Zusammenfassung Makro-Vorlesung 23.6.11

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Grundzüge der Vorlesung „Makrosoziologie“
– Inklusion und Exklusion (23.6.2011) –
Rahmung:
Der Staat (in seiner modernen Gestalt als interventionistischer Wohlfahrtsstaat) als Produzent
strukturierter sozialer Ungleichheit
Claus Offes Theorie der „Strukturprobleme“ des demokratisch-kapitalistischen Staates und
ihre Implikationen für die soziologische Ungleichheitsanalyse:
 Ausgangspunkt sind die Interessen, Bedarfe und Funktionsprobleme des (demokratischkapitalistischen) Staates: seine Doppelaufgabe der Sicherung der ökonomischen und
politischen Stabilität seiner Herrschaftsordnung (= Sicherung von Akkumulation und
Legitimation – als notwendige Grundlagen seiner fortgesetzten Staatstätigkeit)
 Im (so definierten) Staatshandeln wird denjenigen gesellschaftlichen Gruppen (und ihren
Belangen) die größte Aufmerksamkeit zuteil, die für die Bearbeitung dieser beiden
Aufgaben („Strukturprobleme“) funktional relevant sind: strukturelle Privilegierung der
akkumulations- und legitimationsrelevanten sozialen Akteursgruppen  „konzentrisches
Prioritätenschema“ des Staates
 Aus Sicht der sozialen Akteure kommt es zu einer Struktur der „horizontalen Disparität“:
des ungleichen Machtgewichts einzelner sozialer Gruppen und Kategorien in
Abhängigkeit von ihrer funktionalen Bedeutung für den Staat – eine Machtstruktur, die
quer liegt zum „alten“ Ungleichheitsschema „Kapital versus Arbeit“ (und auf beiden
Seiten interne, „sekundäre“ Machtungleichgewichte beinhaltet)
  je funktionsnotwendiger, desto mächtiger und konfliktfähiger als organisierter
kollektiver Akteur ist die betreffende soziale Gruppe bzw. Kategorie gegenüber dem Staat
Zwischenfazit – Drei Theoreme komplexer sozialer Ungleichheit im Wohlfahrtsstaat (die alle
über Vorstellungen rein vertikaler Schichtung hinausgehen):
 Theorem der „Individualisierung“ nach Beck: Wohlfahrtsstaat schafft neue Freiheiten,
aber auch neue Abhängigkeiten, denen sich alle Bürger und Bürgerinnen gegenübersehen
– ohne dass daraus eine neue Form der Klassenbildung oder des Kollektivbewusstseins
erwachsen würde
 Theorem der „horizontalen Disparitäten“ nach Offe: Der alte Klassengegensatz wird
überlagert durch Machtungleichgewichte jenseits des Konflikts von Besitzenden und
Nicht-Besitzenden – Ungleichheiten, die zu neuen Klassenbildungen der organisationsund konfliktfähigen Gruppen (gegenüber den machtlosen Gruppen wie auch gegenüber
dem Staat) führen
 Theorem der „Distinktionskämpfe“ nach Bourdieu: Klassenunterschiede werden
symbolisch ausgetragen – als Kämpfe um die gesellschaftliche (und staatliche) Durchsetzung der Wertigkeit der eigenen Kapitalausstattung, die aber im Alltag nicht ohne
Weiteres als „Klassenkämpfe“ zu erkennen sind
Im Anschluss an diese drei Ungleichheitstheoreme lassen sich drei Varianten sozialer
„Exklusion“ unterscheiden – T. H. Marshalls Vorstellung von der modernen (wohlfahrtsstaatlich verfassten) Gesellschaft als beständige Inklusionsbewegung tendenziell der gesamten
Bevölkerung in die Rechte (und Pflichten) des Staatsbürgerstatus zum Trotz:
 Vorgelagert ist diesen drei Varianten die Exklusivität des modernen Staatsgebildes „nach
außen“: Die Inklusionsleistungen des modernen Wohlfahrtsstaates sind Mitgliedschaftsrechte, die nur den Mitgliedern der nationalen Staatsbürgergemeinschaft zukommen
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Aber auch innerhalb derselben gibt es Phänomene der Exklusion – von „abweichenden“,
„überflüssigen“ und „unsichtbaren“ sozialen Akteuren und Akteursgruppen
„Abweichend(e)“ sind all jene, die (i.S. Becks) die Normalitätsannahmen und Standardsetzungen der wohlfahrtsstaatlichen Funktionsbereiche (Arbeitsmarkt, Bildungswesen,
soziale Sicherungssysteme) nicht erfüllen
„Überflüssig(e)“ sind all jene, die (i.S. Offes) in Bezug auf die Akkumulations- und
Legitimationsbedarfe des Staates bzw. staatlicher Institutionen funktional nicht relevant
sind (und also nicht gebraucht werden)
„Unsichtbar(e)“ sind all jene, die (i.S. Bourdieus) ihrer spezifischen Kapitalausstattung im
staatlich vermittelten gesellschaftlichen Anerkennungskampf keine symbolische Geltung
verschaffen können (und also keine Repräsentationsmacht haben)
Verknüpfung dieser Überlegungen mit Webers Konzept der „Schließung“ als Modus sozialen
Handelns:
 Versuch der Monopolisierung ökonomischer und sozialer Chancen auf dem Wege des
Ausschlusses Dritter vom Genuss derselben
 Gesellschaftliche Machtkämpfe erscheinen dann als Kämpfe um sozialen Ein- und
Ausschluss
 Schließung als Prozess, der sich auf jeder Ebene des sozialen Schichtungssystems – und
also „quer“ zur vertikalen Ungleichheitsstruktur – vollziehen kann
 Komplexität, Ambivalenz und Dynamik der modernen Struktur sozialer Ungleichheit
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