Viele Wege, ein Ziel? Molekulare Diagnostik für eine individualisierte Therapie des Mammakarzinoms Mammaplus®: Die praktische Umsetzung einer 14-Gen-Signatur für die Prädiktion der Therapie bei nodal-negativen Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinomen Oktober 2010 1 Viele Wege, ein Ziel? – Molekulare Diagnostik für eine individualisierte Therapie des Mammakarzinoms Das Mammakarzinom ist eine Tumorerkrankung von sehr unterschiedlichem klinischen Ausgang und Ansprechen auf die Chemotherapie. Die Therapieentscheidung ist deshalb oft schwierig und findet im Spannungsfeld zwischen den existierenden Leitlinien einerseits, den aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen und der ärztlichen Entscheidungsfreiheit andererseits statt. Konsens ist jedoch, dass für jede Frau mit einem invasiven Mammakarzinom eine an ihre individuelle Tumorbiologie angepasste adjuvante systemische Therapie in Betracht gezogen und mit ihr diskutiert werden soll (Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Deutsche Krebsgesellschaft 2008). Einen wichtigen Beitrag diesen Grundsatz zu verfolgen und zu objektivieren liefert die molekulare Diagnostik. Die Bestimmung des Östrogenrezeptors wurde schon vor Jahrzehnten in die klinische Praxis eingeführt. Obwohl er das höchste Niveau der klinischen Evidenz aufgrund von Daten aus Langzeitstudien erreicht hat, stellt er jedoch nur einen Parameter in dem komplexen System „Tumor“ dar. Er ist deshalb in seinem prädiktiven Wert begrenzt. Es sprechen ca. 25-30% der ER+ Tumoren nicht auf die allgemein akzeptierte Anti-Hormon-Therapie an, auch wenn zusätzlich der Progesteronrezeptor als Funktionsparameter bestimmt wird. 2 In den letzten Jahren haben einige Studien gezeigt, dass über die Quantifizierung der mRNA der Gene eines Tumors mithilfe von Microarrays sogenannte GenSignaturen ermittelt werden konnten, die aus 80 und mehr Parametern bestehen, sodass die Biologie eines individuellen Tumors besser beschrieben und damit die prognostische Einschätzung sowie die Therapieprädiktion verbessert werden könnten. Die Umsetzung in den Kliniken blieb bislang jedoch weitestgehend aus, da es nicht möglich war, eine Gen-Signatur zu bestimmen, die den klinischen Anforderungen an den prädiktiven Wert, die Durchführbarkeit im Routinebetrieb und den finanziellen Aufwand genügt hätte. Dazu kommen methodische Vorbehalte, die sich daraus ergeben, dass die Array-gestützten Tests schwer standardisierbar und die Genexpression nicht absolut quantifizierbar sind. Darüber hinaus stellt die Gewinnung des Untersuchungs-Materials hohe Anforderungen an technische Einrichtungen (Kühlkapazität bei < -70°C), die in vielen Kliniken nicht verfügbar sind. Es wurden deshalb 225 Gene der publizierten Signaturen in einem real-time RTPCR Testformat an Paraffin-eingebettetem Formalin-fixierten Gewebe quantitativ bestimmbar gemacht. Die Kalibrierung für eine absolute Quantifizierung findet mithilfe der UHR RNA statt. Ein umfangreiches Screening für Housekeeping-Gene führte zu einer Standardisierung über den Expressionsmittelwert von 3 Genen. In Kooperation mit Kliniken in USA, Großbritannien und Deutschland wurden Tumoren mit positivem Östrogenrezeptor-Status von nodal-negativen Mammakarzinomen der Stadien I und II (Tumorgröße < 2 cm) untersucht. Es wurde dabei eine Gen-Signatur von lediglich 14 Genen (Mammaplus ) ermittelt, 3 die im statistischen Vergleich mit den etablierten Prognosefaktoren signifikant mit dem metastasenfreien Intervall der Patientinnen korreliert war. Grundlage für die Klassifizierung der Patienten ist dabei ein Metastasierungsscore (MS), der sich aus der Summe der delta-delta Ct-Werte ( Gene ergibt (MS = 14 Gi) der quantitativen PCR der 14 Gi ). i 1 Der MS stellt eine kontinuierliche Größe dar, mit der das Metastasierungsrisiko eines individuellen Patienten abschätzbar wird (siehe Abbildung 1). Zehn der 14 Gene sind in Pathways zu finden, die mit dem für die Zellzykluskontrolle wichtigen p53 assoziiert sind. Ein Vergleich mit dem Ki67-Labeling Index (Ki67-LI) ergab, dass die Mammaplus -Signatur, das Ansprechen auf die antiproliferative Therapie mit dem klinisch-etablierten Östrogenantagonisten Tamoxifen einzig signifikant beschreibt und die Treffsicherheit der Therapieentscheidung verbessern kann (Tutt et al. 2008). Da die empfohlene Dauer der Tamoxifen-Therapie 5 Jahre beträgt, ist es darüber hinaus sinnvoll aus archiviertem Material auch Jahre nach der Operation eine Bestimmung durchzuführen, um eine Therapieänderung durchzuführen oder vorzeitig die Therapie abzubrechen. Bei den Studien wurde eine immer wichtiger werdende Besonderheit des Mammaplus herausgearbeitet. Mammaplus erlaubt eine bessere prognostische Klassifizierung von Tumoren in frühen Stadien mit einem pathologisch guten Differenzierungsgrad (G1 und G2). Mammaplus ermöglicht, unter ihnen eine Subgruppe zu finden, die trotz dieser Eigenschaften eine äußerst schlechte Prognose hat. G1/G2-Tumoren mit einem MS > -12 haben ein um über 600% gesteigertes Risiko eine Metastase in den ersten 5-Jahren nach Operation zu bekommen als der Durchschnitt aller Patientinnen mit G1/G2-Tumoren ohne 4 Lymphknotenbefall. Ein MS von < -45 stellt dagegen nahezu das Risiko Null dar (Abbildung 1). Abbildung 1: Wahrscheinlichkeit des 5- (blau) und 10-Jahres-Metastasen-freien Überlebens (distant metastasis-free survival, DMFS) nach Mammakarzinom im Verhältnis zum MS (Metastasis Score) (nach Tutt et al. 2008) Die Erfassung der Funktion von p53 und der Proliferation des Tumors ermöglicht aber auch eine Therapie-Prädiktion bei hochproliferativen Mammakarzinomen, wie dem sogenannten Basalzell-Phänotyp, auch als „triple-negatives“ Mammakarzinom (ER-, PgR-, HER2-) bezeichnet, der aggressiv behandelt werden muss. Um eine klinische Anwendung zu erleichtern, wurden Grenzwerte für den MS ermittelt und letzterer wird ohne negatives Vorzeichen ausgegeben. Bei einem (-)MS > 20,6 spricht man von einem niedrigen Risiko (grün), zwischen 20,6 und 11,8 von einem intermediären (gelb) und ab < 11,8 (rot) von einen hohen Risiko (Abbildung 2). 5 Abbildung 2: Beispiel für eine individuelle Risikoabschätzung mit dem (-)MS Die Umsetzung im Labor wird durch den Qualitäts- und arbeitstechnischen Vorteil erleichtert (OneTube-Reaction, Verwendung spezifischer Primer, kurze PCR-Produkte, Verwendung eines Aptamers). Alle molekularen Parameter werden nunmehr mit einem einzigen analytischen System (qPCR) aus einer Tumorgewebeprobe bestimmt. Bestehende Kompatibilitätsprobleme, wie sie zwischen verschiedenen Antikörpern in der Immunhistochemie oder durch verschiedene DNA-Sonden auf den Arrays auftreten können, werden vermieden. Dazu kommt, dass die Qualität der Bestimmungsmethode durch eine Vielzahl von internen Kontrollen sehr gut und objektiv überwacht wird (Übereinstimmung der Replikate, Maximum der Schmelzkurve, CT-Werte des Standards, Steigung der Amplifikationskurven, Negativkontrollen, Housekeeping-Gene). Die praktische Umsetzung der 14-Gensignatur für die Prädiktion der Therapie des nodal-negativen Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms Obwohl die Studiendaten einen schon erheblichen Umfang erreicht haben und die Reproduzierbarkeit der Methode als gesichert angesehen werden kann, ist die Schwelle zur Einführung in die klinische Routine relativ hoch. Wir schlagen deshalb vor, die Abschätzung der Prognose und Therapiewahl unter Einbe- 6 ziehung der etablierten klinischen und histopathologischen Prognose-Parameter zu machen. Diese werden ohnehin aufgrund von Leitlinienvorgaben bestimmt (S3) und geben dem Kliniker Sicherheit in der Entscheidung, da er von bekannten Parametern ausgehen kann. Die Mammaplus -Signatur erlaubt dann die Feinadjustierung in den 40 bis 60% der Fälle, in denen aufgrund von bekannten Parametern keine eindeutige Zuordnung zu einer Therapiegruppe gemacht werden kann. Bei einem Preis von ca. 500,- Euro lässt sich Mammaplus im Vergleich zu anderen kommerziell erhältlichen Gen-Signaturen (z.B. OncoType Dx™) wesentlich ökonomischer einsetzen. Literatur: Deutsche Krebsgesellschaft, Informationszentrum für Standards in der Onkologie Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms 1. Aktualisierung. Zuckschwerdt 2008 Tutt A, Wang A, Rowland C, Gillett C, Lau K, Chew K, Dai H, Kwok S, Ryder K, Shu H, Springall R, Cane P, McCallie B, Kam-Morgan L, Anderson S, Buerger H, Gray J, Bennington J, Esserman L, Hastie T, Broder S, Sninsky J, Brandt B, Waldman F. Risk estimation of distant metastasis in node-negative, estrogen receptor-positive breast cancer patients using an RT-PCR based prognostic expression signature. BMC Cancer. 2008 Nov 21;8(1):339. Bertucci F, Birnbaum D. Distant metastasis: not out of reach any more. Journal of Biology 2009, 8:28 7