr Pathogenese und Einflussfaktoren von Nebenwirkungen in der Strahlentherapie Prof. Dr. vet. et rer. medic. habil. med. W. Dörr, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden 9.45 Uhr Strahlenreaktionen des Darmes Dr. med. Sabine Köst, Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, HELIOS Klinikum Erfurt 10.15 Uhr Beeinflussung der Strahlenreaktionen der Mundschleimhaut – präklinische und klinische Ergebnisse Prof. Dr. vet. et rer. medic. habil. med. W. Dörr, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden 10.45 Uhr Kaffeepause Diagnostische und therapeutische Standards bei häufigen Tumoren II 11.10 Uhr Malignes Melanom Prof. Dr. med. Ruthild Linse, Klinik für Hautkrankheiten, HELIOS Klinikum Erfurt Freie Vorträge 11.50 Uhr Bisphosphonat-assoziierte Osteonekrose der Kieferknochen – eine interdisziplinäre Herausforderung Priv.-Doz. Dr. med. J.-U. Piesold, Prof. Dr. med. Dr. med. dent. H. Pistner, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt 12.10 Uhr Das Pleuramesotheliom – Stellenwert der Thorakoskopie in der Diagnostik und Therapie Dr. med. A. Nemat, Thoraxzentrum, Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie, HELIOS Klinikum Erfurt 12.30 Uhr Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom im Stadium III und die Rolle der Mediastinoskopie in der Diagnostik Dr. med. W. Keck, Thoraxzentrum, Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie, HELIOS Klinikum Erfurt Schlusswort Seite 2 JOURNAL 02 1/2006 5 Die Radiochirurgie / Stereotaktische Radiotherapie: Erweiterungen der therapeutischen Optionen bei Hirntumoren und arteriovenösen Malformationen Gabriele Kleinert, Klaus-Detlef Hamm, Gunnar Surber Abteilung für stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt Definitionen Stereotaxie = zielgerichtete Ortsbewegung mittels eines speziellen Zielgerätes; in der Neurochirurgie entwickelt. Durch die Fixation des Kopfes im Stereotaktischen Rahmen wird ein kartesisches Koordinatensystem definiert. Die anschließende, auf dieses Koordinatensystem bezogene Bildgebung (Computertomografie) erlaubt mittels Sonde bzw. kollimierten Strahls das präzise Lokalisieren und Wiederauffinden jedes Bildpunktes mit einer Abweichung von weniger als 0.5 mm. Dieses Verfahren wird seit Jahren sowohl für intrakranielle Präzisionsbestrahlungen (Radiochirurgie, stereotaktische Radiotherapie, Brachytherapie) als auch für gezielte neurochirurgische Operationen (stereotaktische Biopsien und funktionelle neurochirurgische Eingriffe) eingesetzt. Radiochirurgie = nichtinvasive Devitalisierung von Hirngewebe mittels einer hohen, einmalig applizierten Strahlendosis durch stereotaktisch geführte Konvergenzbestrahlung; von Lars Leksell 1951 inaugurierte Methode [11]. Darauf aufbauend wurde das „Gamma-knife“ entwikkelt, das - unter Verwendung der Cobalt60-Gammastrahlung und seit 1968 im klinischen Einsatz weite Verbreitung fand und heute allgemein mit dem Begriff „Radiochirurgie“ in Verbindung gebracht wird. Die Weiterentwicklung der Linearbeschleunigertechnik ermöglicht seit den achtziger Jahren auch deren Einsatz für die stereotaktische Konvergenzbestrahlung [2,20]. Technische Voraussetzungen Die unverzichtbaren Anforderungen an höchste Präzision und Reproduzierbarkeit der Einstellparameter sowie der relativ hohe Arbeitsaufwand bei der Bestrahlungsplanung und -einstellung forderten zu neuen Lösungen im Hard- und Softwarebereich der für die stereotaktische Strahlentherapie genutzten Linearbeschleuniger heraus. Voraussetzung für die Präzision der Strahlenanwendung ist die sichere Fixation des Kopfes. Für die Radiochirurgie wird dabei die scharfe Fixierung eines Stereotaxie-Ringes mittels headpins, für die SRT ein spezielles rahmenfixier- JOURNAL tes, reproduzierbares stereotaktisches Maskensystem verwendet. (Abb.1, s. Titelseite) Eine weitere, entscheidende Voraussetzung ist die Nutzung aller möglichen Informationen der bildgebenden Diagnoseverfahren durch entsprechende Bildfusionen [6]. Die für die Stereotaxie erforderliche Genauigkeit stellt auch besondere Anforderungen an die jeweils benötigte Hardware sowie an eine kontinuierliche Qualitätssicherung [5]. Für die Bestrahlung kommt ein Mikrolamellen-Kollimator (Mikro-Multi-Leaf-Collimator = MMLC) zur Anwendung, der sich in jeder Einstrahlrichtung millimetergenau der entsprechenden Tumorform anpasst [17] (Abb. 2, s. Titelseite). Die Vorteile des im Helios Klinikum Erfurt installierten, speziell für die Radiochirurgie entwickelten „NOVALIS shaped beam surgery“-Systems bestehen vor allem in der in gleicher Weise möglichen einmaligen oder fraktionierten, millimetergenauen Dosisapplikation und der hohen mechanischen Präzision aller Komponenten (Gantry, Patientenlagerungstisch, MMLC). Es resultiert eine zuverlässige und reproduzierbare Einstellung des Patienten bzw. dessen Befundes im Raum sowie der geometrischen Strahlparameter der Gantry im Submillimeterbereich. Dies ist insbesondere für Befunde in unmittelbarer Nähe von Risikoorganen (Hirnstamm, Sehnerven, Chiasma) unerlässlich. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass ein automatischer MMLC fest am Beschleunigerkopf installiert ist und somit die einmal erreichte Justagegenauigkeit für jeden Patienten nachweislich konstant bleibt [5]. Die Positionen der einzelnen Lamellen werden dabei ständig durch zwei unabhängig funktionierende Prüfsysteme erfasst und verifiziert, so dass die für stereotaktische Strahlenanwendungen vorteilhafte Rotationsbestrahlung mit „dynamic arc“- Technik möglich ist. Procedere Planung und Durchführung der stereotaktischen Radiotherapie stellen interdisziplinäre Aufgaben dar, in die Strahlentherapeuten, Neurochirurgen, Medizinphysiker und Neuroradiologen in gleicher Weise eingebunden sind. Für die Radiochirurgie wird dem Patient am Behandlungstag der stereotaktische Rahmen in Lokalanästhesie am Kopf fixiert. Für Patienten, die eine stereotaktische Radiotherapie erhalten, wird zunächst das stereotaktische Maskensystem individuell modelliert. Damit wird ein Planungs-CT in hochauflösender Dünnschicht-Technik (ca. 128 axiale Schichten a 1.25 mm; über 70 MB Speichervolumen) akquiriert und zum Planungsrechner übertragen. Im Falle einer Arteriovenösen Malformation muss anschließend im stereotaktischen 02/2006 Seite 3 Rahmen auch die Digitale Subtraktionsangiografie (DSA) durchgeführt werden. Die anschließende Konturierung des Zielvolumens und umgebender Risikoorgane erfolgt unter Zuhilfenahme der MRT-, CT-, evtl. auch DSA- oder PET-Datensätze nach entsprechender Bildfusion durch Strahlentherapeuten, Neurochirurgen und Neuroradiologen. Vom Medizinphysiker wird der Bestrahlungsplan erstellt, wobei jeweils mehrere Varianten erarbeitet werden und schließlich das interdisziplinäre Team den für diesen Fall optimalen Plan auswählt. Nach Simulation des Bestrahlungsablaufs erfolgt die Behandlung (bei der Radiochirurgie einmalig, bei der stereotaktische Radiotherapie täglich mit Wochenendpause in gleicher Weise). Indikationen Die stereotaktische Strahlentherapie eignet sich besonders für kleine, von der Umgebung scharf abgegrenzte und in der Tiefe gelegene intrakranielle Prozesse. Gesicherte Indikationen sind Arteriovenöse Malformationen und benigne Hirntumoren (insbesondere Meningeome, (Akustikus-)Neurinome, Hypophysenadenome und Kraniopharyngeome) mit hohem Op-Risiko oder progrediente Rest- bzw. Rezidiv-Tumoren nach OP und/oder Bestrahlung sowie bei allgemeinen Kontraindikationen oder alternativ zu einer Operation [3,4,9,12,19] (Tab.1 und 2). Bei diffus infiltrierend wachsenden malignen Tumoren ist der Einsatz dieser Präzisionsbestrahlungen zunächst kontraindiziert. Die höhergradigen Gliome (WHO Grad III + IV) müssen mit dem entsprechendem (2 cm) Sicherheitssaum konventionell bestrahlt werden [15]. Erst bei einem umschriebenen, inoperablen Rezidiv sollte unter strenger Indikationsstellung ein stereotaktischer Boost erwogen werden. Dagegen kann die stereotaktische Radiotherapie bei der multimodalen Therapie von niedergradigen Gliomen einen wertvollen Beitrag leisten, zumal heute die Bildfusionen mit verschiedenen MR-Sequenzen und Tyrosinoder Methionin-PET eine exakte Tumoreingrenzung und stereotaktische 3D-Bestrahlungsplanung ermöglichen [7,15]. Hirnmetastasen stellen ebenfalls eine gesicherte Indikation zur Radiochirurgie dar [1,8]. Dabei sind jedoch abhängig von der Histologie des Primärtumors, der Anzahl und Größe der zerebralen Metastasen sowie der extrakraniellen Tumorausbreitung die Therapieoptionen Operation und Ganzhirnbestrahlung in das Behandlungskonzept einzubeziehen. Des weiteren liegen umfangreiche Daten zur Radiochirurgie funktioneller Störungen wie z. B. der therapieresistenen Trigeminusneuralgie vor [10,13,14]. Tabelle 1: Indikationen zur Radiochirurgie/SRT Arteriovenöse Malformationen Benigne Tumoren - Neurinome - Meningeome - Hypophysenadenome - Kraniopharyngeome Maligne Hirntumoren In Kombination mit „konventioneller“ Strahlentherapie als : - Boost-Bestrahlung von Restbefunden - Rezidivbestrahlung in vorbelastetem Gebiet Hirnmetastasen Prinzipiell sind sowohl Metastasen strahlensensibler als auch strahlenresistenter Tumoren radiochirurgisch behandelbar (abhängig von Größe und Lage des Befundes) Funktionelle Störungen Therapieresistente Trigeminusneuralgie 3 a) 3 b) Tabelle 2: Verteilung der im Helios Klinikum Erfurt von April 2000 bis August 2003 stereotaktisch bestrahlten Tumorentitäten 3 c) Abb. 3: Metastasen 172 Meningeome 113 Neurinome 58 Hypophysen-Tumoren 45 Low grade Gliome 37 AVM 25 Maligne Tumoren o. n. A. 16 Benigne Tumoren o. n. A. 15 Glioblastome (boost) 15 High grade Gliome (boost) 12 Trigeminus-Neuralgie 6 HNO-Tumoren 5 Summe: 519 3 d) Pat. V., R., 45 J., Akustikusneurinom (a) vor Radiochirurgie mit 15 Gy (b) 6 Monate nach SRT (c) 18 Monate nach SRT (d) 30 Monate nach SRT Seite 4 JOURNAL 33.1 21.8 11.2 8.7 7.1 4.8 3.1 2.9 2.9 2.3 1.2 1.0 100.0 % % % % % % % % % % % % % 02 1/2006 5 Verlaufsbeobachtungen nach RS/SRT – eine interdisziplinäre Aufgabe Nach der stereotaktischen Strahlentherapie benigner Tumoren werden typische zeitliche Reaktionsmuster beobachtet, die sich von Verläufen nach Strahlentherapie maligner Tumoren unterscheiden. Hervorzuheben ist dabei, dass das Ziel der Strahlentherapie benigner Prozesse in einem Wachstumsstillstand, nicht in der Beseitigung der Tumoren liegt. (Abb. 3) Messbare Größenänderungen vollziehen sich im Zeitraum von Monaten bis Jahren. Darüber hinaus zeigen Neurinome und Meningeome häufig eine Rückbildungstendenz innerhalb der ersten 12 - 18 Monate, um dann als Restbefund in konstanter Größe zu persistieren. (Abb. 4) 5 a) 5 b) 5 d) 5 c) Abb. 5: Pat. E., R., 56 J.: Kleinhirn-Brückenwinkel-Meningeom, SRT 28 x 2 Gy 09/00 Tumorvolumen (a) vor Therapiebeginn: 10,71 cm3 (b) 9 Monate nach Therapieabschluss: 5,91 cm3 (c) und (d) unveränderte Befundgröße 9 Monate und 19 Monate nach Therapie Abb. 4: Pat. J., A., 47 J.: Keilbeinflügelmeningeom OP 12/98; Rezidiv-OP 06/00 –> 09/00 Rezidiv (linke Spalte) MRT-Verlauf (li.) vor und (re.) 1 Jahr nach Stereotaktischer Radiotherapie mit 28 x 2 Gy Moderate Größenänderungen irregulär geformter Tumoren lassen sich mittels Bildfusion und vergleichender Volumetrie mit großer Sicherheit nachweisen bzw. ausschließen (Abb. 5). Ein Schwerpunkt in der Nachbeobachtung nach Radiochirurgie von Metastasen liegt neben der Verlaufskontrolle der bestrahlten Befunde in der Diagnostik von neu aufgetretenen Herden. Zur frühzeitigen Erfassung kleinster, asymptomatischer, radiochirurgisch gut behandelbarer Metastasen sind MRT-Scans in 2 mm Schichtabstand das aussagekräftigste Verfahren (Abb. 6). Nach stereotaktischer Strahlentherapie mit hohen Einzeldosen (Radiochirurgie bzw. Hypofraktionierte SRT) kommt es häufig zu ausgeprägteren passageren Umgebungsreaktionen. JOURNAL Abb. 6: Pat. F., S., 43 J., Melanozytoblastom der rechten Schulter, Primärtherapie 1996 – 01/01 OP einer Hirnmetastase okzipital rechts – 31.01.01 Radiochirurgie der abgebildeten 2. Metastase frontal rechts mit 25 Gy (Abbildungen links) – MRT-Kontrolle 6 Monate nach Radiochirurgie: vollständige Befundrückbildung (Abbildungen rechts) – Pat. war zur Nachuntersuchung 07/03 tumorfrei 02/2006 Seite 5 Unverzichtbar für den optimalen Einsatz der Methode sind ein spezialisiertes Team aus Strahlentherapeuten, Neurochirurgen, Medizinphysikern, MTRA und enge Kooperation mit Neuroradiologen und weiterbehandelnden Fachdisziplinen. Schlussfolgerungen für die Praxis 7 a) 7 b) 7 c) Die Radiochirurgie/Stereotaktische Strahlentherapie bietet eine Erweiterung der Therapieoptionen bei : - Lokal inoperablen intrakraniellen Prozessen - Allgemeinen Kontraindikationen zur OP - Rest- oder Rezidivtumoren nach OP - Rest- oder Rezidivtumoren in vorbestrahlten Regionen - Alternative zur OP 7 d) 7 e) 7 f) Abb. 7: Pat. Sch., R., männl., 21 J.: Rezidivierendes Oligodendrogliom WHO-Grad II, Z. n. OP 4/97 (a) postoperative Verlaufskontrolle (12/00): Befundprogredienz (b) vor SRT (03/01) –> SRT 7 x 5 Gy (03/01) (c) 3 Mo. nach SRT (6/01): Maximum der Strahlenreaktion (d) 6 Mo. nach SRT (12/01): noch deutliche Strahlenreakton (e) 12 Mo. nach SRT (03/02): Rückbildung Strahlenreaktion; Tumorrückbildung (f) 24 Mo. nach SRT (03/03): weitestgehende Tumorrückbildung LITERATUR 1. Aoyama H, Shirato H, Onimaru R et al. Hypofractionated stereotactic raiotherapy alone without whole-brain irradiation for patients with solitary and oligo brain metastasis using noninvasive fixation of the skull. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2003; 56: 793-800 2. Betti OO, Galmarini D, Derechinskiy V. Radiosurgery with a linear accelerator. Methodological aspects. Stereotact Funct Neurosurg. 1991; 57: 87-98 3. D’Ambrosio AL, Bruce JN. Treatment of Meningioma: An update. Curr Neurol Neurosci Rep. 2003; 3: 206-214 4. Fuss M, Debus J, Lohr F et al. Conventionally fractionated stereotactic radiotherapy (FSRT) for acoustic neuromas. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2000; 48: 1381-7 5. Grebe G,Pfaender M, Roll M et al. Dynamic arc radiosurgery and radiotherapy: commissioning and verification of dose distributions. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2001; 51: 1451-1460 6. Grosu AL, Lachner R, Wiedenmann N et al. Validation of a method for automatic image fusion (Brain LAB System) of CT data and 11C-methionine-PET data for stereotactic radio therapy using a LINAC: first clinical experience. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2003; 56:1450-1463 Hier erweist sich die Differentialdiagnose zwischen strahleninduzierter Blut-Hirn-Schranken-Störung und lokaler Tumorprogression mitunter als schwierig [16]) (Abb. 7). Daher ist in der Nachsorge eine enge Zusammenarbeit zwischen den betreuenden Fachdisziplinen (Neurochirurgen, Neurologen, HNO-Arzt, Endokrinologen, Onkologen), den Radiologen und dem behandelnden Radiochirurgie-Team unverzichtbar, um evtl. Rezidivwachstum bzw. behandlungsbedürftige Folgereaktionen zu erkennen und adäquat zu therapieren. Verunsicherungen des Patienten durch differierende Beurteilungen der bildgebenden Diagnostik post radiationem können so weitgehend vermieden werden. Anforderungen an MRT- Verlaufskontrollen nach einer Radiochirurgie/ Stereotaktischen Radiotherapie: - 2 mm-Scans im Befundbereich + Distanzmessung in 3 Ebenen Bei Metastasen 2 mm-Scans des gesamten Hirnschädels zur frühzeitigen Erfassung neuer Befunde - exakter Befundvergleich nur nach Fusion der MRTDatensätze möglich - Ziel: kompatible Datenspeicherung und -übertragung auch aus röntgendiagnostischen Einrichtungen der Umgebung f quantitative Befundvergleiche nach Bildfusion möglich! Seite 6 JOURNAL 02 1/2006 5 7. 8. 9. Henze M, Mohammed A, Schlemmer H et al. Detection of tumour progression in the follow-up of irradiated low-grade astrocytomas: comparison of 3-[123I]iodo-alpha-methyl-L-tyrosine and 99mTc-MIBI SPET. Eur J Nucl Med Mol Imaging. 2002; 29: 1455-1461 Herfarth KK, Izwekowa O, Thilmann C et al. Stereotaktische Einzeitbestrahlung zerebraler Melanommetastasen. Analyse von 122 behandelten Hirnmetastasen bei 64 Patienten. Strahlenther Onkol 2003; 179: 366-371 Jalali R, Loughrey C, Baumert B. High precision focused irradiation in the form of fractionated stereotactic conformal radiotherapy (SCRT) for benign menigeomas predominantly in the skull base location. Clin. J Oncol. 2002;14: 103-109 17. Solberg TD, Fogg R, Selch M et al. Conformal Radiosurgery using a Dedicated Linac and Micro Multileaf Collimator. In: Kondziolka D (ed.): Radiosurgery. Basel, Karger, 2000; 3: 53-63 18. Tome WA, Mehta MP, Meeks SL et al. Fractionated stereotactic radiotherapy: a short rewiev. Technol Cancer Res Treat. 2002; 1: 153-172 19. Williams JA. Fractionated Stereotactic Radiotherapy for Acoustic Neuromas. Stereotact. Funct. Neurosurg. 2002; 78: 17-28 20. Winston KR, Lutz W. Linear accelerator as a neurosurgical tool for stereotactic radiosurgery. Neurosurgery 1988; 22: 454-463 10. Kondziolka D, Lunsford LD, Flickinger JC. Stereotactic radiosurgery for the treatment of trigeminal neuralgia. Clin. J Pain. 2002; 18: 42-47 11. 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J Neurooncol. 2002; 56: 175-181 JOURNAL Korrespondenzadresse: Dr. med. Gabriele Kleinert Abteilung für Stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt Tel.: 03 61 / 7 81-67 17 02/2006 Seite 7 Operative Behandlung des Magenkarzinoms Jörg Meiforth, Lars Steffens, Bartholomäus Böhm, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt Anatomie Der Magen wird makroskopisch eingeteilt in ein proximales (Fundus und Kardia), mittleres (Korpus) und distales Drittel (Antrum, Pylorus). Die Schleimhaut bildet einen protektiven Schleim (Nebenzellen), Salzsäure (Belegzellen), verschiedene Hormone und Pepsin (Hauptzellen). Funktionell wird der Magen in zwei Teile eingeteilt, einen proximalen, der als Nahrungsreservoir dient und einen distalen, der den Speisebrei mechanisch zerkleinert und so für die weitere Verdauung im Dünndarm vorbereitet. Einteilung Histologisch gesehen handelt es sich bei den Magenkarzinomen fast ausschließlich um Adenokarzinome, wobei ungefähr 10 % Siegelringkarzinome mit schlechter Prognose sind. Um Magenkarzinome zu klassifizieren, werden die Einteilung nach Borrmann, nach Lauren und die TNMKlassifikation verwendet. Die Borrmann-Einteilung ist eine makroskopische Klassifikation, mit der die lokale, endoskopische bzw. endosonographische Tumorausbreitung in vier Graden beschrieben wird. Die Lauren-Klassifikation ist eine histologische Einteilung, Lauren unterscheidet zwischen Tumoren vom intestinalen und vom diffusen Typ. Intestinale Tumore sind gut zum Nachbargewebe abgrenzbar, metastasieren häufiger hämatogen und haben eine günstigere Prognose. Diffuse Karzinome sind dagegen schlechter abgrenzbar zum angrenzenden Gewebe, weisen eher einen infiltrierenden Charakter auf und neigen zur Peritonealkarzinose und damit zu einer schlechteren Prognose. Die Lauren-Klassifikation ist hilfT1 T2 T3 T4 Tumor Tumor Tumor Tumor infiltriert die Lamina propria oder Submukosa. infiltriert M. propria (a) oder Subserosa (b). penetriert Serosa. infiltriert benachbarte Strukturen. N0 N1 N2 N3 Keine regionären Lymphknotenmetastasen. Metastasen in 1–6 regionären Lymphknoten. Metastasen in 7–15 regionären Lymphknoten. Metastasen in mehr als 15 regionären Lymphknoten. M0 M1 Keine Fernmetastasen Fernmetastasen Seite 8 JOURNAL reich, um über das notwendige Ausmaß der Resektion zu entscheiden. Die TNM-Klassifikation spiegelt die gesamte Tumorerkrankung wider. Diagnostik Ein Magenkarzinom wird häufig erst entweder aufgrund einer Blutung aus dem Tumor oder wegen einer Stenose (Passagestörung) und den daraus resultierenden Magenentleerungsstörungen mit Erbrechen oder Schluckstörungen auffällig. Eine dann durchgeführte Gastroskopie zeigt meistens einen bereits fortgeschrittenen Tumor. Zur Sicherung der Diagnose und genauen Typisierung des Karzinoms werden während der Untersuchung mehrere Proben aus dem Tumor entnommen. Um das klinische Stadium des Tumors abzuschätzen, werden immer eine Sonographie des Abdomens und eine Röntgenaufnahme des Thorax zum Ausschluss von Fernmetastasen veranlasst. Bei einem fortgeschrittenen Befund kann zur genaueren Bestimmung der lokalen Ausdehnung des Tumors noch eine Computertomographie und eine Endosonographie notwendig sein. Zur präoperativen Einschätzung des zu erwartenden Lymphknotenbefalls werden nach Abschluss aller präoperativen Untersuchungen die gewonnenen Daten (Alter und Geschlecht, Histologie, Lokalisierung, Größe und Borrmann-Klassifikation) in ein Computerprogramm des National Cancer Centers Tokio, Japan, eingegeben. Operationsindikation Wenn die Möglichkeit einer kurativen Operation gegeben ist, sollte ein Magenkarzinom immer operiert werden. Im Falle einer palliativen Situation sollte eine Operation nur bei Komplikationen wie Tumorblutungen oder einer Magenausgangsstenose in Betracht gezogen werden. Neoadjuvante Chemotherapie Bei fortgeschrittenen, primär nicht resektablen Karzinomen des Magens ohne Peritonealkarzinose oder Fernmetastasen sollte eine präoperative Chemotherapie in Betracht gezogen werden. Das Ziel dieser Chemotherapie ist das Down-Staging, um den Befund so weit zu verkleinern, dass eine kurative Resektion möglich wird. Palliative Chemotherapie Im Falle eines metastasierten Karzinoms sollte eine adjuvante Chemotherapie eingeleitet werden. Die Chemotherapie wird in der Regel gut vertragen und scheint einen Vorteil hinsichtlich der Lebensqualität und der mittleren Überlebensdauer zu bieten. Operationsverfahren Das Operationsverfahren richtet sich nach der Lokalisation und Größe des Tumors und dem histologischen Typ. Liegt nur ein kleiner Tumor vor, der im distalen Drittel des Magens lokalisiert ist, so ist eine subtotale Magenresektion ausreichend. In allen anderen Fällen, das heißt bei einer mehr proximalen Lokalisation oder größeren 02 1/2006 5 Tumoren kommt nur noch eine Gastrektomie in Frage. In der Histologie wird außerdem zwischen dem intestinalen und dem diffusen Typ nach Lauren (s.o.) unterschieden. Bei ersterem ist ein Sicherheitsabstand von 5 cm zwischen dem Tumor und den Resektionsgrenzen ausreichend, bei letzterem sollte ein Abstand von 8 – 10 cm nicht unterschritten werden. Das Ausmaß der Lymphadenektomie wird präoperativ durch den Operateur abgeschätzt und von den individuellen Risiken des Patienten und dem Operationssitus abhängig gemacht. Eine D1-Lymphadenektomie wird immer, eine D2-Lymphadenektomie sehr häufig durchgeführt. Eine weitergehende Resektion mit Splenektomie und gegebenenfalls lokal vom Tumor infiltrierten Organen (Pankreas, Kolon, Leber) ist nur unter dem Ziel einer kurativen Therapie gerechtfertigt. Zur Wiederherstellung der Kontinuität kommen je nach Operationsverfahren und anatomischen Gegebenheiten drei verschiedene Verfahren zum Einsatz: Die Rekonstruktion nach Billroth I, nach Billroth II und die Roux-YAnastomose. Im Falle einer palliativen Operation kommt je nach Indikation zur Operation die Resektion des blutenden Tumors oder die Anlage einer Gastroenterostomie zur Überbrückung einer Stenose in Frage. Liegt hingegen ein stenosierendes Karzinom des oberen Drittels – z.B. ein Kardiakarzinom – vor, kann auch eine Gastrektomie indiziert sein. Billroth-1 (Gastroduodenostomie) Nachbehandlung Die Patienten werden bereits am Operationstag mobilisiert. Der Kostaufbau beginnt unmittelbar postoperativ eingeschränkt mit nur 1 – 2 Tassen Tee am Tag. Zusätzlich werden die benötigte Flüssigkeit und Nährstoffe über einen (zentralen) Venenkatheder zugeführt. Der weitere Kostaufbau wird in der Regel ab dem fünften Tag nach der Operation begonnen. Als Spätkomplikationen können bei dem Patienten eine Malabsortion, eine Malnutrition mit starker Gewichtsabnahme, Dumping-Syndrome, alkalische Refluxösophagitis und Anämien auftreten. Bereits präoperativ sollte der Patient deshalb darüber aufgeklärt werden, dass er statt großer Mahlzeiten mehrere kleine einnehmen sollte, da durch die fehlende Reservoirfunktion des Magens bereits kleine Mengen Nahrung ein Sättigungsgefühl ohne ausreichende Nährstoffzufuhr verursachen. Hyperosmolare Nahrungsmittel sollten als Vorbeugung gegen DumpingSyndrome vermieden werden. An eine Vitamin-B12-Substitution alle drei Monate sollte unbedingt gedacht werden. Billroth-2 (Gastrojejunostomie) Roux-Y (Gastrojejunostomie) Korrespondenzadresse: Dr. med. Jörg Meiforth Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-23 31 JOURNAL 02/2006 Seite 9 Spektrum und Diagnose humaner PapillomavirusInfektionen Regine Dahse, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt Humane Papillomaviren (HPV) gehören zu den Pavovaviren. Bislang sind auf Basis von DNASequenzdaten über 200 HPV-Typen bekannt und etwa 85 Genotypen näher charakterisiert. Das Virus dringt über Schleimhautdefekte durch kleine Hauttraumen und Fissuren in die oberen Epithelzellen ein und bewirkt in fast allen Hautzellen eine exzessive Wucherung in unterschiedlicher Ausprägung. Übertragungswege sind enger Körperkontakt, Geschlechtsverkehr und eine Infektion des Kindes unter der Geburt. HPV-Infektionen sind Ursache für ein breites Spektrum klinischer Veränderungen (Tabelle). Gutartige HPV-induzierte Veränderungen sind unterschiedlich tiefe Hautwarzen an Händen und Füßen, die meist spontan heilen. HPV-Infektionen der Gesichtshaut können zu Plattenepithelkarzinomen der Haut führen. Andere HPV-Typen, die vorrangig die Mundhöhle infizieren, produzieren kleine Knötchen, aus denen sich gleichfalls Plattenepithelkarzinome entwickeln können. Die Epidermodysplasia veruciformis ist eine seltene genetische Erkrankung mit HPVassoziierten Warzen, die in späteren Stadien zu invasiven Plattenepithelkarzinomen fortschreiten können. Eine Assoziation von HPV-Infektion mit Konjunktiva-Papillomen und -Karzinomen ist in vielen Studien belegt worden. Auch die Larynx-Papillomatose (recurrent respiratory papillomatosis) bei Kindern wird auf eine HPVInfektion der Patienten zurückgeführt, vermutlich durch einen infizierten Geburtskanal. HPV-Infektionen der Genitalorgane mit bestimmten Genotypen - mittlerweile sind ca. 30 identifiziert - zählen weltweit zur häufigsten sexuell übertragbaren viralen Erkrankung mit Infektion von Zervix, Vagina, Vulva, Penis und Anus (Burd, 2003). Unter diesen HPV-Genotypen sind 4, die am häufigsten in malignen Zellen von Zervixkarzinomen gefunden werden, HPV 16 in 50% dieser Fälle, die Typen 18, 31 und 45 in 25-30% (Harro et al., 2001). Bereits vor über 20 Jahren wurde durch den deutschen Virologen Harald zur Hausen die Korrelation zwischen genitaler HPV-Infektion und Zervixkarzinom dokumentiert. Heute sind Zervixkarzinome nach Brustkrebs die zweithäufigste tumorassoziierte Todesursache bei Frauen und der häufigste Tumor in entwickelten Ländern. Die Assoziation HPV – Zervixkarzinom wird sogar als stärker belegt diskutiert als die zwischen Rauchen und Lungenkrebs (Franco, 1995). Zervixkarzinome progredieren von einer milden zervikalen intraepithelialen Neoplasie (CIN 1) zu höhergradigen Neoplasien (CIN2 und 3) und mikro-invasiven Läsionen bis zu einem invasiven Karzinom. Das Karzinom kann dabei das Resultat einer anfänglichen HPV-Infektion mit Seite 10 JOURNAL einem der Risiko-Genotypen sein, die in Kombination mit anderen Faktoren Zelltransformation und eine graduelle Progression bis hin zur malignen Erkrankung bewirkt. Deshalb ist eine HPV-Detektion und potentielle Behandlung bereits in frühen Erkrankungsstadien wichtig. Weitere Indikationen für ein HPV-Screening sind die Identifizierung von latenten HPV-Infektionen, die mit grenzwertigen Läsionen assoziiert sind sowie die Bestimmung von HPV als prognostischer Faktor für die Weiterentwicklung atypischer zytologischer Befunde. Die häufigste und einfachste Methode für die Detektion von morphologischen Veränderungen in Zervikalzellen ist die Papanicolaou-Färbung (engl.: Pap smear). Eine Kombination aus Pap smear und Immunzytochemie wird verwendet, um in histomorphologisch auffälligen Proben HPV-spezifische Antigene nachzuweisen. Dabei werden zum Beispiel monoklonale und polyklonale Antikörper für den Antigen-Nachweis des HauptkapsidProteins L1 verwendet, das in fast allen HPV-Typen exprimiert wird. Eine genauere Methode, die eine exakte Lokalisierung HPV-infizierter Zellen in Korrelation zur zellmorphologischen Veränderung gestattet, ist die insitu-Hybridisie-rung. Diese Methode nutzt DNA- oder RNA-Sonden, die mit Enzym-Immunkonjugaten gekoppelt sind und HPV DNA in Biopsiegeweben detektiert. Der “Hybrid capture DNA Test“ der Firma Digene (USA) auf Basis einer DNA/RNA-Hybridisierung ist das derzeit einzige von der Food and Drug Administration (FDA, USA) zugelassene Testsystem für Zervix-Proben. Das Testsystem enthält 2 verschiedene Sondengemische, eins für die low risk-HPV, eins für die high risk-Typen. Die wesentliche Limitierung dieses Testsystems liegt in der fehlenden Differenzier-barkeit zwischen den spezifischen HPV-Typen innerhalb dieser beiden Gruppen und in einer relativ hohen Quote an falsch-positiven Ergebnissen mit dem high risk-Sonden-Pool (Burd, 2003). Mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) lassen sich die einzelnen HPV-Typen sicher und mit einer Nachweisgrenze von 10 bis 200 HPV-Kopien pro Gewebeprobe nachweisen. Die HPV-Diagnostik mittels PCR-Analyse ist in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund getreten. Die PCR-Technik ist hochsensitiv und kann sicher zwischen den einzelnen Genotypen differenzieren. Bei der PCR-Analyse wird DNA aus der Gewebeprobe isoliert und mit PCR-Primern amplifiziert, die auf Sequenzvarianten in den E6- und E7-Genen der verschiedenen HPV-Typen basieren. In der Laborpraxis screent man zunächst die Gewebeprobe mit HPV L1 Consensus Primern, die nahezu alle häufigen HPV-Typen amplifizieren und schließt im Falle eines positiven Ergebnisses dann eine typenspezifische PCR mit den E6/E7-Primern an. Die PCP-Amplifikate werden gelelektrophoretisch aufgetrennt und unter UV-Licht sichtbar gemacht (Abbildung). Aufgrund des apparativen Aufwands ist eine PCR-basierte HPV-Typisierung Speziallaboratorien vorbehalten. Im Institut für Pathologie und in der Praxis für Pathologie am HELIOS Klinikum Erfurt wird im Rahmen der 02 1/2006 5 Routinediagnostik ein PCR-Nachweis für diagnoserelevante HPV-Typen (6; 11; 16; 18; 31; 33) durchgeführt. Literatur: Burd EM. Human papillomavirus and cervical cancer. Clin Microbiol Rev. 2003 Jan;16(1):1-17. Franco EL, Villa LL, Ruiz A, Costa MC. Transmission of cervical human papillomavirus infection by sexual activity: differences between low and high oncogenic risk types. J Infect Dis. 1995 Sep;172(3):756-63. Abb. a) Harro CD, Pang YY, Roden RB, Hildesheim A, Wang Z, Reynolds MJ, Mast TC, Robinson R, Murphy BR, Karron RA, Dillner J, Schiller JT, Lowy DR. Safety and immunogenicity trial in adult volunteers of a human papillomavirus 16 L1 virus-like particle vaccine. J Natl Cancer Inst. 2001 Feb 21;93(4):284-92. Jung WW, Chun T, Sul D, Hwang KW, Kang HS, Lee DJ, Han IK. Strategies against human papillomavirus infection and cervical cancer. J Microbiol. 2004 Dec;42(4):255-66. Abbildung: PCR-Nachweis von HPV Abb. b) a) 2 Gewebeproben (X1; X2) werden mit Konsensus-Primern für alle HPVTypen auf das Vorhandensein von HPV gescreent. Die Probe X1 ist HPVpositiv-sichtbar durch ein PCR-Fragment entsprechender Länge im Agarosegel (Pfeil) im Vergleich zur Positivkontrolle (+) und zum Molekulargewichtsstandard (M). (-) und (0) stellen Negativkontrollen der PCR-Reaktion dar. b) Die HPV-positive Probe X1 wird mit typus-spezifischen Primern in 4 Einzel-PCRs auf HPV 6, 11, 16 und 18 gescreent. In der PCR für HPV 6 erscheint ein positives PCR-Amplifikat (Pfeil) im Vergleich zur Positivkontrolle (6+). (-) und (0) stellen jeweils Negativkontrollen der PCRReaktion dar. Korrespondenzadresse: Dr. Regine Dahse Institut für Pathologie HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt Tel.: 0361 / 7 81-27 70 E-mail: [email protected] Tabelle: Assoziation der HPV-Typen mit verschiedenen Erkrankungen (Jung et al., 2004) Erkrankung Erkrankungen der Haut: Plantarwarzen Wa r z e n a l l g . Flachwarzen Andere Hautläsionen Epidermodysplasia verruciformis Condyloma accuminata (Genitalwarzen) Erkrankungen der Schleimhaut: Recurrent respiratory papillomatosis Fo k a l e e p i t h e l i a l e H y p e r p l a s i e H e c k Ko n j u n g t i v a l e Pa p i l l o m e / K a r z i n o m e Zervikale intraepitheliale Neoplasie - unspezifiziert - Low risk - High risk - Zervixkarzinom JOURNAL H P V-Ty p ( f e t t : h ä u f i g s t e A s s o z i a t i o n ) 1; 2; 3; 6; 2; 6; 2; 4; 63 1; 7; 4; 26; 27; 29; 41; 57; 10; 26; 27; 28; 38; 41; 49; 11; 16; 30; 33; 36; 37; 38; 3; 10; 5; 8; 9; 12; 14; 15; 11; 30; 42; 43; 45; 51; 54; 65 u.a. 75; 76 41; 48; 60; 72; 73 17; 19; 20; 21; 22; 23; 24; 25 u.a. 55; 70 6; 11 13; 32 6; 11; 16 30; 34; 39; 40; 53; 57; 59; 61; 62; 64; 66; 67; 68; 69 6 ; 1 1 ; 16; 18; 31; 33; 35; 39; 42; 44; 45; 51; 52; 56; 58; 66 1 6 ; 1 8 ; 6; 11; 31; 34; 33; 35; 39; 42; 44; 45; 51; 52; 56; 58; 66 1 6 ; 1 8 ; 31; 45; 33; 35; 39; 51; 52; 56; 58; 66; 68; 70 02/2006 Seite 11 Symposium „Ganzheitlichkeit – Vision oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin?“ Christina Müller, Klinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka Am 8. Juli 2006 fand nun schon zum zweiten Mal ein von der Zentralklinik Bad Berka in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt veranstaltetes palliativmedizinisches Symposium statt. In diesem Jahr setzten wir uns kritisch und aus verschiedenen Perspektiven mit dem Begriff der Ganzheitlichkeit auseinander. Vor allem in der Komplementärmedizin aber auch in der Palliativmedizin wird dieser Begriff häufig benutzt. Das war uns Anlass, ihn zu thematisieren. Das Symposium stand unter der Überschrift „Ganzheitlichkeit – Vision oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin?“. Nach einem kurzen Einleitungsreferat kamen nacheinander Herr Prof. Eberhard Tiefensee, Philosoph und Theologe der Universität Erfurt, Herr Prof. Hans-Jörg Senn, St. Gallen, Herr Prof. Pichlmaier aus Köln und Frau Dr. Agnes Glaus aus St. Gallen zu Wort, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in verschiedenen Kontexten den Begriff der Ganzheitlichkeit beleuchteten. Auch eine Vertreterin der „ganzheitlichen Krebsmedizin“ war geladen worden. Frau Gabriele Hart aus Greiz war aufgefordert, dass Konzept der Klinik ProLeben in Greiz zur Behandlung von Tumorpatienten vorzustellen. Den Abschluss der Vormittagsveranstaltung bildeten Beiträge aus der Zentralklinik Bad Berka. So referierte Herr Dr. Schneider zum Thema „Empirie, Standards, Individualisierung und Ganzheitlichkeit in der modernen Onkologie“ und die Klinik für Palliativmedizin stellte unter der Überschrift „Multiprofessionelle, bedürfnisorientierte Patientenbetreuung – ein Fallbeispiel“ ihr komplexes Konzept exemplarisch vor. In der abschließenden, von MDR-Moderator Thomas Bille geleiteten, Podiumsdiskussion kam es zu einem regen Meinungsaustausch zwischen Referenten und Plenum. Das Symposium war gut besucht und die Beiträge stießen auf großes Interesse. Wir kommen dem vielfach geäußerten Wunsch der Teilnehmer nach und veröffentlichen in diesem Heft das Einleitungsreferat sowie die Beiträge von Herrn Prof. Tiefensee und Herrn Prof. Pichlmaier, denen dafür unser besonderer Dank gilt. Korrespondenzadresse: Dr. med. Christina Müller Klinik für Palliativmedizin Zentralklinik Bad Berka Robert-Koch-Allee 9, 99437 Bad Berka Telefon 03 64 58 / 5 19 01 Seite 12 JOURNAL „Ganzheitlichkeit – Vision oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin?“ – Warum diese Frage? Einführungsvortrag auf dem Symposium „Ganzheitlichkeit – Vision oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin“ am 8. Juli 2006 in Bad Berka Christina Müller, Klinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka Das junge medizinische Fachgebiet Palliativmedizin hat im letzten Jahrzehnt eine beachtliche Entwicklung erfahren. Vom Außenseiter ist es zum Shootingstar geworden. Es ist politisch gewollt, wird in der Öffentlichkeit mit wohlwollendem Interesse wahrgenommen und hat, insbesondere seit dem 106. Deutschen Ärztetag 2003 in Köln, seine akademische Anerkennung in Deutschland erfahren. Mit 50 Vorträgen in 21 Sitzungen war das Fach Palliativmedizin auf dem 27. Deutschen Krebskongress so präsent wie nie zuvor. Gemeinsam mit dem Fachgebiet haben auch Worte und Redewendungen Karriere gemacht. Von den Protagonisten der Palliativ- und Hospizszene bis zur jüngsten ehrenamtlichen Hospizhelferin werden Worte wie z. B. Lebensqualität, Würde, Autonomie oder Redewendungen wie „abschiedlich leben lernen“, „lebenssattes Sterben“, „loslassen können“, „Sterben ist auch Leben“ und eben auch der Begriff „Ganzheitlichkeit“ vollmundig, heiter-optimistisch und, wie ich meine, oft völlig unreflektiert, benutzt. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns vom allzu leichten, eloquenten Umgang mit Worten und Redewendungen, der Worte zu Worthülsen und Redewendungen zu Floskeln verkommen lässt und sie einer gewissen Beliebigkeit anheim gibt, zwingend verabschieden müssen. Palliativmedizin ist ein medizinisches Fachgebiet. Damit sind wir den Prinzipien der Wissenschaftlichkeit auch als Palliativmediziner verpflichtet. Grundvoraussetzung für wissenschaftlich fundiertes Arbeiten ist, dass man weiß, was sich hinter den Worten und Begriffen verbirgt, die man benutzt, dass man also weiß, was man sagt! Ich arbeite jetzt seit fast 10 Jahren auf einer Palliativstation. Je länger ich Schwerstkranke und Sterbende behandle und erlebe, umso kritischer stehe ich oft leichtfertig benutzten Schlagworten gegenüber, da ich täglich erlebe, wie schwer es z.B. sein kann, Rahmenbedingungen für Lebensqualität zu schaffen, Sterben als Teil des Lebens akzeptieren zu können oder eben „ganzheitlich“ zu behandeln, sofern das überhaupt geht! Ich denke, dass man mit äußerster Sorgfalt und mit gro- 02 1/2006 5 ßer Ernsthaftigkeit seine Worte in der Begegnung mit Patienten und insbesondere in der Begegnung mit Schwerstkranken und Sterbenden wählen muss, denn Sprache ist eines der wichtigsten Instrumente zwischenmenschlicher Kommunikation. Heute nun soll unser gemeinsames Interesse dem Begriff der Ganzheitlichkeit in der Medizin, insbesondere in der Palliativmedizin dienen. Definierte die WHO 1999 Palliativmedizin als: „....aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer progredienten, weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht und die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden, psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen höchste Priorität besitzt.“, so änderte sie im Jahr 2002 ihre Definition: „Palliativmedizin ist die umfassende und aktive Behandlung von Patienten deren Erkrankung einer heilenden Therapie nicht mehr zugänglich ist. Das Behandlungsziel ist das Erreichen der bestmöglichen Lebensqualität für den Patienten und seine Angehörigen durch psychosoziale Unterstützung des Patienten und seines Umfeldes, durch Schmerztherapie, Pflege und Begleitung des Krankheitsverlaufs und der Trauerarbeit.“. Es stellt sich die Frage, warum sich die WHO entschlossen hat, den Begriff „ganzheitlich“ zu verlassen und sich stattdessen für den Begriff „umfassend“ zu entscheiden? • Worin liegt der Unterschied zwischen „ganzheitlich“ und „umfassend“? • Was ist „Ganzheitlichkeit“ in der Medizin und gibt es ein Gegenteil davon? • Was ist überhaupt eine „ganzheitliche“ Behandlung? Verfügt man schon über einen ganzheitlichen Behandlungsansatz, wenn man bedenkt, dass der Mensch außer dem Körper auch eine Seele hat? • Über welche Fähigkeiten muss ein „ganzheitlicher“ Behandler verfügen? • Können auch hochspezialisierte Ärzte ganzheitlich behandeln? • Ist Ganzheit identisch mit heil? • Haben Schwerkranke – Gebrochene? Unheile? – überhaupt ganzheitliche Bedürfnisse? Und so könnte man die Reihe der Fragen fortsetzen. Blickt man unter dem Stichwort „Ganzheitlichkeit“ ins Internet, so kommt man auf 331 000 Ergebnisse. Einerseits findet man sehr kritische Auseinandersetzungen mit dem Begriff der Ganzheitlichkeit. So sagt Duncker in einem Excurs zu Ganzheitlichkeit in der Pädagogik 1989: „Eine ganzheitliche Sicht ist eine Illusion, sie ist ungeschichtlich und antitheoretisch. Oder: Der Begriff Ganzheitlichkeit ist ein Rückschritt, er macht stumpf, müde und blind.“ JOURNAL Und auch F. Krüger merkte bereits im Jahr 1940 an: „Was Ganzheit, allgemein gesprochen, bedeutet, lässt sich eigentlich nicht definieren.“ Und Niehoff / Schrader meinen 1989: „Der Ganzheitsbegriff ist exakt das, was ein Autor sich darunter vorstellt.“ Andererseits gibt es auf nahezu allen Gebieten menschlichen Lebens eine begeisterte Nutzung des Begriffes Ganzheitlichkeit. Angeboten werden beispielsweise: • Ganzheitliche Gesundheit von einem „Netzwerk Ganzheitlichkeit“. • Seelenflirt – eine Partnersuche mit Niveau, bei der spirituelle, ganzheitlich-ökologisch orientierte Menschen ebensolche Partner geboten bekommen. • Futaris-Messen mit einem Messekonzept für Gesundheit und Vitalität mit ganzheitlichem Anspruch. Grenzt man die Suche im Internet auf „Ganzheitlichkeit in der Medizin“ ein, so kommt man nur noch auf 676 Ergebnisse, wobei auch hier wieder einerseits eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Ganzheitlichkeit in der Medizin stattfindet: • So findet sich in einer Arbeit von Bock und Anlauf, veröffentlicht in der Medizinischen Klinik 11/2004 folgendes Zitat: „..Und wenn von Ganzheitlichkeit die Rede ist, so sei allen empfohlen, die diesen Begriff in den Mund nehmen, sich einmal mit der Ganzheitslehre (Holismus) zu befassen.“ • Jaspers schrieb schon 1958, dass es eine Ganzheitsmedizin nicht geben kann. „Gemeint ist hier meist eine mehrdimensionale Betrachtungsweise - in der wissenschaftlichen Medizin seit jeher üblich…“ und weiter: „..Die Deduktionen alternativer Therapien aus ’anderen Menschenbildern’ verleiten auch zu einer Metaphysik der faulen Vernunft (Kant), bei der man unter Missachtung der Grenzen der Erkenntnis das Ganze schon zu kennen meint, bevor auch nur ein Einzelproblem erforscht wurde.“ • Arnold Rekittke schreibt in seiner Diplomarbeit auf dem Gebiet der Pflegewissenschaften im Jahr 2004 unter der Überschrift „Ganzheitlichkeit als Ideologie“: „Die Hauptthese dieser Diplomarbeit ist, dass es sich bei ganzheitlichen Ideen weniger um konkrete Handlungsanweisungen handelt, sondern vielmehr um Visionen, Ideale, einem Bedürfnis nach einer neuen „Übersichtlichkeit“ (Kühn, 1989) bzw. um ideologische Denkweisen. Sie somit einen Zweck erfüllt – als Ideologie.“ In Sachbüchern fanden sich folgende kritische Anmerkungen: • Rolf Verres „Was uns gesund macht“, Herder Verlag Freiburg im Breisgau 2005: „Worte wie „ganzheitlich“, „natürlich“, „biologisch“ oder „alternativ“ kommen in manchen Bevölkerungskreisen gut an, werden aber oft wenig reflektiert.“ 02/2006 Seite 13 • Manfred Lütz schreibt in seinem lesenswerten Büchlein über „LebensLust“, Pattloch Verlag München 2002: „Es ist Mode geworden, das „ganzheitliche“ Krankenhaus zu fordern. Nicht nur körperliche Leiden solle das Krankenhaus im Blick haben, sondern der ganze Mensch mit Leib und Seele müsse im Mittelpunkt stehen.… Zugleich klagt man über die zunehmende Apparatemedizin, die den menschlichen Aspekt immer weiter zurücktreten lasse. Nicht dem Menschen werde gedient, sondern die Apparate würden bedient, nicht die Sorge um den Menschen, sondern die Versorgung von Krankheiten stehe im Vordergrund…Hinter dem Wort vom „ganzheitlichen“ Krankenhaus steht letztlich die Vorstellung von der gesundheitsreligiösen Heilsanstalt, die eben nicht nur Heilung von Krankheiten bewirkt, sondern irgendwie so etwas wie das Heil des Menschen produzieren kann.“ Bei dieser Recherche stößt man nicht auf „einerseits“ oder „andererseits“, nicht auf eine wohlwollende oder kritische Deutung des Begriffes, sondern lediglich auf eine kommentarlose Benutzung des Begriffes der Ganzheitlichkeit. Dieser Umstand war uns Grund und Motiv genug, dieses Symposium mit hochkarätigen Referenten zu veranstalten. Andererseits aber findet man bei der Suche nach Ganzheitlichkeit in der Medizin auch überzeugte Anhänger dieser Ganzheitlichkeitslehre. So gibt es die Gesellschaft für ganzheitliche Medizin, deren Geschäftsführer Sieber wissen lässt: „Die Vorstellung von Gesundheit, die allein durch chemische Reaktionen, Reparaturen und mechanische Ersatzteile erreicht und wiederhergestellt werden kann, ist überholt und wandelt sich. Neue, weitgehend nebenwirkungsfreie und effektive Therapiekonzepte entstehen, die auf einem ganzheitlichen Modell des Menschen beruhen…“ Unter dem Dach der Gesellschaft für ganzheitliche Medizin werden z.B. folgende Kursangebote gemacht: • Ganzheitliche Lichtbiologie • Magnetfeld-Therapie • Neuro-Emotioneller Umschwung • Cranial Adjusting Made Easy (CAME) Weder die Devise der Gesellschaft für ganzheitliche Medizin noch diese Kursangebote bedürfen eines Kommentars. Auch die Zahnheilkunde hat Ganzheitlichkeit für sich reklamiert und hat eine „Ganzheitliche Zahnheilkunde, die Holodontie“, kreiert. Was ist das? Zitat Dr. Dietrich Volkmer vom Mai 2006: „Ganzheitliche Zahnheilkunde ist klassische Zahnmedizin abzüglich einer Reihe von Methoden und Maßnahmen zuzüglich einer Einbeziehung weiterer Diagnose- und Therapiemöglichkeiten.“ Auch hierzu kein Kommentar. Korrespondenzadresse: Engt man die Suche weiter ein und sucht unter dem Stichwort „Ganzheitlichkeit in der Palliativmedizin“ so kommt man nur noch auf 251 Ergebnisse, wovon 3 Ergebnisse die Einladung zu unserem Symposium waren. Dr. med. Christina Müller Klinik für Palliativmedizin Zentralklinik Bad Berka Robert-Koch-Allee 9, 99437 Bad Berka Telefon 03 64 58 / 5 19 01 Seite 14 JOURNAL 02 1/2006 5 Zum Begriff „Ganzheitlichkeit“ Kritische Betrachtungen aus philosophisch-theologischer Sicht Vortrag auf dem Symposium „Ganzheitlichkeit – Vision oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin“ am 8. Juli 2006 in Bad Berka Prof. Dr. Eberhard Tiefensee, Lehrstuhl für Philosophie, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt © Alle Rechte beim Autor - Abdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung! Was kann ich als Theologe, der das Fach Philosophie in der Katholisch-Theologischen Fakultät vertritt, für Sie tun? Wenn Mediziner überhaupt nach dem Geisteswissenschaftler fragen, dann nach dem Ethiker. Hier aber geht es um die Klärung eines Begriffs, genauer: es geht um den Menschen in seiner Ganzheit, also um ein anthropologisches Thema. Ich komme nun nicht als Besserwisser, sondern als kritischer Begleiter Ihrer Bemühungen um eine ganzheitliche Medizin, ganz im Sinne des sokratischen „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Philosophen und Theologen wissen: Auch wenn viele anthropologische Rätsel inzwischen gelöst sind – letztlich bleibt jeder Mensch in seiner je individuellen Andersheit ein Geheimnis. Meine These ist: Medizin muss einerseits ihre Grenzen zu überschreiten suchen, indem sie sich vergessenen Dimensionen des Menschseins öffnet. Deshalb ist Ihre Suche nach Ganzheitlichkeit von hoher Relevanz. Andererseits muss die Medizin erkennen, dass sie, als Medizin, diesen Überschritt nicht selbst leisten kann und deshalb andere Kompetenzen einbeziehen muss. Ihre Einladung an mich dürfte das bestätigen. Letztlich, so meine „Ober-These“, sind aber unsere Versuche, Ganzheitlichkeit zu erarbeiten, zum Scheitern verurteilt, doch gerade in diesem Scheitern öffnet sich ein Zugang zu ihr als etwas Unverfügbarem, zu ihr als Gabe. Da angesichts der Wissenschaften mit ihren kurzlebigen Zwischenergebnissen Philosophie und Theologie so etwas wie das „kulturelle Elefantengedächtnis“ zumindest des Abendlandes darstellen, schöpfe ich aus den Tiefen unserer Geistesgeschichte – dies alles natürlich in der gebotenen, wenn auch eigentlich unzulässigen Kürze der Zeit. Meine Ausführungen gliedern sich in drei Teile: 1. Verlust der Ganzheitlichkeit; 2. Misslungene Versuche ihrer Wiederherstellung. 3. Wege zur Ganzheitlichkeit. JOURNAL 1. Verlust der Ganzheit Im Jahre 1896 kam es auf der regelmäßig tagenden Versammlung der deutschen Ärzte und Naturforscher zum Showdown. Der Mediziner und Entdecker des Energieerhaltungssatzes Robert Mayer hatte dazu aufgefordert, die Naturwissenschaft mit der Religion und der Metaphysik in ein positives Verhältnis zu bringen; dem widersprach vehement der Materialist und Physiologe Karl Vogt. Im Ergebnis beschlossen die Naturwissenschaftler und Ärzte, in Zukunft naturphilosophischen oder theologischen Spekulationen und Einwürfen lieber die Tür zu weisen und so unter sich zu bleiben. Damit erreichte der Konflikt zwischen Natur- und Geisteswissenschaften einen Höhepunkt. Der Riss konnte bis heute nicht geheilt werden. Natürlich schwelte der Konflikt schon viel länger. In der Anfangsphase der neuzeitlichen Epoche, inmitten der Wirren des Dreißigjährigen Krieges, machte sich der junge Soldat René Descartes im Winterquartier auf die Suche nach dem unerschütterlichen Fundament alles Wissens und fand ihn in dem berühmten Satz: „Cogito ergo sum“ – „Ich denke, also bin ich.“ Schon die Suche selbst war Folge einer Verlusterfahrung von Ganzheitlichkeit: Die Welt war in jeder Hinsicht „aus den Fugen“ geraten: Der Kosmos hatte mit der Erde seine Mitte verloren (Kopernikus, Kepler), wie sich rasch herausstellte konnte auch die Sonne keinen Ersatz bieten. Wir wurden „Zigeuner am Rande des Universums“ (Jacques Monod). Auch die Einheit Europas, bisher maßgeblich von der mittelalterlichen Kirche Roms geprägt, zerbrach durch die Entstehung der Nationalstaaten und nicht zuletzt durch die Reformation. Folglich war auch in Glaubensund Lebensfragen kein Stand in einer letzten Autorität mehr zu gewinnen. Ein neues Zentrum musste gesucht werden, um das Ganze wieder in den Griff zu bekommen: Es war die „res cogitans“, das denkende Ding des Descartes, m.a.W. das Vernunftsubjekt. Damit begann die Karriere solcher Begriffe wie Aufklärung, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung. Der Preis, den der Rationalismus des Descartes zahlte, war allerdings hoch: Der gesamte Bereich des Körperlichen und damit des SinnlichErfahrbaren (die „res extensa“ – das ausgedehnte Ding) wurde sekundär. Es kam zu einem schieflastigen SeeleLeib-Dualismus; die beiden Welten, so Descartes, kommunizierten nur noch über die Hypophyse im Gehirn. Man kann diese Lösung belächeln, doch bis heute wird darum gerungen, den Dualismus des Somatischen und Psychischen zu überwinden und das Universum der physikalisch beschreibbaren Natur einerseits und das Universum des Seelischen, Geistigen, Bewussten – alles hochgradig aufgeladene Begriffe – andererseits wieder in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Für Descartes war die Sinnlichkeit nachrangig, weil nicht zweifelsfrei: Alles so Wahrgenommene könnte ja eine 02/2006 Seite 15 Fiktion sein, was häufig schon die alltägliche Erfahrung beweist. Dass dieser Bevorzugung des Geistigen zuungunsten des Körperlichen kein Erfolg beschieden war, wissen wir heute. Letztlich setzte sich der aus dem angelsächsischen Raum kommende Empirismus durch (David Hume), für den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit neben der logischen Analyse nur die sinnliche Erfahrung, also Beobachtung und Experiment erheben konnten. Die eingangs geschilderte Auseinandersetzung von 1896 zwischen Mayer und Vogt illustriert eindrücklich diesen Sieg. Der ist allerdings merkwürdig, sind doch die Sinneserfahrung und mit ihr der sogenannte Alltagsverstand wesentlich unsicherer als die reingeistige Welt, wie jeder Mathematiker belegen könnte. Denn nun muss das empirisch gewonnene Datenmaterial mühsam zu einem Ganzen zusammengesetzt werden, das Ergebnis bleibt immer hypothetisch und von daher unsicher. Ein guter Illustrator für die komplexen philosophischen Diskurse ist hier die bildende Kunst. Sie zeigt die Veränderung von der neuzeitlichen Hoffnung auf das alles ordnende Vernunftzentrum hin zum wachsendem Bewusstein für die Fragilität des selbstgeschaffenen Ganzen: Dominierte neuzeitlich die Zentralperspektive, also der subjektive Standpunkt, von dem aus sich das Ganze erschließt, so ist die moderne Kunstform eher die Collage, deren Facetten vom Betrachter nur noch mit großer Anstrengung zusammengebracht werden können. Wie also soll in dieser Datenfülle und unhintergehbaren Perspektivenpluralität Ganzheitlichkeit entstehen? Was ist es, das die Welt im Innersten und damit auch das menschliche Subjekt zusammenhält? 2. Misslungene Versuche ihrer Wiederherstellung Der Leib-Geist-Dualismus brach schon auf, als das europäische Denken noch in der Wiege lag: Platon konnte das Problem, wie denn in der Fülle der sich ständig ändernden Alltagserfahrungen ein fester Halt zu gewinnen war, nur durch die Annahme einer eigenen Welt unwandelbarer Ideen lösen, in der sich z.B. die ewig geltenden mathematischen Zusammenhänge, aber auch die höchsten Wesensbegriffe wiederfinden. Unser Erfahrungsbereich bietet davon nur Abbilder wie in einem vielfältig gesprungenen Spiegel. Erst „außerhalb der Höhle“, in der Abkehr von den Sinnendingen, findet sich das Ganze. Platons Lösung zeigt zumindest deutlich, dass von Anfang an der Mensch auf der Suche nach einer letzten Einheit und Ganzheit war. Dass auf diese Weise jedoch der Bruch zwischen Sein und Schein eher zementiert als geheilt wurde, sah schon sein Schüler Aristoteles. Ihm zufolge findet sich die Ganzheit nicht in einer eigenen Ideen-Welt, sondern in den Dingen selbst. Das Ganze ist Seite 16 JOURNAL das Allgemeine, das durch den gedanklichen Prozess der Abstraktion zu gewinnen ist, der aus allem Beobachteten das Gemeinsame zieht, indem er das Verschiedene weglässt. Der allgemeinste Begriff ist der des Seins, das allem gemeinsam ist, insofern es ist. Dieser Vorschlag war von solcher Faszination, dass die griechischen Übersetzer der jüdischen Bibel den Begriff Sein umgehend auf JAHWE, den sich im brennenden Dornbusch offenbarenden Gott Abrahams, Jakobs und Israels, angewandt haben: „Ich bin das Sein“, lautet in der Septuaginta die göttliche Botschaft an Moses. Der Nachteil des aristotelischen Vorschlags liegt aber auf der Hand: Abstrahieren heißt weglassen, d.h. die gewonnene Ganzheit geht immer auf Kosten des Inhalts. Je umfassender die Gattungsbezeichnungen werden, desto leerer werden sie. Folglich ist der Begriff des Seins zwar der weiteste und allgemeinste, aber eben auch der am meisten Nichtssagende. „Das Sein ist das Nichts“, wird später Hegel paradox formulieren, die Ganzheit ist damit leer; oder religiös gesprochen: Vor dem absoluten Sein wird man kaum betend und lobpreisend auf die Knie fallen. Genau hier setzt Hegels grandioser Versuch an, die Ganzheit auf neue Weise wiederzugewinnen: Aus dem Sein und dem Nichts, ihrem Gegen- und Ineinander, also aus der dialektischen Selbstbewegung des Seinsbegriffs heraus, entfaltet sich die Fülle des Begriffskosmos, mit dem wir operieren. Der an sich leere Geist findet durch diese Entäußerung zu sich selbst zurück: Natur, Mensch, Psyche, kulturelle Produkte wie Familie, Recht, Staat, Kunst, Religion und zuletzt Philosophie bilden ein umfassendes, in sich vielfältig gegliedertes und in ständiger Dynamik befindliches Gesamtsystem, ein Organismus des Geistes. Ganzheitlichkeit heißt nun: Hinter dem Tohuwabohu der subjektiven Erlebnisse und der historischen Ereignisse agiert die List der Vernunft, so dass letztlich in allem und über alles hinaus der sich selbst begreifende Begriff, der zu sich selbst gekommene Geist herrscht. Die neuzeitliche Intuitionen eines Descartes und auch eines Kant schienen damit endlich ihre moderne Erfüllung gefunden zu haben: Die res cogitans, das denkende Ding, ist das unerschütterliche Fundament und – so nun Hegel – der dynamische Quellgrund des Ganzen. Letztlich ist es unsere Vernunft oder besser: die Vernunft in uns, die aus dem Chaos eine Welt macht und Ordnung ist das Durcheinander bringt: „Das Wirkliche ist vernünftig, das Vernünftige ist wirklich“, kann Hegel ausrufen, und fordern: „Nur das Ganze ist das Wahre“. Dass damit nicht der erhoffte Schlüssel auf der Suche nach Ganzheit gefunden ist, hat die weitere Entwicklung gezeigt: Hegels System des Geistes sei letztlich unwirklich, kritisierten seine Nachfolger, und das in der zweifachen Bedeutung des Wortes: weit weg von der Realität 02 1/2006 5 und ohne Wirkung auf sie. Denn nicht die Vernunft, sondern die ökonomischen Verhältnisse regieren alle Entwicklungen, suchte Marx seinen Lehrer Hegel auf die Füße zu stellen. Hegels Ganzheitsschau interpretiere nur, aber verändere nichts, weshalb der produzierende Mensch und nicht der Theoretiker, der homo faber und nicht die res cogitans das für das Ganze Entscheidende sind. Trotzdem hoffte auch Marx noch auf eine letzte Ganzheit und blieb so ganz treuer Hegelianer, auch wenn diese Ganzheit nun in die Zukunft einer „Humanisierung der Natur und Naturalisierung des Menschen“ verlegt wurde. Auch dieses Projekt kann als gescheitert gelten und wird durch einen verbesserten Sozialismus nicht zu retten sein, denn das Scheitern ist allgemein: Alle diese Naturalisierungsversuche der Natur- und Gesellschaftswissenschaften sind unzureichend. Man erkennt sie an einigen Markenzeichen: am sogenannten Sinnkriterium und an ihrem Reduktionismus. Ersteres formulierte in Wien der logische Empirismus: Demzufolge sind alle Sätze sinnleer, die nicht entweder mathematische Zusammenhänge oder durch Beobachtung und Experiment nachprüfbare Inhalte aussagen. Sätze, die mit Worten wie „Gott“, „Sinn des Lebens“ oder auch „Ganzheitlichkeit“ daherkommen, können also nur Unsinn produzieren und sind bestenfalls Poesie, über die sich wissenschaftlich nicht zu diskutieren lohnt. Dass auf diese Weise versucht wird, Ganzheitlichkeit erneut durch Reduktion zu erreichen, Einheit in Uniformität zu überführen und damit die Abstraktionslösung des Aristoteles wieder aufersteht, ist erkennbar an den „nichts weiter als ...“-Aussagen, dem zweiten Merkmal solcher Ansätze. Der Mensch ist „nichts weiter als“ ein Evolutionsprodukt (so der Darwinismus und mit ihm die modernen Lebenswissenschaften) – ausgeblendet wird da rasch seine Selbstbestimmung, Freiheit und Kreativität. Der Mensch ist „nichts weiter als“ das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse; „nichts weiter als“ Produzent seiner selbst (so Marx) – wo bleiben Individualität, Kontemplation und die reine Freude am Schönen? Auch die traditionelle Bestimmung des Menschen als Vernunftwesen (animal rationale, homo sapiens), von Descartes noch einmal proklamiert (und heute mit einem messbaren IQ ausgestattet), ist Reduktion, wie Sigmund Freud und Friedrich Nietzsche klarstellten, denn wo bleiben die Emotionen und die Irrationalismen des Unbewussten und der Triebe? Ihr Tagungsthema erweist sich als Ausdruck dieses Unbehagens am landläufigen Reduktionismus, und das mit Recht: Der Reduktionismus ist sozusagen die Todsünde eines falschen Ganzheitlichkeitsdenkens, macht er doch das Partikuläre, das Teil, zum Ganzen – und das zu tun ist letztlich das, was man gemeinhin als totalitär bezeichnet. JOURNAL Der so eben erwähnte Nietzsche suchte das Unbehagen an all den erwähnten Systematisierungs- und Reduktionsversuchen auf einen letzten Punkt hin zu bündeln. Sein Ruf „Gott ist tot“ richtete sich ja nicht nur gegen die Religion oder besser: ein verbürgerlichtes Christentum, sondern war und ist ein Angriff auf den gesamten Wertekosmos Europas inklusive sein Ringen um Ganzheitlichkeit: Wahrheit, Moral, letzte Gewissheiten und alles Bemühen um das, was die Welt im Innersten zusammenhält, wird dadurch für gescheitert erklärt. Verkündet wird deshalb der Übermensch, für den dies alles unnötig geworden ist, der zum spielenden Kind wird und sich so in sein Schicksal und das ewige Rad der Wiederkehr fügt. Der Mensch auf der Suche nach Ganzheitlichkeit verabschiedet sich damit von sich selbst. Esoterisches und auch abendländisch gewendetes asiatisches Denken von heute scheint vorprogrammiert. Nietzsches Lösungsversuch im Übermenschen bleibt unbestimmt und wird berechtigterweise Zweifel wecken aber zumindest hat sich seine Ansage einer allgemeinen Gottesfinsternis, als deren zu früh gekommener Prophet er sich verstand, bewahrheitet. Denn tatsächlich haben die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts allen Versuchen des Menschen, ein Ganzes aufzurichten und so seine Ganzheitlichkeit zu erreichen, einen nicht zu kompensierenden Rückschlag verpasst: Nach Auschwitz und Ruanda und angesichts der Bedrohung, dass sich die Evolution sozusagen in vom Menschen ausgelösten atomaren oder ökologischen Katastrophen sozusagen selbst beendet, sind auch unsere letzten Mythen zerstört: der Mythos von der einen Menschheit, vom Fortschritt, vom letztendlichen Sieg der Vernunft, der Demokratie etc. etc. Man darf im Kontext Ihres Kongressthemas sagen: Zerstört wurde der Mythos von Ganzheitlichkeit und Einheit. „Das Ganze ist das Unwahre“, kann Theodor W. Adorno nun pointiert gegen Hegel sagen. „Krieg dem Ganzen, retten wir die Differenzen“, so der Philosoph der Postmoderne, Jean-François Lyotard. Du darfst die Andersheit des Nächsten, der dir sein Antlitz zuwendet, darfst seine Fremdheit nicht töten (indem du ihn zu begreifen suchst oder irgendwie anders vereinnahmst oder indem du ihn eben ausgrenzt und letztlich eliminierst), so Emmanuel Levinas. Nach Auschwitz und Archipel Gulag ist die Sensibilität dafür gewachsen, das alle Versuche, eine umfassende Ordnung zu schaffen und endlich die aus den Fugen geratene Welt wieder zusammenzubringen, zum Totalitarismus führen, der vernichtet, was nicht passt. Wenn also mit dem Sieg des Empirismus über den Rationalismus und damit des Körperlichen über das Geistige eine jahrtausendelange Ära in Europa, in welcher der Geist herrschte, endgültig beendet zu sein schien, so erweist sich dieser Sieg des Naturalismus, Materialismus, Physikalismus – oder wie man es auch nennen will – als Pyrrhussieg. Denn das Fazit lautet: 02/2006 Seite 17 • Die Suche nach einer letzten Einheit und letzten Vernunft „hinter“ dem Konglomerat unserer sich ständig ablösenden Erlebnisse und Ereignisse scheint eine tiefe Sehnsucht des Menschen zu sein. • Die Versuche, sie zu finden und zu realisieren, sind 1. Abstraktion, also das Absehen vom Individuellen und Besonderen und die Suche nach dem Allgemeinen oder 2. Reduktion auf ein Prinzip, auf ein Charakteristikum – seien es Vernunft, Ökonomie, Evolution – oder 3. eine angeblich umfassende Systemkonstruktion – sei sie mathematisch, naturwissenschaftlich oder weltanschaulich –, wobei viele Mischungen dieser Versuche vorkommen. Das Scheitern dieser Versuche sagt zugleich etwas über den Menschen selbst aus: Er erweist sich als ein Widerspruch in sich selbst, eine Chimäre zwischen Tier und Gott (so Blaise Pascal), als eine paradoxe Existenz (so Sören Kierkegaard). Jeder Mediziner kennt die mindestens zwei Herzen in seiner Brust: Wer sich verantwortlich darum müht, dass sein Leben und das der ihm Anvertrauten gelingt, kollidiert mit den Gesetzen der empirischen oder der ökonomischen Welt. Wer ihnen folgt, muss oft Kompromisse schließen, die zuweilen faul sind. Wer sich anpasst oder wer sich heraushält, schläft vielleicht ruhiger, aber ist er dann noch er selbst und kann er sich als verantwortlich agierenden Menschen sehen? Die gesellschaftlichen Experimente des 20. Jahrhunderts, deshalb dem Übel radikal an die Wurzel zu gehen und somit menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen, welche diese Konflikte vermeidbar machen, haben eindrücklich demonstriert, dass die Widersprüche sich dabei eher verstärken: Man ist gezwungen um der hehren Ziele willen über zu Leichen gehen („Wo gehobelt wird, fallen Späne.“), die Menschen im Zuge der Befreiung zu ihrem Glück zu zwingen und schafft statt der gewünschten paradiesischen Verhältnisse in der Endkonsequenz die Hölle auf Erden. Bleibt also oben in der Aufzählung noch Nietzsches Variante zu ergänzen: 4. die Selbstverabschiedung des Menschen, um eine undefinierte, „höhere“ Ganzheitlichkeit zu erreichen. 3. Wege zur Ganzheitlichkeit Das Fazit kann somit nur lauten: Ganzheitlichkeit oder Ganzheit ist aus unserer spätmodernen Sicht keine realistische Zielstellung. Das lässt es nicht gut aussehen für therapeutische Versuche, die wie auch immer Ganz-heitlichkeit auf ihre Fahne geschrieben haben, dürfen doch alle Überlegungen dieser Art das im 20. Jahrhundert gewonnene Problemniveau nicht unterschreiten: Einerseits widerspricht das Ringen um Ganzheitlichkeit offenbar sich selbst, weil es unvermeidlich Defizienzen an anderer Stelle erzeugt, die wiederum nicht zu akzeptieren sind, wenn man „Ganzheitlichkeit“ irgendwie mit „allumfassend“ assoziiert. Um es in verschärfter Form zu wiederholen: Unter Niveau argumentiert, wer die Erfah- Seite 18 JOURNAL rungen des letzten Jahrhunderts ignoriert, die eben mit Namen wie Auschwitz und Ruanda verbunden sind, was zumindest naiv ist, um nicht ein härteres Wort zu gebrauchen. Andererseits wird der Mensch die Sehnsucht nach Ganzheitlichkeit nicht aufgeben wollen, wenn er nicht sein Menschsein unterschreiten oder sogar nihilistisch zerstören will: dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält – und mich entsprechend dazu verhalte. Spätestens hier ist nun von Religion zu sprechen, sozusagen dem Platzhalter für diese Sehnsucht. Aber auch Religion darf das gewonnene Problemniveau nicht unterschreiten, sonst wird sie Opium des Volkes, Trost über eine unheile Welt (Karl Marx), wird nur noch als Lieferant für letzte Werte und Garant der Volksmoral akzeptiert, ist sie „Kontingenzbewältigungspraxis“ (Hermann Lübbe), somit die Karikatur ihrer selbst. Denn Religion kann und darf die berühmte Theodizeefrage nicht auslassen, wo angesichts des Übels und der unüberwindlichen Widersprüche denn nun Gott ist, also wo die Wirklichkeit bleibt, die – zumindest nach christlichem Verständnis – Heil und Erlösung verspricht. Deshalb ist Religion im recht verstandenen Sinne „Unterbrechung“ (Johann Baptist Metz), „Kontingenzeröffnungspraxis“ (Michael Schramm), bzw. ist Paulus ernst zu nehmen: „Wir verkündigen Christus (und zwar) als den Gekreuzigten“ (1. Korintherbrief 1,23). Religion, besonders aber das Christentum, ist so verstanden mehr als alle anderen Bereiche unserer Kultur der Ort, an welchem sich der Blick von den Abgründen des Daseins nicht abgewendet, sondern auf sie gerichtet bleibt, sie in ihrer ganzen Tiefe und all ihren Dimensionen zu erfassen sucht (was also viele Probleme zunächst nicht kleiner, sondern größer macht). Sie ist der Ort, wo die Risse und Fugen, die Wunden offengehalten werden, die sonst durch Ersatzlösungen übermalt und verdrängt werden – offengehalten auf ein Unverfügbares hin. Lassen Sie mich das am Beispiel Ihres fachlichen Schwerpunkts, des Umgangs mit dem Schmerz, verdeutlichen. Wie Sie besser als ich erläutern könnten, ist Schmerz eher ein psychisches als ein physiologisches Phänomen, deshalb zutiefst privat und dem danebenstehenden Beobachter letztlich immer fremd. (Die analytische Philosophie spielt das gern mit solchen Grenzfällen wie den Superspartaner, der sich Schmerz nicht anmerken lässt, und den Supersimulanten, der Schmerzreaktionen perfekt darstellt, durch.) Selbstverständlich hat der Schmerz auch eine physische Komponente, aber in größerem Maße dürfte er eine Sache des Kopfes oder zumindest des Erlebens sein. Das sind aber nicht alle seine Dimensionen, wie schon die Alten wussten, was sich zum Beispiel an den alttestamentlichen Psalmen ablesen lässt. Die medizinische Dimension: „Mein Herz war verbittert, mir bohrte der 02 1/2006 5 auch soziale Dimension: „Wie lange noch muss ich Schmerzen ertragen in meiner Seele, / in meinem Herzen Kummer Tag für Tag? Wie lange noch darf mein Feind über mich triumphieren?“ (Ps 13,3) Aber – oft vergessen – die religiöse Dimension: „Da sagte ich mir: «Das ist mein Schmerz, dass die Rechte des Höchsten so anders handelt.»“ (Ps 77,11) Oder: „Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt. Solang' ich es verschwieg, waren meine Glieder matt, den ganzen Tag musste ich stöhnen.“ (Ps 32,2-3) Oder: „Viele Schmerzen leidet, wer fremden Göttern folgt.“ (Ps 16,4) Ähnliche Texte finden sich in anderen Kulturen. Diese Beispiele dürften aber für die Einsicht ausreichen, das Schmerzen nicht nur ein medizinisches Problem sind, sondern Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und Seelsorger erfordern – ich bitte darum, diese Berufsbezeichnungen nicht zu eng zu nehmen. Dabei spielt der Seelsorger aber eine gewisse Sonderrolle. Während Therapien maßgeblich eine Leistung sind, die der Therapeut und der Patient erbringen müssen, um zum gewünschten Ziel zu kommen, ist Religion recht verstanden am wenigsten Leistung, wie schon das in ihr zentrale Wort „Erlösung“ andeutet. Therapeutisch ist also der Schmerz vielleicht durch entsprechende Anstrengungen in den Griff zu bekommen, medizinisch hoffentlich, psychisch möglicherweise auch, spätestens im Blick auf seine sozialen Dimensionen wird sich aber ein solches Leistungsdenken als weniger angemessen erweisen, trifft man doch hier letztlich a) auf das gesamte gesellschaftliche Umfeld, das verändert werden müsste – was mal abgesehen von der Komplexität dieses Terrains und seiner Gesetzlichkeiten sowohl an der Uneinsichtigkeit als auch an der Freiheit der Beteiligten scheitern kann: eine Wiederholung der Beglückungsversuche des letzten Jahrhunderts verbietet sich hoffentlich. Zugleich reicht der psychosoziale Zugriff b) bis in die Tiefen der persönlichen und kollektiven Geschichte des Leidenden. Das Vergangene aber, so wusste schon die Antike, holen selbst die Götter nicht zurück. Der Psychotherapeut kann Schuldkomplexe und ähnliches aufarbeiten, der Sozialarbeiter versöhnende Gespräche initiieren. Wer aber kann Absolution erteilen und so von Schuld freisprechen? Ohne diese Absolution im Sinne der Zusage einer letzten Vergebung ist Vergangenheitsbewältigung unvollständig, ein letzter Frieden nicht erlangt. Auch das wissen wir aus unserer historischen Erfahrung von 1945 und 1989. Nachdem ich nun die Dimensionen des Schmerzes etwas aufgefächert und die Ressorts deutlicher getrennt habe, sollen sie wieder zusammenführt werden. „Kompetenz ist eine erste, grundlegende Notwendigkeit, aber sie allein genügt nicht. Es geht ja um Menschen, und Menschen brauchen immer mehr als eine bloß technisch richtige Behandlung. Sie brauchen Menschlichkeit. Sie brauchen die Zuwendung des Herzens.“ So Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ (Nr. 37). Das klingt eher nach einer Predigt, die hier nicht am Platz ist, aber JOURNAL Josef Ratzinger ist bekanntlich ein präziser Denker. Ich habe keine Ratzinger-Exegese vor, sondern paraphrasiere seine Ausführungen, indem ich sie auf das Thema Schmerz und Ganzheitlichkeit zuspitze. Zunächst meint diese Aussage doch: Die notwendige Spezialisierung zieht uns Grenzen. Sie zu überschreiten, produziert Dilettantismus, gegen den Sie sich als Mediziner genauso wehren würden, wie ich als Geisteswissenschaftler. Doch sind wir als Spezialisten auch und vor allem Menschen mit einer umfassenden Erfahrung dessen, was Leben ist, diese Erfahrung ist aber in sich gebrochen. Schmerz ist eine solche Lebensganzheitserfahrung – in gesteigerter Form und ex negativo, kann er doch alle Lebensbereiche so überformen, das zum Schluss keiner mehr selbständig funktioniert: Wer sich in Schmerzen windet, hat keinen Appetit, kann nicht denken, nicht kommunizieren oder auch seinen Gott nicht lobpreisen. Damit gerät das Leben als ganzes aus den Fugen. Wir sind wieder an der Einstiegsstelle unseres Parforce-Ritts durch die Geistesgeschichte, bei der Ausgangslage des Descartes: Eine Welt gerät aus den Fugen, und wir sehnen uns nach einem unerschütterlichen Fundament, in der Sprache der Religion: nach Heil und Heimat. Im Schmerz zeigt sich das Phänomen des Lebens in seiner Doppeldeutigkeit: Leben ist Erleben, insofern ist das Leben immer ganz bei sich und die Ganzheitlichkeit offenbar nur eine Frage der Lebensintensität, die selbst durch Schmerz gesteigert werden kann: „Wenn ich ab 50 morgens aufstehe, und es tut nichts weh, bin ich wohl tot.“ (Das erklärt wohl auch, warum Schmerz zuweilen auch Lust erzeugt.) Andererseits weiß sich Leben in seiner eigenen Lebenserfahrung immer als bedroht und von daher als abhängig – ein Aspekt, der sich schon in der Angst der Kinder vor dem Einschlafen im Dunkeln zeigt. Schmerz, sagte ich, ist die Steigerung dieser Ambivalenz. Ein fundamental aus den Fugen gehendes Leben verweist damit auf ein Unverfügbares, erlauben Sie mir dieses Wortspiel. Der Theologe Friedrich Schleiermacher nannte dieses Daseins- oder Grundgefühl das „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“, es war seine Definition von Religion. Dieses Ganz-bei-sich-Sein des Lebens in seinem Erleben und zugleich dieses oft unthematisierte „Wissen“ des Lebens um seine Flüchtigkeit und um sein Verfügtsein und – nun kommt der nächste entscheidende Schritt – deshalb um sein Verdanktsein ist wohl das, was sowohl die Freude am Leben als auch die Angst um das Leben für den Menschen ausmacht: „Eigentlich wieder einmal Glück gehabt“, sagen wir, wenn wir aufmerksam unseren Lebensweg rekapitulieren. Hintergründig spielt diese Basiserfahrung ständig in unserer deutschen Sprache mit. Sie zeigt sich im verräterischen „Es gibt ...“ unserer Existenzaussagen oder in der Sprache der mathematischen Aufgabenstellungen: „Gegeben seien ...“ Ohne Gabe offenbar keine Aufgabe, ohne Aufgabe dann auch keine Hingabe. Es ist diese Erfahrung – so der Mensch sie nicht verdrängt oder überspielt, sondern 02/2006 Seite 19 zulässt –, die ihn öffnet auf die großen Tugenden (die Lebenstauglichkeiten) hin, welche die christliche Tradition die göttlichen nennt: Glaube (im Sinne von Grundvertrauen), Hoffnung und Liebe. Wenn es also um die "Zuwendung des Herzens" geht, dann könnte eine um Ganzheitlichkeit bemühte Palliativmedizin so aussehen: Menschen stehen zunächst als Spezialisten dem Hilfesuchenden gegenüber, aber eben auch als Menschen mit ihrer eigenen, gebrochenen Lebenserfahrung. Ärzte dürfen dann genauso wenig Gott spielen wie jeder andere Mensch, und seien sie noch so kompetente Spezialisten. Wir sollten auch denen dieses Spiel nicht vorgaukeln, die gern eine solche Illusion hätten. Denn siehe oben: "Viele Schmerzen leidet, wer fremden Göttern folgt." Die geforderte "Zuwendung des Herzens" meint deshalb nicht romantische Gefühlsseligkeit im Freizeitbereich, falls der oft harte Dienst das irgendwann auch noch zulässt, sondern meint eigentlich Ganzhingabe – ein vielleicht befremdlicher Gedanke, aber hoffentlich doch zuzumuten, wenn alle Facetten des Themas Ganzheitlichkeit angesprochen werden sollen. Gedanken zur Palliativmedizin in Deutschland Vortrag auf dem Symposium „Ganzheitlichkeit – Vision oder Wirklichkeit in der Palliativmedizin“ am 8. Juli 2006 in Bad Berka Heinz Pichlmaier, Köln Zunächst bedanke ich mich herzlich für die Einladung nach Bad Berka und Ihre freundlichen, einfühlsamen Worte. Sie, liebe Frau Müller, waren es, die mir nach der Wende als erste Palliativmedizinerin in der ehemaligen DDR begegnet sind. Dieses Interesse führte Sie zur Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Früh wurden Sie Mitglied der DGP, deren Vorstand sie dann über Jahre angehörten. Sie waren es auch, die als erste nach der Wiedervereinigung eine Behandlungseinheit für Palliativmedizin in Erfurt geschaffen hat. Damals entstanden Verbindungen zur Deutschen Krebshilfe (DKH) und damit auch zu mir. Gerne denke ich an diese Zeit zurück. Aus nunmehr 10-jährigem Abstand zum klinischen Alltag möchte ich einige Gedanken zur Palliativmedizin äußern, wobei Sie mir nachsehen mögen, dass auch einige kritische Anmerkungen enthalten sind. Folgende Punkte werde ich berühren: 1. Warum entwickelte sich die Palliativmedizin in Deutschland aus der Chirurgie? 2. Wie entsteht in der Medizin Neues und wie wird aus zarten Wurzeln eine Pflanze? 3. Wie verhalten sich Anspruch und Wirklichkeit in der heutigen Palliativmedizin? 4. Wo liegen die Grenzen der Palliativmedizin? Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eberhard Tiefensee Lehrstuhl für Philosophie Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt Nordhäuser Str. 63, 99089 Erfurt Telefon 03 61 / 7 37-25 11 http://www.uni-erfurt.de/tiefensee Seite 20 JOURNAL Zu 1.: Die Geschichte der Palliativmedizin in Deutschland reicht zurück bis 1983. Damals wurde in der Universitätsklinik für Chirurgie in Köln eine erste 5Betteneinheit für Palliativmedizin eröffnet. Damit fand ein in Jahren entstandener Plan seinen vorläufigen Abschluss. Wie kam es dazu? Der Wunsch, dem Sterben im Krankenhaus einen festen Platz und einen Anspruch zu geben, hat nach meiner Meinung in der Entwicklung der modernen Intensivtherapie seinen wesentlichen Ursprung. Hier entstand mit den Möglichkeiten der Reanimation, des überbrückenden Organersatzes, die Perfektionierung der Beatmung und des induzierten, sog. „künstlichen Koma“ die unausweichliche Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, wie sie in dieser Klarheit bis dahin nur ansatzweise erforderlich waren. Die Medizin hatte durch ihre technischen Fortschritte zusätzliche ethische und rechtliche Aufgaben und Pflichten erhalten. Deren Erfüllung 02 1/2006 5 eröffnete neue Dimensionen und ließ es in ihrer Konsequenz nicht mehr zu, das Sterben aus dem Blickfeld der Behandler zu nehmen und in eine separates, manchmal gar nicht mehr wahrgenommenes Sterbezimmer zu verlagern. Es wurde unausweichlich, über diese neuen medizinischen Aufgaben nachzudenken und verbindliche Regeln und Lösungen zu suchen. Sichtbar wurden diese Notwendigkeiten zuerst im Bereich der sich entwickelnden Dialysebehandlung, der Langzeitbeatmung und der Chirurgie, was schon zu Beginn der 60-er Jahre in meiner Münchner Zeit als eine gemeinsame Aufgabe gesehen wurde. Aber es dauerte noch über 20 Jahre, bis in Köln die erste deutsche Palliativeinheit ihre Tätigkeit aufnahm. Damals in den 60-er Jahren hatte ich das Glück, am Aufbau einer chirurgischen Intensiveinheit mitarbeiten zu dürfen. Schon in der Anfangszeit kam es zu einer ersten Bewährungsprobe: Innerhalb kürzester Zeit mussten wir nach einem Flugzeugabsturz in der Münchner Innenstadt innerhalb von 20 Minuten 16 schwer Brandverletzte aufnehmen. Hätten wir schon damals eine Triage, diese heute von Unkundigen diffamierte Form der primären Therapieindikation, angewandt, hätten wir wahrscheinlich mehr Leben gerettet, als dies dann der Fall war. Aber ohne eine funktionierende Intensivtherapie wäre wohl alles vergeblich gewesen. Die gemeinsame chirurgisch-anästhesiologische Intensivbehandlung hat mich als besondere Aufgabe von da an ein Berufsleben lang begleitet. In Köln wurde mir die zusätzliche ärztliche und organisatorische Verantwortung über eine Intensivtherapieeinheit mit 18 Betten übertragen. Damals lernte ich Pater Zielinski, einen jungen Dominikaner, kennen, den ich gelegentlich zu unseren Visiten mitnahm, um am Krankenbett gemeinsam Grenzfragen, wie sie sich dort ergaben, zu diskutieren. Er wurde bei uns Klinikseelsorger und brachte seine Erfahrungen mit der Palliativmedizin, die er in England gesammelt hatte und seine Begeisterung ein. Eine junge Ärztin, Frau Dr. Jonen-Thielemann baute in dieser Zeit die Tumornachsorge auf. Ihr „Ceterum censeo“ machte uns nachdrücklich auf das Schicksal der nicht geheilten Krebspatienten aufmerksam und auf die Notwendigkeit, zu handeln. Aber alles wäre ein Traum geblieben, hätte uns nicht Frau Dr. Mildred Scheel mit ihrer mächtigen Organisation ideell und materiell dabei geholfen. So entstand eine erste Palliativstation mit Hausbetreuungsdienst in Deutschland 1983 innerhalb der Chirurgie. Mit ihrer Eröffnung wurde bald das nächste Problem erkennbar: Die Kapazität reichte nicht aus. Pater Zielinski war es, der den Gedanken, ein kooperierendes Hospiz zu schaffen, einbrachte, das erste seiner Art in Köln. Dieser Plan wurde 1988 verwirklicht. Eine unserer erfahrenen Schwestern leitet es bis heute. Damit war für die Kranken, die nach ihrer Erstbehandlung in der Klinik nicht unter der Fürsorge des Hausbetreuungsdienstes nach Hause verlegt werden konnten, die alternative Möglichkeit einer geeigneten stationären HospizBehandlung entstanden. JOURNAL Dass es dann in den folgenden 10 Jahren gelang, eine Modelleinheit für Palliativmedizin mit 15 Krankenbetten, Lehr- und Ausbildungszentrum, Ambulanzbereich und Hausbetreuungsdienst aufzubauen, verdankten wir neben vielen, die uns halfen, wiederum der DKH und deren Präsidentin Frau Dr. Mildred Scheel, deren Namen diese Einrichtung trägt. Ich komme zum Punkt 2: Eine neue Idee kann nur entstehen, wenn die erforderliche „kritische Masse“ an Personen und Sachen vorhanden ist. Es reicht aber nicht aus, einen Plan zu verwirklichen, das Ergebnis muss auch dauerhaft verankert werden. Andernfalls wird aus Begeisterung schnell Routine und der Alltag umhüllt alles mit Kälte und Staub. Verschiedene Maßnahmen dienen und dienten der Verstetigung der palliativen gedanklichen Grundlagen: Besonderer Wert kommt der Verbreitung ihrer Idee zu. Eine von ihnen ist es, die Härten zu mildern, die sich unweigerlich bilden, wenn Intensivmedizin bei häufig bewusstlosen Kranken, mit denen keine Kommunikation möglich ist, mit dem Ziel der Lebenserhaltung angewandt wird. Die Arbeit ist hart und beruht auf klinischer Beobachtung, nüchterner Kontrolle von Vitaldaten und der sachkundigen Anwendung von technischen Hilfen. Solche Härte kann wie ein Gift im Krankenhaus Fuß fassen und sich unbeabsichtigt auf die übrigen Bereiche ausbreiten. Es entsteht das, was in der Öffentlichkeit als „Apparatemedizin“ disqualifiziert und subjektiv als „Ausgebranntsein“ empfunden wird. Allerdings vergisst man leicht, dass die so bewunderte Entwicklung der Medizin zu ihrer heutigen Form ohne Intensivmedizin nicht möglich gewesen wäre. Als ergänzenden Ausgleich bietet die Palliativmedizin menschliche Zuwendung und umfassende Betreuung durch Ärzte und Pflegende, wenn die Erhaltung des Lebens nicht mehr das Hauptziel der Behandlung sein kann. Im Zusammenspiel von Intensiv- und Palliativmedizin erhält die Heilkunde ihr ursprüngliches Gleichgewicht zurück. Dabei ist es wichtig, Gleichgesinnte zu gewinnen. Feste Einrichtungen zur Ausbildung und Lehre in Palliativmedizin wurden geschaffen, ebenso die Möglichkeit zum Austausch von Erfahrung und zur Bewältigung von Problemen durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin 1994. Es freut mich besonders, dass die Vereinigung inzwischen 1.400 Mitglieder hat. Auch entstanden in dieser Zeit Aktivitäten, die Palliativmedizin in Ausbildungspläne der Ärztekammern zu integrieren, die Erfolge gezeitigt haben. So kann inzwischen jeder klinische Facharzt die Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“ erwerben. Als großen Erfolg betrachten wir die Entstehung der ersten Lehrstühle für Palliativmedizin in Deutschland und damit eine beginnende Verankerung im akademische Bereich in Bonn, Aachen, Köln und demnächst in Göttingen. Auch München hat inzwischen eine interdisziplinäre 02/2006 Seite 21 Palliativeinheit am Universitätsklinikum Großhadern geschaffen, zusammen mit einer Professur für Lehre und Forschung in der Palliativmedizin. Ich glaube, wir dürfen uns über diese Entwicklung freuen, ohne zufrieden in Ruhe zu sinken! Zu 3.: Anspruch und Wirklichkeit: Aufgabe der Palliativmedizin ist es nicht, die Medizin neu zu definieren. Vielmehr soll sie die Krankenbehandlung erweitern und sich in ein Gesamtkonzept einfügen, um nach einem explosiven und höchst erfolgreichen Technikschub wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass die Heilkunde ein Gleichgewicht zwischen technischer Entwicklung und menschlicher Zuwendung verlangt. So bedient sich die Palliativmedizin durchaus technischer Neuerungen, z.B. der Anwendung von Stents oder moderner Pflastersysteme zur Schmerzmedikation. Gestatten Sie mir aber an dieser Stelle eine Bemerkung: Es ist falsch, in Eifer und Begeisterung nun den zweiten Aspekt betont in den Vordergrund zu rücken. Gleichsam zu „Kampfbegriffen“ aufgerüstete Schlagworte wie „Ganzheitlichkeit“, nebenbei sprachlich ein Ungeheuer, erscheinen mir wenig hilfreich. Gefährlich können sie werden, wenn sie in dieser Weise neue Gegensätze statt Gemeinsamkeit erzeugen und auf der anderen Seite Hoffnungen wecken, die schwer erfüllbar sind, nicht zuletzt in unserer heutigen Arbeitswelt! Eine Seele in Not hält sich nicht an Zeitregelungen und Schichtdienst. Sie öffnet sich auch nicht zur festgesetzten Stunde. Ein gutes Gespräch entsteht manchmal erst, wenn in der Klinik der Tageslärm verstummt und Stille eingetreten ist. Doch hat dann auch der Arzt oder die Schwester des persönlichen Vertrauens die Zeit und die nötige innere Gelassenheit? Wer dann nach offizieller Zuständigkeit delegiert und vielleicht laut den Geistlichen oder Psychotherapeuten vom Dienst ruft, hat den leisen Ruf des Kranken nicht verstanden. Palliativmedizin ist auch keine einsame „Größe“. Sie lebt vielmehr aus der horizontalen und vertikalen Kooperation der Fächer. Die dafür erforderliche Anerkennung muss sie sich jeweils vor Ort erwerben. Dabei geht es auch um die Vermeidung eines zu engen Gesichtsfeldes. Immer war es meine große Angst, dass mit der Entscheidung zur palliativmedizinischen Behandlung gleichsam ein Urteil gesprochen werden könnte, das ein zurück nicht erlaubt. Einige Male habe ich erlebt, dass bei der chirurgischen Visite auf der Palliativstation operative Optionen auftauchten, die der ganzen Behandlung eine neue Richtung gaben. Für andere Fachgebiete, besonders Onkologie und Anästhesie, gilt das in gleicher Weise! Verstehen Sie dies als Plädoyer für eine breite, patientennahe Fächerkooperation, die nicht im Grundsätzlichen stehen bleibt, sondern jedem Kranken individuell, das heißt am Krankenbett, zu gute kommt. Zu 4.: Grenzen und offene Fragen in der Palliativmedizin: Zunächst werden diese an den unterschiedlichen Krankheiten sichtbar. Entstanden ist Palliativmedizin im Seite 22 JOURNAL Blick auf Krebs und Aids. Hier ist ihre Bedeutung unbestritten. Auch für die Gruppe der Herz-, Gefäß- und Lungenkranken, aber auch noch manche andere, gibt es eindeutige Indikationen zur palliativen Behandlung, denen wir uns nicht verschließen sollten. Schwieriger wird es, wenn besondere Bedürfnisse vorliegen. Ein Beispiel sind unheilbar kranke Kinder, die m. E. palliativtherapeutischer Spezialeinheiten bedürfen. Auch Kranke mit malignen Hirntumoren sind Grenzfälle. Verschiedene seltenere neurologische Krankheitsbilder gehören ohne Zweifel und exemplarisch im fortgeschrittenen Stadium in palliativmedizinische Betreuung. Besonders deutlich wird dies am Krankheitsbild der Amyotropen Lateralsklerose (ALS), die zur Erarbeitung besonders klarer palliativmedizinischer Prinzipien Anlass gab. Es ist heute akzeptiert, dass der an ALS Erkrankte frühzeitig und autonom verbindliche Verfügungen über die von ihm gewünschte Therapie treffen kann. Hier gerät die Palliativmedizin in eine Grenzzone, die mit eingeübten „Merksätzen“ nicht gefahrlos zu überwinden sind. Wir müssen zugestehen, dass es Situationen gibt, in denen es nicht ausreicht, sich hinter wohl formulierten Regeln zu verstecken, ohne die Bereitschaft, über die Ausnahmen nachzudenken. Ich sehe ein, dass Fundamentalaussagen wie „Palliativmedizin lässt Sterben zu“, gemacht werden, wenngleich der Formulierung ein Hauch von Arroganz anhängt, der mir nicht gefällt. Und – nicht immer sind Fundamentalpositionen hilfreich. Problematisch ist die Nachbarschaft von Palliativmedizin zur Alten-Pflege und Alten-Krankenpflege, vor allem wenn Demenz im Vordergrund steht. Ich glaube, hier sind neue Gedanken nötig, die auch Strukturen betreffen. Für alarmierend halte ich die wiederkehrenden Berichte über heimliche Tötungen mit unterschiedlichen Motiven. Auch der immer großzügigere Gebrauch verschiedener Formen künstlicher Ernährung dient nicht in jedem Fall der menschlichen Würde und ist zu überdenken. Ein gravierender Unterschied zwischen Altenpflege und Palliativmedizin scheint mir in der Personalstruktur zu liegen. Die Altenpflegenden sind häufig auf sich gestellt. Die Möglichkeit zur Kommunikation unter ihresgleichen ist gering, eine Supervision ist in der Regel nicht vorgesehen. Der Kontakt zu Ärzten, wenn überhaupt vorhanden, ist auf Programmatisches beschränkt. Die Persönlichkeit der zu Pflegenden ist bisweilen auf einen letzten Rest zusammengeschmolzen. Hoffnung, wie immer sie sein mag, gibt es nicht, manchmal erscheinen die Umstände beinahe gespenstisch. Das Sterben wird häufig fatalistisch betrachtet. Ein aktiver Prozess würdigen Abschiednehmens ist nicht mehr möglich. Als vor 10 Jahren die Euthanasie in Holland heftige Diskussionen auslöste, lehnten wir uns zurück in der Gewissheit, dass alles anders wäre, wenn es dort Palliativmedizin gäbe, wie bei uns. Heute ist Palliativmedizin dort weit verbreitet, aber die Zahl der Euthanasiefälle hat nach meiner Information (noch?) nicht wesent- 02 1/2006 5 lich abgenommen. Bei ALS hat sie von 5 % aller an dieser Krankheit sterbenden auf 20 % zugenommen! Wie soll man das deuten? Kaum angesprochen wird bisher in der Palliativmedizin eine Situation, die schon den alten Römern bekannt war unter dem Begriff des „taedium vitae“, des Lebensüberdrusses oder Ekels am Leben, wie es wohl übersetzt werden muss. Teilweise überlappend berühren wir hier den großen Bereich der seelischen Erkrankungen, einer besonderen Herausforderung unserer Tage. Die Zahl der Suizide in Deutschland wird laut Angaben des Registers der Hamburger Universitätsklinikums mit ziemlich konstant 11.000 Fällen pro Jahr bei einer sicher hohen Dunkelziffer angegeben, mehr als zweimal soviel wie die der tödlichen Verkehrsunfälle. Allerdings sind hier zur Therapie vor allem Psychiatrie und Psychologie gefragt und nicht Palliativmedizin. In diesen Regionen ist die Palliativmedizin auch nicht zu Hause. Eine gegenseitige Befruchtung könnte aber durchaus in Zukunft für die Patienten hilfreich werden. gemeinsam besprochen und – möglichst einstimmig – entschieden werden können. Zusätzliche Beratung durch Kollegen und sachkundige Nichtmediziner ist hier sehr hilfreich. Ich komme zum Schluss • und wünsche mir eine Palliativmedizin, die jedem zur Verfügung steht, der ihrer bedarf. • Ich wünsche mir eine Palliativmedizin, die bereit ist, unbeantwortete Fragen immer wieder zu stellen, und lebendig genug, neue Antworten zu finden. • Ich wünsche mir eine Palliativmedizin, die dem Leben dient und als Fach selbstbewusst und bescheiden ist. Die Palliativmedizin hat ihre ersten Erfahrungen an Krebs- und Aids-Kranken gewonnen. Diese Krankheiten betreffen in der Mehrzahl Menschen, die aus dem Leben heraus von ihrer schweren Krankheit „überfallen“ wurden. Gelingt es, ihre Symptome unter Kontrolle zu bringen, ihre Seele zu stärken und das soziale Umfeld zu ordnen, kann meistens auf einen ungebrochenen Lebenswillen zurückgegriffen werden und gerade darauf baut Palliativmedizin. Für alte und einsame Menschen, die das Leben nur noch als Last empfinden, kann das oft anders aussehen. Insofern sollte man sich hüten, die Erfahrungen der Palliativmedizin unkritisch zu verallgemeinern. Palliativmedizin ist immer auf den Einzelnen und seine Lebenssituation bezogen und bedarf einer Indikation. Ein Letztes: Nicht selten stehen die Selbstbestimmung des Kranken und die Autonomie des Arztes einander gegenüber. Die Spannung zwischen Autonomie und Paternalismus ist groß. Selbstbestimmung ist ein Schlagwort unserer Zeit. Dennoch war und ist in der Chirurgie der Satz „Was würden Sie in meiner Lage tun?“ als Entscheidungsgrundlage für den Kranken eine der am häufigsten gestellten Fragen. Und es gibt Konkurrenzsituationen: Eine starke Patientenautonomie verkleinert zwangsweise die Autonomie des Arztes, ohne allerdings seine Verantwortung zu verringern. Keinesfalls darf die Patientenautonomie soweit reichen, dass das ethische Selbstverständnis des Arztes beschädigt wird. Meistens geht es um Indikationen: Muss alles getan werden, was nach der Lehrmeinung angezeigt oder möglich ist? Ich bin der Überzeugung, dass es zu den wichtigen Pflichten eines Arztes gehört, den Einsatz medizinischer Maßnahmen vor ihrem Beginn streng zu prüfen, ggf. ihren Sinn zu verneinen und bestimmte ärztliche Handlungen im Einzelfall zu unterlassen. In diesem Fall ist Palliativmedizin besonders gefragt. Es ist der große Vorteil einer funktionierenden Palliativeinheit, dass solche Probleme unter den Behandelnden und Pflegenden JOURNAL Korrespondenzadresse: Prof. (em.) Dr. med. Dr. med. dent. Heinz Pichlmaier Lindenallee 5a, 50968 Köln Telefon 02 21 / 38 51 14 02/2006 Seite 23 Neue Abteilung Palliativmedizin und Schmerztherapie am HELIOS Klinikum Erfurt Kontakt zur Station: Leitende Schwester Jaquline Poltermann Tel. 03 61 / 7 81-60 40 Sabine Sonntag-Koch, Abteilung Palliativmedizin und Schmerztherapie, 2. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum Erfurt Schmerzambulanz: Zur Abteilung gehört auch die bisher der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin zugeordnete Schmerzambulanz zur Therapie ambulanter Schmerzpatienten. Die Ambulanz ist seit 10 Jahren etabliert und hier werden weiterhin in den alten Räumlichkeiten im Chirurgischen Zentrum Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen nach Voranmeldung behandelt. Das Behandlungsspektrum umfasst die Therapie von: - Schmerzen bei Tumorerkrankungen - Rückenschmerzen - Kopfschmerzen (Migräne-, Spannungs-, Clusterkopfschmerzen u.a.) - Gelenkschmerzen - neuropathische Schmerzen (z.B. Schmerzen nach Gürtelrose, Trigeminusneuralgie oder Phantomschmerzen) - Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (früher Morbus Sudeck) Seit dem 1. September 2006 gibt es am HELIOS Klinikum Erfurt eine neue Abteilung „Palliativmedizin und Schmerztherapie“. Die Abteilung wird geleitet von Frau Dr. Sabine Sonntag-Koch, Herr DM Daniel Küstner wird als Stationsarzt auf der Palliativstation tätig sein. Neben der Palliativstation ist die schon seit 1996 bestehende Schmerzambulanz zur ambulanten Versorgung chronischer Schmerzpatienten dieser Abteilung zugeordnet. Die Ansprechpartner hierfür sind Frau Dr. Sabine Sonntag-Koch sowie Frau Dr. Anke Jorcke. Palliativstation: Das Kernstück der Abteilung ist die Palliativstation mit insgesamt 14 Betten, die sich im Hauptgebäude des Chirurgischen Zentrums im Untergeschoss des Bauteils E befindet. Die wohnlich eingerichteten Einzelzimmer verfügen alle über eigene rollstuhlgerechte Nasszellen sowie zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige im Zimmer des Patienten. Im Zentrum der Station haben wir ein gemeinsam für Patienten, Angehörige und Personal nutzbares Wohnzimmer für Gespräche, Treffen und Teamsitzungen eingerichtet. Die ebenerdige Lage der Station gestattet uns, eine große sichtgeschützte Terrasse auch für unsere bettlägerigen Patienten zu nutzen. Ein Team aus Ärzten, Pflegekräften, Psychologen, Physiotherapeuten, Seelsorgern und Sozialarbeitern kümmert sich intensiv um die Symptomkontrolle der stationären Patienten und ist bestrebt, ein lokales Netzwerk gemeinsam mit den niedergelassenen Kollegen zur ambulanten Versorgung der Patienten aufzubauen. Die stationäre Aufnahme von Patienten mit Symptomen einer nicht heilbaren Tumorerkrankungen als auch NichtTumorerkrankung erfolgt bei Indikation zur stationären Therapie. Die ganzheitliche medizinische Behandlung von Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen u.a. erfolgt unter Berücksichtigung der psychischen, sozialen und spirituellen Sorgen und Probleme der Patienten. Eine telefonische Anmeldung und Absprache mit der Brückenschwester der Station ist wegen der begrenzten Bettenzahl im Vorfeld notwendig. Die Patienten werden während des täglichen Stationsbetriebes nach Anmeldung aufgenommen. Notfallaufnahmen von bekannten Patienten sind nach individueller Absprache möglich. Generell werden Notfall-Patienten jedoch weiter über die Notfallzentrale versorgt und stationär aufgenommen. Seite 24 JOURNAL Die Techniken der schmertherapeutischen Verfahren sind: - differenzierte medikamentöse Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema unter Anwendung der verschiedenen Co-Analgetika - Integration der Physiotherapie und Psychotherapie in das individuelle Therapiekonzept - Möglichkeit des Erlernens von Entspannungstechniken - Durchführung invasiver Blockade und Kathetertechniken (rückenmarksnah und peripher) sowie Ganglionäre Lokale Opioid-Applikation - Spinal Cord Stimulation (SCS-Therapie) Schmerzpatienten, bei denen invasive Therapiemaßnahmen wie beispielsweise Kathetertechniken oder eine Entzugsbehandlung notwendig sind, können stationär auf unsere Palliativstation aufgenommen und mitbetreut werden. Kontakt zur Schmerzambulanz: z. Z. Sekretariat Frau Krause Tel. 03 61 / 7 81-60 64 Korrespondenzadresse: Dr. med. Sabine Sonntag-Koch Abteilung Palliativmedzin und Schmerztherapie 2. Medizinische Klinik Helios Klinikum Erfurt Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt Tel. 03 61 / 7 81-60 41 02 1/2006 5 Symposium „Pädiatrische Onkologie – state of the art“ anlässlich 40 Jahre Kinderonkologie in Erfurt Axel Sauerbrey, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, HELIOS Klinikum Erfurt Am 13. und 14. Oktober 2006 fand im Radisson SAS Hotel Erfurt das Symposium „Pädiatrische Onkologie – state of the art“ anlässlich 40 Jahre Kinderonkologie in Erfurt statt. Die Veranstaltung, die vom Tumorzentrum Erfurt organisiert wurde und unter Schirmherrschaft des Thüringer Ministers für Familie, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Klaus Zeh, stand, gab einen Überblick über den aktuellen Stand der Diagnostik und Therapie onkologischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Axel Sauerbrey, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, sowie Prof. Dr. Uwe Friedrich, Chefarzt der Klinik für Kinderchirurgie im HELIOS Klinikum Erfurt, präsentierten namhafte Referenten aus dem In- und Ausland neueste Ergebnisse aus den pädiatrisch-onkologischen Therapieoptimierungsstudien. Kernthemen der Veranstaltung waren akute Leukämien, Non-HodgkinLymphome, Nierentumoren und Neuroblastome. Als grundlegende Voraussetzung für den Behandlungserfolg wurde die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen pädiatrischem Onkologen, Kinderchirurgen, Strahlentherapeuten, dem Pathologen, der bildgebenden Diagnostik und weiteren Fachdisziplinen im kinderonkologischen Zentrum herausgestellt. Durch die exzellente Organisation der Tumortherapie im Kindes- und Jugendalter, wo 98 % aller Erkrankten innerhalb von Therapieoptimierungsstudien behandelt werden, konnte die kumulative Heilungsrate aller malignen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter auf 75 – 80 % gesteigert werden. Herausragende Ergebnisse werden hierbei bei der Behandlung von malignen Lymphomen und Wilmstumoren erzielt, wo die Heilungsrate derzeit über 90 % liegt, aber auch akute lymphoblastische Leukämien mit Heilungsraten über 80 % haben heute eine exzellente Prognose. Als problematisch erweist sich die Therapie gegenwärtig noch immer für das Neuroblastom Stadium IV, für fortgeschrittene höhergradige Gliome oder auch für die akute myeloische Leukämie, deren Heilungsrate nur bei ca. 60 % liegt. Obwohl diese Ergebnisse im internationalen Maßstab Spitzenwerte darstellen, sind für die Zukunft die größten Anstrengungen zur weiteren Verbesserung der Prognose erforderlich. JOURNAL Insgesamt unterstrich das Festsymposium die herausragende Stellung des kinderonkologischen Zentrums am HELIOS Klinikum Erfurt und belegte eindrucksvoll die exzellenten Therapie- und Diagnostikbedingungen für die Behandlung dieser zwar relativ seltenen aber auch außergewöhnlich anspruchsvollen Erkrankungen. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Axel Sauerbrey Klinik für Kinder- und Jugendmedizin HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt Telefon 03 61 / 7 81-45 01 02/2006 Seite 25 Weltkongress für Humangenetik in Brisbane Regine Dahse, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt Im August 2006 trafen sich Wissenschaftler und Firmenaussteller aus aller Welt zum alle 5 Jahre stattfindenden Internationalen Kongress für Humangenetik in Brisbane, Australien. Die Teilnehmer erlebten ein umfangreiches wissenschaftliches Programm mit 100 eingeladenen und über 1000 freien Konferenzbeiträgen, begleitet von 8 Workshops. Thematische Schwerpunkte waren die Tumorgenetik, die Evolution des menschlichen Genoms, die Pharmakogenetik und die Neurogenetik. Die aktuellen Entwicklungen in einzelnen Fachgebieten wurden durch renommierte Wissenschaftler in Plenarvorträgen vorgestellt, zum Beispiel „Expression genomics and p53 biology“, „Genetic variability in susceptibility to infection“, „Multifactorial inheritance“. Dabei die „Großen der Humangenetik“ wie die Zellbiologinnen Elisabeth Blackburn und Kay Davies, den Epidemiologen Aravinda Chakravati oder Richard Gibbs, den Leiter des Humangenom-Projektes zur Sequenzierung aller humanen Chromosomen zu erleben, zählte zu den Höhepunkten der Konferenz. Das Institut für Pathologie des HELIOS Klinikum Erfurt präsentierte mit einem Postervortrag Forschungsergebnisse zu EDB-Fibronektin, einem neuen Protein der Knochenbildung, das im Rahmen des EU-Projekts „Stroma“ untersucht wurde. Korrespondenzadresse: Dr. Regine Dahse Institut für Pathologie HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt Telefon 03 61 / 7 81-27 69 Blick über den Brisbane River auf das Konferenzzentrum Seite 26 JOURNAL 02 1/2006 5 Gemeinsames Veranstaltungsverzeichnis von Medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaft Erfurt e.V. HELIOS Klinikum Erfurt GmbH und Tumorzentrum Erfurt e.V. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir möchten Ihre gezielten und konzentrierten Fortbildungsaktivitäten mit einem gemeinsamen Veranstaltungsverzeichnis unterstützen und Ihnen ein breites Spektrum zertifizierter und hoffentlich für Sie interessanter Fort- und Weiterbildungen anbieten. Die nachstehende Kurzfassung kann weder vollständig sein, noch umfassend informieren. Sie soll als Orientierungshilfe dienen und Sie animieren, alle weiteren Informationen und die laufenden Aktualisierungen auf der Internetseite www.mwg-erfurt.de nachzulesen und / oder direkt bei den Organisatoren zu erfragen. Über eine zahlreiche Teilnahme an den Veranstaltungen, rege Diskussionen sowie die Vertiefung und Ausweitung persönlicher Kontakte freuen wir uns besonders. PD Dr. med. K. Hamm Vorsitzender MWG e.V. Prof. Dr. med. B. Ulshöfer Vorsitzender Tumorzentrum Erfurt e.V. Prof. Dr. med. D. Eßer Ärztlicher Direktor HELIOS Klinikum Erfurt NOVEMBER 2006 01.11.2006, 12.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Hauptgebäude Demo-Raum B 100 E (Institut für Bildgebende Diagnostik) Tuberkulose - Diagnostik und Differentialdiagnostik A. Majeed Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 03. - 04.11.2006 Haus Hainstein Eisenach 19. Onkologische Konferenz Tumorzentrum Erfurt LÄK Thüringen: 10 Punkte Kategorie A 03. - 04.11.2006 HELIOS Klinikum Erfurt, Besprechungsraum der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie, Hauptgebäude Raum B 1.400 Ultraschalldiagnostik im Kopf-Hals-Bereich (A- und B-BildVerfahren) - Abschlusskurs Klinik für HNO-Heilkunde, Plastische Operationen LÄK Thüringen: 18 Punkte Kategorie C 04.11.2006 Victor's Residenz-Hotel Erfurt 5. Erfurter Symposium Immunologie und Autoimmunologie im Kindes- und Jugendalter Klinik für Kinder- und Jugendmedizin 08.11.2006 Unfallchirurgisch-Orthopädisches Kolloquium Hüftendoprothetik Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Klinik für Orthopädie LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt JOURNAL 11.11.2006, 9.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Mensa 17. Thüringer Endokrinologietag Innere Medizin - Endokrinologie, Nephrologie, Onkologie, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten, FSU Jena, Ärztekammer Thüringen LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 15.11.2006, 12.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Hauptgebäude Demo-Raum B 100 E (Institut für Bildgebende Diagnostik) Kardiale MRT: Technische Voraussetzungen Dr. med. R. Aschenbach Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 15.11.2006, 14.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Hauptgebäude, Bauteil D, Besprechungsraum Abt. PMR Psychomotorik im Rahmen der ergotherapeutischen Praxis Vortrag mit Fallbesprechung Herr U. Dreßel und Frau K. Jankow Abteilung Physikalische Medizin und Rehabilitation vorherige Anmeldung unter Telefon 0361/ 7 81 67 75 erforderlich LÄK Thüringen: 3 Punkte Kategorie C 15.11.2006, 15.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Weiterbildung für niedergelassene Pädiater und HNO-Ärzte Klinik für HNO-Heilkunde, Plastische Operationen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin LÄK Thüringen Zertifizierung wird beantragt 15.11.2006, 18.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Perioperative Dauermedikation aus Sicht des Anästhesisten und Kardiologen PD Dr. med. Andreas Meißner, Münster PD Dr. med. Harald Lapp, Erfurt Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt 18.11.2006 HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium 32. Erfurter Ophthalmologengespräch: Neue Intraokularlinsen Klinik für Augenheilkunde 22. - 26.11.2006 HELIOS Klinikum Erfurt, Beratungsraum der 2. Medizinischen Klinik und Hotel „Weißer Schwan“ Erfurt-Kerspleben 9. Erfurter Seminar “Endokrinologie aktiv” Patientendemonstrationen, Diskussion mit Experten Innere Medizin - Endokrinologie, Nephrologie, Onkologie LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt 22.11.2006, 16.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Strategien zur Abwehr alter und neuer Erreger in Kliniken und Praxen PD Dr. med. G. Schrader Institut für Krankenhaushygiene 02/2006 Seite 27 29.11.2006, 12.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Hauptgebäude Demo-Raum B 100 E (Institut für Bildgebende Diagnostik) Kardiale MRT: Typische Befunde Dr. med. R. Aschenbach Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 29.11.2006, 14.00 - 16.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Erfurter Aktionstag Kehlkopfkrebs Information und Gesprächsangebote für Betroffene, deren Angehörige und Interessierte Tumorzentrum Erfurt, Klinik für HNO-Heilkunde, Verband der Kehlkopflosen und Kehlkopfoperierten 29.11.2006, 17.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Antrittsvorlesung Prof. Dr. med. St. Rosahl, Klinik für Neurochirugie LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt 30.11.2006, 19.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium 28. Erfurter Fortbildung Hämatologie / Onkologie für Krankenschwestern und –pfleger Moderne Diagnostik und Therapie maligner Lymphome Prof. Dr. med. M. Herold, 2. Medizinische Klinik, Abteilung Hämatologie und Onkologie Tumorzentrum Erfurt DEZEMBER 2006 06.12.2006, 18.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Der schwierige Atemweg Dr. med. Reiner Gottschall, Jena Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt 07.12.2006, 17.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium 52. Wissenschaftliches Onkologisches Konsil anlässlich des 70. Geburtstages von Herrn Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Schreiber Tumorzentrum Erfurt und Institut für Pathologie LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt 08.12.2006, 15.00 bis 19.00 Uhr Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium 18. Fortbildungsveranstaltung im Rahmen eines Workshops „Früherkennung potenziell maligner Erkrankungen der Mundschleimhaut durch fortentwickelte Bürstenbiopsie“ Klinik für MKG-Chirurgie, Institut für Pathologie, Tumorzentrum Erfurt, LÄK Thüringen: 3 Punkte Kat. A LZÄK Thüringen: 3 Punkte Kat. A 09.12.2006, 9.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium Weihnachtssymposium Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt Seite 28 JOURNAL 13.12.2006, 12.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Hauptgebäude Demo-Raum B 100 E (Institut für Bildgebende Diagnostik) Sarkoidose Dr. med. Sabine Reinhold Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 13.12.2006, 16.00 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Besprechungsraum der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie, Hauptgebäude Raum B1.400 Erfurter Echokardiographie-Workshop Innere Medizin - Kardiologie 2007 12. - 13.01.2007 HELIOS Klinikum Erfurt, Besprechungsraum der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie, Hauptgebäude Raum B 1.400 Ultraschalldiagnostik im Kopf-Hals-Bereich (A- und B-BildVerfahren) - Grundkurs Klinik für HNO-Heilkunde, Plastische Operationen LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt (Bewertung 2006: 22 Punkte Kategorie C) 13. - 14.01.2007 Hilton Hotel Weimar, Belvederer Allee 25, Weimar 17. Gemeinsame Arbeitstagung “Angiologie interdisziplinär” Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 20.01.2007, 8.30 Uhr HELIOS Klinikum Erfurt, Mensa / Konferenzraum Strahlenklinik / Hauptgebäude Bauteil D 1. HELIOS Symposium der Physio- und Ergotherapeuten „Physio- und Ergotherapie bewegt - Neues in der Prävention, Kuration und Rehabilitation bei Coxarthrose“ Abteilung Physikalische Medizin und Rehabilitation LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt 10. - 11.03.2007 Fachhochschule Nordhausen, Haus 19, Hörsaal 1 und 2, Weinberghof 4, Nordhausen 7. Thüringer Krebskongress Thüringische Krebsgesellschaft LÄK Thüringen: Zertifizierung beantragt 11. - 12.05.2007 HELIOS Klinikum Erfurt, Besprechungsraum der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie, Hauptgeb. Raum B 1.400 19. Kurs Audiometrie (ERA, OAE, Probleme der subjektiven Audiometrie) Klinik für HNO-Heilkunde, Plastische Operationen LÄK Thüringen: Zertifizierung wird beantragt (Bewertung 2006: 14 Punkte Kategorie A/C) Sie können unsere Arbeit durch Ihre Spende unterstützen! Sparkasse Mittelthüringen BLZ 820 510 00 · Konto-Nr. 130 123 609 (Spenden sind steuerlich begünstigt! 02 1/2006 5 KONTAKTADRESSEN: Medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft Erfurt e.V. Vorsitzender Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Hamm Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-67 18 Telefax: 03 61 / 7 81-67 19 www.mwg-erfurt.de HELIOS Klinikum Erfurt Pressesprecherin Brigitte Küchler Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-10 31 Telefax: 03 61 / 7 81-10 32 www.helios-kliniken/erfurt Tumorzentrum Erfurt e.V. Geschäftsführer Dr. Hubert Göbel Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-48 06 Telefax: 03 61 / 7 81-48 03 www.tumorzentrum-erfurt.de ANGEBOTE DES TUMORZENTRUM ERFURT e.V. KONSILARDIENSTE • Interdisziplinäres onkologisches Konsil Jeden Mittwoch, 7.45 Uhr, Beratungsraum im Gebäude Innere Medizin / Hautklinik (2. OG), HELIOS Klinikum Erfurt, Nordhäuser Straße 74 Anmeldungen über Telefon 03 61 / 7 81-48 02 Leitung: Prof. Dr. Herold / Prof. Ulshöfer Jeder Arzt kann seine onkologischen Fälle persönlich einem Gremium von Experten aller Fachdisziplinen vorstellen. Am Ende der (kostenfreien) Beratung erhält er eine konkrete Therapieempfehlung. Zu jeder Fallbesprechung wird ein Protokoll angefertigt, das dem vorstellenden Arzt und eventuellen mitbehandelnden Ärzten zugeht. • Telefonischer Konsilardienst Unkompliziertes Vermitteln von Kontakten zu den speziellen onkologischen Ansprechpartnern aller Fachgebiete f www.tumorzentrum.de ONKOLOGISCHE LEITLINIEN Hilfestellung bei der Umsetzung der aktuellen Diagnose-, Therapie- und Nachsorgeleitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft und der medizinischen Fachgesellschaften. In Ergänzung und zur praktischen Durchführung werden diese wo nötig für die speziellen regionalen Bedingungen adaptiert. JOURNAL KONTAKTE ZU SELBSTHILFEGRUPPEN UND HOSPIZDIENSTEN IN DER REGION PSYCHOLOGISCHE BETREUUNG Betreuungsangebote für stationäre Patienten des HELIOS Klinikum Erfurt sowie für Ärzte und Pflegepersonal. FORT- UND WEITERBILDUNG • Ärzte • Krankenschwestern und -pfleger • Sozialdienste DOKUMENTATION • Klinische Tumordokumentation In Erfüllung des Qualitätssicherungsauftrages des Sozialgesetzbuches (SGB V) wird für jeden Patienten der gesamte Krankheitsverlauf nach anerkannten Regeln (Tumorbasisdokumentation) dokumentiert. Die Unterlagen stehen dem Patienten und ihren behandelnden Ärzten zur Verfügung. Im Einzelfall (bei Umzug, Arztwechsel, Verlust von Originalunterlagen) sind sie für den Arzt eine unschätzbare Hilfe. • Gemeinsames Krebsregister der neuen Bundesländer Epidemiologisch relevante Daten werden entsprechend geltender Gesetze an das Gemeinsame Krebsregister der neuen Bundesländer weitergegeben. Mehr als 95 % der Meldungen des Einzugsgebietes kommen vom Tumorzentrum. Diese Daten werden regelmäßig mit den amtlichen Sterbedaten abgeglichen und stehen dem meldenden Einrichtungen zur Verfügung. SERVICE • Unterstützung der Nachbetreuung, Erinnerungsfunktion Auf persönlichen Wunsch werden Patienten (und ihre betreuenden Ärzte) an vereinbarte bzw. vergessene Nachsorgetermine erinnert. • Statistiken für Krankenhäuser und Praxen Erstellung von Übersichten, Leistungsstatistiken und Überlebenszeitanalysen für die von der jeweiligen Einrichtung betreuten Patienten. • Informationen Kostenlose Bereitstellung von Tumor-Nachsorgepässen und Informationsmaterialien für Patienten, Ärzte, Pflegepersonal und Sozialdienste 02/2006 Seite 29 HIER ERREICHEN SIE UNS HELIOS Klinikum Erfurt GmbH Haus 8, Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt Prof. Dr. med. Axel Sauerbrey Chefarzt, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-45 00 Telefon: Telefax: E-Mail: Homepage: 03 61 / 7 81-48 02 03 61 / 7 81-48 03 [email protected] http://www.tumorzentrum-erfurt.de Priv.-Doz. Dr. med. Renate Swoboda Oberärztin, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-63 06 Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Hubert Göbel VORSTAND WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl (Vorsitzender) Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-27 50 Dr. med. Klaus Blumenstengel Hämatologe und internistischer Onkologe, Georgenstraße 18, 99817 Eisenach Telefon: 0 36 91 / 74 64 04 Dr. med. Rainer Bonnet M.D., Clinical Professor of Medicine Loma Linda Univ., CA Chefarzt, Klinik für Pneumologie, Zentralklinik Bad Berka Telefon: 03 64 58 / 5 15 00 Michael Domrös Leiter der Landesvertretung Thüringen, VdAK / AEK, Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 Erfurt Telefon: 03 61 / 4 42 52 11 Prof. Dr. med. Berthold Ulshöfer (Vorsitzender) Chefarzt, Klinik für Urologie, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-22 00 Prof. Dr. med. Michel Herold (Stellvertr. Vorsitzender) Leiter der Abteilung Hämatologie / Onkologie, 2. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-25 66 Prof. Dr. med. Dirk Eßer Chefarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-21 00 Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-27 50 Dr. med. Alexander Fichte Urologe, Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 Erfurt Telefon: 03 61 / 6 43 73 03 Dr. med. Christina Müller Chefärztin, Klinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka Telefon: 03 64 58 / 5 19 00 Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Hamm Leiter der Abteilung Stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-67 18 Priv.-Doz. Dr. med. Ulrike Schalldach Chefärztin, Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-24 00 Rolf Heller Leitender Verwaltungsdirektor, AOK Thüringen, Augustinerstraße 38, 99084 Erfurt Telefon: 03 61 / 65 74-1 13 56 Dr. med. Jörg Weniger Hämatologe und internistischer Onkologe, Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 Erfurt Telefon: 03 61 / 5 66 78 19 Prof. Dr. med. Udo B. Hoyme Direktor, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-40 00 Prof. Dr. med. Ruthild Linse Chefärztin, Klinik für Hautkrankheiten, HELIOS Klinikum Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-43 00 Priv.-Doz. Dr. med. Günter Ortmann Chefarzt, Chirurgische Abteilung, Hufeland-Krankenhaus Bad Langensalza Telefon: 0 36 03 / 8 55-0 Seite 30 JOURNAL MITGLIEDSCHAFT • Onkologisch tätige Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger sowie Sozialarbeiterinnen in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken und Arztpraxen • Vertreter von Gesundheitsämtern, Krankenkassen, Sozial- und Hospizdiensten, Selbsthilfegruppen • Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben • Aufnahmeanträge in der Geschäftsstelle erhältlich 02 1/2006 5 IMPRESSUM Herausgeber: Tumorzentrum Erfurt e.V. Redaktion: Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl · Dr. rer. nat. Hubert Göbel Redaktionsbüro und Versand: Tumorzentrum Erfurt e.V. Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt Telefon: 03 61 / 7 81-48 02 · Telefax: 03 61 / 7 81-48 03 E-Mail: [email protected] Layout, Satz und Druck: Handmann Werbung GmbH Erfurt Hinweis: Das Tumorzentrum Erfurt erstellt die Artikel nach bestem Wissen und Gewissen. Die Verantwortung für den Inhalt der medizinischen und wissenschaftlichen Beiträge obliegt den Autoren. Sie stellen keine Handlungsempfehlungen für den individuellen Fall dar. Ja zu Oncofolic ® Das Natriumfolinat: mischbar mit 5-FU I zeitsparend I patientenfreundlich Sie sehen warum F Oncofolic ® medac Bezeichnung des Arzneimittels: Oncofolic® 50mg/ml, Injektions- oder Infusionslösung. Wirkstoff: Natriumfolinat. Zusammensetzung: Oncofolic® 50mg/ml, Injektions- oder Infusionslösung enthält 54,65mg/ml Folinsäure, Dinatriumsalz entsprechend 50mg/ml Folinsäure. 2ml Lösung enthalten 109,3mg Folinsäure, Dinatriumsalz entsprechend 100mg Folinsäure. 4ml Lösung enthalten 218,6mg Folinsäure, Dinatriumsalz entsprechend 200mg Folinsäure. 6ml Lösung enthalten 327,9mg Folinsäure, Dinatriumsalz entsprechend 300mg Folinsäure. 10ml Lösung enthalten 546,5mg Folinsäure, Dinatriumsalz entsprechend 500mg Folinsäure. 18ml Lösung enthalten 983,7mg Folinsäure, Dinatriumsalz entsprechend 900mg Folinsäure. Sonstige Bestandteile: Natriumhydroxidlösung 20%, Salzsäure 3,7%, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Verstärkung der Fluorouracil-Zytotoxizität. In Kombination mit Fluorouracil verstärkt Folinsäure, Dinatriumsalz die Wirkung von Fluorouracil im Rahmen der Palliativbehandlung des kolorektalen Karzinoms. Weitere Indikationen siehe Fachinformation. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber Folinsäure, Dinatriumsalz oder einem der Hilfsstoffe. Die Kombination von Folinsäure, Dinatriumsalz und Fluorouracil zur Palliativbehandlung des kolorektalen Karzinoms ist nicht angezeigt bei: bestehenden Gegenanzeigen gegen Fluorouracil, vor allem Schwangerschaft und Stillzeit, schwerer Diarrhoe. Eine Therapie mit Folinsäure, Dinatriumsalz in Kombination mit Fluorouracil darf bei Patienten, die gastrointestinale Toxizitätserscheinungen verschiedener Schweregrade zeigen, nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden, bis diese Symptome vollständig abgeklungen sind. Patienten mit Diarrhoe sind besonders sorgfältig zu überwachen, bis die Diarrhoe abgeklungen ist, da eine rasche klinische, zum Tod führende Verschlechterung eintreten kann. Folinsäure, Dinatriumsalz ist nicht geeignet zur Behandlung von perniziöser Anämie oder anderen, durch Vitamin-B12-Mangel bedingten Anämien. Wenn es auch zu hämatologischen Remissionen kommen kann, die neurologischen Erscheinungen bleiben jedoch progredient. Nebenwirkungen: Unerwünschte Wirkungen von Folinsäure, Dinatriumsalz sind selten, aber gelegentlich wurde Fieber nach parenteraler Verabreichung beschrieben. Vereinzelt kann es zu allergischen Reaktionen – Sensibilisierung, einschließlich anaphylaktischer Reaktionen und Urtikaria – kommen. Bei hoher Dosierung wurden gastrointestinale Störungen beobachtet. Folinsäure, Dinatriumsalz verstärkt die Toxizität von Fluorouracil. Verschreibungspflichtig. medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH, Fehlandtstraße 3, D-20354 Hamburg. Stand: Juni 2004