Lebensmittelpunkt Straße

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Universität Vechta
Band 4
Online - Schriftenreihe zur Sozialen Arbeit
Hochschule Ve
Hans-Jochen Steinhagen
Lebensmittelpunkt Straße –
Sozialräumliche Perspektiven auf Straßenszenen und
deren Kontrolle
VVSWF
Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung
Universität Vechta
Band 4
Online - Schriftenreihe zur Sozialen Arbeit
Hans-Jochen Steinhagen
ist Sozialarbeiter (M.A.) und arbeitet seit 2007 im Bereich der
Wohnungslosenhilfe und der gesetzlichen Betreuung bei dem
SKM Vechta e.V. Während des Studiums an der Universität
Vechta beschäftigte er sich wesentlich mit Raumbildung und
Raumkontrolle, sowie mit der Verdrängung von sozialen
Randgruppen aus urbanem Raum.
Die Onlineveröffentlichung wurde als Abschlussarbeit im
Masterstudiengang Social Work eingereicht.
VVSWF
ISBN 978-3-937870-17-2
Lebensmittelpunkt Straße – Sozialräumliche Perspektiven auf
Straßenszenen und deren Kontrolle
Hans-Jochen Steinhagen
Vechta 2011
Die Online - Schriftenreihe zur Sozialen Arbeit wird herausgegeben von:
Prof. Dr. Klaus-Dieter Scheer, war bis März 2011 Universitätsprofessor (Pädagogik und
Sozialpädagogik) am Institut für Erziehungswissenschaft der Hochschule Vechta
Detlev Lindau-Bank, Dipl.-Päd., Dipl.-Sozpäd., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
Erziehungswissenschaft der Hochschule Vechta
Autor:
Hans-Jochen Steinhagen, M.A. Social Work, arbeitet seit 2007 im Bereich der Wohnungslosenhilfe
und der gesetzlichen Betreuung bei dem SKM Vechta e.V.
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Hans-Jochen Steinhagen: Lebensmittelpunkt Straße – Sozialräumliche Perspektiven auf
Straßenszenen und deren Kontrolle
Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung, 2011
ISBN 978–3–937870–17-2
Alle Rechte vorbehalten.
 2011 by VVSWF – Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den
gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Umschlaggestaltung: Lindau-Bank
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Raum, Individuum und Öffentlichkeit
3
2.1 Zum (Sozial-) Raumbegriff
3
2.2 Raum und Orte
9
2.3 Atmosphäre – unsichtbarer Raum
12
2.4 Einfluss sozialer Ungleichheit auf Raum
14
3 Stadträume und Öffentlichkeit
17
3.1 Öffentliche Stadträume – eine Annährung
17
3.2 Raum, Norm und Individualisierung
20
3.3 Neuorientierung der Städte
22
3.4 Standortpolitik und Segregation
25
4 Exklusion, Szenen und die Bedeutung zentraler Orte
27
4.1 Ungleichheit und Exklusion
27
4.2 Szenen, Teilhabe und das Gefühl von Gemeinschaft
29
4.3 Lebensmittelpunkt Straße
31
5 Kriminalitätsfurcht, Überwachung und Kontrolle
34
5.1 Sicherheitsgefühl in urbanen Räumen
34
5.2 Ideologische Legitimierung von Kontrollen und Verboten
36
5.2.1 Das Konstrukt der Kriminalität
36
5.2.2 Gefährliche Gruppen und Personen
38
5.3 Rechtliches zum Aufenthalt in öffentlichem Raum
40
5.4 Rechtliches zum Aufenthalt in und auf Bahnhöfen
41
5.5 Platzverweis – zu Techniken und Strategien der Räumung
43
5.6 Straßenszenen als Störer im öffentlichen Raum
46
6 Umlenkung statt Vertreibung?
47
7 Abschlussbetrachtung
50
8 Literaturangaben
52
1 Einleitung
Raum als eine grundlegende Dimension von Handeln, Verhalten und Normen fand innerhalb
der Sozialwissenschaften über eine lange Zeit nur wenig Berücksichtigung. Vielmehr wurde
‚Raum‘ als das Territorium oder Umgebung - im Sinne der Geographie bzw. auch der stadtplanerischen Vorstellungen – für das soziale Miteinander betrachtet. Die Vorstellung von
Raum wurde also über andere Kategorien vermittelt. Als Beispiele ließen sich staatliche
Grenzen, Gemeinden oder Städte anführen. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die ‚Chicagoer Schule‘, eine Art Vorläufer der heutigen Stadtsoziologie, welcher
die weiteren Forschungen und Ansätze beeinflusste und einen Wandel in der Betrachtung von
Raum auslöste. Die Epoche in der wir heute leben, bezeichnet Foucault bereits 1967 als „(…)
die Epoche des Raumes“ (Foucault, zit. nach Wentz, 65). Da die vorliegende Arbeit sich mit
Straßenszenen, bzw. deren Kontrolle im urbanen Raum beschäftigt, soll daher auch im ersten
Teil der (Sozial-) Raumbegriff nochmals näher erläutert werden, da menschliches Handeln in
diesen Räumen stattfindet. Dabei stellt sich im ersten Teil die Frage, wie sozialer Raum entsteht, welche Auswirkungen er auf das Individuum hat, wie er angeeignet werden kann und
wie Stadträume strukturiert und verschoben werden.
Der Hauptteil wird sich jedoch schwerpunktmäßig mit ‚Randgruppen‘ als Nutzern urbaner
sozialer Räume und deren Verdrängung und Kontrolle beschäftigen, da kommunale Sozialpolitik auch in Deutschland mittlerweile weniger hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe, sondern eher im Sinne von Ordnung und innerer Sicherheit agiert. Seit New York auf
sinkende Kriminalitätsraten verweisen kann, ist es zu einem Beispiel erfolgreicher Kriminalitätsbekämpfung und Ordnungseinhaltung geworden. Der Unordnung wurde im Sinne des
‚Broken Windows‘ Ansatzes quasi der Krieg erklärt und somit Randgruppen - welche ihren
Lebensmittelpunkt auf der Straße haben - entfernt. Die Maßnahmen sind recht einfach gestrickt: Videoüberwachung, Erlass von Richtlinien und Verboten, verstärkte Kontrollen, eine
‚zero tolerance‘-Haltung, Vertreibung und Verdrängung. Dass dabei anderenorts die Kriminalitätsraten steigen, wird dabei ungern veröffentlicht. New York oder London scheinen in
diesem Sinne eine Vorbildfunktion für den bundesdeutschen Raum zu haben, da auch hier
mehr und mehr Überwachung und Verdrängung zu beobachten ist. Sicherheitsmaßnahmen,
Kontrolle und Überwachung öffentlichen Raumes zur Verhinderung von Kriminalität sind
auch in Deutschland Themen, über welche vermehrt diskutiert wird. Zudem wurden die Innenstädte wiederentdeckt und nach und nach zu Konsum- und Erlebniswelten umgestaltet. In
den USA hat diese Wandlung schon früher begonnen und dort ist es auch hinlänglich bekannt,
dass ‚verwahrloste Randgruppen‘ - gerade jene, welche ihren Lebensmittelpunkt im öffentli1
chen Raum haben – aus den Innenstadtbereichen vertrieben werden. Auch Privatisierungen
von öffentlichen Bereichen und der Einsatz privater Sicherheitsdienste sind Parallelen, welche
sich in einem Vergleich von Deutschland und den USA finden lassen. Eine direkte Übertragung des repressiven Umganges mit Randgruppen in den USA auf Deutschland ist zwar nicht
möglich, jedoch soll diese Arbeit darstellen, warum und inwiefern Sicherheit und Ordnung
auch in Deutschland zu einem stadt-strukturierenden Merkmal geworden sind, wie sich die
Gestaltung und Nutzung öffentlichen Raums gewandelt hat und wie soziale Probleme auf
diese Art und Weise gewissermaßen entsorgt werden. Diese Arbeit soll einerseits einen Einblick in herrschende Strukturen geben, deren Weiterentwicklung absehbar, der Ausgang aber
nicht entschieden ist, andererseits aber auch Alternativen hervorheben, welche jedoch auch
kritisch hinterfragt werden müssen.
2
2 Raum, Individuum und Öffentlichkeit
Mit der Verwendung des Begriffes ‚Raum‘ entstehen verschiedene Vorstellungen und Assoziationen, er weist also eine hohe Variabilität der Bedeutungen auf und „(…) oszilliert damit
zwischen dem konkreten, materiellen Ausschnitt der Erdoberfläche, dem relationalen Raumbegriff sowie gesellschaftswissenschaftlichen Raumkonzepten“ (Blotevogel, zit. nach Klamt,
29). Aufgrund der großen Anzahl der verschiedenen Raumkonzepte soll daher folgend nur auf
die für diese Arbeit wichtigsten Konzepte eingegangen werden, da erst über ein näher zu Erläuterndes Raumverständnis zu einem angemessener Begriff – auch hinsichtlich von Normen,
Verhalten und der Kontrolle - von sozialem und öffentlichem Raum gelangt werden kann.
2.1 Zum (Sozial-) Raumbegriff
Die Einsicht, dass menschliches Handeln immer räumlich stattfindet, galt lange als so selbstverständlich, dass eine weitere Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage, was mit ‚Raum‘
gemeint ist und was diesen ausmacht, gar nicht stattfand.
Als Auslöser einer neuen Diskussion um Raumsoziologie gilt Henri Lefêbvre, welcher
mit dem Werk ‚La production de l’espace‘ die Beschäftigung mit einem relationalen Raumbegriff wieder aufgenommen hat. Im Gegensatz zum absoluten Raumbegriff, nach welchem
der Raum „(…) aufgrund seiner Natur ohne Beziehung zu irgendetwas außer ihm existiert,
(…) immer gleich und unbeweglich (…)“ (Newton, zit. nach Löw, 25) ist, bildet sich Raum
nach Henri Lefêbvres Reflexion aus folgenden drei Dimensionen (vgl. Lefêbvre, 38).
-
räumlicher Praxis (spatial practise); der Raumproduktion durch Wahrnehmung
-
Repräsentation von Raum, (representation of space); der kognitiven Raumentwicklung, also beispielsweise durch Planer/innen
-
Repräsentationsraum (representational space); Raumbildung durch Symbolisierungen
und Zuschreibungen
Lefêbvre versteht dabei unter räumlicher Praxis eine allgemeine Wahrnehmung von Räumen
und Verhaltensweisen, eine durch Gewohnheiten und Wege abgesicherte Praxis von Raumherstellung und Reproduktion, sowie das Erleben der Räume. Diese Praxis wird aber durch
die Repräsentation von Raum beeinflusst. Darunter lässt sich der konzeptualisierte Raum verstehen, der Raum also, welcher durch Planer/innen, Techniker/innen, Architekten/innen, etc.
gestaltet wird. Es ist der geplante Raum, der durch Darstellung und Pläne lesbar gemacht
wird. Dieser Teil von ‚Raum‘ ist jener, der zumeist von den Wissenschaften – beispielsweise
3
der Geografie – aufgegriffen wird und worauf diese sich beziehen. Weiterhin wird die räumliche Praxis vom Repräsentationsraum durchdrungen bzw. (vor-) strukturiert.
„The user’s space is lived – not represented (or conceived)“ (ebd., 362). Das Handeln und
Verhalten im ‚gelebten Raum’, im ‚Repräsentationsraum‘, ist dabei aber von Wiederholungen
und Entzweiung geprägt. Die räumliche Ordnung wiederholt sich in der gelebten Praxis.
Lefêbvre betont hier als Ergänzung die Bedeutung von Symbolen für die Raumbestimmung.
Er bezieht den Repräsentationsraum auf Bilder und Symbole, „(…) die die räumlichen Praktiken und das Gedachte ergänzen. Es können die wiederständigen Räume der KünstlerInnen
sein oder mythische Raumbilder. Es sind Impulse und Imaginationen, die eine Ahnung (…)
vom Raum aufscheinen lassen, vielfach transportiert über körperliches Empfinden und sinnliche Wahrnehmung (…)“(Löw/ Sturm, in: Kessl, 37).
Lefêbvre wendet sich klar gegen die Vorstellung von Raum als Behälter, der gefüllt werden
kann, wobei sich Inhalt und Hülle nicht beeinflussen. Es sollen nicht die Dinge im Raum,
sondern der Raum selbst beschrieben werden (vgl. Lefêbvre, 89). Er entwickelt dabei jedoch
mehr eine Vorstellung davon, was Raum nicht ist. Raum ist kein Ding, ist nicht homogen und
nicht leer. Mehr als eine Annährung lässt sich in vielen Fällen jedoch nicht feststellen. Jedoch
muss anerkannt werden, dass er den absoluten Raumbegriff angreift und er eine Raumvorstellung entwickelte, welche bereits vieles aufgegriffen hat, was heute ein fester Bestandteil in
den Sozialwissenschaften ist. Letztlich konnten seine Vorstellungen jedoch nicht in einem
klaren Entwurf enden, da seine Raumvorstellung in Verbindung mit kapitalistisch entfremdeter Abstraktion Probleme aufwirft, auf welche in dem Rahmen dieser Arbeit aber nicht weiter
eingegangen werden kann. Vermischte Vorstellungen von „Raum als Basis der Handlung
(…), die wieder an die Ideen vom starren Hintergrundraum anknüpfen (… und …) konzeptionelle Vorstellungen von räumlichen Netzwerken und Feldern (…)“ (Löw/Sturm, in: Kessl,
38) lassen die Vermutung zu, dass Lefêbvre mit unterschiedlichen Begriffen arbeitet. Einerseits beschreibt er Räume, auf denen Räume entstehen, andererseits Räume, die im Raum
entstehen (ebd.). In den räumlichen Praxen wird der Raum als ein Mittel zur Verfolgung von
bestimmten Zwecken eingesetzt. Straßen, um sie zu befahren, Landschaft zum anschauen
oder spazieren gehen, staatliche Grenzen zum Macht ausüben. Eben das gilt auch für den
symbolischen Bezug. Heimat, um auf Zugehörigkeit zu verweisen, die ‚Achse des Bösen‘ um
kriegerische Handlungen zu legitimieren, usw. Der „(…) Raum ist nur Medium, Umgebung
und Mittel, Werkzeug und Zwischenstufe. (…) Er existiert niemals ‚an sich‘, sondern verweist auf ein Anderes“ (Lefêbvre, zit. nach Belina 2006, 28). Dieses Andere ist aber für
Lefêbvre nicht – wie vielleicht zu erwarten wäre – die Gesellschaft, sondern die Zeit. Das
4
Zitat muss aber im Sinne von marxistischer Diskussion interpretiert werden. Damit steht
‚Zeit‘ vermutlich eher für die gesellschaftliche Entwicklung in einer Zeit. Auch Manuel Castells als Kritiker Lefêbvres ist sich mit ihm aber darüber einig, dass ‚Raum‘ nur aus dem Sozialen heraus zu betrachten ist (vgl. Belina 2000, 28f).
Im Sinne von relativer Raumvorstellung ist die Begrifflichkeit Raum also kaum auszufüllen.
Je nach eingenommenem Blickwinkel verändern sich die möglichen Verortungen. „Ein Raum
entsteht, wenn eine Unterscheidung getroffen wird. Allerdings, (…) entsteht dieser Raum
nicht als der abgegrenzte Raum der Unterscheidung, sondern als diese Abgrenzung und die
Voraussetzung dieser Abgrenzung. Ein Raum ist immer schon ein Raum in Räumen, doch die
Orientierung in diesen Räumen ist nur möglich aus jeweils einem Raum heraus. Das ist die
Bedingung dafür, zum einen jede Unterscheidung als Grenze zu denken und im Hinblick auf
ihre beiden Seiten beobachten zu können, dass man diese Beobachtungen nur vornehmen
kann, wenn man (ein Bewusstsein, eine Kommunikation, (…)) seinerseits eine Unterscheidung trifft, das heißt einen Raum abgrenzt und besetzt“ (Baecker, 81f). Die insgesamt sehr
vielfältige Rede von und über Raum in Studien und politischen Programmen weist auf Veränderungen von Erfahrungskontexten hin. Die Ordnungen des Räumlichen werden anders erfahren und bilden keine bestimmenden Gegebenheiten. Der Begriff Räumlichkeit lässt sich als
eine Markierung deuten, welche darauf hinweist, dass Räume Ergebnisse von sozialen Praktiken sind und Raum keineswegs nur Gebäude, Straßen, Plätze, die Gestaltung und Ordnung
umfassen kann. Auch die Veränderung oder Neuordnung dieser genannten Beispiele bestimmen noch keinen Raum bzw. eine Räumlichkeit. Eher weisen die Diskussionen und Reden
vom Raum auf eine Neuformierung von sozialen Zusammenhängen hin. Bourdieu bezeichnet
in diesem Sinne auch nicht die einzelnen Gebiete wie Stadtviertel, Straßen oder Wohnblöcke
als (sozialen) Raum, sondern die gesamte Gesellschaft als soziale Räume.
„Die gesellschaftlichen Akteure, die als solche immer durch die Beziehung zu einem Sozialraum (…) herausgebildet werden, und ebenso die Dinge, insofern sie von den Akteuren angeeignet, also zu Eigentum gemacht werden, sind immer an einem konkreten Ort des Sozialraums angesiedelt, den man hinsichtlich seiner relativen Position gegenüber anderen Orten
(darüber, darunter, dazwischen, etc.) und hinsichtlich seiner Distanz zu anderen definieren
kann. So wie der physische Raum durch die wechselseitige Äußerlichkeit der Teile definiert
wird, wird der Sozialraum durch die wechselseitige Ausschließung (oder Unterscheidung) der
ihn bildenden Positionen definiert, d.h. als Aneinanderreihung von sozialen Positionen“
(Bourdieu, 160).
5
Wenn man also das Verständnis Bourdieus annimmt, ist ein möglicher Schluss, dass die Debatte auf die Forderung verweist, dass der soziale Raum, also die Gesellschaft, neu zu gestalten sei. Redet man also vom Raum, redet man automatisch auch von (Sozial-) Politik und über
sozialpolitische Auseinandersetzungen. Die Frage oder Forderung nach Neuformierung oder –
gestaltung hängt dann auch mit der Frage zusammen, wer diese beeinflussen kann. Die Frage
der Beeinflussung impliziert aber wiederum, dass bestimmte Handlungen nötig sind, dadurch
aber andere Möglichkeiten von Raumordnung ausgeschlossen werden. Ziel von Politik, Planung und Forschung soll aber eher „(…) die Erweiterung bestehender Handlungsspielräume
sein, das heißt, deren (Mit)Bestimmung“ (Kessl/Reutlinger, 15).
Benno Werlen betont im Akt des Schaffens von Raum das ‚soziale Element‘ als konstituierenden Faktor. Menschen sind demnach kein Bestandteil einer räumlichen Anordnung, doch
sind sie der Faktor, welcher mit dem Einsatz des Körpers die Geografie herstellt. Damit der
Raum in den sozialen Prozess eingearbeitet werden kann, verlagert Werlen seine Aufmerksamkeit hinsichtlich des Raumes auf das räumliche Handeln. Mit Bezug auf Anthony Giddens
erläutert er dabei zwar einen Teil einer jeden Raumkonstitution, löst sich aber nicht von den
Gegenüberstellungen von ‚sozial‘ und ‚materiell‘ (vgl. Werlen, 176ff).
Wenn man nun an dem Gedanken festhalten will, dass hinsichtlich eines Raumbegriffs Bewegung, bzw. das Handeln des Faktors Mensch ob seiner Wichtigkeit miterfasst werden muss,
muss man sich auch noch anderen Theoretikern zuwenden.
Dieter Läpple entwickelt den relationalen Raumbegriff oder Ordnungsraum weiter und
schlägt ein neues Konzept vor. Er entwickelt den Begriff des ‚Matrix-Raumes‘, da der relationale Raum ihm zu Folge nur eine „(…) Erscheinungsform menschlicher Ortsgebundenheit“
sei (Löw, 137). Gesellschaftliche Bedingungen würden hier nicht beachtet, obwohl sich erst in
ihnen die Raumstrukturen und gesellschaftlichen Funktionen entwickeln. Der Matrixraum,
welchen Läpple auf die ‚ursächliche Kraft‘ bezieht, wird – so die Hypothese – durch vier
Komponenten bestimmt
1. das materiell-physische Substrat, d.h. die materielle Erscheinungsform von gesellschaftlichem Raum
2. die gesellschaftlichen Interaktions- und Handlungsstrukturen, also Produktion,
Nutzung und Aneignung von Raum mit Rücksichtnahme auf Verhältnisse von
Klassen und Macht
3. das institutionalisierte, normative Regulationssystem, d.h., Berücksichtigung von
Vermittlungsformen (rechtliche Regelungen, Normen, etc.) zwischen Erscheinungsbild von Raum und der Praxis der Subjekte
6
4. das Zeichen- Symbol- und Repräsentationssystem, also eine Strukturierung von
Verhalten durch die Gestaltung von Raum
Demnach zu urteilen ist Raum zwar gesellschaftlich produziert, „(…) entfaltet jedoch eine
eigene Wirkung im Kontext menschlicher Nutzung“ (ebd., 138). Diese Entfaltung wird aber je
nach kulturellem Umfeld unterschiedlich wahrgenommen. Raum ist also nicht unmittelbar
wahrnehmbar, sondern entsteht aus der menschlichen Syntheseleistung, bei welcher das örtlich Wahrgenommene in einen Zusammenhang gebracht und ein örtliches Bezugssystem geschaffen wird. Damit ist man aber nun einerseits mit der Aussage konfrontiert, dass Räume
durch eine Syntheseleistung entstehen, andererseits aber auch mit den vier Komponenten, die
sich auf materielle Sachverhalte beziehen. Läpple spricht über die Vielfalt der Facetten von
Raum und es macht zweifellos Sinn, den beobachtbaren Raum und die menschliche Syntheseleistung zusammen zu denken, doch kommt von ihm kein Angebot, wie diese miteinander in
Zusammenhang gebracht und verknüpft werden könnten (vgl. ebd.).
Auch Michel Foucault beschäftigt sich – beispielsweise in der Vorlesung ‚Des Espaces Autres‘ mit Raum und Ort (vgl. Foucault, 1991, 65). Raum repräsentiert sich ihm zu Folge in
Lagebeziehungen und Lokalisierungen und wendet sich gegen eine Vorstellung von “(…) Zeit
als Reichtum, Fruchtbarkeit Leben und Dialektik, wohingegen der Raum als tot und fixiert
undialektisch sowie unbeweglich erklärt werde“ (Löw, 148). Sich davon Abgrenzend versteht
Foucault den Raum als ein ‚Ensemble von Relationen‘, welches die beinhaltenden Elemente
als „(…) nebeneinandergestellte, einander entgegengesetzte, ineinander enthaltene erscheinen
lässt“ (Foucault, 1991, 66). Raum ist demnach eine Art Netzwerk, welches Dinge, Menschen
und Handlungen ordnet, bzw. die Ordnung ausdrückt. „Anders gesagt: wir leben nicht innerhalb einer Leere, innerhalb derer man Individuen und Dinge einfach situieren kann. (…) Wir
leben innerhalb einer Gemengenlage von Beziehungen, die Platzierungen definieren, die nicht
aufeinander zurückführen und nicht miteinander zu vereinen sind“ (ebd., 67).
Das heißt, dass Raum nach Foucault durch Lagerungen und Platzierungen, bzw. deren Verknüpfung definiert wird, wobei er versucht, auch den Prozess deutlich zu machen. Der Prozess bezieht sich dabei auf den Handlungskontext im Raum, da der Raum als Netzwerk nicht
nur als Struktur gedacht wird, sondern die Struktur oder Ordnung auf den Handlungszusammenhang auch zurückverweist. Ohne ein handelndes Subjekt sind Platzierungen aber nicht
denkbar, sie können also auf den Platzierenden zurückgeführt werden. Das Subjekt wird damit ein Teil des Diskurses. Handeln – auch wenn es wiederständig ist – kann sich somit nicht
abgetrennt von einer (symbolischen) Ordnung vollziehen, kann diese aber verändern. Wenn
7
sich Raum also derart repräsentiert, verweist Foucault darauf, dass „(…) Raum in Handlungszusammenhänge integriert ist und sich damit Raumkonstituierendes Handeln innerhalb der
Präsentationen von Raum bewegt. Mit immer neuen Platzierungen verschieben sich alte Konfigurationen. Neues wird gelagert, Altes verbraucht oder weggeworfen“ (Löw, 150).
Foucault beschreibt dabei – wie auch Werlen – Raum als Lageverhältnisse. Er versucht jedoch nicht, einen bestimmten Raumbegriff herzuleiten, sondern versucht zu diagnostizieren.
Der Raum ist demnach die Anordnung von den genannten Platzierungen und Lagerungen.
Sein machttheoretischer Fokus liegt dabei auf der Ordnung, welche geschaffen wird. Raumkonstitution ist damit die Durchsetzung von Macht (vgl. ebd.).
Insgesamt betrachtet muss man sich also von der Idee lösen, dass Raum eine bestehende oder
eine verfestigte Struktur ist. Vielmehr müssen Räume als Ergebnisse von Handlungsprozessen
betrachtet werden. In einer Sozialraumperspektive gilt das Interesse demnach weniger dem
physischen Raum, sondern dem von dem Menschen selbst konstituiertem, ergo dem Raum der
Beziehungen, Verhältnisse und Interaktion. „Mit Sozialraum werden somit der gesellschaftliche Raum und der menschliche Handlungsraum bezeichnet, das heißt der von den handelnden
Akteuren (Subjekten) konstituierte Raum und nicht nur der verdinglichte Ort (Objekte)“
(Kessl/Reutlinger, 23). Sämtliche Mitglieder einer Gesellschaft tragen dabei dazu bei, Räume
zu konstituieren – wenn auch unterschiedlich stark beteiligt. Auch arme oder erwerbslose
Mitglieder sind so ein Teil jener Personen, die diese Prozesse vollziehen. Die ungleich verteilten Möglichkeiten der Beeinflussung und Teilhabe zeigen aber, dass auch andere Einflussgrößen die Prozesse darüberhinaus steuern. Die Akteure stehen insgesamt auf völlig verschiedenen Positionen des sozialen Raums (im Verständnis Bourdieus) und sind so teilweise in
ihrem Handeln begrenzt. Rein konstruktivistische Theorien zu Raum laufen hier Gefahr, bestimmte Ordnungen bzw. Arrangement des Räumlichen zu übersehen, welche soziale Prozesse beeinflussen. Man denke hier an Gebäudeformationen, feste Straßenverläufe, Grenzen und
Einfriedungen, eine bestimmte Gestaltung oder die Ansiedlung von Geschäften einer bestimmten Art. Hier setzen wiederum materialistische Raumtheorien an, welche die Einflussnahme der physischen räumlichen Ordnung auf die sozialen Zusammenhänge und die Handlungen der Subjekte zu erforschen suchen. Eine grundlegende Bedeutung haben hier die ökonomische Ausstattung der Gesellschaftsmitglieder, die Wohnsituation und die Zugänge zu
infrastrukturellen Angeboten. Eine rein materialistische Betrachtungsweise läuft aber wiederum Gefahr, die Konstruktionsprozesse durch das Subjekt zu unterschätzen (ebd., 26).
Es ist mit den Ausführungen wohl deutlich geworden, dass die Vorstellung von absolutem
Raum (fixiert), als auch jene von relativem Raum (Ausdruck von Handeln) kein zufrieden
8
stellenden Ergebnis erwarten lässt. Vielmehr ist es notwendig, beide Sichtweisen miteinander
zu kombinieren, um die gegenseitige Beeinflussung, das Wechselspiel von materialistischer
Ordnung und (Re-)konstruktion durch das Subjekt, berücksichtigen zu können. Was dann
(Sozial-)Raum heißt, ist damit von dem jeweiligen Kontext abhängig. Martina Löw schreibt
dazu: „Ich gehe dazu von einem Raum, der verschiedene Komponenten aufweist, aus. Das
heißt, ich wende mich gegen die in der Soziologie übliche Trennung in einen sozialen und
einen materiellen Raum, welche unterstellt, es könne ein Raum jenseits der materiellen Welt
entstehen (…), oder aber es könne ein Raum (…) betrachtet werden, ohne daß diese Betrachtung gesellschaftlich vorstrukturiert wäre (…). Analytisch gehe ich daher von einem sozialen
Raum aus, der gekennzeichnet ist durch materielle und symbolische Komponenten“ (Löw,
15). Mit dieser Betrachtungsweise fällt es nun auch leichter, sich mit Fragen zu befassen, welche sich mit der ungleichen Chance von Beteiligungsmöglichkeiten auseinandersetzen oder
jene Prozesse zu betrachten, welche zu der aktuellen Ordnung des (Sozial-) Räumlichen geführt haben.
2.2 Raum und Orte
Wenn der Prozess der Konstitution von Raum durch wechselseitige Beziehungen weiter gedacht wird, stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Orten und Atmosphären. Da eine
Atmosphäre aber durch den jeweiligen Ort beeinflusst wird, soll hier vorerst auf den Ort eingegangen werden. Wenn man den Orten eine soziologische Relevanz zuspricht, kann man
diese mit Räumen gleichsetzen. Versteht man nun unter Raum aber die Anordnung von (sozialen) Gütern und Subjekten, stellt sich wiederum die Frage, welche Bedeutung Orte haben.
Der Prozess der Raumkonstitution ist, wie beschrieben, geprägt durch Syntheseleistungen des
Subjektes und den Platzierungen bzw. dem ‚spacing‘ (vgl. Foucault, 1991, 67). Wenn aber
etwas platziert werden soll, muss es dafür bestimmte Orte geben, wo dieses möglich ist. Dabei
können Orte durch eine Besetzung mit (sozialen) Gütern oder auch den Menschen selbst
kenntlich gemacht werden, stehen aber auch weiterhin für neue oder andere Platzierungen zur
Verfügung. Somit ist der Ort “(…) Ziel und Resultat der Plazierung [sic]“ (Löw, 198). Weiterhin bleiben diese Orte über einen gewissen Zeitabschnitt auch ohne das Platzierte erhalten,
da die symbolische Wirkung noch einige Zeit erhalten bleibt. Das Platzierte kann also eine
einmalige oder kurzfristige Handlung oder Besetzung sein, andererseits auch fixe Gebilde
hervorbringen, die eine symbolische Wirkung haben (Gebäude, Straßen, Denkmäler, etc.…).
Demnach sind Raum und Ort verschiedene Begriffsbestimmungen, wobei der Ort als konkret
benennbare Stelle – beispielsweise geografisch markiert – fassbar ist. Im Ort ist „(…) das
9
Eigene, Unverwechselbare, Nichtvergleichbare aufgehoben“ (Brauns, zit. nach Löw, 199).
Die Benennbarkeit verstärkt dazu in diesem Kontext die symbolische Wirkung des Ortes.
Hinsichtlich der Syntheseleistung des Subjektes können verschiedene Formen der Synthese
unterschieden werden. Fassbar sind die Syntheseleistung in der subjektiven Wahrnehmung, in
der Erinnerung und der abstrahierenden Vorstellung, wenn diese auch selten für sich alleine
stehen. „In der Abstraktion, das heißt in Synthesen am Reißbrett, im Computer, im (…) Design etc. geht es häufig nur um die sozialen Güter, welche zu Räumen verknüpft werden. Die
Orte (…) spielen dabei keine Rolle“ (Löw, 199). In der Wahrnehmung hingegen werden Ort
und platziertes Element nicht getrennt. Die Wahrnehmung bezieht sich zumeist auf die Güter
und Personen im Kontext mit dem Ort und letztlich arbeitet auch die Erinnerung ähnlich wie
die Wahrnehmung. In der Erinnerung verschmelzen die Objekte und Subjekte mit den Orten
zu einem einzelnen Element, was im Gedächtnis bewahrt wird und so die Konstitution von
Raum beeinflussen kann. Martina Löw führt als Darstellung den eigenen Stadtteil an, der sich
beispielsweise über die Straße in welcher man wohnt, Geschäfte in der Nähe und „(…) das
Flußufer, an dem man sich zwar selten aufhält, das aber dem Erleben nach zum eigenen Raum
dazugehört“ konstituiert (ebd.).
Weder in Wahrnehmung, noch im Gedächtnis wird in diesem Fall zwischen dem Wohnhaus
als sozialem Gut und dem Ort an dem man wohnt unterschieden, dennoch sind es unterschiedliche Seiten des Kontextes, da das Haus auch an einem abweichenden Ort stehen könnte. Weiterhin und möglicherweise sogar von mehr Bedeutung ist die Unterscheidung bei flexiblen
Gütern oder Menschen. Wird der eigene PKW täglich an derselben Stelle vor dem Haus abgestellt, entsteht dort ein Ort für den Wagen. Anwohner oder Einheimische wissen – auch wenn
der PKW gerade einmal nicht dort steht – dass dieser Ort nicht auf eine andere Art und Weise
oder von jemand Anderem besetzt werden darf. Einerseits bringt nun die Platzierung des
PKW an dieser Stelle einen einmaligen und fixen Ort hervor, andererseits hat der Ort die
Möglichkeit einer solchen Platzierung erst ermöglicht (vgl. Löw, 200).
Wie bereits angesprochen, können diese Orte aber durch wechselnde Platzierungen auch
flüchtig sein. Manuel Castells zu Folge lassen sich hier drei Arten von flüchtigen Orten unterscheiden: privilegierte Orte, Orte im Netz und periphere Orte. Jede einzelne Platzierung lässt
Orte entstehen, wozu gesagt sei, dass diese Orte vorübergehend sind, da jede Platzierung einen symbolischen und einen materiellen Aspekt aufweist. Von Materie, deren Fixierung und
Symbolik - welche durch materielle Strukturen erzielt werden kann - hängen Flexibilität, Privilegiertheit und Peripherie des Ortes ab (vgl. Castells, in: Noller, 126f).
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Durch die Berücksichtigung der Bedeutung von Orten im Raum werden nach Löw drei Aspekte greifbar. Mit der Einführung von Orten kann nun eine Bezeichnung für ganz bestimmte
(subjektive oder gesellschaftliche) Lokalisierungen gewonnen werden Weiterhin lassen sich
frühere Platzierungen auch an einem nur noch symbolisch erhaltenen Ort vermuten oder feststellen - sofern der Ort noch in die Raumkonstruktion eingebunden ist („Hier war einmal…“).
Letzten Endes wird auch deutlich, dass nicht nur das, was platziert wird, sondern auch das
synthetisierende Subjekt sich bereits an einem Ort befindet. So lassen sich Ort und Mensch als
getrennte Ebenen betrachten, die Einflüsse der Synthese so überdenken. Nicht nur die Person
oder ihr Habitus prägt die Synthese, sondern auch der Standort bzw. die Lokalisierung. „Der
Raum der Klagemauer wird unterschiedlich je nach Habitus konstituiert, aber auch in Abhängigkeit von der Lokalisierung. Es macht einen Unterschied, ob man direkt vor der Mauer steht
oder durch die Tore der Altstadt (…) auf die Mauer schaut, ob man sich an einer Gedenkstätte
(…) oder in einer New Yorker Bar an die Klagemauer erinnert“ (Löw, 202).
Die Bedeutung des Ortsbegriffes liegt vor allem darin, dass die Menschen unterschiedliche
Syntheseleistungen vom selben Ort aus vollziehen. Von den Strukturen wie Geschlecht, Gefühl der Zugehörigkeit, sozialen Merkmalen etc., welche in den Habitus eingehen, können
Raum und Ort vom selben Standpunkt aus völlig verschieden synthetisiert werden. Trotzdem
können Syntheseleistungen unterschiedlicher Gruppen – vom selben Ort aus – Gemeinsamkeiten aufweisen, die von anderen Orten aus nicht vorhanden wären. Durch Platzierungen
entstehen Orte, welche die Syntheseleistung beeinflussen, „(…) sowohl weil von unterschiedlichen Orten unterschiedliche Synthesen naheliegen als auch weil (…) Stellen besetzt werden,
die Raumkonstruktionen prägen. Räume bringen Orte hervor, und diese sind (…) die Voraussetzung jeder Raumkonstitution“ (Löw, 203).
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Orten je nach subjektiver Wahrnehmung, Zuschreibung und durch Platzierungen verschiedener Art durch verschiedene Personen unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden. Von unterschiedlichen Standpunkten aus
betrachtet, lassen sie jeweils anders geartete Eindrücke entstehen. Sie können flüchtig sein
oder fixiert, unterliegen ständigen Veränderungen und können - je nach dem gesellschaftlichen Verhältnis - für das Subjekt sowohl peripher, als auch privilegiert, annehmend oder ausschließend wirken.
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2.3 Atmosphäre – unsichtbarer Raum
Wenn Raum durch Anordnung von Menschen und Gütern an Orten geschieht, sich in einem
ständigen Wandel durch Syntheseleistungen befindet und sich durch die Neukonstitution und
wechselnden Platzierungen der Raum in einem ständigen Fortschreiten befindet, so lässt dieser sich nicht als ein sichtbares Gebilde fassen. Die sichtbaren (sozialen) Güter, Personen und
Platzierungen lassen sich wahrnehmen und damit Orte greifbar machen, nicht aber der Raum
als Ganzes. Jedoch lassen sich der ein- oder ausschließende Charakter des Raumes und die
Grenzen desselben spüren, also sinnlich wahrnehmen. Im letzten Abschnitt wurde bereits
deutlich, dass Orte durch Güter und Subjekte von verschiedenen Personen unterschiedliche
Zuschreibungen erhalten. Daraus lässt sich schlussfolgern: Menschen und Güter haben eine
Außenwirkung. Die Außenwirkungen bleiben aber nicht einfach nur nebeneinander als einzelne Wirkungen bestehen, sondern sie ergeben in ihrem Zusammenspiel ein bestimmtes Arrangement, welches unterschiedliche Gesamtwirkungen erzeugt. Man denke beispielsweise an
eine Bibliothek, welche man kurz vor deren Schließen noch hektisch betritt. Die Gerüche, die
Gestaltung und die Zuschreibungen, werden die Hektik und Stimmung der betretenden Person
zweifellos beeinflussen und zur Ruhe kommen lassen. Ein Phänomen tritt auf, welches Einfluss auf das Subjekt hat und es ‚umstimmen‘ kann. Es entwickelt sich also an Orten und
Räumen eine Ausstrahlung oder Potentialität, die folgend als Atmosphäre bezeichnet werden
soll. Atmosphären sind unter diesen Aspekten „(…) die in der Wahrnehmung realisierte Außenwirkung sozialer Güter und Menschen in ihrer räumlichen (An)Ordnung“ (Löw, 205).
Zu den wenigen Personen, welche Raum und Atmosphäre in Zusammenhang gebracht haben,
gehört unter anderen auch Niklas Luhmann. Atmosphäre ist ihm zu Folge ein Überschusseffekt der Verbundenheit der Differenz zwischen Stelle (Ort) und Objekt. In der Atmosphäre
wird die Einheit der Unterscheidung von Ort und Objekt sichtbar. Er spricht von Atmosphäre
als „(…) Sichtbarkeit der Unsichtbarkeit des Raums“ (Luhmann, 181). Luhmann hat allerdings vorrangig die einzelnen Objekte im Blick, wodurch er die Beziehungen von Objekten
untereinander und die von Personen gemachten Platzierungen – welche immer auch im Kontext zu anderen Menschen gemacht werden – vernachlässigt. Jedoch verweist auch seine These darauf, dass die räumliche Ordnung charakteristische Eigenschaften hat und eine Atmosphäre produziert (vgl. ebd., 181ff).
Im Gegensatz zu Luhmann versteht Löw die Anordnungen im Raum nicht nur als von Objekt
und Ort, sondern auch als von Mensch und Gütern an Orten bestimmt. Daher müsse „(…) die
Entstehung von Atmosphäre aus der relationalen (An)Ordnung an Orten hergeleitet werden“
(Löw, 205).
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Raum ist somit eine durch materielle Gegebenheiten strukturierte Figuration, in der die Atmosphäre die nicht sichtbare und doch spürbare Seite ist. Durch diesen Sachverhalt wird dann
nicht nur der einzelne Ort, sondern der Raum selbst wahrnehmbar. Damit diese Atmosphäre
entstehen kann, wird eine „(…) Gleichzeitigkeit von wahrnehmendem Subjekt und wahrnehmbaren Objekt (…)“ vorausgesetzt (Löw, 206).
Auch Böhme schlägt die Einheit von Differenz hinsichtlich Subjekt und Objekt zur Bestimmung der Atmosphäre vor. Sein Augenmerk liegt dabei unter Anderem auf der Waren- und
Konsumwelt, wobei er herausarbeitet, dass Güter eine szenische Wirkung oder Funktion haben, welche dazu dient, Atmosphäre zu erzeugen. Durch ansprechendes Design wird der jeweiligen Ware ein Anschein verliehen, welcher verkaufsfördernd wirkt. Das Design, die
Werbung und die Präsentation der Ware entwickeln in ihrem Zusammenspiel eine Atmosphäre, die dem Verkauf der Ware förderlich ist. Die Atmosphäre selbst definiert Böhme als eine
„(…) gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen“ (Böhme,
34). Gemeinsame Wirklichkeit bedeutet damit, dass Atmosphäre weder nur als eine Projektion von Befindlichkeit auf die Güter, noch als vom Menschen gelöst angesehen werden kann.
Viel mehr müssen beide Perspektiven berücksichtigt werden. Die Objekte in ihrer Form, Gestaltung und Ausdehnung haben eine Einfluss nehmende Außenwirkung, welche die Menschen in Stimmungen versetzen kann. Das Subjekt steht dazu in Beziehung, da es Dinge erkennen kann und eigene Zuschreibungen vornimmt. Atmosphären setzen sich also nach
Böhme aus Objektwirkung und dem körperhaften Spüren des Subjekts zusammen. (vgl. Böhme, 35). Der Schwerpunkt bei Böhme liegt in der Analyse der Machbarkeit von Atmosphären.
Die hauptsächliche gesellschaftliche Arbeit ist jene, die Atmosphären schafft, also inszeniert.
Die Inszenierung kann auf Waren bezogen sein, auf Schaufenster, Verkaufsräume oder ein
Hotelzimmer mit bestimmten Tapeten. Doch wird auch die Politik inszeniert, so wie Firmen,
Bahnhöfe und ganze Städte ebenfalls. Es geht hauptsächlich darum, bestimmten Dingen oder
Menschen ein Aussehen zu verschaffen, welches die gewünschte Atmosphäre oder Ausstrahlung erschafft (vgl. Böhme, 15, auch: 87). Daran arbeiten sowohl Designer als auch (Innen)Architekten, Modeschöpfer, PR-Berater/innen, etc. „Wenn ein Verkaufspraktiker in einem Supermarkt eine bestimmte Musik erklingen läßt, so bringt er ja nicht ein Werk zu Gehör, sondern möchte eine verkaufsgünstige Stimmung erzeugen“ (ebd, 87). Räume sind damit
nicht nur durch die Subjekte und deren Syntheseleistungen konstituiert, sie werden auch für
diese Leistungen und die Wiedererkennung bewusst vorbereitet und inszeniert. Das, was an
Gütern, Objekten oder Subjekten letzten Endes positioniert wird, ist zum Teil bereits für die
Wahrnehmung vorbereitet. Dabei darf man aber nicht davon ausgehen, dass alle Menschen
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die Inszenierungen gleichermaßen wahrnehmen. Atmosphären kann man keinen universellen
Charakter zuschreiben, da auch der soziale Kontext, das kulturelle Umfeld, oder auch der geschlechtsspezifische Kontext eine Rolle spielen kann und die Wirkung somit - bezogen auf
verschiedene Subjekte - unterschiedlich ausfallen kann. Da Wahrnehmung, und somit die
Wirkung der jeweiligen Atmosphäre, bzw. deren Inszenierung, nicht unmittelbar funktioniert,
sondern von den subjektiven Standpunkten und dem Habitus abhängig ist, soll nun folgend
auf die Wirkung der sozialen Ungleichheit eingegangen werden.
2.4 Einfluss sozialer Ungleichheit auf Raum
Bereits Émile Durkheim hat in den 1890er Jahren das Konzept der sozialen Milieus für Analysen gesamtgesellschaftlicher Akteursgruppen entwickelt. Danach funktionieren Abgrenzungen und Zusammenhalt über in Verwandtschaft, nachbarschaftlichen Kontakten und Berufszugehörigkeit entwickelten und darüber geprägten Beziehungen. Im Verlauf dieser Beziehungen werden gemeinsame Ausprägungen von Geschmack und Mentalität, sowie moralische
Vorstellungen entwickelt, welche für das jeweilige Milieu typisch sind oder werden (vgl.
Durkheim, 181f). Über einen langen Zeitraum zurückgetreten, konnte sich das Milieukonzept
unter den Anzeichen von sozialen Ungleichheiten, Struktur- und Mentalitätswandel in den
1980er Jahren in der deutschen Soziologie wieder etablieren, da es geeignet war, durch die
Verbindungen von objektiven und subjektiven Dimensionen das soziale und politische Verhalten zu deuten und vorherzusagen. Weiterhin konnte sich auch die hannoversche Milieuforschung – welche sich auf Bourdieus Milieu- und Klassentheorie bezieht – etablieren, da sie
mit Hilfe von standardisierten und qualitativen Methoden einen großen Teil des sozialen
Raums in der Bundesrepublik nach ihren Milieus erforschen konnte (vgl. auch Vester). Hinsichtlich gesellschaftlicher Konflikte und Beziehungen ist die Theorie Bourdieus recht aufschlussreich. Soziales Verhalten erklärt sich aus den Entfaltungsmöglichkeiten, welche den
sozialen Akteuren in ihren individuellen Umwelten zur Verfügung stehen. Diese Entfaltungsmöglichkeiten können daran bemessen werden, welche Stellung das Subjekt in den hierarchisch Strukturierten und mit eigener Logik ausgestatteten Umwelten hat und was für ein
soziales Feld es einnimmt. Wenn der Spielraum klein ist, die Person den Kräften des Feldes
‚ausgeliefert‘ ist, nimmt es eine untergeordnete Stellung ein. Das heißt, dass den Anforderungen oder Kräften des sozialen Feldes aufgrund der zu knappen Ressourcenausstattung nicht
wiederstanden werden kann. Sind die verfügbaren Ressourcen ökonomischer, sozialer und
kultureller Art jedoch großzügiger bemessen, kann das Subjekt die Strukturen der Umwelt im
eigenen Sinne beeinflussen. Dabei sind nicht unbedingt die einzelnen Ausprägungen – wie
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Alter, Beruf, Geschlecht oder Finanzen – für sich alleine einflussnehmend auf die soziale
Stellung und die Handlungsspielräume, sondern erst die Kombination verschiedener Merkmale und deren Kompatibilität mit einzelnen Feldern (vgl, Bourdieu, 1992, 49ff).
Wenn Raum also eine „(…) relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Lebewesen an Orten
(…)“ (Löw, 212) ist, muss man – um diese Anordnen zu können – auch einen Zugang zu diesen haben. Die Möglichkeiten, Räume zu gestalten oder sie zu verändern sind aber ungleich
verteilt, da die Zugangschancen zu den (sozialen) Gütern keine symmetrische Verteilung
aufweisen. Da die Verteilung der Güter aber zumeist über monetäre Verhältnisse organisiert
ist, verfügen die höheren Klassen typischerweise über die besseren Chancen zur Raumkonstitution. Weitere Zugangsmöglichkeiten sind aber auch über andere Attribute bzw. relationale
Formen von Ungleichheit, d.h. über Hierarchien und deren Organisation, sowie selektiver
Assoziation geordnet. Während über die hierarchiegesteuerte Organisation eine klassenspezifische Benachteiligung entstehen kann, sind durch die Assoziation zu einer bestimmten Gruppe Zugriffe auf Ressourcen möglich, welche atypische und/oder gegenkulturelle Räume bzw.
Orte hervorbringen kann. Zudem spielt auch das Wissen über die Vielfalt möglicher Räume in
die Organisation von Zugängen oder Ausschlüssen hinein. Das Wissen um die materiellen
Aspekte oder Komponenten ist dabei leichter zugänglich, als jenes über die symbolischen
Ordnungen, da die Interpretationsprozesse auch über den Habitus und Dispositionen gesteuert
werden. Weiterhin, so Löw, interessieren sich Frauen „(…) mehr für geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Fragen, Männer für technische und naturwissenschaftliche. Je nach
Wissensspektrum können unterschiedliche Räume geschaffen werden mit den damit einhergehenden Machtverhältnissen“ (Löw, 213). Entsprechend Löw lassen sich insgesamt vier
Ebenen von sozialen Ungleichheiten, die Raumkonstitution betreffend, unterscheiden:
1. Ungleichheit aufgrund der eingeschränkten oder begünstigten
Verfügungsmöglichkeiten über (soziale) Güter
Reichtumsdimension
2. Ungleichheit aufgrund von Wissensunterschieden
Wissensdimension
3. Ungleichheit aufgrund verschieden Verfügungsmöglichkeiten über soziale
Positionen
Rangdimension
4. Ungleichheit aufgrund von unterschiedlichen Zugehörigkeiten oder NichtZugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen
(vgl. ebd., 214)
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Assoziationsdimension
Eine Eigenschaft der Räume ist also auch das Verteilungsprinzip. Zusammenhänge zwischen
Gütern, zwischen Menschen, sowie zwischen den Gütern und Menschen werden hergestellt.
Wer oder was dabei nicht mit einbezogen wird, ist ausgeschlossen. Daher muss bei der Konstitution von Raum immer auch die Differenz hinsichtlich Exklusion und Inklusion bedacht
werden. Doch werden nicht nur Güter und Subjekte miteinander verknüpft, sondern durch die
Syntheseleistungen werden auch Rang und Assoziation geschaffen.
Es wird somit nicht zwangsläufig über Verbote oder andere Interventionen exkludiert, sondern der Ausschluss geschieht teils durch die Person oder Gruppe selbst über die Habituspräferenzen. Die Prozesse von Platzierungen und Syntheseleistungen, welche der Anordnung
zugrunde liegen und die Konstitution von Raum beeinflussen, sind abhängig von den Ressourcen wie Reichtum, Wissen, Assoziation und Rang. Damit geht, wie im vorigen Abschnitt
beschrieben, auch die Entstehung der Atmosphären einher. Wenn Raum also primär über die
Platzierungen und Syntheseleistungen konstituiert ist, (soziale) Güter und Menschen aber
nicht nur platziert werden, sondern sich auch selbst platzieren, diese Platzierungen aber auch
durch vorhergehende Inszenierungsarbeiten vorbereitet werden können, um Atmosphäre zu
erzeugen, lässt sich das Schaffen von Atmosphären als ‚sekundäre Objektivation‘ bezeichnen
(vgl. Kreckel, 88). Da die genannten Ressourcen, welche den Subjekte in ihrem Handeln verfügbar sind, meist nicht sichtbar sind oder unerwähnt bleiben, umgibt nach Kreckel die Menschen ein ‚Sozialprestige‘, welches aus den Ressourcen und den Sozialisationsprozessen geschaffen ist. Die Prestigeordnung sichert nun die soziale Position von Menschen oder Gruppen in der Gesellschaft. Die Prestigeordnung ist die „(…) sekundäre, ideologische Realitätsebene (…)“, (Kreckel, 90) welche die ungleich verteilten Möglichkeiten der Ressourcennutzung verschleiert. Die Verschleierung sichert damit die Akzeptanz der sozialen Ungleichheit.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die räumlichen Strukturen die Form der gesellschaftlichen Strukturen widerspiegeln. Die Konstitution von Raum wird durch Unterschiede zwischen den der Gesellschaft zugehörenden Personen gesteuert, so dass eben jene Konstitution
aber auch weitere Unterschiede oder Verteilungen hervorbringt. Durch die (sozialen) Objekte,
Platzierungen und Anordnungen entstehen Inklusions- und Exklusionseffekte und machen
Raum zum Feld oder Gegenstand der sozialen Auseinandersetzungen. Die ungleichen Möglichkeiten über die Ressourcen Wissen, Rang, Reichtum und Assoziation zu verfügen, sind für
die Durchsetzung bestimmter Anordnungen Ausschlag gebend. Somit kann auch die Möglichkeit über Raum zu verfügen selbst zur Ressource werden. Insgesamt betrachtet ist die
Konstitution von Raum einem ständigen Wandel unterlegen, also grundsätzlich prozesshaft.
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3 Stadträume und Öffentlichkeit
Heute scheint es allgemeiner Konsens zu sein, dass der ‚öffentliche Raum‘ – besonders in den
Städten – schrumpft. Im Zuge der Thematisierung stellt sich aber auch die Frage, ob man es
sich nicht zu einfach macht, den Schwund zu beklagen und darüber einige Aspekte nicht beachtet. Welcher öffentliche Raum wird überhaupt von uns genutzt und vor allem auch wie?
Oder noch anders überlegt: Was verstehen wir darunter, wo hätten wir den öffentlichen Raum
gerne und auch wann? Es wird sich aus diesen Fragen wohl kaum ein Meinungsbild herausarbeiten lassen, welches übereinstimmend ist. Was öffentlichen Raum ausmacht, welchen
Zwängen er unterliegt, welche Nutzer sich in ihm finden, was für Potentiale in ihm liegen und
wie diese hervorgebracht werden können, lässt sich kaum erschöpfend beantworten. Dennoch
soll folgend eine Annährung stattfinden, welche einen Eindruck von Strukturen hinsichtlich
urbaner, öffentlicher Räume bzw. Orte vermitteln und Hintergründe beschreiben will.
3.1 Öffentliche Stadträume – eine Annährung
Öffentliche Stadträume sollen hier nicht ausschließlich, jedoch auch als physikalisch greifbar
behandelt werden. Wenn man von urbanen Räumen und Orten spricht ist auch hier wiederum
festzuhalten, dass in der Bestimmung auch schon die materiellen, soll heißen, die flächen- und
nutzungsbedingten, architektonischen und städtebaulichen Strukturen Berücksichtigung finden müssen. Die Diskussion über öffentlichen Raum ist voll von Unklarheiten und Unschärfe,
das was individuell bezeichnet wird, weicht voneinander ab.
„Die einen bezeichnen damit Plätze, Parks und Promenaden in den Städten, die sich im öffentlichen (…) Eigentum befinden und öffentlich gepflegt, kontrolliert und verantwortet werden (…). Andere betrachten den Gegenstand eher von der Nutzungsseite und bezeichnen mit
öffentlichem Raum alles, was von der Öffentlichkeit genutzt werden kann (…). Aber damit
der Missverständnisse nicht genug. Vielfach werden implizit besondere Räume in der Stadt
gemeint: Für die einen stehen vor allem die zentralen Bereiche, die Fußgängerzonen, Passagen und Plätze in der Stadt im Vordergrund. Andere legen das Gewicht vor allem auf die
»grünen« Räume: die Parks, Stadtwälder, Flussauen, Seeufer. Und wieder andere nehmen
alles dies zusammen, halten das aber immer noch für zu eng gefasst, denn ihnen fehlen die
Straßen – von der Wohnstraße zur Stadtautobahn –, die Parkplätze, die Bahngelände, die Brachen und so fort (…)“ (Selle, 1).
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Berücksichtigt werden müssen also verschiedene Ansichten oder Formen öffentlichen, urbanen Raums. ‚Den‘ einen öffentlichen Raum scheint es also gar nicht zu geben. Wichtig ist
dabei auch zu sagen, dass es zusätzlich zu den Räumen oder Orten privater und öffentlicher
Art auch die Verwischung zwischen diesen gibt, bei denen eine klare Abgrenzung nicht möglich ist und der Status dieser Räume und Orte sich von den Nutzern nicht eindeutig feststellen
lässt. Besonders die Übergänge an den Orten – öffentlich zugänglich und doch in privatem
oder städtischem Besitz - werden in der Literatur unterschiedlich benannt. Es finden sich hier
Bezeichnungen wie ‚semi-öffentlich‘, ‚halb-öffentlich‘, ‚quasi-öffentlich‘, ‚veröffentlichteprivate‘, ‚privat produziert/öffentlich nutzbar‘ und so fort (vgl. Klamt, 44). Doch sind gerade
diese so bezeichneten Orte und Räume jene, in denen die öffentliche Nutzung im Alltag für
die verschiedensten Zwecke stattfindet. Es ist „(…) entscheidend (…), wie der Raum genutzt
und empfunden wird. Auch wenn er de jure öffentlich sein mag, kann die gefühlte Öffentlichkeit doch schwach entwickelt sein, auf Parkplätzen etwa oder in zugigen Trabantenstädten.
Umgekehrt kann ein de jure privater Raum höchst urbane Gefühle erzeugen“ (Rauterberg, zit.
nach Klamt, 44). Letzten Endes ergibt sich also erst aus den Wahrnehmungen und Zuschreibungen der Nutzer des jeweiligen Raums und dessen Orten die subjektive oder auch kollektive Bedeutung bzw. das, was als öffentlich angesehen wird. Besonders in urbanen Räumen ist
durch die baulichen Strukturen und früheren Nutzungen der physikalische öffentliche Raum
recht eindeutig. Besonders in den Städten, wo der historische Stadtkern noch (teilweise) erhalten ist, zeigen die für die Menschen greifbaren Strukturen und Markierungen noch eine wahrnehmbare Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum. Beispielsweise lassen sich
dafür Marktplätze anführen, Kirchenvorplätze und Rathäuser, wobei auch die noch heute vorhandenen Namen der Orte wie Viehmarkt, Fischmarkt, Pferdemarkt, etc. die vormalige öffentliche Nutzung verdeutlichen. Doch auch die Straßen sind ganz offensichtlich trennbar in
öffentlichen Straßen- und privaten Wohn- und Geschäftsraum. Ein typischer Sonderfall findet
sich hinsichtlich dieser Geschäfte, Cafés und Läden, welche zur Straße hin geöffnet sind und
ihre Auslagen teilweise dorthin verlagert haben. Ganz ähnlich auch Passagen oder Arkaden,
welche gewissermaßen die Straße ins Haus führen und die Grenzen zwischen öffentlich und
privat verschwimmen lassen. Zu den tatsächlich öffentlichen Stadträumen lassen sich Räume
und Orte im Wohnumfeld (Grünräume, Spielplätze Straßenräume), Grünbestimmte Freiräume
(Parks, Gewässer), Straßen (zwar verregelt, doch öffentlich durch die Verbindungsfunktion)
und zentrale Plätze der Stadt zählen (vgl. Wüstenrot, 22). Die meisten weiteren Orte stehen
unter privater Regie, was eine Ausgrenzung unerwünschter Personen oder Gruppen erleichtert. Im Diskurs zu öffentlichem Stadtraum dürfen aber nicht die kommunikativen Elemente
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der Menschen vergessen werden. Wie bereits angesprochen ist nicht nur die physikalische
Umgebung, sondern auch das Erleben der Menschen für das, was subjektiv als öffentlicher
Raum erfasst wird, ein wichtiger Aspekt. Hannah Arendt bezeichnet den öffentlichen Raum
als ‚das Gemeinsame‘. So entsteht nach dieser Auffassung öffentlicher Raum dann, wenn
Menschen sich zwanglos begegnen und miteinander interagieren können. Das heißt auch, dass
er abseits von Durchschnitt und Konformität agieren kann, so auch mit anderen Personen in
Kontakt treten und sich mit diesen auseinandersetzen kann. Erst so entstehe öffentlicher Raum
in seiner diskursiven Dimension (vgl. Arendt, 64). Die Dimension besteht dabei aus „(…) der
Anwesenheit zahlloser Aspekte und Perspektiven (…)“ an einem Ort, wo die Menschen zusammenkommen und „(…) ein jeder von einer anderen Position aus sieht und hört“ (ebd., 71).
Weiterhin spricht Arendt davon, dass sich eine Tendenz der Homogenisierung in öffentlichen
Räumen finden lässt und dass durch das konforme Verhalten alles was davon abweicht als
anormal angesehen und negativ assoziiert wird. Zwar seien immer noch Individualisierungstendenzen vorhanden, jedoch sei freies Handeln einem unfreien, einheitlichen Verhalten gewichen (vgl. ebd., 53). In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, ob gerade die
Kontrollen, Überwachungen, Hausordnungen und Verbote dem normierenden Zweck dienlich
sein sollen, also ein normentsprechendes Verhalten erzeugt (oder zumindest deviantes unterdrückt) werden kann und wie sich das auf die subjektive Wahrnehmung von öffentlichem
Raum auswirkt. Wie hinsichtlich des Raumverständnisses beschrieben, unterliegt Raum einem ständigen Wandel. Dementsprechend unterliegen auch die öffentlichen urbanen Räume
und Orte und damit auch das öffentliche (Er)Leben ständigen Veränderungen. Räume, Orte
und (Er)Leben sind dynamischen Phänomenen unterworfen, welche ökonomisch, politisch,
historisch und gesellschaftlich geschaffen sind, doch auch schlicht dem Zeitgeist oder der
Mode unterliegen können. In vereinfachter Art und Weise könnte man sagen: „(…) weil das
Leben sich verändern kann, kann auch der öffentliche Raum von Wandel betroffen sein“
(Klamt, 49). Der Normierung des öffentlichen Stadtraums gegenüber steht die Individualisierung, welche sich als fortschreitende gesellschaftliche Ausdifferenzierung fassen lässt. Die
Individualisierung hat ebenfalls Auswirkungen auf den öffentlichen Raum und das Raumerleben, da durch die Gegensätzlichkeit von Individualisierung einerseits und Kontrolle andererseits die Raumbindung der Individuen nachlassen kann, bestimmte Orte mit den persönlichen
Erfahrungen in Zusammenhang gebracht werden und sich so das Nutzungsverhalten hinsichtlich bestimmter öffentlicher Räume und Orte ändert. Daher soll folgend auch die Individualisierung und Normregulierung in öffentlichen, urbanen Räumen noch einmal näher erläutert
werden.
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3.2 Raum, Norm und Individualisierung
Wenn wir nun vom öffentlichen Raum sprechen, von Verhalten, Normen und Individualisierung, ist ebenso die Rede von Öffentlichkeit oder öffentlichem Leben. Dabei kann es nur allzu
schnell geschehen, dass man Gefahr läuft, die Begrifflichkeiten verschwimmen zu lassen, sie
möglicherweise auch synonym zu verwenden. Die eine Öffentlichkeit anzunehmen – besonders in Hinblick auf Personen in einem Raum, oder an einem Ort – wäre falsch. Vielmehr
sollte man davon ausgehen, dass eine schwankende Anzahl von Teilöffentlichkeiten existiert,
welche sich auch aus völlig verschiedenen Personen zusammensetzen können und nur temporär an bestimmten Orten existieren (beispielsweise für ein ganz bestimmtes Ereignis). In diesem Kontext ist auch der Begriff der Heterotopie zu erwähnen, mit welchem Foucault einen
Raum oder Räume beschreibt, die erst durch das gleichzeitige Auftreten verschiedener kultureller oder gesellschaftlicher Gegebenheiten an konkreten Orten zu existieren beginnen und
eine Bedeutung erhalten (vgl. Foucault 1991, 68f). Folgend sollen nun die wesentlichen Aspekte hinsichtlich der Individualisierung und der Normen nachvollzogen werden.
In Phasen von gesellschaftlichen und/oder globalen Veränderungen kann sich das einzelne
Subjekt aus bestimmten Institutionen, Normgefügen und Kontrollschemata lösen. Nach einer
Phase der Orientierung kann es sich wieder in (eher subjektiv) selbst ausgewählte Strukturen
einordnen oder integrieren. Wenn man dabei nun das Augenmerk auf öffentliche Räume und
Orte legt, kann man davon ausgehen, dass die Neuorientierungen mit neuen räumlichen Implikationen einhergehen. Beispielsweise manifestieren sich diese in der Neubesetzung bzw.
der Auswahl und Nutzung bestimmter öffentlicher Räume durch bestimmte soziale Gruppen
oder Individuen. Zwar ähneln sich Innenstädte mittlerweile in vielen Fällen sehr, doch fördert
die Individualisierung auch die Emotionalisierung und die Besetzung von öffentlichem Raum
mit subjektiven Assoziationen. Dadurch werden, auch wenn die urbanen Orte und Räume sich
in Architektur und Stadtstrukturen ähneln, durch die subjektiven Assoziationen unterschiedliche Differenzierungen vorgenommen (vgl. Rauterberg, 8). Das geht unter Anderem auch mit
der Präsenz bestimmter Verhaltensweisen und der Normen einher. Bestimmte Lebensstile,
begleitet durch die Inszenierungen und ‚Zeigelust‘ benötigen – wie auch allgemein die Individualisierung - diese räumliche Bühne, wodurch der öffentliche Raum Repräsentationszwecken dient und Nischen für gesellschaftliche Teilöffentlichkeiten entstehen. Bestimmte Szenen sind dadurch räumlich verortbar. Die subjektive Wahrnehmung von Praxis und Normen
in diesen Bereichen erzeugt dabei auch eine dauerhafte Verortung derselben in dem jeweiligen Raum bzw. an dem Ort, woraus auch die Auswahl der Individuen erfolgt, einen Raum
oder Ort zu nutzen oder eher zu meiden, wenn dort entsprechende Normen vermutet werden.
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Die Normen sind als Orientierungen, Handlungsanweisungen oder Vorlagen für Handlungen
und Verhalten zu fassen. Sie müssen – um ihre Gültigkeit zu erlangen – soziale Praxis werden, was deren Akzeptanz und Verinnerlichung voraussetzt. Das Einverständnis durch das
Individuum kann dabei sowohl durch ein explizites Einverständnis erfolgen, als auch durch
konkludente Zustimmung erfolgen. Weiterhin ist zu unterschieden zwischen den tatsächlich
ausformulierten Rechtsnormen (Hausordnungen, kommunales- und Polizeirecht, etc.) und den
sozialen Normen, welche das Alltagsgeschehen und Zusammenleben regeln. Obwohl die Prozesse unbewusst ablaufen, beeinflussen gerade die sozialen Normen die städtische öffentliche
Organisation. Die Praxis der Normanwendung dient dabei im Sinne von gelebter Räumlichkeit der Normalisierung von Verhalten im öffentlichen Raum bzw. an den Orten in diesem
Raum, wobei gelegentlich kritisiert wird, dass dieses dem öffentlichen Leben durch die mögliche Konformität abträglich wäre (vgl. Werlen, 99ff).
Auch Norm und öffentlicher Raum sind also eng miteinander verbunden. Einerseits hat Raum
Normen und umgekehrt haben Normen Raum. Erving Goffman spricht in dieser Hinsicht von
ortsbestimmtem Verhalten und ferner davon, dass soziale Normen „(…) fast immer in allgemeinen Begriffen formuliert (werden), weil das jeweilige Ereignis, auf das sie angewendet
werden, bloß ein Beispiel für eine Klasse von Ereignissen ist, für die die Regel gilt. Jede Abweichung bei einem Ereignis (…) kann als ein Anzeichen dafür aufgefaßt werden, daß der
Akteur möglicherweise hinsichtlich der ganzen Klasse von Ereignissen delinquent ist“ (Goffman, 1974, 140). Um die Verknüpfung von Raum und Normen noch einmal zu verdeutlichen, führt Goffman weiterhin ein Beispiel an, welches die Zusammenhänge noch einmal
verdeutlicht. Während sowohl der Kölner Dom, als auch Sportstadien hohe und geschlossene
Gebäude bzw. Orte sind, in welchen sich Menschen versammeln, ist das Verhalten im Dom
leise und andächtig, während das Zusammentreffen der Menschen im Stadion eher laut und
euphorisch verläuft. Beides sind im Grunde alltägliche Zusammentreffen verschiedener Personen und Gruppen, jedoch erscheint bei näherer Betrachtung ein weit reichender Zusammenhang aus Raum bzw. Ort, den verschiedenen Wahrnehmungen, Normen und der gegenseitigen Kontrolle, sowie des Verhaltens (vgl. Goffman, 2001, 102).
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3.3 Neuorientierung der Städte
In Gesellschaften, die sich in einem dauerhaften (zunehmend beschleunigten) Wandlungsprozess befinden, welcher zudem begleitet wird von Schlagwörtern wie Globalisierung, Pluralisierung, Moderne und Konkurrenz, wandeln sich auch die Städte. Bis in die letzten Jahre hinein ließen sich urbane Räume noch als Integrationsräume für Menschen unterschiedlicher
sozialer und auch kultureller Hintergründe beschreiben. Hartmut Häußermann schrieb dazu:
„Herausragendes Merkmal der europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts war und ist, dass sich
zwischen soziale Ungleichheit und Wohnbedingungen ein Puffer schob, der die Verdoppelung
von Benachteiligung durch sozialräumliche Ausgrenzung verhinderte“ (Häußermann, in:
Heitmeyer u.a., 162). Den Städten droht aber im Zuge von globalen wirtschaftlichen Verflechtungen, Konkurrenzdenken und dem damit verbundenen Wandel, den integrativen Charakter zu verlieren. Um sich auf dem Markt und gegen die internationale Konkurrenz behaupten zu können, muss die Stadt sich auf den internationalen Wettbewerb einlassen, dafür aber
auch attraktiv genug sein, um den Standort halten und ausbauen zu können. Die Stadt ist somit auch verantwortlich dafür, dass eine Umwelt bereit gestellt wird, welche neue Unternehmen anzieht und der Unternehmensgründung und –ausweitung förderlich ist.
Ausblendung von Armut und Verdrängung der Armen aus innerstädtischen Bereichen lässt
sich auch mit dem Wandel von Leitbildern in der Stadtentwicklung und –planung begründen.
„In einer Zeit, in der Menschen und Unternehmen angesichts des erreichten Standes der
Technik und der Infrastruktur hochmobil sind und sich nahezu an jedem Ort engagieren und
entfalten können, werden in Konkurrenz um kreative Menschen und Investitionen (...) die
sogenannten weichen Standortfaktoren wesentliche Wettbewerbsparameter. Das beginnt bei
Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt, bei qualitativ hochwertigen Bildungs- und Ausbildungsangeboten und reicht über eine funktionierende und moderne öffentliche Infrastruktur
hin bis zu einem vielfältigen und anspruchsvollen kulturellen Angebot, einer intakten Umwelt, einer hohen Lebensqualität, einem ansprechenden Wohnumfeld sowie einem attraktiven
städtebaulichen Gesamtbild usw.“ (Stadt Hamburg, 10).
Die Vorstellung einer Stadt als Gemeinwesen und Lebensraum verschiedener sozialer und
ethnischer Gruppen wird mehr und mehr in Frage gestellt und nun abgelöst vom unternehmerischen Gedanken zur Förderung der Standortqualität. Seit den 1980er Jahren lässt sich eine
Tendenz des Niederganges der industriellen Basis und des Ausbaus der Tertiärökonomie beobachten. Städte sehen sich veranlasst, ein unternehmerisches Profil aufzubauen und den
Raum als strategische Ressource zu betrachten. Die Stadtverwaltungen sind somit bemüht,
eine Strategie zu finden, um besonders die zentralen und öffentlichen Bereiche zu Konsum22
und Erlebnislandschaften umzugestalten. Die Nutzung des öffentlichen Raumes soll also vornehmlich des Konsums, der Freizeitgestaltung und des Entspannens einkommensstärkerer
Bevölkerungsgruppen oder Touristen dienen.
„Bei diesem Segregationsprozess spielen Zugangsmöglichkeiten zum Wohnungsmarkt, Attraktionskraft des Wohnumfeldes, geplante Zuweisungen, gruppenspezifische Anziehung
usw. eine ausschlaggebende Rolle. Sie wirken als Mechanismen zusammen, wenn städtebaulich ungleich strukturierte Stadträume sich zu sozialräumlich identifizierbaren Quartieren
entwickeln“ (Wohlfahrt, 108).
Innerhalb dieser Transformation urbaner Systeme lassen sich Veränderungen auf drei Ebenen
finden. Erstens lassen sich Veränderungen hin zu Privatisierungen und Kooperationen innerhalb der Verwaltungsebene feststellen. Als Beispiel sei hier die verstärkte Zusammenarbeit
von Polizei, Ordnungsamt und privaten Sicherheitsdiensten in Geschäftsbereichen genannt.
Auf der Ebene des Stadtbildes selbst wird vermehrt versucht, das Image und die Ästhetik der
Stadt aufzupolieren. Risikoloses Einkaufen in einer entspannenden, sauberen und »heilen«
Umgebung ist gefordert und wird versucht durchzusetzen. Zu guter Letzt geht es auch um die
Vorstellung, dass die moderne Stadt unternehmerisch gemanagt werden sollte. Innerhalb dieser Idee wurzelt auch die Absicht, öffentlichen Raum zu kontrollieren und die Gehwege vor
Geschäften zu privatisieren, also an die Geschäftsinhaber abzutreten. Wer investiert, erwartet
auch Rendite, welche in den Augen vieler Inhaber bei ungehinderter öffentlicher Nutzung
nicht mehr erwartet werden kann (vgl. Klas, in: Junge Welt: 12). Hinsichtlich der Umsetzung
von Standortpolitik lassen sich drei neuere Formen ausmachen, welche Attraktivität und
Wachstum fördern sollen:
-
Public private partnership: während einst eher traditionelle Formen von Kooperation
zwischen öffentlichem Sektor und Unternehmen bestanden (Subventionen, Steuervergünstigungen, etc.), sind heute vermehrt weitere wachstumsversprechende Formen
und Zusammenarbeiten aktuell. Vermehrt kommt es zu Privatisierungen von öffentlichen Aufgabenkreisen. Angefangen von privaten Firmen für die Reinigung der Städte,
über den Einsatz von Firmen aus dem privaten Sektor zur kostengünstigen Lösung sozialer Probleme, geht es so weit, dass private Sicherheitsdienste kommunal beauftragt
werden oder zumindest eine deutliche verstärkte Zusammenarbeit erfolgt (vgl. TaZ,
16.04.2010).
23
-
Förderung der ‚weichen‘ Stadortfaktoren: um ein positives Geschäftsklima zu erzeugen, müssen die so genannten weichen Standortfaktoren ausgebaut und attraktiv gestaltet werden. Beispielsweise lassen sich hier Bemühungen um die Ansiedlung von
Kultur- oder Freizeiteinrichtungen, Subventionen für Kunst, Theater und Ausstellungen nennen. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Faktor die Umgestaltung des
Stadtbildes wichtig. Alte Innenstädte werden somit saniert, es wird eine moderne und
multifunktionale Art von Umbauten bevorzugt und es wird eine – wie auch immer geartete – Ästhetisierung vorangetrieben.
-
Verdrängungsstrategien: um hochwertige Räume oder Orte zu schaffen und der damit
verbundenen Ausdehnung dieser Gebiete und Zentren der Stadt kann in dem Sinne
konflikthaft verlaufen, da vormals eher vernachlässigte Quartiere betroffen sind. Ein
Teil der Bevölkerung kann durch bessere Verfügbarkeit über Ressourcen die eigenen
Interessen wahrnehmen und sich ausbreiten, der andere Teil muss weichen. Dementsprechend werden auch Architektur und Planung ausgerichtet, deren Formen die
Macht eines Bevölkerungsteils in Beherrschung von Territorien und Räumen umsetzt.
Es lässt sich gewissermaßen von einer Raumstrategie sprechen, da bei der Kontrolle und Produktion oder Veränderung hinsichtlich der Bedeutungen und Materialität städtischer Räume
die räumliche Praxis als Mittel gegen Interessen oder in einem Konkurrenzverhältnis eingesetzt wird, wobei die Durchsetzung über die Ressourcen bzw. die dadurch gegebenen Machtmittel erfolgt. Zu den Raumstrategien zählen damit so gut wie alle Praxen außer jenen, bei
welchen die Wahl der Mittel keine gegenläufigen Interessen zu berücksichtigen hat.
Auch Lefébvre spricht an einigen Stellen in seiner Raumtheorie von strategischen Aspekten in
der Raumproduktion der Städte und führt hinsichtlich der Architektur aus: „Dieser Raum hat
nichts unschuldiges. Er dient Taktiken und Strategien; er ist nichts anderes als der Raum der
Produktionsweise, also der Raum des Kapitalismus, hervorgebracht von der Bourgeoisie“
(Lefébvre, 1974, 416). Weiterhin führt er aus, dass der strategische Raum es erlaubt „(…)
unruhige Populationen an den Rand zu drängen (…) - um die Zentren herum auszudünnen,
um dort die Preise der verfügbaren Gebäude zu steigern – das Zentrum als Ort der Entscheidung, des Reichtums, der Macht und der Information zu organisieren – für die hegemoniale
Klasse in den Mittelschichten und ‚Eliten‘ Verbündete zu finden (…)“ (ebd. 432).
24
3.4 Standortpolitik und Segregation
Einen Großteil der Stadtentwicklungspolitik macht – wie dargestellt – die Standortförderung
und dementsprechend die Förderung der Attraktivität aus. In Hinblick auf die Thematik von
Veränderungen des bisherigen urbanen sozialen Raums lasst sich ableiten, dass die Rolle der
Konsumenten für den öffentlichen Raum der Städte bestimmender wird und der öffentliche
Raum sich dementsprechend immer mehr zum Raum der Konsumenten entwickelt. Die Reformierung des öffentlichen Raums für die Konsumbedürfnisse teilt dabei die Städte in aufgewertete Gebiete, in welchen die zahlungskräftigen Konsumenten ihren Bedürfnissen als
Kunden, Mieter, Gäste der Freizeitangebote und Cafés, etc. nachgehen können und sich in den
aufgewerteten Räumen aufhalten. Andererseits werden andere Räume bzw. Wohnumfelder
abgewertet, da die weniger zahlungskräftigen Menschen aus den aufgewerteten Räumen ausgeschlossen bzw. verdrängt werden (beispielsweise durch Mietanpassungen, das ‚AntiBettler-Gesetz‘, Verbot von ‚herumlungern‘ und Lagern, verdachtsunabhängige Kontrollen).
Das Leben in den Zentren soll durch die sichtbaren Probleme nicht gestört werden: „Wer mag
beim ‚Shoppen‘ schon über einen Landstreicher steigen, der sich auf einem Karton vor einer
Designerboutique zum Betteln hingelegt hat? So ist auch zu verstehen, dass sich der Wohlstand auf Kosten der Armut ausbreitet, dass heute nicht mehr von ‚Armut im Wohlstand‘,
sondern von ‚Armut durch Wohlstand‘ die Rede ist“ (Reutlinger, 23).
Es sind aber nicht nur die monetären Verhältnisse, welche den Prozess der Segregation fördern, sondern vor allem die Lebensstile der Mehrheitsgesellschaft, welche andere Gruppen zu
Minderheiten macht. Hier ist aber zu beachten, dass ‚Mehrheit‘ nicht im wörtlichen Sinne
verstanden werden darf, da die Mehrheit im Prozess der Umstrukturierung eher diejenigen
Menschen bezeichnet, welche die Definitionsmacht hat, also über Veränderungen im öffentlichen Raum – u.a. über die Ressourcen Rang und Wissen – bestimmt. „Beschreibend meinen
die Begriffe Sozialraum und sozialräumliche Segregation den empirisch nachgewiesenen Tatbestand der Segregation und Konzentration bestimmter sozialer Schichten, sozialer und ethnischen Gruppen in bestimmten Wohngebieten/ -quartieren der Städte, oder anders ausgedrückt:
die Übertragung sozialer Ungleichheiten in den territorialen (städtischen) Raum“ (Krummacher u.a., 12). In der Regel wird mit Segregation vornehmlich Negatives in Zusammenhang
gebracht. Es wird aber teils auch davon ausgegangen, dass eine funktionale (vorübergehende)
oder freiwillige Segregation hilfreich sein könne, da besonders zugewanderte Personen somit
in bestimmten Räumen eine erste und vor allem vertraute Stütze bekommen bzw. einen
Rückhalt erfahren können, eine erzwungene Segregation aber abzulehnen ist (vgl. u.a. Heitmeyer, 443f). Die Gegenüberstellung Heitmeyers erscheint zwar in einem gewissen Sinne
25
sogar logisch oder nachvollziehbar, doch ist es fraglich, ob diese Position sozialpolitisch und
stadtentwicklungstechnisch Sinn macht oder überhaupt vertretbar ist, da zwischen beiden
Formen der Segregation, wie Heitmeyer sie versteht, Zusammenhänge bestehen. Der freiwillige Wegzug von Mittelschichten aus ehemals sozial gemischten Gebieten hat zur Folge, dass
ein Charakter erzwungener Segregation entsteht, die Konzentration sozial benachteiligter Personen sich in den Gebieten, welche als benachteiligt und benachteiligend gelten, konzentriert
und der Raum weiter abgewertet wird (vgl. Dangschat, in: Kecskes, 53f). In diesem Sinne und
in Verbindung mit der weiteren (sozio-) ökonomischen Aufwertung von innerstädtischen Bereichen inklusive des dort verfügbaren Wohnraums – was sich als selektive Verdrängung deuten lässt – kann man von der Segregation ausgehend bereits eher von einer Gentrifizierung
sprechen. Für besser gestellte, konsumorientierte oder ‚hedonistische‘ Gruppen bzw. Menschen werden die innerstädtischen oder zumindest die nähere Umgebung derselben zunehmend attraktiv (gemacht), was die Nutzungsmöglichkeiten des Raums über soziale Vermittlungen und Anpassungen im Sinne der besser gestellten Nutzer verändert, die Zugänge und
Möglichkeiten der Teilhabe – sowohl sozialer, als auch hinsichtlich von Konsum - benachteiligter Personen und Gruppen aber deutlich erschwert. „Diese Schicht, die sich in erster Linie
durch ihre Nichtteilhabe am ökonomischen Kern der städtischen Wirtschaft (…) charakterisieren lässt, ist stark fragmentiert und umfasst die unterschiedlichsten Wertvorstellungen, Lebensstile und Kulturen“ (Schnur, zit. nach Reutlinger, 99). Zwar sind Stadtentwicklungspolitiken auch bemüht, die Verlierer der Entwicklungen zu berücksichtigen und zu unterstützen,
dennoch wird der größte Teil der Energie auf die Standortförderung verwandt. Soziale Problemlagen werden eher sozial und räumlich ausgegrenzt, da dieses mit der Umsetzung der
Standortpolitik konform geht und im Sinne der Aufwertung gar notwendig erscheint. Die Verlierer werden eingeengt und in weniger attraktive, benachteiligte und schleichender Abwertung unterliegender Räume verdrängt. „Diese Räume sind ihrerseits durch räumliche Konzentrationen weiter [sic!] struktureller Nachteile gekennzeichnet (Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, Unterversorgung in der Nahrungsversorgung, der Bildung und der Gesundheit). Damit
ist die Basis für eine weitergehende stadtgesellschaftliche Desintegration und stadtstrukturelle
Erosion gelegt“ (Dangschat, in: Kecskes, 70f). So scheint es, als könne man die Gewinner und
Verlierer trennen und territorial verorten. Auch im Sinne von Teilhabe geht es aber nicht nur
um Territorien, in welchen „(…) die Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen leben
und handeln. Es geht vielmehr um die Handlungen der Menschen unter unterschiedlichen,
sich ständig in ihren Möglichkeiten differenzierenden Voraussetzungen“ (Reutlinger, 101).
26
4 Exklusion, Szenen und Bedeutung zentraler Orte
4.1 Ungleichheit und Exklusion
In Hinsicht auf den Strukturwandel der Städte und der gleichzeitigen Abschwächung von sozialstaatlicher Integrations- und Regulationspolitik lässt sich von einer Entgrenzung von Politik und Sozialstruktur sprechen. Einerseits wird auf die zunehmende Biografisierung von Ungleichheit hingewiesen und eingewandt, dass die klassengesellschaftlichen Tiefenstrukturen
weiterhin wirken, andererseits wird aber auch eine zunehmende Segmentierung von Zugängen
und gesellschaftlichen Bezugssphären beobachtet. In diesem Zusammenhang wird gefordert,
dass in der Konsequenz der biografischen und gesellschaftlichen Dynamik die Sozialstrukturanalyse mit der Lebensstilanalyse verbunden werden müsse (vgl. Hradil, 13f). Wie bei anderen Entgrenzungprozessen auch, ist zu beobachten, dass die Auflösung von Strukturmustern
oftmals mit der Freisetzung neuer Grenzen einhergeht. In der Analyse der Sozialstruktur der
Gegenwart wird dabei auch deutlich, dass soziale auf- oder Abstiegsprozesse nicht mehr nur
Milieu- oder Klassengebunden sind, sondern in großem Maße biografisiert sind. Gleichzeitig
ist aber eine starke Tendenz der Spaltung bzw. Segmentierung innerhalb der Gesellschaft mit
einhergehender Abschottung der Segmente untereinander beobachtbar. „Hier bildet sich die
Ambivalenz von Kapital und Arbeit im Neokapitalismus ab: Einerseits agiert das neokapitalistische Programm jenseits von Klasse und Geschlecht, propagiert prinzipiell biografische
Erreichbarkeiten, allerdings abstrakt für alle Bildungs- und Aufstiegswilligen; gleichzeitig
führt die nun ungleiche Relation von Arbeit und Kapital dazu, dass der Arbeitsmarkt deutlich
segmentiert ist, nur ein Kernsegment den inneren Erfolgskreis erreichen kann, während im
Mittelsegment sich Arbeitsverhältnisse auf dem Kontinuum von qualifizierter Arbeit bis hin
zu prekärer Arbeit formieren. Davon deutlich getrennt und sozialstrukturell abgeschottet (…)
hat sich ein Randbereich ausgeweitet, in dem sich der ökonomisch nicht gebrauchte Teil der
Bevölkerung – Arbeitslose und sozial Ausgegrenzte – einrichten muss“ (Böhnisch, 104).
Bei der Rede von klassengesellschaftlichen Einflüssen sollte aber auch beachtet werden, dass
es sich nicht unbedingt um festgeschriebene und sichtbare Konstellationen handelt, sondern
mehr um eine Dynamik der Freisetzung. Hinsichtlich der Bewältigung und dem Gelingen
oder Nichtgelingen derselben können Herkunft und existierende Netzwerke den Ausschlag
geben. Dieser Einfluss kann aber durch die soziokulturelle Nivellierung verdeckt sein, da es
zu der Konstellation kommen kann, dass der konsumtiv ausgerichtete Lebensstil nicht mit der
Erreichbarkeit von (sozialen) Chancen zusammenpasst. Letztlich zeigen in diesem Zusammenhang tiefenstrukturelle Faktoren der Ungleichheit ihren Einfluss. (vgl. Ronneberger, 50f).
In diesem Zusammenhang werden durch die Spannung von Ungleichheit und Nivellierung
27
identitätsdynamische Prozesse ausgelöst, von welchen Individuen in allen genannten Segmenten beeinflusst werden können. „Soziale Abstiege werden als Identitätsverlust empfunden,
Bewältigungsprozesse laufen vor allem über die Inszenierungen von Lebensstilen, welche
soziale Ungleichheit und soziale Benachteiligung überformen“ (ebd., 105).
In der Vorstellung und in der Analyse von aufgewerteten innerstädtischen Bereichen und der
Benachteiligung bestimmter Gruppen schwingt auch mit, dass es bei dem Gedanken an Ausgrenzung nicht nur um den materiellen Aspekt geht. Wenn von Exklusion gesprochen wird,
hat Armut natürlich auch eine zentrale Bedeutung, jedoch ist der Armutsbegriff vorrangig auf
die materielle Deprivation fokussiert, während Exklusion die multiple mangelnde Teilhabe
am sozialen Leben aufgreift. In Anlehnung an Martin Kronauer lässt sich die soziale Exklusion als ein Ausschluss von den gesellschaftlichen Beziehungen, welche über Arbeitsplatz und
soziale Netze entstehen, sowie den Ausschluss von kultureller, politischer und materieller
Teilhabe fassen (vgl. Kronauer, 152ff). Wenn sich die soziale Exklusion also als mehrdimensionales Konstrukt aus Deprivation und Marginalisierung handelt, verweist die Ausgrenzung
auch darauf, dass es sich bei dem „(…) Phänomen sozialer Benachteiligung um dynamische
Prozesse handelt, bei denen am Ende einer ‚Spirale der Präkarität‘ (…) ein Zustand der Ausgegrenztheit eintreten kann. (…) Der Begriff sozialer Exklusion beschreibt (…) sowohl die
soziale Lage multipler Deprivation als auch Prozesse, die eine solche Lage hervorbringen
können“ (Mohr, 28f). Der Ausgrenzungsbegriff impliziert weiterhin, dass dieser – im Gegensatz zu den einzelnen Faktoren – nicht als die soziale Lage des einzelnen Individuums, sondern vielmehr als ein Gesellschaftsverhältnis begriffen werden muss, da die Exklusion auch
durch Unternehmens- und stadtpolitische Strategien, Institutionen und wohlfahrtsstaatliche
Regelungen stattfindet. Kronauer arbeitet in dieser Hinsicht auch heraus, dass „(…) sich die
Begriffe ‚Exklusion‘ und ‚Underclass‘ (…) auf eine spezifische historische Konstellation des
gesellschaftlichen Umbruchs beziehen“ (Kronauer, 27).
28
4.2 Szenen, Teilhabe und das Gefühl von Gemeinschaft
Wie bereits angeführt, findet Bewältigung von Exklusion oder Identitätsverlust auch durch
Inszenierungen statt. Im einfachen Wortsinne sind Straßenszenen, wie sie im urbanen Raum
vielerorts anzutreffen sind, Inszenierungsphänomene. Sie manifestieren sich für Außenstehende, wie auch für die Szeneangehörigen in dem Sinne, dass sie an Orten von Kommunikation und Interaktion sichtbar werden. Die Partizipation an einer Szene bedeutet für den Akteur
dementsprechend eine sowohl kommunikative, als auch interaktive Präsenz, mit gleichzeitiger
Abschottung von dem weiteren Publikum. Die Abgrenzung findet dabei auch dadurch statt,
dass sie die jeweilige Szene durch den gemeinsamen Konsum eines bestimmten (Erlebnis)Angebotes konstituiert. Doch kommt die Szene nicht ohne ihr Publikum aus, da sie sich
durch ihre Auftritte auch immer wieder selbst neu ‚in Szene‘ setzt. Durch die Inszenierung
wird auch ermöglicht, dass aufgrund der Zeichen, Rituale, Verhaltensweisen und Zuschreibungen eine soziale Verortung und Einordnung der zugehörigen Individuen stattfindet (vgl.
Schulze, 463f).
Wenn man nun davon ausgeht, dass sich Szenen im Kontext von Kommunikation und Interaktion bilden und die Kultur sich durch einen gemeinsamen – wie auch immer gearteten –
Konsum, durch Codes, Verhaltensweisen, Wissensbeständen, etc. auszeichnet, reicht zum
Eintritt in die Szene zunächst das Interesse aus, wobei eine volle Teilhabe oder ‚Mitgliedschaft‘ erst durch die Aneignung und Anwendung der szenekonsensuellen Verhaltensmuster
usf. erreicht werden kann. Das Szeneleben besteht somit typischerweise nicht allein im Miteinander und dem Gefühl der Zugehörigkeit, sondern zeichnet sich auch dadurch aus, dass persönliche (soziale) Erfahrungen gemacht werden, Wissen erweitert oder Fertigkeiten erlernt
werden können. In alleiniger Teilhabe an dem Miteinander kann sich aber nicht der Kern der
Verszenung festmachen lassen. Das Miteinander, die Zugehörigkeit oder das ‚Wir-Gefühl‘ ist
durch die zumeist offenen und meist wenig vorhandenen Sanktionsinstanzen – außer bei deutlichen Normverstößen - hinsichtlich von Ein- oder Austritten in Verbindung mit den meist nur
teilzeitlichen und themenspezifischen Normierungen als Gemeinschaft eher als labil zu beschreiben. Das Wir-Gefühl wird im Rahmen der konstituierten Szene reproduziert. Das Zusammensein der Szene ist nun aber typischerweise ein zeitlich begrenztes. Wegen der dadurch
verstärkten Labilität sind die Treffpunkte von hoher Bedeutung, da sich an diesen Orten nicht
nur die Kultur, sondern auch die Zugehörigkeit reproduziert. „Je nach Szene kann die Aufeinanderfolge von Treffpunkten (…) unterschiedlich gestaltet sein, für alle Szenen gilt jedoch,
daß man (die) Treffpunkte kennt, an denen man zumindest eine gute Chance hat, auf andere
Szenegänger zu stoßen (…)“ (Hitzler u.a., 24).
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Wenn man dem Stellenwert des Raumes mit Blick auf die Treffpunkte und genutzten Orte
von Szenen nachgeht, trifft man auch wieder auf die Dimensionen der Konstitution von
Raum. Wie weiter oben beschrieben, hat Martina Löw darauf hingewiesen, dass Menschen
und Objekte synthetisch und relational angeordnet sind, Räume nicht immer sichtbar und
dennoch wahrzunehmen sind, da eine Potentialität der Räume die (gesellschaftlich hergestellte) Atmosphäre ist. Damit rückt auch ein Verhältnis zwischen Körper und Raum in das Blickfeld, da Gefühlslagen angesprochen werden, welche in der Wechselwirkung zwischen Subjekt
und Raum entstehen. Die Existenz und Verwendung der Atmosphäre – auch als Kommunikationssystem – weist auch auf vielschichtige Formen der Verständigung zwischen verschiedenen Individuen und ihre Wechselwirkung mit dem Raum oder Ort hin. Dabei ist zu beachten,
dass sie von Subjekten geschaffen und empfunden werden kann, eine bestimmte Wirkungsweise aber nicht unbedingt vorhanden ist, so dass unterschiedliche Individuen sie auch auf
verschiedene Art und Weise empfinden und verstehen. Wenn man den Stadträumen nun eben
diese Atmosphäre zuspricht, ist festzuhalten, dass sie zielgerichtet geschaffen ist und soll von
bestimmten Zielgruppen ‚gelesen‘ werden oder auch nicht.
Mit dieser Potentialität sind die Räume ebenfalls eine Art Akteur und dementsprechend auch
eine gewisse Größe im Rahmen der Konstituierung von Szenen oder weiteren Vergemeinschaftungsformen. Der Ort des Zusammenkommens bzw. die Treffpunkte von Szenen sind
demnach nicht rein physisch, sondern auch eine Variable, welche ausgewählt wird, da die
Atmosphäre dem Gruppenprozess und der Inszenierung dienlich ist oder er für die Inszenierungsmöglichkeiten und affektiven Identifizierungsprozesse gar notwendig erscheint. Die
Analogie zwischen ‚Szene‘ und ‚in Szene setzen‘ verbindet auch die jeweilige Szene oder
Vergemeinschaftungsform mit der Atmosphäre des Ortes. Durch die Inszenierungen und den
temporären Aufenthalt der Individuen als Szene in öffentlichem Raum und an dessen Orten,
welche gewissermaßen als Bühnen genutzt werden, erfährt sich die Szene durch die emotionale Präsenz selbst in ihrer Leiblichkeit. Beispielweise schaffen sich Skater/Skateboarder im
urbanen Raum eine Art Arena oder Bühne, auf welcher sie sich in der Öffentlichkeit produzieren, ihre Körper über akrobatische Vorführungen der städtischen Gemeinschaft präsentieren und sich so auch selbst als (temporäre) Gemeinschaft inszenieren. Auch andere Szenen
und Phänomene, wie sie im innerstädtischen Bereich auftreten, lassen sich als der Versuch
von Individuen deuten, körperliche Erfahrbarkeit und eine Teilhabe an den bewusst gewählten
öffentlichen Orten zu erreichen und sich weiterhin über den Sozialraum durch Selbstbehauptungsbemühungen integrative Möglichkeiten und Horizonte der Integration offen zu halten.
30
4.3 Lebensmittelpunkt Straße
Aufgrund der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Straßenszenen oder Gruppen, welche
sich vorrangig im öffentlichen Raum aufhalten, lässt sich festhalten, dass es ‚die‘ Straßenszene nicht gibt. Es können jedoch gemeinsame Hintergründe existieren, welche dazu führen,
den öffentlichen Raum oder bestimmte Orte als einen der wichtigsten Bezugsräume zu wählen. Wenngleich ein großer Teil der sozial schwächeren Schichten sich ein, wenn auch prekäre und brüchige Integration in die Gesellschaft bewahren kann, scheitert im Vergleich ein
anderer Teil doch an den entbehrungsreichen und ausschließenden Hürden auf eine radikale
Art und Weise.
Der Ausgangspunkt einer Verlagerung von Bezügen und wichtigen Orten kann einerseits, wie
man zumindest bei Gruppierungen wie den Skatern/Skateboardern feststellen kann, in der
architektonischen Umgebung, die sich als Bühne der Präsentation nutzen lässt, liegen. Andererseits ist ein anderer Ausgangpunkt der, dass – besonders bei jungen Menschen – familiäre
Probleme, Erfahrungen von Gewalt, Verwahrlosung oder immer wieder kehrender Konflikte
die Auslöser dafür sind, mit dem bisherigen Lebensweg zu brechen. Weiterhin sind – wie
bereits angesprochen - besonders die Wohngebiete und Räume, in welche die aus aufgewerteten Räumen verdrängten Personen aufgrund erhöhter Mietpreise etc. ziehen, oftmals strukturell weit weniger attraktiv, als zentrale Orte der Stadt. Da es in den Familien oder im Stadtteil
selbst keinen ausreichenden Rückhalt, wenig Freizeitmöglichkeiten oder keinen Ort gibt, an
den man sich hinwenden kann, werden in der Hoffnung Anschluss zu finden die Orte aufgesucht, welche eine ‚lebendige‘ Umgebung bieten und als Szenetreffpunkte bekannt sind.
Selbst wenn nun aber der vorrangige Aufenthalt im öffentlichen Raum und ‚auf der Straße‘
als eine letzte Option erscheint, da augenscheinlich keine Alternativen vorhanden ist und Bezüge gering sind, so handelt es sich aber dennoch teilweise um eine eigenständige Entscheidung. Teilweise daher, da besonders die jüngeren Menschen, welche sich unter Wohnungslosen finden, mit der Daseinssicherung (Wohnung, Sozialleistungen, etc.) überfordert sein können. Die Treffpunkte, Orte und der städtische Raum sind aber nicht als Endstation zu betrachten, sondern bieten vielmehr Möglichkeiten zum Gelderwerb, sozialem Austausch und zur
Sammlung von Erfahrungen. Ebenso wird das Gefühl erweckt, noch nicht vollständig ausgeschlossen zu sein und an der Erlebniswelt teil zu haben (vgl. Degen, 105). Das der Aufenthalt
bzw. die bevorzugten Treffpunkte tagsüber an stärker frequentierten Orten der Städte stattfindet, lässt sich unter Anderem darauf zurückführen, dass für bestimmte Szenen (beispielsweise
Obdachlosen- und teils überschneidend die offene Drogenszene) dort der Bedarf an materiellen Dingen und vor allem an Bargeld bestmöglich gedeckt werden kann. Die dem Gelderwerb
31
dienenden Tätigkeiten werden dorthin verlegt, wo die besten Chancen erwartet werden und
bestehen, den Gelderwerb zu maximieren.1 Die wichtigsten Einkommensquellen für die angesprochenen Szenen ist einerseits die Sozialhilfe oder ALG II (wenn auch nicht alle Personen
diese Hilfen beziehen), andererseits aber auch Tätigkeiten wie Pfandflaschen sammeln, Drogenhandel, die Suche nach Kleingeld in Parkuhren und teilweise Prostitution (vgl. Kokot,
19f). Auch der Verkauf von Straßenmagazinen wie ‚Hinz & Kunst‘, ‚Fifty-Fifty‘, ‚Abseits!?‘
und anderen findet aus ersichtlichen Gründen eher in der Innenstadt statt, wobei die Orte des
täglichen Aufenthalts sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe befinden. Ein weiterer Grund für
den Aufenthalt an öffentlichen, zentralen Orten ist, dass dort trotz deprivierter oder exkludierter Lage immer noch eine gewisse Teilhabe an dem öffentlichen Leben möglich ist. Ein wichtiges Argument, welches in Interviews genannt wurde, war immer wieder, dass – abgesehen
von mehr potentieller ‚Kundschaft‘ hinsichtlich des Bettelns - an den Orten ‚mehr los‘ ist und
‚es immer etwas zu sehen gibt‘. Zudem bestehen an hochfrequentierten Orten des öffentlichen
Lebens zumeist die Möglichkeiten, Einkäufe zu erledigen, öffentliche Toiletten aufzusuchen,
einen Kaffe zu erwerben oder weitere Versorgungseinrichtungen zu nutzen (vgl. Gruber, 40f,
auch: Malyssek). Obdachlosigkeit oder besser Wohnungslosigkeit, da Obdach im Sinne von
Notunterkünften, Tagesaufenthalten oder der Unterkunft bei Bekannten vorhanden sein kann,
ist dabei allerdings die extremste Form des Ausschlusses aus den meisten Lebensbereichen.
Die Flucht auf die Straße kann in Hinsicht auf den Verlust von Möglichkeiten der Individualintegration als ein Versuch gewertet werden, den Problemen und dem problembehafteten
Kontext zu entgehen (vgl. Degen, 5). Während die Flucht aus belasteten oder belastenden
Verhältnissen und Sozialisationskontexten einen ersten Ausweg zu versprechen scheint, sind
jene, die den Weg ‚auf die Straße‘ oder in Szenen, welche sich vorrangig im öffentlichen/öffentlich zugänglichen Raum aufhalten, allerdings umso mehr den gesellschaftlichen
Ausgrenzungstendenzen und Anfeindungen konfrontiert, welche sich außer in der materiellen
Armut auch in (strukturellen) Gewalterfahrungen und negativen Erfahrungen mit Justiz, Polizei und Ordnungsamt manifestieren. Zusätzlich fehlt der Wohnungslosen- und offenen Drogenszene zumeist ein persönlicher Rückzugsbereich für Privat- und Intimsphäre, welchen
Katja Maar als die Hinterbühne bezeichnet. Damit geht auch der Verlust der Möglichkeit zur
persönlichen Reproduktion einher, dass heißt, der Möglichkeit zum Erneuern von Energie und
1
Wenn man einmal annimmt, dass für Alkohol und Tabak täglich ca. 20,00€ benötigt werden, zusätzlich noch
weitere Ausgaben von 100,00€ monatlich getätigt werden müssen (Nahrung etc.), werden für den gesamten
Monat rund 700,00€ benötigt, wohingegen die Grundsicherung derzeit 359,00€ beträgt. Daher erscheint es logisch, die ‚Arbeit‘ als Bettler in stärker frequentierten Raum zu verlegen.
32
Kraft. Die Situation zwingt die Menschen dazu, ihr Leben der Öffentlichkeit zu präsentieren
und ständig auf der Vorderbühne zu stehen. Nahrungsaufnahme, Hygiene, Konflikte und auch
intime Beziehungen finden immer vor den Augen anderer Personen statt (vgl. Maar, 23). Die
Bewältigung des Alltags heißt auch, „(…) vergessen und verdrängen, abspalten und sich abstumpfen lassen durch ritualisierte Gewohnheiten, das Arrangement mit dem Unausweichlichen (…) und Selbstbehauptung“ (Geiger, 62). Die Suche nach Annahme, Verständnis und
Teilhabe an den Sozialtechniken und Hilfen in der Gruppe, die tägliche Selbstbehauptung und
der Kampf um Status in der Gemeinschaft muss zudem mit viel Kraft bewältigt werden. Nicht
für alle stellt sich die Welt auf der Straße gleich dar. Jeder lässt sich auf eine andere Art und
mit anderer Intensität auf das Leben auf der Straße und in der Gruppe ein, ist mal stärker und
mal weniger involviert. Auch die szenezugehörigen einzelnen Gruppen und Zusammenschlüsse können, trotz aller äußerlicher Gemeinheiten und des Status in der Szene, unterschiedlich sein (vgl. ebd., 62f). Dennoch muss das Verbringen der Zeit in diesen Räumen
auch als Stabilisierung verstanden werden. Der Verlust oder das Herausfallen aus den bisherigen Lebensbezügen findet hier zumindest erst einmal ein Ende, da die Straßenszene sowohl
Formen von sozialer Integration, als auch neue Chancen der Selbstbehauptung bieten kann.
Die Szene und die Umgebung bieten eine Art Ersatzzuhause, wo zumindest ein ‚Wir-Gefühl‘
erfahren wird und der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Der Raum und die Szene wird
als die Möglichkeit zur Führung des eigenen Lebens und des Aufbaus von Freundschaften
und Netzwerken genutzt, welche der gegenseitigen materiellen, emotionalen und sozialen
Unterstützung trotz der Exklusion aus den meisten Bereichen möglicher Teilhabe dienen.
33
5 Kriminalitätsfurcht, Überwachung und Kontrolle
Insbesondere die großen Städte gelten als Ballungszentren für soziale Probleme, wobei im
öffentlichen Bewusstsein, sowie in den Sozialwissenschaften der Faktor Kriminalität als ein
wichtiger Faktor bezüglich des gesellschaftlichen und städtischen Wandels gilt.
Jedoch ist auch zu beachten, dass sich im städtischen Raum sozialer Wandel als eine physische Erfahrung repräsentiert, welche sich in Emotionen wie Angst oder Aggression, Veränderungen des Selbstwertgefühls, Veränderungen des Umgangs mit anderen Personen und der
Identitätsgewinnung widerspiegelt. Im urbanen Raum findet eine direkte Konfrontation mit
sozialer Ungleichheit durch ethnische Schichtungen, städtebauliche Segregation und den Aufenthalt verschiedenster Gruppen oder Einzelpersonen statt (vgl. Karstedt, in: Mayerhofer,
23f). Folgend soll nun genauer auf das Sicherheitsgefühl der deutschen Bevölkerung - mit
dem besonderen Augenmerk auf urbane Gegenden - sowie die Kriminalitätsbewertung und
Kriminalisierung von Straßenszenen und deren Mitgliedern eingegangen werden.
5.1 Sicherheitsgefühl in urbanen Räumen
Durch die bereits vorgestellten Prozesse der Aufwertung innerstädtischer Bereiche und der
damit einhergehenden Rückführung einkommensstärkerer Haushalte geht die Verdrängung
anderer Schichten, die Entwicklung der Stadtkerne zu Orten des Konsums und der Auf- und
Ausbau gut bezahlter Arbeitsplätze in Dienstleistungs- und Finanzbereich einher. Dieser
Wandel lässt auf enger werdendem Raum die unterschiedlichsten Gruppen aufeinanderprallen, wodurch eine Konfliktstruktur entsteht, welche „(…) ihren Ausdruck in Kriminalitätsfurcht der Bewohner, Furcht vor territorialem Kontrollverlust und (…) der Aktivierung von
territorialen Kontrollen findet“ (ebd. 40).
In diesem Bezug lässt sich eine Kriminalitätsfurcht nicht als Sachverhalt darstellen, welcher
anhand von Fakten mit dem Risiko einer Viktimisierung rational in Verbindung gebracht
werden kann. Vielmehr wird die Kriminalitätsfurcht lokal konstruiert und geht auf Merkmale
von Raum- und Kulturstruktur der Stadt zurück. In diesem Zusammenhang sind die Präsenz
fremder oder als fremd empfundener Personen, bauliche Veränderungen oder unkontrollierbare Eingriffe wie Sachbeschädigung oder Graffiti wichtige Faktoren. Weiterhin wird die staatliche Kontrolle in bestimmten Bereichen wie Schwimmbädern, Einkaufspassagen und Bahnhöfen mehr und mehr durch private Sicherheitsdienste abgelöst, was durch deren ständige
Präsenz einer Abnahme von Furcht mehr abträglich ist, als dass ein Sicherheitsgefühl gefördert wird. Anfangs mag die verstärkte Präsenz von Sicherheitsdiensten zwar das Sicherheitsgefühl fördern, jedoch verkehrt sich der Effekt ins Gegenteil, wenn die Sicherheitsdienste
34
täglich oder fast täglich in Erscheinung treten, da es einen Grund geben muss, dass eine ständige Gegenwart der Sicherheitsleute vonnöten ist (vgl. Reuband, in: Reichertz, 241). Um aber
zu klären, warum Räume als gefährlich oder bedrohlich eingeschätzt werden, muss dieses
Zustandekommen der Einschätzung noch näher erläutert werden. In der Literatur lassen sich
Einflussfaktoren finden, welche die Einschätzung als gefährliche Gegend begünstigen. Eigene
Viktimisierungserfahrungen oder die berichtete Erfahrung durch andere Personen über eine
entsprechende Gegend kann zweifelsohne zu der Charakterisierung eines Gebietes als gefährlich führen. Diese Schlussfolgerung ist aber nicht unbedingt unumgänglich und nicht so verbreitet, wie man annehmen könnte. Weiterhin spielt das Erscheinungsbild eine Rolle bei der
Einschätzung der Gefährlichkeit eines Raumausschnittes. In kriminalpolitischen Diskussionen
wird die Rolle des Zustandes einer Gegend unter dem Schlagwort ‚Broken Windows‘ thematisiert. Verschiedene Untersuchungen bestätigen hier, dass ein Zusammenhang zwischen Erscheinungsbild und Einschätzung der Gefährlichkeit besteht. Anzumerken sei hier, dass aber
nicht der Zustand an sich, sondern vielmehr die zugeschriebene Bedeutung des Zustandes eine
Ängstigung hervorruft. Auch fraglich ist, ob bei den Untersuchungen der Zusammenhänge
tatsächlich nur Kriminalitätsfurcht abgefragt wird, oder unter anderem auch jene vor Verfall
und Unordnung. Demnach wäre der Zustand der Gegend an sich ein Problem, stünde aber
nicht direkt im Zusammenhang mit Kriminalitätsfurcht. Helfen könnte eher die Stadtreinigung, als der Einsatz verschärfter Sanktionen und die Kriminalpolitik (vgl. Belina, 99).
Genauso verhält es sich auch mit der Anwesenheit bestimmter Personengruppen wie Bettlern,
Jugendlichen, Prostituierten oder Drogenabhängigen. Auch hier kann unter der Begrifflichkeit
‚Broken Windows‘ argumentiert werden, doch auch bei Personengruppen kann man sagen,
dass eher das störend empfunden wird, was individuell unterschiedlich mit den Personen verbunden wird und nicht die Person an sich. Auch hier muss es somit keine direkte Kriminalitätsfurcht hinsichtlich des Individuums geben, da sie nicht notwendigerweise als direkte Gefahr eingestuft wird. Eine weitere entscheidende Rolle spielt die Medienberichterstattung,
welche in den meisten Fällen die einzige Quelle zum Thema Kriminalität darstellt. Die Berichterstattung erfolgt dabei dem Medieninteresse an Einschaltquoten oder Auflagenstärke,
berichtet daher über eher außergewöhnliche Themen und rückt Sensationen oder das, was
dafür gehalten wird, in den Vordergrund. Das soll aber nicht heißen, dass das Interesse oder
die Angst alleine durch medialen Einfluss produziert wird, sondern dass Medien die kollektive Erfahrung aufgreifen, reproduzieren, verstärken und vor allem auch dramatisieren (vgl.
Garland, 287f). Dieser Prozess lässt sich auch für bestimmte Stadtgebiete verfolgen, welche
durch Berichterstattungen in einem schlechteren Bild dastehen, als es tatsächlich der Fall ist
35
und durch die Zuschreibungen einem schlechten Ruf anheim fallen. Für die Straßenszenen ist
es dabei oftmals unmöglich, sich gegen derartige Zuschreibungen und eine Kriminalisierung
zur Wehr zu setzen. In einigen Fällen kann aber sogar ein Interesse daran bestehen, diese Personengruppen als gefährlich darzustellen, wenn noch andere Interessen als ein Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung im Spiel sind.
Im Rahmen einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung hat das Bundeskriminalamt das
Sicherheitsgefühl hinsichtlich Kriminalität und öffentlichem Raum abgefragt. Unter anderem
wurden dabei auch Gründe abgefragt, warum sich Personen in einer bestimmten Gegend unsicher fühlen. Bei den Items ‚Betrunkene‘, ‚Penner‘ und ‚herumlungernde Personen‘ fühlte sich
jeder Vierte zwar belästigt, jedoch nicht beunruhigt. ‚Beunruhigung‘ oder ‚Angst‘ gaben nur
zehn Prozent der männlichen und achtzehn Prozent der weiblichen Befragten an, wobei der
Hauptanteil sich eher beunruhigt fühlte. Die restlichen Befragten waren gleichgültig gegenüber genannten Personen eingestellt oder gaben an, dass es das in ihrem Umfeld nicht gäbe
(vgl. Dörmann/Remmers: 34f). Auch in diesem Fall zeigt sich, dass verschärfte Kontrollen
und eine Vertreibungsstrategie hinsichtlich der Mitglieder von Straßenszenen sich nicht mit
dem Sicherheitsgefühl innerhalb der Bevölkerung und einem Schutzauftrag in Einklang bringen lassen.
5.2 Ideologische Legitimierung von Kontrolle und Verboten
Die lokale Standortpolitik auf lokaler Ebene verfolgt die Zwecke des Schaffens einer Umgebung, die den konsumorientierten Aufenthalt ermöglicht und die erwünschte Kundschaft zum
Verweilen einlädt. Hinsichtlich der Kontrollen, Vertreibungen und Verboten ist die lokale
Politik, welche bezüglich der Maßnahmen mit der ‚Ideologie der Kriminalität‘ arbeitet, Nutznießer der nationalen Kontrollpolitik. Erst durch das Recht – also auf der nationalen Ebene –
wird die ‚Kriminalität‘ geschaffen, später durch die lokale Stadtpolitik verortet und zugeschrieben. Dazu soll folgend erst einmal geklärt werden, wie die ‚Ideologie der Kriminalität‘
durch ‚Kriminalisierung‘ geschaffen wird.
5.2.1 Das Konstrukt der Kriminalität
Im alltäglichen Leben und in den Medien erscheint es ziemlich eindeutig, was kriminell ist
und was nicht: „Prügeln, Rauchen von Haschisch und Mord sind kriminell. Boxkämpfe, Trinken von Alkohol und Friedenseinsätze gegen Serbien sind es nicht“ (Belina, 2000, 100). In
den Wissenschaften erscheint es ebenso, dass man dem Sachverhalt ansehen kann, ob etwas
kriminell ist oder eben nicht. In dem objektivistischen Verständnis von Kriminalität und ab36
weichendem Verhalten wird in den ätiologischen Ansätzen vertreten, dass „(…) in einer Gesellschaft aufgrund des je gültigen Normsystems unstrittig feststellbar ist, ob ein Verhalten
abweichend ist oder nicht“ (Pfeiffer/Scheerer, zit. nach: ebd, 100f).
Hinsichtlich dieses Verständnisses zeichnet sich abweichendes Verhalten also dadurch aus,
dass es von den allgemeingültigen Normen abweicht. Wenn diese Normen durch das Rechtssystem geschützt werden, ist das abweichende Verhalten als kriminell einzustufen. Dabei gilt,
dass die Normen allgemeingültig und somit richtig sind. Zu kritisieren ist aber, dass sich eine
Abweichung nicht so einfach objektiv feststellen lässt und Normen nicht als festgeschrieben
und gegeben hinzunehmen sein müssen. Viel mehr unterliegt das als deviant bezeichnete Verhalten aber einer Konstruiertheit in Abhängigkeit von der derzeitigen Form der Gesellschaft
und den aktiven Zuschreibungen. Somit sind normabweichende Handlungen und Verhaltensweisen nicht einfach als ein Sachverhalt hinzunehmen, da sie erst durch Zuschreibungen und
Konstruktionen zur Wirklichkeit werden. „Merkmale und Eigenschaften, die an Menschen
‚festgestellt‘ werden, sind tatsächlich Abstraktionen zu einem bestimmten Zweck und daher
auch Zuschreibungen. (…) Es wird gesellschaftlich ein bestimmtes Vokabular zur Kategorisierung von Menschen und Handlungen produziert, das sich mit der Sozialstruktur und daher
historisch ändert, und die Anwendbarkeit und faktische Anwendung bestimmter dieser Kategorien auf konkrete Menschen und Handlungen variiert mit der Position der Sozialstruktur.
Dieses Vokabular und seine Anwendung werden von einer Reihe gesellschaftlicher Einrichtungen
verwaltet,
darunter
Polizei/Gericht/Gefängnis,
Sozialar-
beit/Sozialpolitik/Psychoindustrie und Erziehungswesen/Schule“ (Steinert, zit. nach Belina,
2000, 101f).
Durch den Etikettierungsansatz ergibt sich damit auch, dass die Rede von ‚Kriminalität‘ –
insbesondere auf Straßenszenen bezogen – eigentlich nicht richtig sein kann. Viel mehr kann
man in dieser Hinsicht von Kriminalisierung sprechen, durch welche bestimmte Absichten
verfolgt werden. Hier stellt sich wiederum die Frage nach dem verfolgten Zweck der Prozesse
von Kriminalisierung oder der Unterstellung einer Gefährlichkeit. Dass das Ziel nicht eine
Verhinderung von Verbrechen sein kann, zeigen nicht nur die Ergebnisse von Überwachungen des öffentlichen Raumes, wie beispielsweise die Wirksamkeitsanalyse zur Kameraüberwachung in Hamburg offenbart (vgl. TAZ, 05.07.2010), sondern auch die Reaktionen auf die
Erfolglosigkeit, welche – man denke an die Geschichte der Gefängnisse – zu einem ‚Mehr an
gleichen Strafen‘ führt (vgl. Foucault, 1977, 339ff). Der eigentliche Zweck von Verbrechen
und Bestrafung ist, so Bernd Belina, „(…) zur Reproduktion der Produktionsverhältnisse beizutragen, das allgemeine Mittel dazu die Kriminalisierung“ (Belina, 2000, 103).
37
Dabei ist der Zusammenhang zwischen Produktionsverhältnissen und Kontrolle nicht instrumentell und die Kriminalisierung nicht aus ökonomischen Interessen oder Funktionen entstanden. Verbrechen und Strafen haben kaum materielle und unmittelbare Wirkung, jedoch
hat die Behauptung einer Wirkung einen ideologischen Effekt. Der Staat mit dem Rechtssystem ist dabei einerseits die Instanz, welche das aktuell bestehende (Gesellschafts-)System und
die ideologische Integration durch Zugriffe abzusichern versucht, andererseits aber auch für
den Fall, dass das Integrationssystem versagen sollte, über die notwendigen Gewaltreserven
verfügt. Um die Instanzen und die Praxis von Kontrolle, Strafe und Verbrechen mit der Ökonomie zu verbinden, schlagen Helga Cremer-Schäfer und Heinz Steinert vor, das Konzept der
Arbeitsmoral einzuführen. Ohne in diesem Rahmen das Konzept genauer erläutern zu können,
sei jedoch gesagt, dass zentrale Aussagen sind, dass die institutionellen Arrangements angeben, „(…) wer warum und unter welchen Konditionen wie arbeiten soll (…)“ (CremerSchäfer/Steinert, 81), weiterhin, dass es vor allem auch um die „Darstellung der Überlegenheit einer bestimmten Moral (…)“ geht und das ein Ideal von geregeltem Lebenswandel produziert und durchgesetzt werden soll (vgl. ebd., 82). Historisch betrachtet haben sich im
Wandel der Produktionsverhältnisse und der gesellschaftlichen Veränderungen Strategien von
Kriminalisierung und bestimmter Zuschreibungen verändert, was sich auch auf die Kontrollpolitiken übertragen hat. Der nächste Abschnitt soll daher zum weiteren Verständnis auf das
Erschaffen ‚gefährlicher‘ Individuen durch Abstraktionen eingehen.
5.2.2 Gefährliche Gruppen und Personen
Die Kontrollen, Vertreibungen und Aufenthaltsverbote werden gegen Personen und Gruppen
eingesetzt, die unerwünscht sind, als ‚gefährlich‘ gelten und sich in den Raumausschnitten
aufhalten, in welche sie nicht zu passen scheinen und dadurch als gefährdet gelten. Foucault
hat in ‚Überwachen und Strafen – Die Geburt des Gefängnisses‘ verdeutlicht, dass mit eben
jener Geburt des Gefängnisses nicht nur das bürgerliche Subjekt, sondern auch der abweichende Delinquent konstituiert wird. Es geht um Personen, welche aufgrund ihres Wesens
und Auftretens von der Norm abweichen. „Der Delinquent unterscheidet sich vom Rechtsbrecher auch dadurch, daß er nicht bloß Urheber seiner Tat ist (…), sondern daß er an sein Verbrechen durch ein Bündel von komplexen Fäden geknüpft ist (Instinkte, Triebe, Tendenzen,
Charakter). (…). Dabei konstituiert sich (…) eine neue Objektivität, in welcher der Kriminelle
einer zugleich natürlichen und abweichenden Typologie zugehört“ (Foucault, 1977, 323f).
Damit wird das jeweilige Individuum vor und von dem Verbrechen unabhängig geschaffen
und die Abstraktion nicht nur vom abweichenden Verhalten auf die einzelne Person möglich
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ist, sondern im weiteren Verlauf auf die ganze ‚Gruppe‘ geschlossen wird. Am Rande der
bürgerlichen Gesellschaft wird damit eine unmoralische, fast gesetzlose und somit gefährliche
‚Klasse‘ geschaffen und in der bürgerlichen Ideologie verankert (vgl. ebd. 353ff).
Die Abstraktionen sorgen in Folge dafür, dass nicht mehr von dieser Klasse oder Gruppe als
Ergebnis der gesellschaftlichen Veränderungen und Verhältnisse gesprochen wird, sondern
davon, dass eben diese Personen als Gefahr für die Verhältnisse wahrgenommen werden. Die
so produzierte Gruppe von ‚kriminellen‘ Menschen lässt sich dementsprechend für diverse
Phänomene verantwortlich machen, wodurch auch die Verhältnisse, welche überhaupt erst
Auslöser gewesen sein mögen, entlastet werden. Die Unzufriedenheit kann auf die Junkies,
Dealer, Penner, Trinker, jugendliche Gewalttäter, etc. projiziert werden. Die Vertreibung und
Bestrafung erscheint so als legitimes Mittel, welches im Interesse der ‚normalen‘ Mitglieder
der Gesellschaft liegt. Damit wird ebenso aufgezeigt, was als richtig zu gelten hat, was nicht
abweicht und wie sich der Rest der Mitglieder einer Gesellschaft zu verhalten hat, um nicht
ebenfalls eine Ursache für die vorhandenen Übel zu werden. Der Inhalt der vermittelten Botschaft ist demnach: Wer vertrieben wird, hat etwas Schlechtes oder Gesetzwidriges getan und
somit seinen Anspruch auf Teilhabe verwirkt. Gesellschaftliche Verhältnisse können so personalisiert werden und die nicht erwünschten Personen als jene kategorisiert werden, die das
verweigern, was in der Ordnung der Gesellschaft festgeschrieben ist (vgl. Cremer-Schäfer,
85). Politik, Medien und Sicherheitsdienstleister können ob ihrer besseren Durchsetzungschancen - auch in Hinblick auf die ökonomischen Interessen - somit das Bild eines Bedrohungsszenarios schaffen, Unsicherheiten propagieren und damit auf eine legitimierte Weise
bestimmte Personen und Gruppen ausschließen.
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5.3 Rechtliches zum Aufenthalt in öffentlichem Raum
Im Rahmen der Diskussionen über Gefahrenabwehrverordnungen oder Sondernutzungsrechte,
den Aufenthalt in Innenstadtbereichen betreffend, wird immer wieder besonders ein mögliches Verbot des Bettelns, des ‚Herumlungerns‘ und des Konsums von Alkohol diskutiert.
Somit rücken besonders Personen in den Mittelpunkt dieser Diskussionen, welche sich vorwiegend an diesen Orten aufhalten. Bereits ein kurzer Blick auf den Personenkreis zeigt aber,
dass jene kaum als kriminelle Störer oder als eine Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung eingestuft werden können. Wie bereits vorgestellt bieten sich Innenstadtbereiche für
Straßenszenen besonders an, um eine Ergänzung zum Einkommen zu erhalten, Kontakte zu
pflegen, am gesellschaftlichen Leben zumindest noch geringfügig teilzuhaben, etc.
Die vorherrschende Meinung in der Rechtskunde geht davon aus, dass generelle Verbote nicht
verfassungskonform und somit auch nicht rechtswirksam sind. Dr. Wolfgang Hecker hat sich
in einem Rechtsgutachten eingehend mit der Möglichkeit von genannten Verboten auseinandergesetzt und kommt zu dem Schluss, dass es sich weder bei Aufenthalt oder Betteln, noch
bei Alkoholkonsum um Verhaltensweisen handelt, welche eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, somit auch nicht in den Bereich der Gefahrenabwehrverordnung fallen. Eine Gefahrenabwehr im Sinne des Polizeirechts hat eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung, also einen möglichen Schaden zur Voraussetzung. Als Geschmacklosigkeit
bezeichnete, unbequemliche, belästigende oder andere nachteilige Verhaltensweisen sind polizeirechtlich irrelevant. Darüber hinaus würden solcherlei Verbote gegen das Grundgesetz
verstoßen, da rechtfertigende Gründe für das Einschränken der freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. I GG im Normalfalle nicht vorliegen und auch die Gleichbehandlung
nach Art. 3 Abs. I GG nicht gegeben wäre. Auch ein straßenrechtlich begründetes Verbot von
Alkoholkonsum, Betteln oder Aufenthalt durch Einstufung als genehmigungspflichtige Sondernutzung ist unzulässig, da nach den Regelungen der Bundesländer zum Straßenrecht keine
derartige Rechtsgrundlage existiert. Ausnahme hinsichtlich einer als genehmigungspflichtig
einzustufenden Sondernutzung wäre die Einrichtung von Dauerschlafplätzen oder Ähnlichem,
nicht aber bloßes Lagern oder Schlafen (vgl. Hecker 1998, 79f).
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5.4 Rechtliches zum Aufenthalt in und auf Bahnhöfen
Bei Bahnhöfen handelt es sich um öffentlich zugängliche Einrichtungen, welche von jedermann zum Reisezwecke genutzt werden kann. Sie besitzen allerdings nicht mehr dieselbe
Rechtsstellung, wie es im innerstädtischen Straßenrecht üblich ist, da sie zwar öffentliche
Einrichtungen darstellen, sich aber nicht unmittelbar mit Fußgängerzonen, Straßen, Parkanlagen, etc. vergleichen lassen. Durch den Betreiber muss zwar die allgemeine Zugänglichkeit
für Verkehrszwecke gewährleistet sein, er darf aber die weitere Nutzung des Bahnhofsumfeldes nach eigenen Vorstellungen gestalten. Diese Neuerungen kamen mit dem am 01.01.1994
in Kraft getretenen Konzept der Bahnreform. Mit dieser einhergehend, wurden die hoheitlichen Staatsaufgaben der Beförderung von den weiteren Unternehmensbereichen, wie Bahnhofsvorplätzen, Bahnhofsgebäude und anderen Liegenschaften getrennt und können mit unterschiedlicher Reichweite privatisiert werden (vgl. Wolf, 19). Die nunmehr unternehmerisch
tätige Bahn AG hat die Bahnhöfe auch als Kulturgut wiederentdeckt. Kulturgut nicht nur der
Bahn, sondern auch der Städte. Dem Bahnverkehr soll somit eine hohe gesellschaftliche
Wertschätzung wiedergegeben werden und der Bahnhof selbst soll als anziehender Standort
für die Öffentlichkeit dienen. Der Kunde rückt in den Mittelpunkt, sein Wohlgefühl soll gefördert werden und die Reise, möglichst mit weiterem Konsum verbunden, soll ein positives
Erlebnis sein. Zentraler Baustein dieser Vorstellung ist – neben Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen - das »3-S-Progamm« Service, Sicherheit, Sauberkeit (vgl. Wucherpfennig,
173f). Mit Hilfe dieses Programms sollen Aufenthaltsqualität und Wohlbefinden des Kunden
gesteigert, bestmöglicher Service, größtmögliche Sicherheit und Sauberkeit gewährleistet
werden. Der Service bezieht sich dabei auf Wegeleitsysteme, Servicestellen, Gepäckservice
und Kurierdiensten. Für Sauberkeit soll die eigens gegründete Tochterfirma BahnReinigungs
GmbH (BRG) sorgen. Zum Thema Sicherheit ließ die Bahn verlauten, dass sich die Kunden
in vergangenen Jahren subjektiv unsicher gefühlt hätten. Zwar sei man sich im Klaren, dass
die Kriminalstatistiken kein erhöhtes Gefahrenpotential für Bahnhöfe ausweisen würden, aber
Bedenken erst genommen werden würden. In diesem Sinne sei das neue Sicherheitskonzept
entwickelt und etabliert worden und die weitere Bahntochter DB Services Sicherheitsdienste
GmbH (BSG) gegründet, welche in Ordnungspartnerschaft mit BGS, Polizei und Ordnungsamt agiert. Weiterhin wurden in einem Sofortprogramm rund 600 Millionen Euro allein innerhalb 2002 bis 2004 für weitere Sanierungsarbeiten und für die Aufwertung durch Beleuchtung, Musikbeschallung Wartezonen und Fassadenrenovierungen von kleineren und mittelgroßen Stationen – insgesamt rund 300 Stück – zur Verfügung gestellt (vgl. ebd., 175).
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Die Hausehre ist wiederhergestellt, Dreck und Vandalismus sind und werden weiterhin bekämpft. „Freundlich grüßen Baguette-Verkäufer in der hellen Halle. Die zwei Männer vom
BSG-Wachschutz melden: »Alles ruhig.« Seit der Sanierung des Bahnhofs gibt es nur noch
selten Schwierigkeiten mit gesellschaftlichen Problemgruppen. Randalierer, Drogen- und Alkoholabhängige scheuen das Licht“ (DB AG, 50).
Die bereits angeschnittene Gestaltung des Umfeldes erfolgt bei der Bahn AG durch die Hausordnung, in welcher unter anderem auch Verhaltensweisen der Wohnungslosen fallen. Das
Sitzen und Liegen auf dem Boden, auf Treppen und Zugängen ist nicht gestattet – wozu gesagt sei, dass auch das Verweilen dieses Personenkreises auf Sitzmöglichkeiten meist nicht
geduldet wird -, weiterhin auch das Durchsuchen von Abfallbehältern, Betteln oder Belästigen
von Personen und zu guter Letzt übermäßiger Alkoholkonsum. Belästigung und Alkoholkonsum sind nicht weiter definiert und letztlich ist es Auslegungssache der BSG, was übermäßig
oder belästigend ist. Man kann sich vorstellen, wie die Auslegung in Bezug auf wohnungslose
Personen oder weitere eher unerwünschte Szenen abläuft. Auch geht der bahneigene Sicherheitsdienst nicht unbedingt feinfühlig mit diesen Personenkreisen um, da bei Sicherheitsdiensten keine direkte Verpflichtung – wie bei BGS, OA oder Polizei – hinsichtlich eines Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besteht (vgl. Zielasko, 3).
Schlussendlich befindet sich die Bahn AG noch immer in einem Prozess der Wandlung, bis
die Neupositionierung mit sämtlichen Akzenten abgeschlossen ist. Derzeit bewegt sie sich
jedenfalls noch an einer entscheidenden Schnittstelle. Das Konzept von Service, Sicherheit
und Sauberkeit kann sachlich begründet sein, jedoch liegen Vorgehen gegen Verwahrlosung
oder Unrat und überzogene Maßnahmen gegen einzelne Personengruppen nahe beieinander.
Ein Interesse am Sicherheitsbedürfnis darf nicht zu Säuberungsaktionen gegenüber missliebigen Personen führen. Auch haben Bahnhöfe eine gewachsene Nutzungstradition neben der
Verkehrsfunktion. Der Bund sieht neben der Verkehrsfunktion eine Mittelpunktsfunktion für
die Innenstädte, Identifikationsfunktionen, Funktionen des Austauschs und Aufenthalts, sowie
neben regional- und stadtökonomischen Funktionen auch eine soziale Ausgleichsfunktion
(vgl. Eichhorn, 6). Die Bahn AG trägt somit auch eine gewisse soziale Verantwortung, welcher sich kein Unternehmen dieser Größenordnung entziehen kann.
Hecker kommt in seinem Rechtsgutachten zur Stellung der Bahnhöfe hinsichtlich Zugang,
Verweisen und Hausordnung zu dem Schluss, dass Bahnhöfe zwar keine öffentlichen Bereiche im Sinne des Straßenrechts sind, aber eine deutliche Nähe dazu aufweisen. Aus rechtlicher Sicht folgt, dass Bahnhöfe für jedermann zugänglich sein müssen, dass neben der von
der Bahn AG gewünschten Nutzung auch der allgemeine Aufenthalt zulässig sei. Hinsichtlich
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der Hausordnung und der Verhaltensverbote bestünden nach Hecker zwar nicht unerhebliche
Bedenken, jedoch sind diese innerhalb des Gestaltungsspielraums der Bahn AG. Ein generelles Hausverbot ist nicht möglich, da ein Recht auf Zugang zum Reiseverkehr nicht behindert
werden darf. In diesem Sinne darf auch das Recht auf „(…) allgemeinen Aufenthalt in angemessenem Umfang (…)“ nicht eingeschränkt werden (Hecker 2002, 30).
5.5 Platzverweis – zu Techniken und Strategien der Räumung
Vertreibungen, Platzverweise und vorübergehende Ingewahrsamnahme sind nur in den wenigsten Fällen durch Gemeindesatzungen oder polizeirechtlich abgesichert. Nur wenn tatsächlich eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt und der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, ist dieses möglich. Bisher in der Rechtsprechung
noch nicht geklärt und mit umstrittener Zulässigkeit ist der so genannte erweiterte Verbringungsgewahrsam. Der einfache Verbringungsgewahrsam bezieht sich nur auf den Gewahrsam
auf dem Weg zu einem - von der Ermächtigungsgrundlage abgedecktem - Gewahrsahmsort.
Bei dem erweiterten Verbringungsgewahrsam wird eine Person an einen anderen Ort verbracht und dort wieder freigesetzt. Sollte hier tatsächlich eine Zulässigkeit durchgesetzt werden können, darf der Verbringungsort nicht ohne Anschluss an den ÖPNV bzw. ohne Möglichkeit von Verpflegung oder Unterkunft sein. Weiterhin müssen auch Witterung, Tages- und
Jahreszeit und der Alters- und Gesundheitszustande der Person beachtet werden (vgl. leggereit.de, 1). Jedoch scheint es gängige Praxis, besonders der städtischen Hilfspolizisten bzw.
des Ordnungsamtes, zu sein, diese Verbringungen ohne triftigen Grund und ohne weitere Beachtung der Person oder der äußeren Umstände durchzuführen. Beispiele dazu, inklusiver
diverser bekannter Todesfälle nach Verbringung, finden sich in der gängigen Literatur regelmäßig wieder (vgl. Hecker 1998, 78; auch: Spiegel 48/1995, 53). Außer diesen Extremfällen
der Verbringung werden aber auch weniger drakonische Maßnahmen zur Vertreibung eingesetzt. Mit Bußgeldern für Aufenthalte ohne erkennbare Fahrabsichten in Wartehäuschen oder
–hallen macht besonders das Ordnungsamt den Straßenszenen oder deren einzelnen, vermeintlichen Mitgliedern das Leben schwer. Gerechtfertigt sind diese Bußgelder nicht, jedoch
dürfte die rechtliche Situation nur den wenigsten Menschen bekannt sein. Auch bei Platzverweisen und Aufenthaltsverboten sind nur die Wenigsten in der Lage, diese Maßnahmen abzuwenden. Einerseits ist auch hier die rechtliche Lage nicht unbedingt bekannt, andererseits
gehen Ordnungsamt und private Sicherheitsdienste mitunter rücksichtslos und teilweise gewalttätig gegen diese Personengruppen vor, sodass eine Gegenwehr meist nicht erfolgt.
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Als Adressaten von Vertreibung, Identitätsfeststellungen, Platzverweisen, etc. werden in der
Handlungsanweisung des Hamburger Polizeireviers 14 Gruppen ab mindestens 2 Personen
genannt, auf die folgende Voraussetzung zutrifft:
1. „Zusammenkünfte von Punks und ähnlichen Gruppierungen, die provokativ Laufwege
der Passanten „besetzen", um folgend aggressiv zu betteln, durch Ansprache provozieren (Pöbelei), Alkohol konsumieren usw.
2. Zusammenkünfte von Alkoholikern (üblicherweise bestehend aus Personen der Randständigenszene), die sich vornehmlich auf Sitzgruppen im Bereich der Innenstadt ausbreiten und Passanten belästigen.
3. Sonstige Personengruppen, die durch ihr Auftreten die öffentliche Sicherheit und Sauberkeit der öffentlichen Flächen beeinträchtigen (z.B. Vermüllung, Einschränkung der
Bewegungsfreiheit sonstiger Personen)" (Rogalla; grundrechte-kampagne.de).
Besonders die privaten Sicherheitskräfte sind, nach eigenem Selbstverständnis, besonders auf
körperliche Auseinandersetzungen eingestellt und zudem oftmals nicht sonderlich qualifiziert,
um eine angemessene Reaktion auf Verhaltensweisen zu zeigen. Jedoch ist auch die bloße
Präsenz von uniformierten Sicherheitsdiensten für viele Betroffene Grund genug, sich aus
Angst vor Übergriffen - trotz mangelnder Befugnisse der Sicherheitskräfte- von bestimmten
Orten fern zu halten. Als Extrembeispiel sei hier das Hetzen von Hunden auf unerwünschte
Personengruppen genannt (vgl. Beste, 342ff). Ein weiteres Vorgehen gegen störende Randgruppen ist die Privatisierung von bestimmten Geschäftsbezirken. Gewisse Straßen erhalten
einen neuen Status, indem sie im eigentumsrechtlichen Sinne behandelt werden. Hierzu zählen häufig Passagen, welche zwar als öffentlicher Raum funktionieren, jedoch privat gemanaged werden. So greift nicht mehr die allgemeine Straßensatzung, sondern die jeweilige
Hausordnung der Eigner. Das Hausrecht ermöglicht in diesen Fällen dann auch eine Intervention unterhalb einer ordnungsrechtlichen Regulierung (vgl. Ronneberger; in: Specht-Kittler,
140f). Auch die Errichtung so genannter ‚gefährlicher‘ und ‚gefährdende‘ Orte eröffnet weitere Möglichkeiten, unerwünschten Personen den Aufenthalt zu verleiden. In Berlin existieren
mittlerweile ca. dreißig Orte, welche diese Einstufung im Rahmen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes erhalten haben. Somit wurde ein Instrument geschaffen, welches
außerhalb von begründetem Tatverdacht und somit mit Beschneidung von Grundrechten Personen- sowie Taschenkontrollen, erkennungsdienstliche Behandlungen und Identitätsfeststellungen ermöglicht, worunter, wie sollte es anders sein, besonders jene Unerwünschten zu leiden haben.
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Weitere Maßnahmen, welche den Aufenthalt bestimmter Personenkreise verhindern sollen,
sind ganz offensichtlich. Hierzu zählen beispielsweise der Abbau bzw. der Austausch von
Bänken in Innenstadt- oder Bahnhofsbereichen gegen Sitzschalen, wodurch das Liegen unmöglich wird. Auch werden auf Abluftgittern, vor Schaufenstern und auf Mauern Vorrichtungen angebracht, welche das Liegen oder Sitzen verhindern sollen. Selbst Blumenkübel vor
Bahnhöfen und in Fußgängerzonen werden abgebaut, damit sie nicht mehr als Sitzgelegenheit
verwendet werden können.
Eine weitere Idee, welche in Hamburg, München, Berlin und vielen weiteren Bahnhöfen verwirklicht wurde, ist das Abspielen klassischer Musik. Die Annahme ist, dass unerwünschte
Personengruppen wie Wohnungslose oder ‚herumlungernde‘ Jugendliche sozial schwächerer
und somit gefährlicher Schichten von dieser Art Musik vertrieben werden, da sie die Musik
abstoßen würde. Der gewünschte Vertreibungseffekt ist laut den Verkehrsbetrieben tatsächlich vorhanden. Dieses liegt aber eher nicht unbedingt daran, dass die Musik nicht den Geschmack der zu vertreibenden Zielgruppe trifft, sondern eher an der Dauerbeschallung in einer
unpassenden Umgebung. Selbst als angenehm wahrgenommene Musik kann hier mit der Zeit
verunsichern und das Gefühl auslösen, unerwünscht zu sein (suite101.de). Immer wieder diskutiert und weiter ansteigend ist auch die Videoüberwachung öffentlicher Räume. Zur Verdeutlichung: Während der Umsatz von optischer Überwachungstechnik in Deutschland 2005
noch bei rund 185 Millionen Euro lag, werden für 2010 Umsätze von ca. 450 Millionen Euro
erwartet (vgl. bitkom.org). Die Konzentration bei der Kameraüberwachung von öffentlichen
Bereichen auf bestimmte Gruppen, zeigt sich bei den so genannten intelligenten Kameras.
Diese werden derzeit in Paris, London und Mailand eingesetzt, in Deutschland werden seit
2009 erste Testläufe in Großstädten durchgeführt. Insbesondere bettelnde Personen und jene,
die sich länger an einem Platz aufhalten, können so noch leichter erfasst werden, da bei einer
Bewegungslosigkeit von mehr als einer Minute die Person auf den Kontrollmonitoren grün
dargestellt wird. Bei weiterem Verharren wird die Person rot markiert und ein Alarm ausgelöst. Somit kann schnellstmöglich reagiert und die unerwünschte Person nötigenfalls entfernt
werden (vgl. Belina, 219).
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5.6 Straßenszenen als Störer im öffentlichen Raum
Wenn also die verschärfte Kontrolle, Überwachung und die Vertreibung nicht auf eine Furcht
vor Kriminalität und dem Wunsch nach einem Schutz der restlichen Bevölkerung zurück zu
führen ist, müssen andere Gründe existieren, welche zu der Vertreibungs- und Verdrängungsstrategie führen. Bezüglich der bereits eingangs erläuterten Transformation der Städte in
Richtung Konsumorientierung und Aufwertung im Wettbewerb, ist aus der Geschäftswelt
häufig die Behauptung zu hören, dass die Straßenszenen für Umsatzrückgänge verantwortlich
wären, da sich die Kundschaft gestört fühle. Belegt ist diese Behauptung nicht, jedoch wird
sie auch vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels vertreten. Die Anwesenheit des Milieus hätte eine Standortschädigung zur Folge und somit eine massive wirtschaftliche Bedrohung. Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung müssten durchgesetzt werden und Wohnungslose
somit beseitigt. Sie seien – laut Düsseldorfer Wirtschaftslobbyverband - „(…) ebenso wie
Graffities und Taubenkot kein Anblick, der zur Steigerung von Attraktivität und Kaufkraft
beiträgt“ (Ronneberger, in: Specht-Kittler, 140). Argumente, welche hier aber plausibler erscheinen, sind eher eine abnehmende Kaufkraft, Konkurrenz durch Discounter außerhalb der
Innenstädte und eine, zwar umgestaltete, jedoch nunmehr leblosere Innenstadt als Einzelhandelszone. Dennoch werden Raumverbote für bestimmte Gruppen gefordert, welchen durch
städtische Verwaltungen mittels Straßensatzungen oder Erlassen nachzukommen versucht
wird, die allerdings, wie bereits angesprochen, rechtlich nicht zu halten und angreifbar sind.
Unstreitig ist, dass sich tatsächlich Konsumenten an der Anwesenheit von wohnungslosen
Personen stören. Der Anblick von Bettlern und anderen Personen, welche im öffentlichen
Raum ‚herumlungern‘ erinnert an die Möglichkeit, selbst einmal zu verarmen, an die Kluft
zwischen Arm und Reich, an soziale Ungerechtigkeit. Sich während des Einkaufs dadurch
unangenehm berührt oder befangen zu fühlen, ist daher nicht ganz unverständlich. Ein Großteil der Bevölkerung lehnt eine Vertreibung von Wohnungslosen aus den Innenstädten oder
Fußgängerzonen jedoch ab. Im Jahre 2002 stimmten in einer repräsentativen Studie der Universität Bielefeld nur 34,6% dem Item „Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden“ zu (Heitmeyer/Endrikat, in: Deutsche Zustände, 68).
Die Verdrängung betrifft allerdings nicht nur den öffentlichen innerstädtischen Raum, Fußgängerzonen und andere Geschäftsbereiche. Sind die unerwünschten Personen des Platzes
verwiesen, müssen sie sich schließlich einen Ort suchen, an dem sich aufgehalten werden
kann, der als Treffpunkt dient und die Teilhabe am öffentlichen Leben möglich ist. Die Orte,
welche sich dafür anbieten, da dort ‚etwas los ist‘ und eine relativ ungezwungener Aufenthalt
möglich ist, sind unter Anderem die Quartier- und Stadtparks. Allerdings unterliegen auch
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diese Orte einer funktionalen Spezialisierung und Reglementierung, sind zwar für unterschiedliche Nutzergruppen ausgelegt aber dennoch stark ästhetisiert. Dementsprechend werden auch aus diesen Rückzugsmöglichkeiten die Personen mit repressiven Methoden zu verdrängen versucht, welche augenscheinlich einer bestimmten Szene zugeschrieben werden.
Anwohner, welche auch längere Zeit auf der Parkbank sitzen, Studenten, die sich mal mit
einem Kasten Bier im Park niederlassen oder Jugendliche, welche dort sportlichen Aktivitäten
nachgehen, werden von Ordnungskräften unbehelligt gelassen, Randgruppen aber vertrieben.
Das Titelbild der Freiburger Straßenzeitung ‚FREIeBÜRGER‘ zeigt unter dem Titel ‚Ohne
uns Verkäufer geht nix‘ einige Verkäufer, welche sich für das Bild auf einer Treppe in einem
öffentlichen Park versammelt haben. Der Verkäufer Carsten schreibt dazu, dass, kurz nach
dem das Bild entstanden war, diese Versammlung von randständigen Personen durch eine
allgemeine Personenkontrolle durch vier Polizeibeamte aufgelöst wurde, weitere Personen im
Park aber keiner Kontrolle unterzogen wurden (vgl. FREIeBÜRGER, 13). Einem Verständnis
von Allgemeinheit und öffentlichem Park wiederspricht die Art der speziellen Kontrolle und
der Auflösung dieser Versammlungen ziemlich eindeutig. Die Personen, welche erst aus den
innerstädtischen Bereichen verdrängt wurden, verlieren nun auch noch die Möglichkeit der
Teilhabe und des Rückzugs in Parks und auf öffentlichen Plätzen.
6 Umlenkung statt Vertreibung?
Die Alternative zu verstärkten Personenüberprüfungen, Aufenthaltsverboten, verstärkter Präsenz von Ordnungskräften und weiteren Maßnahmen, welche die besonders unerwünschten
Personen und Gruppen aus dem Stadtbild heraushalten sollen sind Strategien der Umlenkung.
In der Hamburger Innenstadt besteht, wie auch in fast allen großen Städten, der ständige Konflikt zwischen Geschäftsleuten und den ‚Straßenleuten‘. Durch die fortwährende Vertreibung
- besonders die der Wohnungslosen - kam es allerdings nicht zu dem gewünschten Effekt,
dass diese sich nicht mehr in den Geschäftsbereichen aufhielten, sondern die Aufenthaltsorte
wurden nur temporär verlagert. In unregelmäßigen Abständen wurden die zu der Szene gehörenden Personen daraufhin in Verbringungsgewahrsam genommen, um diese zumindest für
eine bestimmte Zeit aus den Geschäftsbereichen zu entfernen. Da diese restriktiven Maßnahmen nicht die erwünschte Wirkung zeigten, wurde ein Strategiewechsel vollzogen, der in Zusammenarbeit von Polizei, Sozialarbeiten und den Geschäftsinhabern entstand. Der GerhardHauptmann-Platz in Hamburg war 1998 zu einem regelmäßigen Treffpunkt einer größeren
Gruppe von Wohnungslosen und ‚Trinkern‘ geworden, welche im öffentlich zugänglichen
Bereich der Landesbank-Galerie einen Pavillon als Unterstand nutzte. Der Umstand, dass die
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Gruppe dort neben dem Aufenthalt ebenfalls urinierte, führte zu Beschwerden, auf welche die
Aufstellung einer mobilen Toilette folgte, die von der Landesbank finanziert wurde. Die Szene musste sich somit nicht mehr von dem Unterstand fortbewegen und verschwand – wenn
auch nicht vollkommen – aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Damit die ‚Trinker‘ jedoch in
der Weihnachtszeit nicht unangenehm auffielen und die Stimmung der Besucher des Weihnachtsmarktes drückten, wurde eine weitere Maßnahme ersonnen, welche die Szene aus dem
Blickfeld nehmen sollte: „Und da haben wir gesagt, Mensch pass mal auf, eigentlich tun die
ja nichts, aber für den Weihnachtsmarkt, wenn die da rumhängen, das sieht ja irgendwie blöd
aus… Lass uns doch einfach mal so zehn Bäume da rum machen. Und dann haben wir einfach so die Bäume da rum gemacht. (…) Wir haben da auch Müllbeutel da hingestellt (…).
Und dann haben sie, wie gesagt, sie wurden nicht nass, hatten ihr Klo, konnten da saufen und
das ging eigentlich wunderbar (…)“ (Hauptkommissar Stapelfeld im Interview 2004, Auszug
aus: Gruber, 43) Die Herangehensweise, dass man mit der improvisierten Lösung die Gruppe
aus dem Stadtbild heraushält, wenn man sie schon nicht vertreiben kann, wird auch damit
gerechtfertigt, dass die Obdachlosen von der Maßnahme auch profitieren würden.
Auch in den folgenden Jahren kam es an diesem Ort – besonders in der Herbst- und Winterzeit wieder zu Versammlungen der Gruppe. Nachdem wiederholt Beschwerden eingingen,
obwohl die Maßnahme Mobiltoiletten und Bäume aufzustellen weiterging, wurde über den
Aufbau von Unterständen und Mobiltoiletten an einem anderen Ort diskutiert, was schließlich
auch durchgeführt wurde. Am Gertrudenhof, welcher sich abseits der Geschäftsbereiche befindet, wurden unter der Finanzierung von Landesbank und des Gewerbes zwei ‚Buden‘ von
je 10qm und besagte Toiletten aufgestellt, woraufhin die Beschwerden der Geschäftsinhaber
zurückgingen (vgl. Gruber, 41ff). Die Gruppe der Wohnungslosen und ‚Trinker‘ verschwand
so nicht nur optisch, sondern verlagerte sich physisch an einen anderen Ort. Einerseits bieten
die Buden - mit einer Möglichkeit, persönliche Habe einzuschließen – und die Toiletten zwar
eine gewisse Hilfe für die Gruppe, dennoch ist das eigentliche Ziel der Maßnahme eher gewesen, die Personen erst zu verstecken und sie im weiteren Verlauf der Maßnahme umzulenken
und somit ‚verschwinden‘ zu lassen. Bei näherer Betrachtung kann man auch hier von einer –
wenn auch indirekten – Vertreibung der unerwünschten Szene sprechen.
Durch die allerdings nicht ausreichende Beachtung der inneren Strukturen der ‚BudenGruppe‘ ging man davon aus, dass diese Maßnahme dauerhaft funktionieren würde. Es zeigte
sich jedoch, dass die Buden im Winter zwar angenommen wurden, sich der Aufenthalt der
Gruppe ansonsten aber wieder in die vorherigen Bereiche verlagerte, durch verschiedene
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Konflikte innerhalb der Gruppe und wechselnde Mitglieder wollten einige Personen der Szene
auch gar nicht wieder zum Gertrudenplatz zurückkehren (vgl. ebd., 46f).
Eine weitere Maßnahme, welche erst kürzlich durch die Medien verbreitet und gelobt wurde,
ist die Einrichtung des ‚Trinkraumes‘ für Alkoholiker und Personen, welche sich im öffentlichen Raum bzw. Innenstadtbereichen aufhalten. Die Finanzierung läuft hier, im Gegensatz zu
den ‚Buden‘ in Hamburg, über die Stadtkassen. Wenn auch Kiel als Standort des ersten ‚funktionierenden‘ Trinkraumes (die Einrichtung ‚Sofa‘) bezeichnet wird, so hatte die Vorreiterrolle eigentlich Dortmund, wo bereits 2003 die Erprobungsphase zur Einrichtung eines Ortes
begann, an dem ein Tagesaufenthalt möglich ist und alkoholische Getränke (ausgenommen
Spirituosen/‘Hartstoff‘) konsumiert werden können. Die Trinkräume zeichnen sich zudem
dadurch aus, dass die Getränke mitgebracht werden können, am Tresen aber Kaffee und andere alkoholfreie Getränke günstig zu erwerben sind. Des Weiteren findet auch ein niedrigschwelliges Angebot durch Sozialarbeiter und Pädagogen statt, die Betreuungen und Hilfen
bei dem Umgang mit Behörden, Vermietern, und den Ordnungskräften bieten, weiterhin aber
auch Entzugsangebote vermitteln und Jobs hinter dem Tresen anbieten (vgl. Landeshauptstadt
Kiel). Ungefragt wird jedoch nicht eingegriffen oder Hilfsangebote aufgedrängt. Als Erfolg
wird bereits angesehen, dass der Alkoholkonsum zumindest ins Warme und Trockene verlegt
wird und mögliche Hilfen angenommen werden können. „Bislang ist die (…) Rechnung aufgegangen. Stadtbekannte und arbeitslose Trinker, die vorher mit ihren Saufgelagen in der Innenstadt die Wut der Bürger auf sich zogen, sind nach und nach ins wärmere ‚Sofa‘ gezogen.
Ein absolutes Win-win-Geschäft, findet Christoph Schneider vom Kieler Wohnungsamt.
Schließlich lasse sich die Szene so auch ‚viel besser erreichen‘“ (Spiegel 16/2010). Auch hier
kann man zumindest vermuten, dass das Angebot nicht alleine aufgrund der Mildtätigkeit und
der Einsicht einer notwendigen Hilfe der jeweiligen Städte zurückzuführen ist, sondern dass
durch die Einrichtung von Trinkräumen - ebenso wie mit den Hamburger ‚Buden‘ - die Problemzielgruppe aus Innenstadt und Geschäftsbereichen verlagert werden soll, damit die Stadt
auch weiterhin einen Hauch von Ästhetik und Sauberkeit bietet, die Geschäftsinhaber aufhören zu klagen und der konsumorientierte Bürger ungestört seinen Aktivitäten nachgehen kann.
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7 Abschlussbetrachtung
Konstitution von Raum ist ein soziales Phänomen und somit auch als ein prozesshaftes, aus
den gesellschaftlichen Entwicklungen heraus zu begreifendes. Raum wird durch die Synthese
der (sozialen) Güter, durch die Menschen und ihre Zuschreibungen, durch Wahrnehmung,
Verknüpfung und Erinnerung geschaffen. Sie zeichnen sich durch ständige relationale Platzierungen aus und werden über Neuanordnungen und Reproduktion verändert. Somit spiegeln
die Strukturen von Raum auch die gesellschaftlichen Strukturen wieder.
In Bezug auf Foucault wird im Diskurs von Sicherheit festgelegt, was richtig ist, was Geltung
beanspruchen kann und was auszuschließen ist. Darüber werden maßgeblich die Wahrnehmungen, Zuschreibungen und Praktiken gesteuert. Diskurse erreichen ihre Wirkmächtigkeit
dadurch, dass sie Wirklichkeit und ‚Wahrheit‘ herstellen. Werte und Normen prägen sich darüber und mit Hilfe von Medien, Gesprächen und Erwarteten, kurz: über Kommunikation. Die
Werte und Normen sind schließlich prägend für die Vorstellung von Sicherheit und prägend
auch für den Begriff selbst. Über Kommunikation können sich alle Kräfte und Akteure der
Gesellschaft an den Diskursen beteiligen, doch wird einigen Personen und Gruppen durch
Verhalten, Aussehen, Zuschreibung von Eigenschaften und der gesellschaftlichen Stellung
dieser Zugang zu Diskurs und Teilhabe gewährt. Die großen Zeitungen haben mehr Einfluss,
als eine Straßenzeitung wie beispielsweise ‚Hintz&Kust‘, ‚FREIeBÜRGER‘ oder ‚fifty-fifty‘
als Vertreter der Randgruppen und Szenen ausüben könnten, um die öffentliche Meinung und
Vorstellung zu ändern. Sicherheit ist nur Sicherheit vor den unerwünschten Gruppen, nicht
Sicherheit für Gruppen vor Übergriffen, Verdrängung, Marginalisierung und Zwangsräumung. Die vom Ausschluss bedrohten stehen vor der Aufgabe, sich am Konsum zu beteiligen,
die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen und sich konform zu verhalten, um nicht vollkommen aus öffentlichem Raum und der ‚normalen‘ Gesellschaft ausgeschlossen zu werden.
Die Verwandlung öffentlichen Raumes und der Innenstädte in Orte des Konsums, führt zu
ständiger Kontrolle und zur Ausgrenzung der Personen, welche am Konsumleben nicht teilhaben können und somit störend für den wohlhabenderen Einkäufer und die Geschäftswelt
wirken. Die Politik hat es bisher nicht für notwendig befunden, an der gängigen Ausschlusspraxis und der Verdrängung der Marginalisierten etwas zu ändern. Im Gegenteil: Es werden
eher die Rufe der Geschäftswelt nach Sicherheit und Ordnung beachtet und der Anlass der
Klage auf verschiedene Art und Weise beseitigt. Das Recht auf Freizügigkeit wird sowohl in
den Innenstädten, als auch in den Bahnhöfen, S- und U-Bahnstationen eingeschränkt und beschnitten wo es nur geht. Notfalls auch mit repressiven Mitteln. Mit Hilfe der Beschwörung
und Konstruktion gefährlicher Gruppen und Orte wird öffentlich wirksam die Notwendigkeit
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und Rechtmäßigkeit von Kontrolle und Ausschluss erläutert und durchgesetzt, welche offenbar innerhalb der städtischen Bevölkerung großflächig anerkannt wurde und einen Mehrheitskonsens in dieser ausgebildet hat. Dauerhafte Warnungen oder Beschwörungen vor und von
Kriminalität, Erklären von Räumen zu unsicheren Zonen und die Inszenierung anderer Räume
für die gewünschte, homogene Öffentlichkeit, lassen für die breite Masse wohl keinen anderen Schluss zu, als dass die Sicherheit tatsächlich gefährdet und der Schutz und die Überwachung notwendig ist. In dieser Folge wird sich vermutlich eine weiter steigende, soziale Desintegration ergeben, die irgendwann tatsächlich nur noch sicherheitspolitisch zu kontrollieren
ist. Ohne eine weit reichende Diskussion um Rechtmäßigkeit und Moral könnte sich die Sicherheitspolitik somit noch stärker etablieren und ausweiten, da sie sich innerhalb der Spirale
von Ausschluss marginalisierter Gruppen und weiter ansteigender Furcht bzw. sinkendem
Sicherheitsgefühl der ‚Normalbevölkerung‘ selbst legitimiert. Durch die steigende Anzahl
ausgeschlossener Gruppen und die Investitionen in Sicherheit und Überwachung scheint sich
eine Wiederentdeckung der gefährlichen Klassen anzubahnen. Die mögliche Entwicklung
lässt sich am Beispiel der USA verdeutlichen. Inhaftierungsraten und Chain-Gangs veranschaulichen das Bild eines strafenden Staates, statt Einbindung oder Rehabilitierung wird
Kontrolle und Ausschluss angestrebt. Arme sollen aus der Gesellschaft augenscheinlich verschwinden. In Deutschland liegt der Schwerpunkt zumindest darin, Arme in zentralen Bereichen der Städte unsichtbar zu machen und somit auch gewissermaßen in den Anfängen einer
grundlegenden Neubestimmung der Struktur des Sozialen. Gesellschaftliche Ungleichheiten
werden so nur weiter ausgebaut und durch Kontrolle räumlich festgeschrieben. Auch wenn
gerade urbaner Raum immer umkämpft und ständig Veränderungen unterworfen war und ist,
scheint das Ungleichgewicht zwischen den Akteuren mehr und mehr verankert zu werden und
sich eine neue, noch stärker segregierte, gesellschaftliche Ordnung herauszubilden. Die Bürger selbst müssen lernen, nicht nur die Sicherheit und Unbeschwertheit einzufordern, sondern
sich an der Herstellung derselben beteiligen. Eine Forderung nach einem Verantwortungsgefühl eines Jeden hat auch den Inhalt, dass eine Verständigung darüber erfolgt, welches Maß
an Ordnung und Sauberkeit in einer Großstadt erreicht werden soll und kann. Der öffentliche
Raum hat eine gesellschaftliche Bedeutung, die darin liegt, dass jeder Bürger und somit alle
sozialen Gruppen eine (auch politische) Mitwirkungsmöglichkeit haben, Präsenz zeigen können und eine demokratische, soziale Gesellschaftsordnung erhalten wird. Die reglementierten
Räume können nur dann tatsächlich öffentlich bleiben, wenn nicht nur Interessen an Konsum,
Kunst, Events und Ungestörtheit eingefordert wird, sondern wenn die Bürgerschaft selbst sich
auch mit den schwächsten Bewohnern auseinandersetzen muss.
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