Dr. Karl KRAINER Innsbruck; am 24.6.2006 Hans-Untermüllerstraße 5/15 6020 Innsbruck Ao. Univ.-Prof. am Institut für Geologie und Paläontologie Der Universität Innsbruck Innrain 52 6020 Innsbruck Email: [email protected] An den Oesterreichischen Alpenverein Wilhelm-Greil-Straße 15 6020 Innsbruck Verbindung der Schigebiete Mellau – Damüls: Beurteilung der geologischen Verhältnisse im unteren Bereich der geplanten Gipfelbahn Folgende geologische Beurteilung wurde im Auftrag des Oesterreichischen Alpenvereins durchgeführt und basiert auf Geländebegehungen am 19.6.2006. Der untersuchte Bereich umfasst die bestehende Schipiste neben dem Schlepplift Roßstelle und vor allem dessen Umrahmung bis zum Kamm hinauf sowie den Rücken westlich der Schipiste entlang der geplanten Schiabfahrt (siehe Übersichtskarte Abb. 2). 1 Abb. 1: Verlauf der geplanten Schipiste unterhalb der Einsattelung (gelb) und Massenbewegungen im Bereich der Trasse (rot). Im Vordergrund bestehende Schipiste mit deutlich kupiertem Gelände (Rutschmasse) Festgesteinsuntergrund Der Festgesteinsuntergrund südlich von Mellau besteht aus Sedimentgesteinen der Helvetischen Zone (Südhelvetikum) der Säntis Decke. Die Sedimentabfolge und Tektonik wurden detailliert von Felber & Wyssling (1979) dargestellt. Der Festgesteinsuntergrund im unteren Abschnitt der geplanten Gipfelbahn besteht aus Palfris Schiefer und Diphyoides-Kalk aus der unteren Kreide (Berriasien – Hauterivien). Diese Gesteine werden schließlich von der Kieselkalk Formation, Mittagspitz Formation und Drusberg Formation überlagert (sind im Kammbereich Wannetkopf – Mittagspitz aufgeschlossen). Die Talstation der geplanten Gipfelbahn liegt im Grenzbereich zu den unterlagernden Zementsteinschichten. Die Palfris Schiefer erreichen eine Mächtigkeit von ca. 300 m und setzen sich aus graubraunen, tonig-sandigen Schiefermergeln, in die vereinzelt feinkörnige Mergelkalkbänke eingeschaltet sind. 2 Abb. 2: Schematische Übersichtskarte des unteren Abschnittes der geplanten Gipfelbahn und Schipiste im Bereich Roßstelle. 3 Der darüber folgende Diphyoides-Kalk ist 65 – 80 m mächtig und besteht aus einer regelmäßigen Wechsellagerung von mergeligen Kalkbänken (meist 10 – 20 cm dick) und dazwischen liegenden Schieferlagen. Die Festgesteine sind allerdings im unteren Abschnitt der geplanten Gipfelbahn (im Bereich des bestehenden Schleppliftes Roßstelle) kaum aufgeschlossen. Soweit erkennbar, lagern die Gesteine fast horizontal, fallen leicht nach Süden ein. Weiter im Süden, etwa ab dem Bereich Bettlerkopf, vor allem im Bereich des Kammes Wannetkopf – Mittagsspitz, sind die Gesteine intensiv verfaltet. Lockersedimente Die Festgesteine sind meist von bis zu mehrere m mächtigen Lockersedimenten überlagert. Festgesteine sind nur an wenigen Stellen aufgeschlossen wie z.B. im Kammbereich südlich der Bergstation des Schleppliftes und westlich der Schipiste. Die Lockersedimente bestehen vor allem aus dem Verwitterungsschutt der darunter liegenden Palfris Schiefer und des Diphyoides-Kalkes und bestehen daher überwiegend aus feinkörnigem, tonig-mergeligem Material mit einzelnen, bis zu mehrere dm großen mergeligen Kalkblöcken. Festgesteine und auflagernde Lockersedimente sind wasserundurchlässig. Die Lockersedimente sind häufig wassergesättigt was durch zahlreiche Vernässungszonen dokumentiert ist. Diese feinkörnigen, häufig wassergesättigten Lockersedimente sind entsprechend anfällig für Massenbewegungen. Die geologischen Verhältnisse im unteren Abschnitt der geplanten Gipfelbahn und Schipiste. Die bestehende Schipiste neben (westlich) dem Schlepplift Roßstelle befindet sich auf einer alten Rutschmasse. Der Kamm, der die Rutschmasse östlich, südlich und westlich der Bergstation des Schleppliftes begrenzt. Stellt die ehemalige Abrisskante dieser Rutschmasse dar. Die Bergstation des Schleppliftes liegt am verflachten oberen Ende der Rutschmasse (siehe Karte Abb. 2). Die Rutschmasse zeigt eine deutlich kupierte Morphologie und weist vor allem im unteren Abschnitt Vernässungszonen auf. Im oberen Bereich werden die Hängwässer über Entwässerungskanäle seitlich abgeleitet. Rezente Bewegungen sind im Bereich dieser Rutschmasse nicht erkennbar. Die Oberflächenwässer fließen über kleine Gerinne am Ostund Westrand der Rutschmasse Schipiste) ab. 4 Östlich bis südöstlich der Bergstation des Schleppliftes befinden sich zwei aktive Rutschmassen in Lockersedimenten, die sich vom Fuß des Bergkammes in nordwestlicher Richtung zur Schipiste hin bewegen und deutliche Anzeichen aktiver Bewegungen zeigen: zahlreiche frische Anrisse, teilweise mit gespannten Wurzeln, auf der deutlich kupierten, stark vernässten Oberfläche, kleine flache vermoorte Bereiche (Nackenseen) im oberen Abschnitt, diffuse Quellaustritte sowie gekrümmte und schief stehende Bäume (Karte Abb. 2; Abb. 3-6). Im oberen Abschnitt dieser Rutschmassen handelt es sich teilweise um Rotationsgleitungen, die nach unten in kriechende und teilweise fließende Bewegungen übergehen. Abb. 3: Aktive Rutschmasse südöstlich der Bergstation des Schleppliftes Roßstelle 5 Abb. 4: Aktive Rutschmasse südöstlich der Bergstation des Schleppliftes Roßstelle Abb. 5: Frischer Anriss innerhalb der Rutschmasse südöstlich der Bergstation des Schleppliftes Roßstelle. 6 Abb. 6: Einer der zahlreichen frischen Anrisse im Bereich der aktiven Massenbewegungen südöstlich der Bergstation des Schleppliftes Der steile Hang unmittelbar südlich der Bergstation des Schleppliftes ist bis zum Kamm hinauf von meist geringmächtigen Lockersedimenten überlagert. Dieser Hang zeigt über seine gesamte Fläche zahlreiche ältere (derzeit inaktive) Sackungen sowie frische Anbrüche und Vernässungszonen bis zum Kamm hinauf. Auch auf der Südseite des Kammes liegen Rutschmassen (siehe Karte Abb. 2). 7 Die geplante Schipiste verläuft unmittelbar nördlich der Einsattelung ein kurzes Stück entlang des Steiges in nordwestlicher Richtung durch den oberen Teil einer Rutschmasse. Frische Anbrüche unmittelbar unterhalb des Steiges zeigen, dass sich dieser Hang in Bewegung befindet (Karte Abb. 2, Abb. 1, 7). Abb. 7: Frische Anrisse im Bereich der geplanten Schipiste nördlich der Einsattelung unterhalb des Steiges Anschließend verläuft die geplante Schipiste durch ein mehr oder weniger stabiles Waldstück, das westlich und nordwestlich ebenfalls von Rutschmassen mit älteren und jungen Anrissen begrenzt wird (Abb. 8). Anschließend verläuft die Trasse durch eine stark vernässte, geneigte Wiese (Hangmoor) mit deutlichen Anzeichen einer alten Sackung im unteren Teil. 8 Abb. 8: Rezente Hangrutschung unmittelbar westlich der geplanten Schipiste (westlich der Einsattelung) Vor der Einmündung in die bestehende Piste verläuft die geplante Trasse durch den Anriss einer aktiven Rutschung und quert in der Folge diese Rutschmasse, die sich am Westrand der bestehenden Schipiste hinunter bis in den flachen Talboden verfolgen lässt (Karte Abb. 2). Diese Rutschmasse geht nach unten in einen Erdstrom über, der eine charakteristische Oberflächenmorphologie und im Stirnbereich einen markanten, bis zu ungefähr 1 m hohen Fließwulst aufweist (Abb. 9). 9 Abb. 9: Erdstrom westlich der bestehenden Schipiste mit charakteristischer Oberflächenmorphologie und deutlich erkennbarem Fließwulst an der Stirn Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Festgesteinsuntergrund aus stark tonigen, wasserundurchlässigen Gesteinen besteht. Auch die darüber liegenden Lockersedimente sind stark tonig ausgebildet und daher sehr anfällig für Massenbewegungen. Die bestehende Schipiste neben dem Schlepplift Rosstelle liegt auf einer alten Rutschmasse. Diese große Rutschmasse wird von zahlreichen kleineren, vielfach aktiven Rutschmassen umrahmt. Zahlreiche frische Anrisse zeigen, dass es sich überwiegend um aktive Hangbewegungen handelt. Die Hangbewegungen erfolgen langsam, im oberen Abschnitt sind es meist gleitende Bewegungen (z.T. Rotationsgleitungen), die nach unten in kriechende und teilweise fließende Bewegungen (Erdstrom) übergehen (Karte Abb. 2). Die Rutschmassen umfassen, soweit erkennbar, im Wesentlichen die auflagernden, stark tonigen, häufig wassergesättigten Lockersedimente. Entsprechend hoch ist die Gefahr der Entstehung von Muren aus diesen Rutschmassen. Die eigenen Beobachtungen bestätigen die Ergebnisse der detaillierten geomorphologischen Kartierung von Busnach (2002) im Rahmen der geomorphologischen Studie Hinterer Bregenzer Wald (Arbeitsgruppe De Graaf; Abb. 10). 10 Abb. 10: Ausschnitt aus der Geomorphologischen Karte Mellau – Damüls von Busnach (2002). Der untersuchte Bereich ist rot umrandet. 11 Aufgrund der geologischen und geomorphologischen Situation ist praktisch der gesamte Hang im Bereich des Schleppliftes Roßstelle bis zum Kammbereich hinauf, einschließlich der geplanten Schipiste (Bereich von der Einsattelung bis zur Einmündung in die bestehende Schipiste) eindeutig als labil einzustufen. Es handelt sich um langsame, im oberen Bereich der Rutschmassen überwiegend gleitende Bewegungen, die nach unten in kriechende und teilweise fließende Bewegungen übergehen. Literatur FELBER, P. & WYSSLING, G. (1979): Zur Stratigraphie und Tektonik des Südhelvetikums im Bregenzer Wald. – Eclogae geol. Helv. 72(3): 673-714. BUSNACH, T. (2002): Geomorphologische Karte Mellau – Damüls 1:10.000. – Geomorphologische Studie Hinterer Bregenzer Wald (Land Vorarlberg), Anlage C. Innsbruck, am 24. Juni 2006 (Karl Krainer) 12