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DFP-Literaturstudium
state of the art
AngstErkrankung
1
Obwohl Angsterkrankungen zu den häufigsten Erkrankungen gehören, suchen die Patienten
oft keine professionelle Hilfe. Im medizinischen Setting werden sie auch häufig nicht als
Patienten mit einer Angststörung erkannt. Von Siegfried Kasper und Angela Heiden*
Aktuelle Entwicklungen
Die von den Patienten geschilderten
körperlichen Symptome (Tab. 1)
führen oft zu einer notwendigen somatischen Abklärung zum Ausschluss
einer körperlichen Erkrankung (Tab.
7), jedoch ohne entsprechende weiterführende psychiatrische Behandlung.
Vom amerikanischen Begriff “disorder”
abgeleitet, werden diese Erkrankungen
als Angststörungen bezeichnet. Sie
sollten dem Patienten gegenüber jedoch besser als Angsterkrankungen
dargestellt werden. Während die spezifische Phobie (Angst vor Objekten,
zum Beispiel vor Tieren oder Höhen)
am häufigsten (zehn Prozent) in der
Gesamtbevölkerung vorkommt, führen
die Panikstörung (zwei bis sechs Prozent), die generalisierte Angststörung
(sieben Prozent) und die soziale Phobie
(2,5 Prozent) öfter zur Behandlung. 15
bis 20 Prozent der Patienten, die zum
Hausarzt kommen, leiden an psychischen Störungen; bei mindestens einem
Drittel von ihnen kann eine Angststörung diagnostiziert werden. Charakteristisch ist der Verlauf der Angsterkrankungen im Bezug auf das Lebensalter: Angsterkrankungen beginnen
meist um das 20. Lebensjahr und gehen
später zum Teil in Depressionen über.
Angsterkrankungen und Depressionen
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Körperliche Symptome bei Angststörungen
Kardiovaskulär:
Schmerzen und Druck auf der Brust, Herz: klopfend, stolpernd, rasend;
Missbehagen, Palpitation, beklemmender, beschleunigter Herzschlag
Neurologisch:
Zittern oder Beben
Benommenheit, Schwindel
Gefühl der Unsicherheit, Ohnmachtsgefühl
Taubheit, Kribbelgefühle
"Weiche Knie"
Gastrointestinal:
Schluckbeschwerden
Epigastrische Beschwerden
Übelkeit
Durchfall
Respiratorisch:
Beklemmungsgefühl
Kurzatmigkeit, Erstickungsgefühl
Andere Symptome: Starker Schweiß, Hitzewallungen oder Kälteschauer
Tab. 1
Körperliche/toxische Ursachen von Angstsyndromen*
haben eine hohe Komorbidität, in etwa
60 bis 80 Prozent der Fälle treten beide
gleichzeitig auf.
Krankheitsbilder
Kardiovaskulär: Arrythmien, Hypertonie, Angina pectoris, Myokardinfarkt, Synkope (vielfache Ursachen), Herzklappenfehler, Hypovolämie, Kollaps (Schock)
Diätetisch: Koffeinüberdosierung, Natriumglutamat ("China-Restaurant-Syndrom"), Kombination von irreversiblen Monoaminooxidase-Hemmern (MAO-Hemmer) und tyraminhaltigen Speisen, Vitaminmangelkrankheiten
Medikamentös: Akathisie, Überdosierung von Anticholinergika, Überdosierung von Digitalis-Präparaten, Halluzinogene, Hypotensiva, Stimulantien (Amphetamine, Kokain und verwandte Medikamente), Entzugssyndrome (Alkohol, Sedativa-Hypnotika)
Hämatologisch: Anämien
Unter den in Tab. 2 aufgelisteten
Angsterkrankungen sollen hier die Panikstörung (mit oder ohne Agoraphobie), die generalisierte Angststörung,
die soziale Phobie und die spezifische
(Isolierte) Phobie näher besprochen
werden, da diese wahrscheinlich die
größte praktische Bedeutung haben.
Für die Panikstörung wurden früher
auch die Begriffe episodische paroxysmale Angst sowie Herzphobie beziehungsweise Herzneurose verwendet.
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Immunologisch: Anaphylaxie, systemischer Lupus erythemathodes
Metabolisch: Überfunktion der Nebennieren (Cushing Syndrom), Hyperkalzämie, Hyperkaliämie, Hyperthermie, Hyperthyreose, Hypokalzämie, Hypoglykämie, Hyponatriämie, Hypothyreose, klimakterische Symptome, Porphyrie (akute, intermittierende), Thyreotoxikose
Neurologisch: Enzephalopathie (infektiös, metabolisch und toxisch), essentieller Tremor,
Temporallappenepilepsie, intrakranielle Massenblutung, Schwindel, Syndrom nach Commotio
Respiratorisch: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Pneumonie, Pneumothorax, Lungenödem, Lungenembolie
Sezernierende Tumore: Karzinoid, Insulinom, Phäochromozytom
* nach Rosenbaum 1979
Tab. 7
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© CORBIS INT.
Abb. 1
2
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Leitmerkmale sind Panikattacken
(Angstanfälle), das heißt einzelne Episoden (Dauer meist zwischen einer und
60 Minuten) von intensiver Angst oder
Unbehagen, die selten vollständig, aber
immer mit einem Teil der in Tab. 3 beschriebenen körperlichen Symptome
einhergehen. Die Panikattacken treten
unerwartet und schnell anflutend auf,
das heißt sie steigern sich in ihrer Intensität innerhalb von zehn Minuten,
nachdem das erste Symptom bemerkt
wurde. Um die Diagnose einer Panikstörung nach ICD-10 stellen zu können, müssen innerhalb eines Monats
mehrere
schwere
Panikattacken
(Angstanfälle) mit psychischen und
körperlichen (vegetativen) Symptomen aufgetreten sein.
Die Panikstörung geht meist mit
einer Agoraphobie einher. Diese ist dadurch charakterisiert, dass Situationen
gemieden werden, bei denen eine
Flucht nicht oder nur schlecht möglich
ist. Der lateinische Begriff Agoraphobie
bezeichnet, ausgehend von der angloamerikanischen Literatur, sowohl weite
Plätze als auch enge Situationen (zum
Beispiel Aufzug), wofür früher der Begriff Klaustrophobie verwendet wurde.
Bei einer schwereren Ausprägung einer
Agoraphobie und Panikstörung besteht
eine schlechtere Prognose.
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Wie bei anderen Angsterkrankungen besteht bei der Panikstörung eine
hohe Komorbidität (bis zu 80 Prozent) mit Alkohol- und/oder Medikamentenmissbrauch, im späteren Lebensalter auch mit Depression. Die
generalisierte Angststörung, früher
auch als Angstneurose bezeichnet, ist
nicht durch attackenartige Angstzu-
3
Diagnose* nach ICD-10
F 40
Phobische Störung
F40.0
Agoraphobie
.00 ohne Panikstörung
.01
mit Panikstörung
F40.1
Soziale Phobie
F40.2
Spezifische (isolierte) Phobien
F41
Andere Angststörung
F41.0
Panikstörung
F41.1
Generalisierte Angststörung
F41.2
Angst und depressive Stimmung, gemischt
F42
Zwangsstörung
F42.0
Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang
F42.1
Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
F42.2
Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt
F43
Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
F43.0
Akute Belastungsreaktion
F43.1
Posttraumatische Belastungsstörung
F43.2
Anpassungsstörungen
.20
Angst und depressive Reaktion, gemischt
* Diagnostische Klassifikation der Angststörungen, Zwangsstörung sowie der Reaktionen auf
schwere Belastungen und der Anpassungsstörungen nach ICD-10.
Tab. 2
stände sondern durch gleichmäßig
über den Tag auftretende Angstzustände charakterisiert, die über mehrere Wochen und dabei an den meisten Tagen auftreten. Die generalisierte Angststörung sollte dann diagnostiziert werden, wenn monatelang
andauernde Ängste, Sorgen und Befürchtungen bestehen, die im Zusammenhang mit körperlicher Unruhe,
Schlafstörungen, der Unfähigkeit
sich zu entspannen sowie weiteren
vielfältigen Symptomen wie beispielsweise Schwitzen, Herzrasen,
Magenbeschwerden, Übelkeit, Erstickungsgefühle und Schwindel, stehen (siehe Tab. 4).
Diagnostische Leitlinien der Panikstörung nach ICD-10
Die soziale Phobie wurde früher als
soziale Neurose, Anthropophobie bzw.
Erythrophobie bezeichnet und findet in
der neuen Literatur auch unter dem Begriff soziale Angststörung (SAS) Beachtung. Eine soziale Phobie (siehe
Tab. 5) liegt dann vor, wenn sich die
Symptomatik auf unangemessene
Angst vor prüfender beziehungsweise
potenziell negativer Betrachtung/Bewertung durch andere Menschen bezieht. Die Angst muss auf soziale Situationen beschränkt sein oder darin überwiegen. Zur Diagnosestellung ist des
Weiteren wichtig, dass die phobische
Situation vermieden wird und vegetative Symptome der Angst auftreten,
sowie dass die Symptomatik nicht auf
Wahn- oder Zwangsgedanken zurückzuführen ist.
Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
1) Auftreten von mehreren schweren
Panikattacken (Angstanfällen) mit körperlichen (vegetativen) und psychischen
Symptomen.
2) Zeitkriterium: Die Panikattacken müssen
innerhalb eines Zeitraums von einem
Monat aufgetreten sein.
3) Die Panikattacken treten in Situationen
auf, in denen keine objektive Gefahr besteht.
4) Die Panikattacken sind nicht auf
bekannte oder vorhersagbare Situationen begrenzt.
5) Zwischen den Panikattacken müssen
weitgehend angstfreie Zeiträume liegen
(Erwartungsangst ist jedoch häufig).
6) Spezifische Ausschlussdiagnosen:
Fehlen einer Phobie (insbesondere der
Agoraphobie). Bei Vorliegen einer Agoraphobie hat diese die höhere diagnostische Priorität. Beim Vorliegen einer depressiven Störung sollte eine Panikstörung nicht als Hauptdiagnose erscheinen.
Tab. 3
Man unterscheidet quantitativ und
qualitativ zwei Subtypen: Bei der nichtgeneralisierten Form bestehen die Probleme vorwiegend in sozialen Leistungssituationen, zum Beispiel in der
Öffentlichkeit reden, essen oder trinken. Die Probleme treten in höchstens
zwei Situationen auf. Bei der generalisierten Form ist vorwiegend die soziale
Interaktion betroffen und damit ein
Großteil der Lebensführung. In der Praxis sind etwa 80 bis 90 Prozent der Patienten dem generalisierten Subtyp zu-
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Diagnostische Leitlinien der Generalisierten Angststörung nach ICD-10
Wichtigste Symptome
Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
1) Zeitkriterium: Auftreten von primären Symptomen der Angst an den meisten Tagen,
mindestens mehrere Wochen lang.
2) Symptomatik: In der Regel treten folgende Einzelsymptome auf:
2.1) Befürchtungen (Sorge über zukünftiges Unglück, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten usw.)
2.2) Motorische Spannung (körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern,
Unfähigkeit sich zu entspannen)
2.3) Vegetative Übererregbarkeit (Benommenheit, Schwitzen, Tachykardie oder
Tachypnoe, Oberbauchbeschwerden, Schwindelgefühle, Mundtrockenheit etc.)
3) Spezifische Ausschlussdiagnosen: Es dürfen nicht die vollständigen Kriterien der depressiven Episode (F32), phobischen Störung (F40), Panikstö-rung (F41.0) oder Zwangsstörung (F42) erfüllt sein.
Tab. 4
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zuordnen. Bei der spezifischen (isolierten) Phobie hat der Patient anhaltende
Angst vor einem bestimmten Objekt,
zum Beispiel vor einem Tier oder einer
bestimmten Situation, beispielsweise
vor dem Fliegen. Die Angst vor einer
Panikattacke sollte ausgeschlossen
sein. Dann sollte im Sinn der antizipatorischen Angst die Diagnose einer Panikstörung gestellt werden. In der Literatur wird eine große Anzahl von Termini verwendet, wenn die Phobie auf
verschiedene Objekte bezogen ist, zum
Beispiel Kynophobie (Angst vor Hunden), Ailurophobie (Angst vor Katzen), Akrophobie (Angst vor Höhen),
Aichmophobie (Angst vor spitzen Gegenständen), Brontophobie (Angst vor
Donner), Aquaphobie (Angst vor Wasser). Nach ICD-10 handelt es sich
dabei um eine spezifische (isolierte)
Phobie.
4
Während die amerikanische Literatur die Zwangsstörung ebenso zu den
Angsterkrankungen zählt, ist dies nach
ICD-10 nicht der Fall. Aus Platzgründen wird in dieser Übersichtsarbeit auf
die Zwangsstörung nicht eingegangen.
Dabei tritt das Symptom der Angst auf,
wenn rituelle Handlungen beziehungsweise zwanghafte Gedanken nicht ausgeführt oder gedacht werden können.
Die posttraumatische Belastungsstörung wird sowohl von der amerikanischen Klassifikation (DSM-IV-TR)
als auch von ICD-10 zu den Angststörungen gezählt. Die auftretende Situation folgt dem Trauma mit einer Latenz von Wochen bis Monaten (jedoch
selten länger als sechs Monate). Das
traumatisierende Ereignis muss von
außergewöhnlicher Schwere und für
das Individuum im Lebensplan unvor-
stellbar sein. Es folgen unausweichliche
Erinnerungen oder Wiederinszenierungen des Ereignisses in Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen.
Die Symptomatik besteht sowohl in
emotionalem Rückzug, Gefühlsabstumpfung, vegetativen Störungen,
Vermeidung von Reizen, die eine Wiedererinnerung an das Trauma hervorrufen können sowie in ausgeprägter
Angstsymptomatik. Es besteht die Gefahr der Chronifizierung, dabei geht die
Störung in eine anhaltende Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung
(ICD-10: F62.0) über.
Hauptmerkmale der Angststörungen
sind sowohl psychische als auch körperliche (siehe Tabelle 1) Manifestationen
von Angstsymptomen (siehe Tabelle 6)
sowie
das
Vermeidungsverhalten.
Während bei der Panikstörung und der
generalisierten Angststörung die Angst
das dominierende Symptom darstellt,
herrscht bei den Phobien das Vermeidungsverhalten vor, da bei phobischen
Störungen die Angst bei der Konfrontation mit auslösenden Objekten beziehungsweise Situationen auftritt. Die
körperlichen Symptome bei Angststörungen können unter anderem zu umfangreichen organmedizinischen Abklärungen
führen, die nach der Diagnose einer
Angsterkrankung zwar in einem sinnvollen Ausmaß begonnen aber nicht ausschließlich durchgeführt werden sollten.
Diagnose
Die Diagnose der Angsterkrankungen wird heute nach ICD-10 gestellt.
In Tab. 2 und 3 sind die diagnostischen
Leitlinien nach dieser internationalen
Klassifikation für die Panikstörung und
generalisierte Angststörung zusammengefasst. Dabei müssen die angeführten Kriterien erfüllt sein.
Charakteristika der Sozialen Phobie
1. Kognitiv
Unangemessene Gedanken und Vorstellungen
über soziale Situationen, zum Beispiel: “Mir wird nichts einfallen,
ich bin ein Versager, die anderen werden mich auslachen, etc.”
2. Verhalten
“Einfrieren”, Vermeiden, zum Beispiel: Vermeiden von Blickkontakt,
Schwitzen, Flucht, ungeschicktes Verhalten
3. Körperlich
Tachykardie, Zittern, Kurzatmigkeit, Schwitzen,
Magen-/Darm-Beschwerden;
Muskelverspannungen, Mundtrockenheit, Erröten
Tab. 5
Psychische Symptome bei Angststörungen
Angstsymptome:
Überwältigende Furcht, Schrecken, Angst schlechthin
Angst, zu sterben
Angst, die Kontrolle zu verlieren
Angst, verrückt zu werden
Depersonalisation: Gefühl, vom Körper losgelöst zu sein oder weg vom Körper zu
schweben
Derealisation:
Alles erscheint unwirklich, verändert, wie im Traum oder wie ein
Albtraum
Tab. 6
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Differenzialdiagnose
Die psychiatrische Differenzialdiagnose der Angsterkrankungen besteht
gegenüber den verschiedenen Angsterkrankungen selbst und gegenüber anderen psychiatrischen Erkrankungen. Es
stellt sich dabei am häufigsten die Differenzialdiagnostik von Depression und
Angst. Während bei der Depression
vorwiegend die Angst vor der Zukunft
im Vordergrund steht, ist bei der Panikstörung die Angstattacke beziehungsweise die Angst vor der Angst (antizipatorische Angst), bei der generalisierten Angststörung die anhaltende
Angstsymptomatik und bei der speziellen Phobie die Angst vor einem speziellen Objekt von diagnostischer Bedeutung. Die in der Praxis wichtigen Fragen zur Erkennung der verschiedenen
Angsterkrankungen sind in Tab. 8 angeführt.
Therapie
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Es stehen sowohl pharmakologische
als auch nicht-pharmakologische Methoden für die Behandlung der Angststörungen zur Verfügung. Bei der Panikstörung, der generalisierten Angststörung und der sozialen Phobie konnten sowohl mit pharmakologischen als
auch mit nicht-pharmakologischen
Methoden (sinnvollerweise in Kombination) gute Erfolge erzielt werden. Bei
der Behandlung einer spezifischen Phobie haben sich vor allem nicht-pharmakologische Behandlungsmethoden bewährt.
5
Bei den nicht-pharmakologischen
Therapien stehen neben der besonders
wichtigen pädagogischen Aufklärung
über Art und Natur der Erkrankung
sowie der Beratung zum Lebensstil (zum
Beispiel Verzicht auf Koffein, ausreichende körperliche Betätigung und Ein-
Medikamentöse Behandlung bei Angststörungen
Substanz
Benzodiazepine
Alprazolam
Chlordiazepoxid
Clonazepam
Diazepam
Lorazepam
Oxazepam
Dosierung
Anfang der Therapie (mg)
Tagesdosierung
nach Einstellung1(mg)
0.25 - 0.5
5
0.5 - 1
2
1
10
0.75 - 10
15 - 100
1-8
4 - 40
2-6
30 - 40
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)
Escitalopram
5 - 10
Citalopram
10 - 20
Fluoxetin
10 - 20
Fluvoxamin
25 - 50
Paroxetin
10 - 20
Sertralin
25 - 50
10 - 20
20 - 40
20
100 - 150
20 - 40
50 - 100
Duale Antidepressiva
Venlafaxin
100 - 300
50-100
Non-Benzodiazepin Anxiolytikum
Buspiron
5 - 10
15 - 60
Trizyklische Antidepressiva
Clomipramin2
Imipramin
25 - 50
25 - 50
75 - 300
75 - 300
150
300 - 600
10
10 - 40
Rima
Moclobemid
Betablocker
Propanolol
1 ... bei einigen Patienten kann auch eine höhere Dosierung notwendig sein
2 ... Clomipramin ist auch ein potenter Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
RIMA = Reversible Hemmer der Monoaminooxidase A
Tab. 9
haltung ausgewogener Ruhephasen)
spezifische psychotherapeutische Verfahren zur Verfügung. Die besten Daten
liegen zur Verhaltenstherapie vor.
Dabei werden spezifische Verhaltensmuster im Rahmen einer strukturierten, aufgabenorientierten und normalerweise kurzzeitigen Therapie
durch systematische Desensibilisierung
(in sensu Konfrontation, in vivo Konfrontation und Entspannungsverfahren) angewandt.
Beispielfragen zur Erkennung verschiedener Angsterkrankungen
Soziale Phobie: “Fürchten oder vermeiden Sie bestimmte Situationen, in denen Sie von
anderen Menschen beobachtet oder bewertet werden könnten, wie zum Beispiel öffentliches Sprechen, Zusammenkünfte, Partys oder Gespräche?”
Spezifische Phobie: “Gibt es bestimmte Dinge oder Situationen, die Sie fürchten oder vermeiden, wie zum Beispiel Höhen oder manche Tiere?”
Panikstörung (Agoraphobie): “Leiden Sie manchmal unter plötzlichen und unerwarteten
Angstanfällen, ohne dass eine tatsächliche Bedrohung vorliegt?”
Generalisierte Angststörung: “Ist die Angst den ganzen Tag über da, können Sie sich
davon nicht entspannen?”
Tab. 8
Der kognitiven Therapie liegt die
Überlegung zugrunde, dass das Leiden
der Patienten hauptsächlich auf fehlangepasste, übergeneralisierte, unstabile
kognitive Muster oder Denkprozesse
zurückgeführt werden kann, sodass der
Therapeut dem Patienten hilft, seine
unangepasste Sicht zu korrigieren und
eine angemessenere Einstellung bezüglich der gefürchteten Situation aufzubauen.
Bei den tiefenpsychologisch (analytisch) orientierten psychotherapeutischen Verfahren werden die Grundzüge menschlichen Verhaltens untersucht und dadurch dem Patienten
Einsicht in seine Probleme ermöglicht mit dem Ziel, das Verhalten
nach Lösung dieser Problematik zu
verändern. Als begleitende Methode
zur Verhaltenstherapie bzw. kognitiven Therapie können Entspannungsübungen, wie zum Beispiel die progressive Muskelentspannung, angewandt werden.
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DFP-Literaturstudium
Da Patienten mit Angststörungen
sehr sensibel auf allfällige Nebenwirkungen reagieren, sollte am Anfang
einer Therapie langsam einschleichend
dosiert werden. Bei einer stark ausgeprägten Angstsymptomatik kann es
notwendig sein, anfangs auch das Benzodiazepin Alprazolam in der Dosierung
von 2-6 mg zuzugeben. Zu einem späteren Zeitpunkt ist jedoch ein graduelles
Absetzen dieser Medikation empfehlenswert. Die Behandlung von Angststörungen ist eine Langzeitbehandlung,
ähnlich wie die eines Hypertonus. Die
wenigen diesbezüglich durchgeführten
pharmakologischen Untersuchungen
lassen einen guten Effekt auch über
einen längeren Zeitraum erkennen. Patienten sollten in derselben Dosierung
weiterbehandelt werden, mit der die
Remission erzielt wurde, mit der Ausnahme, dass Medikamente aus der Benzodiazepin-Reihe graduell und langsam
reduziert werden sollten. Ein Absetzen
der psychopharmakologischen Medikation ist nur dann gerechtfertigt, wenn
sich sowohl die Angstsymptomatik als
auch die bestehende Komorbidität
(meist Depression oder Medikamenten-/Alkoholabusus) und die antizipatorische Angst vollständig zurückgebildet
sowie das allgemeine Befinden stabilisiert haben. Der Patient sollte über den
Zeitraum von mindestens einem Jahr
frei von psychischen und körperlichen
Symptomen der Angst und ohne Vermeidungsverhalten gelebt haben.
Wichtigste Fallgruben
• Angsterkrankungen sind seltene
Erkrankungen: Angsterkrankungen
treten sehr häufig auf (etwa 15 Prozent Lebenszeitprävalenz der Bevölkerung).
• Mit einer Angstsymptomatik muss
man leben, sie ist Teil der Persönlichkeit: Die vorhandenen psychopharmakologischen und psychotherapeu-
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tischen Methoden zeigen eine gute
Behandelbarkeit dieser Erkrankungen.
• Depression hat eine höhere Wertigkeit als Angsterkrankungen: Sollte
beim Patienten sowohl eine Depression als auch eine Angsterkrankung diagnostiziert werden, bedeutet dies, dass
die Patienten eine höhere Suizidalität
aufweisen können und insgesamt einen
langsameren Genesungsprozess haben.
• Angststörungen unterscheiden sich
in demographischen Bereichen:
Angststörungen lassen keine Unterschiede hinsichtlich Einkommen, Bildung, Rasse sowie ländlichem versus
städtischem Lebensraum erkennen.
*) O. Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. Siegfried Kasper, Dr. Angela
Heiden; Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie/Medizinische
Universität Wien, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien;
Tel. 01/40 400/35 68; Fax-DW 30 99; e-mail: [email protected]
Lecture Board: Univ. Prof. Dr. Hans Peter Kapfhammer,
Universitätsklinik für Psychiatrie/Graz; Univ. Prof. Dr. Harald Schubert, LKH für Psychiatrie und Neurologie/Hall in Tirol; Univ. Prof. Dr.
Johannes Tauscher, Universitätsklinik für Psychiatrie/Wien;
Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB)
Diesen Artikel finden Sie auch im Web
unter www.arztakademie.at
DFP - Fragebogen siehe Seite 42!
state of the art
Eine richtig verordnete Medikation
kann in vielen Fällen eine Angstsymptomatik lindern und eine Psychotherapie oder eine andere nicht-pharmakologische Behandlung verbessern. Eine
medikamentöse Behandlung (Tab. 9)
sollte daher als eine mögliche Komponente im Rahmen eines umfassenden
biopsychosozialen Behandlungsansatzes
angesehen werden, der auch eine unterstützende Beratung hinsichtlich der
Umstellung der Lebensart, Psychotherapie oder anderer entsprechender
Maßnahmen beinhalten kann.
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