Universität Vechta Band 4 Online - Schriftenreihe zur Sozialen Arbeit Hochschule Ve Hans-Jochen Steinhagen Lebensmittelpunkt Straße – Sozialräumliche Perspektiven auf Straßenszenen und deren Kontrolle VVSWF Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung Universität Vechta Band 4 Online - Schriftenreihe zur Sozialen Arbeit Hans-Jochen Steinhagen ist Sozialarbeiter (M.A.) und arbeitet seit 2007 im Bereich der Wohnungslosenhilfe und der gesetzlichen Betreuung bei dem SKM Vechta e.V. Während des Studiums an der Universität Vechta beschäftigte er sich wesentlich mit Raumbildung und Raumkontrolle, sowie mit der Verdrängung von sozialen Randgruppen aus urbanem Raum. Die Onlineveröffentlichung wurde als Abschlussarbeit im Masterstudiengang Social Work eingereicht. VVSWF ISBN 978-3-937870-17-2 Lebensmittelpunkt Straße – Sozialräumliche Perspektiven auf Straßenszenen und deren Kontrolle Hans-Jochen Steinhagen Vechta 2011 Die Online - Schriftenreihe zur Sozialen Arbeit wird herausgegeben von: Prof. Dr. Klaus-Dieter Scheer, war bis März 2011 Universitätsprofessor (Pädagogik und Sozialpädagogik) am Institut für Erziehungswissenschaft der Hochschule Vechta Detlev Lindau-Bank, Dipl.-Päd., Dipl.-Sozpäd., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft der Hochschule Vechta Autor: Hans-Jochen Steinhagen, M.A. Social Work, arbeitet seit 2007 im Bereich der Wohnungslosenhilfe und der gesetzlichen Betreuung bei dem SKM Vechta e.V. Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Hans-Jochen Steinhagen: Lebensmittelpunkt Straße – Sozialräumliche Perspektiven auf Straßenszenen und deren Kontrolle Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung, 2011 ISBN 978–3–937870–17-2 Alle Rechte vorbehalten. 2011 by VVSWF – Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlaggestaltung: Lindau-Bank Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Raum, Individuum und Öffentlichkeit 3 2.1 Zum (Sozial-) Raumbegriff 3 2.2 Raum und Orte 9 2.3 Atmosphäre – unsichtbarer Raum 12 2.4 Einfluss sozialer Ungleichheit auf Raum 14 3 Stadträume und Öffentlichkeit 17 3.1 Öffentliche Stadträume – eine Annährung 17 3.2 Raum, Norm und Individualisierung 20 3.3 Neuorientierung der Städte 22 3.4 Standortpolitik und Segregation 25 4 Exklusion, Szenen und die Bedeutung zentraler Orte 27 4.1 Ungleichheit und Exklusion 27 4.2 Szenen, Teilhabe und das Gefühl von Gemeinschaft 29 4.3 Lebensmittelpunkt Straße 31 5 Kriminalitätsfurcht, Überwachung und Kontrolle 34 5.1 Sicherheitsgefühl in urbanen Räumen 34 5.2 Ideologische Legitimierung von Kontrollen und Verboten 36 5.2.1 Das Konstrukt der Kriminalität 36 5.2.2 Gefährliche Gruppen und Personen 38 5.3 Rechtliches zum Aufenthalt in öffentlichem Raum 40 5.4 Rechtliches zum Aufenthalt in und auf Bahnhöfen 41 5.5 Platzverweis – zu Techniken und Strategien der Räumung 43 5.6 Straßenszenen als Störer im öffentlichen Raum 46 6 Umlenkung statt Vertreibung? 47 7 Abschlussbetrachtung 50 8 Literaturangaben 52 1 Einleitung Raum als eine grundlegende Dimension von Handeln, Verhalten und Normen fand innerhalb der Sozialwissenschaften über eine lange Zeit nur wenig Berücksichtigung. Vielmehr wurde ‚Raum‘ als das Territorium oder Umgebung - im Sinne der Geographie bzw. auch der stadtplanerischen Vorstellungen – für das soziale Miteinander betrachtet. Die Vorstellung von Raum wurde also über andere Kategorien vermittelt. Als Beispiele ließen sich staatliche Grenzen, Gemeinden oder Städte anführen. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die ‚Chicagoer Schule‘, eine Art Vorläufer der heutigen Stadtsoziologie, welcher die weiteren Forschungen und Ansätze beeinflusste und einen Wandel in der Betrachtung von Raum auslöste. Die Epoche in der wir heute leben, bezeichnet Foucault bereits 1967 als „(…) die Epoche des Raumes“ (Foucault, zit. nach Wentz, 65). Da die vorliegende Arbeit sich mit Straßenszenen, bzw. deren Kontrolle im urbanen Raum beschäftigt, soll daher auch im ersten Teil der (Sozial-) Raumbegriff nochmals näher erläutert werden, da menschliches Handeln in diesen Räumen stattfindet. Dabei stellt sich im ersten Teil die Frage, wie sozialer Raum entsteht, welche Auswirkungen er auf das Individuum hat, wie er angeeignet werden kann und wie Stadträume strukturiert und verschoben werden. Der Hauptteil wird sich jedoch schwerpunktmäßig mit ‚Randgruppen‘ als Nutzern urbaner sozialer Räume und deren Verdrängung und Kontrolle beschäftigen, da kommunale Sozialpolitik auch in Deutschland mittlerweile weniger hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe, sondern eher im Sinne von Ordnung und innerer Sicherheit agiert. Seit New York auf sinkende Kriminalitätsraten verweisen kann, ist es zu einem Beispiel erfolgreicher Kriminalitätsbekämpfung und Ordnungseinhaltung geworden. Der Unordnung wurde im Sinne des ‚Broken Windows‘ Ansatzes quasi der Krieg erklärt und somit Randgruppen - welche ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben - entfernt. Die Maßnahmen sind recht einfach gestrickt: Videoüberwachung, Erlass von Richtlinien und Verboten, verstärkte Kontrollen, eine ‚zero tolerance‘-Haltung, Vertreibung und Verdrängung. Dass dabei anderenorts die Kriminalitätsraten steigen, wird dabei ungern veröffentlicht. New York oder London scheinen in diesem Sinne eine Vorbildfunktion für den bundesdeutschen Raum zu haben, da auch hier mehr und mehr Überwachung und Verdrängung zu beobachten ist. Sicherheitsmaßnahmen, Kontrolle und Überwachung öffentlichen Raumes zur Verhinderung von Kriminalität sind auch in Deutschland Themen, über welche vermehrt diskutiert wird. Zudem wurden die Innenstädte wiederentdeckt und nach und nach zu Konsum- und Erlebniswelten umgestaltet. In den USA hat diese Wandlung schon früher begonnen und dort ist es auch hinlänglich bekannt, dass ‚verwahrloste Randgruppen‘ - gerade jene, welche ihren Lebensmittelpunkt im öffentli1 chen Raum haben – aus den Innenstadtbereichen vertrieben werden. Auch Privatisierungen von öffentlichen Bereichen und der Einsatz privater Sicherheitsdienste sind Parallelen, welche sich in einem Vergleich von Deutschland und den USA finden lassen. Eine direkte Übertragung des repressiven Umganges mit Randgruppen in den USA auf Deutschland ist zwar nicht möglich, jedoch soll diese Arbeit darstellen, warum und inwiefern Sicherheit und Ordnung auch in Deutschland zu einem stadt-strukturierenden Merkmal geworden sind, wie sich die Gestaltung und Nutzung öffentlichen Raums gewandelt hat und wie soziale Probleme auf diese Art und Weise gewissermaßen entsorgt werden. Diese Arbeit soll einerseits einen Einblick in herrschende Strukturen geben, deren Weiterentwicklung absehbar, der Ausgang aber nicht entschieden ist, andererseits aber auch Alternativen hervorheben, welche jedoch auch kritisch hinterfragt werden müssen. 2 2 Raum, Individuum und Öffentlichkeit Mit der Verwendung des Begriffes ‚Raum‘ entstehen verschiedene Vorstellungen und Assoziationen, er weist also eine hohe Variabilität der Bedeutungen auf und „(…) oszilliert damit zwischen dem konkreten, materiellen Ausschnitt der Erdoberfläche, dem relationalen Raumbegriff sowie gesellschaftswissenschaftlichen Raumkonzepten“ (Blotevogel, zit. nach Klamt, 29). Aufgrund der großen Anzahl der verschiedenen Raumkonzepte soll daher folgend nur auf die für diese Arbeit wichtigsten Konzepte eingegangen werden, da erst über ein näher zu Erläuterndes Raumverständnis zu einem angemessener Begriff – auch hinsichtlich von Normen, Verhalten und der Kontrolle - von sozialem und öffentlichem Raum gelangt werden kann. 2.1 Zum (Sozial-) Raumbegriff Die Einsicht, dass menschliches Handeln immer räumlich stattfindet, galt lange als so selbstverständlich, dass eine weitere Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage, was mit ‚Raum‘ gemeint ist und was diesen ausmacht, gar nicht stattfand. Als Auslöser einer neuen Diskussion um Raumsoziologie gilt Henri Lefêbvre, welcher mit dem Werk ‚La production de l’espace‘ die Beschäftigung mit einem relationalen Raumbegriff wieder aufgenommen hat. Im Gegensatz zum absoluten Raumbegriff, nach welchem der Raum „(…) aufgrund seiner Natur ohne Beziehung zu irgendetwas außer ihm existiert, (…) immer gleich und unbeweglich (…)“ (Newton, zit. nach Löw, 25) ist, bildet sich Raum nach Henri Lefêbvres Reflexion aus folgenden drei Dimensionen (vgl. Lefêbvre, 38). - räumlicher Praxis (spatial practise); der Raumproduktion durch Wahrnehmung - Repräsentation von Raum, (representation of space); der kognitiven Raumentwicklung, also beispielsweise durch Planer/innen - Repräsentationsraum (representational space); Raumbildung durch Symbolisierungen und Zuschreibungen Lefêbvre versteht dabei unter räumlicher Praxis eine allgemeine Wahrnehmung von Räumen und Verhaltensweisen, eine durch Gewohnheiten und Wege abgesicherte Praxis von Raumherstellung und Reproduktion, sowie das Erleben der Räume. Diese Praxis wird aber durch die Repräsentation von Raum beeinflusst. Darunter lässt sich der konzeptualisierte Raum verstehen, der Raum also, welcher durch Planer/innen, Techniker/innen, Architekten/innen, etc. gestaltet wird. Es ist der geplante Raum, der durch Darstellung und Pläne lesbar gemacht wird. Dieser Teil von ‚Raum‘ ist jener, der zumeist von den Wissenschaften – beispielsweise 3 der Geografie – aufgegriffen wird und worauf diese sich beziehen. Weiterhin wird die räumliche Praxis vom Repräsentationsraum durchdrungen bzw. (vor-) strukturiert. „The user’s space is lived – not represented (or conceived)“ (ebd., 362). Das Handeln und Verhalten im ‚gelebten Raum’, im ‚Repräsentationsraum‘, ist dabei aber von Wiederholungen und Entzweiung geprägt. Die räumliche Ordnung wiederholt sich in der gelebten Praxis. Lefêbvre betont hier als Ergänzung die Bedeutung von Symbolen für die Raumbestimmung. Er bezieht den Repräsentationsraum auf Bilder und Symbole, „(…) die die räumlichen Praktiken und das Gedachte ergänzen. Es können die wiederständigen Räume der KünstlerInnen sein oder mythische Raumbilder. Es sind Impulse und Imaginationen, die eine Ahnung (…) vom Raum aufscheinen lassen, vielfach transportiert über körperliches Empfinden und sinnliche Wahrnehmung (…)“(Löw/ Sturm, in: Kessl, 37). Lefêbvre wendet sich klar gegen die Vorstellung von Raum als Behälter, der gefüllt werden kann, wobei sich Inhalt und Hülle nicht beeinflussen. Es sollen nicht die Dinge im Raum, sondern der Raum selbst beschrieben werden (vgl. Lefêbvre, 89). Er entwickelt dabei jedoch mehr eine Vorstellung davon, was Raum nicht ist. Raum ist kein Ding, ist nicht homogen und nicht leer. Mehr als eine Annährung lässt sich in vielen Fällen jedoch nicht feststellen. Jedoch muss anerkannt werden, dass er den absoluten Raumbegriff angreift und er eine Raumvorstellung entwickelte, welche bereits vieles aufgegriffen hat, was heute ein fester Bestandteil in den Sozialwissenschaften ist. Letztlich konnten seine Vorstellungen jedoch nicht in einem klaren Entwurf enden, da seine Raumvorstellung in Verbindung mit kapitalistisch entfremdeter Abstraktion Probleme aufwirft, auf welche in dem Rahmen dieser Arbeit aber nicht weiter eingegangen werden kann. Vermischte Vorstellungen von „Raum als Basis der Handlung (…), die wieder an die Ideen vom starren Hintergrundraum anknüpfen (… und …) konzeptionelle Vorstellungen von räumlichen Netzwerken und Feldern (…)“ (Löw/Sturm, in: Kessl, 38) lassen die Vermutung zu, dass Lefêbvre mit unterschiedlichen Begriffen arbeitet. Einerseits beschreibt er Räume, auf denen Räume entstehen, andererseits Räume, die im Raum entstehen (ebd.). In den räumlichen Praxen wird der Raum als ein Mittel zur Verfolgung von bestimmten Zwecken eingesetzt. Straßen, um sie zu befahren, Landschaft zum anschauen oder spazieren gehen, staatliche Grenzen zum Macht ausüben. Eben das gilt auch für den symbolischen Bezug. Heimat, um auf Zugehörigkeit zu verweisen, die ‚Achse des Bösen‘ um kriegerische Handlungen zu legitimieren, usw. Der „(…) Raum ist nur Medium, Umgebung und Mittel, Werkzeug und Zwischenstufe. (…) Er existiert niemals ‚an sich‘, sondern verweist auf ein Anderes“ (Lefêbvre, zit. nach Belina 2006, 28). Dieses Andere ist aber für Lefêbvre nicht – wie vielleicht zu erwarten wäre – die Gesellschaft, sondern die Zeit. Das 4 Zitat muss aber im Sinne von marxistischer Diskussion interpretiert werden. Damit steht ‚Zeit‘ vermutlich eher für die gesellschaftliche Entwicklung in einer Zeit. Auch Manuel Castells als Kritiker Lefêbvres ist sich mit ihm aber darüber einig, dass ‚Raum‘ nur aus dem Sozialen heraus zu betrachten ist (vgl. Belina 2000, 28f). Im Sinne von relativer Raumvorstellung ist die Begrifflichkeit Raum also kaum auszufüllen. Je nach eingenommenem Blickwinkel verändern sich die möglichen Verortungen. „Ein Raum entsteht, wenn eine Unterscheidung getroffen wird. Allerdings, (…) entsteht dieser Raum nicht als der abgegrenzte Raum der Unterscheidung, sondern als diese Abgrenzung und die Voraussetzung dieser Abgrenzung. Ein Raum ist immer schon ein Raum in Räumen, doch die Orientierung in diesen Räumen ist nur möglich aus jeweils einem Raum heraus. Das ist die Bedingung dafür, zum einen jede Unterscheidung als Grenze zu denken und im Hinblick auf ihre beiden Seiten beobachten zu können, dass man diese Beobachtungen nur vornehmen kann, wenn man (ein Bewusstsein, eine Kommunikation, (…)) seinerseits eine Unterscheidung trifft, das heißt einen Raum abgrenzt und besetzt“ (Baecker, 81f). Die insgesamt sehr vielfältige Rede von und über Raum in Studien und politischen Programmen weist auf Veränderungen von Erfahrungskontexten hin. Die Ordnungen des Räumlichen werden anders erfahren und bilden keine bestimmenden Gegebenheiten. Der Begriff Räumlichkeit lässt sich als eine Markierung deuten, welche darauf hinweist, dass Räume Ergebnisse von sozialen Praktiken sind und Raum keineswegs nur Gebäude, Straßen, Plätze, die Gestaltung und Ordnung umfassen kann. Auch die Veränderung oder Neuordnung dieser genannten Beispiele bestimmen noch keinen Raum bzw. eine Räumlichkeit. Eher weisen die Diskussionen und Reden vom Raum auf eine Neuformierung von sozialen Zusammenhängen hin. Bourdieu bezeichnet in diesem Sinne auch nicht die einzelnen Gebiete wie Stadtviertel, Straßen oder Wohnblöcke als (sozialen) Raum, sondern die gesamte Gesellschaft als soziale Räume. „Die gesellschaftlichen Akteure, die als solche immer durch die Beziehung zu einem Sozialraum (…) herausgebildet werden, und ebenso die Dinge, insofern sie von den Akteuren angeeignet, also zu Eigentum gemacht werden, sind immer an einem konkreten Ort des Sozialraums angesiedelt, den man hinsichtlich seiner relativen Position gegenüber anderen Orten (darüber, darunter, dazwischen, etc.) und hinsichtlich seiner Distanz zu anderen definieren kann. So wie der physische Raum durch die wechselseitige Äußerlichkeit der Teile definiert wird, wird der Sozialraum durch die wechselseitige Ausschließung (oder Unterscheidung) der ihn bildenden Positionen definiert, d.h. als Aneinanderreihung von sozialen Positionen“ (Bourdieu, 160). 5 Wenn man also das Verständnis Bourdieus annimmt, ist ein möglicher Schluss, dass die Debatte auf die Forderung verweist, dass der soziale Raum, also die Gesellschaft, neu zu gestalten sei. Redet man also vom Raum, redet man automatisch auch von (Sozial-) Politik und über sozialpolitische Auseinandersetzungen. Die Frage oder Forderung nach Neuformierung oder – gestaltung hängt dann auch mit der Frage zusammen, wer diese beeinflussen kann. Die Frage der Beeinflussung impliziert aber wiederum, dass bestimmte Handlungen nötig sind, dadurch aber andere Möglichkeiten von Raumordnung ausgeschlossen werden. Ziel von Politik, Planung und Forschung soll aber eher „(…) die Erweiterung bestehender Handlungsspielräume sein, das heißt, deren (Mit)Bestimmung“ (Kessl/Reutlinger, 15). Benno Werlen betont im Akt des Schaffens von Raum das ‚soziale Element‘ als konstituierenden Faktor. Menschen sind demnach kein Bestandteil einer räumlichen Anordnung, doch sind sie der Faktor, welcher mit dem Einsatz des Körpers die Geografie herstellt. Damit der Raum in den sozialen Prozess eingearbeitet werden kann, verlagert Werlen seine Aufmerksamkeit hinsichtlich des Raumes auf das räumliche Handeln. Mit Bezug auf Anthony Giddens erläutert er dabei zwar einen Teil einer jeden Raumkonstitution, löst sich aber nicht von den Gegenüberstellungen von ‚sozial‘ und ‚materiell‘ (vgl. Werlen, 176ff). Wenn man nun an dem Gedanken festhalten will, dass hinsichtlich eines Raumbegriffs Bewegung, bzw. das Handeln des Faktors Mensch ob seiner Wichtigkeit miterfasst werden muss, muss man sich auch noch anderen Theoretikern zuwenden. Dieter Läpple entwickelt den relationalen Raumbegriff oder Ordnungsraum weiter und schlägt ein neues Konzept vor. Er entwickelt den Begriff des ‚Matrix-Raumes‘, da der relationale Raum ihm zu Folge nur eine „(…) Erscheinungsform menschlicher Ortsgebundenheit“ sei (Löw, 137). Gesellschaftliche Bedingungen würden hier nicht beachtet, obwohl sich erst in ihnen die Raumstrukturen und gesellschaftlichen Funktionen entwickeln. Der Matrixraum, welchen Läpple auf die ‚ursächliche Kraft‘ bezieht, wird – so die Hypothese – durch vier Komponenten bestimmt 1. das materiell-physische Substrat, d.h. die materielle Erscheinungsform von gesellschaftlichem Raum 2. die gesellschaftlichen Interaktions- und Handlungsstrukturen, also Produktion, Nutzung und Aneignung von Raum mit Rücksichtnahme auf Verhältnisse von Klassen und Macht 3. das institutionalisierte, normative Regulationssystem, d.h., Berücksichtigung von Vermittlungsformen (rechtliche Regelungen, Normen, etc.) zwischen Erscheinungsbild von Raum und der Praxis der Subjekte 6 4. das Zeichen- Symbol- und Repräsentationssystem, also eine Strukturierung von Verhalten durch die Gestaltung von Raum Demnach zu urteilen ist Raum zwar gesellschaftlich produziert, „(…) entfaltet jedoch eine eigene Wirkung im Kontext menschlicher Nutzung“ (ebd., 138). Diese Entfaltung wird aber je nach kulturellem Umfeld unterschiedlich wahrgenommen. Raum ist also nicht unmittelbar wahrnehmbar, sondern entsteht aus der menschlichen Syntheseleistung, bei welcher das örtlich Wahrgenommene in einen Zusammenhang gebracht und ein örtliches Bezugssystem geschaffen wird. Damit ist man aber nun einerseits mit der Aussage konfrontiert, dass Räume durch eine Syntheseleistung entstehen, andererseits aber auch mit den vier Komponenten, die sich auf materielle Sachverhalte beziehen. Läpple spricht über die Vielfalt der Facetten von Raum und es macht zweifellos Sinn, den beobachtbaren Raum und die menschliche Syntheseleistung zusammen zu denken, doch kommt von ihm kein Angebot, wie diese miteinander in Zusammenhang gebracht und verknüpft werden könnten (vgl. ebd.). Auch Michel Foucault beschäftigt sich – beispielsweise in der Vorlesung ‚Des Espaces Autres‘ mit Raum und Ort (vgl. Foucault, 1991, 65). Raum repräsentiert sich ihm zu Folge in Lagebeziehungen und Lokalisierungen und wendet sich gegen eine Vorstellung von “(…) Zeit als Reichtum, Fruchtbarkeit Leben und Dialektik, wohingegen der Raum als tot und fixiert undialektisch sowie unbeweglich erklärt werde“ (Löw, 148). Sich davon Abgrenzend versteht Foucault den Raum als ein ‚Ensemble von Relationen‘, welches die beinhaltenden Elemente als „(…) nebeneinandergestellte, einander entgegengesetzte, ineinander enthaltene erscheinen lässt“ (Foucault, 1991, 66). Raum ist demnach eine Art Netzwerk, welches Dinge, Menschen und Handlungen ordnet, bzw. die Ordnung ausdrückt. „Anders gesagt: wir leben nicht innerhalb einer Leere, innerhalb derer man Individuen und Dinge einfach situieren kann. (…) Wir leben innerhalb einer Gemengenlage von Beziehungen, die Platzierungen definieren, die nicht aufeinander zurückführen und nicht miteinander zu vereinen sind“ (ebd., 67). Das heißt, dass Raum nach Foucault durch Lagerungen und Platzierungen, bzw. deren Verknüpfung definiert wird, wobei er versucht, auch den Prozess deutlich zu machen. Der Prozess bezieht sich dabei auf den Handlungskontext im Raum, da der Raum als Netzwerk nicht nur als Struktur gedacht wird, sondern die Struktur oder Ordnung auf den Handlungszusammenhang auch zurückverweist. Ohne ein handelndes Subjekt sind Platzierungen aber nicht denkbar, sie können also auf den Platzierenden zurückgeführt werden. Das Subjekt wird damit ein Teil des Diskurses. Handeln – auch wenn es wiederständig ist – kann sich somit nicht abgetrennt von einer (symbolischen) Ordnung vollziehen, kann diese aber verändern. Wenn 7 sich Raum also derart repräsentiert, verweist Foucault darauf, dass „(…) Raum in Handlungszusammenhänge integriert ist und sich damit Raumkonstituierendes Handeln innerhalb der Präsentationen von Raum bewegt. Mit immer neuen Platzierungen verschieben sich alte Konfigurationen. Neues wird gelagert, Altes verbraucht oder weggeworfen“ (Löw, 150). Foucault beschreibt dabei – wie auch Werlen – Raum als Lageverhältnisse. Er versucht jedoch nicht, einen bestimmten Raumbegriff herzuleiten, sondern versucht zu diagnostizieren. Der Raum ist demnach die Anordnung von den genannten Platzierungen und Lagerungen. Sein machttheoretischer Fokus liegt dabei auf der Ordnung, welche geschaffen wird. Raumkonstitution ist damit die Durchsetzung von Macht (vgl. ebd.). Insgesamt betrachtet muss man sich also von der Idee lösen, dass Raum eine bestehende oder eine verfestigte Struktur ist. Vielmehr müssen Räume als Ergebnisse von Handlungsprozessen betrachtet werden. In einer Sozialraumperspektive gilt das Interesse demnach weniger dem physischen Raum, sondern dem von dem Menschen selbst konstituiertem, ergo dem Raum der Beziehungen, Verhältnisse und Interaktion. „Mit Sozialraum werden somit der gesellschaftliche Raum und der menschliche Handlungsraum bezeichnet, das heißt der von den handelnden Akteuren (Subjekten) konstituierte Raum und nicht nur der verdinglichte Ort (Objekte)“ (Kessl/Reutlinger, 23). Sämtliche Mitglieder einer Gesellschaft tragen dabei dazu bei, Räume zu konstituieren – wenn auch unterschiedlich stark beteiligt. Auch arme oder erwerbslose Mitglieder sind so ein Teil jener Personen, die diese Prozesse vollziehen. Die ungleich verteilten Möglichkeiten der Beeinflussung und Teilhabe zeigen aber, dass auch andere Einflussgrößen die Prozesse darüberhinaus steuern. Die Akteure stehen insgesamt auf völlig verschiedenen Positionen des sozialen Raums (im Verständnis Bourdieus) und sind so teilweise in ihrem Handeln begrenzt. Rein konstruktivistische Theorien zu Raum laufen hier Gefahr, bestimmte Ordnungen bzw. Arrangement des Räumlichen zu übersehen, welche soziale Prozesse beeinflussen. Man denke hier an Gebäudeformationen, feste Straßenverläufe, Grenzen und Einfriedungen, eine bestimmte Gestaltung oder die Ansiedlung von Geschäften einer bestimmten Art. Hier setzen wiederum materialistische Raumtheorien an, welche die Einflussnahme der physischen räumlichen Ordnung auf die sozialen Zusammenhänge und die Handlungen der Subjekte zu erforschen suchen. Eine grundlegende Bedeutung haben hier die ökonomische Ausstattung der Gesellschaftsmitglieder, die Wohnsituation und die Zugänge zu infrastrukturellen Angeboten. Eine rein materialistische Betrachtungsweise läuft aber wiederum Gefahr, die Konstruktionsprozesse durch das Subjekt zu unterschätzen (ebd., 26). Es ist mit den Ausführungen wohl deutlich geworden, dass die Vorstellung von absolutem Raum (fixiert), als auch jene von relativem Raum (Ausdruck von Handeln) kein zufrieden 8 stellenden Ergebnis erwarten lässt. Vielmehr ist es notwendig, beide Sichtweisen miteinander zu kombinieren, um die gegenseitige Beeinflussung, das Wechselspiel von materialistischer Ordnung und (Re-)konstruktion durch das Subjekt, berücksichtigen zu können. Was dann (Sozial-)Raum heißt, ist damit von dem jeweiligen Kontext abhängig. Martina Löw schreibt dazu: „Ich gehe dazu von einem Raum, der verschiedene Komponenten aufweist, aus. Das heißt, ich wende mich gegen die in der Soziologie übliche Trennung in einen sozialen und einen materiellen Raum, welche unterstellt, es könne ein Raum jenseits der materiellen Welt entstehen (…), oder aber es könne ein Raum (…) betrachtet werden, ohne daß diese Betrachtung gesellschaftlich vorstrukturiert wäre (…). Analytisch gehe ich daher von einem sozialen Raum aus, der gekennzeichnet ist durch materielle und symbolische Komponenten“ (Löw, 15). Mit dieser Betrachtungsweise fällt es nun auch leichter, sich mit Fragen zu befassen, welche sich mit der ungleichen Chance von Beteiligungsmöglichkeiten auseinandersetzen oder jene Prozesse zu betrachten, welche zu der aktuellen Ordnung des (Sozial-) Räumlichen geführt haben. 2.2 Raum und Orte Wenn der Prozess der Konstitution von Raum durch wechselseitige Beziehungen weiter gedacht wird, stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Orten und Atmosphären. Da eine Atmosphäre aber durch den jeweiligen Ort beeinflusst wird, soll hier vorerst auf den Ort eingegangen werden. Wenn man den Orten eine soziologische Relevanz zuspricht, kann man diese mit Räumen gleichsetzen. Versteht man nun unter Raum aber die Anordnung von (sozialen) Gütern und Subjekten, stellt sich wiederum die Frage, welche Bedeutung Orte haben. Der Prozess der Raumkonstitution ist, wie beschrieben, geprägt durch Syntheseleistungen des Subjektes und den Platzierungen bzw. dem ‚spacing‘ (vgl. Foucault, 1991, 67). Wenn aber etwas platziert werden soll, muss es dafür bestimmte Orte geben, wo dieses möglich ist. Dabei können Orte durch eine Besetzung mit (sozialen) Gütern oder auch den Menschen selbst kenntlich gemacht werden, stehen aber auch weiterhin für neue oder andere Platzierungen zur Verfügung. Somit ist der Ort “(…) Ziel und Resultat der Plazierung [sic]“ (Löw, 198). Weiterhin bleiben diese Orte über einen gewissen Zeitabschnitt auch ohne das Platzierte erhalten, da die symbolische Wirkung noch einige Zeit erhalten bleibt. Das Platzierte kann also eine einmalige oder kurzfristige Handlung oder Besetzung sein, andererseits auch fixe Gebilde hervorbringen, die eine symbolische Wirkung haben (Gebäude, Straßen, Denkmäler, etc.…). Demnach sind Raum und Ort verschiedene Begriffsbestimmungen, wobei der Ort als konkret benennbare Stelle – beispielsweise geografisch markiert – fassbar ist. Im Ort ist „(…) das 9 Eigene, Unverwechselbare, Nichtvergleichbare aufgehoben“ (Brauns, zit. nach Löw, 199). Die Benennbarkeit verstärkt dazu in diesem Kontext die symbolische Wirkung des Ortes. Hinsichtlich der Syntheseleistung des Subjektes können verschiedene Formen der Synthese unterschieden werden. Fassbar sind die Syntheseleistung in der subjektiven Wahrnehmung, in der Erinnerung und der abstrahierenden Vorstellung, wenn diese auch selten für sich alleine stehen. „In der Abstraktion, das heißt in Synthesen am Reißbrett, im Computer, im (…) Design etc. geht es häufig nur um die sozialen Güter, welche zu Räumen verknüpft werden. Die Orte (…) spielen dabei keine Rolle“ (Löw, 199). In der Wahrnehmung hingegen werden Ort und platziertes Element nicht getrennt. Die Wahrnehmung bezieht sich zumeist auf die Güter und Personen im Kontext mit dem Ort und letztlich arbeitet auch die Erinnerung ähnlich wie die Wahrnehmung. In der Erinnerung verschmelzen die Objekte und Subjekte mit den Orten zu einem einzelnen Element, was im Gedächtnis bewahrt wird und so die Konstitution von Raum beeinflussen kann. Martina Löw führt als Darstellung den eigenen Stadtteil an, der sich beispielsweise über die Straße in welcher man wohnt, Geschäfte in der Nähe und „(…) das Flußufer, an dem man sich zwar selten aufhält, das aber dem Erleben nach zum eigenen Raum dazugehört“ konstituiert (ebd.). Weder in Wahrnehmung, noch im Gedächtnis wird in diesem Fall zwischen dem Wohnhaus als sozialem Gut und dem Ort an dem man wohnt unterschieden, dennoch sind es unterschiedliche Seiten des Kontextes, da das Haus auch an einem abweichenden Ort stehen könnte. Weiterhin und möglicherweise sogar von mehr Bedeutung ist die Unterscheidung bei flexiblen Gütern oder Menschen. Wird der eigene PKW täglich an derselben Stelle vor dem Haus abgestellt, entsteht dort ein Ort für den Wagen. Anwohner oder Einheimische wissen – auch wenn der PKW gerade einmal nicht dort steht – dass dieser Ort nicht auf eine andere Art und Weise oder von jemand Anderem besetzt werden darf. Einerseits bringt nun die Platzierung des PKW an dieser Stelle einen einmaligen und fixen Ort hervor, andererseits hat der Ort die Möglichkeit einer solchen Platzierung erst ermöglicht (vgl. Löw, 200). Wie bereits angesprochen, können diese Orte aber durch wechselnde Platzierungen auch flüchtig sein. Manuel Castells zu Folge lassen sich hier drei Arten von flüchtigen Orten unterscheiden: privilegierte Orte, Orte im Netz und periphere Orte. Jede einzelne Platzierung lässt Orte entstehen, wozu gesagt sei, dass diese Orte vorübergehend sind, da jede Platzierung einen symbolischen und einen materiellen Aspekt aufweist. Von Materie, deren Fixierung und Symbolik - welche durch materielle Strukturen erzielt werden kann - hängen Flexibilität, Privilegiertheit und Peripherie des Ortes ab (vgl. Castells, in: Noller, 126f). 10 Durch die Berücksichtigung der Bedeutung von Orten im Raum werden nach Löw drei Aspekte greifbar. Mit der Einführung von Orten kann nun eine Bezeichnung für ganz bestimmte (subjektive oder gesellschaftliche) Lokalisierungen gewonnen werden Weiterhin lassen sich frühere Platzierungen auch an einem nur noch symbolisch erhaltenen Ort vermuten oder feststellen - sofern der Ort noch in die Raumkonstruktion eingebunden ist („Hier war einmal…“). Letzten Endes wird auch deutlich, dass nicht nur das, was platziert wird, sondern auch das synthetisierende Subjekt sich bereits an einem Ort befindet. So lassen sich Ort und Mensch als getrennte Ebenen betrachten, die Einflüsse der Synthese so überdenken. Nicht nur die Person oder ihr Habitus prägt die Synthese, sondern auch der Standort bzw. die Lokalisierung. „Der Raum der Klagemauer wird unterschiedlich je nach Habitus konstituiert, aber auch in Abhängigkeit von der Lokalisierung. Es macht einen Unterschied, ob man direkt vor der Mauer steht oder durch die Tore der Altstadt (…) auf die Mauer schaut, ob man sich an einer Gedenkstätte (…) oder in einer New Yorker Bar an die Klagemauer erinnert“ (Löw, 202). Die Bedeutung des Ortsbegriffes liegt vor allem darin, dass die Menschen unterschiedliche Syntheseleistungen vom selben Ort aus vollziehen. Von den Strukturen wie Geschlecht, Gefühl der Zugehörigkeit, sozialen Merkmalen etc., welche in den Habitus eingehen, können Raum und Ort vom selben Standpunkt aus völlig verschieden synthetisiert werden. Trotzdem können Syntheseleistungen unterschiedlicher Gruppen – vom selben Ort aus – Gemeinsamkeiten aufweisen, die von anderen Orten aus nicht vorhanden wären. Durch Platzierungen entstehen Orte, welche die Syntheseleistung beeinflussen, „(…) sowohl weil von unterschiedlichen Orten unterschiedliche Synthesen naheliegen als auch weil (…) Stellen besetzt werden, die Raumkonstruktionen prägen. Räume bringen Orte hervor, und diese sind (…) die Voraussetzung jeder Raumkonstitution“ (Löw, 203). Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Orten je nach subjektiver Wahrnehmung, Zuschreibung und durch Platzierungen verschiedener Art durch verschiedene Personen unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden. Von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet, lassen sie jeweils anders geartete Eindrücke entstehen. Sie können flüchtig sein oder fixiert, unterliegen ständigen Veränderungen und können - je nach dem gesellschaftlichen Verhältnis - für das Subjekt sowohl peripher, als auch privilegiert, annehmend oder ausschließend wirken. 11 2.3 Atmosphäre – unsichtbarer Raum Wenn Raum durch Anordnung von Menschen und Gütern an Orten geschieht, sich in einem ständigen Wandel durch Syntheseleistungen befindet und sich durch die Neukonstitution und wechselnden Platzierungen der Raum in einem ständigen Fortschreiten befindet, so lässt dieser sich nicht als ein sichtbares Gebilde fassen. Die sichtbaren (sozialen) Güter, Personen und Platzierungen lassen sich wahrnehmen und damit Orte greifbar machen, nicht aber der Raum als Ganzes. Jedoch lassen sich der ein- oder ausschließende Charakter des Raumes und die Grenzen desselben spüren, also sinnlich wahrnehmen. Im letzten Abschnitt wurde bereits deutlich, dass Orte durch Güter und Subjekte von verschiedenen Personen unterschiedliche Zuschreibungen erhalten. Daraus lässt sich schlussfolgern: Menschen und Güter haben eine Außenwirkung. Die Außenwirkungen bleiben aber nicht einfach nur nebeneinander als einzelne Wirkungen bestehen, sondern sie ergeben in ihrem Zusammenspiel ein bestimmtes Arrangement, welches unterschiedliche Gesamtwirkungen erzeugt. Man denke beispielsweise an eine Bibliothek, welche man kurz vor deren Schließen noch hektisch betritt. Die Gerüche, die Gestaltung und die Zuschreibungen, werden die Hektik und Stimmung der betretenden Person zweifellos beeinflussen und zur Ruhe kommen lassen. Ein Phänomen tritt auf, welches Einfluss auf das Subjekt hat und es ‚umstimmen‘ kann. Es entwickelt sich also an Orten und Räumen eine Ausstrahlung oder Potentialität, die folgend als Atmosphäre bezeichnet werden soll. Atmosphären sind unter diesen Aspekten „(…) die in der Wahrnehmung realisierte Außenwirkung sozialer Güter und Menschen in ihrer räumlichen (An)Ordnung“ (Löw, 205). Zu den wenigen Personen, welche Raum und Atmosphäre in Zusammenhang gebracht haben, gehört unter anderen auch Niklas Luhmann. Atmosphäre ist ihm zu Folge ein Überschusseffekt der Verbundenheit der Differenz zwischen Stelle (Ort) und Objekt. In der Atmosphäre wird die Einheit der Unterscheidung von Ort und Objekt sichtbar. Er spricht von Atmosphäre als „(…) Sichtbarkeit der Unsichtbarkeit des Raums“ (Luhmann, 181). Luhmann hat allerdings vorrangig die einzelnen Objekte im Blick, wodurch er die Beziehungen von Objekten untereinander und die von Personen gemachten Platzierungen – welche immer auch im Kontext zu anderen Menschen gemacht werden – vernachlässigt. Jedoch verweist auch seine These darauf, dass die räumliche Ordnung charakteristische Eigenschaften hat und eine Atmosphäre produziert (vgl. ebd., 181ff). Im Gegensatz zu Luhmann versteht Löw die Anordnungen im Raum nicht nur als von Objekt und Ort, sondern auch als von Mensch und Gütern an Orten bestimmt. Daher müsse „(…) die Entstehung von Atmosphäre aus der relationalen (An)Ordnung an Orten hergeleitet werden“ (Löw, 205). 12 Raum ist somit eine durch materielle Gegebenheiten strukturierte Figuration, in der die Atmosphäre die nicht sichtbare und doch spürbare Seite ist. Durch diesen Sachverhalt wird dann nicht nur der einzelne Ort, sondern der Raum selbst wahrnehmbar. Damit diese Atmosphäre entstehen kann, wird eine „(…) Gleichzeitigkeit von wahrnehmendem Subjekt und wahrnehmbaren Objekt (…)“ vorausgesetzt (Löw, 206). Auch Böhme schlägt die Einheit von Differenz hinsichtlich Subjekt und Objekt zur Bestimmung der Atmosphäre vor. Sein Augenmerk liegt dabei unter Anderem auf der Waren- und Konsumwelt, wobei er herausarbeitet, dass Güter eine szenische Wirkung oder Funktion haben, welche dazu dient, Atmosphäre zu erzeugen. Durch ansprechendes Design wird der jeweiligen Ware ein Anschein verliehen, welcher verkaufsfördernd wirkt. Das Design, die Werbung und die Präsentation der Ware entwickeln in ihrem Zusammenspiel eine Atmosphäre, die dem Verkauf der Ware förderlich ist. Die Atmosphäre selbst definiert Böhme als eine „(…) gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen“ (Böhme, 34). Gemeinsame Wirklichkeit bedeutet damit, dass Atmosphäre weder nur als eine Projektion von Befindlichkeit auf die Güter, noch als vom Menschen gelöst angesehen werden kann. Viel mehr müssen beide Perspektiven berücksichtigt werden. Die Objekte in ihrer Form, Gestaltung und Ausdehnung haben eine Einfluss nehmende Außenwirkung, welche die Menschen in Stimmungen versetzen kann. Das Subjekt steht dazu in Beziehung, da es Dinge erkennen kann und eigene Zuschreibungen vornimmt. Atmosphären setzen sich also nach Böhme aus Objektwirkung und dem körperhaften Spüren des Subjekts zusammen. (vgl. Böhme, 35). Der Schwerpunkt bei Böhme liegt in der Analyse der Machbarkeit von Atmosphären. Die hauptsächliche gesellschaftliche Arbeit ist jene, die Atmosphären schafft, also inszeniert. Die Inszenierung kann auf Waren bezogen sein, auf Schaufenster, Verkaufsräume oder ein Hotelzimmer mit bestimmten Tapeten. Doch wird auch die Politik inszeniert, so wie Firmen, Bahnhöfe und ganze Städte ebenfalls. Es geht hauptsächlich darum, bestimmten Dingen oder Menschen ein Aussehen zu verschaffen, welches die gewünschte Atmosphäre oder Ausstrahlung erschafft (vgl. Böhme, 15, auch: 87). Daran arbeiten sowohl Designer als auch (Innen)Architekten, Modeschöpfer, PR-Berater/innen, etc. „Wenn ein Verkaufspraktiker in einem Supermarkt eine bestimmte Musik erklingen läßt, so bringt er ja nicht ein Werk zu Gehör, sondern möchte eine verkaufsgünstige Stimmung erzeugen“ (ebd, 87). Räume sind damit nicht nur durch die Subjekte und deren Syntheseleistungen konstituiert, sie werden auch für diese Leistungen und die Wiedererkennung bewusst vorbereitet und inszeniert. Das, was an Gütern, Objekten oder Subjekten letzten Endes positioniert wird, ist zum Teil bereits für die Wahrnehmung vorbereitet. Dabei darf man aber nicht davon ausgehen, dass alle Menschen 13 die Inszenierungen gleichermaßen wahrnehmen. Atmosphären kann man keinen universellen Charakter zuschreiben, da auch der soziale Kontext, das kulturelle Umfeld, oder auch der geschlechtsspezifische Kontext eine Rolle spielen kann und die Wirkung somit - bezogen auf verschiedene Subjekte - unterschiedlich ausfallen kann. Da Wahrnehmung, und somit die Wirkung der jeweiligen Atmosphäre, bzw. deren Inszenierung, nicht unmittelbar funktioniert, sondern von den subjektiven Standpunkten und dem Habitus abhängig ist, soll nun folgend auf die Wirkung der sozialen Ungleichheit eingegangen werden. 2.4 Einfluss sozialer Ungleichheit auf Raum Bereits Émile Durkheim hat in den 1890er Jahren das Konzept der sozialen Milieus für Analysen gesamtgesellschaftlicher Akteursgruppen entwickelt. Danach funktionieren Abgrenzungen und Zusammenhalt über in Verwandtschaft, nachbarschaftlichen Kontakten und Berufszugehörigkeit entwickelten und darüber geprägten Beziehungen. Im Verlauf dieser Beziehungen werden gemeinsame Ausprägungen von Geschmack und Mentalität, sowie moralische Vorstellungen entwickelt, welche für das jeweilige Milieu typisch sind oder werden (vgl. Durkheim, 181f). Über einen langen Zeitraum zurückgetreten, konnte sich das Milieukonzept unter den Anzeichen von sozialen Ungleichheiten, Struktur- und Mentalitätswandel in den 1980er Jahren in der deutschen Soziologie wieder etablieren, da es geeignet war, durch die Verbindungen von objektiven und subjektiven Dimensionen das soziale und politische Verhalten zu deuten und vorherzusagen. Weiterhin konnte sich auch die hannoversche Milieuforschung – welche sich auf Bourdieus Milieu- und Klassentheorie bezieht – etablieren, da sie mit Hilfe von standardisierten und qualitativen Methoden einen großen Teil des sozialen Raums in der Bundesrepublik nach ihren Milieus erforschen konnte (vgl. auch Vester). Hinsichtlich gesellschaftlicher Konflikte und Beziehungen ist die Theorie Bourdieus recht aufschlussreich. Soziales Verhalten erklärt sich aus den Entfaltungsmöglichkeiten, welche den sozialen Akteuren in ihren individuellen Umwelten zur Verfügung stehen. Diese Entfaltungsmöglichkeiten können daran bemessen werden, welche Stellung das Subjekt in den hierarchisch Strukturierten und mit eigener Logik ausgestatteten Umwelten hat und was für ein soziales Feld es einnimmt. Wenn der Spielraum klein ist, die Person den Kräften des Feldes ‚ausgeliefert‘ ist, nimmt es eine untergeordnete Stellung ein. Das heißt, dass den Anforderungen oder Kräften des sozialen Feldes aufgrund der zu knappen Ressourcenausstattung nicht wiederstanden werden kann. Sind die verfügbaren Ressourcen ökonomischer, sozialer und kultureller Art jedoch großzügiger bemessen, kann das Subjekt die Strukturen der Umwelt im eigenen Sinne beeinflussen. Dabei sind nicht unbedingt die einzelnen Ausprägungen – wie 14 Alter, Beruf, Geschlecht oder Finanzen – für sich alleine einflussnehmend auf die soziale Stellung und die Handlungsspielräume, sondern erst die Kombination verschiedener Merkmale und deren Kompatibilität mit einzelnen Feldern (vgl, Bourdieu, 1992, 49ff). Wenn Raum also eine „(…) relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Lebewesen an Orten (…)“ (Löw, 212) ist, muss man – um diese Anordnen zu können – auch einen Zugang zu diesen haben. Die Möglichkeiten, Räume zu gestalten oder sie zu verändern sind aber ungleich verteilt, da die Zugangschancen zu den (sozialen) Gütern keine symmetrische Verteilung aufweisen. Da die Verteilung der Güter aber zumeist über monetäre Verhältnisse organisiert ist, verfügen die höheren Klassen typischerweise über die besseren Chancen zur Raumkonstitution. Weitere Zugangsmöglichkeiten sind aber auch über andere Attribute bzw. relationale Formen von Ungleichheit, d.h. über Hierarchien und deren Organisation, sowie selektiver Assoziation geordnet. Während über die hierarchiegesteuerte Organisation eine klassenspezifische Benachteiligung entstehen kann, sind durch die Assoziation zu einer bestimmten Gruppe Zugriffe auf Ressourcen möglich, welche atypische und/oder gegenkulturelle Räume bzw. Orte hervorbringen kann. Zudem spielt auch das Wissen über die Vielfalt möglicher Räume in die Organisation von Zugängen oder Ausschlüssen hinein. Das Wissen um die materiellen Aspekte oder Komponenten ist dabei leichter zugänglich, als jenes über die symbolischen Ordnungen, da die Interpretationsprozesse auch über den Habitus und Dispositionen gesteuert werden. Weiterhin, so Löw, interessieren sich Frauen „(…) mehr für geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Fragen, Männer für technische und naturwissenschaftliche. Je nach Wissensspektrum können unterschiedliche Räume geschaffen werden mit den damit einhergehenden Machtverhältnissen“ (Löw, 213). Entsprechend Löw lassen sich insgesamt vier Ebenen von sozialen Ungleichheiten, die Raumkonstitution betreffend, unterscheiden: 1. Ungleichheit aufgrund der eingeschränkten oder begünstigten Verfügungsmöglichkeiten über (soziale) Güter Reichtumsdimension 2. Ungleichheit aufgrund von Wissensunterschieden Wissensdimension 3. Ungleichheit aufgrund verschieden Verfügungsmöglichkeiten über soziale Positionen Rangdimension 4. Ungleichheit aufgrund von unterschiedlichen Zugehörigkeiten oder NichtZugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen (vgl. ebd., 214) 15 Assoziationsdimension Eine Eigenschaft der Räume ist also auch das Verteilungsprinzip. Zusammenhänge zwischen Gütern, zwischen Menschen, sowie zwischen den Gütern und Menschen werden hergestellt. Wer oder was dabei nicht mit einbezogen wird, ist ausgeschlossen. Daher muss bei der Konstitution von Raum immer auch die Differenz hinsichtlich Exklusion und Inklusion bedacht werden. Doch werden nicht nur Güter und Subjekte miteinander verknüpft, sondern durch die Syntheseleistungen werden auch Rang und Assoziation geschaffen. Es wird somit nicht zwangsläufig über Verbote oder andere Interventionen exkludiert, sondern der Ausschluss geschieht teils durch die Person oder Gruppe selbst über die Habituspräferenzen. Die Prozesse von Platzierungen und Syntheseleistungen, welche der Anordnung zugrunde liegen und die Konstitution von Raum beeinflussen, sind abhängig von den Ressourcen wie Reichtum, Wissen, Assoziation und Rang. Damit geht, wie im vorigen Abschnitt beschrieben, auch die Entstehung der Atmosphären einher. Wenn Raum also primär über die Platzierungen und Syntheseleistungen konstituiert ist, (soziale) Güter und Menschen aber nicht nur platziert werden, sondern sich auch selbst platzieren, diese Platzierungen aber auch durch vorhergehende Inszenierungsarbeiten vorbereitet werden können, um Atmosphäre zu erzeugen, lässt sich das Schaffen von Atmosphären als ‚sekundäre Objektivation‘ bezeichnen (vgl. Kreckel, 88). Da die genannten Ressourcen, welche den Subjekte in ihrem Handeln verfügbar sind, meist nicht sichtbar sind oder unerwähnt bleiben, umgibt nach Kreckel die Menschen ein ‚Sozialprestige‘, welches aus den Ressourcen und den Sozialisationsprozessen geschaffen ist. Die Prestigeordnung sichert nun die soziale Position von Menschen oder Gruppen in der Gesellschaft. Die Prestigeordnung ist die „(…) sekundäre, ideologische Realitätsebene (…)“, (Kreckel, 90) welche die ungleich verteilten Möglichkeiten der Ressourcennutzung verschleiert. Die Verschleierung sichert damit die Akzeptanz der sozialen Ungleichheit. Zusammenfassend kann man sagen, dass die räumlichen Strukturen die Form der gesellschaftlichen Strukturen widerspiegeln. Die Konstitution von Raum wird durch Unterschiede zwischen den der Gesellschaft zugehörenden Personen gesteuert, so dass eben jene Konstitution aber auch weitere Unterschiede oder Verteilungen hervorbringt. Durch die (sozialen) Objekte, Platzierungen und Anordnungen entstehen Inklusions- und Exklusionseffekte und machen Raum zum Feld oder Gegenstand der sozialen Auseinandersetzungen. Die ungleichen Möglichkeiten über die Ressourcen Wissen, Rang, Reichtum und Assoziation zu verfügen, sind für die Durchsetzung bestimmter Anordnungen Ausschlag gebend. Somit kann auch die Möglichkeit über Raum zu verfügen selbst zur Ressource werden. Insgesamt betrachtet ist die Konstitution von Raum einem ständigen Wandel unterlegen, also grundsätzlich prozesshaft. 16 3 Stadträume und Öffentlichkeit Heute scheint es allgemeiner Konsens zu sein, dass der ‚öffentliche Raum‘ – besonders in den Städten – schrumpft. Im Zuge der Thematisierung stellt sich aber auch die Frage, ob man es sich nicht zu einfach macht, den Schwund zu beklagen und darüber einige Aspekte nicht beachtet. Welcher öffentliche Raum wird überhaupt von uns genutzt und vor allem auch wie? Oder noch anders überlegt: Was verstehen wir darunter, wo hätten wir den öffentlichen Raum gerne und auch wann? Es wird sich aus diesen Fragen wohl kaum ein Meinungsbild herausarbeiten lassen, welches übereinstimmend ist. Was öffentlichen Raum ausmacht, welchen Zwängen er unterliegt, welche Nutzer sich in ihm finden, was für Potentiale in ihm liegen und wie diese hervorgebracht werden können, lässt sich kaum erschöpfend beantworten. Dennoch soll folgend eine Annährung stattfinden, welche einen Eindruck von Strukturen hinsichtlich urbaner, öffentlicher Räume bzw. Orte vermitteln und Hintergründe beschreiben will. 3.1 Öffentliche Stadträume – eine Annährung Öffentliche Stadträume sollen hier nicht ausschließlich, jedoch auch als physikalisch greifbar behandelt werden. Wenn man von urbanen Räumen und Orten spricht ist auch hier wiederum festzuhalten, dass in der Bestimmung auch schon die materiellen, soll heißen, die flächen- und nutzungsbedingten, architektonischen und städtebaulichen Strukturen Berücksichtigung finden müssen. Die Diskussion über öffentlichen Raum ist voll von Unklarheiten und Unschärfe, das was individuell bezeichnet wird, weicht voneinander ab. „Die einen bezeichnen damit Plätze, Parks und Promenaden in den Städten, die sich im öffentlichen (…) Eigentum befinden und öffentlich gepflegt, kontrolliert und verantwortet werden (…). Andere betrachten den Gegenstand eher von der Nutzungsseite und bezeichnen mit öffentlichem Raum alles, was von der Öffentlichkeit genutzt werden kann (…). Aber damit der Missverständnisse nicht genug. Vielfach werden implizit besondere Räume in der Stadt gemeint: Für die einen stehen vor allem die zentralen Bereiche, die Fußgängerzonen, Passagen und Plätze in der Stadt im Vordergrund. Andere legen das Gewicht vor allem auf die »grünen« Räume: die Parks, Stadtwälder, Flussauen, Seeufer. Und wieder andere nehmen alles dies zusammen, halten das aber immer noch für zu eng gefasst, denn ihnen fehlen die Straßen – von der Wohnstraße zur Stadtautobahn –, die Parkplätze, die Bahngelände, die Brachen und so fort (…)“ (Selle, 1). 17 Berücksichtigt werden müssen also verschiedene Ansichten oder Formen öffentlichen, urbanen Raums. ‚Den‘ einen öffentlichen Raum scheint es also gar nicht zu geben. Wichtig ist dabei auch zu sagen, dass es zusätzlich zu den Räumen oder Orten privater und öffentlicher Art auch die Verwischung zwischen diesen gibt, bei denen eine klare Abgrenzung nicht möglich ist und der Status dieser Räume und Orte sich von den Nutzern nicht eindeutig feststellen lässt. Besonders die Übergänge an den Orten – öffentlich zugänglich und doch in privatem oder städtischem Besitz - werden in der Literatur unterschiedlich benannt. Es finden sich hier Bezeichnungen wie ‚semi-öffentlich‘, ‚halb-öffentlich‘, ‚quasi-öffentlich‘, ‚veröffentlichteprivate‘, ‚privat produziert/öffentlich nutzbar‘ und so fort (vgl. Klamt, 44). Doch sind gerade diese so bezeichneten Orte und Räume jene, in denen die öffentliche Nutzung im Alltag für die verschiedensten Zwecke stattfindet. Es ist „(…) entscheidend (…), wie der Raum genutzt und empfunden wird. Auch wenn er de jure öffentlich sein mag, kann die gefühlte Öffentlichkeit doch schwach entwickelt sein, auf Parkplätzen etwa oder in zugigen Trabantenstädten. Umgekehrt kann ein de jure privater Raum höchst urbane Gefühle erzeugen“ (Rauterberg, zit. nach Klamt, 44). Letzten Endes ergibt sich also erst aus den Wahrnehmungen und Zuschreibungen der Nutzer des jeweiligen Raums und dessen Orten die subjektive oder auch kollektive Bedeutung bzw. das, was als öffentlich angesehen wird. Besonders in urbanen Räumen ist durch die baulichen Strukturen und früheren Nutzungen der physikalische öffentliche Raum recht eindeutig. Besonders in den Städten, wo der historische Stadtkern noch (teilweise) erhalten ist, zeigen die für die Menschen greifbaren Strukturen und Markierungen noch eine wahrnehmbare Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum. Beispielsweise lassen sich dafür Marktplätze anführen, Kirchenvorplätze und Rathäuser, wobei auch die noch heute vorhandenen Namen der Orte wie Viehmarkt, Fischmarkt, Pferdemarkt, etc. die vormalige öffentliche Nutzung verdeutlichen. Doch auch die Straßen sind ganz offensichtlich trennbar in öffentlichen Straßen- und privaten Wohn- und Geschäftsraum. Ein typischer Sonderfall findet sich hinsichtlich dieser Geschäfte, Cafés und Läden, welche zur Straße hin geöffnet sind und ihre Auslagen teilweise dorthin verlagert haben. Ganz ähnlich auch Passagen oder Arkaden, welche gewissermaßen die Straße ins Haus führen und die Grenzen zwischen öffentlich und privat verschwimmen lassen. Zu den tatsächlich öffentlichen Stadträumen lassen sich Räume und Orte im Wohnumfeld (Grünräume, Spielplätze Straßenräume), Grünbestimmte Freiräume (Parks, Gewässer), Straßen (zwar verregelt, doch öffentlich durch die Verbindungsfunktion) und zentrale Plätze der Stadt zählen (vgl. Wüstenrot, 22). Die meisten weiteren Orte stehen unter privater Regie, was eine Ausgrenzung unerwünschter Personen oder Gruppen erleichtert. Im Diskurs zu öffentlichem Stadtraum dürfen aber nicht die kommunikativen Elemente 18 der Menschen vergessen werden. Wie bereits angesprochen ist nicht nur die physikalische Umgebung, sondern auch das Erleben der Menschen für das, was subjektiv als öffentlicher Raum erfasst wird, ein wichtiger Aspekt. Hannah Arendt bezeichnet den öffentlichen Raum als ‚das Gemeinsame‘. So entsteht nach dieser Auffassung öffentlicher Raum dann, wenn Menschen sich zwanglos begegnen und miteinander interagieren können. Das heißt auch, dass er abseits von Durchschnitt und Konformität agieren kann, so auch mit anderen Personen in Kontakt treten und sich mit diesen auseinandersetzen kann. Erst so entstehe öffentlicher Raum in seiner diskursiven Dimension (vgl. Arendt, 64). Die Dimension besteht dabei aus „(…) der Anwesenheit zahlloser Aspekte und Perspektiven (…)“ an einem Ort, wo die Menschen zusammenkommen und „(…) ein jeder von einer anderen Position aus sieht und hört“ (ebd., 71). Weiterhin spricht Arendt davon, dass sich eine Tendenz der Homogenisierung in öffentlichen Räumen finden lässt und dass durch das konforme Verhalten alles was davon abweicht als anormal angesehen und negativ assoziiert wird. Zwar seien immer noch Individualisierungstendenzen vorhanden, jedoch sei freies Handeln einem unfreien, einheitlichen Verhalten gewichen (vgl. ebd., 53). In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, ob gerade die Kontrollen, Überwachungen, Hausordnungen und Verbote dem normierenden Zweck dienlich sein sollen, also ein normentsprechendes Verhalten erzeugt (oder zumindest deviantes unterdrückt) werden kann und wie sich das auf die subjektive Wahrnehmung von öffentlichem Raum auswirkt. Wie hinsichtlich des Raumverständnisses beschrieben, unterliegt Raum einem ständigen Wandel. Dementsprechend unterliegen auch die öffentlichen urbanen Räume und Orte und damit auch das öffentliche (Er)Leben ständigen Veränderungen. Räume, Orte und (Er)Leben sind dynamischen Phänomenen unterworfen, welche ökonomisch, politisch, historisch und gesellschaftlich geschaffen sind, doch auch schlicht dem Zeitgeist oder der Mode unterliegen können. In vereinfachter Art und Weise könnte man sagen: „(…) weil das Leben sich verändern kann, kann auch der öffentliche Raum von Wandel betroffen sein“ (Klamt, 49). Der Normierung des öffentlichen Stadtraums gegenüber steht die Individualisierung, welche sich als fortschreitende gesellschaftliche Ausdifferenzierung fassen lässt. Die Individualisierung hat ebenfalls Auswirkungen auf den öffentlichen Raum und das Raumerleben, da durch die Gegensätzlichkeit von Individualisierung einerseits und Kontrolle andererseits die Raumbindung der Individuen nachlassen kann, bestimmte Orte mit den persönlichen Erfahrungen in Zusammenhang gebracht werden und sich so das Nutzungsverhalten hinsichtlich bestimmter öffentlicher Räume und Orte ändert. Daher soll folgend auch die Individualisierung und Normregulierung in öffentlichen, urbanen Räumen noch einmal näher erläutert werden. 19 3.2 Raum, Norm und Individualisierung Wenn wir nun vom öffentlichen Raum sprechen, von Verhalten, Normen und Individualisierung, ist ebenso die Rede von Öffentlichkeit oder öffentlichem Leben. Dabei kann es nur allzu schnell geschehen, dass man Gefahr läuft, die Begrifflichkeiten verschwimmen zu lassen, sie möglicherweise auch synonym zu verwenden. Die eine Öffentlichkeit anzunehmen – besonders in Hinblick auf Personen in einem Raum, oder an einem Ort – wäre falsch. Vielmehr sollte man davon ausgehen, dass eine schwankende Anzahl von Teilöffentlichkeiten existiert, welche sich auch aus völlig verschiedenen Personen zusammensetzen können und nur temporär an bestimmten Orten existieren (beispielsweise für ein ganz bestimmtes Ereignis). In diesem Kontext ist auch der Begriff der Heterotopie zu erwähnen, mit welchem Foucault einen Raum oder Räume beschreibt, die erst durch das gleichzeitige Auftreten verschiedener kultureller oder gesellschaftlicher Gegebenheiten an konkreten Orten zu existieren beginnen und eine Bedeutung erhalten (vgl. Foucault 1991, 68f). Folgend sollen nun die wesentlichen Aspekte hinsichtlich der Individualisierung und der Normen nachvollzogen werden. In Phasen von gesellschaftlichen und/oder globalen Veränderungen kann sich das einzelne Subjekt aus bestimmten Institutionen, Normgefügen und Kontrollschemata lösen. Nach einer Phase der Orientierung kann es sich wieder in (eher subjektiv) selbst ausgewählte Strukturen einordnen oder integrieren. Wenn man dabei nun das Augenmerk auf öffentliche Räume und Orte legt, kann man davon ausgehen, dass die Neuorientierungen mit neuen räumlichen Implikationen einhergehen. Beispielsweise manifestieren sich diese in der Neubesetzung bzw. der Auswahl und Nutzung bestimmter öffentlicher Räume durch bestimmte soziale Gruppen oder Individuen. Zwar ähneln sich Innenstädte mittlerweile in vielen Fällen sehr, doch fördert die Individualisierung auch die Emotionalisierung und die Besetzung von öffentlichem Raum mit subjektiven Assoziationen. Dadurch werden, auch wenn die urbanen Orte und Räume sich in Architektur und Stadtstrukturen ähneln, durch die subjektiven Assoziationen unterschiedliche Differenzierungen vorgenommen (vgl. Rauterberg, 8). Das geht unter Anderem auch mit der Präsenz bestimmter Verhaltensweisen und der Normen einher. Bestimmte Lebensstile, begleitet durch die Inszenierungen und ‚Zeigelust‘ benötigen – wie auch allgemein die Individualisierung - diese räumliche Bühne, wodurch der öffentliche Raum Repräsentationszwecken dient und Nischen für gesellschaftliche Teilöffentlichkeiten entstehen. Bestimmte Szenen sind dadurch räumlich verortbar. Die subjektive Wahrnehmung von Praxis und Normen in diesen Bereichen erzeugt dabei auch eine dauerhafte Verortung derselben in dem jeweiligen Raum bzw. an dem Ort, woraus auch die Auswahl der Individuen erfolgt, einen Raum oder Ort zu nutzen oder eher zu meiden, wenn dort entsprechende Normen vermutet werden. 20 Die Normen sind als Orientierungen, Handlungsanweisungen oder Vorlagen für Handlungen und Verhalten zu fassen. Sie müssen – um ihre Gültigkeit zu erlangen – soziale Praxis werden, was deren Akzeptanz und Verinnerlichung voraussetzt. Das Einverständnis durch das Individuum kann dabei sowohl durch ein explizites Einverständnis erfolgen, als auch durch konkludente Zustimmung erfolgen. Weiterhin ist zu unterschieden zwischen den tatsächlich ausformulierten Rechtsnormen (Hausordnungen, kommunales- und Polizeirecht, etc.) und den sozialen Normen, welche das Alltagsgeschehen und Zusammenleben regeln. Obwohl die Prozesse unbewusst ablaufen, beeinflussen gerade die sozialen Normen die städtische öffentliche Organisation. Die Praxis der Normanwendung dient dabei im Sinne von gelebter Räumlichkeit der Normalisierung von Verhalten im öffentlichen Raum bzw. an den Orten in diesem Raum, wobei gelegentlich kritisiert wird, dass dieses dem öffentlichen Leben durch die mögliche Konformität abträglich wäre (vgl. Werlen, 99ff). Auch Norm und öffentlicher Raum sind also eng miteinander verbunden. Einerseits hat Raum Normen und umgekehrt haben Normen Raum. Erving Goffman spricht in dieser Hinsicht von ortsbestimmtem Verhalten und ferner davon, dass soziale Normen „(…) fast immer in allgemeinen Begriffen formuliert (werden), weil das jeweilige Ereignis, auf das sie angewendet werden, bloß ein Beispiel für eine Klasse von Ereignissen ist, für die die Regel gilt. Jede Abweichung bei einem Ereignis (…) kann als ein Anzeichen dafür aufgefaßt werden, daß der Akteur möglicherweise hinsichtlich der ganzen Klasse von Ereignissen delinquent ist“ (Goffman, 1974, 140). Um die Verknüpfung von Raum und Normen noch einmal zu verdeutlichen, führt Goffman weiterhin ein Beispiel an, welches die Zusammenhänge noch einmal verdeutlicht. Während sowohl der Kölner Dom, als auch Sportstadien hohe und geschlossene Gebäude bzw. Orte sind, in welchen sich Menschen versammeln, ist das Verhalten im Dom leise und andächtig, während das Zusammentreffen der Menschen im Stadion eher laut und euphorisch verläuft. Beides sind im Grunde alltägliche Zusammentreffen verschiedener Personen und Gruppen, jedoch erscheint bei näherer Betrachtung ein weit reichender Zusammenhang aus Raum bzw. Ort, den verschiedenen Wahrnehmungen, Normen und der gegenseitigen Kontrolle, sowie des Verhaltens (vgl. Goffman, 2001, 102). 21 3.3 Neuorientierung der Städte In Gesellschaften, die sich in einem dauerhaften (zunehmend beschleunigten) Wandlungsprozess befinden, welcher zudem begleitet wird von Schlagwörtern wie Globalisierung, Pluralisierung, Moderne und Konkurrenz, wandeln sich auch die Städte. Bis in die letzten Jahre hinein ließen sich urbane Räume noch als Integrationsräume für Menschen unterschiedlicher sozialer und auch kultureller Hintergründe beschreiben. Hartmut Häußermann schrieb dazu: „Herausragendes Merkmal der europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts war und ist, dass sich zwischen soziale Ungleichheit und Wohnbedingungen ein Puffer schob, der die Verdoppelung von Benachteiligung durch sozialräumliche Ausgrenzung verhinderte“ (Häußermann, in: Heitmeyer u.a., 162). Den Städten droht aber im Zuge von globalen wirtschaftlichen Verflechtungen, Konkurrenzdenken und dem damit verbundenen Wandel, den integrativen Charakter zu verlieren. Um sich auf dem Markt und gegen die internationale Konkurrenz behaupten zu können, muss die Stadt sich auf den internationalen Wettbewerb einlassen, dafür aber auch attraktiv genug sein, um den Standort halten und ausbauen zu können. Die Stadt ist somit auch verantwortlich dafür, dass eine Umwelt bereit gestellt wird, welche neue Unternehmen anzieht und der Unternehmensgründung und –ausweitung förderlich ist. Ausblendung von Armut und Verdrängung der Armen aus innerstädtischen Bereichen lässt sich auch mit dem Wandel von Leitbildern in der Stadtentwicklung und –planung begründen. „In einer Zeit, in der Menschen und Unternehmen angesichts des erreichten Standes der Technik und der Infrastruktur hochmobil sind und sich nahezu an jedem Ort engagieren und entfalten können, werden in Konkurrenz um kreative Menschen und Investitionen (...) die sogenannten weichen Standortfaktoren wesentliche Wettbewerbsparameter. Das beginnt bei Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt, bei qualitativ hochwertigen Bildungs- und Ausbildungsangeboten und reicht über eine funktionierende und moderne öffentliche Infrastruktur hin bis zu einem vielfältigen und anspruchsvollen kulturellen Angebot, einer intakten Umwelt, einer hohen Lebensqualität, einem ansprechenden Wohnumfeld sowie einem attraktiven städtebaulichen Gesamtbild usw.“ (Stadt Hamburg, 10). Die Vorstellung einer Stadt als Gemeinwesen und Lebensraum verschiedener sozialer und ethnischer Gruppen wird mehr und mehr in Frage gestellt und nun abgelöst vom unternehmerischen Gedanken zur Förderung der Standortqualität. Seit den 1980er Jahren lässt sich eine Tendenz des Niederganges der industriellen Basis und des Ausbaus der Tertiärökonomie beobachten. Städte sehen sich veranlasst, ein unternehmerisches Profil aufzubauen und den Raum als strategische Ressource zu betrachten. Die Stadtverwaltungen sind somit bemüht, eine Strategie zu finden, um besonders die zentralen und öffentlichen Bereiche zu Konsum22 und Erlebnislandschaften umzugestalten. Die Nutzung des öffentlichen Raumes soll also vornehmlich des Konsums, der Freizeitgestaltung und des Entspannens einkommensstärkerer Bevölkerungsgruppen oder Touristen dienen. „Bei diesem Segregationsprozess spielen Zugangsmöglichkeiten zum Wohnungsmarkt, Attraktionskraft des Wohnumfeldes, geplante Zuweisungen, gruppenspezifische Anziehung usw. eine ausschlaggebende Rolle. Sie wirken als Mechanismen zusammen, wenn städtebaulich ungleich strukturierte Stadträume sich zu sozialräumlich identifizierbaren Quartieren entwickeln“ (Wohlfahrt, 108). Innerhalb dieser Transformation urbaner Systeme lassen sich Veränderungen auf drei Ebenen finden. Erstens lassen sich Veränderungen hin zu Privatisierungen und Kooperationen innerhalb der Verwaltungsebene feststellen. Als Beispiel sei hier die verstärkte Zusammenarbeit von Polizei, Ordnungsamt und privaten Sicherheitsdiensten in Geschäftsbereichen genannt. Auf der Ebene des Stadtbildes selbst wird vermehrt versucht, das Image und die Ästhetik der Stadt aufzupolieren. Risikoloses Einkaufen in einer entspannenden, sauberen und »heilen« Umgebung ist gefordert und wird versucht durchzusetzen. Zu guter Letzt geht es auch um die Vorstellung, dass die moderne Stadt unternehmerisch gemanagt werden sollte. Innerhalb dieser Idee wurzelt auch die Absicht, öffentlichen Raum zu kontrollieren und die Gehwege vor Geschäften zu privatisieren, also an die Geschäftsinhaber abzutreten. Wer investiert, erwartet auch Rendite, welche in den Augen vieler Inhaber bei ungehinderter öffentlicher Nutzung nicht mehr erwartet werden kann (vgl. Klas, in: Junge Welt: 12). Hinsichtlich der Umsetzung von Standortpolitik lassen sich drei neuere Formen ausmachen, welche Attraktivität und Wachstum fördern sollen: - Public private partnership: während einst eher traditionelle Formen von Kooperation zwischen öffentlichem Sektor und Unternehmen bestanden (Subventionen, Steuervergünstigungen, etc.), sind heute vermehrt weitere wachstumsversprechende Formen und Zusammenarbeiten aktuell. Vermehrt kommt es zu Privatisierungen von öffentlichen Aufgabenkreisen. Angefangen von privaten Firmen für die Reinigung der Städte, über den Einsatz von Firmen aus dem privaten Sektor zur kostengünstigen Lösung sozialer Probleme, geht es so weit, dass private Sicherheitsdienste kommunal beauftragt werden oder zumindest eine deutliche verstärkte Zusammenarbeit erfolgt (vgl. TaZ, 16.04.2010). 23 - Förderung der ‚weichen‘ Stadortfaktoren: um ein positives Geschäftsklima zu erzeugen, müssen die so genannten weichen Standortfaktoren ausgebaut und attraktiv gestaltet werden. Beispielsweise lassen sich hier Bemühungen um die Ansiedlung von Kultur- oder Freizeiteinrichtungen, Subventionen für Kunst, Theater und Ausstellungen nennen. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Faktor die Umgestaltung des Stadtbildes wichtig. Alte Innenstädte werden somit saniert, es wird eine moderne und multifunktionale Art von Umbauten bevorzugt und es wird eine – wie auch immer geartete – Ästhetisierung vorangetrieben. - Verdrängungsstrategien: um hochwertige Räume oder Orte zu schaffen und der damit verbundenen Ausdehnung dieser Gebiete und Zentren der Stadt kann in dem Sinne konflikthaft verlaufen, da vormals eher vernachlässigte Quartiere betroffen sind. Ein Teil der Bevölkerung kann durch bessere Verfügbarkeit über Ressourcen die eigenen Interessen wahrnehmen und sich ausbreiten, der andere Teil muss weichen. Dementsprechend werden auch Architektur und Planung ausgerichtet, deren Formen die Macht eines Bevölkerungsteils in Beherrschung von Territorien und Räumen umsetzt. Es lässt sich gewissermaßen von einer Raumstrategie sprechen, da bei der Kontrolle und Produktion oder Veränderung hinsichtlich der Bedeutungen und Materialität städtischer Räume die räumliche Praxis als Mittel gegen Interessen oder in einem Konkurrenzverhältnis eingesetzt wird, wobei die Durchsetzung über die Ressourcen bzw. die dadurch gegebenen Machtmittel erfolgt. Zu den Raumstrategien zählen damit so gut wie alle Praxen außer jenen, bei welchen die Wahl der Mittel keine gegenläufigen Interessen zu berücksichtigen hat. Auch Lefébvre spricht an einigen Stellen in seiner Raumtheorie von strategischen Aspekten in der Raumproduktion der Städte und führt hinsichtlich der Architektur aus: „Dieser Raum hat nichts unschuldiges. Er dient Taktiken und Strategien; er ist nichts anderes als der Raum der Produktionsweise, also der Raum des Kapitalismus, hervorgebracht von der Bourgeoisie“ (Lefébvre, 1974, 416). Weiterhin führt er aus, dass der strategische Raum es erlaubt „(…) unruhige Populationen an den Rand zu drängen (…) - um die Zentren herum auszudünnen, um dort die Preise der verfügbaren Gebäude zu steigern – das Zentrum als Ort der Entscheidung, des Reichtums, der Macht und der Information zu organisieren – für die hegemoniale Klasse in den Mittelschichten und ‚Eliten‘ Verbündete zu finden (…)“ (ebd. 432). 24 3.4 Standortpolitik und Segregation Einen Großteil der Stadtentwicklungspolitik macht – wie dargestellt – die Standortförderung und dementsprechend die Förderung der Attraktivität aus. In Hinblick auf die Thematik von Veränderungen des bisherigen urbanen sozialen Raums lasst sich ableiten, dass die Rolle der Konsumenten für den öffentlichen Raum der Städte bestimmender wird und der öffentliche Raum sich dementsprechend immer mehr zum Raum der Konsumenten entwickelt. Die Reformierung des öffentlichen Raums für die Konsumbedürfnisse teilt dabei die Städte in aufgewertete Gebiete, in welchen die zahlungskräftigen Konsumenten ihren Bedürfnissen als Kunden, Mieter, Gäste der Freizeitangebote und Cafés, etc. nachgehen können und sich in den aufgewerteten Räumen aufhalten. Andererseits werden andere Räume bzw. Wohnumfelder abgewertet, da die weniger zahlungskräftigen Menschen aus den aufgewerteten Räumen ausgeschlossen bzw. verdrängt werden (beispielsweise durch Mietanpassungen, das ‚AntiBettler-Gesetz‘, Verbot von ‚herumlungern‘ und Lagern, verdachtsunabhängige Kontrollen). Das Leben in den Zentren soll durch die sichtbaren Probleme nicht gestört werden: „Wer mag beim ‚Shoppen‘ schon über einen Landstreicher steigen, der sich auf einem Karton vor einer Designerboutique zum Betteln hingelegt hat? So ist auch zu verstehen, dass sich der Wohlstand auf Kosten der Armut ausbreitet, dass heute nicht mehr von ‚Armut im Wohlstand‘, sondern von ‚Armut durch Wohlstand‘ die Rede ist“ (Reutlinger, 23). Es sind aber nicht nur die monetären Verhältnisse, welche den Prozess der Segregation fördern, sondern vor allem die Lebensstile der Mehrheitsgesellschaft, welche andere Gruppen zu Minderheiten macht. Hier ist aber zu beachten, dass ‚Mehrheit‘ nicht im wörtlichen Sinne verstanden werden darf, da die Mehrheit im Prozess der Umstrukturierung eher diejenigen Menschen bezeichnet, welche die Definitionsmacht hat, also über Veränderungen im öffentlichen Raum – u.a. über die Ressourcen Rang und Wissen – bestimmt. „Beschreibend meinen die Begriffe Sozialraum und sozialräumliche Segregation den empirisch nachgewiesenen Tatbestand der Segregation und Konzentration bestimmter sozialer Schichten, sozialer und ethnischen Gruppen in bestimmten Wohngebieten/ -quartieren der Städte, oder anders ausgedrückt: die Übertragung sozialer Ungleichheiten in den territorialen (städtischen) Raum“ (Krummacher u.a., 12). In der Regel wird mit Segregation vornehmlich Negatives in Zusammenhang gebracht. Es wird aber teils auch davon ausgegangen, dass eine funktionale (vorübergehende) oder freiwillige Segregation hilfreich sein könne, da besonders zugewanderte Personen somit in bestimmten Räumen eine erste und vor allem vertraute Stütze bekommen bzw. einen Rückhalt erfahren können, eine erzwungene Segregation aber abzulehnen ist (vgl. u.a. Heitmeyer, 443f). Die Gegenüberstellung Heitmeyers erscheint zwar in einem gewissen Sinne 25 sogar logisch oder nachvollziehbar, doch ist es fraglich, ob diese Position sozialpolitisch und stadtentwicklungstechnisch Sinn macht oder überhaupt vertretbar ist, da zwischen beiden Formen der Segregation, wie Heitmeyer sie versteht, Zusammenhänge bestehen. Der freiwillige Wegzug von Mittelschichten aus ehemals sozial gemischten Gebieten hat zur Folge, dass ein Charakter erzwungener Segregation entsteht, die Konzentration sozial benachteiligter Personen sich in den Gebieten, welche als benachteiligt und benachteiligend gelten, konzentriert und der Raum weiter abgewertet wird (vgl. Dangschat, in: Kecskes, 53f). In diesem Sinne und in Verbindung mit der weiteren (sozio-) ökonomischen Aufwertung von innerstädtischen Bereichen inklusive des dort verfügbaren Wohnraums – was sich als selektive Verdrängung deuten lässt – kann man von der Segregation ausgehend bereits eher von einer Gentrifizierung sprechen. Für besser gestellte, konsumorientierte oder ‚hedonistische‘ Gruppen bzw. Menschen werden die innerstädtischen oder zumindest die nähere Umgebung derselben zunehmend attraktiv (gemacht), was die Nutzungsmöglichkeiten des Raums über soziale Vermittlungen und Anpassungen im Sinne der besser gestellten Nutzer verändert, die Zugänge und Möglichkeiten der Teilhabe – sowohl sozialer, als auch hinsichtlich von Konsum - benachteiligter Personen und Gruppen aber deutlich erschwert. „Diese Schicht, die sich in erster Linie durch ihre Nichtteilhabe am ökonomischen Kern der städtischen Wirtschaft (…) charakterisieren lässt, ist stark fragmentiert und umfasst die unterschiedlichsten Wertvorstellungen, Lebensstile und Kulturen“ (Schnur, zit. nach Reutlinger, 99). Zwar sind Stadtentwicklungspolitiken auch bemüht, die Verlierer der Entwicklungen zu berücksichtigen und zu unterstützen, dennoch wird der größte Teil der Energie auf die Standortförderung verwandt. Soziale Problemlagen werden eher sozial und räumlich ausgegrenzt, da dieses mit der Umsetzung der Standortpolitik konform geht und im Sinne der Aufwertung gar notwendig erscheint. Die Verlierer werden eingeengt und in weniger attraktive, benachteiligte und schleichender Abwertung unterliegender Räume verdrängt. „Diese Räume sind ihrerseits durch räumliche Konzentrationen weiter [sic!] struktureller Nachteile gekennzeichnet (Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, Unterversorgung in der Nahrungsversorgung, der Bildung und der Gesundheit). Damit ist die Basis für eine weitergehende stadtgesellschaftliche Desintegration und stadtstrukturelle Erosion gelegt“ (Dangschat, in: Kecskes, 70f). So scheint es, als könne man die Gewinner und Verlierer trennen und territorial verorten. Auch im Sinne von Teilhabe geht es aber nicht nur um Territorien, in welchen „(…) die Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen leben und handeln. Es geht vielmehr um die Handlungen der Menschen unter unterschiedlichen, sich ständig in ihren Möglichkeiten differenzierenden Voraussetzungen“ (Reutlinger, 101). 26 4 Exklusion, Szenen und Bedeutung zentraler Orte 4.1 Ungleichheit und Exklusion In Hinsicht auf den Strukturwandel der Städte und der gleichzeitigen Abschwächung von sozialstaatlicher Integrations- und Regulationspolitik lässt sich von einer Entgrenzung von Politik und Sozialstruktur sprechen. Einerseits wird auf die zunehmende Biografisierung von Ungleichheit hingewiesen und eingewandt, dass die klassengesellschaftlichen Tiefenstrukturen weiterhin wirken, andererseits wird aber auch eine zunehmende Segmentierung von Zugängen und gesellschaftlichen Bezugssphären beobachtet. In diesem Zusammenhang wird gefordert, dass in der Konsequenz der biografischen und gesellschaftlichen Dynamik die Sozialstrukturanalyse mit der Lebensstilanalyse verbunden werden müsse (vgl. Hradil, 13f). Wie bei anderen Entgrenzungprozessen auch, ist zu beobachten, dass die Auflösung von Strukturmustern oftmals mit der Freisetzung neuer Grenzen einhergeht. In der Analyse der Sozialstruktur der Gegenwart wird dabei auch deutlich, dass soziale auf- oder Abstiegsprozesse nicht mehr nur Milieu- oder Klassengebunden sind, sondern in großem Maße biografisiert sind. Gleichzeitig ist aber eine starke Tendenz der Spaltung bzw. Segmentierung innerhalb der Gesellschaft mit einhergehender Abschottung der Segmente untereinander beobachtbar. „Hier bildet sich die Ambivalenz von Kapital und Arbeit im Neokapitalismus ab: Einerseits agiert das neokapitalistische Programm jenseits von Klasse und Geschlecht, propagiert prinzipiell biografische Erreichbarkeiten, allerdings abstrakt für alle Bildungs- und Aufstiegswilligen; gleichzeitig führt die nun ungleiche Relation von Arbeit und Kapital dazu, dass der Arbeitsmarkt deutlich segmentiert ist, nur ein Kernsegment den inneren Erfolgskreis erreichen kann, während im Mittelsegment sich Arbeitsverhältnisse auf dem Kontinuum von qualifizierter Arbeit bis hin zu prekärer Arbeit formieren. Davon deutlich getrennt und sozialstrukturell abgeschottet (…) hat sich ein Randbereich ausgeweitet, in dem sich der ökonomisch nicht gebrauchte Teil der Bevölkerung – Arbeitslose und sozial Ausgegrenzte – einrichten muss“ (Böhnisch, 104). Bei der Rede von klassengesellschaftlichen Einflüssen sollte aber auch beachtet werden, dass es sich nicht unbedingt um festgeschriebene und sichtbare Konstellationen handelt, sondern mehr um eine Dynamik der Freisetzung. Hinsichtlich der Bewältigung und dem Gelingen oder Nichtgelingen derselben können Herkunft und existierende Netzwerke den Ausschlag geben. Dieser Einfluss kann aber durch die soziokulturelle Nivellierung verdeckt sein, da es zu der Konstellation kommen kann, dass der konsumtiv ausgerichtete Lebensstil nicht mit der Erreichbarkeit von (sozialen) Chancen zusammenpasst. Letztlich zeigen in diesem Zusammenhang tiefenstrukturelle Faktoren der Ungleichheit ihren Einfluss. (vgl. Ronneberger, 50f). In diesem Zusammenhang werden durch die Spannung von Ungleichheit und Nivellierung 27 identitätsdynamische Prozesse ausgelöst, von welchen Individuen in allen genannten Segmenten beeinflusst werden können. „Soziale Abstiege werden als Identitätsverlust empfunden, Bewältigungsprozesse laufen vor allem über die Inszenierungen von Lebensstilen, welche soziale Ungleichheit und soziale Benachteiligung überformen“ (ebd., 105). In der Vorstellung und in der Analyse von aufgewerteten innerstädtischen Bereichen und der Benachteiligung bestimmter Gruppen schwingt auch mit, dass es bei dem Gedanken an Ausgrenzung nicht nur um den materiellen Aspekt geht. Wenn von Exklusion gesprochen wird, hat Armut natürlich auch eine zentrale Bedeutung, jedoch ist der Armutsbegriff vorrangig auf die materielle Deprivation fokussiert, während Exklusion die multiple mangelnde Teilhabe am sozialen Leben aufgreift. In Anlehnung an Martin Kronauer lässt sich die soziale Exklusion als ein Ausschluss von den gesellschaftlichen Beziehungen, welche über Arbeitsplatz und soziale Netze entstehen, sowie den Ausschluss von kultureller, politischer und materieller Teilhabe fassen (vgl. Kronauer, 152ff). Wenn sich die soziale Exklusion also als mehrdimensionales Konstrukt aus Deprivation und Marginalisierung handelt, verweist die Ausgrenzung auch darauf, dass es sich bei dem „(…) Phänomen sozialer Benachteiligung um dynamische Prozesse handelt, bei denen am Ende einer ‚Spirale der Präkarität‘ (…) ein Zustand der Ausgegrenztheit eintreten kann. (…) Der Begriff sozialer Exklusion beschreibt (…) sowohl die soziale Lage multipler Deprivation als auch Prozesse, die eine solche Lage hervorbringen können“ (Mohr, 28f). Der Ausgrenzungsbegriff impliziert weiterhin, dass dieser – im Gegensatz zu den einzelnen Faktoren – nicht als die soziale Lage des einzelnen Individuums, sondern vielmehr als ein Gesellschaftsverhältnis begriffen werden muss, da die Exklusion auch durch Unternehmens- und stadtpolitische Strategien, Institutionen und wohlfahrtsstaatliche Regelungen stattfindet. Kronauer arbeitet in dieser Hinsicht auch heraus, dass „(…) sich die Begriffe ‚Exklusion‘ und ‚Underclass‘ (…) auf eine spezifische historische Konstellation des gesellschaftlichen Umbruchs beziehen“ (Kronauer, 27). 28 4.2 Szenen, Teilhabe und das Gefühl von Gemeinschaft Wie bereits angeführt, findet Bewältigung von Exklusion oder Identitätsverlust auch durch Inszenierungen statt. Im einfachen Wortsinne sind Straßenszenen, wie sie im urbanen Raum vielerorts anzutreffen sind, Inszenierungsphänomene. Sie manifestieren sich für Außenstehende, wie auch für die Szeneangehörigen in dem Sinne, dass sie an Orten von Kommunikation und Interaktion sichtbar werden. Die Partizipation an einer Szene bedeutet für den Akteur dementsprechend eine sowohl kommunikative, als auch interaktive Präsenz, mit gleichzeitiger Abschottung von dem weiteren Publikum. Die Abgrenzung findet dabei auch dadurch statt, dass sie die jeweilige Szene durch den gemeinsamen Konsum eines bestimmten (Erlebnis)Angebotes konstituiert. Doch kommt die Szene nicht ohne ihr Publikum aus, da sie sich durch ihre Auftritte auch immer wieder selbst neu ‚in Szene‘ setzt. Durch die Inszenierung wird auch ermöglicht, dass aufgrund der Zeichen, Rituale, Verhaltensweisen und Zuschreibungen eine soziale Verortung und Einordnung der zugehörigen Individuen stattfindet (vgl. Schulze, 463f). Wenn man nun davon ausgeht, dass sich Szenen im Kontext von Kommunikation und Interaktion bilden und die Kultur sich durch einen gemeinsamen – wie auch immer gearteten – Konsum, durch Codes, Verhaltensweisen, Wissensbeständen, etc. auszeichnet, reicht zum Eintritt in die Szene zunächst das Interesse aus, wobei eine volle Teilhabe oder ‚Mitgliedschaft‘ erst durch die Aneignung und Anwendung der szenekonsensuellen Verhaltensmuster usf. erreicht werden kann. Das Szeneleben besteht somit typischerweise nicht allein im Miteinander und dem Gefühl der Zugehörigkeit, sondern zeichnet sich auch dadurch aus, dass persönliche (soziale) Erfahrungen gemacht werden, Wissen erweitert oder Fertigkeiten erlernt werden können. In alleiniger Teilhabe an dem Miteinander kann sich aber nicht der Kern der Verszenung festmachen lassen. Das Miteinander, die Zugehörigkeit oder das ‚Wir-Gefühl‘ ist durch die zumeist offenen und meist wenig vorhandenen Sanktionsinstanzen – außer bei deutlichen Normverstößen - hinsichtlich von Ein- oder Austritten in Verbindung mit den meist nur teilzeitlichen und themenspezifischen Normierungen als Gemeinschaft eher als labil zu beschreiben. Das Wir-Gefühl wird im Rahmen der konstituierten Szene reproduziert. Das Zusammensein der Szene ist nun aber typischerweise ein zeitlich begrenztes. Wegen der dadurch verstärkten Labilität sind die Treffpunkte von hoher Bedeutung, da sich an diesen Orten nicht nur die Kultur, sondern auch die Zugehörigkeit reproduziert. „Je nach Szene kann die Aufeinanderfolge von Treffpunkten (…) unterschiedlich gestaltet sein, für alle Szenen gilt jedoch, daß man (die) Treffpunkte kennt, an denen man zumindest eine gute Chance hat, auf andere Szenegänger zu stoßen (…)“ (Hitzler u.a., 24). 29 Wenn man dem Stellenwert des Raumes mit Blick auf die Treffpunkte und genutzten Orte von Szenen nachgeht, trifft man auch wieder auf die Dimensionen der Konstitution von Raum. Wie weiter oben beschrieben, hat Martina Löw darauf hingewiesen, dass Menschen und Objekte synthetisch und relational angeordnet sind, Räume nicht immer sichtbar und dennoch wahrzunehmen sind, da eine Potentialität der Räume die (gesellschaftlich hergestellte) Atmosphäre ist. Damit rückt auch ein Verhältnis zwischen Körper und Raum in das Blickfeld, da Gefühlslagen angesprochen werden, welche in der Wechselwirkung zwischen Subjekt und Raum entstehen. Die Existenz und Verwendung der Atmosphäre – auch als Kommunikationssystem – weist auch auf vielschichtige Formen der Verständigung zwischen verschiedenen Individuen und ihre Wechselwirkung mit dem Raum oder Ort hin. Dabei ist zu beachten, dass sie von Subjekten geschaffen und empfunden werden kann, eine bestimmte Wirkungsweise aber nicht unbedingt vorhanden ist, so dass unterschiedliche Individuen sie auch auf verschiedene Art und Weise empfinden und verstehen. Wenn man den Stadträumen nun eben diese Atmosphäre zuspricht, ist festzuhalten, dass sie zielgerichtet geschaffen ist und soll von bestimmten Zielgruppen ‚gelesen‘ werden oder auch nicht. Mit dieser Potentialität sind die Räume ebenfalls eine Art Akteur und dementsprechend auch eine gewisse Größe im Rahmen der Konstituierung von Szenen oder weiteren Vergemeinschaftungsformen. Der Ort des Zusammenkommens bzw. die Treffpunkte von Szenen sind demnach nicht rein physisch, sondern auch eine Variable, welche ausgewählt wird, da die Atmosphäre dem Gruppenprozess und der Inszenierung dienlich ist oder er für die Inszenierungsmöglichkeiten und affektiven Identifizierungsprozesse gar notwendig erscheint. Die Analogie zwischen ‚Szene‘ und ‚in Szene setzen‘ verbindet auch die jeweilige Szene oder Vergemeinschaftungsform mit der Atmosphäre des Ortes. Durch die Inszenierungen und den temporären Aufenthalt der Individuen als Szene in öffentlichem Raum und an dessen Orten, welche gewissermaßen als Bühnen genutzt werden, erfährt sich die Szene durch die emotionale Präsenz selbst in ihrer Leiblichkeit. Beispielweise schaffen sich Skater/Skateboarder im urbanen Raum eine Art Arena oder Bühne, auf welcher sie sich in der Öffentlichkeit produzieren, ihre Körper über akrobatische Vorführungen der städtischen Gemeinschaft präsentieren und sich so auch selbst als (temporäre) Gemeinschaft inszenieren. Auch andere Szenen und Phänomene, wie sie im innerstädtischen Bereich auftreten, lassen sich als der Versuch von Individuen deuten, körperliche Erfahrbarkeit und eine Teilhabe an den bewusst gewählten öffentlichen Orten zu erreichen und sich weiterhin über den Sozialraum durch Selbstbehauptungsbemühungen integrative Möglichkeiten und Horizonte der Integration offen zu halten. 30 4.3 Lebensmittelpunkt Straße Aufgrund der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Straßenszenen oder Gruppen, welche sich vorrangig im öffentlichen Raum aufhalten, lässt sich festhalten, dass es ‚die‘ Straßenszene nicht gibt. Es können jedoch gemeinsame Hintergründe existieren, welche dazu führen, den öffentlichen Raum oder bestimmte Orte als einen der wichtigsten Bezugsräume zu wählen. Wenngleich ein großer Teil der sozial schwächeren Schichten sich ein, wenn auch prekäre und brüchige Integration in die Gesellschaft bewahren kann, scheitert im Vergleich ein anderer Teil doch an den entbehrungsreichen und ausschließenden Hürden auf eine radikale Art und Weise. Der Ausgangspunkt einer Verlagerung von Bezügen und wichtigen Orten kann einerseits, wie man zumindest bei Gruppierungen wie den Skatern/Skateboardern feststellen kann, in der architektonischen Umgebung, die sich als Bühne der Präsentation nutzen lässt, liegen. Andererseits ist ein anderer Ausgangpunkt der, dass – besonders bei jungen Menschen – familiäre Probleme, Erfahrungen von Gewalt, Verwahrlosung oder immer wieder kehrender Konflikte die Auslöser dafür sind, mit dem bisherigen Lebensweg zu brechen. Weiterhin sind – wie bereits angesprochen - besonders die Wohngebiete und Räume, in welche die aus aufgewerteten Räumen verdrängten Personen aufgrund erhöhter Mietpreise etc. ziehen, oftmals strukturell weit weniger attraktiv, als zentrale Orte der Stadt. Da es in den Familien oder im Stadtteil selbst keinen ausreichenden Rückhalt, wenig Freizeitmöglichkeiten oder keinen Ort gibt, an den man sich hinwenden kann, werden in der Hoffnung Anschluss zu finden die Orte aufgesucht, welche eine ‚lebendige‘ Umgebung bieten und als Szenetreffpunkte bekannt sind. Selbst wenn nun aber der vorrangige Aufenthalt im öffentlichen Raum und ‚auf der Straße‘ als eine letzte Option erscheint, da augenscheinlich keine Alternativen vorhanden ist und Bezüge gering sind, so handelt es sich aber dennoch teilweise um eine eigenständige Entscheidung. Teilweise daher, da besonders die jüngeren Menschen, welche sich unter Wohnungslosen finden, mit der Daseinssicherung (Wohnung, Sozialleistungen, etc.) überfordert sein können. Die Treffpunkte, Orte und der städtische Raum sind aber nicht als Endstation zu betrachten, sondern bieten vielmehr Möglichkeiten zum Gelderwerb, sozialem Austausch und zur Sammlung von Erfahrungen. Ebenso wird das Gefühl erweckt, noch nicht vollständig ausgeschlossen zu sein und an der Erlebniswelt teil zu haben (vgl. Degen, 105). Das der Aufenthalt bzw. die bevorzugten Treffpunkte tagsüber an stärker frequentierten Orten der Städte stattfindet, lässt sich unter Anderem darauf zurückführen, dass für bestimmte Szenen (beispielsweise Obdachlosen- und teils überschneidend die offene Drogenszene) dort der Bedarf an materiellen Dingen und vor allem an Bargeld bestmöglich gedeckt werden kann. Die dem Gelderwerb 31 dienenden Tätigkeiten werden dorthin verlegt, wo die besten Chancen erwartet werden und bestehen, den Gelderwerb zu maximieren.1 Die wichtigsten Einkommensquellen für die angesprochenen Szenen ist einerseits die Sozialhilfe oder ALG II (wenn auch nicht alle Personen diese Hilfen beziehen), andererseits aber auch Tätigkeiten wie Pfandflaschen sammeln, Drogenhandel, die Suche nach Kleingeld in Parkuhren und teilweise Prostitution (vgl. Kokot, 19f). Auch der Verkauf von Straßenmagazinen wie ‚Hinz & Kunst‘, ‚Fifty-Fifty‘, ‚Abseits!?‘ und anderen findet aus ersichtlichen Gründen eher in der Innenstadt statt, wobei die Orte des täglichen Aufenthalts sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe befinden. Ein weiterer Grund für den Aufenthalt an öffentlichen, zentralen Orten ist, dass dort trotz deprivierter oder exkludierter Lage immer noch eine gewisse Teilhabe an dem öffentlichen Leben möglich ist. Ein wichtiges Argument, welches in Interviews genannt wurde, war immer wieder, dass – abgesehen von mehr potentieller ‚Kundschaft‘ hinsichtlich des Bettelns - an den Orten ‚mehr los‘ ist und ‚es immer etwas zu sehen gibt‘. Zudem bestehen an hochfrequentierten Orten des öffentlichen Lebens zumeist die Möglichkeiten, Einkäufe zu erledigen, öffentliche Toiletten aufzusuchen, einen Kaffe zu erwerben oder weitere Versorgungseinrichtungen zu nutzen (vgl. Gruber, 40f, auch: Malyssek). Obdachlosigkeit oder besser Wohnungslosigkeit, da Obdach im Sinne von Notunterkünften, Tagesaufenthalten oder der Unterkunft bei Bekannten vorhanden sein kann, ist dabei allerdings die extremste Form des Ausschlusses aus den meisten Lebensbereichen. Die Flucht auf die Straße kann in Hinsicht auf den Verlust von Möglichkeiten der Individualintegration als ein Versuch gewertet werden, den Problemen und dem problembehafteten Kontext zu entgehen (vgl. Degen, 5). Während die Flucht aus belasteten oder belastenden Verhältnissen und Sozialisationskontexten einen ersten Ausweg zu versprechen scheint, sind jene, die den Weg ‚auf die Straße‘ oder in Szenen, welche sich vorrangig im öffentlichen/öffentlich zugänglichen Raum aufhalten, allerdings umso mehr den gesellschaftlichen Ausgrenzungstendenzen und Anfeindungen konfrontiert, welche sich außer in der materiellen Armut auch in (strukturellen) Gewalterfahrungen und negativen Erfahrungen mit Justiz, Polizei und Ordnungsamt manifestieren. Zusätzlich fehlt der Wohnungslosen- und offenen Drogenszene zumeist ein persönlicher Rückzugsbereich für Privat- und Intimsphäre, welchen Katja Maar als die Hinterbühne bezeichnet. Damit geht auch der Verlust der Möglichkeit zur persönlichen Reproduktion einher, dass heißt, der Möglichkeit zum Erneuern von Energie und 1 Wenn man einmal annimmt, dass für Alkohol und Tabak täglich ca. 20,00€ benötigt werden, zusätzlich noch weitere Ausgaben von 100,00€ monatlich getätigt werden müssen (Nahrung etc.), werden für den gesamten Monat rund 700,00€ benötigt, wohingegen die Grundsicherung derzeit 359,00€ beträgt. Daher erscheint es logisch, die ‚Arbeit‘ als Bettler in stärker frequentierten Raum zu verlegen. 32 Kraft. Die Situation zwingt die Menschen dazu, ihr Leben der Öffentlichkeit zu präsentieren und ständig auf der Vorderbühne zu stehen. Nahrungsaufnahme, Hygiene, Konflikte und auch intime Beziehungen finden immer vor den Augen anderer Personen statt (vgl. Maar, 23). Die Bewältigung des Alltags heißt auch, „(…) vergessen und verdrängen, abspalten und sich abstumpfen lassen durch ritualisierte Gewohnheiten, das Arrangement mit dem Unausweichlichen (…) und Selbstbehauptung“ (Geiger, 62). Die Suche nach Annahme, Verständnis und Teilhabe an den Sozialtechniken und Hilfen in der Gruppe, die tägliche Selbstbehauptung und der Kampf um Status in der Gemeinschaft muss zudem mit viel Kraft bewältigt werden. Nicht für alle stellt sich die Welt auf der Straße gleich dar. Jeder lässt sich auf eine andere Art und mit anderer Intensität auf das Leben auf der Straße und in der Gruppe ein, ist mal stärker und mal weniger involviert. Auch die szenezugehörigen einzelnen Gruppen und Zusammenschlüsse können, trotz aller äußerlicher Gemeinheiten und des Status in der Szene, unterschiedlich sein (vgl. ebd., 62f). Dennoch muss das Verbringen der Zeit in diesen Räumen auch als Stabilisierung verstanden werden. Der Verlust oder das Herausfallen aus den bisherigen Lebensbezügen findet hier zumindest erst einmal ein Ende, da die Straßenszene sowohl Formen von sozialer Integration, als auch neue Chancen der Selbstbehauptung bieten kann. Die Szene und die Umgebung bieten eine Art Ersatzzuhause, wo zumindest ein ‚Wir-Gefühl‘ erfahren wird und der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Der Raum und die Szene wird als die Möglichkeit zur Führung des eigenen Lebens und des Aufbaus von Freundschaften und Netzwerken genutzt, welche der gegenseitigen materiellen, emotionalen und sozialen Unterstützung trotz der Exklusion aus den meisten Bereichen möglicher Teilhabe dienen. 33 5 Kriminalitätsfurcht, Überwachung und Kontrolle Insbesondere die großen Städte gelten als Ballungszentren für soziale Probleme, wobei im öffentlichen Bewusstsein, sowie in den Sozialwissenschaften der Faktor Kriminalität als ein wichtiger Faktor bezüglich des gesellschaftlichen und städtischen Wandels gilt. Jedoch ist auch zu beachten, dass sich im städtischen Raum sozialer Wandel als eine physische Erfahrung repräsentiert, welche sich in Emotionen wie Angst oder Aggression, Veränderungen des Selbstwertgefühls, Veränderungen des Umgangs mit anderen Personen und der Identitätsgewinnung widerspiegelt. Im urbanen Raum findet eine direkte Konfrontation mit sozialer Ungleichheit durch ethnische Schichtungen, städtebauliche Segregation und den Aufenthalt verschiedenster Gruppen oder Einzelpersonen statt (vgl. Karstedt, in: Mayerhofer, 23f). Folgend soll nun genauer auf das Sicherheitsgefühl der deutschen Bevölkerung - mit dem besonderen Augenmerk auf urbane Gegenden - sowie die Kriminalitätsbewertung und Kriminalisierung von Straßenszenen und deren Mitgliedern eingegangen werden. 5.1 Sicherheitsgefühl in urbanen Räumen Durch die bereits vorgestellten Prozesse der Aufwertung innerstädtischer Bereiche und der damit einhergehenden Rückführung einkommensstärkerer Haushalte geht die Verdrängung anderer Schichten, die Entwicklung der Stadtkerne zu Orten des Konsums und der Auf- und Ausbau gut bezahlter Arbeitsplätze in Dienstleistungs- und Finanzbereich einher. Dieser Wandel lässt auf enger werdendem Raum die unterschiedlichsten Gruppen aufeinanderprallen, wodurch eine Konfliktstruktur entsteht, welche „(…) ihren Ausdruck in Kriminalitätsfurcht der Bewohner, Furcht vor territorialem Kontrollverlust und (…) der Aktivierung von territorialen Kontrollen findet“ (ebd. 40). In diesem Bezug lässt sich eine Kriminalitätsfurcht nicht als Sachverhalt darstellen, welcher anhand von Fakten mit dem Risiko einer Viktimisierung rational in Verbindung gebracht werden kann. Vielmehr wird die Kriminalitätsfurcht lokal konstruiert und geht auf Merkmale von Raum- und Kulturstruktur der Stadt zurück. In diesem Zusammenhang sind die Präsenz fremder oder als fremd empfundener Personen, bauliche Veränderungen oder unkontrollierbare Eingriffe wie Sachbeschädigung oder Graffiti wichtige Faktoren. Weiterhin wird die staatliche Kontrolle in bestimmten Bereichen wie Schwimmbädern, Einkaufspassagen und Bahnhöfen mehr und mehr durch private Sicherheitsdienste abgelöst, was durch deren ständige Präsenz einer Abnahme von Furcht mehr abträglich ist, als dass ein Sicherheitsgefühl gefördert wird. Anfangs mag die verstärkte Präsenz von Sicherheitsdiensten zwar das Sicherheitsgefühl fördern, jedoch verkehrt sich der Effekt ins Gegenteil, wenn die Sicherheitsdienste 34 täglich oder fast täglich in Erscheinung treten, da es einen Grund geben muss, dass eine ständige Gegenwart der Sicherheitsleute vonnöten ist (vgl. Reuband, in: Reichertz, 241). Um aber zu klären, warum Räume als gefährlich oder bedrohlich eingeschätzt werden, muss dieses Zustandekommen der Einschätzung noch näher erläutert werden. In der Literatur lassen sich Einflussfaktoren finden, welche die Einschätzung als gefährliche Gegend begünstigen. Eigene Viktimisierungserfahrungen oder die berichtete Erfahrung durch andere Personen über eine entsprechende Gegend kann zweifelsohne zu der Charakterisierung eines Gebietes als gefährlich führen. Diese Schlussfolgerung ist aber nicht unbedingt unumgänglich und nicht so verbreitet, wie man annehmen könnte. Weiterhin spielt das Erscheinungsbild eine Rolle bei der Einschätzung der Gefährlichkeit eines Raumausschnittes. In kriminalpolitischen Diskussionen wird die Rolle des Zustandes einer Gegend unter dem Schlagwort ‚Broken Windows‘ thematisiert. Verschiedene Untersuchungen bestätigen hier, dass ein Zusammenhang zwischen Erscheinungsbild und Einschätzung der Gefährlichkeit besteht. Anzumerken sei hier, dass aber nicht der Zustand an sich, sondern vielmehr die zugeschriebene Bedeutung des Zustandes eine Ängstigung hervorruft. Auch fraglich ist, ob bei den Untersuchungen der Zusammenhänge tatsächlich nur Kriminalitätsfurcht abgefragt wird, oder unter anderem auch jene vor Verfall und Unordnung. Demnach wäre der Zustand der Gegend an sich ein Problem, stünde aber nicht direkt im Zusammenhang mit Kriminalitätsfurcht. Helfen könnte eher die Stadtreinigung, als der Einsatz verschärfter Sanktionen und die Kriminalpolitik (vgl. Belina, 99). Genauso verhält es sich auch mit der Anwesenheit bestimmter Personengruppen wie Bettlern, Jugendlichen, Prostituierten oder Drogenabhängigen. Auch hier kann unter der Begrifflichkeit ‚Broken Windows‘ argumentiert werden, doch auch bei Personengruppen kann man sagen, dass eher das störend empfunden wird, was individuell unterschiedlich mit den Personen verbunden wird und nicht die Person an sich. Auch hier muss es somit keine direkte Kriminalitätsfurcht hinsichtlich des Individuums geben, da sie nicht notwendigerweise als direkte Gefahr eingestuft wird. Eine weitere entscheidende Rolle spielt die Medienberichterstattung, welche in den meisten Fällen die einzige Quelle zum Thema Kriminalität darstellt. Die Berichterstattung erfolgt dabei dem Medieninteresse an Einschaltquoten oder Auflagenstärke, berichtet daher über eher außergewöhnliche Themen und rückt Sensationen oder das, was dafür gehalten wird, in den Vordergrund. Das soll aber nicht heißen, dass das Interesse oder die Angst alleine durch medialen Einfluss produziert wird, sondern dass Medien die kollektive Erfahrung aufgreifen, reproduzieren, verstärken und vor allem auch dramatisieren (vgl. Garland, 287f). Dieser Prozess lässt sich auch für bestimmte Stadtgebiete verfolgen, welche durch Berichterstattungen in einem schlechteren Bild dastehen, als es tatsächlich der Fall ist 35 und durch die Zuschreibungen einem schlechten Ruf anheim fallen. Für die Straßenszenen ist es dabei oftmals unmöglich, sich gegen derartige Zuschreibungen und eine Kriminalisierung zur Wehr zu setzen. In einigen Fällen kann aber sogar ein Interesse daran bestehen, diese Personengruppen als gefährlich darzustellen, wenn noch andere Interessen als ein Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung im Spiel sind. Im Rahmen einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung hat das Bundeskriminalamt das Sicherheitsgefühl hinsichtlich Kriminalität und öffentlichem Raum abgefragt. Unter anderem wurden dabei auch Gründe abgefragt, warum sich Personen in einer bestimmten Gegend unsicher fühlen. Bei den Items ‚Betrunkene‘, ‚Penner‘ und ‚herumlungernde Personen‘ fühlte sich jeder Vierte zwar belästigt, jedoch nicht beunruhigt. ‚Beunruhigung‘ oder ‚Angst‘ gaben nur zehn Prozent der männlichen und achtzehn Prozent der weiblichen Befragten an, wobei der Hauptanteil sich eher beunruhigt fühlte. Die restlichen Befragten waren gleichgültig gegenüber genannten Personen eingestellt oder gaben an, dass es das in ihrem Umfeld nicht gäbe (vgl. Dörmann/Remmers: 34f). Auch in diesem Fall zeigt sich, dass verschärfte Kontrollen und eine Vertreibungsstrategie hinsichtlich der Mitglieder von Straßenszenen sich nicht mit dem Sicherheitsgefühl innerhalb der Bevölkerung und einem Schutzauftrag in Einklang bringen lassen. 5.2 Ideologische Legitimierung von Kontrolle und Verboten Die lokale Standortpolitik auf lokaler Ebene verfolgt die Zwecke des Schaffens einer Umgebung, die den konsumorientierten Aufenthalt ermöglicht und die erwünschte Kundschaft zum Verweilen einlädt. Hinsichtlich der Kontrollen, Vertreibungen und Verboten ist die lokale Politik, welche bezüglich der Maßnahmen mit der ‚Ideologie der Kriminalität‘ arbeitet, Nutznießer der nationalen Kontrollpolitik. Erst durch das Recht – also auf der nationalen Ebene – wird die ‚Kriminalität‘ geschaffen, später durch die lokale Stadtpolitik verortet und zugeschrieben. Dazu soll folgend erst einmal geklärt werden, wie die ‚Ideologie der Kriminalität‘ durch ‚Kriminalisierung‘ geschaffen wird. 5.2.1 Das Konstrukt der Kriminalität Im alltäglichen Leben und in den Medien erscheint es ziemlich eindeutig, was kriminell ist und was nicht: „Prügeln, Rauchen von Haschisch und Mord sind kriminell. Boxkämpfe, Trinken von Alkohol und Friedenseinsätze gegen Serbien sind es nicht“ (Belina, 2000, 100). In den Wissenschaften erscheint es ebenso, dass man dem Sachverhalt ansehen kann, ob etwas kriminell ist oder eben nicht. In dem objektivistischen Verständnis von Kriminalität und ab36 weichendem Verhalten wird in den ätiologischen Ansätzen vertreten, dass „(…) in einer Gesellschaft aufgrund des je gültigen Normsystems unstrittig feststellbar ist, ob ein Verhalten abweichend ist oder nicht“ (Pfeiffer/Scheerer, zit. nach: ebd, 100f). Hinsichtlich dieses Verständnisses zeichnet sich abweichendes Verhalten also dadurch aus, dass es von den allgemeingültigen Normen abweicht. Wenn diese Normen durch das Rechtssystem geschützt werden, ist das abweichende Verhalten als kriminell einzustufen. Dabei gilt, dass die Normen allgemeingültig und somit richtig sind. Zu kritisieren ist aber, dass sich eine Abweichung nicht so einfach objektiv feststellen lässt und Normen nicht als festgeschrieben und gegeben hinzunehmen sein müssen. Viel mehr unterliegt das als deviant bezeichnete Verhalten aber einer Konstruiertheit in Abhängigkeit von der derzeitigen Form der Gesellschaft und den aktiven Zuschreibungen. Somit sind normabweichende Handlungen und Verhaltensweisen nicht einfach als ein Sachverhalt hinzunehmen, da sie erst durch Zuschreibungen und Konstruktionen zur Wirklichkeit werden. „Merkmale und Eigenschaften, die an Menschen ‚festgestellt‘ werden, sind tatsächlich Abstraktionen zu einem bestimmten Zweck und daher auch Zuschreibungen. (…) Es wird gesellschaftlich ein bestimmtes Vokabular zur Kategorisierung von Menschen und Handlungen produziert, das sich mit der Sozialstruktur und daher historisch ändert, und die Anwendbarkeit und faktische Anwendung bestimmter dieser Kategorien auf konkrete Menschen und Handlungen variiert mit der Position der Sozialstruktur. Dieses Vokabular und seine Anwendung werden von einer Reihe gesellschaftlicher Einrichtungen verwaltet, darunter Polizei/Gericht/Gefängnis, Sozialar- beit/Sozialpolitik/Psychoindustrie und Erziehungswesen/Schule“ (Steinert, zit. nach Belina, 2000, 101f). Durch den Etikettierungsansatz ergibt sich damit auch, dass die Rede von ‚Kriminalität‘ – insbesondere auf Straßenszenen bezogen – eigentlich nicht richtig sein kann. Viel mehr kann man in dieser Hinsicht von Kriminalisierung sprechen, durch welche bestimmte Absichten verfolgt werden. Hier stellt sich wiederum die Frage nach dem verfolgten Zweck der Prozesse von Kriminalisierung oder der Unterstellung einer Gefährlichkeit. Dass das Ziel nicht eine Verhinderung von Verbrechen sein kann, zeigen nicht nur die Ergebnisse von Überwachungen des öffentlichen Raumes, wie beispielsweise die Wirksamkeitsanalyse zur Kameraüberwachung in Hamburg offenbart (vgl. TAZ, 05.07.2010), sondern auch die Reaktionen auf die Erfolglosigkeit, welche – man denke an die Geschichte der Gefängnisse – zu einem ‚Mehr an gleichen Strafen‘ führt (vgl. Foucault, 1977, 339ff). Der eigentliche Zweck von Verbrechen und Bestrafung ist, so Bernd Belina, „(…) zur Reproduktion der Produktionsverhältnisse beizutragen, das allgemeine Mittel dazu die Kriminalisierung“ (Belina, 2000, 103). 37 Dabei ist der Zusammenhang zwischen Produktionsverhältnissen und Kontrolle nicht instrumentell und die Kriminalisierung nicht aus ökonomischen Interessen oder Funktionen entstanden. Verbrechen und Strafen haben kaum materielle und unmittelbare Wirkung, jedoch hat die Behauptung einer Wirkung einen ideologischen Effekt. Der Staat mit dem Rechtssystem ist dabei einerseits die Instanz, welche das aktuell bestehende (Gesellschafts-)System und die ideologische Integration durch Zugriffe abzusichern versucht, andererseits aber auch für den Fall, dass das Integrationssystem versagen sollte, über die notwendigen Gewaltreserven verfügt. Um die Instanzen und die Praxis von Kontrolle, Strafe und Verbrechen mit der Ökonomie zu verbinden, schlagen Helga Cremer-Schäfer und Heinz Steinert vor, das Konzept der Arbeitsmoral einzuführen. Ohne in diesem Rahmen das Konzept genauer erläutern zu können, sei jedoch gesagt, dass zentrale Aussagen sind, dass die institutionellen Arrangements angeben, „(…) wer warum und unter welchen Konditionen wie arbeiten soll (…)“ (CremerSchäfer/Steinert, 81), weiterhin, dass es vor allem auch um die „Darstellung der Überlegenheit einer bestimmten Moral (…)“ geht und das ein Ideal von geregeltem Lebenswandel produziert und durchgesetzt werden soll (vgl. ebd., 82). Historisch betrachtet haben sich im Wandel der Produktionsverhältnisse und der gesellschaftlichen Veränderungen Strategien von Kriminalisierung und bestimmter Zuschreibungen verändert, was sich auch auf die Kontrollpolitiken übertragen hat. Der nächste Abschnitt soll daher zum weiteren Verständnis auf das Erschaffen ‚gefährlicher‘ Individuen durch Abstraktionen eingehen. 5.2.2 Gefährliche Gruppen und Personen Die Kontrollen, Vertreibungen und Aufenthaltsverbote werden gegen Personen und Gruppen eingesetzt, die unerwünscht sind, als ‚gefährlich‘ gelten und sich in den Raumausschnitten aufhalten, in welche sie nicht zu passen scheinen und dadurch als gefährdet gelten. Foucault hat in ‚Überwachen und Strafen – Die Geburt des Gefängnisses‘ verdeutlicht, dass mit eben jener Geburt des Gefängnisses nicht nur das bürgerliche Subjekt, sondern auch der abweichende Delinquent konstituiert wird. Es geht um Personen, welche aufgrund ihres Wesens und Auftretens von der Norm abweichen. „Der Delinquent unterscheidet sich vom Rechtsbrecher auch dadurch, daß er nicht bloß Urheber seiner Tat ist (…), sondern daß er an sein Verbrechen durch ein Bündel von komplexen Fäden geknüpft ist (Instinkte, Triebe, Tendenzen, Charakter). (…). Dabei konstituiert sich (…) eine neue Objektivität, in welcher der Kriminelle einer zugleich natürlichen und abweichenden Typologie zugehört“ (Foucault, 1977, 323f). Damit wird das jeweilige Individuum vor und von dem Verbrechen unabhängig geschaffen und die Abstraktion nicht nur vom abweichenden Verhalten auf die einzelne Person möglich 38 ist, sondern im weiteren Verlauf auf die ganze ‚Gruppe‘ geschlossen wird. Am Rande der bürgerlichen Gesellschaft wird damit eine unmoralische, fast gesetzlose und somit gefährliche ‚Klasse‘ geschaffen und in der bürgerlichen Ideologie verankert (vgl. ebd. 353ff). Die Abstraktionen sorgen in Folge dafür, dass nicht mehr von dieser Klasse oder Gruppe als Ergebnis der gesellschaftlichen Veränderungen und Verhältnisse gesprochen wird, sondern davon, dass eben diese Personen als Gefahr für die Verhältnisse wahrgenommen werden. Die so produzierte Gruppe von ‚kriminellen‘ Menschen lässt sich dementsprechend für diverse Phänomene verantwortlich machen, wodurch auch die Verhältnisse, welche überhaupt erst Auslöser gewesen sein mögen, entlastet werden. Die Unzufriedenheit kann auf die Junkies, Dealer, Penner, Trinker, jugendliche Gewalttäter, etc. projiziert werden. Die Vertreibung und Bestrafung erscheint so als legitimes Mittel, welches im Interesse der ‚normalen‘ Mitglieder der Gesellschaft liegt. Damit wird ebenso aufgezeigt, was als richtig zu gelten hat, was nicht abweicht und wie sich der Rest der Mitglieder einer Gesellschaft zu verhalten hat, um nicht ebenfalls eine Ursache für die vorhandenen Übel zu werden. Der Inhalt der vermittelten Botschaft ist demnach: Wer vertrieben wird, hat etwas Schlechtes oder Gesetzwidriges getan und somit seinen Anspruch auf Teilhabe verwirkt. Gesellschaftliche Verhältnisse können so personalisiert werden und die nicht erwünschten Personen als jene kategorisiert werden, die das verweigern, was in der Ordnung der Gesellschaft festgeschrieben ist (vgl. Cremer-Schäfer, 85). Politik, Medien und Sicherheitsdienstleister können ob ihrer besseren Durchsetzungschancen - auch in Hinblick auf die ökonomischen Interessen - somit das Bild eines Bedrohungsszenarios schaffen, Unsicherheiten propagieren und damit auf eine legitimierte Weise bestimmte Personen und Gruppen ausschließen. 39 5.3 Rechtliches zum Aufenthalt in öffentlichem Raum Im Rahmen der Diskussionen über Gefahrenabwehrverordnungen oder Sondernutzungsrechte, den Aufenthalt in Innenstadtbereichen betreffend, wird immer wieder besonders ein mögliches Verbot des Bettelns, des ‚Herumlungerns‘ und des Konsums von Alkohol diskutiert. Somit rücken besonders Personen in den Mittelpunkt dieser Diskussionen, welche sich vorwiegend an diesen Orten aufhalten. Bereits ein kurzer Blick auf den Personenkreis zeigt aber, dass jene kaum als kriminelle Störer oder als eine Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung eingestuft werden können. Wie bereits vorgestellt bieten sich Innenstadtbereiche für Straßenszenen besonders an, um eine Ergänzung zum Einkommen zu erhalten, Kontakte zu pflegen, am gesellschaftlichen Leben zumindest noch geringfügig teilzuhaben, etc. Die vorherrschende Meinung in der Rechtskunde geht davon aus, dass generelle Verbote nicht verfassungskonform und somit auch nicht rechtswirksam sind. Dr. Wolfgang Hecker hat sich in einem Rechtsgutachten eingehend mit der Möglichkeit von genannten Verboten auseinandergesetzt und kommt zu dem Schluss, dass es sich weder bei Aufenthalt oder Betteln, noch bei Alkoholkonsum um Verhaltensweisen handelt, welche eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, somit auch nicht in den Bereich der Gefahrenabwehrverordnung fallen. Eine Gefahrenabwehr im Sinne des Polizeirechts hat eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung, also einen möglichen Schaden zur Voraussetzung. Als Geschmacklosigkeit bezeichnete, unbequemliche, belästigende oder andere nachteilige Verhaltensweisen sind polizeirechtlich irrelevant. Darüber hinaus würden solcherlei Verbote gegen das Grundgesetz verstoßen, da rechtfertigende Gründe für das Einschränken der freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. I GG im Normalfalle nicht vorliegen und auch die Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. I GG nicht gegeben wäre. Auch ein straßenrechtlich begründetes Verbot von Alkoholkonsum, Betteln oder Aufenthalt durch Einstufung als genehmigungspflichtige Sondernutzung ist unzulässig, da nach den Regelungen der Bundesländer zum Straßenrecht keine derartige Rechtsgrundlage existiert. Ausnahme hinsichtlich einer als genehmigungspflichtig einzustufenden Sondernutzung wäre die Einrichtung von Dauerschlafplätzen oder Ähnlichem, nicht aber bloßes Lagern oder Schlafen (vgl. Hecker 1998, 79f). 40 5.4 Rechtliches zum Aufenthalt in und auf Bahnhöfen Bei Bahnhöfen handelt es sich um öffentlich zugängliche Einrichtungen, welche von jedermann zum Reisezwecke genutzt werden kann. Sie besitzen allerdings nicht mehr dieselbe Rechtsstellung, wie es im innerstädtischen Straßenrecht üblich ist, da sie zwar öffentliche Einrichtungen darstellen, sich aber nicht unmittelbar mit Fußgängerzonen, Straßen, Parkanlagen, etc. vergleichen lassen. Durch den Betreiber muss zwar die allgemeine Zugänglichkeit für Verkehrszwecke gewährleistet sein, er darf aber die weitere Nutzung des Bahnhofsumfeldes nach eigenen Vorstellungen gestalten. Diese Neuerungen kamen mit dem am 01.01.1994 in Kraft getretenen Konzept der Bahnreform. Mit dieser einhergehend, wurden die hoheitlichen Staatsaufgaben der Beförderung von den weiteren Unternehmensbereichen, wie Bahnhofsvorplätzen, Bahnhofsgebäude und anderen Liegenschaften getrennt und können mit unterschiedlicher Reichweite privatisiert werden (vgl. Wolf, 19). Die nunmehr unternehmerisch tätige Bahn AG hat die Bahnhöfe auch als Kulturgut wiederentdeckt. Kulturgut nicht nur der Bahn, sondern auch der Städte. Dem Bahnverkehr soll somit eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung wiedergegeben werden und der Bahnhof selbst soll als anziehender Standort für die Öffentlichkeit dienen. Der Kunde rückt in den Mittelpunkt, sein Wohlgefühl soll gefördert werden und die Reise, möglichst mit weiterem Konsum verbunden, soll ein positives Erlebnis sein. Zentraler Baustein dieser Vorstellung ist – neben Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen - das »3-S-Progamm« Service, Sicherheit, Sauberkeit (vgl. Wucherpfennig, 173f). Mit Hilfe dieses Programms sollen Aufenthaltsqualität und Wohlbefinden des Kunden gesteigert, bestmöglicher Service, größtmögliche Sicherheit und Sauberkeit gewährleistet werden. Der Service bezieht sich dabei auf Wegeleitsysteme, Servicestellen, Gepäckservice und Kurierdiensten. Für Sauberkeit soll die eigens gegründete Tochterfirma BahnReinigungs GmbH (BRG) sorgen. Zum Thema Sicherheit ließ die Bahn verlauten, dass sich die Kunden in vergangenen Jahren subjektiv unsicher gefühlt hätten. Zwar sei man sich im Klaren, dass die Kriminalstatistiken kein erhöhtes Gefahrenpotential für Bahnhöfe ausweisen würden, aber Bedenken erst genommen werden würden. In diesem Sinne sei das neue Sicherheitskonzept entwickelt und etabliert worden und die weitere Bahntochter DB Services Sicherheitsdienste GmbH (BSG) gegründet, welche in Ordnungspartnerschaft mit BGS, Polizei und Ordnungsamt agiert. Weiterhin wurden in einem Sofortprogramm rund 600 Millionen Euro allein innerhalb 2002 bis 2004 für weitere Sanierungsarbeiten und für die Aufwertung durch Beleuchtung, Musikbeschallung Wartezonen und Fassadenrenovierungen von kleineren und mittelgroßen Stationen – insgesamt rund 300 Stück – zur Verfügung gestellt (vgl. ebd., 175). 41 Die Hausehre ist wiederhergestellt, Dreck und Vandalismus sind und werden weiterhin bekämpft. „Freundlich grüßen Baguette-Verkäufer in der hellen Halle. Die zwei Männer vom BSG-Wachschutz melden: »Alles ruhig.« Seit der Sanierung des Bahnhofs gibt es nur noch selten Schwierigkeiten mit gesellschaftlichen Problemgruppen. Randalierer, Drogen- und Alkoholabhängige scheuen das Licht“ (DB AG, 50). Die bereits angeschnittene Gestaltung des Umfeldes erfolgt bei der Bahn AG durch die Hausordnung, in welcher unter anderem auch Verhaltensweisen der Wohnungslosen fallen. Das Sitzen und Liegen auf dem Boden, auf Treppen und Zugängen ist nicht gestattet – wozu gesagt sei, dass auch das Verweilen dieses Personenkreises auf Sitzmöglichkeiten meist nicht geduldet wird -, weiterhin auch das Durchsuchen von Abfallbehältern, Betteln oder Belästigen von Personen und zu guter Letzt übermäßiger Alkoholkonsum. Belästigung und Alkoholkonsum sind nicht weiter definiert und letztlich ist es Auslegungssache der BSG, was übermäßig oder belästigend ist. Man kann sich vorstellen, wie die Auslegung in Bezug auf wohnungslose Personen oder weitere eher unerwünschte Szenen abläuft. Auch geht der bahneigene Sicherheitsdienst nicht unbedingt feinfühlig mit diesen Personenkreisen um, da bei Sicherheitsdiensten keine direkte Verpflichtung – wie bei BGS, OA oder Polizei – hinsichtlich eines Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besteht (vgl. Zielasko, 3). Schlussendlich befindet sich die Bahn AG noch immer in einem Prozess der Wandlung, bis die Neupositionierung mit sämtlichen Akzenten abgeschlossen ist. Derzeit bewegt sie sich jedenfalls noch an einer entscheidenden Schnittstelle. Das Konzept von Service, Sicherheit und Sauberkeit kann sachlich begründet sein, jedoch liegen Vorgehen gegen Verwahrlosung oder Unrat und überzogene Maßnahmen gegen einzelne Personengruppen nahe beieinander. Ein Interesse am Sicherheitsbedürfnis darf nicht zu Säuberungsaktionen gegenüber missliebigen Personen führen. Auch haben Bahnhöfe eine gewachsene Nutzungstradition neben der Verkehrsfunktion. Der Bund sieht neben der Verkehrsfunktion eine Mittelpunktsfunktion für die Innenstädte, Identifikationsfunktionen, Funktionen des Austauschs und Aufenthalts, sowie neben regional- und stadtökonomischen Funktionen auch eine soziale Ausgleichsfunktion (vgl. Eichhorn, 6). Die Bahn AG trägt somit auch eine gewisse soziale Verantwortung, welcher sich kein Unternehmen dieser Größenordnung entziehen kann. Hecker kommt in seinem Rechtsgutachten zur Stellung der Bahnhöfe hinsichtlich Zugang, Verweisen und Hausordnung zu dem Schluss, dass Bahnhöfe zwar keine öffentlichen Bereiche im Sinne des Straßenrechts sind, aber eine deutliche Nähe dazu aufweisen. Aus rechtlicher Sicht folgt, dass Bahnhöfe für jedermann zugänglich sein müssen, dass neben der von der Bahn AG gewünschten Nutzung auch der allgemeine Aufenthalt zulässig sei. Hinsichtlich 42 der Hausordnung und der Verhaltensverbote bestünden nach Hecker zwar nicht unerhebliche Bedenken, jedoch sind diese innerhalb des Gestaltungsspielraums der Bahn AG. Ein generelles Hausverbot ist nicht möglich, da ein Recht auf Zugang zum Reiseverkehr nicht behindert werden darf. In diesem Sinne darf auch das Recht auf „(…) allgemeinen Aufenthalt in angemessenem Umfang (…)“ nicht eingeschränkt werden (Hecker 2002, 30). 5.5 Platzverweis – zu Techniken und Strategien der Räumung Vertreibungen, Platzverweise und vorübergehende Ingewahrsamnahme sind nur in den wenigsten Fällen durch Gemeindesatzungen oder polizeirechtlich abgesichert. Nur wenn tatsächlich eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, ist dieses möglich. Bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt und mit umstrittener Zulässigkeit ist der so genannte erweiterte Verbringungsgewahrsam. Der einfache Verbringungsgewahrsam bezieht sich nur auf den Gewahrsam auf dem Weg zu einem - von der Ermächtigungsgrundlage abgedecktem - Gewahrsahmsort. Bei dem erweiterten Verbringungsgewahrsam wird eine Person an einen anderen Ort verbracht und dort wieder freigesetzt. Sollte hier tatsächlich eine Zulässigkeit durchgesetzt werden können, darf der Verbringungsort nicht ohne Anschluss an den ÖPNV bzw. ohne Möglichkeit von Verpflegung oder Unterkunft sein. Weiterhin müssen auch Witterung, Tages- und Jahreszeit und der Alters- und Gesundheitszustande der Person beachtet werden (vgl. leggereit.de, 1). Jedoch scheint es gängige Praxis, besonders der städtischen Hilfspolizisten bzw. des Ordnungsamtes, zu sein, diese Verbringungen ohne triftigen Grund und ohne weitere Beachtung der Person oder der äußeren Umstände durchzuführen. Beispiele dazu, inklusiver diverser bekannter Todesfälle nach Verbringung, finden sich in der gängigen Literatur regelmäßig wieder (vgl. Hecker 1998, 78; auch: Spiegel 48/1995, 53). Außer diesen Extremfällen der Verbringung werden aber auch weniger drakonische Maßnahmen zur Vertreibung eingesetzt. Mit Bußgeldern für Aufenthalte ohne erkennbare Fahrabsichten in Wartehäuschen oder –hallen macht besonders das Ordnungsamt den Straßenszenen oder deren einzelnen, vermeintlichen Mitgliedern das Leben schwer. Gerechtfertigt sind diese Bußgelder nicht, jedoch dürfte die rechtliche Situation nur den wenigsten Menschen bekannt sein. Auch bei Platzverweisen und Aufenthaltsverboten sind nur die Wenigsten in der Lage, diese Maßnahmen abzuwenden. Einerseits ist auch hier die rechtliche Lage nicht unbedingt bekannt, andererseits gehen Ordnungsamt und private Sicherheitsdienste mitunter rücksichtslos und teilweise gewalttätig gegen diese Personengruppen vor, sodass eine Gegenwehr meist nicht erfolgt. 43 Als Adressaten von Vertreibung, Identitätsfeststellungen, Platzverweisen, etc. werden in der Handlungsanweisung des Hamburger Polizeireviers 14 Gruppen ab mindestens 2 Personen genannt, auf die folgende Voraussetzung zutrifft: 1. „Zusammenkünfte von Punks und ähnlichen Gruppierungen, die provokativ Laufwege der Passanten „besetzen", um folgend aggressiv zu betteln, durch Ansprache provozieren (Pöbelei), Alkohol konsumieren usw. 2. Zusammenkünfte von Alkoholikern (üblicherweise bestehend aus Personen der Randständigenszene), die sich vornehmlich auf Sitzgruppen im Bereich der Innenstadt ausbreiten und Passanten belästigen. 3. Sonstige Personengruppen, die durch ihr Auftreten die öffentliche Sicherheit und Sauberkeit der öffentlichen Flächen beeinträchtigen (z.B. Vermüllung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit sonstiger Personen)" (Rogalla; grundrechte-kampagne.de). Besonders die privaten Sicherheitskräfte sind, nach eigenem Selbstverständnis, besonders auf körperliche Auseinandersetzungen eingestellt und zudem oftmals nicht sonderlich qualifiziert, um eine angemessene Reaktion auf Verhaltensweisen zu zeigen. Jedoch ist auch die bloße Präsenz von uniformierten Sicherheitsdiensten für viele Betroffene Grund genug, sich aus Angst vor Übergriffen - trotz mangelnder Befugnisse der Sicherheitskräfte- von bestimmten Orten fern zu halten. Als Extrembeispiel sei hier das Hetzen von Hunden auf unerwünschte Personengruppen genannt (vgl. Beste, 342ff). Ein weiteres Vorgehen gegen störende Randgruppen ist die Privatisierung von bestimmten Geschäftsbezirken. Gewisse Straßen erhalten einen neuen Status, indem sie im eigentumsrechtlichen Sinne behandelt werden. Hierzu zählen häufig Passagen, welche zwar als öffentlicher Raum funktionieren, jedoch privat gemanaged werden. So greift nicht mehr die allgemeine Straßensatzung, sondern die jeweilige Hausordnung der Eigner. Das Hausrecht ermöglicht in diesen Fällen dann auch eine Intervention unterhalb einer ordnungsrechtlichen Regulierung (vgl. Ronneberger; in: Specht-Kittler, 140f). Auch die Errichtung so genannter ‚gefährlicher‘ und ‚gefährdende‘ Orte eröffnet weitere Möglichkeiten, unerwünschten Personen den Aufenthalt zu verleiden. In Berlin existieren mittlerweile ca. dreißig Orte, welche diese Einstufung im Rahmen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes erhalten haben. Somit wurde ein Instrument geschaffen, welches außerhalb von begründetem Tatverdacht und somit mit Beschneidung von Grundrechten Personen- sowie Taschenkontrollen, erkennungsdienstliche Behandlungen und Identitätsfeststellungen ermöglicht, worunter, wie sollte es anders sein, besonders jene Unerwünschten zu leiden haben. 44 Weitere Maßnahmen, welche den Aufenthalt bestimmter Personenkreise verhindern sollen, sind ganz offensichtlich. Hierzu zählen beispielsweise der Abbau bzw. der Austausch von Bänken in Innenstadt- oder Bahnhofsbereichen gegen Sitzschalen, wodurch das Liegen unmöglich wird. Auch werden auf Abluftgittern, vor Schaufenstern und auf Mauern Vorrichtungen angebracht, welche das Liegen oder Sitzen verhindern sollen. Selbst Blumenkübel vor Bahnhöfen und in Fußgängerzonen werden abgebaut, damit sie nicht mehr als Sitzgelegenheit verwendet werden können. Eine weitere Idee, welche in Hamburg, München, Berlin und vielen weiteren Bahnhöfen verwirklicht wurde, ist das Abspielen klassischer Musik. Die Annahme ist, dass unerwünschte Personengruppen wie Wohnungslose oder ‚herumlungernde‘ Jugendliche sozial schwächerer und somit gefährlicher Schichten von dieser Art Musik vertrieben werden, da sie die Musik abstoßen würde. Der gewünschte Vertreibungseffekt ist laut den Verkehrsbetrieben tatsächlich vorhanden. Dieses liegt aber eher nicht unbedingt daran, dass die Musik nicht den Geschmack der zu vertreibenden Zielgruppe trifft, sondern eher an der Dauerbeschallung in einer unpassenden Umgebung. Selbst als angenehm wahrgenommene Musik kann hier mit der Zeit verunsichern und das Gefühl auslösen, unerwünscht zu sein (suite101.de). Immer wieder diskutiert und weiter ansteigend ist auch die Videoüberwachung öffentlicher Räume. Zur Verdeutlichung: Während der Umsatz von optischer Überwachungstechnik in Deutschland 2005 noch bei rund 185 Millionen Euro lag, werden für 2010 Umsätze von ca. 450 Millionen Euro erwartet (vgl. bitkom.org). Die Konzentration bei der Kameraüberwachung von öffentlichen Bereichen auf bestimmte Gruppen, zeigt sich bei den so genannten intelligenten Kameras. Diese werden derzeit in Paris, London und Mailand eingesetzt, in Deutschland werden seit 2009 erste Testläufe in Großstädten durchgeführt. Insbesondere bettelnde Personen und jene, die sich länger an einem Platz aufhalten, können so noch leichter erfasst werden, da bei einer Bewegungslosigkeit von mehr als einer Minute die Person auf den Kontrollmonitoren grün dargestellt wird. Bei weiterem Verharren wird die Person rot markiert und ein Alarm ausgelöst. Somit kann schnellstmöglich reagiert und die unerwünschte Person nötigenfalls entfernt werden (vgl. Belina, 219). 45 5.6 Straßenszenen als Störer im öffentlichen Raum Wenn also die verschärfte Kontrolle, Überwachung und die Vertreibung nicht auf eine Furcht vor Kriminalität und dem Wunsch nach einem Schutz der restlichen Bevölkerung zurück zu führen ist, müssen andere Gründe existieren, welche zu der Vertreibungs- und Verdrängungsstrategie führen. Bezüglich der bereits eingangs erläuterten Transformation der Städte in Richtung Konsumorientierung und Aufwertung im Wettbewerb, ist aus der Geschäftswelt häufig die Behauptung zu hören, dass die Straßenszenen für Umsatzrückgänge verantwortlich wären, da sich die Kundschaft gestört fühle. Belegt ist diese Behauptung nicht, jedoch wird sie auch vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels vertreten. Die Anwesenheit des Milieus hätte eine Standortschädigung zur Folge und somit eine massive wirtschaftliche Bedrohung. Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung müssten durchgesetzt werden und Wohnungslose somit beseitigt. Sie seien – laut Düsseldorfer Wirtschaftslobbyverband - „(…) ebenso wie Graffities und Taubenkot kein Anblick, der zur Steigerung von Attraktivität und Kaufkraft beiträgt“ (Ronneberger, in: Specht-Kittler, 140). Argumente, welche hier aber plausibler erscheinen, sind eher eine abnehmende Kaufkraft, Konkurrenz durch Discounter außerhalb der Innenstädte und eine, zwar umgestaltete, jedoch nunmehr leblosere Innenstadt als Einzelhandelszone. Dennoch werden Raumverbote für bestimmte Gruppen gefordert, welchen durch städtische Verwaltungen mittels Straßensatzungen oder Erlassen nachzukommen versucht wird, die allerdings, wie bereits angesprochen, rechtlich nicht zu halten und angreifbar sind. Unstreitig ist, dass sich tatsächlich Konsumenten an der Anwesenheit von wohnungslosen Personen stören. Der Anblick von Bettlern und anderen Personen, welche im öffentlichen Raum ‚herumlungern‘ erinnert an die Möglichkeit, selbst einmal zu verarmen, an die Kluft zwischen Arm und Reich, an soziale Ungerechtigkeit. Sich während des Einkaufs dadurch unangenehm berührt oder befangen zu fühlen, ist daher nicht ganz unverständlich. Ein Großteil der Bevölkerung lehnt eine Vertreibung von Wohnungslosen aus den Innenstädten oder Fußgängerzonen jedoch ab. Im Jahre 2002 stimmten in einer repräsentativen Studie der Universität Bielefeld nur 34,6% dem Item „Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden“ zu (Heitmeyer/Endrikat, in: Deutsche Zustände, 68). Die Verdrängung betrifft allerdings nicht nur den öffentlichen innerstädtischen Raum, Fußgängerzonen und andere Geschäftsbereiche. Sind die unerwünschten Personen des Platzes verwiesen, müssen sie sich schließlich einen Ort suchen, an dem sich aufgehalten werden kann, der als Treffpunkt dient und die Teilhabe am öffentlichen Leben möglich ist. Die Orte, welche sich dafür anbieten, da dort ‚etwas los ist‘ und eine relativ ungezwungener Aufenthalt möglich ist, sind unter Anderem die Quartier- und Stadtparks. Allerdings unterliegen auch 46 diese Orte einer funktionalen Spezialisierung und Reglementierung, sind zwar für unterschiedliche Nutzergruppen ausgelegt aber dennoch stark ästhetisiert. Dementsprechend werden auch aus diesen Rückzugsmöglichkeiten die Personen mit repressiven Methoden zu verdrängen versucht, welche augenscheinlich einer bestimmten Szene zugeschrieben werden. Anwohner, welche auch längere Zeit auf der Parkbank sitzen, Studenten, die sich mal mit einem Kasten Bier im Park niederlassen oder Jugendliche, welche dort sportlichen Aktivitäten nachgehen, werden von Ordnungskräften unbehelligt gelassen, Randgruppen aber vertrieben. Das Titelbild der Freiburger Straßenzeitung ‚FREIeBÜRGER‘ zeigt unter dem Titel ‚Ohne uns Verkäufer geht nix‘ einige Verkäufer, welche sich für das Bild auf einer Treppe in einem öffentlichen Park versammelt haben. Der Verkäufer Carsten schreibt dazu, dass, kurz nach dem das Bild entstanden war, diese Versammlung von randständigen Personen durch eine allgemeine Personenkontrolle durch vier Polizeibeamte aufgelöst wurde, weitere Personen im Park aber keiner Kontrolle unterzogen wurden (vgl. FREIeBÜRGER, 13). Einem Verständnis von Allgemeinheit und öffentlichem Park wiederspricht die Art der speziellen Kontrolle und der Auflösung dieser Versammlungen ziemlich eindeutig. Die Personen, welche erst aus den innerstädtischen Bereichen verdrängt wurden, verlieren nun auch noch die Möglichkeit der Teilhabe und des Rückzugs in Parks und auf öffentlichen Plätzen. 6 Umlenkung statt Vertreibung? Die Alternative zu verstärkten Personenüberprüfungen, Aufenthaltsverboten, verstärkter Präsenz von Ordnungskräften und weiteren Maßnahmen, welche die besonders unerwünschten Personen und Gruppen aus dem Stadtbild heraushalten sollen sind Strategien der Umlenkung. In der Hamburger Innenstadt besteht, wie auch in fast allen großen Städten, der ständige Konflikt zwischen Geschäftsleuten und den ‚Straßenleuten‘. Durch die fortwährende Vertreibung - besonders die der Wohnungslosen - kam es allerdings nicht zu dem gewünschten Effekt, dass diese sich nicht mehr in den Geschäftsbereichen aufhielten, sondern die Aufenthaltsorte wurden nur temporär verlagert. In unregelmäßigen Abständen wurden die zu der Szene gehörenden Personen daraufhin in Verbringungsgewahrsam genommen, um diese zumindest für eine bestimmte Zeit aus den Geschäftsbereichen zu entfernen. Da diese restriktiven Maßnahmen nicht die erwünschte Wirkung zeigten, wurde ein Strategiewechsel vollzogen, der in Zusammenarbeit von Polizei, Sozialarbeiten und den Geschäftsinhabern entstand. Der GerhardHauptmann-Platz in Hamburg war 1998 zu einem regelmäßigen Treffpunkt einer größeren Gruppe von Wohnungslosen und ‚Trinkern‘ geworden, welche im öffentlich zugänglichen Bereich der Landesbank-Galerie einen Pavillon als Unterstand nutzte. Der Umstand, dass die 47 Gruppe dort neben dem Aufenthalt ebenfalls urinierte, führte zu Beschwerden, auf welche die Aufstellung einer mobilen Toilette folgte, die von der Landesbank finanziert wurde. Die Szene musste sich somit nicht mehr von dem Unterstand fortbewegen und verschwand – wenn auch nicht vollkommen – aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Damit die ‚Trinker‘ jedoch in der Weihnachtszeit nicht unangenehm auffielen und die Stimmung der Besucher des Weihnachtsmarktes drückten, wurde eine weitere Maßnahme ersonnen, welche die Szene aus dem Blickfeld nehmen sollte: „Und da haben wir gesagt, Mensch pass mal auf, eigentlich tun die ja nichts, aber für den Weihnachtsmarkt, wenn die da rumhängen, das sieht ja irgendwie blöd aus… Lass uns doch einfach mal so zehn Bäume da rum machen. Und dann haben wir einfach so die Bäume da rum gemacht. (…) Wir haben da auch Müllbeutel da hingestellt (…). Und dann haben sie, wie gesagt, sie wurden nicht nass, hatten ihr Klo, konnten da saufen und das ging eigentlich wunderbar (…)“ (Hauptkommissar Stapelfeld im Interview 2004, Auszug aus: Gruber, 43) Die Herangehensweise, dass man mit der improvisierten Lösung die Gruppe aus dem Stadtbild heraushält, wenn man sie schon nicht vertreiben kann, wird auch damit gerechtfertigt, dass die Obdachlosen von der Maßnahme auch profitieren würden. Auch in den folgenden Jahren kam es an diesem Ort – besonders in der Herbst- und Winterzeit wieder zu Versammlungen der Gruppe. Nachdem wiederholt Beschwerden eingingen, obwohl die Maßnahme Mobiltoiletten und Bäume aufzustellen weiterging, wurde über den Aufbau von Unterständen und Mobiltoiletten an einem anderen Ort diskutiert, was schließlich auch durchgeführt wurde. Am Gertrudenhof, welcher sich abseits der Geschäftsbereiche befindet, wurden unter der Finanzierung von Landesbank und des Gewerbes zwei ‚Buden‘ von je 10qm und besagte Toiletten aufgestellt, woraufhin die Beschwerden der Geschäftsinhaber zurückgingen (vgl. Gruber, 41ff). Die Gruppe der Wohnungslosen und ‚Trinker‘ verschwand so nicht nur optisch, sondern verlagerte sich physisch an einen anderen Ort. Einerseits bieten die Buden - mit einer Möglichkeit, persönliche Habe einzuschließen – und die Toiletten zwar eine gewisse Hilfe für die Gruppe, dennoch ist das eigentliche Ziel der Maßnahme eher gewesen, die Personen erst zu verstecken und sie im weiteren Verlauf der Maßnahme umzulenken und somit ‚verschwinden‘ zu lassen. Bei näherer Betrachtung kann man auch hier von einer – wenn auch indirekten – Vertreibung der unerwünschten Szene sprechen. Durch die allerdings nicht ausreichende Beachtung der inneren Strukturen der ‚BudenGruppe‘ ging man davon aus, dass diese Maßnahme dauerhaft funktionieren würde. Es zeigte sich jedoch, dass die Buden im Winter zwar angenommen wurden, sich der Aufenthalt der Gruppe ansonsten aber wieder in die vorherigen Bereiche verlagerte, durch verschiedene 48 Konflikte innerhalb der Gruppe und wechselnde Mitglieder wollten einige Personen der Szene auch gar nicht wieder zum Gertrudenplatz zurückkehren (vgl. ebd., 46f). Eine weitere Maßnahme, welche erst kürzlich durch die Medien verbreitet und gelobt wurde, ist die Einrichtung des ‚Trinkraumes‘ für Alkoholiker und Personen, welche sich im öffentlichen Raum bzw. Innenstadtbereichen aufhalten. Die Finanzierung läuft hier, im Gegensatz zu den ‚Buden‘ in Hamburg, über die Stadtkassen. Wenn auch Kiel als Standort des ersten ‚funktionierenden‘ Trinkraumes (die Einrichtung ‚Sofa‘) bezeichnet wird, so hatte die Vorreiterrolle eigentlich Dortmund, wo bereits 2003 die Erprobungsphase zur Einrichtung eines Ortes begann, an dem ein Tagesaufenthalt möglich ist und alkoholische Getränke (ausgenommen Spirituosen/‘Hartstoff‘) konsumiert werden können. Die Trinkräume zeichnen sich zudem dadurch aus, dass die Getränke mitgebracht werden können, am Tresen aber Kaffee und andere alkoholfreie Getränke günstig zu erwerben sind. Des Weiteren findet auch ein niedrigschwelliges Angebot durch Sozialarbeiter und Pädagogen statt, die Betreuungen und Hilfen bei dem Umgang mit Behörden, Vermietern, und den Ordnungskräften bieten, weiterhin aber auch Entzugsangebote vermitteln und Jobs hinter dem Tresen anbieten (vgl. Landeshauptstadt Kiel). Ungefragt wird jedoch nicht eingegriffen oder Hilfsangebote aufgedrängt. Als Erfolg wird bereits angesehen, dass der Alkoholkonsum zumindest ins Warme und Trockene verlegt wird und mögliche Hilfen angenommen werden können. „Bislang ist die (…) Rechnung aufgegangen. Stadtbekannte und arbeitslose Trinker, die vorher mit ihren Saufgelagen in der Innenstadt die Wut der Bürger auf sich zogen, sind nach und nach ins wärmere ‚Sofa‘ gezogen. Ein absolutes Win-win-Geschäft, findet Christoph Schneider vom Kieler Wohnungsamt. Schließlich lasse sich die Szene so auch ‚viel besser erreichen‘“ (Spiegel 16/2010). Auch hier kann man zumindest vermuten, dass das Angebot nicht alleine aufgrund der Mildtätigkeit und der Einsicht einer notwendigen Hilfe der jeweiligen Städte zurückzuführen ist, sondern dass durch die Einrichtung von Trinkräumen - ebenso wie mit den Hamburger ‚Buden‘ - die Problemzielgruppe aus Innenstadt und Geschäftsbereichen verlagert werden soll, damit die Stadt auch weiterhin einen Hauch von Ästhetik und Sauberkeit bietet, die Geschäftsinhaber aufhören zu klagen und der konsumorientierte Bürger ungestört seinen Aktivitäten nachgehen kann. 49 7 Abschlussbetrachtung Konstitution von Raum ist ein soziales Phänomen und somit auch als ein prozesshaftes, aus den gesellschaftlichen Entwicklungen heraus zu begreifendes. Raum wird durch die Synthese der (sozialen) Güter, durch die Menschen und ihre Zuschreibungen, durch Wahrnehmung, Verknüpfung und Erinnerung geschaffen. Sie zeichnen sich durch ständige relationale Platzierungen aus und werden über Neuanordnungen und Reproduktion verändert. Somit spiegeln die Strukturen von Raum auch die gesellschaftlichen Strukturen wieder. In Bezug auf Foucault wird im Diskurs von Sicherheit festgelegt, was richtig ist, was Geltung beanspruchen kann und was auszuschließen ist. Darüber werden maßgeblich die Wahrnehmungen, Zuschreibungen und Praktiken gesteuert. Diskurse erreichen ihre Wirkmächtigkeit dadurch, dass sie Wirklichkeit und ‚Wahrheit‘ herstellen. Werte und Normen prägen sich darüber und mit Hilfe von Medien, Gesprächen und Erwarteten, kurz: über Kommunikation. Die Werte und Normen sind schließlich prägend für die Vorstellung von Sicherheit und prägend auch für den Begriff selbst. Über Kommunikation können sich alle Kräfte und Akteure der Gesellschaft an den Diskursen beteiligen, doch wird einigen Personen und Gruppen durch Verhalten, Aussehen, Zuschreibung von Eigenschaften und der gesellschaftlichen Stellung dieser Zugang zu Diskurs und Teilhabe gewährt. Die großen Zeitungen haben mehr Einfluss, als eine Straßenzeitung wie beispielsweise ‚Hintz&Kust‘, ‚FREIeBÜRGER‘ oder ‚fifty-fifty‘ als Vertreter der Randgruppen und Szenen ausüben könnten, um die öffentliche Meinung und Vorstellung zu ändern. Sicherheit ist nur Sicherheit vor den unerwünschten Gruppen, nicht Sicherheit für Gruppen vor Übergriffen, Verdrängung, Marginalisierung und Zwangsräumung. Die vom Ausschluss bedrohten stehen vor der Aufgabe, sich am Konsum zu beteiligen, die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen und sich konform zu verhalten, um nicht vollkommen aus öffentlichem Raum und der ‚normalen‘ Gesellschaft ausgeschlossen zu werden. Die Verwandlung öffentlichen Raumes und der Innenstädte in Orte des Konsums, führt zu ständiger Kontrolle und zur Ausgrenzung der Personen, welche am Konsumleben nicht teilhaben können und somit störend für den wohlhabenderen Einkäufer und die Geschäftswelt wirken. Die Politik hat es bisher nicht für notwendig befunden, an der gängigen Ausschlusspraxis und der Verdrängung der Marginalisierten etwas zu ändern. Im Gegenteil: Es werden eher die Rufe der Geschäftswelt nach Sicherheit und Ordnung beachtet und der Anlass der Klage auf verschiedene Art und Weise beseitigt. Das Recht auf Freizügigkeit wird sowohl in den Innenstädten, als auch in den Bahnhöfen, S- und U-Bahnstationen eingeschränkt und beschnitten wo es nur geht. Notfalls auch mit repressiven Mitteln. Mit Hilfe der Beschwörung und Konstruktion gefährlicher Gruppen und Orte wird öffentlich wirksam die Notwendigkeit 50 und Rechtmäßigkeit von Kontrolle und Ausschluss erläutert und durchgesetzt, welche offenbar innerhalb der städtischen Bevölkerung großflächig anerkannt wurde und einen Mehrheitskonsens in dieser ausgebildet hat. Dauerhafte Warnungen oder Beschwörungen vor und von Kriminalität, Erklären von Räumen zu unsicheren Zonen und die Inszenierung anderer Räume für die gewünschte, homogene Öffentlichkeit, lassen für die breite Masse wohl keinen anderen Schluss zu, als dass die Sicherheit tatsächlich gefährdet und der Schutz und die Überwachung notwendig ist. In dieser Folge wird sich vermutlich eine weiter steigende, soziale Desintegration ergeben, die irgendwann tatsächlich nur noch sicherheitspolitisch zu kontrollieren ist. Ohne eine weit reichende Diskussion um Rechtmäßigkeit und Moral könnte sich die Sicherheitspolitik somit noch stärker etablieren und ausweiten, da sie sich innerhalb der Spirale von Ausschluss marginalisierter Gruppen und weiter ansteigender Furcht bzw. sinkendem Sicherheitsgefühl der ‚Normalbevölkerung‘ selbst legitimiert. Durch die steigende Anzahl ausgeschlossener Gruppen und die Investitionen in Sicherheit und Überwachung scheint sich eine Wiederentdeckung der gefährlichen Klassen anzubahnen. Die mögliche Entwicklung lässt sich am Beispiel der USA verdeutlichen. Inhaftierungsraten und Chain-Gangs veranschaulichen das Bild eines strafenden Staates, statt Einbindung oder Rehabilitierung wird Kontrolle und Ausschluss angestrebt. Arme sollen aus der Gesellschaft augenscheinlich verschwinden. In Deutschland liegt der Schwerpunkt zumindest darin, Arme in zentralen Bereichen der Städte unsichtbar zu machen und somit auch gewissermaßen in den Anfängen einer grundlegenden Neubestimmung der Struktur des Sozialen. Gesellschaftliche Ungleichheiten werden so nur weiter ausgebaut und durch Kontrolle räumlich festgeschrieben. Auch wenn gerade urbaner Raum immer umkämpft und ständig Veränderungen unterworfen war und ist, scheint das Ungleichgewicht zwischen den Akteuren mehr und mehr verankert zu werden und sich eine neue, noch stärker segregierte, gesellschaftliche Ordnung herauszubilden. Die Bürger selbst müssen lernen, nicht nur die Sicherheit und Unbeschwertheit einzufordern, sondern sich an der Herstellung derselben beteiligen. Eine Forderung nach einem Verantwortungsgefühl eines Jeden hat auch den Inhalt, dass eine Verständigung darüber erfolgt, welches Maß an Ordnung und Sauberkeit in einer Großstadt erreicht werden soll und kann. Der öffentliche Raum hat eine gesellschaftliche Bedeutung, die darin liegt, dass jeder Bürger und somit alle sozialen Gruppen eine (auch politische) Mitwirkungsmöglichkeit haben, Präsenz zeigen können und eine demokratische, soziale Gesellschaftsordnung erhalten wird. Die reglementierten Räume können nur dann tatsächlich öffentlich bleiben, wenn nicht nur Interessen an Konsum, Kunst, Events und Ungestörtheit eingefordert wird, sondern wenn die Bürgerschaft selbst sich auch mit den schwächsten Bewohnern auseinandersetzen muss. 51 Literaturangaben Arendt: Arendt, Hannah: Vita activa oder vom täglichen Leben, Piper Verlag, München 2009 Baecker Baecker, Dirk: Form und Formen der Kommunikation, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005 Belina 2000: Belina, Bernd: Kriminelle Räume – Funktion und ideologische Legitimierung von Betretungsverboten, Kassler Schriften zur Geographie und Planung, GhK Eigenverlag, Kassel 2000 Belina 2006: Belina, Bernd: Raum, Überwachung, Kontrolle; Vom staatlichen Zugriff auf städtische Bevölkerung, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006 Beste: Beste, Hubert: Morphologie der Macht; Urbane Sicherheit und die Profitorientierung sozialer Kontrolle, Leske + Budrich, Opladen 2000 Bourdieu: Bourdieu, Pierre: Das Elend der Welt – Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, UVK Verlagsgesellschaft, 1997 Bourdieu 1992: Bourdieu, Pierre: Die verborgenen Mechanismen der Macht, in: Steinrücke, Margarete: Schriften zu Politik und Kultur, Bd.1, VSA Verlag, Hamburg 1992 Böhme: Böhme, Gernot: Atmosphäre – Essays zur neuen Ästhetik, Suhrkamp Verlag, Berlin 1995 52 Böhnisch: Böhnisch, Lothar: Politische Soziologie – Eine Problemorientierte Einführung, Verlag Barbara Budrich, Opladen 2006 Castells, in Noller: Castells, Manuel: Space of Flows – Raum der Ströme. 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