Morphologie und Syntax (BA)

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Morphologie und Syntax (BA)
Morphologie und Syntax (BA)
Morphologie und Syntax: Kongruenz, Kasus, Status,
Subkategorisierung
PD Dr. Ralf Vogel
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Universität Bielefeld, SoSe 2007
[email protected]
26.4.2007
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Morphologie und Syntax (BA)
Gliederung
1 Übungsaufgabe 3
2 Flexion
3 Kongruenz
4 Kasus
5 Verb-Status
6 Analytische Konstruktionen
7 Übungsaufgabe 4
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 3
Übungsaufgabe 3
(1)
Nom
Gen
Dat
Akk
Betrachten Sie die beiden folgenden deutschen Flexions-Beispiele:
Tag
Sg
Pl
–
es
–
–
e
e
en
e
1.Pers.
2.Pers.
3.Pers.
leg
Sg
Pl
e
st
t
en
t
en
• Welche Hinweise bekommen Sie hier für die Beurteilung, ob das
Deutsche eine analytische, agglutinierende oder flektierende Sprache
ist?
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 3
Übungsaufgabe 3
• Die Flexionsform des Nomens, die wir hier sehen, nennt man auch
Grundformflexion, und die des Verbs Stammflexion.
• Bei der Grundformflexion taucht die einfache unaffigierte Form selbst im
Paradigma auf.
• Wenn man sich den Plural des Nomens betrachtet, fällt auf, dass man
ein Plural-Affix, ‘-e-’, und ein Dativ-Affix, ‘-n-’, identifizieren kann.
• Parallel kann man das ‘-s-’ im Singular als Genitiv ansehen.
• Man könnte also aufgrund dessen Deutsch als aglutinierende Sprache
ansehen.
• Im Kontrast dazu ist das verbale Paradigma typisch für eine flektierende
Sprache.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 3
Übungsaufgabe 3
(2)
Auch im Deutschen könnten Morphemschichten hilfreich sein, um
Umlaut und Ablaut zu erfassen.
a. Versuchen Sie, für ‘Boot — Bötchen’ eine Repräsentation zu
entwerfen, die das Verkleinerungsmorphem so repräsentiert,
dass der Umlaut mit erfasst wird!
b. Versuchen Sie das Gleiche für den Ablaut ‘singen — sang’!
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 3
Übungsaufgabe 3
M
M
b
o:
t
C
V
C
[+vorne]
M
C
V
C
ç
n
b
ø:
t
C
V
C
[+vorne]
C
V
C
ç
n
M
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 3
Übungsaufgabe 3
M
s
C
N
V
C
a
M
• Die einfache Vergangenheit bei sing—sang lässt sich, wenn man
möchte, parallel zu arabischen Binyanim ableiten.
• Der Vokal bestimmt die Tempusflexion.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 3
Morphologie und Syntax
• Wir haben gesehen, dass das Deutsche morphologisch relativ
reichhaltig ist.
• Verben, Nomen und Adjektive werden nach mehreren Kategorien
flektiert.
• Wir werden heute betrachten, unter welchen Umständen die Gestalt von
Wörtern, insbesondere ihre Flexion, von anderen Wörtern abhängt.
• Das betrifft im Deutschen insbesondere die Phänomene der Kongruenz,
der Kasus-Selektion und des verbalen Status.
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Morphologie und Syntax (BA)
Flexion
Flexion
• Wir haben festgestellt, dass im Deutschen neben Funktionswörtern wie
Hilfsverben, Pronomen und Artikel drei lexikalische Wortarten flektiert
werden:
1 Nomen (der Ball, des Balles, dem Ball, den Ball . . . )
2 Adjektive (alter Wein, alten Weines, altem Wein, alten Wein . . . )
3 Verb (ich singe, du singst, er/sie/es singt . . . )
• Nomen, Adjektive, Pronomen und Artikel werden nach folgenden
Flexionskategorien flektiert:
• Genus
• Numerus
• Kasus
• Bei Nomen ist das Genus lexikalisch festgelegt.
• Der Numerus eines Nomens ergibt sich in der Regel durch die
Bedeutung, die ausgedrückt werden soll.
• Der Kasus wird über den syntaktischen Kontext bestimmt.
• Adjektive und Artikel richten sich in allen drei Kategorien nach dem
Nomen, zu dem sie gehören. Das nennen wir Kongruenz (englisch:
‘agreement’).
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Morphologie und Syntax (BA)
Flexion
Nomen-Flexion — ein Beispiel
• Das Genus des Nomens „Ball“ ist lexikalisch auf Maskulinum festgelegt:
(1)
der Ball, *das Ball, *die Ball
• Der Numerus kann bei den meisten Nomen variieren:
(2)
Singular
a. Ball
b. Fleisch
c. *Leut
Plural
Bälle
*Fleische,*Fleischs,*Fleischen
Leute
• Ausnahmen sind Massennomen wie „Fleisch, Holz, Wasser“, die nur im
Singular erscheinen, oder Nomen wie „Leute“, die nur im Plural
existieren.
• Diese Einschränkungen lassen sich aber über die Bedeutung der
Nomen verstehen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Flexion
Nomen-Flexion — ein Beispiel
• Welchen Kasus ein Nomen hat, bestimmt sich über den syntaktischen
Kontext.
(3)
Nominativ
Genitiv
Dativ
Akkusativ
Der Bauer lachte (*des/*dem/*den Bauern)
Der Hund des Nachbarn bellte (*der/*dem/*den Nachbar(n))
Maria folgte dem Gastgeber (*der/*des/*den Gastgeber(s))
Der Gläubige besuchte den Papst (*der/*dem/*des Papst(es))
• Präpositionen verlangen oft einen bestimmten Kasus, oder variieren
semantisch mit verschiedenen Kasus:
(4)
a.
b.
c.
d.
zu diesem/*diesen Ort
durch diesen/*diesem Ort
an diesem Ort
an diesen Ort
Dativ/*Akkusativ
Akkusativ/*Dativ
Dativ: Position
Akkusativ: Richtung
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Morphologie und Syntax (BA)
Flexion
Nomen-Flexion — Kasus
• Wie wir bereits gesehen haben, ist die Flexions-Morphologie von
Nomen eher spärlich:
Tabelle 1: Nominale Flexionsparadigmen des Deutschen, nach Sternefeld
(2006)
• Die Flexionsmorpologie der Nomen unterscheidet insbesondere nicht
eindeutig zwischen den Kasus.
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Morphologie und Syntax (BA)
Flexion
Nomen-Flexion — Kasus
• Oft kann im Deutschen der Kasus nur mithilfe von Artikeln („der/die/das,
ein/eine“) oder Artikelwörtern („dies-/jen-/kein-“ etc.) bestimmt werden.
(5)
a.
b.
c.
der Ball, des Balles, dem Ball, den Ball
ein Ball, eines Balles, einem Ball, einen Ball
dieser Ball, dieses/n Balles, diesem Ball, diesen Ball
• Bei Abwesenheit eines Artikels oder Artikelworts übernimmt auch ein
Adjektiv diese Funktion:
(6)
alter Käse, alten/*altes Käses, altem Käse, alten Käse
• Zu beachten ist der Unterschied zwischen Artikel(wort) und Adjektiv im
Genitiv.
• Der Genitiv ist der einzige Kasus, der im Maskulinum Singular zumeist
auch am Nomen erkennbar ist.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz in Nominalphrasen
• Artikel, Artikelwort und Adjektiv kongruieren mit dem Nomen in Kasus,
Numerus und Genus:
(7)
a.
b.
Ich habe von dem frischen Bier getrunken.
Ich habe vielen alten Leuten geholfen.
• Man drückt dies auch in Form von Merkmalen aus.
• Die nominalen Flexionsmorpheme realisieren bestimmte
Merkmalskombinationen.
• -en steht hier für <Kasus=Dativ,Numerus=Plural>. Genus wird im Plural
nicht unterschieden.
• Diese Merkmalskombination wird von den kongruierenden Elementen –
Artikel(wort), Adjektive – übernommen.
• Kongruenz ist eine syntaktische Relation.
• Die morphologische Gestalt eines Wortes hängt von der eines anderen
Wortes ab, wenn die beiden in einer bestimmten syntaktischen
KOnfiguration stehen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz in Nominalphrasen
• Die syntaktische Konfiguration, um die es hier geht, besteht darin, dass
Artikel(wort), Adjektiv und Nomen eine Nominalphrase bilden:
(8)
von [ NP dem frischen Bier]
• Beispielsweise kann der definite Artikel in (9) nur mit „Bier“ kongruieren,
nicht aber mit „Sängerin“.
(9)
Eine Sängerin hat von dem/*der/*die frischen Bier getrunken.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb
• Neben der Kongruenz innerhalb von Nominalphrasen gibt es die
Kongruenz zwischen dem finiten Verb und dem Subjekt eines Satzes.
(10)
a.
b.
Ich habe Migräne.
Du hast Migräne.
• Das Subjekt eines Satzes steht im Deutschen im Nominativ.
• So gut wie jeder Satz im Deutschen muss ein Subjekt haben.
• In manchen Fällen, bspw. bei Wetter-Verben, haben wir nur ein
sogenanntes expletives Subjekt, das Pronomen „es“, das Kongruenz in
der 3. Person Singular am Verb auslöst.
• Auch bei italienischen Wetter-Verben wird das Verb in der 3.Person
Singular flektiert, obwohl kein Expletivum erscheint:
(11)
a.
b.
Es regnet/schneit/hagelt.
piove
regnet-3Sg
„es regnet“ (Italienisch)
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb
• Kongruenz in der 3. Person Singular finden wir auch bei Nebensätzen,
die als Subjekt fungieren (12-a).
• Unpersönliche Passive kommen sogar ohne Subjekt aus. Auch hier
flektiert das Verb in der 3.Person (12-b).
(12)
a.
b.
Dass es regnet, stört mich.
Hier wird nicht gelacht.
• 3.Person Singular ist in vielen Sprachen die Standardflexion (englisch:
„default“) für das Verb, wenn kein Subjekt zur Verfügung steht, das die
nominalen Merkmale für die verbale Kongruenzflexion vorgibt.
• Auch dieses Kongruenz-Phänomen, die Subjekt-Verb-Kongruenz,
unterliegt also einer syntaktischen Bedingung:
• Das Verb übernimmt die Merkmalsspezifizierung für Numerus und
Person vom Subjekt des Satzes.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kasus-Kongruenz bei Nomen
• Ein dritter Fall von Kongruenz ist im Deutschen die Kasus-Kongruenz
eines Nomens.
• Sie lässt sich in zwei Arten von Konstruktionen beobachten:
(13)
In einer Präpositionalphrase mit „als“, z.B. bei komparativen
Adjektiven:
a. Der Polizist ist grösser als der Demonstrant. (Nominativ)
b. Auf Usedom trifft man einen Dichter öfter als einen Maler.
(Akkusativ)
(14)
Als Prädikatsnomen, bspw. bei Verben wie „nennen“:
a. Sie nannte ihn einen Verräter. (Akkusativ)
b. Er wurde von ihr ein Verräter genannt. (Nominativ)
• Auch die Kasus-Kongruenz bei Nomen ist also auf bestimmte
syntaktische Konfigurationen beschränkt.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz bei Pronomen
• Pronomen kongruieren in Numerus und Genus mit ihrem Bezugsnomen:
(15)
Personalpronomen:
Das ist Peter. Ich kenne ihn/*sie seit unserer Jugend.
(16)
Relativ-Pronomen:
Das ist der Mann, den ich seit unserer Jugend kenne.
• Man spricht bei Personalpronomen auch von Bindung des Pronomens
durch sein Bezugsnomen.
• Binder und Pronomen müssen dabei nicht unbedingt in einer
syntaktischen Relation, bspw. im selben Satz, stehen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz bei Pronomen
• Ein interessanter Unterschied zwischen Personalpronomen und
Relativ-Pronomen lässt sich für das Bezugsnomen „Mädchen“
beobachten:
(17)
a.
b.
Relativsatz:
Das Mädchen, das/*die ich kenne . . .
Das Mädchen steht dort. Es/Sie ist nett.
• Für das Personalpronomen kann entweder das grammatische
(Neutrum) oder das semantische (Femininum) Genus verwendet
werden.
• Das Relativpronomen muss das grammatische Genus verwenden.
• Das hängt damit zusammen, dass beim Relativ-Pronomen in (17-a)
Binder und Pronomen im selben Satz stehen, während Binder und
Personalpronomen in (17-b) in verschiedenen Sätzen stehen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz bei Possessiv-Pronomen
• Ein interessanter Fall sind Possessiv-Pronomen (besitzanzeigende
Pronomen).
• Ihr Wortstamm kongruiert in Genus und Numerus mit ihrem Binder.
• Ihr Flektionssuffix richtet sich in Kasus, Numerus und Genus nach dem
Kopfnomen ihrer Nominalphrase:
(18)
Das ist Peter. Ich habe seine Bücher gelesen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kongruenz
Kongruenz — Zusammenfassung
• Fassen wir die vier betrachteten Kongruenz-Relationen zusammen.
kongruierendes Element
Kategorie
Merkmalsquelle
Adjektiv, Artikel(wort)
finites Verb
Prädikatsnomen
Pronomen
Genus, Numerus
Person,Numerus
Kasus
Numerus, Genus
Kopfnomen der NP
Subjekt
modifiziertes Nomen
Binder
Tabelle 2: Kongruenz-Relationen im Deutschen
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Kasus
• Der Kasus einer Nominalphrase wird von ihrem syntaktischen Kontext
bestimmt.
• Kasus wird an eine Nominalphrase zugewiesen.
• Als Kasuszuweiser können Verben, Präpositionen, Adjektive und
Nomen fungieren.
(19)
Kasuszuweisung durch eine Präposition:
a. Wir liefen zu dem Feld.
b. Sie sprang durch den Reifen.
• „zu“ weist Dativ zu, „durch“ Akkusativ.
(20)
Kasuszuweisung durch ein Nomen:
a. Peters Auto
b. Die Eroberung Trojas
• Innerhalb einer Nominalphrase wird Genitiv vom Kopf der
Nominalphrase (hier: „Auto, Eroberung“) zugewiesen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Kasus
(21)
Kasuszuweisung durch ein Adjektiv:
ein seiner Frau treuer Ehemann
• Adjektive wie „treu“ weisen Dativ an ihre nominale Ergänzung zu.
• Eine Nominalphrase im Nominativ ist im Deutschen obligatorisch, wenn
ein finites, also für Person, Numerus und Tempus flektiertes Verb
vorhanden ist:
(22)
Kasuszuweisung durch ein finites Verb:
a. Es regnet.
b. Er/*ihm/*ihn lachte.
• Bevor wir die weiteren Kasus-Relationen bei Verben betrachten,
beschäftigen wir uns noch mit zwei für die Analyse wichtigen
theoretischen Konzepten, grammatischen Funktionen und syntaktischen
Kategorien.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Grammatische Funktionen
• Mit grammatischen Funktionen bezeichnen wir die Rollen, die einzelne
Satzteile oder Satzglieder in einem Satz übernehmen.
• Eine Funktion, die wir bereits kennengelernt haben, ist das Subjekt.
Subjekt Ein Subjekt steht im Deutschen im Nominativ.
• Wir unterscheiden mehrere Typen von Objekten:
Akkusativ-Objekt Ein Akkusativ-Objekt steht im Akkusativ.
Dativ-Objekt Ein Dativ-Objekt steht im Dativ.
Genitiv-Objekt Ein Genitiv-Objekt steht im Genitiv.
Präpositional-Objekt Ein Präpositional-Objekt wird mit einer Präposition
eingeleitet.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Grammatische Funktionen
• Einige Beispiele:
(23)
a.
b.
c.
d.
Akkusativ-Objekt: Maria fuhr einen BMW.
Dativ-Objekt: Peter folgte einem Audi.
Genitiv-Objekt: Er entledigte sich seiner Pflichten.
Präpositional-Objekt: Er kämpfte mit einem Löwen.
• Welcher Objekt-Kasus erscheint, wird durch das verwendete Verb
bestimmt.
(24)
a. *Maria fuhr einem BMW.
b. *Peter folgte eines Audis.
c. *Er entledigte sich seine Pflichten.
• Auch die Präposition von Präpositional-Objekten kann durch das Verb
verlangt sein:
(25)
Wir warteten auf/*für/*von den Zug.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Syntaktische Kategorien
• Die Wörter sind die Grundbausteine eines Satzes.
• Wir haben bereits drei lexikalische Wortklassen anhand ihrer
morphologischen Eigenschaften unterschieden: Nomen, Adjektive und
Verben.
• Als vierte Klasse kommen die morphologisch uninteressanten
Präpositionen hinzu: „in, an, auf, für, mit, . . . “
• Dies sind die wichtigsten syntaktischen Kategorien.
• Sie bilden die syntaktisch wichtigsten Phrasentypen NP, VP, PP, AP. (für
Nominal-, Verb-, Präpositional- und Adjektiv-Phrase)
• Funktionswörter wie Artikel und Konjunktionen bilden eigene
Kategorien.
• Pronomen werden kategorial zu den Nomen gezählt.
• Hilfs- (sein, haben, werden . . . bei analytischen Zeitformen) und
Modal-Verben (sollen, müssen, können . . . ) werden zunächst einmal als
Verben klassifiziert.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
• Wie bereits gesehen, unterscheiden sich Verben voneinander u.a. darin,
welche Objekt-Typen sie verlangen.
• Anhand dieser unterschiedlichen Selektionseigenschaften unterteilen
wir die Kategorie der Verben noch einmal in mehrere Unterkategorien
(„Sub-Kategorien“) oder Verb-Klassen.
• Eine gebräuchliche Unterteilung ist die in intransitive, transitive und
ditransitive Verben.
Intransitive Verben selegieren lediglich eine Ergänzung, die in der Regel als
Subjekt des Satzes erscheint.
(26)
Intransitive Verben:
Die Lehrerin hustete/lachte/spielte/sang . . .
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
Transitive Verben selegieren neben einem Subjekt noch ein Objekt, zumeist
ein Akkusativ-Objekt.
(27)
Akkusativ-Objekt:
Renate kaufte/fuhr/mietete . . . einen Toyota.
(28)
Dativ-Objekt:
Holger half/gratulierte/dankte . . . seiner Freundin.
(29)
Genitiv-Objekt:
Wir gedachten/erinnerten uns des ehemaligen Präsidenten.
• Meist werden die Akkusativ-selegierenden Verben als Standardfall von
transitiven Verben angesehen.
• Diejenigen Verben, die Dativ oder Genitiv zuweisen, gelten als
Ausnahmen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
Ditransitive Verben selegieren neben dem Subjekt noch ein
Akkusativ-Objekt und ein Dativ-Objekt.
(30)
Ich gab/schenkte/schickte . . . das Buch der Studentin.
• Zumeist werden Verben, die zusätzliche PPn (und keinen Dativ)
verlangen, hier nicht mitgezählt:
(31)
Ich versah die Tür mit einem Schloss.
• Die PP kann hier ncht weggelassen werden, und die Präposition darf
nicht durch eine andere ersetzt werden.
(32)
a. *Ich versah die Tür / *Ich versah mit einem Schloss.
b. *Ich versah die Tür aus/von/an einem Schloss.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
• Die Einteilung in intransitiv, transitiv, ditransitiv ist nur sehr grob.
• Sie berücksichtigt nicht, dass sich das Selektionsverhalten von Verben
auf vielfältigste Weise ausdifferenziert.
• Man kann aber auch das unterschiedliche Selektionsverhalten in bezug
auf Anzahl und Art der verlangten Ergänzungen von Verben als
Grundlage für die Verbklassifizierung nehmen.
• So hat bspw. Levin (1993) für das Englische 183 Verb-Klassen
festgestellt.
• Die von einem Verb selegierten Ergänzungen sind manchmal auch
fakultativ.
• Auch dies kann als Unterscheidungskriterien für Verb-Klassen
herangezogen werden.
(33)
a.
b.
Maria versorgte uns (mit Kuchen)
Maria versah die Tür *(mit einem Schloss)
• Wenn wir in (33-b) die PP „mit einem Schloss“ weglassen, ist der Satz
nicht mehr akzeptabel.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
• Die Selektionseigenschaften von Verben werden im Lexikon einer
Sprache festgehalten.
• Zur Wiederholung: Eine Sprache kann als ein System aufgefasst
werden, das aus zwei Komponenten besteht:
1
2
Ein Lexikon, das die kleinsten Einheiten der Sprache, Morphe und
Morpheme, mit ihren kategorialen Zuordnungen und
Selektionseigenschaften auflistet.
Eine Grammatik, die die Regeln für die Kombination dieser
Einheiten zu Wörtern (Morphologie) und Sätzen (Syntax) kodiert.
• Die Grammatik des Deutschen wird bspw. beinhalten, dass ein Verb im
Allgemeinen mit einem Akkusativ-Objekt kombiniert werden kann.
• Im Lexikoneintrag des Verbs ‘helfen’ wird aber festgehalten, dass dies
für dieses Verb nicht gilt.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
• Eine Eigenschaft, in der sich im Deutschen die intransitiven Verben
noch einmal voneinander unterscheiden, ist das Hilfsverb für die
vollendeten Zeitformen.
• Verben wie kommen, gehen, sterben, laufen, folgen etc. verwenden das
Verb ‘sein’, während ansonsten die meisten Verben ‘haben’ verwenden.
• Das korreliert mit anderen Unterschieden:
(34)
a.
b.
c.
Das Taxi traf soeben ein.
Das Taxi ist soeben eingetroffen.
Das soeben eingetroffene Taxi
(35)
a. Das Taxi hupte soeben.
b. Das Taxi hat soeben gehupt.
c. *Das soeben gehupte Taxi.
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
• Bei Verben, die ‘sein’ verwenden, lässt sich das Verb als partizipiales
Adjektiv zu dem Subjekt des Verbs umformen.
• Ds geht bei Verben, die ‘haben’ verwenden, ist diese Umformung nicht
möglich.
• Bei transitiven Verben geht diese Umformung mit dem Akkusativ-Objekt:
(36)
a.
b.
(37)
a.
b.
Maria hat die Kinder beschenkt. (Kinder=Akkusativ-Objekt)
Die beschenkten Kinder
Holger hat den Kindern Bücher geschenkt
(Kinder=Dativ-Objekt)
*Die geschenkten Kinder
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Morphologie und Syntax (BA)
Kasus
Subkategorisierung
• Man nimmt augrund der beobachteten Gemeinsamkeiten mit
Akkusativ-Objekten an, dass Subjekte von ‘sein’-selegierenden Verben
quasi ‘heimliche’ Objekte sind: ‘eintreffen, gehen, kommen’ etc. haben
also demnach kein Subjekt, sondern nur ein Objekt.
• Dass dieses Objekt trotzdem Nominativ bekommt, ist einer anderen
Regel des Deutschen geschuldet: In jedem Satz muss eine NP mit
Nominantiv stehen.
• Dies verschleiert den Unterschied zwischen den beiden Typen
intransitiver Verben.
• Man kann sich dies auch so klarmachen, dass man das transitive Verb
als Normalfall betrachtet und zum Ausgangspunkt nimmt.
• Um ein intransitives Verb zu bilden, hat man dann zwei Möglichkeiten:
• Man lässt das Subjekt weg (‘gehen, kommen, eintreffen . . . ’)
• Man lässt das Objekt weg (‘lachen, husten, singen, hupen . . . ’)
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Morphologie und Syntax (BA)
Verb-Status
Verb-Status
• Verben kommen in finiter und infiniter Form vor.
• Das finite Verb ist die nach Person, Numerus, Tempus, Modus flektierte
Form.
• Infinite Formen kommen im Deutschen in drei Varianten vor, die wir mit
Bech (1957) auch Status nennen können:
Infinitiv sing-en, lach-en, tanz-en etc.
Partizip ge-sung-en, ge-lach-t, ge-tanz-t etc.
zu-Infinitiv zu singen, zu lachen, zu tanzen etc.
• Welchen Status eine Verb-Form annimmt, wird von anderen Verben
bestimmt.
• Bei vollendeten Zeitformen haben wir das Partizip:
(38)
a.
b.
Maria hat/hatte gesungen.
Sonja ist/war eingeschlafen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Verb-Status
Verb-Status
• Den Infinitiv eines Verbs finden wir bei unvollendenten Zeitformen wie
dem Futur, sowie nach Modalverben:
(39)
a.
b.
Herbert wird singen (Futur)
Herbert will/kann/darf singen (Modalverb)
• Der ‘zu’-Infinitiv wird von bestimmten, nicht allen, Verben selegiert.
(40)
a. Er begann zu singen.
b. Er hat vorgeschlagen zu singen.
c. Sie hat mir versprochen zu singen.
d. *sie hat gesagt zu singen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Verb-Status
Morphologie und Syntax
• Wir haben drei syntaktisch, d.h. durch andere Elemente im engeren
oder weiteren sprachlichen Kontext gesteuerte, morphologische
Phänomene betrachtet:
1
2
3
die Kongruenz bei Adjektiven, Artikeln, finiten Verben und
Pronomen,
die Kasus-Zuweisung an Nominal-Phrasen,
die Bestimmung des Verb-Status.
• Bei Kongruenz übernehmen die kongruierenden Elemente
Eigenschaften eines Nomens.
• Bei Kasus-Zuweisung richten sich Nominalphrasen nach den
Selektions-Forderungen ihrer Kasuszuweiser.
• Der Verb-Status wird von Hilfs- und Modalverben (Infinitiv, Partizip) bzw.
lexikalischen Verben (zu-Infinitiv) bestimmt.
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Morphologie und Syntax (BA)
Analytische Konstruktionen
Lücken im Flexionsparadigma
• Wir haben zwischen inhärenter Flexion und Kongruenzflexion
unterschieden.
• Die inhärenten Flexionsmerkmale, die uns hier interessieren, sind . . .
beim Nomen Kasus,
beim Verb Tempus,
beim Adjektiv Komparation.
• Kann es vorkommen, dass eine bestimmte Flexion nicht möglich ist, und
was passiert dann?
• Typischerweise beobachten wir in solchen Fällen den Wechsel von einer
flektierenden zu einer analytischen Konstruktionsweise.
• D.h., wenn ein Morphem fehlt, wird es durch ein Funktionswort ersetzt.
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Morphologie und Syntax (BA)
Analytische Konstruktionen
Komparation bei englischen Adjektiven
• Ein gutes Beispiel ist die Komparation im Englischen.
• Das Suffix ‘-er’ ist nur bei ein- oder zweisilbigen Adjektiven möglich:
(41)
a. fast-er
b. easi-er
c. *intelligent-er
• Dies hat womöglich phonologische oder einfach historische Gründe.
• Um mit Adjektiven wie ‘intelligent’ einen Komparativ zu bilden, wird dann
ein Funktionswort verwendet:
(42)
more intelligent
• Im Deutschen haben wir so eine Beschränkung nicht:
(43)
klein-er, lustig-er, intelligent-er
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Morphologie und Syntax (BA)
Analytische Konstruktionen
Lücken im Flexionsparadigma
• Aber auch im Deutschen wird, wie im Englischen, die analytische
Methode gewählt, wenn ein entsprechendes Suffix nicht zur Verfügung
steht.
• Ein Beispiel ist die ‘negative’ Komparation:
(44)
a.
b.
lustig, weniger lustig, am wenigsten lustig
funny, less funny, the least funny
• Häufig wird auch angenommen, dass Präpositionen Kasusmorpheme
ersetzen.
• So kann man in den folgenden englischen Beispielen to als Realisierung
des Dativ und of als Realisierung des Genitiv auffassen:
(45)
a.
b.
John gave the book to Mary.
The car of my parents is old.
• In analytischen Sprachen wie bspw. dem Japanischen lässt sich ein
Unterschied zwischen Kasus und Präposition nicht gut ziehen, da beide
freie Morpheme sind, die einer Nominalphrase nachgestellt werden.
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Morphologie und Syntax (BA)
Analytische Konstruktionen
Lücken im Flexionsparadigma
• Auch für die Tempus-Flexion des Verbs kennen wir solche analytischen
Konstruktionen.
• Im Englischen gibt es den sogenannten ‘do’-support:
• Unter speziellen syntaktischen Bedingungen muss das Tempus
mittels des Verbs ‘to do’ ausgedrückt werden.
(46)
a.
b.
c.
John went home.
John did’nt go home. (Negation)
Where did John go? (Nicht-Subjekt-Frage)
• Wenn ein Verb aus Gründen der Informationsstrukturierung im Satz
vorangestellt werden soll, müssen wir dies auch im Deutschen so
konstruieren:
(47)
Schlafen tut das Baby immer noch nicht.
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Morphologie und Syntax (BA)
Analytische Konstruktionen
Lücken im Flexionsparadigma
• Auch die Kongruenzflexion kennt solche Reparaturen mittels
zusätzlicher Funktionswörter.
• Ein Beispiel sind Relativpronomen.
• Was uns normalerweise nicht auffällt, ist, dass diese nur in der 3.Person
existieren.
• Wenn wir für einen Relativsatz ein Bezugsnomen in der ersten oder
zweiten Person nehmen, bekomen wir Probleme:
(48)
a. *Du, der hier wohnt, kannst das nicht beurteilen.
b. *Du, der hier wohnst, kannst das nicht beurteilen.
c. Du, der du hier wohnst, kannst das nicht beurteilen.
• Diese Konstruktion ist im Normalfall nicht zulässig:
(49)
*Peter, der er hier wohnt, kann das nicht beurteilen.
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Morphologie und Syntax (BA)
Übungsaufgabe 4
Übungsaufgabe 4
• Worin besteht die Selektionsregularität bei dem Verb in folgenden
Sätzen?
(50)
a. Maria hat sich mit Peter getroffen
b. Maria und Peter haben sich getroffen
c. *Maria hat sich getroffen (im selben Sinne wie in a. und b.)
• Werden der Dativ und die PP in folgenden Sätzen vom Verb selegiert?
(51)
a.
b.
Maria spuckte dem Peter über die Schulter.
Holger backte der Oma einen Kuchen.
(52)
a.
b.
Peter ging mit Olga ins Kino.
Holger erschlug die Fliege mit der Zeitung.
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