Hochschulbildung und soziale Herkunft: Leistung

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Hochschulbildung und soziale Herkunft: Leistung und Habitus
von Studierenden und Promovierenden im deutschen
Bildungswesen
Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit
Magisterarbeit zur Erlangung des
Magister Artium
vorgelegt von
Alexander Lenger
aus Lemgo
SS 2006
Soziologie
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... 4
Tabellenverzeichnis.................................................................................................................... 5
1. Ausgangspunkt und Ziele .................................................................................................... 9
2. Konzeption der Studie ....................................................................................................... 15
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen.......................................................................... 23
3.0 Argumentationsskizze .................................................................................................... 23
3.1 Bildungsexpansion und Chancengleichheit ................................................................... 24
3.2 Soziologische Kategorien und Begriffssysteme von Bildung........................................ 29
3.3 Der methodische Ansatz von Pierre Bourdieu und seine Bezugspunkte zur Bildung... 35
3.4 Die Promotion in der Konzeption von Pierre Bourdieu ................................................ 41
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland ............................................... 47
4.0 Argumentationsskizze .................................................................................................... 47
4.1 Strukturelle Entwicklung der Promotion nach 1945 ...................................................... 48
4.2 Quantitative Entwicklung des Doktortitels .................................................................... 54
4.3 Die Promotion im Wandel.............................................................................................. 57
Exkurs 1: Das wissenschaftliche Feld............................................................................. 61
4.4 Promovierende im wissenschaftlichen Feld................................................................... 63
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit................................................. 69
5.0 Argumentationsskizze .................................................................................................... 69
5.1 Die Illusion des Leistungsparadigmas............................................................................ 70
5.2 Soziale Zusammensetzung der Promovierenden............................................................ 74
5.3 Entschluss zur Promotion und Promotionsmotive ........................................................ 79
Exkurs 2: Der Streit der Fakultäten................................................................................. 84
5.4 Positionen im sozialen Raum ......................................................................................... 88
5.4.1 Ökonomisches Kapital............................................................................................. 89
5.4.2 Kulturelles Kapital .................................................................................................. 94
5.4.3 Soziales Kapital....................................................................................................... 97
5.5 Die Position der Fachbereiche im sozialen Raum........................................................ 104
6. Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit ............. 109
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 115
Anhang ................................................................................................................................... 127
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schülerinnen und Schüler im 8. Schuljahr nach Schulart in Deutschland ......... 25
Abbildung 2: Schüler- und Studentenzahlen 1950 bis 2000 .................................................... 26
Abbildung 3: Der Bildungstrichter: Eine schematische Darstellung sozialer Selektion .......... 29
Abbildung 4: Entwicklung der Promotionsprüfungen von 1953 bis 2004............................... 55
Abbildung 5: Promotionen in Relation zu allen Hochschulprüfungen (ohne Lehramt) fünf
Jahre zuvor .......................................................................................................... 56
Abbildung 6: Publikationstätigkeit nach Fachbereichen .......................................................... 65
Abbildung 7: Publikationstätigkeit nach Geschlecht................................................................ 67
Abbildung 8: Bildungsherkunft der Eltern ............................................................................... 76
Abbildung 9: Promotionsmotive nach Promotionsfachbereichen ............................................ 81
Abbildung 10: Zusammenhang zwischen promovierten und nicht-promovierten Verwandten
und dem ökonomischen Kapital....................................................................... 96
Abbildung 11: Promotion an der „Heimatuniversität“ ........................................................... 100
Abbildung 12: Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft während des Studiums ................. 102
Abbildung 13: Raum der sozialen Positionen ........................................................................ 105
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Alter der befragten Doktorandinnen und Doktoranden .......................................... 19
Tabelle 2: Erfolgreich abgelegte Promotionen und Teilnehmer der Befragung nach
Fächergruppen (ohne Medizin) .............................................................................. 19
Tabelle 3: Publikationstätigkeit von Promovierenden ............................................................. 64
Tabelle 4: Zusammenhangsmaße für die Variable „Wissenschaftliche Karriere“................... 66
Tabelle 5: Studiendauer nach Fach- und Hochschulsemestern sowie Note bei Erwerb der
Hochschulzugangsberechtigung, die Note der Magister- bzw. Diplomarbeit und
die Note bei Studienabschluss nach Promotionsbereichen .................................... 72
Tabelle 6: Relativer Besuch eines Gymnasiums nach Bildungsherkunft der Eltern ............... 75
Tabelle 7: Durchschnittliches Nettoeinkommen der Eltern ..................................................... 77
Tabelle 8: Neigungen zu einer wissenschaftlichen Karriere nach Fachbereichen ................... 84
Tabelle 9: Hierarchie der Fächer nach Bourdieu ..................................................................... 86
Tabelle 10: Zusammenhangsmaße zwischen Höhe des ökonomischen Kapital und
Fachbereich ............................................................................................................ 90
Tabelle 11: Nettoeinkommen der Eltern im Fächervergleich .................................................. 90
Tabelle 12: Monatlich zur Verfügung stehendes Geld während des Studiums ....................... 91
Tabelle 13: Finanzierung des Lebensunterhaltes während der Promotion .............................. 92
Tabelle 14: Durchschnittliches monatliches Netto-Einkommen.............................................. 94
Tabelle 15: Bildungsherkunft der Promovierenden nach Promotionsbereichen...................... 95
Tabelle 16: Arten der Betreuersuche........................................................................................ 99
Tabelle 17: Entstehung des Kontaktes zum Promotionsbetreuer........................................... 100
Kapitel 1
Ausgangspunkt und Ziele
„Es gilt, die Ungleichheitsdiskussion wieder aufzunehmen, die für die
moderne
arbeits-
und
beschäftigungsbezogene
Bildungsforschung
konstitutiv war – Ungleichheit verstanden als die ungleiche Verteilung
von Lebenschancen und –risiken im Bereich von Bildung und Arbeit.
Denn Ungleichheit im Zugang zu ökonomischen, sozialen und kulturellen
Ressourcen
ist
weiterhin
konstitutiv
für
die
gesellschaftliche
Strukturierung“ (Bolder, Heinz & Rodax 1996).
Gegenstand dieser Abhandlung ist die soziale Herkunft von Doktorandinnen und
Doktoranden an deutschen Universitäten. Allerdings kann eine solche soziologische Arbeit
über Promovierende nicht für sich beanspruchen eine gänzlich neue Thematik zu behandeln.
Denn die vielfältigen Vorteile von Bildung haben die Frage, wie dieses knappe Gut auf die
Bevölkerung aufgeteilt wird und welche Ungleichheiten daraus resultierten, ins Zentrum
soziologischer Bildungsforschung gerückt. Theoretisch werden die Mechanismen, die für die
ungleiche Verteilung von Bildung verantwortlich sind, kontrovers diskutiert. Gegen die
angeführte Position, dass ungleiche Bildungserfolge aus der unterschiedlichen genetischen
Ausstattung mit Intelligenz resultieren (vgl. Young 1963, Herrnstein 1974) hat der Soziologe
Pierre Bourdieu die strukturierende Bedeutung sozialer, kultureller und ökonomischer
Faktoren aufgezeigt (vgl. Bourdieu 1982). Darüber hinaus ist seit Beginn der neunziger Jahre
ein zunehmendes Interesse an sozialwissenschaftlichen Untersuchungen über die langfristigen
Folgen der Bildungsexpansion für die Reproduktion der Sozialstruktur und den Abbau
sozialer Ungleichheiten zu beobachten (vgl. Krais 1996). Die empirischen Ergebnisse zeigen,
dass von der Auflösung der Klassengesellschaft und vom Verschwinden strukturierter sozialer
Ungleichheiten keine Rede sein kann (vgl. exemplarisch Berger & Kahlert 2005). Die Frage
nach der sozialen Herkunft von Akademikern ist mittlerweile praktisch zu einem
unverzichtbaren Bestandteil der Sozial- und Bildungsforschung geworden.1
1
Bildungsforschung bezeichnet eine multidisziplinäre Fachrichtung, welche parallel von Pädagogen,
Psychologen, Soziologen, Politik- und Rechtswissenschaftlern, Ökonomen, Philosophen und Historikern
10
1. Ausgangspunkt und Ziele
„Allerdings hat sich die Frage nach der sozialen Herkunft kaum auf jene Gruppe der
Hochschulabsolventen gerichtet, die nach dem Studium die akademischen Weihen einer
Promotion erreicht, mit der innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft möglicherweise eine
besondere Privilegierung in den Berufschancen verbunden ist“ (Enders & Bornmann 2001:
40). Dies überrascht nicht, würden doch die Produzenten von Wissenschaft selbst ins
Blickfeld der Untersuchung rücken und zum „Erkenntnissubjekt“ werden. Ein solches
Unterfangen der Selbstanalyse ist stets heikel. „Denn sich als Zauberlehrling ‚für die Zauberei
des eigenen Stammes und dessen Fetische’ zu interessieren, anstatt ‚in fernen Tropen den
beruhigenden Reizen einer exotischen Magie nachzugehen’ ist mit dem Risiko verbunden,
Reize zu entfesseln, die sich gegen den Zauberlehrling selbst kehren“ (Bourdieu 1988: 36;
zitiert nach Engler 2001: 16). Die kritische Reflexion ist jedoch gerade in den
Sozialwissenschaften unabdingbar, bildet doch die Beschaffung und Analyse von
aussagekräftigen Daten zur Ungleichheit der Bildungs- und Lebenschancen eine vorrangige
Aufgabe der (Bildungs-)Soziologie. Für unsere Fragestellung genügt es an dieser Stelle darauf
hinzuweisen, dass für den Zusammenhang von sozialer Herkunft und akademischer
Profession ein allgemeines (sozial-) wissenschaftliches Thematisierungstabu gilt (vgl. Burkart
2003). Generell stellt der Glaube an leistungsbezogene Kriterien und meritokratische
Prinzipien gerade im wissenschaftlichen Betrieb ein elementares Selbstverständnis dar
(Engler 2001: 453). Die Vorstellung, der Berufsverlauf könnte durch die soziale Herkunft
determiniert sein, missfällt vielen Wissenschaftlern (Burkart 2003: 12). Daher ist es kaum
verwunderlich, dass sich bisher eher wenige Sozialforscher intensiv mit den Lebensläufen und
der sozialen Herkunft des wissenschaftlichen Nachwuchses beschäftigt haben.
So konzentrieren sich die meisten bisherigen Arbeiten im Themenfeld Promovierende
entweder auf die wissenschaftliche Mitarbeiter und ihre weitere akademische Laufbahn
innerhalb des Hochschulsystems oder untersuchen die außeruniversitäre Bedeutung der
Promotion
für
einzelne
Fächer
bzw.
Berufsgruppen.2
Eine
systematische,
fachbereichsübergreifende Abhandlung zur sozialen Herkunft von Doktorandinnen und
Doktoranden wurde bislang nicht vorgelegt.
Überhaupt waren methodische Beiträge über den wissenschaftlichen Nachwuchs bis Mitte der
achtziger Jahre äußerst selten. Erst verschiedene Studien, vor allem zu Fragen der Chancen
betrieben wird. Einen Überblick über die möglichen Facetten einer interdisziplinären Bildungsforschung bietet
der von Rudolf Tippelt herausgegebene Sammelband (Tippelt 2002).
2
Zum gegenwärtigen Stand der Forschung über die Doktorandenausbildung und die beruflichen Werdegänge
von Promovierten vgl. Enders (2005: 36-40).
11
1. Ausgangspunkt und Ziele
und Probleme der Nachwuchsförderung (Czock & Wildt 1985; Holtkamp, Fischer-Bluhm &
Huber 1986), dem beruflichen Verbleib des akademischen Mittelbaus (Bochow & Joas 1987),
der Überalterung der Nachwuchswissenschaftler (Wissenschaftsrat 1988) und seiner
Beschäftigungssituation (Kaddatz 1987; Enders 1990), legten umfangreiches und empirisch
fundiertes Material vor. Erstmals wurde auch kritisch formuliert, dass die prekäre soziale und
finanzielle Lage, sowie die unsicheren Zukunftschancen der Nachwuchswissenschaftler zu
einem Exodus qualifizierter Kandidaten aus den Hochschulen führen (vgl. Wissenschaftsrat
1982; Karpen 1986; Kossbiel, Helfen & Flöck 1987). Knapp zehn Jahre später erschienen
dann einige neuere Publikationen zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses. Im
Mittelpunkt standen dabei die Personalstruktur und Qualifizierung des wissenschaftlichen
Nachwuchses
(Wissenschaftsrat
2001a),
sowie
die
Chancen
und
Probleme
der
Promotionsphase (Berning & Falk 2005). Erst kürzlich wurden die Ergebnisse einer
bundesweiten Doktorandenbefragung präsentiert (Gerhard, Briede & Mues 2005).
Vor dem Hintergrund der hier genannten Untersuchungen wurden zunehmend die
Funktionsleistungen der Hochschulen auch im Hinblick auf die Doktorandenausbildung
kontrovers diskutiert. Insbesondere die quantitative Zunahme der Promotionen seit Anfang
der achtziger Jahre, die innerhalb eines Jahrzehnts nahezu zu einer Verdopplung der
Promotionsprüfungen geführt hat, schärften offenbar den kritischen Blick auf die Chancen
und Probleme der Promotionsphase. Gleichzeitig wurden deutliche Veränderungen in den
beruflichen Einsatzorten, außerhalb der traditionellen Arbeitsmärkte für promovierte
Akademiker in Hochschule, Forschung und öffentlichen Dienst, registriert. Trotzdem lagen
bis
vor
kurzem
kaum
Untersuchungen
über
promovierte
Wissenschaftler
in
außeruniversitären Beschäftigungsverhältnissen vor – exemplarisch sei auf die Abhandlungen
zur Karriere promovierter Wirtschaftswissenschaftler (Brüggestrat 1988) und zu den
Arbeitsmarktproblemen promovierter Geisteswissenschaftler (Schlegelmilch 1987) verwiesen
– welche allerdings keine fächervergleichende Perspektive ermöglichte. Erst Jürgen Enders
und Lutz Bornmann führten Ende der neunziger Jahre am Wissenschaftlichen Zentrum für
Berufs- und Hochschulforschung (Universität Kassel) eine fächerübergreifende Untersuchung
zur Ausbildung, Berufsverlauf und Berufserfolg von Promovierten durch (Enders &
Bornmann 2001). Fast zeitgleich legte der Darmstädter Elitenforscher Michael Hartmann eine
erste umfassende Studie vor, welche die positionale und wirtschaftliche Verwertbarkeit des
Doktortitels thematisierte und klassische Themen des relativen Stellenwerts von sozialer
Herkunft und Bildungsleistung in den Vordergrund rückte (Hartmann 2002).
12
1. Ausgangspunkt und Ziele
Beide letztgenannten Studien behandeln den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und
Promotion. Waren die bisherigen empirischen und theoretischen Arbeiten wenig geeignet, um
umfangreiche Aussagen über die Selektions- und Reproduktionsmechanismen einer
Promotion treffen zu können, lagen nun konkrete Untersuchungen zu dieser Fragestellung
vor. Beide Untersuchungen zeigen zunächst erwartungsgemäß, dass Promovierte im
Vergleich zu nicht promovierten Hochschulabsolventen eine der sozialen Herkunft nach
privilegierte Gruppe bilden. Jedoch stehen die Analysen in einem überaus ambivalenten
Verhältnis zueinander und kommen zu teilweise gegenläufigen Ergebnissen. Während Enders
und Bornmann der Promotionsphase eine vergleichsweise hohe soziale Offenheit zuschreiben,
kommt Hartmann zu dem Schluss, dass „sich die Promotion selbst bereits als sozial sehr
selektiv erweist“ (Hartmann 2002: 366f.). Und während Enders und Bornmann zu dem
Ergebnis kommen: „Der lange Arm der sozialen Herkunft erreicht den Berufserfolg nach der
Promotion nicht“ (Enders & Bornmann 2001: 197), resümiert Hartmann: „Trotz der scharfen
sozialen Auslese durch das Bildungssystem erfolgt bei der Besetzung von Führungspositionen
in der Wirtschaft eine zweite vom Bildungstitel [Promotion, Anm. d. Verf.] vollkommen
unabhängige soziale Selektion“ (Hartmann 2002: 367). Diese Differenz gilt es aufzulösen.
Allerdings sind die bisherigen Forschungsergebnisse aufgrund fehlender Daten und der
schematischen Konzentration auf einzelne Promotionsfächer wenig geeignet, um adäquate
Aussagen über die soziale Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden zu treffen. Eine
systematische Arbeit über die soziale Herkunft von Promovierenden über alle Fachbereiche
hinweg steht noch aus. Um diese Lücke zu schließen, habe ich im April 2006 eine empirische
Befragung von Promovierenden durchgeführt. Im Zentrum der Untersuchung stand dabei die
Frage nach der sozialen Herkunft von Doktoranden. Ziel der hier vorliegenden Abhandlung
ist es, die Wechselwirkungen zwischen der Kapitalausstattung und der Sozialstruktur von
Doktorandinnen und Doktoranden zu analysieren. Dabei wird sich zeigen, dass der
analytische Blick mit Rückgriff auf Bourdieus Theorie der sozialen Welt entscheidend
erweitert und geschärft wird. Die zugrunde liegende Fragestellung könnte man auch
folgendermaßen formulieren: Beeinflusst die soziale Herkunft die Möglichkeit zur Promotion
und - falls dem so sein sollte - welche Mechanismen liegen diesem Prozess zugrunde?
Die Argumentation werde ich in fünf Kapiteln entwickeln:
Im zweiten Kapitel stelle ich zunächst die Konzeption der empirischen Studie vor. Es ist auf
den „vorgreifenden“ Charakter dieses Kapitels hinzuweisen, da erste Befunde meiner
empirischen Untersuchung erst in Kapitel 4.3 herangezogen werden. Trotzdem erschien mir
1. Ausgangspunkt und Ziele
13
die Platzierung an dieser Stelle sinnvoll, um Brüche im weiteren Verlauf der Argumentation
zu vermeiden.
Im dritten Kapitel verfolge ich einige Bildungssoziologische Vorüberlegungen zur
Vergewisserung der in der vorliegenden Untersuchung angewendeten Methode. Zunächst
werde ich kurz Theorien und Denkansätze über den Stellenwert, die Funktion und die
Bedeutung von Bildung für die Gesellschaft skizzieren, die mir später als Bezugspunkt
meiner Analyse dienen werden. Anhand der Entwicklungen im Bildungswesen werde ich
aufzeigen, dass eine Untersuchung über Promovierende sinnvoller Weise anhand Bourdieus
Gesellschaftstheorie zu führen ist.
Im vierten Kapitel werde ich die Situation von Promovierenden in Deutschland darstellten,
um Aussagen über die soziale Stellung von Doktorandinnen und Doktoranden treffen zu
können. Dazu werden die strukturellen Rahmenbedingungen und die Entwicklung der
Promotionsabschlüsse von Promovierenden in Deutschland erläutert. Dabei werde ich zeigen,
dass eine Analyse der Situation von Doktorandinnen und Doktoranden nur Sinn machen kann,
wenn man sich der Autonomie des wissenschaftlichen Feldes bewusst wird.
Das fünfte Kapitel, welches den Kern dieser Abhandlung darstellt, spannt den Bogen zurück
zu dem Erkenntnisgegenstand Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit.
Zunächst werde ich die Illusion des Leistungsparadigmas als Mythos entlarven. Daran
anknüpfend wird die soziale Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden dargelegt. Da
sich in den Promotionsmotiven, soviel sei hier vorweggenommen, die Hierarchie der Fächer
manifestiert, wird ein kurzer Exkurs zu Bourdieus „Streit der Fakultäten“ den theoretischen
Rahmen erweitern. Abschließend werden ausführlich die Positionen von Promovierenden im
sozialen Raum dargestellt.
Das sechste Kapitel Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit
fasst die Ergebnisse zusammen.
Kapitel 2
Konzeption der Studie
Die Soziologie ist eine multi-methodologische Wissenschaft. Die Auseinandersetzung über
die Vorzüge und Nachteile qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden soll an dieser
Stelle allerdings nicht weiter thematisiert werden.3 Aufgrund der Tatsache, dass über den
Forschungsgegenstand - die soziale Herkunft von Promovierenden – bisher sehr wenige
Erkenntnisse vorliegen, erschien es nahe liegend und folgerichtig, sich zunächst auf eine
explorative Datenanalyse zu konzentrieren. Um eine gewisse Vergleichbarkeit und eine
sinnvolle Bewertung der Ergebnisse zu gewährleisten, orientiert sich die hier vorgelegte
Doktorandenbefragung an den wenigen bestehenden Studien und wurde nach Bedarf um
einige qualitative Elemente erweitert. Ein genereller Kommentar sei allerdings vorweg
erlaubt: Diese Arbeit soll nicht als eine originär empirische Forschungsarbeit gesehen werden,
sondern empirische Daten sind als wichtiges Hilfsmittel zu verstehen, um die soziale
Wirklichkeit in einer praktikablen Form abzubilden.
Die untersuchte Personengruppe kann nicht als repräsentativ für die Gesamtheit der
Promovierenden in Deutschland angesehen werden.4 Aufgrund der vorgelegten Daten ist es
jedoch möglich, einen detaillierten Überblick über die soziale Herkunft von Doktorandinnen
und Doktoranden zu erhalten.
Voraussetzung für Repräsentativität wäre, dass die Grundgesamtheit der zu untersuchenden
Personengruppe klar definiert, abgrenzbar und in ihrer Gesamtheit medial erreichbar ist. Erst
auf dieser Grundlage kann eine geeignete Stichprobe festgelegt werden. Für Promovierende
ist die Grundgesamtheit, sowohl was Umfang, Geschlecht, Fachzuordnung etc. betrifft,
weitestgehend unbekannt. Für Doktorandinnen und Doktoranden besteht keine Pflicht –
zumindest für eine gewisse Phase ihres Vorhabens – an einer deutschen Universität
eingeschrieben zu sein, weswegen sie nicht einheitlich von der offiziellen Hochschulstatistik
erfasst werden. Eine andere zentrale Stelle, an der Promovierende registriert sind, existiert
nicht.
3
Vgl. zur Methodendebatte Schnell, Hill & Esser (2005).
Vgl. zum Problem der Repräsentativität bei der Untersuchung von Promovierenden Czock & Wildt (1985: 29)
und Gerhardt, Briede & Mues (2005: 75-78).
4
16
2. Konzeption der Studie
Zwar liegen Statistiken5 zur jährlichen Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Promotionen
vor, diese beziehen sich aber auf einen zurückliegenden Zeitraum, sind wenig differenziert
nach spezifischen Merkmalen und geben keinen Aufschluss über die Zahl derer, die noch an
der Dissertation arbeiten. Die Grundgesamtheit wurde in dieser Untersuchung wie folgt
definiert: Als Doktoranden gelten alle promovierenden Personen, deren Promotionsverfahren
noch nicht offiziell abgeschlossen wurde (d.h. die Promotionsurkunde durfte noch nicht
ausgehändigt worden sein).
Die statistisch erfassten abgeschlossenen Promotionsprüfungen geben Aufschluss über die
ungefähre Grundgesamtheit der Doktoranden. Im zuletzt verfügbaren Prüfungsjahr 2004
wurden in Deutschland insgesamt 23.138 Promotionsprüfungen bestanden. Die Multiplikation
dieser Zahl mit dem Faktor fünf (durchschnittliche Promotionsdauer von fünf Jahren – vgl.
Gerhardt, Briede & Mues 2005: 77) ergab die geschätzte Zahl von ca. 115.000 Doktoranden.
Die Einschränkung der Repräsentativität ist aber vertretbar. Bisher liegt – meines Wissens –
keine systematische Untersuchung über die soziale Herkunft von Promovierenden über ein
breites Fächerspektrum vor. Da es sich bei dieser Fragestellung also gewissermaßen um
wissenschaftliches Neuland handelt, erscheint eine Untersuchung der sozialen Herkunft von
Doktorandinnen und Doktoranden mit eher explorativem Charakter notwendig und sinnvoll.
Die in dieser Magisterarbeit vorgestellten Ergebnisse stützen sich in ihrem empirischen Kern
auf eine Befragung zum Ausbildungsverlauf und der biographischen Situation von
Promovierenden, welche zum Zeitpunkt der Studie (April 2006) in Deutschland
promovierten. Es wurden insgesamt 1876 Doktorandinnen und Doktoranden aus 84
verschiedenen Fächern befragt und analysiert.6 Ich habe mich bewusst für eine Erhebung über
ein sehr breites Fächerspektrum entschieden und gegen eine typologisch begründete
Vorauswahl, um den fachspezifischen Unterschieden gerecht zu werden.7
5
Vgl. Statistisches Bundesamt: Prüfungen an Hochschulen. Fachserie 11. Reihe 4.2 (jährlich); BMBF: Grundund Strukturdaten (jährlich).
6
Leider war es nicht möglich alle eingegangenen Antworten zu verarbeiten – hierfür fehlten wichtige materielle,
institutionelle und personelle Ressourcen. Bis zum 1. Juni lagen insgesamt 2761 Antworten vor. Andere
Doktorandenbefragungen erreichten 120 (Kaddatz 1987); 198 (Czock & Wildt 1985); 440 (Holtkamp, FischerBluhm & Huber 1986); 2.244 (Enders & Bornmann 2001); 10.000 (Gerhard, Briede & Mues 2005)
Promovierende.
7
Gerade hier liegt – meines Erachtens - eine der entscheidenden Schwächen der bisherigen
Doktorandenforschung. So unterteilen Czock und Wildt die Promotionsfächer lediglich in die Kategorien
„Geisteswissenschaften“, „Naturwissenschaften“ und „Sonstige“ (Czock & Wildt 1985: 38). Kaddatz
untersuchte Medizin, Chemie und Rechtswissenschaften (Kaddatz 1987: 239). Auch Enders und Bornmann
untersuchen lediglich exemplarisch die sechs Fächer Biologie, Elektrotechnik, Germanistik, Mathematik,
Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften (Enders & Bornmann 2001: 31-35). Vorbildlich hingegen
ist das gewählte Fächerspektrum bei Holtkamp, Fischer-Bluhm und Huber. Sie wählten folgende vierzehn
Fächer: Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie, Biologie, Mathematik, Wirtschaftswissenschaften,
17
2. Konzeption der Studie
Die Entwicklung des Fragebogens wurde in Anlehnung an verschiedener Absolventen- und
Promovierendenstudien durchgeführt und um spezifische Fragestellungen erweitert. Die
endgültigen Fragebögen8 enthalten 58 Fragen mit Antwortvorgaben, sowie die Möglichkeit
einen offenen Kommentar abzugeben. Im Einzelnen wurden Angaben zu folgenden
Themenbereichen erhoben:
1.
Bildungsweg: Art, Zeitpunkt und Note der Hochschulzugangsberechtigung;
Berufsausbildung; Studienfach, Abschlussart, Note der Abschlussarbeit und des
Studienabschlusses; Studiendauer; Studienverlauf; Hochschulort; Promotionsfach;
Promotionsort.
2.
Studienphase: Finanzierung; wissenschaftliche Hilfskraft und Tutorentätigkeiten;
gesellschaftliches Engagement; Auslandsaufenthalte, Praktika und Berufstätigkeit.
3.
Promotionsphase:
Beginn
und
erwartete
Dauer
der
Promotionsphase;
Promotionsmotive; Finanzierungsarten und -wege; Fragen zur Suche und zum
Verhältnis gegenüber dem Betreuer; Promotionsthematik; Arbeitszeit; Publikationen;
Karriereplanung; persönliches Verhältnis zu Promovierenden.
4.
Soziobiographischer Hintergrund: Geschlecht; Geburtsjahr; Staatsangehörigkeit;
soziale Herkunft; Partnerschaft und Kinder; familiäres Verhältnis zur Promotion.
Die Auswahl der Promovierenden erfolgte per Zufallsverfahren. Über die Institutshomepages
der Universitäten Bielefeld, Bremen, Dresden, Freiburg und Osnabrück wurden die
Emailadressen von mehreren Hundert Doktoranden und Doktorandinnen aller Fakultäten
ermittelt und der Fragebogen mit Bitte um Weiterleitung versandt. Gleichzeitig wurde der
Fragebogen – ebenfalls mit dem Anliegen um Weiterleitung – an die Koordinatoren und
Sprecher der Graduate Schools von Nordrheinwestfahlen, Niedersachsen und Bayern, der
Rechtswissenschaften, Politologie, Germanistik, Klassische Philologie, Archäologie, Frühgeschichte, Ethnologie
und Sinologie (Holtkamp, Fischer-Bluhm & Huber 1986: 29-30).
Es sei darauf hingewiesen, dass die Einzelanalyse der 93 Promotionsfächer keine aussagekräftigen Erkenntnisse
gebracht hat. Erst die Zuordnung in Fachbereiche hat verborgene statistische Relationen aufgedeckt und damit
sinnvolle Ergebnisse geliefert. Zur Kategorisierung wurde auf die Fächersystematik des Statistischen
Bundesamtes zurückgegriffen. Dasselbe Verfahren benutzten auch Gerhardt, Briede und Mues (2005: 79).
Vergleiche zu diesem methodischen Vorgehen finden sich auch bei Bourdieu der es in seinen Untersuchungen
über die Universitäten bei einer Großeinteilung in Fakultäten belässt (Bourdieu: 1988: 93). Eine Liste aller
erreichten Promotionsfächer befindet sich im Anhang (vgl. Anhang: Tabelle1).
8
Für die Entwicklung der endgültigen Fragebögen wurden zwei Pretests mit insgesamt 52 Promovierenden
durchgeführt. Aufgrund der Erfahrungen in diesen Pretests wurden zwei Fragebogenversionen zur Wahl gestellt.
Eine reduzierte Onlineversion (vgl. http://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/lenger/DoktorandInnen.htm)
und eine umfangreichere Textversion (siehe Anhang). Etwa 90% (2483 Promovierende) wählten die
Onlinebefragung, während sich lediglich 10% für den klassischen Fragebogen entschieden. Die Resonanz auf die
Fragebögen fiel überwiegend positiv aus und lieferte hilfreiche Hinweise, welche teilweise aufgegriffen wurden.
18
2. Konzeption der Studie
Max Planck Research Schools, der Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche der
Deutschen Forschungsgemeinschaft und die politischen Stiftungen versendet.9 Durch diese
Methode kann eine relativ breite Streuung bzgl. der Finanzierungsart und der geographischen
Verteilung sichergestellt werden.10 Eine Rücklaufquote kann für diese Art von
„Schneeballsystem“ leider nicht ermittelt werden, da völlig unklar ist wie viele
Promovierende erreicht wurden.
Der Auswertung liegen 1876 Fälle zugrunde. In der Verteilung nach Geschlecht sind die
weiblichen Befragten in dieser Untersuchung mit 47% leicht überrepräsentiert. Der Anteil der
Doktorandinnen liegt damit 8% über der Quote der in Deutschland von Frauen abgelegten
Doktorprüfungen von 39% (vgl. Statistisches Bundesamt 2006).11 Leicht unterrepräsentiert
sind auch ausländische Promovierende. Während in Deutschland letztes Jahr knapp 12% aller
Promotionen von einem Ausländer abgeschlossen wurden (Statistisches Bundesamt 2006),
nahmen nur etwa 4% ausländische Promovierende an der Befragung teil.12 Die
Altersverteilung (vgl. Tabelle 1) weist eine starke Ballung im Bereich zwischen 27 und 30
Jahren auf. Mehr als die Hälfte der Befragten kann dieser Altersspanne zugeordnet werden
(zu ähnlichen Ergebnissen kommen Czock & Wildt 1985 sowie Enders & Bornmann 2001).
Das Durchschnittsalter beim Abschluss der Promotion beträgt 33 Jahre (Statistisches
Bundesamt 2006).
9
Die reine Zahl der beantworteten Fragebögen, sowie die fachliche und geographische Streuung, belegen den
Erfolg dieses „Schneeballsystems“.
10
Empirische Befunde lassen vermuten, dass die Wahl der Hochschule in Deutschland keine besonderen
Auswirkungen auf den Karriereverlauf hat (vgl. Hartmann 2001: 181).
11
An den Hochschulen sind Frauen seit Mitte der neunziger Jahre in der Bildungsbeteiligung mit den Männern
gleich vertreten, erreichen aber (noch) nicht dasselbe zahlenmäßige Niveau von Abschlüssen. Frauen erfahren
dabei eine besondere Benachteiligung bei höheren Bildungsabschlüssen im Bereich von Promotionen und
Habilitationen (vgl. Leemann 2005). Daher wird diese Dimension stets mitgeprüft.
12
Für die geringe Beteiligung ausländischer Promovierender lassen sich zwei nahe liegende Gründe anführen.
Zum einen wurde der Fragebogen nur auf Deutsch erstellt, wodurch vielen englischsprachigen Promovierenden
die Teilnahme de facto verwehrt wurde. Zum anderen verzichteten einige Promovierende auf eine Teilnahme an
der Umfrage, da – nach eigenem Bekunden - viele Fragen mit einem kulturell anderem Bildungshintergrund
kaum oder überhaupt nicht beantwort werden konnten. Über eine mögliche Erklärung für die Überrepräsentation
weiblicher Promovierender möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren.
19
2. Konzeption der Studie
Tabelle 1: Alter der befragten Doktorandinnen und Doktoranden
24 Jahre und jünger 0,9 %
31 Jahre
8,5 %
25 Jahre
3,3 %
32 Jahre
6,0 %
26 Jahre
9,4 %
33 Jahre
4,2 %
27 Jahre
13,8 %
34 Jahre
3,1 %
28 Jahre
16,1 %
35 Jahre
1,5 %
29 Jahre
13,6 %
36 Jahre
1,1 %
13,5 %
37 Jahre und älter
4,1 %
30 Jahre
13
n = 1859
Frage 45: In welchem Jahr sind Sie geboren?
Die Kategorisierung der Promotionsfächer erfolgte anhand der amtlichen Hochschulstatistik
(vgl. Statistisches Bundesamt 2005: Anhang 1). Allerdings werden Wirtschafts-, Rechts- und
Sozialwissenschaften getrennt voneinander ausgewiesen.
Tabelle 2: Erfolgreich abgelegte Promotionen und Teilnehmer der Befragung nach
Fächergruppen (ohne Medizin)
Anteil an den erfolgreich
Anteil
an
abgelegten Promotionen
Befragung
Geisteswissenschaften*
15,2 %
17,3 %
Rechtswissenschaften
10,5 %
3,9 %
Wirtschaftswissenschaften
6,5 %
8,3 %
Sozialwissenschaften
2,9 %
11,6 %
Strukturwissenschaften
5,6 %
7,3 %
Naturwissenschaften
36,1 %
39,4 %
Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften**
2,8 %
2,0 %
Ingenieurswissenschaften
14,8 %
7,0 %
Sonstige Fächer***
5,6 %
3,2 %
Gesamt
100 %
100 %
der
* In der offiziellen Statistik „Sprach- und Kulturwissenschaften“.
** Die Resultate aus diesem Fachbereich werden aufgrund der geringen Teilnehmerzahl teilweise nicht ausgewiesen.
*** Kunstwissenschaften und Sportwissenschaften.
Frage 15: In welchem Fachbereich promovieren Sie? Quelle: Statistisches Bundesamt (2003: 19).
Betrachtet man die Fächerverteilung der Promovierenden, dann sind zwei Ergebnisse
auffällig: Die Mediziner stellen mit etwa einem Drittel zwar den größten Anteil an allen
13
„n“ bezeichnet hier wie im Folgenden die Anzahl der Promovierenden, die auf die entsprechende Frage
geantwortet haben und somit als Basis für die Prozentuierung dienen.
20
2. Konzeption der Studie
abgeschlossenen Promotionsprüfungen, in der Befragung geben aber nur 2,7% der Befragten
an, eine medizinische Promotion anzustreben. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bei anderen
Promovierendenbefragungen (vgl. Berning & Falk 2004; Gerhardt, Briede & Mues 2005).
Dort wurde die geringe Umfragebeteiligung der Mediziner mit der deutlich anders
strukturierten Promotionsphase erklärt. In der Regel werden medizinische Dissertationen noch
während des Studiums begonnen und als Bestandteil der Grundausbildung betrachtet (vgl.
Weihrauch, Strate & Pabst 2003). Zudem sind angehende Mediziner nur bedingt in
wissenschaftliche
Institutionen
eingebunden,
weswegen
sie
über
das
gewählte
Erhebungsinstrument schwerlich erreicht werden konnten.
Klammert man die Promovierenden der Medizin aus, dann zeigt sich, dass die
fächerspezifische Verteilung in der Befragung „annähernd“ der Verteilung der erfolgreich
abgelegten Promotionsprüfungen entspricht (vgl. Tabelle 2). Allerdings sind im Vergleich die
Rechts-
und
Ingenieurswissenschaften
etwas
unterrepräsentiert,
während
die
Sozialwissenschaften deutlich überrepräsentiert sind. Ursache könnte die unterschiedliche
Vertrautheit mit sozialwissenschaftlichen Fragestellungen und Erhebungsmethoden sein.
Exemplarisch sei dies durch folgende Antwort eines Physikprofessors belegt:
„Lieber Herr Lenger, bei allem Verständnis für Ihre „Forschungen“, aber wir als Physiker hätten nicht viel
zu tun, wenn wir unsere Untersuchungen so per Email und Internet automatisiert auf dem Rücken der
kostbaren Arbeitszeit von Promovenden anderer Fachrichtungen anfordern könnten. Auch wenn Ihre Email
sehr höflich verfasst ist, würde ich sie bitten, für ihre Erhebungen z.B. Drittmittelgeber wie EU (Brüssel),
Volkswagenstiftung, Stifterverband, BMBF oder natürlich und vor allem die DFG direkt anzusprechen,
dort sollten anonymisierte Daten dieser Art vorliegen. IHRE Examensarbeit sollte auch von Ihnen
persönlich recherchiert werden, das ist doch beim Anspruch der Wissenschaftlichkeit selbstverständlich!“.
Wie bereits Anfangs erwähnt, sollten die empirischen Daten dazu dienen, meine theoretischen
Überlegungen zur Sozialstruktur von Promovierenden zu belegen. Deswegen gestaltet sich
die Arbeit nicht als klassischer Auswertungsbericht, sondern richtet sein Hauptaugenmerk auf
theoretische Überlegungen zur sozialen Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden.
Dementsprechend werden die empirischen Befunde ergänzend herangezogen, um mögliche
Unklarheiten zu beseitigen, auf aktuellere Daten zurückgreifen zu können oder um fehlerhafte
Aussagen korrigieren zu können. Kurz: Diese Arbeit will nicht einfach nur empirische Fakten
präsentieren, sondern einen ergänzenden Beitrag zur Theorie der sozialen Reproduktion von
konkurrierenden Klassenformationen leisten.
2. Konzeption der Studie
21
Für Bourdieu verbergen und offenbaren statistische Relationen die Struktur der objektiven
Beziehungen zwischen den verschiedenen Klassenformationen. Zur Auswertung der
statistischen Differenzen wurde überwiegend die Methode der Korrespondenzanalyse
verwendet. Die Korrespondenzanalyse ist ein exploratives Verfahren zur graphischen und
numerischen Darstellung von beliebigen Kreuztabellen (auch Kontingenztabellen oder
Kontingenztafeln genannt). Mit Kreuztabellen lassen sich Zusammenhänge zwischen zwei
Merkmalen darstellen und quantifizieren. Während Korrelationsmaße den Zusammenhang
von quantitativen Merkmalen ausdrücken, eignen sich Assoziationsmaße für die Beurteilung
des Zusammenhangs zwischen qualitativen bzw. nominal skalierten Merkmalen. Die
Assoziationsmaße liegen zwischen Null und Eins, wobei einige auch den Wert Eins
annehmen können. Je näher sie bei Eins liegen, desto stärker ist der Zusammenhang. Ein
Assoziationsmaß von Null wäre demnach ein Hinweis auf statistische Unabhängigkeit.14
14
Aus der Kreuztabelle wird in dieser Arbeit falls nötig der korrigierte Kontingenzkoeffizient berechnet.
Kapitel 3
Bildungssoziologische Vorüberlegungen
3.0 Argumentationsskizze
Die nachstehenden Überlegungen dieses Kapitels dienen einer Vergewisserung der in der
vorliegenden Untersuchung angewendeten Methode. Es wird aufgezeigt, dass eine
Untersuchung über Promovierende sinnvoller Weise anhand Bourdieus Gesellschaftstheorie
zu
führen
ist.
Dazu
wird
zunächst
ein
kurzer
Einblick
in
die
faktischen
Chancenungleichheiten im deutschen Bildungswesen gegeben und problematisiert, dass
soziologische Studien mehrheitlich zu der Erkenntnis kommen, dass ungeachtet der
Expansion des Bildungssystems und der zunehmenden Bildungsbeteiligung unterer sozialer
Schichten, die Disparitäten in den herkunftsbezogenen Bildungschancen unverändert
bestehen. Während sich das dominierende gesellschaftliche Bewusstsein am Ideal einer
egalitären, meritokratischen und chancengleichen Gesellschaft orientiert, ist soziale
Ungleichheit de facto nach wie vor ein zentrales Strukturmerkmal westlicher Gesellschaften.
Zweitens stellt sich daher die Frage, wie sich das Phänomen Bildung sinnvoll mit
soziologischen Kategorien und Begriffssystemen erfassen und beschreiben lässt. Aus
theoretischer Perspektive bietet die Soziologie mit Funktionalismus und Konflikttheorie zwei
wesentliche Zugänge zum Verständnis des Stellenwerts von Bildung und Erziehung für
moderne Gesellschaften. Dabei wendet sich die Konflikttheorie insbesondere gegen die
Vorstellung, die vermehrte Bildung resultiert aus technisch-funktionalen Erfordernissen der
modernen Gesellschaft. Die Ursachen für die Bildungsexpansion werden vielmehr in den
Auseinandersetzungen zwischen Statusgruppen gesehen, welche um den Zugang über knappe
Ressourcen wie Reichtum, Macht und Prestige kämpfen.
Damit liegt die Konflikttheorie auf einer Linie mit den Arbeiten von Pierre Bourdieu.
Bourdieu und Mitarbeiter beschäftigten sich intensiv mit den Mechanismen der Reproduktion
sozialer Strukturen und vertraten die These, dass die herrschende Klasse ihre privilegierte
24
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Stellung mit Hilfe der Bildungssysteme vererbt. Dieser prinzipiellen Einsicht für die
Erklärung ungleicher Bildungschancen folgt im dritten Abschnitt deshalb eine Erörterung des
methodischen Ansatzes von Pierre Bourdieu und seiner relevanten Bezugspunkte zur
Bildungssoziologie.
Abschließend werden in einem vierten Teil einige Überlegungen formuliert, weshalb für eine
Untersuchung von Promovierenden Bourdieus Theorie sozialer Ungleichheit besonders
geeignet scheint, einen erklärenden Beitrag zu leisten. Dazu werden vier Thesen skizziert,
welche gleichzeitig die inhaltliche Konzeption des weiteren Verlaufs der Arbeit darstellen.
3.1 Bildungsexpansion und Chancengleichheit
Die Veränderungen im Bildungswesen sind einer der fundamentalen Wandlungsprozesse in
der jüngeren Geschichte moderner Gesellschaften. Nach dem zweiten Weltkrieg begannen die
westlichen Industrienationen in unterschiedlichem Ausmaß ihre Gymnasien für breite
Schichten der Bevölkerung zu öffnen und die Eliteuniversitäten transformierten zu überfüllten
Massenhochschulen (vgl. Müller, Steinmann & Schneider 1997). Im Folgenden wird in einer
kurzen Einführung auf die Expansion der Bildungssysteme, die Entwicklung der
Chancengleichheit, sowie das Ausmaß und die Legitimation von sozialer Ungleichheit in
Deutschland eingegangen.
Die expansive Zunahme der Bildungsbeteiligung an weiterführenden Schulen lässt sich am
Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe ablesen. Abbildung 1
zeigt die Entwicklung der Bildungsbeteiligungsquoten von Schülerinnen und Schülern nach
Schulart zwischen 1952 und 2001. Zu Beginn der fünfziger Jahre besuchten knapp drei
Viertel eines Jahrganges die Volksschule, während lediglich ein Sechstel am Gymnasium
lernte. Der Anteil der Hauptschüler reduzierte sich während der vergangenen 50 Jahre auf ein
Viertel aller Achtklässler (78% auf 24%), der Anteil der Realschule verdreifachte sich (7%
auf 26%) und das Gymnasium weist heute prozentual doppelt so viele Schüler auf (15% auf
31%). Parallel entstanden im vergangenen halben Jahrhundert neue Schulformen wie die
Integrierten Gesamtschulen und Freien Waldorfschulen.
Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass in Deutschland die Schulform, welche in der 8. Klasse
besucht wird, maßgeblich die Übergangswahrscheinlichkeit in die zweite Sekundarstufe
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
25
beeinflusst. So gelangen heute etwa ein Drittel Jugendliche eines Jahrganges in die
gymnasiale Oberstufe (Schwarz & Rehburg 2002: 33). Diese Entwicklung hat zu einer
allgemeinen Steigerung des Bildungsniveaus von Schülerinnen und Schülern im Jahr 2001
beitragen.
Abbildung 1: Schülerinnen und Schüler im 8. Schuljahr nach Schulart in Deutschland (in %)
Quelle: BMBF (2004a: 97)
Aufgrund dieser Niveaueffekte (vgl. Allmendinger & Aisenbrey 2002: 45) erwerben
zunehmend mehr junge Menschen die allgemeine Hochschulreife und bekommen die
Möglichkeit ein Studium aufzunehmen. Die Expansion des deutschen Bildungswesens setzt
sich also im Universitätsbereich fort. So stieg die absolute Zahl von Studenten und
Studentinnen zwischen 1950 und 2000 - unabhängig der Schülerzahlen - kontinuierlich von
knapp 125.000 auf circa 1.8 Millionen (Kultusministerkonferenz 2002: 32).
Abbildung 2 zeigt die relative Veränderung der Schüler- und Studentenzahlen zwischen 1950
und 2000. In diesem Zeitraum stieg die Anzahl Studierender um mehr als das Sechzehnfache
26
des
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Jahres
1950.
Ausschlaggebend
für
diese
Steigerung
war
weniger
die
Bevölkerungsentwicklung, als vielmehr die Expansion der Bildungssysteme und die
gestiegene Bildungsbeteiligung.15
Abbildung 2: Schüler- und Studentenzahlen 1950 bis 2000 (relativ)
Quelle: Kultusministerkonferenz (2002: 32).
An diese Entwicklung anschließend stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem
Zusammenhang zwischen Bildungsexpansion und Chancengleichheit. Höhere Bildung ist in
modernen Gesellschaften das konstitutive Element für den Zugang zu privilegierten
Berufspositionen und damit das Fundament für die Akkumulation von Einkommen, Einfluss,
Prestige und Ansehen. Ein Hauptschulabschluss beispielsweise - so das deutsche
Studentenwerk - kann heute „kaum noch als Zugangsvoraussetzung für attraktive,
zukunftsträchtige Berufe gelten“ (BMBF 2004:a 98). In einer demokratischen Gesellschaft ist
15
Der leichte Rückgang der Studierendenzahlen zwischen 1993 und 1999 ist vermutlich auf die flächendeckende
Einführung von Langzeitstudiengebühren zurückzuführen. Eine Übersicht über die Effekte von Studiengebühren
bieten Heublein, Spangenberg & Sommer (2003) und Lang (2005).
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
27
dieser Verteilungsprozess aber nur (falls überhaupt) legitimierbar, wenn gleiche Chancen bei
der Verfolgung der erwünschten hohen Bildungsabschlüsse gewährleistet sind. Wie Stefan
Hradil treffend formuliert besteht Chancengleichheit im Bildungswesen aber nur dann,
„wenn allen unabhängig von leistungsfremden Merkmalen wie zum Beispiel von Bildung, Prestige und
Geld der Eltern, von Geschlecht, Wohnort, Beziehungen, Religion, Hautfarbe, politischer Einstellung,
persönlicher Bekanntschaft oder Familienzugehörigkeit die gleiche Chance zur Leistungsentfaltung und
Leistungsbestätigung eingeräumt wird“ (Hradil 1999: 149).
Die Ungleichheit der Bildungsbeteiligung verschiedener sozialer Schichten ist in der jüngeren
Vergangenheit wieder zu einem kontrovers diskutierten Thema geworden.16 Soziologische
Untersuchungen, die seit Anfang der 1990er Jahre die Entwicklung des Bildungssektors
analysieren, kommen mehrheitlich zu der Erkenntnis, dass „ungeachtet der extensiven
Erweiterung des Bildungssystems und zunehmender Bildungsbeteiligung auch unterer
sozialer Schichten, die Disparitäten in den herkunftsbezogenen Bildungschancen unverändert
fortbestehen“ (BMBF 2004a: 92; vgl. auch Köhler 1992; Blossfeld 1993; Müller & Haun
1994; Henz & Maas 1995; Schimpl-Neimanns 2000; Allmendinger 2003, BMBF 2005a;
zusammenfassend Krais 1994 oder Allmendinger & Aisenbrey 2002).
Vor einer Überschätzung der häufig antizipierten gesellschaftsverändernden Wirkung der
sozialen Öffnung weiterführender Schulen und Hochschulen wurde allerdings bereits Anfang
der siebziger Jahre gewarnt. So stellt zum Beispiel Jencks fest, dass der egalitäre Trend in der
Bildungsbeteiligung die Einkommens- und Statusverteilung über Jahrzehnte hinweg nicht
nennenswert angeglichen hat (Jencks 1973). Auch Bourdieu und Passeron thematisierten in
ihren Analysen des französischen Hochschulsystems die Bedeutung des Bildungssystems für
die Reproduktion der Klassenstruktur und die Legitimation sozialer Ungleichheit, und
schätzten die Möglichkeiten gesellschaftlicher Erneuerungen durch Veränderungen im
Bildungssystem eher skeptisch ein (Bourdieu & Passeron 1971). Zudem konnten Müller und
Mayer zeigen, dass ein besonders starker Zusammenhang zwischen dem Schulerfolg und der
familiären Herkunft besteht, weshalb dem Bildungssystem per se nur eine geringe
egalisierende Wirkung zugeschrieben werden kann (Müller & Mayer 1976).
16
Chancengleichheit war Anfang der sechziger Jahre wohl eines der am häufigsten bearbeiteten Themen der
Bildungsforschung und eine ausdrückliche Forderungen an die Politik (vgl. exemplarisch Picht 1964 und
Dahrendorf 1965). Ende der neunziger Jahre rückte die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungssystems
abrupt wieder in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion. Ursache war das schlechte Abschneiden
deutscher Schülerinnen und Schüler bei der Dritten Internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie
(TIMSS; Baumert et al. 1997), dem Programme for International Student Assessment (PISA; Baumert et al.
2001) und der internationalen Lese-Kompetenz-Studie (IGLU; Bos et al. 2004). Die Symptome, die anhand der
Befunde von TIMSS, PISA und IGLO beschrieben werden, sind zum Teil bereits vor 40 Jahren von Georg Picht
und Ralf Dahrendorf erkannt und kritisiert worden.
28
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Erkenntnisse, die auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen. So hat das Deutsche
Studentenwerk in seinen Sozialerhebungen wiederholt auf den engen Zusammenhang
zwischen dem Bildungsniveau der Eltern bzw. deren beruflichen Status und dem Besuch
weiterführender Schulen hingewiesen (vgl. exemplarisch BMBF 2004b: Kapitel 3). Wie zum
Beispiel die jüngste Schülerstudie IGLU aufgezeigt hat, entspricht etwa jede zweite
Schullaufbahnempfehlung nicht dem tatsächlichen Leistungsvermögen der Beurteilten. Die
Ursache hierfür liegt unter anderem in der Problematik begründet, dass der soziale
Hintergrund von Lehrerinnen und Lehrern – bewusst oder unbewusst – mitgedacht wird und
in die Bewertung eingeht. Tendenziell werden dabei Kinder „besserer“ Herkunft bevorzugt.
Trotz übereinstimmender Resultate im Leistungstest haben Kindern aus oberen Schichten eine
Zweieinhalbfach so hohe Chance eine gymnasiale Empfehlung zu bekommen wie Kinder aus
unteren Schichten (vgl. Bos et al. 2004: 27-29).
Dabei gehen die größten Selektionswirkungen von den ersten beiden Bildungsschwellen aus.17
Die zu frühen Lebenszeitpunkten getroffenen Entscheidungen sind nur schwer zu korrigieren,
weil die rechtlich zwar mögliche Durchlässigkeit zwischen Schultypen in der Realität kaum
gegeben ist. Korrekturen einmal getroffener Bildungsentscheidungen sind häufig nur auf
Umwegen realisierbar und mit erheblichen Zeitverlusten verbunden (vgl. BMBF 2004a: 94f.).
Empirische Untersuchungen zeigen, dass sich diese soziale Selektivität auch noch beim
Übergang von der gymnasialen Oberstufe auf die Universität manifestiert. Betrachtet man den
Bildungsprozess als eine Sequenz von Bildungsübergängen (vgl. Mare 1980), so zeigt sich,
dass von 100 Arbeiterkindern lediglich 28 Kinder die Schwelle in die gymnasiale Oberstufe
schaffen und nur sechs Kinder an eine Universität gelangen (Abbildung 3). Im Vergleich dazu
gelingt 73 Beamtenkinder die Aufnahme in die gymnasiale Oberstufe und 49 der Schritt an
die Universität. Es bleibt festzuhalten, dass sich trotz der Bildungsexpansion die relativen
Chancen von Arbeiterkindern, ein Studium aufzunehmen, im Zeitverlauf nicht wesentlich
verbessert haben. Weiterhin determiniert die soziale Herkunft die Bildungschancen (vgl.
Köhler 1992; Bürklin & Rebenstorf 1997; BMBF 2004a).
17
Analog zur Struktur des Bildungssystems sind fünf Schwellen auf dem Weg zur Promotion zu überwinden, die
sicherstellen sollen, dass die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg nach individueller Eignung, Leistung
und Fähigkeit erfolgt. Eine erste Schwelle ist der Übergang von der Grundschule in eine weiterführende Schule
(Gymnasium, Gesamt-, Real- oder Hauptschule). Als zweite Bildungsbarriere wirkt der Übergang von der
Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II, als dritte der erfolgreiche Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung,
als vierte die tatsächliche Realisierung der Studienberechtigung und als fünfte das erfolgreiche Bestehen der
Abschlussprüfung und die Aufnahme einer Promotion.
29
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Abbildung 3: Der Bildungstrichter: Eine schematische Darstellung sozialer Selektion
Quelle: Allmendinger (2003: 83).
Die fundamentalen Veränderungen im deutschen Bildungswesen, und speziell im
Hochschulwesen, werfen die Frage auf, inwieweit auch die Promotion von diesen
Änderungen betroffen ist. Konnte der höchste deutsche Bildungstitel18 seine herausragende
traditionelle Position im Bildungssystem bewahren, oder ist die Promotion gleichfalls in den
Sog der allgemeinen Ausweitung und damit Abwertung von Bildungstiteln geraten? Weil die
quantitative Entwicklung der Promovierendenzahlen von zentraler Bedeutung für meine
Untersuchung ist, wurde an dieser Stelle zunächst lediglich die Expansion der vorgelagerten
Bildungssysteme thematisiert und auf die sozial ungleiche Bildungsbeteiligung in Schule,
gymnasialer Oberstufe und Studium hingewiesen. Die Daten zur Promotionsentwicklung
werden später nachgereicht und ausführlich diskutiert (vgl. Kapitel 4).
3.2 Soziologische Kategorien und Begriffssysteme von Bildung
Das soziale Feld Bildung wirkt auf den ersten Blick recht paradox: Während sich das
dominierende
gesellschaftliche Bewusstsein am Bild einer egalitären,
hochgradig
individualisierten und professionalisierten Gesellschaft orientiert, ist ungleiche Beteiligung
18
Die Habilitation als einziger höherwertiger Abschluss ist im außeruniversitären Bereich nur für die Medizin
von Bedeutung.
30
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
sozialer Schichten faktisch nach wie vor ein zentrales Strukturmerkmal moderner
Bildungsinstitutionen. Generell stellt sich daher die Frage, wie sich das Phänomen Bildung
sinnvoll mit soziologischen Kategorien und Begriffssystemen erfassen und beschreiben lässt.
Leisten Bildungssysteme einen funktionalen Beitrag zur Modernisierung der Gesellschaft,
indem sie Menschen zu sozialen, gesellschaftlich handlungsfähigen Persönlichkeiten
sozialisieren oder stellen sie viel mehr ein subtiles Instrument zur Reproduktion bestehender
Machtverhältnisse zwischen konkurrierenden Klassenformationen dar? Weiter stellt sich die
Frage wie der Prozess der Bildungsexpansion zu erklären ist. Kann die Ausweitung der
Bildungssysteme als Folge eines inflationären Bildungswettbewerbs gesehen werden, in dem
die eigene Bildung erhöht werden muss, um auf dem Arbeitsmarkt keine nachhaltigen
Wettbewerbsnachteile zu haben oder ist ein Ansteigen des formellen Bildungsniveaus die
natürliche
Folge
zunehmend
differenzierter
und
modernisierter
Wirtschafts-
und
Sozialordnungen.
Derzeit wird häufig die These vertreten, dass Länder mit breit angelegten Bildungs- und
Ausbildungssystemen und einem hohen durchschnittlichen Bildungsstand der Bevölkerung
international erfolgreiche und kompetitive Länder sind. Eine solche Sichtweise basiert auf der
Vorstellung von Bildung als beliebig vermehrbare Produktionsressource, d.h. Wissen und
Qualifikation werden als gesamtgesellschaftliches Humankapital verortet. Nur durch
Investitionen in den Ausbau der höheren Bildung könne das wirtschaftliche Wachstum
gesichert werden (vgl. Allmendinger & Aisenbrey 2002: 43).
Eine Betrachtungsweise, die führende Bildungsforscher bereits Anfang der 60er Jahre
diskutierten (vgl. OECD 1967). So warnte Georg Picht (1964) vor einer möglichen
„deutschen Bildungskatastrophe“. Bildungsnotstand sei wirtschaftlicher Notstand, urteilte er
und vertrat die These, dass Deutschland aufgrund mangelnder Bildung in der internationalen
Konkurrenz zurückfallen könnte. Ein Argument, dass auch heute noch - insbesondere im
Bezug auf mögliche Auswirkungen der Globalisierung - den bildungspolitischen Diskurs
bestimmt.19 Ergänzend wies Ralf Dahrendorf (1965) auf die ausgeprägte Ungleichheit der
Bildungschancen und dem daraus resultierenden Modernitätsrückstand der Bundesrepublik
Deutschland hin. Seiner Meinung nach muss Bildung als Bürgerrecht, d.h. als soziales
19
Erst kürzlich veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft sein neustes Gutachten „Bildungsarmut und
Humankapitalschwäche in Deutschland“ (Anger, Plünneke, Seyda & Werner 2006). Demnach sieht die deutsche
Wirtschaft ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit durch zunehmenden Fachkräftemangel und Bildungsarmut
bei den Jugendlichen bedroht. Treffend auch folgendes Zitat von Doris Pack, Mitglied des Europäischen
Parlaments: „Hochschulpolitik ist in rohstoffarmen Gegenden, wie unserem Kontinent die zentrale
Zukunftsinvestition, denn hochwertige Forschung und Innovation bedeuten Existenzsicherung für unseren
Wohlstand in Europa“ (DAAD 2004: 8).
31
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Grundrecht, begriffen werden, welches mit Hilfe der Bildungsexpansion verwirklicht werden
kann und damit einen Beitrag zur Modernisierung der Gesellschaft leisten kann (Dahrendorf
1965).
Im Folgenden werden einige zentrale ökonomische und soziologische Überlegungen zur
Funktion und Expansion moderne Bildungssysteme – welche für die weitere Überlegung von
Interesse sind - dargestellt und diskutiert.
Die klassischen ökonomischen Erklärungsansätze für die Verbreitung der Schul- und
Hochschulbildung fassen Bildung entweder als Konsum- oder Investitionsentscheidung auf.
Die Konsumthese begreift Bildung nicht nur als Produktionsfaktor, sondern Bildung gehört
selbst zu den Konsumgütern, welche der individuellen Bedürfnisbefriedigung dienen. Zum
günstigen Zustand einer Gesellschaft gehört ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen
materiellem Reichtum und kultureller Entwicklung. Ein steigendes Realeinkommen führt
(nach Sättigung der materiellen Lebensnotwendigkeiten) neben anderen Verschiebungen im
Konsumverhalten zu einer zunehmenden Nachfrage nach Bildung und mündet in eine
Bildungsexpansion (OECD 1966: 27).
Auf gleicher analytischer Ebene, doch mit dezidiert anderer Stoßrichtung, argumentiert die
Humankapitaltheorie. Bedingt durch die Tatsache, dass Lohnarbeit zur Existenzgrundlage für
die Mehrheit der Bevölkerung geworden ist, rückt Bildung in eine funktionale Beziehung zur
Herstellung und produktiven Nutzung von Arbeitskraft. Bildung wird nicht um ihrer selbst
willen nachgefragt, sondern als eine Investition verstanden, die mit Erträgen verbunden ist.
Die Erträge ergeben sich in Form höherer Arbeitsproduktivität und (daraus resultierend)
höherer
Löhne.
wirtschaftlichen
Aufgrund
veränderter
Produktionsprozessen
technologischer
nehmen
Rahmenbedingungen
die
Bedeutung
in
von
„Arbeitseinsatzflexibilisierung“ und der Aufbau von höher und breiter qualifizierten
„Belegschaftssegmenten“ kontinuierlich zu (vgl. Schultz 1961, Becker 1964).
Aus makrotheoretischer Perspektive der Humankapitaltheorie generieren Investitionen in
Humankapital positives Wirtschaftswachstum, weil sie die technologische Überlegenheit
einer Gesellschaft sichern. Investitionen in Bildung erscheinen als entscheidender Beitrag zur
Verbesserung der Wettbewerbsposition eines Landes in der ökonomischen Konkurrenz der
Nationen. Die Expansion und zunehmende Differenzierung des Bildungssystems sind,
bedingt durch technologischen Wandel im Produktionssystem, unausweichliche Folgen einer
gestiegenen Nachfrage nach hoch qualifizierten „Experten“ (Clark 1962).
32
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Ein wichtiges Ziel der in den sechziger Jahren verstärkten Bemühungen um eine Reform des
Bildungswesen war die Reduktion und Beseitigung regionaler, geschlechtsspezifischer und
sozialer Ungleichheiten in der Beteiligung an höherer Bildung. Die Forderung nach
Ausschöpfung von Begabungsreserven war die ökonomische Argumentation, während die
Proklamation des Rechts auf Bildung die gesellschaftspolitische Variante der Rechtfertigung
einer expansiven Strategie darstellte. Während die regionalen und geschlechtsspezifischen
Unterschiede heute weitestgehend verschwunden sind, bestehen weiter signifikante Barrieren
beim Zugang zu höherer Bildung bildungsferner Schichten.20
Aus theoretischer Perspektive bietet die Soziologie mit Funktionalismus und Konflikttheorie
zwei wesentliche Zugänge zum Verständnis des Stellenwerts von Bildung und Erziehung für
moderne
Gesellschaften.21
Funktionalismus
bezeichnet
in
der
Bildungssoziologie
üblicherweise jenen Argumentationsstrang, der Bildung in Beziehung zu wirtschaftlichem
Wachstum setzt. Ergebnisungleichheiten und Belohnungsdifferenzen werden in westlichen
Gesellschaften als ein allgemeines Funktionserfordernis gesellschaftlicher Arbeitsteilung und
persönlicher Identität definiert. In modernen Industriegesellschaften ist damit vor allem der
Sachverhalt zwischen Bildung zur Erwerbsarbeit gemeint - es wird also das Verhältnis von
Bildung und Beschäftigung thematisiert und nach den soziologischen Schlüsselbegriffen
Qualifikation, Beruf und Profession gefragt.
Die funktionalistische Schichtungstheorie von Davis und Moore beispielsweise argumentiert,
dass Gesellschaften letztlich jene Personen am höchsten belohnen, die besonders wichtige
Funktionen wahrnehmen und spezielle Talente haben. In allen Gesellschaften gibt es
funktional differenzierte Positionen unterschiedlicher gesellschaftlicher Wertigkeit, welche
spezielle Begabungen und entsprechende Fertigkeiten erfordern. Aufgabe und Ziel des
Bildungssystems ist die Vermittlung dieser Fähigkeiten. Gleichermaßen sind den begabten
Personen Anreize zu setzten, sich den (materiellen) Anstrengungen zu unterziehen und die
qualifizierende Ausbildung zu absolvieren. Begabte Persönlichkeiten, welche die lange
Ausbildungsphase durchlaufen haben, werden für ihre Investitionen mit Positionen belohnt,
die einen entsprechenden hohen Status, ein hohes Einkommen und ein hohes Prestige sichern
(Davis & Moore 1945). Wie auch die Humankapitaltheorie betont die funktionalistische
20
Geschlechtsspezifische, ethnische und regionale Ungleichheiten im Zugang zu höherer Bildung werden in
dieser Untersuchung nicht thematisiert. Einen guten Überblick hierfür bieten Müller, Steinmann & Schneider
(1997: 212ff.).
21
Natürlich ist diese Dichotomisierung keineswegs absolut, vergleiche Karabel & Halsey (1977), Krais (1994)
oder Allmendinger & Aisenbrey (2002).
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
33
Schichtungstheorie die gesellschaftliche effiziente Nutzung von menschlichen Ressourcen.22
Damit stellt der Funktionalismus gewissermaßen eine Rechtfertigungstheorie von sozialer
Ungleichheit dar, indem Begabung, Schule und Erwerbstätigkeit miteinander verknüpft
werden.
Die Konflikttheorie (vgl. für einen neueren Überblick Arrow, Bowles & Durlauf 2000)
hingegen fokussiert die Frage nach Bildung und sozialer Ungleichheit. Genetische Intelligenz
und meritokratische Elemente besitzen keine Gültigkeit, die schulische Vermittlung von
Fertigkeiten spielt eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die Frage nach den
Mechanismen der Reproduktion sozialer Strukturen durch Bildung. Auch wenn sich die
soziologische Bildungsforschung bislang nur am Rande mit dem Zusammenspiel zwischen
sozialer Herkunft, Intelligenz und Bildung beschäftigt hat, ist es weitgehender Konsens, dass
IQ-Unterschiede zwischen einzelnen Schichten die Unterschiede im Zugang zu Bildung
zwischen diesen Schichten nicht erklären können (vgl. Flynn 2000). Aufgrund dieser
Beobachtungen muss die Meritokratiethese der funktionalistischen Theorietradition
zurückgewiesen werden. Stattdessen lassen sich die zahlreichen empirischen Hinweise zu
konflikttheoretischen Annahmen verdichten.
Dabei wendet sich die Konflikttheorie insbesondere gegen die Vorstellung, die vermehrte
Bildung resultiert aus technisch-funktionalen Erfordernissen der modernen Gesellschaft. Die
Ursachen für die Bildungsexpansion werden vielmehr in den Auseinandersetzungen zwischen
Statusgruppen gesehen, welche um den Zugang über knappe Ressourcen wie Reichtum,
Macht und Prestige kämpfen.
Aufgrund der Expansion des staatlichen Bildungswesen und der damit verbundenen sozialen
Öffnung von Bildung und Ausbildung, kann die Weitergabe des familiären Status nicht mehr
über Vererbung erfolgen, sondern muss über das Bildungssystem transportiert werden.
Klassenzugehörigkeiten werden nicht mehr per Geburt zugeschrieben sonder müssen mühsam
erworben werden. Aus konflikttheoretischer Perspektive lässt sich das Bildungssystem von
der herrschenden Klasse vereinnahmen, reproduziert soziale Ungleichheit und legitimiert
diese durch die Illusion einer egalitären Chancengleichheit.
Damit liegen Konflikttheorie und Sozialisationstheorie auf einer Linie mit den Arbeiten von
Pierre Bourdieu. Bourdieu und Mitarbeiter beschäftigten sich intensiv mit den Mechanismen
22
Es sei am Rande erwähnt, dass der Begriff „Humankapital“ zum Unwort des Jahres 2004 gewählt wurde. Zu
Recht beklagte die Jury eine „Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse“ und fand es verwerflich „Menschen nur
noch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten zu betrachten“.
34
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
der Reproduktion sozialer Strukturen und vertraten die These, dass die herrschenden Klassen,
welche in der Vormoderne ihre Macht durch die Standesordnung gesichert sahen, in der
Moderne ihre privilegierte Stellung mit Hilfe des Bildungssystem vererben (vgl. Bourdieu,
Boltanski, de Saint Martin & Maldidier 1981). Laut Bourdieu „bestimmen die objektiv
gegebenen Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die die Klassenlage ausmachen, indem sie
Informationen, Verhaltensweisen, Wünsche und Zeithorizonte eröffnen und begrenzen, auch
die Bildungsaspirationen und andere zum Zwecke individuellen Aufstiegs getätigte
Investitionen mit dem Ergebnis, dass sie diese Menschen nahezu unausweichlich an den ihrer
Klasse vorgegebenen sozialen Ort zurückführen“ (Krais 1981: 14).
Zusammenfassend
ist
festzuhalten,
dass
die
angeführten
funktionalistischen
und
konflikttheoretischen Erklärungsversuche der Bildungsentwicklung ihre Aufmerksamkeit auf
unterschiedliche Aspekte richten. Der allgemein angenommene Trend zur postindustriellen
Gesellschaft (Bell 1979), zur hoch qualifizierten Gesellschaft (Teichler 1991) oder zur
Wissensgesellschaft (Stehr 1994) resultiert in einer zunehmenden Bedeutung von
wissenschaftsbezogenen Expertenwissen für die gesellschaftliche Entwicklung. Es überrascht
wenig, dass eine solche funktionalistische Sichtweise die öffentliche Wahrnehmung
dominiert. Trotz klarer empirischer Evidenz über die Exklusivität von Bildungstiteln spielt die
Frage nach dem Zusammenhang zwischen (Hochschul-)Bildung und sozialer Herkunft in der
öffentlichen und politischen Debatte eine untergeordnete Rolle.
In der Bildungssoziologie hingegen gehört die Frage nach dem Zusammenhang von Bildung
und sozialer Ungleichheit zum Kernbestand ihres Forschungsprogramms. Erst kürzlich
konnten Bargel, Ramm & Multrus zeigen, dass noch immer eine tiefe „Kluft“ im
Hochschulzugang nach sozialer Herkunft besteht. An Universitäten und Fachhochschulen ist
vor allem der Anteil Studierender gestiegen, von denen ein Elternteil ein Universitätsstudium
absolviert hat. Die „akademische Reproduktion“ hat - entgegen manchen Erwartungen und
politischen Zielen - weiter zugenommen. Hatten an den Universitäten Mitte der achtziger
Jahre 25% der Studierenden Eltern mit akademischem Studienabschluss, sind es 2001 nahezu
die Hälfte. Dieser Trend ist nur zum Teil auf die steigende formale Qualifikation der Eltern
zurückzuführen, von denen immer mehr studiert haben. Vielmehr bedeutet diese Zunahme
eine Zunahme der Reproduktion nach sozialer Herkunft: Die so genannte Bildungsvererbung
hat weiter zugenommen (vgl. Bargel, Ramm & Multrus 2005).
35
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
3.3 Der methodische Ansatz von Pierre Bourdieu und seine Bezugspunkte zur Bildung
Das Konzept der herrschenden Klasse, welches auf den marxistischen Klassenbegriff
zurückgeht, steht bis heute im Zentrum der soziologischen Auseinandersetzung um die
Sozialstruktur der modernen Gesellschaft. Von Bildungsforschern werden – wie zuvor gezeigt
– immer wieder kritische Erkenntnisse dargelegt, die der Idee formal gleicher
Bildungschancen widersprechen. Akzeptiert man aber die Vorstellung sozialer Ungleichheit
als strukturierendes Element der Gesellschaft und des Bildungswesen, so gilt es
sozialwissenschaftliche Untersuchungen an einem Forschungsprogramm abzuarbeiten,
welches diesen Tatsachen gerecht wird und geeignet scheint, einen erklärenden und
weiterführenden Beitrag zu kritischen Überlegungen über unsere Gesellschaft zu leisten.
Bourdieus
zentraler
Forschungsgegenstand23
sind
die
Reproduktionsstrategien
der
verschiedenen Klassen und Klassenfraktionen, d.h. „ein Gesamtkomplex phänomenologisch
höchst unterschiedlicher Praktiken, mit deren Hilfe die Individuen und Familien unbewusst
wie bewusst ihren Besitzstand zu erhalten oder zu mehren und parallel dazu ihre Stellung
innerhalb der Struktur der Klassenverhältnisse zu wahren oder zu verbessern suchen“
(Bourdieu 1982: 210). Zwar resultieren die divergierenden Ungleichheitsdimensionen nicht in
einem Klassenbewusstsein oder gar in einer politischen Selbstorganisation, wirken aber
trotzdem strukturierend. Gerade weil die „sozialen Klassen“ als konstituierendes Merkmal
moderner
Gesellschaften
zunehmend
aus
dem
öffentlichen
Bewusstsein
und
sozialwissenschaftlichen Beschreibungen verschwinden (vgl. Eder 2001: 27), betont Bourdieu
die Notwendigkeit die objektiven Klassenstrukturen aufzudecken.
Zur Beschreibung der sozialen Lage von Individuen und Klassen verwendet Bourdieu den
Begriff des Kapitals. Er spricht von Klassen im objektiven Sinne, wenn Menschen über eine
ähnliche Quantität und Anordnung der Kapitalausstattung im sozialen Raum verfügen und
deswegen ähnliche Habitusformen und Lebensstile aufweisen. Der Analyse der Feinen
Unterschiede liegt eine Betrachtung objektiver Strukturen des sozialen Raumes zugrunde, der
sich nicht auf ökonomische Unterschiede beschränkt. Zum ökonomischen Kapital treten bei
Bourdieu ergänzend das kulturelle (oder Bildungskapital) sowie das soziale Kapital, womit er
die persönlichen Beziehungen und sozialen Kontakte beschreibt, über die eine Person verfügt
23
Für Informationen über das bildungs- und praxistheoretische Lebenswerk Pierre Bourdieus vgl. Egger,
Pfeuffer & Schultheis (1996).
36
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
(Bourdieu 1982).24 Damit gelingt es Bourdieu die Relevanz sozialer, kultureller und
ökonomischer Faktoren gleichzeitig zu berücksichtigen, jedoch immer unter der Annahme,
dass sich die Klassenlage primär auf die Stellung im Erwerbsprozess zurückführen lässt und
unter der Perspektive der wechselseitigen Transformation. „Die zu einem bestimmten
Zeitpunkt gegebene Verteilungsstruktur verschiedener Arten und Unterarten von Kapital
entspricht der immanenten Struktur der gesellschaftlichen Welt, d.h. der Gesamtheit der ihr
innewohnenden Zwänge, durch die das dauerhafte Funktionieren der gesellschaftlichen
Wirklichkeit bestimmt und über die Erfolgschancen der Praxis entschieden wird“ (Bourdieu
1983: 183).
Die relative Autonomie der Bildungssysteme macht es möglich, dass soziale Privilegien in
Bildungserfolg umgewandelt werden. Indem das Bildungssystem seine eigene akademische
Werthierarchie als einzig legitime durchsetzt, transformiert es die Gewalt der sozialen
Kräfteverhältnisse in symbolische Gewalt. Denn innerhalb des Bildungssystems vollzieht sich
die Reproduktion der Sozialordnung über die traditionelle Pädagogik, die einen bestimmten
Klassenhabitus - d.h. Dispositionssysteme, welche durch bestimmte Typen sozialer und
ökonomischer Verhältnisse verinnerlicht werden - voraussetzt.25 Der Habitus kommt in
Lebensstilen, Handlungen und Denkweisen zum Ausdruck, die zu Routinen verfestigt sind:
Erwerb und Reproduktion erfolgen größtenteils unbewusst. Die Lehre an Universitäten richtet
sich nur an jene, die implizit die Voraussetzungen für die Rezeption der angebotenen
Bildungsgüter besitzen, welche sie bereits im Familienmilieu erworben haben. Die
traditionelle Pädagogik stellt dabei ein wirksames Instrument zur Reproduktion der
privilegierten Klassenformation dar, weil die Angehörigen dieser Klasse den Code zur
Entschlüsslung der vermittelten Kulturgüter bereits durch die familiäre Sozialisation besitzen.
Zwar hat die Fachkulturforschung darauf hingewiesen, dass auch Sozialisationsprozesse an
der Hochschule einen gemeinsamen Fachhabitus ausbilden (vgl. Frank 1990; Engler 1994),
trotzdem unterstelle ich, dass sich die Studierenden und Promovierenden ihr Studium je nach
„mitgebrachtem“
Herkunftshabitus
unterschiedlich
aneignen,
dass
sie
also
über
habitusspezifische Zugänge zu Bildung verfügen. Meine Aufmerksamkeit gilt damit weniger
einem kurzfristig angeeigneten Fachhabitus, als vielmehr dem langfristig erworbenen
Klassenhabitus nach Bourdieu (Bourdieu 1982: 174f.), welcher sich in der Wahl für
24
Bourdieu argumentiert, dass das Kapital in drei Grundsorten (mit jeweils diversen Untersorten) auftritt,
nämlich als ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital (Bourdieu 1983). Grundsätzlich sind aber beliebig
viele symbolische Kapitalsorten denkbar, wie z.B. Schulkapital, Kapital an wissenschaftlicher Macht, Kapital an
wissenschaftlichem Prestige, Kapital an intellektueller Prominenz etc.
25
Zum Begriff des Habitus vgl. Bourdieu (1970) und Krais & Gebauer (2002).
37
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
unterschiedliche Studiengänge manifestiert (Bourdieu & Passeron 1971).
Indem ich die Bedeutung des Habitus für die Promotionsentscheidung betone, grenze ich
diese Arbeit zugleich von Perspektiven ab, die Erfolg oder Misserfolg im Studium entweder
vorrangig auf die finanzielle Situation der Eltern zurückführen, oder individuellen
Begabungen zuschreiben.26 Wesentlich ist hingegen, inwieweit der Habitus und die im Feld
der Hochschule herrschenden Anforderungen und Spielregeln aufeinander abgestimmt sind
und zusammenwirken. Es genügt nicht, über ökonomisches Kapital zu verfügen um im
Hochschulalltag zu bestehen.
Um die Konzeption meiner Untersuchung theoretisch darzulegen, ist genauer auf Bourdieus
Unterscheidungen der Kapitalsorten einzugehen. Unter den Begriff des ökonomischen
Kapitals zählt Bourdieu sämtliche Formen des materiellen Reichtums. Um das ökonomische
Kapital von Promovierenden näher zu bestimmen, wurden die Doktorandinnen und
Doktoranden nach dem Netto-Monatseinkommen der Eltern, der Finanzierung von Studium
und Promotion sowie dem beruflichen Status der Eltern befragt.
Das soziale Kapital beschreibt die relevanten persönlichen Kontakte über die eine Person
verfügt. Der Zugang zur Promotion wird im wissenschaftlichen Feld in der Regel von
Professoren reguliert. Insofern symbolisiert in diesem Fall der persönliche Kontakt zu
Professoren ein hohes soziales Kapital. Bisher liegen - meines Wissens nach - keine
Untersuchungen über die sozialen Beziehungen zwischen Professoren und Promovierenden
vor Beginn der Promotion vor. Um erste Aussagen über das soziale Kapital von
Promovierenden treffen zu können, wurden die Doktorandinnen und Doktoranden befragt, ob
bereits vor der Promotion persönliche Kontakte zu ihrem Doktorvater bestanden und wie
dieser Kontakt zustande gekommen ist. Soziales Kapital muss bekanntlich mühsam und
zeitintensiv erworben werden und die Akkumulation ist in hohem Maße abhängig vom
zugrunde
liegenden
Habitus.
Die
Untersuchung
wird
zeigen,
dass
gerade
im
wissenschaftlichen Feld soziales Kapital eine entscheidende Rolle spielt.
Das kulturelle Kapital hingegen folgt einer kulturellen Eigenlogik. Bourdieu unterscheidet
drei Zustände kulturellen Kapitals. Das kulturelle Kapital in objektiviertem Zustand
bezeichnet den Besitz von Büchern, Gemälden, Kunstwerken, Maschinen oder technischen
Instrumenten, wobei alle erwähnten Objekte auch einen ökonomischen Gegenwert besitzen.
Inkorporiertes kulturelles Kapital umschreibt „sämtliche kulturellen Fähigkeiten, Fertigkeiten
26
Kritische Anmerkungen zur „Vererbung von Intelligenz“ finden sich bei Flynn (2000) und Feldmann, Otto &
Christiansen (2000).
38
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
und Wissensformen, die man durch Bildung – freilich in einem sehr allgemeinen, nicht nur im
schulisch-akdademischen Sinne – erwerben kann“ (Schwingel 2003: 89). Diese Form
kulturellen Kapitals muss sich jeder Aspirant über individuelle Bildungsarbeit selbstständig
aneignen und ist dementsprechend personengebunden. Inkorporiertes kulturelles Kapital stellt
also einen Bestandteil der habituellen Dispositionen einer Person dar. Der dritte, für meine
Untersuchung maßgebliche Zustand, tritt bei Bourdieu als kulturelles Kapital in
institutionalisiertem Zustand auf - in Form von Bildungstiteln.
In Bourdieus Terminologie besteht die Wirkung des Schul- und Hochschulsystems in der
Produktion von Unterschieden: Unterschiede zwischen jenen, die über einen Titel verfügen
und jenen, die keinen besitzen; jenen, die mit einem seltenen, d.h. wertvollen Bildungspatent
ausgestattet
sind,
und
jenen
die
nur
minderwertige
erreichen.
Deswegen
sind
Bildungszertifikate, wie z.B. Abitur, Diplom, Promotion oder Habilitation als Besitztitel auf
kulturelles Kapital zu interpretieren. Bourdieu und seine Mitarbeiter interessieren dabei die
mit diesen Bildungstiteln verbundenen Zugangschancen zu unterschiedlichen sozialen
Positionen und Lebensformen. Bourdieu betont:
„Es ist von daher nur zwingend, sich zunächst dem sicherlich bestverborgenen Effekt der Institution Schule
zuzuwenden, der bei näherem Augenschein als Folge der Durchsetzung von Titeln, d.h. von
Schulabschlüssen und Bildungspatenten, erkennbar wird, als Spezialfall des Effekts der Statuszuweisung,
den – positiv als Auszeichnung, negativ als Stigmatisierung – jede Gruppe durch Zuweisung der
Individuen zu hierarchisch gestaffelten Klassen erzeugt“ (Bourdieu 1982: 48; Hervorhebungen im
Original).
Durch die Vergabe von hochwertigen Bildungstiteln wird die entsprechende Person zu einem
Mitglied des „Bildungsadels“ und verfügt über legitimiertes kulturelles Kapital.
Um Informationen über das kulturelle Kapital der Promovierenden zu gewinnen, wurde die
Bildungsherkunft der Eltern herangezogen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die
familiäre Frühsozialisation einen entscheidenden Einfluss auf die Aneignung des kulturellen
Kapitals hat. Nach Bourdieu ist davon auszugehen, dass die entscheidende erste habituelle
Prägung einer Person sichtbare Spuren, wie z.B. eine bestimmte sprachliche Ausdruckweise,
hinterlässt.
Wie bereits angedeutet, richten Bourdieu und seine Mitarbeiter ein Hauptaugenmerk auf die
Strategien
der
verschiedenen
Klassenfraktionen
im
Umgang
mit
Bildung,
der
klassenspezifischen Nutzung von Bildungsinstitutionen und auf das Verhältnis von
39
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Bildungsstrategien zu den üblichen Reproduktionsstrategien (Bourdieu, Boltanski, de Saint
Martin & Maldidier 1981). Sie vertreten die Ansicht, dass in modernen Gesellschaften durch
wirtschaftlichen Strukturwandel und der Expansion der Bildungssysteme, Bildungsstrategien
als Mittel der Reproduktion sozialer Positionen zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Dabei offenbaren sich zwei zentrale Funktionen moderner Bildungssysteme: Zum einen die
Reproduktionsfunktion, d.h. die Aufrechterhaltung der sozialen Klassenverhältnisse. Durch
„Vererbung“ von Bildungsprivilegien - also durch den Ausschluss bestimmter sozialer
Schichten vom tertiären Bildungssektor - reguliert das Bildungssystem den Zugang zu
sozialen Privilegien (Status, Macht, Einfluss, Einkommen) und sorgt für die Reproduktion der
bestehenden
Sozialordnung.
Zum
anderen
die
Legitimationsfunktion.
Der
„neue“
Reproduktionsmechanismus beinhaltet für die herrschende Klasse den Vorteil, dass er
aufgrund
seiner
nur
statistischen
Wirksamkeit
zur
Verschleierung
der
realen
Machtmechanismen beiträgt. Da das Bildungssystem prinzipiell jedem Schüler die gleichen
Chancen einräumt und es eine Vielzahl von Personen gibt, die ohne die „richtige“ Herkunft
eine erfolgreiche Karriere aufweisen können, ist die Selektivität der Reproduktion der
herrschenden Klasse oberflächlich nicht zu erkennen. Das Bildungssystem produziert also
Ideologien, z.B. Begabungs- und Chancengleichheitsideologien, die dafür sorgen, dass die
Reproduktion der sozialen Ordnung durch das Bildungssystem verhüllt bleibt.
Trotzdem schränkt der Weg über die exklusiven Bildungsinstitutionen die Macht der
herrschenden Schicht ein. Während die Familie bei der traditionellen Vererbung von
Reichtum, Status und Macht die Entscheidungen vollständig selbst kontrollieren konnte, muss
sie sich jetzt den Regeln des Bildungswesens als autonomes Feld unterwerfen. Die
Bildungsinstitutionen können ihren Beitrag zur Reproduktion nur leisten, wenn sie ihren
eigenen Regeln folgen und auch einzelne Mitglieder der herrschenden Klasse aufgrund
mangelnder Schulleistung „opfern“, die ein vollständig von der Familie kontrollierter
Reproduktionsmechanismus „verschonen“ würde (Bourdieu 1982). Schmeiser, der soziale
Abstiegsprozesse von Akademikerfamilien untersucht hat, spricht in diesem Zusammenhang
gar von einem „Reproduktionsdilemma“ (vgl. Schmeiser 2003). Statistisch gesehen bleibt der
Effekt aber gleich, d.h. die Reproduktion der herrschenden Klasse wird ebenso gesichert wie
durch einen direkten Machttransfer.
Bourdieu hat herausgearbeitet, dass die Ausweitung des Bildungswesens, und die damit stark
gestiegenen Zugangschancen für die Kinder ehemals ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen,
40
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
nur zu einer scheinbaren Chancengleichheit geführt haben. Denn in dem Maße, wie diese
Gruppen sich in ihren Reproduktionsstrategien auf die neue Situation eingestellt haben und
sich die Zahl der Schul- und Hochschulabgänger vervielfachte, sank der Wert der vergebenen
Titel und Diplome:
„[Es] kann der Schluss gezogen werden, dass ein Abschluss immer dann eine Abwertung erfahren haben
dürfte, wenn das zahlenmäßige Anwachsen der Stellen, zu denen die Abschlüsse anfangs der Periode
hinführten, nicht mit dem Ausstoß an Schul- und Hochschulabsolventen Schritt hielt. Alles scheint darauf
hinzuweisen, dass das Abitur und die darunter liegenden Abschlüsse am nachhaltigsten von der
Entwertung betroffen wurden“ (Bourdieu 1982: 224).
Die Konkurrenzkämpfe führen zu einer verstärkten Nachfrage nach exklusiven Bildungstiteln.
Diesen Effekt nennt Bourdieu „Distinktionsstrategien“. Je häufiger ein Titel einer bestimmten
Art vergeben wird, desto geringer wird sein symbolischer Wert. Um den Statusverlust, der mit
der Entwertung traditionell hoch angesiedelter Bildungsabschlüsse durch ihre massenhafte
Vermehrung einhergeht, zu entgehen, werden Zusatzqualifikationen bzw. -abschlüsse
erforderlich. Diese Entwicklung erfordert zur Wahrung der Position in der Struktur der
Klassenverhältnisse von allen Klassen eine Modifikation ihrer Reproduktionsstrategien.
Letztlich, so Bourdieu, kommt es lediglich zu einer Verlagerung der Bildungsstruktur nach
„oben“, nicht zu einer Veränderung der sozialen Ungleichheit (Bourdieu 1982: 263).
Bourdieu stellt fest, dass das Risiko von „Fehlinvestitionen“ für Angehörige der unteren und
mittleren Klassen wesentlich höher ist, als für Angehörige der herrschenden Klasse. Zum
einen fehlt Mitgliedern der unteren Klassen die „Vertrautheit“ mit den Einrichtungen des
Bildungssystems, so dass oftmals die zukünftige Entwicklung und der kommende Wert
bestimmter Bildungstitel falsch eingeschätzt werden. Zum anderen fehlt ihnen das nötige
ökonomische und kulturelle Kapital um auf ungewisse Bildungserträge warten zu können
(vgl. Bourdieu 1981: 179).
Bourdieus bildungssoziologische Analysen (vgl. Bourdieu & Passeron 1971) münden in den
Werken über das französische Hochschulwesen: Homo Academicus (1988), und Der
Staatsadel (1989/2004). In diesen Werken vollzieht er einen Bruch mit der naturalistischen,
substantialistischen Vorstellung von Eliten (oder einer herrschenden Klasse), und verweist auf
die „Felder der Macht“. Für eine intensive Auseinandersetzung mit Bourdieu in dieser Arbeit
spricht, dass dort ein methodologisch klar umrissenes und sozialtheoretisch ausgearbeitetes
Programm vorliegt, in dessen Rahmen akademische und soziale Phänomene in einem
41
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
gemeinsamen Sinnzusammenhang beschrieben, erklärt und analysiert werden können. Dazu
führt Bourdieu in einem Gespräch mit Wacquant aus:
„Man kann und man muss Homo academicus als ein Programm zur Erforschung jedes beliebigen
akademischen Felds lesen. Der amerikanische (oder japanische, brasilianische, deutsche usw.) Leser nämlich
kann diese Arbeit der Übertragung mit einem einfachen Gedankenexperiment ausführen und durch
analogische Schlussfolgerungen eine Menge über sein eigenes berufliches Universum herausbekommen.
Natürlich kann dieses Gedankenexperiment eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung des jeweiligen
wissenschaftlichen Feldes nicht ersetzen.“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 106).
3.4 Die Promotion in der Konzeption von Pierre Bourdieu
Für Bourdieu spielen Elitebildungseinrichtungen - insbesondere Eliteuniversitäten - eine
zentrale Rolle zur Reproduktion der gesellschaftlichen Klassenstruktur in Frankreich. Die
wesentliche Funktion dieser Elitehochschulen, deren exklusiver Charakter aufgrund ihrer
spezifischen Strukturen und strengen Zulassungsbedingungen von der Bildungsexpansion
größtenteils unberührt geblieben ist, besteht darin, eine gesellschaftlich allgemein anerkannte
Elite zu produzieren (vgl. Hartmann 2004: 94; Bourdieu 1982, 1991). Die Abschlüsse dieser
Institutionen werden sozusagen zu einer Art „Zugangsberechtigung“ zu den Spitzenpositionen
der französischen Gesellschaft. Damit die Reproduktion der herrschenden Klasse durch den
Erwerb exklusiver Bildungstitel gewährleistet werden kann, müssen allerdings die Grandes
Écoles die erforderliche soziale Selektivität aufweisen, um glaubhaft vermitteln zu können,
dass Absolventen dieser Einrichtungen der herrschenden Klasse auch wirklich angehören.27
Vergleichbare soziale Reproduktionsmuster lassen sich auch für Großbritannien, Japan und
den USA finden (vgl. Hartmann 2001: 164-176; 2004: 109-136).
„Alles in allem lässt sich als Resümee festhalten, dass aufgrund des sehr großen Gewichts, das dem Besitz
exklusiver Bildungstitel für die Besetzung von Spitzenpositionen in der Wirtschaft in den drei Ländern
[Frankreich,
USA
und
England,
Anm.
d.
Verf.]
zukommt,
die
dort
existierenden
Elitebildungseinrichtungen die entscheidende Rolle bei der sozialen Auslese der Kandidaten für das
Spitzenmanagement spielen. Sie sorgen durch ihre außerordentliche selektiven Aufnahmebedingungen
dafür, dass der Nachwuchs der classe dominante bzw. der upper class bei der Vergabe der von ihnen
monopolisierten exklusiven Bildungstitel und damit letztendlich auch bei der Vergabe von
27
Tatsächlich entstammt die überwiegende Mehrheit der Studenten an den Grandes Écoles dieser Klasse (vgl.
Bourdieu 1982). Für Informationen über die selektiven Aufnahmeverfahren an amerikanischen Eliteuniversitäten
vgl. Karabel (2005).
42
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
Spitzenpositionen in den großen Unternehmen die Nase vorn hat.“ (Hartmann 2001: 176,
Hervorhebungen im Original).
Im Gegensatz dazu gab (und gibt) es in Deutschland bisher keine nennenswerten
Elitebildungseinrichtungen, weder auf schulischer noch auf universitärer Ebene.28 Einzig der
Doktortitel scheint die nötige Exklusivität zu besitzen, um einen entscheidenden Vorteil
gegenüber konkurrierenden Klassenformationen um gesellschaftliche Spitzenpositionen zu
gewährleisten.29
Im Folgenden werden vier Thesen vorgestellt, welche aufzeigen, dass es sinnvoll ist die
Untersuchung von Promovierenden anhand Bourdieus Theorie der sozialen Praxis zu führen:
1. Eine Promotion ist mit einer besonderen Privilegierung in den Berufschancen verbunden.
Das heißt, die Promotion ist nicht in den Sog der allgemeinen Ausweitung und Abwertung von
Bildungstiteln geraten, sondern hat seine traditionell herausragende Stellung im deutschen
Bildungssystem bewahren können.
Infolge der Bildungsexpansion seit Mitte der achtziger Jahre sinkt der Wert von Diplomen
und Magisterprüfungen. Um also den symbolischen Wert eines Hochschulabschlusses zu
erhalten, muss laut Bourdieu auf seltenere und höher bewertete Bildungstitel ausgewichen
werden. Hilke Rebenstorf verweist in ihren Beiträgen zur Potsdamer Elitenstudie auf die
Tatsache, dass die Bildungsexpansion bei den aus den Familien von größeren Unternehmern,
akademischen Freiberufen sowie leitenden Angestellten und Beamten stammenden
Angehörigen der Eliten, in den letzten eineinhalb Jahrzehnten einen Trend zum verstärkten
Erwerb des Doktortitels ausgelöst habe (Rebenstorf 1997: 144-149).
Andere empirische Studien zeigen, dass eine Promotion besonders geeignet ist, den Zugang
zu gesellschaftlichen Spitzenpositionen zu ermöglichen. Obwohl Promovierte nur einen sehr
kleinen Anteil der Hochschulabsolventen stellen, sind sie weit überproportional unter den
Mitgliedern der Elite vertreten. Neben der Wissenschaft, in der ein Doktortitel unverzichtbar
28
Deutsche Privathochschulen, wie beispielsweise die European Business School (gegründet 1971), WittenHerdecke (1980), die Otto Beisheim School of Management (1984), die Bucerius Law School (2000), die
Zeppelin University (2003) oder die International University Bremen (2004) weisen allerdings ersten elitären
Charakter auf. Es sei auch auf die Existenz elitärerer Internate, wie zum Beispiel Schloss Salem oder das Kolleg
St. Blasien, verwiesen. Für die Untersuchung spielen diese jedoch (noch) keine Rolle.
29
Vgl. auch Ben-David (1977: 59-67). Ben-David argumentiert, dass der deutsche Doktortitel mit den
exklusiven Bildungsabschlüssen der ausländischen Elitebildungseinrichtungen mithalten kann.
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
43
ist, gilt dies insbesondere für die Wirtschaft, wo knapp die Hälfte der Topmanager promoviert
hat (vgl. Hartmann 2001: 180). Auch scheint eine Karriere mit Doktortitel durchaus üblich in
der höheren Justiz und in der Politik (Hartmann 2004: 23).30
Daher stellt sich die Frage, ob der höchste deutsche Bildungstitel seine herausragende
traditionelle Position im Bildungssystem bewahren konnte oder ob die Promotion in den Sog
der allgemeinen Ausweitung und damit Abwertung von Bildungstiteln geraten ist. Mit dieser
Fragestellung beschäftigt sich das vierte Kapitel.
2. Die Wahrscheinlichkeit einen Doktortitel zu „erwerben“ beruht nicht auf der individuellen
Leistungsfähigkeit oder persönlichen Qualifikation, sondern wird maßgeblich durch die
ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen des Elternhauses determiniert. Das
heißt, die Promotion muss als ein Mechanismus zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten
verstanden werden.
Sollten die Annahmen der funktionalistischen Bildungssoziologie zutreffend sein, müssten
alle Universitätsabsolventen relativ die gleichen Chancen auf eine Promotion besitzen.
Mithilfe der „meritokratischen Leitfigur“ sozialer Gleichheit und dem daraus abgeleiteten
(scheinbar) freien Wettbewerb um gleiche Bildungschancen, ist es gar gelungen, die
Reproduktion ungleicher Bildungschancen in modernen, westlichen Gesellschaften zu
institutionalisieren und zugleich zu legitimieren (vgl. Solga 2005).
Folgt man hingegen den Bourdieuschen Überlegungen zur Attraktivität einer Promotion für
die Karriereaussichten und zieht man die zahllosen Hürden im deutschen Bildungssystem in
Betracht, mit welchen der Nachwuchs der breiten Bevölkerung bis in die Universität
konfrontiert ist, wäre zu erwarten, dass der Doktortitel die stärkste soziale Selektivität unter
allen deutschen Bildungstiteln aufweist.
Die soziale Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden wird Gegenstand des fünften
Kapitels sein.
30
Hartmann behauptet zwar, dass der Promotion in der Politik keine große Bedeutung zukommt (vgl. Hartmann
2004: 23). Trotzdem besitzen im 16. Bundestag 113 von 614 Mitgliedern einen Doktortitel, was einem Anteil
von immerhin 18,4 % entspricht (Bundestag 2006).
44
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
3. Die Ungleichheit der Bildungschancen manifestiert sich in der Einschränkung der Studienbzw. Promotionsfachwahl. Das heißt, die soziale Herkunft beeinflusst nicht nur die
Entscheidung zur Promotion, sonder prägt auch die Wahl für eine bestimmte
Studienfachrichtung.
Bourdieu und Passeron haben aufgezeigt, dass die Studienfächer in einer hierarchischen
Ordnung zueinander stehen, die der Strukturiertheit der sozialen Ungleichheit in der
Gesellschaft entspricht, und dass ein systematischer Zusammenhang zwischen der Wahl der
Studien- und Promotionsfächer, dem Studienverhalten und der sozialen Herkunft besteht. Sie
schreiben:
„Zweifellos drückt sich auf Hochschulniveau die ursprüngliche Ungleichheit der Bildungschancen vor
allem in der Tatsache aus, dass die verschiedenen sozialen Klassen sehr ungleich vertreten sind. Es muss
hinzugefügt werden, dass der relative Studentenanteil diese Ungleichheit nur partiell widerspiegelt, da die
an der Hochschule am stärksten vertretenen Klassen in der aktiven Bevölkerung am schwächsten vertreten
sind […] Die […] Statistik zeigt, dass das Schulsystem objektiv eine um so totalere Eliminierung
vornimmt, je unterprivilegierter die Klassen sind. Seltener dagegen werden die verborgeneren Formen zur
Kenntnis genommen, in denen sich die Ungleichheit der Bildungschancen manifestiert, wie beispielsweise
die Abdrängung der Kinder aus den unteren und mittleren Klassen auf bestimmte Fakultäten und die
Verlängerung der Unsicherheit im Studiengang“ (Bourdieu & Passeron 1971: 20).
In eben diesem Zusammenhang erfüllen die exklusiven Grandes Écoles für Bourdieu neben
der Reproduktion der herrschenden Klasse noch eine weitere Aufgabe. Durch die
fachspezifische Differenzierung in verschiedene Typen (von geisteswissenschaftlich
orientierten
Écoles
bis
zu
eindeutig
wirtschaftswissenschaftlich
ausgerichteten
Eliteeinrichtungen) lösen sie das zusätzliche Problem der internen Gliederung der
herrschenden Klasse. Durch die unterschiedliche Attraktivität für die verschiedenen Gruppen
der herrschenden Klassen, garantieren die verschiedenen Grandes Ècoles ein relativ hohes
Maß an sozialer Homogenität innerhalb dieser. Entscheidend ist, dass auf diese Weise den
Kämpfen zwischen den zwei großen Teilen der herrschenden Fraktion - bei den einen
dominiert das ökonomische Kapital, die anderen beherrschen überwiegend das kulturelle
Kapital – die Schärfe genommen wird und sie in geregelte Bahnen lenkt. Der „Streit der
Fakultäten“ wird ebenfalls im fünften Kapitel erarbeitet und in einem theoretischen Exkurs
erweitert.
3. Bildungssoziologische Vorüberlegungen
45
4. Die soziale Ungleichheit im Zugang zur Promotion wird in besonderem Maße durch das
soziale Kapital im wissenschaftlichen Feld reguliert. Das heißt, ökonomisches und kulturelles
Kapital reichen alleine nicht aus, um den Zugang zur Promotion zu gewährleisten.
Die Analyse der Daten lieferte deutliche Hinweise darauf, dass für die befragten
Doktorandinnen und Doktoranden neben ökonomischen und kulturellen Ressourcen
persönliche Kontakte und Beziehungen eine enorme Rolle bei der Aufnahme als
Promovierende spielten. Zu einem vergleichbaren Befund kamen bereits Bourdieu, Boltanski
und Saint Martin (1981: 144). Um diese Beobachtung angemessen erklären zu können, war es
nötig, den theoretischen Fokus der Untersuchung nochmals um ein Element der
Bourdieuschen Gesellschaftsanalyse zu erweitern: Der Feldtheorie. Diese Erweiterung wird –
um den Lesefluss nicht zu stören – am Ende des vieren Kapitels vorgenommen.
Kapitel 4
Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
4.0 Argumentationsskizze
Wurde im vorangegangenen Kapitel - empirisch und theoretisch - aufgezeigt, dass das
Bildungssystem einen immanenten Beitrag zur Reproduktion der Klassenbeziehungen leistet,
werden in diesem Kapitel die strukturellen Rahmenbedingungen von Promovierenden in
Deutschland erläutert. Dabei wird sich zeigen, dass eine Analyse der Situation von
Doktorandinnen und Doktoranden nur Sinn machen kann, wenn man sich der Autonomie des
wissenschaftlichen Feldes bewusst wird. Die Argumentation verläuft dabei in vier Schritten.
Zunächst werden die verschiedenen Phasen der Hochschulentwicklung dargestellt, welche
den strukturellen Rahmen für die Rekrutierung wissenschaftlichen Personals und damit auch
für Doktorandinnen und Doktoranden bilden. Die jetzige Situation von Promovierenden lässt
sich nur schwierig ohne diesen historischen Exkurs begreifen.
Um die Frage nach der Exklusivität von Doktortiteln zu klären wird im zweiten Abschnitt die
zahlenmäßige Entwicklung der Promotionsabschlüsse dargestellt. Es wird gezeigt, dass die
Promotion in Deutschland ihre exklusive Stellung hat bewahren können.
Der Wert eines Doktortitels im beruflichen Verwertungsprozess wird im dritten Abschnitt
herausgearbeitet. Dabei muss ausführlich auf den Funktionswandel im Bezug auf die
wissenschaftliche Qualifizierung eingegangen werden. Galt die Promotion traditionell der
Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses, so streben Doktorandinnen und
Doktoranden heute überwiegend außeruniversitäre Karrieren an. Unabhängig von der
weiteren
Karriereplanung
betreten
Doktorandinnen
und
Doktoranden
aber
das
wissenschaftliche Feld. In einem Exkurs wird verdeutlicht, dass das wissenschaftliche Feld
nach Bourdieu eine autonome soziale Welt darstellt, welche feldspezifische Zwänge und
48
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
Regeln konstruiert. Daher muss diese Überlegung auf analytischer Ebene berücksichtigt
werden.
In einem vierten Abschnitt werden dann die gewonnenen Einsichten in das Bourdieusche
Feldverständnis inhaltlich konkretisiert. Dabei wird sich anhand meiner Daten zeigen, dass
die Regeln des wissenschaftlichen Feldes auch für Doktorandinnen und Doktoranden gelten.
Das Kapitel schließt mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse.
4.1 Strukturelle Entwicklung der Promotion nach 1945
Die fundamentalen Veränderungen im deutschen Bildungswesen - wie sie im dritten Kapitel
skizziert wurden - werfen die Frage auf, inwieweit auch die Promotion von diesem Wandel
betroffen ist. Konnte der höchste deutsche Bildungstitel seine herausragende traditionelle
Position im Bildungssystem bewahren, oder ist die Promotion gleichfalls in den Sog der
allgemeinen Ausweitung und damit Abwertung von Bildungstiteln geraten? Zur Klärung
dieser Frage bedarf es daher zunächst einer detaillierten Darstellung der historischen Stellenund Personalentwicklung im universitären Umfeld.
Die quantitative und strukturelle Entwicklung der wissenschaftlichen Mitarbeiter in den
vergangenen sechzig Jahren kann nach Jürgen Enders grob in vier Entwicklungsphasen
unterteilt werden (vgl. Enders 1996: 60-79):
1.) die Phase des Wiederaufbaus und der Restauration bis zum Ende der fünfziger Jahre,
welche zunächst scheinbar bruchlos an die Strukturen vor 1933 anknüpfte;
2.) die Phase der Expansion des Bildungs- und Hochschulwesens und der personellen
Kapazitäten der Universitäten bis in die Mitte der siebziger Jahre hinein. Diese Phase
scheint – wie zu zeigen sein wird – im Hinblick auf die soziale Rekrutierungsbasis des
wissenschaftlichen Personals auch durch eine soziale Öffnung der Professorenschaft
und des wissenschaftlichen Nachwuchs für bildungsferne Schichten gekennzeichnet
zu sein, während Frauen kaum stärkeren Zugang zu universitären Positionen fanden;
3.) die Phase des Endes des Hochschulausbaus und eine relative Stagnation;
4.) die Phase verhaltenen Wachstums und einer Strukturverfestigung. Diese Phase ist
gekennzeichnet durch ein wieder Erstarken der professoralen Vormachtstellung, eine
49
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
wiederum zunehmende personelle Expansion des akademischen Mittelbaus sowie eine
stärkere soziale Schließung der Professorenschaft gegenüber bildungsfernen
Schichten.
Die Entwicklungsphasen überschneiden und überlagern sich zum Teil wechselseitig und
lassen sich deswegen nicht immer eindeutig voneinander trennen. Probleme der
Hochschulstatistik, die sich zudem in unterschiedlicher Weise in verschiedenen Phasen der
Stellen- und Personalentwicklung niedergeschlagen haben, erschweren die Darstellung
quantitativer Trends ebenso, wie die teilweise nicht konsistente Erfassung verschiedener
Phasen der Promotionsentwicklung.31
Restauration und Wiederaufbau
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden bis in die fünfziger Jahre hinein die
Universitäten wieder aufgebaut und zum Teil sowohl fachlich (durch den Aufbau neuer
Fakultäten) als auch institutionell (durch erste Gründungen neuer Hochschulen) erweitert.
Den Hochschulen wurde ein hohes Maß an Autonomie zugestanden und die Einheit von
Forschung und Lehre wurde bestätigt. Die Zahl der Lehrstühle stieg in dieser Phase des
Wiederaufbaus zwischen 1949 und 1960 um 43% (Enders 1996: 60). Die Mitte der fünfziger
Jahre publizierte Göttinger Hochschullehrerstudie hat diese Phase der Hochschul- und
Personalstrukturentwicklung grundlegend beleuchtet und dokumentiert. Erstmalig wurden in
diesem Zusammenhang die Entwicklungslinien und Strukturprobleme des „akademischen
Nachwuchses“ thematisiert (vgl. Plessner 1956).
Expansion und Differenzierung
Die wachsende Nachfrage nach Hochschulbildung, die zunehmende Betonung der
Mobilisierung der Bildungsreserven für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche
Entwicklung,
die
soziale
Öffnung
des
Hochschulzugangs
und
die
wachsenden
Bildungsaspirationen nicht-akademischer Schichten mündeten in den sechziger Jahren in
31
Zu Fragen der Entwicklung und Reichweite der diesbezüglichen Bundesstatistiken vgl. Wissenschaftsrat
(1982); Köhler (1984, 1992); Bochow & Joas (1987). Einen Überblick über die politische Diskussion und die
gesetzlichen Rahmenregelungen der Promotion bis 1985 findet sich bei Czock & Wildt (1985: 17-28).
50
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
einen deutlichen Ausbau der bestehenden Universitäten und der Gründung neuer
Hochschulen. Die Zahl der Planstellen32 (vgl. Anhang: Tabelle 2) für das wissenschaftliche
Personal an Universitäten betrug 1960 etwa 13.000, stieg bis 1965 auf 27.000 (+ 108% in fünf
Jahren), bis 1970 weiter auf 38.900 (+ 44%), sowie auf 54.300 im Jahr 1975 (+ 40%).
Insgesamt erhöhte sich der Planstellenbestand an Universitäten in einem Zeitraum von
fünfzehn Jahren um 318 Prozent, wobei sich die Anzahl der Professoren und
wissenschaftlichen Mitarbeiter in etwa gleicher Größenordnung vermehrte.
Das wissenschaftliche Personal an den deutschen Universitäten (vgl. Anhang: Tabelle 3)
verfünffachte sich zwischen 1960 und 1975 von 9.947 auf 52.573 hauptberuflich angestellte
Akademiker. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der Professoren von 3.939 auf 14.893 (was
einem Plus von 378% entspricht). Deutlich stärker aber wurde die Expansion des nichtprofessoralen Sektors vorangetrieben. Durch Stellenteilungen und vermehrte externe
Finanzierungsmöglichkeiten stieg die Zahl der im Mittelbau Beschäftigten zwischen 1960 und
1975 von 6.008 auf 37.680 (+ 435%). Damit übertraf die personelle Expansion im
Hochschulwesen die Entwicklung der Planstellenzahlen bei weitem.
Zeitgleich zur expansiven Phase der Personalentwicklung in den sechziger Jahren (1960 bis
1975) ergab sich auch ein deutlicher Anstieg der Promotionen (+ 67%) und Habilitationen (+
126%). Die personelle Expansion betraf im Prinzip alle Fächer, allerdings in unterschiedlicher
Weise. In der Zeit von 1960 bis 1975 verzeichneten die Geisteswissenschaften sowie die
Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die größten Zuwachsraten in Mittelbau- und
Nachwuchsbeschäftigung. In den naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen
Fächern, die bereits zu Beginn der Hochschulexpansion über einen vergleichsweise breiten
wissenschaftlichen Unter- und Mittelbau verfügten, expandierten die Beschäftigungszahlen
nicht-professoraler
Wissenschaftler
weniger
stark,
als
in
den
geistes-
und
sozialwissenschaftlichen Fächern (Enders 1996: 65).
Zu Recht verweist Enders auf den Mangel an systematischen und übergreifenden
Untersuchungen zu Fragen der sozialen Herkunft der Hochschullehrerschaft und ihrer
32
Es muss unterschieden werden zwischen der Anzahl der Planstellen und der Anzahl des wirklichen
Personalbestandes. Bei der Ermittlung der Planstellen bleiben Drittmittel finanzierte Wissenschaftler
unberücksichtigt. Außerdem werden Mehrfachbesetzungen von Stellen nicht mehrfach gezählt. Die Ermittlung
des Personalbestandes hingegen basiert auf Personalzählungen, unabhängig von der Art der Stelle (volle oder
geteilte Stelle) und ihrer Finanzierung (Haushalt oder Drittmittel). Für die weitere Untersuchung sind die Zahlen
des Personalbestandes von größerer Bedeutung. Trotzdem dokumentiert die Entwicklung der Planstellenzahlen
eindrucksvoll das gesteigerte gesellschaftliche Interesse an Hochschulbildung in den siebziger Jahren.
51
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
Veränderung im Zuge der Hochschulexpansion während dieser Phase. Während Bourdieu die
französische Situation im Hinblick auf die „Morphologie des Lehrkörpers“ durch die
Hochschulexpansion ausführlich untersuchte (Bourdieu 1988), lassen sich für Deutschland
wenig Aussagen über die soziale Mobilität von Hochschullehrern treffen. Trotzdem können
als Indiz für die soziale Öffnung der Professorenschaft folgende Zahlen angeführt werden:
Zwischen 1956 und 1977 hat sich der Anteil der Professoren aus einem akademischen
Elternhaus von 44% auf 36% reduziert. Diese Veränderung betreffen die verschiedenen
Fächer allerdings in durchaus unterschiedlichem Maße, weshalb die angesprochene
Hierarchie der Disziplinen im Hinblick auf das ererbte kulturelle Kapital eines akademischen
Herkunftsmilieus
innerhalb
der
Lehrkörperschaft
gewahrt
wurde:
In
den
Rechtswissenschaften stammte Mitte der siebziger Jahre mehr als die Hälfte aus
Akademikerfamilien.
In
der
Medizin
nahezu
die
Hälfte,
gefolgt
von
den
geisteswissenschaftlichen sowie den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen,
deren Lehrkörper sich zu etwa einem Drittel aus einem akademischen Herkunftsmilieu
rekrutierten. Schlusslicht bildeten die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die etwa zu
einem Viertel aus einem akademischen Elternhaus stammten (vgl. hierzu Enders 1996: 68).
Die Vertretung nicht-akademischer Schichten innerhalb der Professorenschaft weist in der
Phase der Bildungsexpansion eine steigende Tendenz auf. Zusammenfassend lässt sich daher
festhalten, dass von einer sozialen Öffnung der Professorenschaft gegenüber einem nichtakademischen Herkunftsmilieu im Zuge der Hochschulexpansion gesprochen werden kann.
Strukturreform und Stagnation
Der etwa fünfzehn Jahre währende Zeitraum sprunghafter Vermehrung der wissenschaftlichen
Mitarbeiter an deutschen Hochschulen fand Mitte der siebziger Jahre ein Ende und der
personelle Ausbau der Universitäten kam zum Stillstand (vgl. Czock & Wildt 1985: 21). Die
Gesamtzahl der Stellen für wissenschaftliches Personal stagnierte zwischen 1975 und 1980 in
den nicht-medizinischen Bereichen und war in der ersten Hälfte der achtziger Jahre sogar
leicht rückläufig. Gleichzeitig stagnierte die Zahl der Habilitationen. Die Zahl der
Promotionen hingegen nahm, nach einer rückläufigen Tendenz in der zweiten Hälfte der
siebziger Jahre, seit Anfang der achtziger Jahre zu (Enders 1996: 70).
52
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
Verhaltenes Wachstum und Strukturfestigung
Nach dieser Phase des geringen Wachstums der universitären Personalkapazitäten lässt sich
seit Mitte der achtziger Jahre wiederum ein deutlicher Anstieg der Zahl der an den
Universitäten hauptberuflich tätigen nicht-professoralen Wissenschaftler (+ 31%) beobachten,
dem nur geringfügige Veränderungen der Professorenzahlen (+ 2%) gegenüberstehen. D.h.,
die Relation zwischen diesen beiden Gruppen verschiebt sich deutlich zugunsten des
Mittelbau- und Nachwuchsbereiches. Besonders deutlich expandiert die Beschäftigung nichtprofessoraler Wissenschaftler nach 1985 in den Naturwissenschaften. Diese Entwicklung lässt
sich in gemäßigter Form auch in den Ingenieurwissenschaften, sowie in den Agrar-, Forstund Ernährungswissenschaften nachvollziehen (vgl. Enders 1996: 72).
Die Zahl der nicht-professoralen Wissenschaftler überstieg Ende der achtziger Jahre nunmehr
deutlich die vorgesehenen Stellenkapazitäten der Universitäten. Während 1970 den insgesamt
26.200 Stellen für nicht-professorale 30.829 Beschäftigte gegenüber standen, wurden 1980
für 22.300 Stellen 41.083 Beschäftigte ausgewiesen. 1990 schließlich standen den 34.700
Stellen in Mittelbau und Nachwuchsförderung 54.413 Beschäftigte gegenüber.
Die Darstellung der weiteren Stellenentwicklung gestaltet sich - bedingt durch die
Wiedervereinigung und den daraus resultierenden extremen Schwankungen - als äußerst
schwierig. Dabei trägt die Ausweitung der Forschung aus Mitteln Dritter, die veränderte
Hochschulgesetzgebung zur Befristung von Angestelltenverhältnissen mit nicht-professoralen
Wissenschaftlern und die Umwandlung von Stellen zu diesem deutlichen Wachstum im
Mittelbaubereich, insbesondere durch die Vermehrung befristeter Angestelltenverhältnisse
mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, bei.33 Daher seien nur die jüngsten bekannten Zahlen
angeführt: Im Jahr 2003 stehen den 118.102 nicht-professoralen Mitarbeiten 68.338 Stellen
zur Verfügung (BMBF 2005: Grund- und Strukturdaten). Die Zahl der „Köpfe“ übersteigt
also die Zahl der Stellen 2003 um etwa 60%.
Laut Enders und Teichler hat seit Mitte der siebziger Jahre keine weitere soziale Öffnung der
Lehrkörperschaft für bildungsferne Schichten stattgefunden. Vielmehr hat sich der Anteil der
Universitätsprofessoren aus Akademikerelternhäusern bis Anfang der neunziger Jahre wieder
33
Für eine umfassende Untersuchung von Promovierenden ist von gesteigerten Interesse, dass Mitte der
neunziger Jahre das System der Nachwuchsförderung um ein strukturell neuartiges Element, die
Graduiertenkollegs, deren Konzeption vom angloamerikanischen Modell eines postgradualen
Promotionsstudiums beeinflusst wurde, erweitert wurde.
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
53
erhöht. Die Autoren ermittelten in einer 1992 durchgeführten Repräsentativbefragung des
wissenschaftlichen Personals einen Anteil von 49 Prozent aus Akademikerelternhäusern unter
den Universitätsprofessoren (gegenüber 36% Mitte der siebziger Jahre). Dabei fällt die
verstärkte Rekrutierung des Lehrkörpers aus akademischen Schichten wesentlich deutlicher
aus, als allein aufgrund der nachholenden Niveaueffekte der sozialen Zusammensetzung der
Studentenschaft, aus der sich die Professorenschaft rekrutiert, zu folgern wäre (vgl. Enders &
Teichler 1995a). Zusammenfassend urteilt Enders: „Man mag dies als Hinweis darauf deuten,
dass in einer Phase relativer Schließung des universitären Arbeitsmarktes und verschärfter
Nachwuchskonkurrenz die Nähe des akademischen Herkunftsmilieus zum universitären Feld
und der Besitz an kulturellen Kapital bei der Rekrutierung des Lehrkörpers insgesamt gesehen
wieder an Bedeutung gewinnt“ (Enders 1996: 74).
Betrachtet man die Veränderungen der Bildungsherkunft für die Fächer seit Mitte der
siebziger Jahre, zeigen sich für die Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften
vergleichsweise geringfügige Veränderungen der sozialen Zusammensetzung; in den
Sozialwissenschaften, den Naturwissenschaften sowie den Ingenieurwissenschaften, vor
allem aber in der Medizin zeigt sich ein Anstieg des Anteils der Universitätsprofessoren aus
Akademikerfamilien:
„Die beiden letzteren [Ingenieurwissenschaften und Medizin, d. Verf.] bleiben die Fächer mit dem größten
Beitrag zur Reproduktion eines bereits erreichten hohen familialen Status. Demgegenüber werden vor allem
die Erziehungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, aber auch die sozialwissenschaftlichen
Fächer häufiger für einen Bildungs- und damit verbundenen Statusaufstieg genutzt. Wie die
diesbezüglichen Ergebnisse der Studentenforschung zeigen [vgl. Köhler 1992, Anm. d. Verf.] spiegeln sich
hierin unterschiedliche Verhältnisse der Fächer, wie sie sich schon für die Bildungsherkunft ihrer
Studierenden beobachten lassen. Insofern leistet die Studienfachwahl einen nicht unwesentlichen Beitrag
zur sozialen Reproduktion der Fächer und ihres jeweiligen Lehrkörpers“ (Enders 1996: 75).
Die hier dargelegte Fächerrangfolge im Bezug auf die Reproduktion des sozialen Status mag
– im Vergleich zu Bourdieu – überraschen. An späterer Stelle (vgl. Kap. 5.3) wird die
Hierarchie der Fächer daher ausführlich thematisiert. Die gegenwärtige Situation von
Promovierenden lässt sich nicht ohne diesen historischen Exkurs begreifen. Institutionelle
Rahmenbedingungen regulieren die Möglichkeiten und Attraktivität der Promotion. Bevor
aber eine ausführliche Diskussion über die Reproduktionsmechanismen, welche der
Promotion zugrunde liegen, begonnen werden kann, muss noch die Entwicklung des
Doktortitels systematisch dargestellt werden.
54
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
4.2 Quantitative Entwicklung des Doktortitels
Deutschland kann mit etwa 25.000 abgelegten Doktorprüfungen pro Jahr die meisten
Promotionen in Europa vorweisen. Es folgen Großbritannien mit etwa 14.000 und Frankreich
mit etwa 11.000 Doktorprüfungen (OECD 2002).
Prinzipiell muss davon ausgegangen werden, dass der kontinuierliche Anstieg höherer
Bildung in der Gesellschaft zu einer massiven „Entwertung“ von Bildungstiteln in der
Bedeutung für die individuelle (Berufs-) Biographie führt. Daher ist eine höhere Zahl von
abgelegten Promotionsprüfungen als Hinweis für eine Entwertung des Doktortitels zu deuten.
So führen Bourdieu und Mitarbeiter aus:
„Weil ein universitärer Grad sich in demselben Maße entwertet, in dem die Zahl seiner Inhaber wächst,
kann er den Besitzern eines Bildungstitels, der vorher keinen Zugang zu diesen [Hochschullehrer, Anm. d.
Verf.] Positionen gewährte – zumindest nicht im gleichen Grade und in gleichem Alter -, nur einen
relativen Wertzuwachs bringen“ (Bourdieu, Boltanski & Maldidier 1981: 129).
Betrachtet
man
zunächst
die
absolute
Entwicklung
der
abgeschlossenen
Promotionsprüfungen, so ähnelt sie in der Tendenz (mit Ausnahme der 1960er) der - in
Kapitel 3.2 dargestellten - allgemeinen Entwicklung der Studentenzahlen (vgl. Abbildung 4).
Während in der ersten Hälfte der 60er Jahre ein massiver Einbruch um 40 Prozent der
Promotionsprüfungen zu verzeichnen war, begannen in der zweiten Hälfte die Veränderungen
der einsetzenden Hochschulexpansion zu wirken. In nur fünf Jahren, zwischen 1965 und
1970, verdreifachte sich die absolute Zahl der Promotionen an deutschen Hochschulen von
3.321 auf 9.728 und stieg seitdem kontinuierlich auf 23.138 im Jahr 2004 an. Die Promotion
verliert also offenbar an Exklusivität, das aber vergleichsweise langsam und nur in
begrenztem Umfang.
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
55
Abbildung 4: Entwicklung der Promotionsprüfungen von 1953 bis 2004
25000
20000
15000
10000
5000
0
1953 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1992 1999 2000 2004
Quelle: Statistisches Bundesamt (1980-2005).
Denn betrachtet man anstelle der absoluten Anzahl abgeschlossener Promotionen die relative
Promotionsquote (vgl. Abbildung 5), d.h. abgeschlossene Promotionsprüfungen im Verhältnis
zur Gesamtzahl der Studierenden, zeigt sich überraschenderweise ein konträres Bild. Der
dramatischen Zunahme zwischen 1965 und 1970, bedingt durch den enormen Ausbau der
Bildungssysteme, steht ein kontinuierlicher Rückgang der relativen Promotionsquote
gegenüber.
In diesem Zusammenhang überrascht es, dass sich die relative Promotionsquote seit 1970
umgekehrt proportional zu der Entwicklung der Studentenzahlen entwickelt. Obwohl immer
mehr Absolventen – d.h. potentielle Doktoranden - die Universität verlassen, steigt die
Anzahl der Promovierenden nur marginal an. Lag die Promotionsrate unter den
Universitätsabsolventen vor 25 Jahren noch bei 54%, d.h. jeder zweite der ein Studium
erfolgreich abgeschlossen hat, hat anschließend auch noch promoviert (vgl. Hartmann 2001:
180), so sank die Promotionsquote im letzten viertel Jahrhundert um knapp die Hälfte auf
23,5% im Jahre 1999.
56
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
Abbildung 5: Promotionen in Relation zu allen Hochschulprüfungen (ohne Lehramt) fünf
Jahre zuvor (Angaben in Prozent) 34
60
50
40
30
20
10
0
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1992
1999
Quelle: Statistisches Bundesamt (1980-2005).
Während also die Hochschulbildung den Charakter eines exklusiven Gutes verloren hat, erhält
bzw. steigert die Promotion gewissermaßen ihre Exklusivität. Ähnlich beurteilt Enders die
Entwicklung. Er schreibt:
„Hinter der Dynamik der personellen Entwicklung und zunehmenden quantitativen Bedeutung der
Beschäftigung nicht-professoraler Wissenschaftler – seien deren berufliche Positionen nun für
Qualifizierungszwecke ausdrücklich vorgesehen oder nicht – ist die absolute und relative Entwicklung der
Zahl der Promotionen und Habilitationen deutlich zurückgeblieben. Von einer zwischenzeitlichen
befürchteten Titelsucht […] oder einer Inflation und Abwertung der Titel [vgl. Bourdieu (1988), Anm. d.
Verf.] durch deren Verlust an Seltenheit innerhalb der Hierarchie der wissenschaftlichen Abschlüsse kann
keine Rede sein“ (Enders 1996: 76).
34
Grundlage der Berechnung bildeten die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes in der „Fachserie
11. Reihe 4.2. Bildung und Kultur. Prüfungen an Hochschulen“ und die Elitenstudie von Hartmann (2002:
198f.).
Da die Promotion in der Regel circa fünf Jahre nach dem Diplom, Staatsexamen oder Magister abgelegt wird
(vgl. Enders & Bornmann 2001: 66ff.), wird für einen solchen Vergleich die Zahl der Promotionen der
bestandenen Abschlussprüfungen (ohne Lehramt) fünf Jahre zuvor gegenübergestellt. Da der Abstand von fünf
Jahren nur einen Mittelwert darstellt und die Prüfungszahlen mit teilweise mehr als 10 Prozent deutlich
variieren, stellen die Quoten nur Annäherungswerte dar, welche Tendenzen sichtbar machen sollen. In
Anlehnung an Hartmann (2002: 199) bleiben die Lehramtsprüfungen unberücksichtigt, weil nur ein relativ
geringer Anteil der Promotionen auf Lehramtsprüflinge entfällt.
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
57
Die Promotion ist also ein exklusiver Bildungstitel. An diesen Befund anknüpfend ist
naturgemäß zu fragen, wie diese Exklusivität zustande kommt. Drei mögliche
Erklärungsansätze erscheinen zunächst plausibel: Erstens, eine Promotion bringt keine
(beobachtbaren) Vorteile bezüglich Status, Beruf oder Einkommen, d.h. potentielle
Doktorandinnen und Doktoranden sehen keinen Vorteil in einer Promotion. Zweitens könnte
es möglich sein, dass nur einige wenige Absolventen die nötigen Qualifikationen besitzen um
eine Promotion erfolgreich abzuschließen. Im Folgenden wird dargelegt, dass diese beiden
Gründe nicht zutreffen. Anhand der bisherigen Argumentation dürfte klar geworden sein, dass
es sich um ein Phänomen sozialer Macht handelt. Drittens ist daher davon auszugehen, dass
es sich bei der Promotion um einen exklusiven Bildungstitel handelt, weil dessen Zugang
nach sozialen Kriterien reguliert und beschränkt wird.
4.3 Die Promotion im Wandel
Führt der höchste deutsche Bildungstitel zu einer überdurchschnittlichen „Karriere mit
Doktortitel“ (Enders & Bornmann 2001) oder enden ehemalige Doktoranden als „Taxifahrer
Dr. phil.“ (Schlegelmilch 1987)? Um Aussagen über den Wert einer Promotion treffen zu
können, muss auf bisherige Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden. Wie stellt sich die
berufliche Entwicklung und Situation nach der Promotion dar? Zusammenfassend
kristallisiert sich in der sozialwissenschaftlichen Diskussion eine sehr ambivalente Bewertung
des Doktortitels heraus. Einerseits werden Einkommensvorteile und positionale Vorteile für
Promovierte gegenüber anderen Hochschulabsolventen beobachtet (vgl. Spiegel-Verlag 1980,
Hartmann 2002) und auf das hohe gesellschaftliche Ansehen des Doktortitels hingewiesen
(Wissenschaftsrat
1995).
Andererseits
werden
Arbeitsmarktprobleme
promovierter
Geisteswissenschaftler thematisiert (vgl. Schlegelmilch 1987). Wie sind diese Beobachtungen
zu bewerten?
Traditionell wurde das Promotionswesen nicht primär auf ein externes Kriterium bezogen,
wie den außeruniversitären Arbeitsmarkt, sondern als systeminterne Nachwuchsrekrutierung
für eine Hochschulkarriere gedacht.35 Die Ausbildung und Selektion hervorragender Forscher
und deren Aufnahme in die „wissenschaftliche Profession“ galten als vornehmliches Ziel und
35
So war die Personalstruktur der Universität des 18. Jahrhunderts dadurch bestimmt, dass sogar eine
Lehrstuhlvererbung vom Vater auf den Sohn oder andere Verwandte praktische Bedeutung hatte. Erst die
Regelung, als Habilitationsleistung eine wissenschaftliche Abhandlung zu fordern, die einen
disziplinenspezifischen Erkenntnisfortschritt darstellen sollte, beendete diese Praxis (vgl. Schmeiser 1994: 31).
58
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
eigentliche Funktion universitärer Bildung (vgl. Ben-David 1977: 46-52). Während die
traditionelle Promotion also vornehmlich der Rekrutierung des wissenschaftlichen
Nachwuchses diente, steht heute die Qualifizierung für den außeruniversitären Arbeitsmarkt
im Vordergrund. Exemplarisch sei dies mit folgender Definition von Estelle Phillips und
Derek Pugh - Autoren des Ratgebers How to get a PhD - dokumentiert:
„A doctor’s degree is a license to teach – meaning to teach in a university as a member of a faculty. This
does not mean nowadays that becoming a lecturer is the only reason for taking a doctorate, since the degree
has much wider career connotations outside academia and many PhDs do not have academic teaching
posts. The concept stems, though, from the need for a faculty member to be an authority, in full command
of the subject right up to the boundaries of current knowledge, and able to extend them” (Phillips & Pugh
2000: 18-19).
Mit der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes im Jahre 1976 rückte die
Berufsvorbereitung in das Zentrum universitärer Ausbildung. Diese Entwicklung spiegelt sich
auch in meinen Ergebnissen wieder, womit wir ein erstes Mal zu den Ergebnissen meiner
Untersuchung gelangen. Die Mehrzahl der heute Promovierenden strebt tendenziell keine
Tätigkeit in der Wissenschaft an (vgl. auch Kapitel 5.3: Tabelle 8). Auf eine entsprechende
Frage antwortete etwa ein Drittel (33,9%), dass sie eine wissenschaftliche Laufbahn planen.
Zwei Drittel (66,1%) hingegen wollen sich für eine außeruniversitäre Laufbahn entscheiden.36
Die Promotion transformiert damit zu einer „Zusatzqualifikation“, welche sich im
Wesentlichen daraus ergibt, dass diejenige zu einer Fachfrau auf einem Spezialgebiet
geworden ist. Zudem wird im Gegensatz zum verschulten Studium Forschung betrieben. BenDavid sieht daher auch den Vorteil einer Promotion in der Tatsache begründet, dass "only in
Ph.D.-level programs has professional training been invariably integrated with research"
(Ben-David 1977: 63). Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Zahl der abgelegten
Habilitationen wieder, die nicht Schritt halten konnte mit der deutlichen Zunahme der
abgelegten Doktorprüfungen (vgl. Anhang: Tabelle 3). Enders kommentierte diese
Entwicklung folgendermaßen:
„Die ‚Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs’ tritt insofern in ein neues Stadium ein, als Fragen des
Bestands und der Qualität der Nachwuchsförderung seit Anfang der neunziger Jahre im Zusammenhang
mit der beginnenden und sich noch verstärkenden Emeritierungs- und Pensionierungswelle unter den
36
Um die Promovierenden zu „zwingen“ ihre zukünftigen Präferenzen zu offenbaren, wurde nur das binäre
Antwortschema „Ja - Nein“ als Antwortmöglichkeit vorgegeben. Lediglich 69 Teilnehmer war es unmöglich
eine Entscheidung zu treffen. Es sei allerdings erwähnt, dass dieses methodische Vorgehen teilweise auf Kritik
der Befragten stieß.
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
59
Professoren und dem damit verbundenen verstärkten Nachwuchsbedarf wieder an Gewicht gewinnen. Für
einige Fächer lässt sich bereits absehen, dass ein ausreichend großes Reservoir an habilitierten
Nachwuchswissenschaftlern zur Besetzung der altersbedingt frei werdenden Professorenstellen in
absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen wird“ (Enders 1996: 75-76).
Zudem erhöhte sich der relative Anteil von Studierenden, Promovierenden und Dozierenden.
Paradoxerweise wurden die wissenschaftlichen Mitarbeiter dabei Opfer ihres eigenen
Erfolges, da die Expansion des Hochschulwesens von einem Rückgang des sozioökonomischen Status und des gesellschaftlichen Ansehens des Hochschulwissenschaftlers
begleitet wurden. „Die Expansion zeugt zwar von einer wachsenden gesellschaftlichen
Bedeutung der Hochschulen als Orte der Generierung neuer Wissensbestände und ihrer
Vermittlung für die Ausbildung hochqualifizierter Berufe, aber dieser Bedeutungsgewinn
wird für die Hochschulwissenschaftler dadurch überschattet, dass sie ihre soziale und
vermeintliche intellektuelle Exklusivität verlieren“ (Endres 1996: 25-26).
Unabhängig davon hat die Promotion noch immer einen hohen sozialen Status. Eine
empirische Befragung von Hochschulabsolventen hat ergeben, dass die meisten Akademiker
glauben, dass der Doktortitel die berufliche Karriere fördert. In der gesamten erwerbstätigen
Bevölkerung ist die Überzeugung vom Nutzen eines Doktortitels sogar noch stärker vertreten
(Spiegel 1980: 41). Es ist daher wahrscheinlich, dass künftige Doktoranden und
Doktorandinnen zum Zeitpunkt der Promotionsentscheidung davon ausgehen eine profitable
Entscheidung zu treffen. Gleichzeitig lässt die hohe gesellschaftliche Akzeptanz vermuten,
dass die Promovierenden von den Angehörigen positive Unterstützung erfahren, falls sie den
Wert
des
Doktortitels
richtig
einstufen.37
Aber
entsprechen
diese
subjektiven
Wahrnehmungsmuster den wirklichen Berufsaussichten?
Enders und Bornmann (2001, 2003) haben Ende der neunziger Jahre erstmalig den
Berufserfolg von promovierten Hochschulabsolventen in einer größeren empirischen Studie
untersucht. Die Ergebnisse belegen, dass die große Mehrheit der Promovierten sich auf hoch
qualifizierten, gut bezahlten Vollzeitpositionen platzieren konnte. Unternehmen scheinen
grundsätzlich auf der Suche nach promovierten Mitarbeitern. Auch unterstützen Firmen eine
Promotion nachdrücklich. Bei McKinsey zum Beispiel ist man zunächst zwei Jahre als Berater
37
Der Epidemiologe Michael Marmot findet sogar Hinweise dafür, dass Promovierte aufgrund ihres höheren
Sozialstatus länger leben (vgl. Willenbrock 2006: 110).
60
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
tätig und wird im dritten Jahr – unter Fortzahlung des Gehaltes – für einen MBA oder eine
Promotion freigestellt. Kann man bereits zu Beginn der Anstellung bei McKinsey einen
Doktortitel vorweisen, bekommt man direkt ein höheres Anfangsgehalt. Das prominenteste
Beispiel für den Erfolg von promovierten Akademikern ist dabei sicher Dr. Josef Ackermann,
der als Vorstandssprecher der Deutschen Bank im Jahr 2003 ungefähr 11 Millionen Euro
verdiente (Hartmann 2004: 175). „Von einer Krise des wissenschaftlichen Nachwuchses im
Hinblick auf seine weiteren Berufs- und Karrierechancen kann [also, Anm. d. Verf.] keine
Rede sein“ (Enders & Bornmann 2001: 138, Hervorhebungen im Original).
Der Elitenforscher Michael Hartmann nahm eine Analyse der soziale Herkunft und
Ausbildung deutscher Spitzenmanager zum Anlass, die beruflichen Karrieren promovierter
Ingenieure, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler zu untersuchen (Hartmann 2002). Er
ermittelte, dass der Prozentsatz der promovierten Spitzenmanager der 300 größten deutschen
Unternehmen 1969 bei immerhin 46,6% lag (Hartmann 1996: 62). Betrachtet man ergänzend
die formale Ausbildung der Vorstandsvorsitzenden der 100 größten Unternehmen, haben
nicht
weniger
als
45%
promoviert.
Mittlerweile
besitzen
sogar
52%
der
Vorstandsvorsitzenden einen Doktortitel (Hartmann 2001: 180). Bourdieus Aussagen über die
zentrale Rolle des Bildungssystems und des institutionalisierten kulturellen Kapitals für die
Reproduktion der gesellschaftlichen Klassenstrukturen erfahren im Hinblick auf die
Promotion also eine eindeutige Bestätigung. Eine Promotion scheint geeignet die privilegierte
Position innerhalb der Gesellschaft zu sichern.
Gleichzeitig haben Hartmann und Mitarbeiter aber auch gezeigt, dass in Deutschland für die
Besetzung von wirtschaftlichen Spitzenpositionen weniger exklusive Bildungspatente. als
vielmehr persönlichkeitsbezogene Rekrutierungsmaßstäbe den entscheidenden Faktor
darstellen. Die Chancen, eine Führungsposition in der Wirtschaft zu erreichen, sind für die
Promovierten, die aus dem gehobenen oder dem Großbürgertum stammen, um 50 bis 100
Prozent größer als für die Promovierten aus der Arbeiterklasse oder den Mittelschichten (vgl.
Hartmann 2001, 2002, 2004; Hartmann & Kopp 2001).38 Aufgrund von fehlenden
Elitebildungseinrichtungen scheint in Deutschland die Reproduktion von Herrschaft nicht
über ein in exklusiven Bildungseinrichtungen erworbenes „institutionalisiertes kulturelles
Kapital“ zu funktionieren, sondern über den innerhalb der Familie und des dazugehörigen
38
Dieses Phänomen wird unbewusst auch sehr wohl wahrgenommen. Laut Spiegel-Umfrage glauben mit
steigenden Hierarchieebenen zunehmend weniger Personen daran, dass der Doktortitel der beruflichen Karriere
förderlich sei (vgl. Spiegel 1980: 41).
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
61
Umfeldes angeeigneten klassenspezifischen Habitus. Hierzu der Elitenforscher selbst:
„Der klassenspezifische Habitus wirkt in Deutschland vorwiegend direkt und nicht […] indirekt über den
Erwerb exklusiver Bildungstitel. Bourdieus Aussagen über die zentrale Bedeutung dieses Habitus für die
Reproduktion der gesellschaftlichen Klassenstrukturen erfahren also eine eindeutige Bestätigung, während
die zur Rolle des Bildungssystems und des institutionalisierten kulturellen Kapitals in diesem Prozess in
ihrer Gänze nur auf die französische Situation zutreffen, für Deutschland dagegen zumindest einer
erheblichen Einschränkung bedürfen“ (Hartmann 2001: 199).
Zur besseren Einordnung dieser Befunde sei schon an dieser Stelle auf ein methodisches
Problem bei Hartmann verwiesen. Durch die Verengung des Fokus auf lediglich drei
Fachrichtungen – wobei sich später zeigen wird, dass er damit intuitiv richtig lag – müssen
diese Ergebnisse zunächst relativiert werden.
Exkurs 1: Das wissenschaftliche Feld
Daher wird die in Kapitel 3 – in Anlehnung an die Arbeiten von Pierre Bourdieu –
formulierte These, dass die Promotion eine Reproduktionsstrategie darstellt, wodurch
Individuen versuchen, in einer sich wandelnden Gesellschaft ihre soziale Position zu
behaupten, weiter aufrechterhalten. Auf analytischer Ebene muss die Aufmerksamkeit aber
zunächst noch auf eine weitere Tatsache gelenkt werden, die für die weitere Untersuchung
von zentraler Bedeutung ist. Denn auf dem Weg zur Promotion müssen Promovierende
zumindest kurzfristig das Feld der Wissenschaften „betreten“. Mit der Theorie sozialer Felder
hat Bourdieu ein Konzept entwickelt, das den Anforderungen, die aus dieser Überlegung
resultieren, entgegenkommt.39 Das wissenschaftliche Feld ist nach Bourdieu eine eigene
soziale Welt, und als solche stellt sie Anforderungen und übt Zwänge aus, die einigermaßen
unabhängig von den Zwängen der sie umgebenen sozialen (Um-)Welt sind.
Die Theorie der Felder basiert auf der Vorstellung, dass moderne Gesellschaften einem
fortschreitenden Differenzierungsprozess unterliegen und die arbeitsteilige Organisation in
sozialen Feldern nach spezifischen Prinzipien basiert. Das Funktionieren von sozialen Feldern
ist also nicht auf universelle Grundprinzipien reduzierbar, sondern jedes Feld weist seine
eigene Logik, d.h. seine eigenen Funktionsprinzipien und Zugangsbedingungen auf. Dinge,
die in einem Feld bedeutsam sind, können in einem anderen sozialen Feld belanglos sein.
39
Vgl. „Die Logik der Felder“ für das Bourdieusche Verständnis sozialer Felder (Bourdieu & Wacquant 1996).
Zum wissenschaftlichen Feld vgl. Bourdieu (1975, 1988; 1998a).
62
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
„Was im wissenschaftlichen Feld die Menschen umtreibt und konkurrieren lässt, ist nicht
dasselbe wie das, was sie im ökonomischen Feld umtreibt und konkurrieren lässt“ (Bourdieu
1998a: 145).
Üblicherweise sind soziale Felder – und das gilt auch für das wissenschaftliche Feld - nicht
als homogen zu verstehen (vgl. Krais 2000). Die Heterogenität der sozialen Positionen und
die Auseinandersetzung um Macht und Einfluss innerhalb eines sozialen Feldes, stellen
dessen konstituierende Merkmale dar. Zugang zu den Auseinandersetzungen in einem
sozialen Feld bekommt aber nur, wer in einem prinzipiellen Sinn als gleich anerkannt wird.
Mit der relationalen Betrachtung ist verbunden, dass die Promovierenden ihren sozialen
Werdegang in Relation zu den Erfordernissen des wissenschaftlichen Feldes konstruieren
(vgl. Engler 2001: 149).
Der Exkurs über die Theorie der sozialen Felder dient als Denkwerkzeug, um zugrunde
liegende soziale Muster der Promovierenden aufzudecken. Damit das Konzept der Dynamik
sozialer Felder gerecht wird, ist es wichtig anzuerkennen, dass es nicht einfach auf einen
Forschungsgegenstand
übertragen
werden
kann,
sondern
je
spezifischen
Forschungsgegenstand – hier Promovierende – zugeschnitten werden muss. Der Begriff des
Feldes ist nun dazu da, diesen „mit eigenen Gesetzen ausgestatteten Mikrokosmos“ (Bourdieu
1998b: 18) zu beschreiben.
Um die Vorstellung vom sozialen Feld und den Einsatz der Akteure zu erläutern, verwendet
Bourdieu oft die Metapher des Spiels. Laut Robert Merton (1985) ist das Streben nach
Anerkennung der wissenschaftlichen Leistung eine wichtige Funktion in den sozialen Spielen
im wissenschaftlichen Feld.40 Ob dies auch für Promovierende gilt, die keine
wissenschaftliche Karriere anstreben, scheint zunächst fragwürdig. Davon abgesehen ist aber
für alle Doktorandinnen und Doktoranden der Zugang zum wissenschaftlichen Feld ein
entscheidendes Kriterium. Aus diesem Grund muss die Aufmerksamkeit auf Dinge gelenkt
werden, die für das universitäre Umfeld bedeutsam sind, also auf formale Bildungsabschlüsse
wie Abitur, Diplom oder Magister, Bachelor oder Master aber auch wissenschaftliche
Hilfstätigkeiten, Mitarbeite in Lehre und Forschung, Publikationen, Abschlussarbeiten etc.
Im wissenschaftlichen Feld existieren nach Bourdieu zwei Sorten wissenschaftlichen
Kapitals:
40
Auch Bourdieu schreibt: „Die akademische Welt ist wie jedes soziale Universum der Ort eines Kampfes um
die Wahrheit der akademischen Welt und ganz allgemein der sozialen Welt. Die soziale Welt ist ein Ort
ständiger Kämpfe um den Sinn dieser Welt; das Besondere an der akademischen Welt aber ist, dass ihre
Verdikte heutzutage zu den gesellschaftlich mächtigsten gehören.“ (Bourdieu & Wacquant 1996: 101).
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
63
Auf der einen Seite die institutionalisierte, „weltliche“ Macht, die verknüpft ist mit der
Besetzung herausgehobener Stellen in wissenschaftlichen Institutionen, der Mitgliedschaft in
Kommissionen, mit Gutachtertätigkeiten oder der Leitung von Forschungseinrichtungen und
Lehrstühlen. Diese Kapitalsorte ermöglicht Macht über Produktionsmittel (Verträge, Gelder,
Posten usw.) und Reproduktionsmittel (die Macht, über Karrieren zu entscheiden oder
Karrieren zu ermöglichen). Promovierende besitzen diese Form des wissenschaftlichen
Kapitals nicht. Ich werde aber weiter unten zeigen, dass es der Logik des wissenschaftlichen
Feldes entspricht, dass Promovierende in der Regel die Strategie verfolgen, soziales Kapital
zu den Inhabern dieser Kapitalsorte zu akkumulieren.
Auf der anderen Seite steht das wissenschaftliche Kapital als eine besondere Art
symbolischen Kapitals, das auf der Anerkennung durch andere Wissenschaftler beruht.
Innerhalb des wissenschaftlichen Feldes wird die Reputation eines Wissenschaftlers über die
Höhe der erhalten Drittmittel, über die Zahl der Erwähnungen im citation index, über die
Platzierung von Artikeln in referierten Fachjournalen, oder über die reine Anzahl an
Übersetzungen gebildet (Bourdieu 1998b). „Das reine wissenschaftliche Kapital wird vor
allem durch anerkannte Beiträge zum Fortschritt der Wissenschaft, durch Erfindungen oder
Entdeckungen angehäuft (der beste Indikator sind hier Veröffentlichungen, insbesondere in
hochselektiven und prestigereichen Organen, ähnlich wie symbolische Bankkredite)“
(Bourdieu 1998b: 32; Hervorhebungen im Original).
Trotzdem sind die Promovierenden nicht völlig den Kräften des wissenschaftlichen Feldes
ausgeliefert. Sie verfügen in ihrem Habitus gleichzeitig über feste und dauerhaft erworbene
Dispositionen, die starke Restriktionen für die Laufbahn auf dem wissenschaftlichen Feld
darstellen. Die gesellschaftlichen Akteure befinden sich innerhalb der Struktur in Positionen,
die von ihrem Kapital abhängen und sie entwickeln innerhalb der Grenzen ihrer Dispositionen
Strategien, die sich weitgehend nach dieser Position richten.
4.4 Promovierende im wissenschaftlichen Feld
Dass die Regeln des wissenschaftlichen Feldes auch für Promovierende gelten, zeigt die
Frage nach der Publikationstätigkeit (vgl. Tabelle 3). Publikationsaktivitäten stellen, neben
dem persönlichen Austausch auf Tagungen und Konferenzen, sicher die wichtigste Form der
Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten dar. Dabei – so meine These – ist es
ausreichend nach der bloßen Anzahl von Publikationen zu fragen, da zu Beginn der
64
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
wissenschaftlichen Karriere eine Platzierung von Artikeln, seien es Beiträge in
Sammelbänden,
Tagungsbänden
oder
wissenschaftlichen
Journals,
oder
selbst
herausgegebene Bücher gleichermaßen schwierig ist. Zudem scheint im wissenschaftlichen
Feld die reine Anzahl wissenschaftlicher Publikationen bereits als Qualitätszeichen zu gelten.
Die exponentiell ansteigende Menge wissenschaftlicher Veröffentlichungen und der unter
dem Slogan „publish or perish“ ausgedrückte Zwang zu quantifizierbarer Forschungsleistung
scheinen diese Einschätzung zu bestätigen (vgl. Enders & Bornmann 1995b: 137-147).
Tabelle 3: Publikationstätigkeit von Promovierenden
Häufigkeit
Gültige
Prozente
Keine Publikationen
624
33,8
Publikationen
1220
66,2
Gesamt
1844
100,0
Frage 41: Arbeiten Sie - abgesehen von der Dissertationsschrift selbst - während
Ihrer Promotionsphase an wissenschaftlichen Publikationen? Falls Sie
wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht haben, geben Sie bitte die Anzahl der
Veröffentlichungen an.
Ziemlich genau zwei Drittel der befragten Doktorandinnen und Doktoranden haben bereits
wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Weil wissenschaftliches publizieren in der Regel
erst während der Promotionsphase beginnt, ist ein enger Zusammenhang zwischen
Publikationstätigkeit und Alter wahrscheinlich. Dem entsprechend konnte bei der
Korrespondenzanalyse ein deutlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen von
0,204 gemessen werden. Je länger die Befragten bereits promovieren, desto mehr
Publikationen können sie vorweisen. Dies Ergebnis kann als intuitiv sinnvoll angenommen
werden.
Mit Blick auf das kommende Kapitel sei an dieser Stelle bereits die Publikationstätigkeit nach
Fachbereichen dargestellt (vgl. Abbildung 6 und Anhang: Tabelle 4). Abbildung 6 zeigt einen
deutlichen Unterschied in der Publikationsaktivität nach Fachbereichen. Doktorandinnen und
Doktoranden der Ingenieurswissenschaften publizieren im Durchschnitt demnach doppelt so
viele wissenschaftliche Arbeiten wie Juristen. Mathematiker und Naturwissenschaftler
weniger als Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaftler.
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
65
Abbildung 6: Publikationstätigkeit nach Fachbereichen (Mittelwert)
5,0
Mittelwert: Anzahl der Publikationen
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
ur
at
N
d
un
ik
at
m
he
s.
at
is
M
w
es iss.
st
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ei
rs
G
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In
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irt
f
W
iss
ha
tsw sc
ch sen
Re
is
w
al
zi
So
Sinnvolle Aussagen bezüglich eines fächerspezifischen Verhaltens lassen sich anhand dieser
Daten allerdings nicht treffen, da unklar ist, wie viele von den befragten Doktoranden eine
kumulative Dissertation anstreben.41 Die Logik des wissenschaftlichen Feldes offenbart sich
aber anhand der Zusammenhänge zwischen der Publikationstätigkeit und dem Streben nach
einer wissenschaftlichen Karriere. Ich habe gezeigt, dass obwohl die meisten Promovierenden
keine wissenschaftliche Karriere anstreben sie trotzdem publizieren. Eigentlich wäre zu
erwarten, dass diejenigen Doktorandinnen und Doktoranden sich auf das Publizieren von
Artikeln konzentrieren, welche in der Zukunft eine berufliche Position im wissenschaftlichen
Feld anstreben. Die sehr schwachen Zusammenhänge zwischen dem Streben nach einer
wissenschaftlichen Karriere und der Publikationstätigkeit bzw. der Anzahl veröffentlichter
41
Exemplarisch die Ausführungsbestimmungen zu einer kumulativen Dissertation aus einer beliebigen
Promotionsordnung: „Eine kumulative Dissertation liegt vor, wenn die Ergebnisse der Promotionsarbeit nicht in
Form einer durchgängigen Schrift (Thesis), sondern in Form einer Sammlung von in der Regel mehr als 2
Publikationsmanuskripten dargestellt werden. Die Manuskripte können bereits publiziert, zur Veröffentlichung
angenommen, zur Begutachtung bei Zeitschriften eingereicht oder in Vorbereitung sein. Bei mindestens zwei
angenommenen Manuskripten muss der Doktorand/die Doktorandin Erstautor sein. Es kann sich um
Originalarbeiten für wissenschaftliche Fachzeitschriften, um Buchbeiträge sowie um maximal einen
Übersichtsartikel handeln, eine Mischung von Manuskripten in englischer und deutscher Sprache ist zulässig.
Die Manuskripte müssen in einem engen fachlichen Zusammenhang stehen und durch eine übergeordnete
Fragestellung verbunden sein, die durch das Thema der Dissertation ausgewiesen ist. Publikationen, die
vorrangig Ergebnisse aus der Diplomarbeit darstellen, können nicht Bestandteil einer kumulativen Dissertation
sein“ (Friedrich-Schiller-Universität Jena 2000: Anlage §8).
66
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
Arbeiten verwundert, verdeutlicht aber anschaulich die Logik der Felder. Unabhängig von
dem Verbleib im wissenschaftlichen Feld unterwerfen sich die Promovierenden der Logik
dieses Feldes, indem sie den Publikationszwängen nachgeben (vgl. Tabelle 4).42
.
Tabelle 4: Zusammenhangsmaße für die Variable „Wissenschaftliche Karriere“
Publikationstätigkeit
Anzahl der Publikationen
Kontingenzkoeffizient
0,061
0,064
Näherungsweise Signifikanz
0,11
1,00
N=
1745
1197
a Die Null-Hyphothese wird nicht angenommen.
b Unter Annahme der Null-Hyphothese wird der asymptotische Standardfehler verwendet.
Bemerkenswerterweise publizieren weibliche Promovierende signifikant weniger als ihre
männlichen Kollegen (vgl. Abbildung 7). Eine intensive Analyse dieser Befunde wäre
geeignet, die verborgenen Mechanismen der männlichen Herrschaft (vgl. Bourdieu 2005) im
wissenschaftlichen Feld aufzudecken, kann hier jedoch nicht geleistet werden. Während
praktisch alle anderen Variablen geschlechtsneutral reagierten, tritt interessanterweise gerade
bei dem im wissenschaftlichen Feld relevanten Kapital eine deutliche Benachteiligung der
weiblichen Nachwuchswissenschaftler auf. Ergänzend sollte an dieser Stelle darauf verwiesen
werden,
dass
andere
empirische
Untersuchungen
gezeigt
haben,
dass
weibliche
Doktorandinnen auch seltener ihre Arbeiten auf Kongressen präsentieren (vgl. Gerhard,
Briede & Mues 2005). Zusammenfassend ist zu sagen, dass diese Ergebnisse dafür sprechen,
dass weibliche Nachwuchswissenschaftler scheinbar systematisch bei der Integration in die
scientific community benachteiligt werden.
42
Der „Zwang“ zur Promotion äußerte sich auch in dem Antwortverhalten auf diese Frage. Es war mit Abstand
die Frage mit den meisten falschen Antworten. So wurde regelmäßig auf die Frage, ob bereits Publikationen
vorliegen, in etwa dieser Manier geantwortet: „Bald kommt die erste“; „3 weitere in Arbeit“; „noch keine“;
„Promotionsschrift soll aus 3 Veröffentlichungen zusammengesetzt sein“. Dies spiegelt – finde ich – sehr gut
den „Wunsch“ nach einer Publikation wieder. Immerhin 168 Doktorandinnen und Doktoranden gaben einen
Kommentar zu der Tatsache, dass sie bisher keine Veröffentlichungen vorweisen können.
67
4. Über die Situation von Promovierenden in Deutschland
Abbildung 7: Publikationstätigkeit nach Geschlecht (Angaben in Prozent)
80
70
72
60
60
50
40
40
Geschlecht
30
28
Männlich
20
Weiblich
Keine Publikationen
Publikationen
Abschließend seien die wichtigsten Befunde des vierten Kapitels nochmals kurz
zusammengefasst. Trotz der dargestellten strukturellen Veränderungen im deutschen
Bildungswesen konnte die Promotion ihre exklusive Stellung bewahren. Es ist nicht zu einer
Inflation des Doktortitels gekommen.
Generell gilt, dass der Erwerb eines Doktortitels mit einem hohen gesellschaftlichen Prestige
und überdurchschnittlich guten Berufschancen verbunden ist. Dieser Tatsache bewusst strebt
die Mehrzahl der Promovierenden keine wissenschaftliche Karriere an, sondern plant die
Universität nach Abschluss der Dissertation zu verlassen. Unabhängig von den späteren
Karriereplänen betreten Doktorandinnen und Doktoranden aber dennoch das Feld der
Wissenschaft
und
unterwerfen
sich
dessen
Regeln
und
Zwängen.
Anhand
der
Publikationstätigkeit habe ich exemplarisch aufgezeigt, dass man sich bei der weiteren
Analyse der Besonderheiten des wissenschaftlichen Feldes stets vergewissern muss.
Kapitel 5
Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
5.0 Argumentationsskizze
Die Promotion ermöglicht – wie gezeigt – einen gehobenen sozialen und beruflichen Status.
Im folgenden Kapitel werde ich klare empirische Hinweise präsentieren, die belegen, dass
nicht die Leistung an der Hochschule, sonder die soziale Herkunft und der Habitus die
Chancen zur Aufnahme einer Promotion bestimmen. Die Beweisführung dazu wird in vier
Schritten verlaufen.
Zunächst wird die Illusion des Leistungsparadigmas aufgedeckt. Dabei gelingt es mir zu
zeigen, dass nicht nur die Studenten mit überdurchschnittlichen Universitätsexamen eine
Promotion beginnen. Anhand der erhobenen Daten lässt sich zeigen, dass für Studierende aus
höheren sozialen Schichten der Zugang nicht nur wegen besonderer Studienleistungen offen
steht, sondern andere Mechanismen wirken, die eine Reproduktion des sozialen Status über
die Doktortitel ermöglichen.
Im Zentrum der folgenden Ausführungen steht die Frage nach der sozialen Herkunft von
Promovierenden. Zur Beantwortung dieser Frage wird die soziale Zusammensetzung der
befragten Doktorandinnen und Doktoranden anhand der erhobenen Daten analysiert. Die
Ergebnisse zeigen deutlich, dass es sich bei Promovierenden um Mitglieder einer sozial
privilegierten Klasse handelt. Es kommt also zu einer Reproduktion sozialer Ungleichheit –
ein Befund der in dieser Form gewissermaßen erwartet werden durfte. Der außergewöhnlich
elitäre Charakter der Elternhäuser, aus welchen die Doktorandinnen und Doktoranden
stammen, überrascht dennoch.
Drittens beginne ich die verborgenen Mechanismen der Reproduktion von Herrschaft
aufzudecken. Anhand der individuellen Promotionsmotive gelingt es mir zu zeigen, dass im
deutschen Promotionswesen die Reproduktion über die Hierarchie der Disziplinen erfolgt.
70
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Während sich die privilegiertesten Doktorandinnen und Doktoranden überdurchschnittlich
häufig für eine Karriere der Rechts-, Wirtschafts- oder Ingenieurswissenschaften entscheiden,
bleiben für weniger gut Gestellte die Fächer der Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften.
Zur besseren theoretischen Einordnung der Ergebnisse folgt ein kurzer Exkurs über die
verborgenen Mechanismen der Macht: Den „Streit der Fakultäten“.
Belegen bereits die Ausführungen zur sozialen Zusammensetzung von Promovierenden ihre
privilegierte gesellschaftliche Position, wird dies in der Darstellung der Positionen im
sozialen Raum besonders deutlich. Anhand der unterschiedlichen Kapitalsorten können die
Mechanismen, die der Rekrutierung von Doktorandinnen und Doktoranden zugrunde liegen,
anschaulich dargestellt und diskutiert werden.
5.1 Die Illusion des Leistungsparadigmas
Die Promotion ermöglicht – wie gezeigt – einen gehobenen sozialen und beruflichen Status.
Legitimiert wird dieser Anspruch aus der Idee einer dem Herkunftsmilieu gegenüber
möglichst
vorurteilslosen
Auswahl
der
Besten
für
eine
forschungsbezogene
Weiterqualifizierung, d.h. Qualifikation und individuelle Leistung bestimmen die soziale
Position in der Gesellschaft. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass für Bourdieu und
Passeron die „Illusion der Chancengleichheit“ im Bildungswesen ein konstitutives Element
im Konkurrenzkampf der Klassenformationen darstellt. Die Reproduktionsmechanismen der
sozialen Klassenverhältnisse werden durch Leistungsideologien verschleiert und durch diesen
Effekt quasi legitimiert. Da das Bildungssystem prinzipiell jedem Schüler die gleichen
Chancen einräumt und es eine Vielzahl von Personen gibt, die ohne die „richtige“ Herkunft
eine erfolgreiche Karriere aufweisen können, ist die statistisch beobachtbare Selektivität bei
der Reproduktion der herrschenden Klasse bei oberflächlicher Betrachtung nicht zu erkennen.
An
diese
Überlegungen
anknüpfend,
scheint
eine
Untersuchung
der
formalen
Zugangsbedingungen zu einer Promotion sinnvoll. Ermöglichen die an der Universität
erbrachten Studienleistungen den Zugang zur Promotion oder determinieren andere Faktoren
den Zugang zum Doktortitel? Prüfungsnoten und Studiendauer stellen ein wichtiges Kriterium
zur Leistungsbeurteilung von Studenten dar. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist
die These, dass die Bewertungsprozesse an Hochschulen – wenigstens in ausreichend großen
Studiengängen - formal und bürokratisch organisiert sind, so dass die Wahrscheinlichkeit für
71
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
eine gerechte, d.h. an der bisherigen wissenschaftlichen Leistung orientierten, objektiven
Bewertung relativ hoch ist. Sollte diese Annahme zutreffen, müssten die bisherigen Noten in
Schule und Studium sowie die Studiendauer deutliche Signale für die Leistungsfähigkeit des
potentiellen Doktoranden darstellen.
Die Länge der Studienzeiten ist in Deutschland seit Jahren ein wichtiges Thema der
hochschulpolitischen Diskussion (vgl. Wissenschaftsrat 2001b, 2005). So gilt die Kürze der
Studiendauer gemeinhin als ein entscheidendes Kriterium für Leistungsfähigkeit beim
Berufseinstieg. Prinzipiell kann die mittlere Studiendauer als ein Leistungsindikator
angesehen werden, wobei allerdings keine Aussage über die wirkliche Qualität, sondern
lediglich über die zeitliche Effizienz des absolvierten Studiums getroffen werden kann.
Doktorandinnen und Doktoranden haben ihr Studium im Durchschnitt in fünf bis
sechseinhalb Jahren absolviert (vgl. Tabelle 5). Juristen und Wirtschaftwissenschaftler haben
durchschnittlich etwa ein Jahr schneller studiert als Sozial- und Geisteswissenschaftler. Die
Unterscheidung
in
Fach-
und
Hochschulsemester
zeigt,
dass
Sozial-
und
Geisteswissenschaftler die Studienzeit in etwa doppelt so großem Umfang für anderweitige
Veranstaltungen, wie Auslandsaufenthalte oder Praxissemester nutzen als Rechts- und
Wirtschaftswissenschaftler. Insgesamt haben Promovierende schnell studiert. Vergleicht man
die Promovierenden der jeweiligen Fachbereiche mit den durchschnittlichen Studienzeiten in
Deutschland, so zeigt sich, dass (außer den Juristen) die Promovierenden schneller waren als
der
durchschnittliche
Hochschulabsolvent.
Speziell
Wirtschaftswissenschaftler
und
Ingenieure benötigten 1,5 bis 2 Semester weniger Zeit für ihr Studium.
Betrachtet man also nur die Länge der Studiendauer, so scheint das meritokratische Prinzip zu
wirken. Es promovieren in der Regel die Studenten, die denselben Studienumfang in
wesentlich kürzerer Zeit absolvieren konnten, und daher allgemein als leistungsfähigere
Studenten eingestuft werden können.
Oft wird ein Zusammenhang zwischen den schulischen und universitären Leistungen
vermutet (vgl. Fries 2002). Ein gutes Abschneiden im Abitur gilt als Hinweis auf besondere
Studierfähigkeit. Für die Bewertung der schulischen Leistungen zeigt Tabelle 5, dass
Promovierende im Durchschnitt gute Noten aufweisen. Rechtswissenschaftler erreichen einen
besonders guten Notendurchschnitt (1,7 gegenüber 1,9 bis 2,0 in den anderen Fächern).
Unterschiede
nach
Geschlecht,
sozialer
Herkunft
oder
den
Wegen
der
Hochschulzugangsberechtigung sind für Schulnoten der befragten Doktorandinnen und
72
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Doktoranden nicht festzustellen. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Abiturnoten nicht
als Prädiktoren für die Studienabschlussnoten eignen, denn die Korrelationen zwischen diesen
beiden Noten sind in den meisten Fachbereichen – außer Sprach- und Kulturwissenschaften –
nicht signifikant.
Tabelle 5: Studiendauer nach Fach- und Hochschulsemestern sowie Note bei Erwerb der
Hochschulzugangsberechtigung, die Note der Magister- bzw. Diplomarbeit und die Note bei
Studienabschluss nach Promotionsbereichen (Mittelwert)
Sozialwiss.
Rechtswiss.
Wirtscha.wiss.
Ingenieurswiss.
Geisteswiss.
11,2
9,5
9,6
10,4
11,2
10,8
(12,2)
(9,0)
(11,0)
(12,4)
(11,9)
(11,5)
Hochschulsemester
Note
Hochschulz
ugangsbere
chtigung
12,7
10,2
10,6
11,7
12,7
11,6
2,0
1,7
2,0
2,0
1,9
1,9
Examensarbeit
1,3
-
1,4
1,1
1,2
1,2
Studienabschluss
(Ø BRD)
1,9
2,5*
2,4
2,3
1,9
2,2
(1,8)
(3,3)
(2,3)
(2,0)
(1,7)
(1,6)
n=
216
72
154
131
322
868
Studiendauer
Fachsemester (Ø
BRD)
Mathe u.
Naturwiss.
Frage 2: Mit welcher Abschlussnote haben Sie die Hochschulreife abgelegt? Frage 11: Wie viele Fachsemester haben Sie
studiert? Frage 12: Wie viele Semester haben Sie insgesamt studiert? Frage 13: Mit welcher Note wurde Ihre
Abschlussarbeit benotet? Frage 14: Mit welcher Gesamtnote haben Sie ihr Studium abgeschlossen? Quelle:
Wissenschaftsrat (2001b).
*) Im Fach Rechtswissenschaften gibt es bei der Prüfungsbewertung im Vergleich zu anderen Fächern Besonderheiten. Die
Notenskala umfasst 18 Punkte und ist im Bereich befriedigend in „vollbefriedigend“ und „befriedigend“ aufgeteilt. Sie
gliedert sich folgendermaßen: 18 bis 16 Punkte = sehr gut; 15 bis 13 Punkte = gut; 12 bis 10 Punkte = vollbefriedigend; 9
bis 7 Punkte = befriedigend; 6 bis 4 Punkte = ausreichend; 3 bis 1 Punkt =l mangelhaft; 0 Punkte = ungenügend.
Die Prüfungsgesamtnoten der befragten Promovierenden liegen im Durchschnitt alle im
Bereich
„cum
laude“.
Dabei
variieren
die
Durchschnittsnoten
zwischen
1,9
(Geisteswissenschaften) und 2,5 (Rechtswissenschaften) um fast eine gesamte Note. Wie bei
den Abiturnoten spielen Fragen der sozialen Herkunft für die Studiennoten der
Promovierenden keine Rolle. Dafür erreichen Frauen – mit Ausnahme der Sozial- und
Ingenieurswissenschaften – etwas bessere Studiennoten als Männer.
Die Aufnahme als Promovierender ist formal an den Nachweis besonders guter
Studienleistungen geknüpft. Um eine Aussage über die Qualität der erreichten
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
73
Hochschulabschlüsse der Promovierenden treffen zu können, wurden die erreichten Noten mit
den Durchschnittsnoten aller Hochschulabsolventen verglichen. Hierzu wurde eine
Untersuchung der Prüfungsnoten an Hochschulen im Jahr 2000 herangezogen (vgl.
Wissenschaftsrat 2001b). Der Vergleich der Studienabschlussnoten der Promovierenden
liefert überraschende Ergebnisse: Die befragten Promovierenden haben lediglich in den
Rechtswissenschaften im Durchschnitt bessere Examen abgelegt. In allen anderen
Fachbereichen liegt der Notendurchschnitt unter dem bundesweiten Fachbereichsdurchschnitt.
In Mathe und Naturwissenschaften wird der Durchschnitt sogar um mehr als eine halbe Note
unterschritten. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden nicht beobachtet.43
Diese Befunde überraschen, würde man doch die relativ „besten“ Studenten in
wissenschaftlichen Nachwuchspositionen vermuten. Als Fazit ist festzuhalten: In Deutschland
erwerben nicht unbedingt die Studenten mit den besten Universitätsabschlüssen den
Doktortitel.
Diese Ergebnisse verweisen auf deutliche Grenzen einer meritokratischen Gesellschaft.
Trotzdem kann an der Hochschule nicht der gleiche Mechanismus zur Reproduktion von
sozialer Ungleichheit wirken wie in der Schule. Laut Bourdieu und Passeron (1971)
determinieren die Förderungs- und Bewertungskriterien des Bildungssystems die soziale
Ungleichheit des Herkunftsmilieus. Empirische Studien belegen diese - durch das
Bildungssystem erzeugte - „Kompetenzarmut“ von Schülern aus statusschwachen Schichten
(vgl. Allmendinger 2003). Es ist aber davon auszugehen, dass alle Personen, die das
Bildungswesen erfolgreich bis zur Promotion durchlaufen haben, die nötigen Kompetenzen
(und Ressourcen) besitzen, um sich im wissenschaftlichen Feld sicher zu bewegen. Burkart
geht vermutlich zu recht davon aus, dass die einzige wirkliche Hürde für den akademischen
Erfolg die Diplomarbeit darstellt. Wer diese geschafft hat, schafft auch die Promotion und
Habilitation (vgl. Burkart 2003). Es muss also eine andere Erklärung für die
(wahrgenommene) Möglichkeit zur Promotion existieren. Ich werde in den nächsten beiden
Kapiteln meine empirischen Befunde präsentieren, die belegen, dass nicht nur die erbrachte
Leistung an der Hochschule zu einer Promotion befähigt, sondern dass die soziale Herkunft
und der Habitus die Chancen zur Promotion determinieren.
43
Allerdings sind die vorgelegten Zahlen des Wissenschaftsrates mit Vorsicht zu interpretieren (vgl.
Wissenschaftsrat 2001b: 13-15). Es sei auch auf die konträren Ergebnisse von Enders und Bornmann verwiesen.
Beim Vergleich der Studienabschlussnoten von Promovierten mit nicht promovierten Universitätsabsolventen
zeigte sich, dass erstere im Schnitt einen halben Notenpunkt besseren Studienabschluss erreichten (Enders &
Bornmann 2001: 47).
74
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
5.2 Soziale Zusammensetzung der Promovierenden
Zu Beginn dieser Untersuchung habe ich darauf hingewiesen, dass der empirischen
Promotionsforschung lediglich einige ambivalente Ergebnisse im Bezug auf die Frage nach
der sozialen Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden vorliegen. Ziel meiner
Ausführungen ist es, diese Lücke zu schließen.
Im Hinblick auf die Chancengleichheit beim Zugang zur Promotion ist zu prüfen, inwieweit
schichtenspezifische Beteiligungsunterschiede vorliegen. Betrachtet man die berufliche
Stellung der Väter - die entsprechenden Angaben für die Mütter bleiben an dieser Stelle
unberücksichtigt, da diese mehrheitlich eine „niedrigere“ berufliche Position einnehmen wird deutlich, dass etwa ein Drittel der Promovierenden einen Vater in führender Position, als
Beamter im höheren Dienst oder als Angestellter mit umfassenden Führungsaufgaben, hat.
Hingegen ist nur etwa jeder sechste Doktorand in einer Familie aufgewachsen, in welcher der
Vater überwiegend als Arbeiter, einfacher Beamter oder Angestellter mit einfachen
Tätigkeiten beschäftigt war (vgl. Anhang: Tabelle 5). Kurz: Der Berufsstatus des Vaters kann
als Indikator dafür gelten, dass Promovierende tendenziell zu einer eher privilegierten
sozialen
Schicht
gehören.
Allerdings
entsprechen
diese
schichtspezifischen
Beteiligungsunterschiede ziemlich genau der sozialen Selektion, die bereits beim Zugang zum
Studium wirkt (vgl. BMBF 2004b). Zudem ist die Gruppenbildung grob, so dass das
ausgewiesene Bild unscharf sein dürfte.
Das volle Ausmaß der bestehenden sozialen Unterschiede wird erst sichtbar, wenn man die
herkömmlichen
Kategorien
sozialer
Gliederung
nach
beruflicher
Stellung
des
Familienvorstandes mit Hilfe der Bildungsabschlüsse der Eltern weiter differenziert. Dann
zeigt sich nämlich, dass Promovierende eine überdurchschnittlich hohe Bildung genossen
haben. Mit Hilfe dieser zusätzlichen Differenzierung erhält man in Bezug auf das hier
verfolgte Auswertungsziel wesentlich homogenere soziale Kategorien, denn die Bildung der
Eltern – also ihr kulturelles Kapital – bestimmt in starkem Maße den Bildungsweg der
Kinder.
Daher werden die Bildungsabschlüsse der Eltern herangezogen, um die Vererbung von
Bildung sichtbar zu machen. Die meisten Promovierenden (ca. 90%) haben laut eigenen
Angaben die Hochschulreife auf dem klassischen Bildungsweg über das Abitur am
Gymnasium
erworben.
Andere
allgemein
bildende
Schulen,
wie
Fachgymnasien,
75
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Fachoberschulen, Gesamtschulen, Abendgymnasien und Kollegs wurden nur vereinzelt
besucht. Dabei zeigten sich nur marginale Unterschiede beim Vergleich nach Geschlecht und
Promotionsfach,
wohl
aber
nach
sozialer
Herkunft.
Promovierende
aus
einem
Akademikerhaushalt haben die allgemeine Hochschulreife zu einem höheren Anteil an einer
allgemein bildenden Schule erworben als Promovierende aus bildungsfernen Schichten. Um
weitere Informationen über die soziale Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden zu
sammeln, wurden Fragen nach den höchsten allgemein bildenden Schul- und den höchsten
Berufsqualifizierenden Abschlüssen der Eltern gestellt (vgl. Kapitel 5.4.2).
Exemplarisch sei die Wirkung der Bildungsherkunft am prozentualen Erwerb der
Hochschulzugangsberechtigung über das Gymnasium dokumentiert (vgl. Tabelle 6).
Tabelle 6: Relativer Besuch eines Gymnasiums nach Bildungsherkunft der Eltern (in Prozent)
Besuch eines
Gymnasium
Promotion
Hochschulabschluss
Fachhochschulabschluss
Abitur
Mittlere
Reife
Hauptschulabschluss
95,7
93,5
92,3
90,4
87,6
86,9
Frage 1: Über welchen Bildungsweg haben Sie Ihre Studienberechtigung erworben?
In allen Fachbereichen stammen fast zwei Drittel der Promovierenden aus einem
akademischen Elternhaus (vgl. Abbildung 8). Jeder sechste Doktorand hat sogar mindestens
ein Elternteil, welches bereits selbst eine Promotion erfolgreich abgeschlossen hat. Diese
Zahlen sind bei weitem genug um mit Blick auf die soziale Struktur der Gesamtbevölkerung
von einer Bildungsvererbung sprechen zu können (vgl. ausführlich Bargel, Multrus & Ramm
2005). Vergleicht man diesen Befund mit Erhebungen über die soziale Herkunft des
akademischen Mittelbaus (Bochow & Joas 1987) und von Doktorandinnen und Doktoranden
(Enders & Bornmann 2001) früherer Kohorten, so fällt auf, dass für Promovierende in den
achtziger und neunziger Jahren keine entsprechende Statusvererbung beobachtet werden
konnte.
Die Befunde deuten auf eine zunehmende soziale Schließung der Promotion für nichtakademische
Schichten
hin.
Lag
der
Anteil
derjenigen
Personen
aus
höheren
Bildungsschichten, die ein Studium abgeschlossen haben, 1950 noch bei drei und 1960 bei
etwa vier Prozent, so weisen die Daten des Mikrozensus Quoten von sechs Prozent im Jahre
1970 und neun Prozent im Jahre 1980 aus. 1990 wurde eine Quote von zwölf Prozent
ermittelt und Mitte der neunziger Jahre von 15 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt:
1956ff.). Damit dürfte deutlich werden, dass Doktoranden über ein überdurchschnittlich
76
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
hohes „Bildungskapital“ verfügen, da die bundesweite Quote um bis zu 45% überschritten
wird.
Abbildung 8: Bildungsherkunft der Eltern44 (Angaben in Prozent)
70
60
60
50
40
30
20
16
14
10
6
0
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Ab
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(F
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Schließlich sollen noch die Einkommensschichten - also das ökonomische Kapital - von
Promovierenden dargestellt werden. Dazu wurden die Promovierenden gebeten, dass NettoJahreseinkommen ihrer Eltern zu schätzen. Zur besseren Beurteilung der Verteilung der
Markteinkommen von den Eltern der befragten Promovierenden auf die Gesamtbevölkerung
wurden die Einkommenskategorien auf aussagekräftige Kennzahlen aus dem Armutsbericht
der Bundesregierung bezogen (vgl. Tabelle 7). Einige Bemerkungen mögen das Verständnis
dieser Tabelle erleichtern. Den Angaben des Armutsberichtes zufolge lag der Median des
Nettoäquivalenzeinkommen45 der Bevölkerung in Deutschland 2003 bei 18.768 €. Als
„einkommensreich“ werden Haushalte definiert, wenn sie über mehr als das Doppelte des
durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens der Bevölkerung verfügen. Für das aktuell
verfügbare Jahr 1998 ergibt sich eine Anzahl von 3,6 Millionen einkommensreichen
44
Es zählt der jeweils höchste Schulabschluss eines Elternteils. Kein Abschluss bedeutet, dass beide Elternteile
keinen Schulabschluss besitzen.
45
Haushaltsnettoeinkommen (Markteinkommen zuzüglich laufender Transfers abzüglich Pflichtbeiträge zur
Sozialversicherung (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil bzw. unterstellte Beiträge für Beamte) und Steuern
dividiert durch die Summe der Äquivalenzgewichte der Haushaltsmitglieder nach der neuen OECD-Skala (vgl.
Bundesregierung 2004).
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
77
Personen46 in Deutschland. Das entsprechende Nettoäquivalenzeinkommen, um zu den
Reichsten 1 % der deutschen Gesamtbevölkerung zu gehören, wurde 1998 auf 65.273 €
beziffert. Lediglich knapp 609.000 Personen verfügten über ein Nettoäquivalenzeinkommen,
das diese Summe überstieg (vgl. Bundesregierung 2004).
Tabelle 7: Durchschnittliches Nettoeinkommen der Eltern
Häufigkeit
Prozent
Unterhalb des Nettoäquivalenzeinkommen (< 18.768 €)
124
6,7
Oberhalb des Nettoäquivalenzeinkommen (> 18.768 €)
213
11,5
Einkommensreich (> 37.536 €)
733
39,4
Reichstes 1% (> 65.273 €)
191
10,5
Keine Angabe
594
31,9
Gesamt
1859
100
Frage 50: Bitte schätzen Sie: Wie hoch war das Netto-Jahreseinkommen Ihrer Eltern?
Die befragten Promovierenden schätzten das gemeinsame Nettoeinkommen ihrer Eltern im
Durchschnitt auf eine Summe zwischen 50.000 € und 60.000 €. Diese Summe entspricht
ungefähr dem dreifachen Nettoäquivalenzeinkommen und würde bedeuten, dass etwa die
Hälfte der Befragten zu dem reichsten einen Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung
gehört.
Eine derart geringe Vertretung von Doktorandinnen und Doktoranden aus sozioökonomisch
„niedrig“
einzustufenden
Elternhäusern
unter
den
befragten
Promovierenden
ist
bemerkenswert und bedarf daher weiterer Klärung. Ein Blick auf die Einkommensschichten
der Eltern von Studierenden zeigt, dass die dargestellte Nettoeinkommensverteilung durchaus
realistisch ist. Im Jahr 2000 verfügten in der Bundesrepublik Deutschland 27% der
Studierendeneltern, d.h. die von knapp 500.000 Studenten, über ein Nettoeinkommen von
mehr als 36.828 € (vgl. BMBF 2001: 125). Dem stehen geschätzte 115.000 Doktoranden und
46
Leider beziehen sich die verwendeten Zahlen einmal auf den gesamten Haushalt und ein anderes Mal auf
steuerpflichtige Personen. Da üblicherweise innerhalb der Kernfamilie keine Gütertrennung praktiziert wird, soll
diese Unterscheidung nicht weiter stören.
78
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Doktorandinnen gegenüber. Vergleicht man diese Zahlen miteinander, wäre es theoretisch
sogar möglich, dass die Nettoeinkommen der Promovierendeneltern noch höher liegen.
Aber wie verlässlich sind die ermittelten Zahlen? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass fast
ein Drittel der befragten Doktorandinnen und Doktoranden die Frage nicht beantwortet hat.
Daten zur Einkommenssituation gelten als höchst sensibel, weswegen mit Antwortausfällen
zu rechnen war. Dabei haben die meisten Befragten darauf hingewiesen, dass ihnen das
Nettoeinkommen ihrer Eltern unbekannt ist. Die Ergebnisse sind also nicht als repräsentativ
zu betrachten. Hinzu kommt das methodische Problem, dass die Kategorien in Zehntausender
Schritten sehr groß gewählt wurden, wodurch weitere Verzerrungen der statistischen
Datenlage möglich sind.47 Unabhängig der angeführten Argumente sind die Informationen
über
das
Nettoeinkommen
von
Promovierenden
als
deutlicher
Hinweis
auf
überdurchschnittlich hohes ökonomisches Kapital zu interpretieren.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Promovierende aus privilegierten sozialen Verhältnissen
stammen. Die soziale und familiäre Abhängigkeit beginnt bei den Übergängen im Primarund Sekundarschulwesen, setzt sich fort bei den Entscheidungen im Übergang zu tertiären
Ausbildungsgängen und resultiert in einer hohen sozialen Selektivität im Promotionswesen.
Kurz zusammengefasst: Die Reproduktion sozialer Ungleichheit - wie sie im gesamten
Bildungswesen zu beobachten ist - findet gleichermaßen in der Promotionsphase statt. Für die
weitere Untersuchung sind zwei weitere Befunde von Interesse.
Offenbar verdeckt der Reproduktionsmechanismus die männliche Herrschaft. Der Anteil der
von weiblichen Doktoranden abgelegten Promotionsprüfungen liegt derzeit bei einer Quote
von 39% (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Die soziale Herkunft der befragten Personen
unterscheidet sich allerdings kaum nach geschlechtsspezifischen Merkmalen: Doktorandinnen
weisen zwar gegenüber Doktoranden in der Regel eine etwas höhere Bildungsherkunft auf,
unterscheiden sich aber nicht systematisch nach der beruflichen Position der Väter – trotzdem
wird auf diesen Punkt zurückzukommen sein.
Minimale - kaum beobachtbare - Unterschiede bezüglich der sozialen Zusammensetzung der
Promovierenden zeigen sich hingegen im Fachbereichsvergleich. Während die Väter der
promovierenden Juristen, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler die höchsten beruflichen
Positionen und das höchste Nettoeinkommen aufweisen, finden sich bei den Geistes-, Sozial47
Dieses methodische Vorgehen wurde als Reaktion auf den Pretest gewählt. Ursprünglich wurden die
Promovierenden aufgefordert, das Nettoeinkommen ihrer Eltern „frei“ anzugeben. Erste praktische Erfahrungen
zeigten jedoch, dass diese Frage überwiegend nicht beantwortet wurde.
79
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
und Naturwissenschaftlern überwiegend die Väter mit sozial etwas schwächeren Berufen. Ein
ähnliches Muster zeigt der Fächervergleich nach Bildungsherkunft. Während Promovierende
in den Rechtswissenschaften zu 77,1% und in den Ingenieurswissenschaften zu 65,8% einem
akademischen Elternhaus entstammen, sind dies in den vier anderen Fachbereichen nur etwa
60%.
Bourdieu und Passeron (1971) haben kritisiert, dass sehr selten die verborgenen
Mechanismen zur Kenntnis genommen werden, in denen sich die Ungleichheiten der
Bildungschancen manifestieren: Die Abdrängung der Kinder aus den unteren und mittleren
Klassen auf bestimmte Fakultäten oder die Verlängerung oder Unsicherheit im Studiengang.
Daher gelten die nun folgenden Bemühungen dem Versuch, die verborgenen Relationen
zwischen den Promotionsfächern aufzudecken.
5.3 Entschluss zur Promotion und Promotionsmotive
Die individuelle Entscheidung zu promovieren ist mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen
und
Zielsetzungen
verbunden,
die
grundsätzlich
so
vielfältig
sind
wie
die
„Verwendungsmöglichkeiten“ der Promotion in universitären und außeruniversitären
Bereichen. Grundsätzlich unterstelle ich aber, dass gerade die Motivation für eine Promotion
von den habituellen Dispositionen einer Person beeinflusst wird. Die eingenommene Position
hängt eng mit der Struktur des Habitus zusammen, der wiederum abhängig ist von der
genossenen Ausbildung und der Dauer und dem Zeitpunkt der „Lehrjahre“ in der Familie und
an der Universität. Für die Ermittlung der Promotionsgründe wurden die Befragten
aufgefordert, siebzehn mögliche Promotionsmotive auf einer ordinalen Skala von 1=„traf
völlig zu“ bis 6=„traf nicht zu“ zu bewerten. Da es sich um eine rückwirkende Einschätzung
der Promotionsentscheidung handelt, ist es allerdings wahrscheinlich, dass die Antworten
durch Erfahrungen während der laufenden Promotionsphase verzerrt werden.
Gleichwohl unterscheiden sich die Ergebnisse meiner Studie kaum von vorherigen
Untersuchungen, bei denen Doktoranden mit einem vergleichbaren (Holtkamp, FischerBluhm & Huber 1986: 43) oder identischen (Enders & Bornmann 2001: 47-51) Frageraster
befragt worden waren. Vielmehr überrascht die Konstanz der angeführten Promotionsmotive
über einen Zeitraum von 20 Jahren. Vermutlich beruht die extreme Homogenität der
Promovierenden auf der Ähnlichkeit des Habitus, der aus identischen Selektions- und
80
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Ausbildungsbedingungen entstanden ist und zugleich objektiv identische Praxen und
Selektionsverfahren reproduziert.
Die individuellen Antwortmuster, die Promovierende für den Entschluss zu promovieren
angegeben, lassen sich in drei Dimensionen einteilen (vgl. auch Enders & Bornmann 2001):
1.
Wissenschaft: In dieser Kategorie lassen sich Antworten bündeln, die allgemein das
Interesse, die Fähigkeit und die Begabung für wissenschaftliche Forschung betonen
und speziell die Methoden, Theorien und Erkenntnisse eines Fachgebietes
hervorheben. Zudem kann wissenschaftliches Arbeiten der persönlichen Entfaltung
dienen.
2. Beruf und Karriere: Hierunter werden Angaben zusammengefasst, die sich auf eine
Verbesserung der späteren Berufs- und Aufstiegschancen, eine Voraussetzung für
einen angestrebten Beruf, ein höheres Einkommen und einen gesicherten Arbeitsplatz
durch die Promotion beziehen.
3. Moratorium: Diese Kategorie umfasst Begründungen, welche die Promotionsphase
als Aufschubspassage interpretieren und im engen Zusammenhang zur privaten
Lebenssituation stehen. Sei es, dass die Promotion zufällig begonnen wurde, dass die
Promotion die kurzfristige Sicherung des Lebensunterhaltes ermöglichte, dass ein
Zeitgewinn für die Zukunftsplanung im Vordergrund stand oder der Verbleib in der
Universitätsstadt angestrebt wurde. Es handelt sich um Antworten, welche Hinweise
darauf geben, dass eine Promotion die Aufgabe einer „Wartehalle“ erfüllt.
Die Antworten zeigen, dass für Promovierende das Interesse an der Forschung und
wissenschaftlicher Arbeit das zentrale Motiv für die Promotionsentscheidung darstellt (vgl.
Abbildung 9). Etwa 60% der Befragten beurteilen dieses Motiv als völlig zutreffend, wobei
Geisteswissenschaftler, Mathematiker, Naturwissenschaftler und Sozialwissenschaftler ihre
wissenschaftlichen Neigungen deutlicher betonen als Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und
Ingenieure. Insgesamt motiviert das Interesse für wissenschaftliches Arbeiten 95% der
Promovierenden (wenn auch in unterschiedlichem Maße).
Die außerordentlich starke Betonung wissenschaftlicher Motivation darf allerdings nicht
überbewertet werden: Die Zahlen spiegeln wohl auch das sozial erwünschte Bild vom
Wissenschaftler wieder, wie es auch von den Befragten selbst empfunden wird. Eben diese
Illusion des wissenschaftlichen Feldes kontrastiert auch Bourdieu. Er kommentiert:
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
81
„Es ist mit anderen Worten das Feld, oder genauer gesagt, die antiökonomische Ökonomie und der
geregelte Wettbewerb in ihm, die diese besondere Form der illusio hervorbringen, eben das
wissenschaftliche Interesse, ein Interesse, das im Verhältnis zu den herkömmlichen Interessen des Alltags
(und insbesondere denen des ökonomischen Feldes) als uneigennützig, unentgeltlich erscheint“ (Bourdieu
1998b: 27).
Abbildung 9: Promotionsmotive nach Promotionsfachbereichen (Mittelwert)
82
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Insofern sind nicht die 95% an wissenschaftlicher Arbeit Interessierten überraschend, sondern
eher die 5% (immerhin 93 Doktoranden), die ihren Promotionsentschluss nicht damit in
Zusammenhang bringen. Hierzu zählen insbesondere Wirtschaftswissenschaftler (10,3%) und
Rechtswissenschaftler (12,6%), die ihre Promotion nicht mit einem Interesse an
wissenschaftlicher Forschung begründen.
Neben dem Interesse für die Wissenschaft stellt die potentielle berufliche Verwertbarkeit ein
häufig genanntes Promotionsmotiv dar. 80% der Befragten versprechen sich durch die
Promotion eine Verbesserung der späteren Berufschancen. Ein Drittel stimmt dieser Aussage
sogar völlig zu. Etwa jeder Zweite erwartet zudem ein höheres Einkommen im späteren
Beruf. Allerdings unterscheidet sich die „Chancenverbesserung“ grundlegend nach
Fachbereichen. Für Biologen und Chemiker ist die Promotion faktische Voraussetzung für
den späteren Einstieg ins Berufsleben.48 Ganz anders ist die Situation bei den Ingenieuren,
Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen. Um den angestrebten Beruf erreichen zu können, ist
eine Promotion nicht unbedingt erforderlich, da es genügend berufliche Alternativen gibt.
Trotzdem versprechen sich gerade die promovierenden Vertreter dieser Fächergruppen
verbesserte
Aufstiegschancen
und
höhere
Einkommen.
Gesellschafts-
und
Sozialwissenschaftler hingegen äußern sich deutlich pessimistischer, was als Hinweis auf eine
mangelnde Verwertbarkeit des Doktortitels in diesen Fachbereichen gedeutet werden kann.
Gegenüber den wissenschaftsimmanenten und karrierebezogenen Begründungen für die
Entscheidung zur Promotion werden alle Antwortvorgaben, die eine aufschiebende
Motivation unterstellen konsequent - von allen Fachbereichen - abgelehnt. Treffend beurteilen
diese Beobachtung Enders und Bornmann. Sie schreiben:
„Gegenüber […] wissenschafts- oder berufs- bzw. karrierebezogenen Motiven für die Entscheidung zu
promovieren werden alle Antwortvorgaben, die auf eine Moratoriumsfunktion der Promotion für die
Befragten schließen lassen, besonders einhellig abgelehnt. Auch Germanisten und Sozialwissenschafter,
also Promovierte jener Fächer, denen häufig nachgesagt wird, dass sie die Doktorandenlaufbahn mangels
beruflicher Alternativen einschlagen, äußern sich hierzu meistens ablehnend“ (Enders & Bornmann 2001:
51).
48
Hebt man die gewählten Fachbereichskategorien für einen kurzen Moment auf und analysiert die Fächer
einzeln, so zeigt sich, dass Biologen und Chemiker am stärksten betonen, dass die Promotion Voraussetzung für
den angestrebten Beruf ist, nichts anderes in Frage kam und bessere Aussichten auf einen sicheren Arbeitsplatz
ermöglicht.
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
83
Zusammenfassend ergibt sich eine bemerkenswerte Dichotomie. In den Naturwissenschaften,
den Rechtswissenschaften, den Ingenieurwissenschaften und den Wirtschaftswissenschaften
sind die Promotionsabsichten extrinsischer Natur. Während die Naturwissenschaftler vor
allem den Zwang zur Promotion als eigentlichen berufsqualifizierenden Hochschulabschluss
hervorheben, spekulieren Ingenieure, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler auf positive
Karrierevorteile im außeruniversitären Bereich. Geistes- und Sozialwissenschaftler betonen
stärker ihre intrinsische Motivation. Mathematiker – in diesem Fall getrennt von den
Naturwissenschaften betrachtet – bringen dabei eine besonders ausgeprägte Identifikation mit
ihrer Wissenschaft zum Ausdruck. In den dichotomen Promotionsmotiven manifestiert sich
die Trennung in zwei Bildungszweige. Die Zweiteilung in Rechts-, Wirtschafts- und
Ingenieurswissenschaften vs. Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften offenbart den
zugrunde liegenden Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit auf der Ebene der
höchsten Bildungstitel.
Zur Bestätigung dieser Befunde lassen sich zwei weitere Beobachtungen heranziehen. Meine
Daten zeigen überraschenderweise keinen Zusammenhang zwischen der Frage nach einer
wissenschaftlichen Karriere und dem Alter der Promovierenden. Üblicherweise gilt: Je älter
ein Doktorand ist, desto mehr Zeit hat er an einer Hochschule verbracht und die Gelegenheit
gehabt, seine Vorstellungen vom wissenschaftlichen Feld zu modifizieren. Die Beobachtung,
dass die Aufenthaltsdauer offenbar keinen Einfluss auf die Verbleibswahrscheinlichkeit im
wissenschaftlichen Betrieb ausübt, mag überraschen. Andererseits haben die befragten
Promovierenden im Schnitt fast sechs Jahre studiert und genügend Zeit gehabt, universitäre
Arbeitsbedingungen kennen zu lernen. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass
Promovierende bereits zu Beginn der Promotion klare Vorstellungen über den weiteren
Zukunftsverlauf haben. Vor dem Hintergrund, dass die berufliche Biographie von
Doktorandinnen und Doktoranden scheinbar bereits vor Beginn der Promotion „feststeht“, sei
nochmals auf die elementare Aussagekraft der eben dargestellten Promotionsmotive
verwiesen.
Zweitens offenbart sich in der Frage nach einer wissenschaftlichen Karriere – wie zuvor bei
den Promotionsmotiven – dieselbe fachspezifische Zweiteilung. Geistes-, Sozial- und
Naturwissenschaftler erwägen einen Verbleib im wissenschaftlichen Betrieb, während in den
Rechts-, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften eine vermeintlich lukrative Position
außerhalb der Forschung angestrebt wird (vgl. Tabelle 8). Im Vergleich der Fächer
berichteten Ingenieure (85,3%) am häufigsten, dass der Promotionsabschluss sie für den
außeruniversitären Bereich qualifizieren soll, gefolgt von den Rechtswissenschaftlern
84
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
(83,1%)
sowie
den
Wirtschaftswissenschaftlern
(80,3%).
Bei
den
Sozial-
und
Gesellschaftswissenschaftlern hingegen strebt etwa jeder zweite eine wissenschaftliche
Karriere an. Bei den Mathematikern und Naturwissenschaftler planen sogar zwei Drittel
diesen Karriereschritt.
Tabelle 8: Neigungen zu einer wissenschaftlichen Karriere nach Fachbereichen (in Prozent)
Sozialwiss.
Rechtswiss.
Wirtscha.wiss.
Ingenieurswiss.
Geisteswiss.
Mathe u.
Naturwiss.
46,3
16,9
19,7
14,7
45,9
33,8
Keine
Karriere
geplant
53,7
83,1
80,3
85,3
54,1
66,2
n=
205
71
147
129
314
832
Karriere
geplant
Frage 42: Planen Sie eine Habilitation bzw. eine wissenschaftliche Karriere?
Es
zeichnet
sich
also
eine
Teilung
in
zwei
gegenüberstehende
Promotionsfachbereichsgruppen ab. Diesen Effekt hatte ich in dieser Form so nicht erwartet
und daher nicht in die methodologischen Vorüberlegungen mit aufgenommen. Es wird daher
notwendig, den theoretischen Fokus zu erweitern und sich mit dem Verhältnis der
Fächergruppen zueinander näher zu beschäftigen. Dazu werde ich mich auf ein spezielles
Argument in den bildungssoziologischen Arbeiten von Pierre Bourdieu konzentrieren,
nämlich dem „Streit der Fakultäten“ (Bourdieu 1988: Kapitel 2). Um das Verhältnis von der
Hierarchie der Disziplinen zum Verhältnis der sozialen Positionen besser bewerten zu
können, soll ein zweiter Exkurs über die Bourdieusche Analyse der Fächerhierarchie
mögliche theoretische Unklarheiten klären.
Exkurs 2: Der Streit der Fakultäten
Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron haben ausführlich die Zusammenhänge von
sozialer
Herkunft
und
Studienerfolg
bei
französischen
Studierenden
untersucht.
Zusammenfassend kommen sie zu folgendem Ergebnis:
„Die Chancen für den Hochschulbesuch sind das Ergebnis einer Auslese, die die gesamte Schulzeit
hindurch mit einer je nach der sozialen Herkunft der Schüler unterschiedlichen Strenge gehandhabt wird;
bei den unterprivilegierten Klassen führt dies ganz einfach zu Eliminierung“ (Bourdieu & Passeron 1971:
20)
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
85
Dass eben diese Eliminierung sozial schwacher Schichten auch in Deutschland stattfindet,
wurde in Kapitel 3 ausführlich dargelegt. Folgen wir der Argumentation von Bourdieu und
Passeron etwas. Wie bereits angedeutet, prägt die soziale Herkunft die Entscheidung für eine
bestimmte
Studienfachrichtung
(vgl.
auch
Preißer
1988).
Die
Ungleichheit
der
Bildungschancen zeigt sich demnach in der Einschränkung der Studienfachwahl. Noch
einmal die Autoren:
„Die Kinder der unterprivilegierten Klassen werden unmittelbar eliminiert; die wenigen übrig gebliebenen
sind in ihren Wahlmöglichkeiten stark eingeengt. Diese Studenten bezahlen den Besuch der Hochschule,
die ihnen nicht fünf, sondern nur zwei Pforten öffne, mit der Unfreiwilligkeit ihrer Entscheidung für die
Philosophische oder Naturwissenschaftliche Fakultät“ (Bourdieu & Passeron 1971: 25).
Zur Rangfolge der Fächer führt Bourdieu an anderer Stelle aus:
„Die Verteilungsstruktur der verschiedenen Hochschuleinrichtungen je nach den sozialen und
Bildungsmerkmalen ihrer Hörerschaft entspricht sehr genau […] ihrer Verteilungsstruktur nach sozialen
Merkmalen und dem Bildungsgang ihrer Professoren: So stammen Studenten der Medizin und
Rechtswissenschaften häufiger als ihre Kommilitonen der philosophischen und naturwissenschaftlichen
Fakultäten aus der herrschenden Klasse bzw. aus deren ökonomisch favorisierten Fraktionen (Industrielle
und freie Berufe). Bekannt ist weiter, dass Medizin und Jura in ökonomisch ranghöhere Berufszweige
führen als Geistes- und Naturwissenschaften (Bourdieu 1988: 90).
Zur besseren Illustration ist die Hierarchie der Fächer in Tabelle 9 graphisch dargestellt. Der
Hauptgegensatz offenbart sich nach Bourdieu in der Verteilung des ökonomischen und
kulturellen Kapitals. Während die Mitglieder der Medizinischen Fakultäten über das höchste
und die Mitglieder der Naturwissenschaftlichen Fakultäten über das geringste ökonomische
Kapital verfügen, verhält es sich beim kulturellen Kapital gerade umgekehrt. Die
naturwissenschaftlichen Fakultäten besitzen das höchste kulturelle Kapital, während die
medizinischen Fakultäten bei dieser Kapitalsorte das Schlusslicht in der Hierarchie der Fächer
bilden.
86
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Tabelle 9: Hierarchie der Fächer nach Bourdieu
(Kulturelles Kapital)
Naturwissenschaftliche Fakultät
↕
Philosophische Fakultät
↕
Rechtswissenschaftliche Fakultät
↕
Medizinische Fakultät
(Ökonomisches Kapital)
Quelle: Bourdieu (1988: 91).
Jugendliche treffen bereits mit der Wahl des Studienfaches die weitgehende Entscheidung für
einen Berufsbereich, wobei Traditionen, Erwartungen und Wünsche im Elternhaus eine
entscheidende Rolle spielen (vgl. für einen empirischen Beleg z.B. Spiegel 1980: 42). Dabei
ist davon auszugehen, dass Studienanfänger von zu Hause ein subtiles Bewusstsein von der
hierarchischen Ordnung der wissenschaftlichen Disziplinen mit an die Hochschule bringen.
Natürlich wirkt die Hierarchie der Fächer nur unbewusst und manifestiert sich allenfalls in
statistischen Relationen, trotzdem wissen letztlich alle über den „Wert“ eines bestimmten
Studienganges Bescheid.
Das dem so ist, belegt folgende Beobachtung: „Sind Akademiker bei geselligen Anlässen
unter sich, kann durchaus die Bemerkung fallen, dass der eigene Sohn nichts Rechtes, sondern
leider nur Soziologie oder Ethnologie studiert“ (Schmeiser 2003: 9, Hervorhebungen im
Original). An diesem Beispiel wird leicht deutlich, dass die verschiedenen akademischen
Studiengänge, bewusst oder unbewusst, in eine wertende Rangreihe gebracht werden. Man
denke hierbei insbesondere an die stereotypen Zuschreibungen eines Philosophie- oder
Soziologiestudiums bzw. eines VWL- oder Jurastudiums. Andererseits hat die Arbeitsmarktund Absolventenforschung bekanntlich seit längerem gezeigt, dass sich mit der
Fachzugehörigkeit nicht nur unterschiedliche Chancen auf den Arbeitsmärkten verbinden,
sondern auch deutliche Segmentierungen nach berufsfachlichen Arbeitsmärkten bestehen.
Letztlich funktioniert dieser Mechanismus nach demselben Code wie der Rest des
Bildungssystems. Im dem das Bildungswesen die Illusion von einer prinzipiellen Gleichheit
der Fachdisziplinen produziert, legitimiert es überhaupt erst die soziale Reproduktion von
87
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Ungleichheit. Denn natürlich gibt es auch Soziologen oder Germanisten mit führenden
Positionen in der Wirtschaft. Die Elimination wird natürlich ebenfalls von den Betroffenen
wahrgenommen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Absolventen teilweise sogar nach
der Promotion die gewählte Fachrichtung in Frage stellen. So gaben fertige Doktoranden der
Fachrichtung Higher Education im Nachhinein wegen (vermuteter) besserer Berufschancen
an, eine Promotion in Betriebswirtschaftslehre „bevorzugen“ zu würden (vgl. Schwarz 2000).
Trotzdem wird die Hierarchie der Fächer im wissenschaftlichen Diskurs kaum thematisiert.
Andrea Frank fast diese Haltung folgendermaßen zusammen:
„Die hierarchische Ordnung der Disziplinen ist innerhalb der scientific community auf eigentümliche Art
und Weise tabuisiert, alle wissen darum, aber man spricht nicht darüber. So gibt es kaum explizite
Beschreibungsversuche, die in Form von Unterscheidungsangeboten diese hierarchische Ordnung zu
erklären suchen“ (Frank 1990: 105).
Welchen Einfluss das Wissen um die Hierarchie der Disziplinen auf die Reproduktion von
sozialer Ungleichheit hat, ist schwierig zu untersuchen. Denn die sozial- oder
geisteswissenschaftlichen Fakultäten können auch als „Refugium“ für Studenten aus der
Oberschicht dienen. „Sozial zum Studium ‚verpflichtet’ wenden sie sich mangels wirklicher
Berufung Fächern zu die wenigstens den Schein gesellschaftlicher Legitimation verbürgen“
(Bourdieu & Passeron 1971: 25). Man kann die Unterschiede, die nicht nur in den Karrieren,
sondern auch in den Praxen und Ideologien von Promovierenden verschiedener Fakultäten
und selbst verschiedener Disziplinen zu beobachten sind, deswegen nur dann verstehen, wenn
man die Hypothese akzeptiert, dass diese Einheiten viele verschiedene Märkte darstellen.
Um den Exkurs über die Hierarchie der Disziplinen zu schließen, muss nochmals auf die
Besonderheit des deutschen Bildungssystems eingegangen werden. Durch die Abwesenheit
von Elitebildungseinrichtungen – so die formulierte These – besitzt einzig der Doktortitel die
nötige
Exklusivität,
um einen
entscheidenden
Vorteil
gegenüber
konkurrierenden
Klassenformationen um gesellschaftliche Spitzenpositionen zu gewährleisten. Im Folgenden
werde ich zeigen, dass die These von der „Hierarchie der Disziplinen“ auch für Deutschland
zutrifft und sich beim Erwerb des Doktortitels sichtbar manifestiert.49 Deswegen werden im
49
Natürlich ist diese Erkenntnis nicht neu: Eine Zusammenschau, die ein soziales Profil der Fächergruppen
vermittelt und auch politische und gesellschaftliche Orientierungen einbezieht, ist die Langzeitstudie
Studiensituation und studentische Orientierungen, welche seit Anfang der achtziger Jahre an Universitäten und
Fachhochschulen durchgeführt wird (vgl. exemplarisch Bargel, Multrus & Ramm 2005). Dabei wurden
88
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Anschluss an diese theoretischen Ausführungen die sozialen Positionen der Doktorandinnen
und Doktoranden ausführlich dargelegt und gezeigt, dass sich bei verschiedenen Aspekten
einer Promotion die soziale Ungleichheit der Disziplinen statistisch offenbart. So rekrutieren
die Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Ingenieurswissenschaften sozial
stärkere
Schichten,
während
die
Geisteswissenschaften,
Sozialwissenschaften
und
50
Naturwissenschaften den weniger Privilegierten vorbehalten bleiben.
5.4 Positionen im sozialen Raum
Die familiären Existenzbedingungen determinieren und strukturieren das zur Verfügung
stehende ökonomische, soziale und kulturelle Kapital, mit dessen Hilfe die befragten
Personen die Promotion erreicht haben. Dazu gehören die unterschiedlichen finanziellen
Absicherungen des Bildungsweges, aber auch die Kulturtechniken wie Redegewandtheit, das
Gespür für den richtigen Ton sowie Durchsetzungsvermögen, Sicherheit im Auftreten,
Eloquenz oder „arrogante“ Gelassenheit. Diese Schlüsselqualifikationen werden durch die
frühe Vertrautheit mit dem akademischen Milieu gewonnen und dauerhaft im primären
Sozialisationsprozess geprägt, so dass sie als natürliche Eigenschaften der Persönlichkeit
erscheinen.
Im Anschluss an Bourdieus Konzept des mehrdimensionalen sozialen Raumes, gilt es die
Frage zu klären, ob Promovierende eine gemeinsame klassenspezifische Kapitalstruktur
teilen. Die Reproduktionsstrategien, mit denen die Kapital besitzenden Klassen, bewusst oder
unbewusst, ihre Positionen in der Struktur der Klassenbeziehungen durch Sicherung oder
Mehrung ihres Kapitalbesitzes zu halten oder zu verbessern suchen, hängen von Unfang und
Struktur des zu reproduzierenden Kapitals ab, d.h. vom aktuellen und potentiellen Umfang
des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals.
Ich habe bereits ausführlich dargelegt, dass Promovierende über ein sehr hohes kulturelles
und ökonomisches Kapital verfügen. Eine grundsätzliche Herausforderung für eine Theorie
symbolisch vermittelter Ungleichheiten besteht aber darin, theoretisch und empirisch
nachvollziehbar darzulegen, ob und unter welchen Umständen dies der Fall ist. Zur
Unterstützung dieser These werden die Kapitalbestände der Promovierenden noch genauer
ausgeprägte Unterschiede der Zusammensetzung der Studentenschaft nach soziodemographischen Merkmalen,
nach Indikatoren für Berufserfahrung und Studienverlauf sowie nach politischen Orientierungen zwischen den
Fächergruppen deutlich.
50
Allerdings mahnen die Befunde von Absolventenstudien zur Vorsicht vor generalisierenden Aussagen über
unterschiedliche Beschäftigungschancen nach Hochschulart und Fachrichtung (vgl. Teichler 2003: Kapitel 10).
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
89
analysiert. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, beschränke ich mich auf die
Darstellung des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals.
5.4.1 Ökonomisches Kapital
Bourdieu verweist immer wieder auf die strukturell bedingte Dominanz des ökonomischen
Kapitals. Er schreibt beispielsweise:
„Man muss somit von der doppelten Annahme ausgehen, dass das ökonomische Kapital einerseits allen
anderen Kapitalarten zugrunde liegt, dass aber andererseits die transformierten und travestierten
Erscheinungsformen des ökonomischen Kapitals niemals ganz auf dieses zurückzuführen sind, weil sie ihre
spezifischsten Wirkungen überhaupt nur in dem Maße hervorbringen können, wie sie verbergen (und zwar
zu allererst vor ihrem eigenen Inhaber), dass das ökonomische Kapital ihnen zugrunde liegt und insofern,
wenn auch nur in letzter Instanz, ihre Wirkungen bestimmt “ (Bourdieu 1983: 196; Hervorhebungen im
Original).
Der Bourdieuschen Argumentation folgend, dass das ökonomische Kapital allen anderen
Kapitalarten zugrunde liegt, beginne ich die Darstellung der Positionen von Promovierenden
im sozialen Raum mit der ökonomischen Kapitalstruktur.
An die Überlegungen des vorherigen Exkurses anknüpfend, soll zunächst geprüft werden,
inwiefern ein Zusammenhang zwischen der Verteilung des ökonomischen Kapitals auf die
verschiedenen Promotionsfachbereiche zu beobachten ist. Es wurde bereits dargelegt, dass
Promovierende über ein überdurchschnittlich hohes ökonomisches Kapital verfügen. Das
durchschnittliche Elterneinkommen der befragten Doktorandinnen und Doktoranden
entspricht etwa dem Dreifachen des bundesweiten Durchschnittseinkommens und dürfte auch
über dem durchschnittlichen Akademikereinkommen liegen. Aus dieser Tatsache resultiert
eine Problematik für die Analyse von Ähnlichkeitsmaßen, welche nur schwierig zu lösen ist.
Da praktisch alle befragten Promovierenden über ein sehr hohes ökonomisches Kapital
verfügen, lässt sich nur ein schwacher Einfluss (Kontingenzkoeffizient = 0,129) auf die Wahl
der Promotionsfachbereiche beobachten (vgl. Tabelle 10).
90
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Tabelle 10: Zusammenhangsmaße zwischen Höhe des ökonomischen Kapital und
Fachbereich
Wert
Nominal- bzgl.
Nominalmaß
Phi
Cramer-V
Kontingenzkoeffizient
Anzahl der gültigen Fälle
Näherungsweise Signifikanz
,130
,000
,130
,129
1236
,000
,000
a Die Null-Hyphothese wird nicht angenommen.
b Unter Annahme der Null-Hyphothese wird der asymptotische Standardfehler verwendet.
Es sei zunächst festgehalten, dass ein signifikanter Zusammenhang besteht. Tabelle 11
verdeutlicht
den
Zusammenhang
zwischen
dem Nettoeinkommen
der
Eltern im
Fächervergleich. Zur besseren Übersicht wurden die Kategorien zu „Normalverdienern“ und
„Einkommensreichen“ zusammengefasst.
Tabelle 11: Nettoeinkommen der Eltern im Fächervergleich (in Prozent)
Sozialwiss.
Rechtswiss.
Wirtschaftswiss.
Ingenieurswiss.
Geisteswiss.
Mathe u.
Naturwiss.
Normalverdiener
(< 37.536 €)
33,8
14,0
18,7
14,8
31,0
26,9
Einkommensreich
(>37.536 €)
66,2
86,0
81,3
85,2
69,0
73,1
Gesamt
100
100
100
100
100
100
n=
151
57
107
88
226
573
Bei den Nettoeinkommen der Eltern offenbart sich die Bedeutung der Fächerwahl. Während
angehende promovierte Juristen, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler zu über 80% zu
den einkommensreichen Haushalten zählen, sind es bei Mathematik und Naturwissenschaften
nur 73,1%, bei den Geistes- und Sozialwissenschaften sogar unter 70%.
Um detaillierte Aussagen über die materielle Ausstattung von Promovierenden treffen zu
können, wurden die Doktorandinnen und Doktoranden auch zu ihrer Lebenssituation während
des Studiums befragt. Zunächst sei der signifikante Zusammenhang zwischen der Fächerwahl
und dem monatlich zur Verfügung stehenden Geld illustriert (vgl. Tabelle 12). Ermittelt
wurde ein Zentralwert der Einnahmeverteilung für die befragten Promovierenden von 530
Euro, d.h. 50% der Promovierenden hatten geringere, 50% höhere Einnahmen. Im Vergleich
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
91
zu vorliegenden Zahlen zur Studienfinanzierung und den Einnahmen von Studierenden sind
die genannten Beträge allerdings als äußerst fragwürdig einzustufen. Für das Jahr 2000, in
welchem laut Altersstruktur die meisten Promovierenden ihr Studium noch nicht beendet
hatten, ermittelte das Deutsche Studentenwerk einen Median von 665 Euro (BMBF 2004:
152). Gerade im Hinblick auf die hohe soziale Herkunft von Promovierenden und dem
angegebenen Nettoeinkommen der Eltern ist davon auszugehen, dass dieser Wert nicht dem
wirklich zur Verfügung stehenden Geldbetrag entspricht.
Tabelle 12: Monatlich zur Verfügung stehendes Geld während des Studiums
Rechtswissenschaften
650 €
Wirtschaftswissenschaften
600 €
Geisteswissenschaften
600 €
Sozialwissenschaften
520 €
Ingenieurswissenschaften
500 €
Mathematik und Naturwissenschaften
500 €
Frage 8: Wie viel Geld stand Ihnen während Ihres Studiums monatlich durchschnittlich zur
Verfügung?
Trotzdem sind die genannten Zahlen von einigem Interesse. Unterstellt man den
Promovierenden eine systematische Fehleinschätzung der damals zur Verfügung stehenden
Geldbeträge, so kann die relationale Rangfolge noch immer als Indiz für einen
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Fachwahl herangezogen werden. Den
Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern steht am meisten Geld zur Verfügung.
Mathematiker, Sozial- und Naturwissenschaftler mussten im Studium mit wesentlich weniger
Geld auskommen. Die Differenz beträgt zwischen 100 € und 150 € zwischen den höchsten
und niedrigsten Vermögen.51
Die Finanzierung einer Promotion stellt eine entscheidende Hürde auf dem Weg zum
Doktortitel dar. Zur Finanzierung der Promotion verfügen Promovierende in der Regel über
mehrere Einkommensquellen (vgl. Tabelle 13, sowie Enders & Bornmann 2001; Gerhardt,
Briede & Mues 2005). Dies wird aus der Vielzahl der Mehrfachnennungen auf die Frage nach
Finanzierungsquellen während der Promotionsphase deutlich.
51
Für weitere Informationen zur Finanzierung des Lebensunterhalts während des Studiums vgl. Tabelle 6 im
Anhang.
92
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Betrachten wir zunächst, wie die Promotionen insgesamt finanziert werden. Am häufigsten
tragen Stellen an Universitäten und Forschungseinrichtungen zur Finanzierung bei (45,1%).
An zweiter Position stehen drittmittelfinanzierte Anstellungen (31,6%), an dritter Position
rangieren Promotionsstipendien (26,0%) und an fünfter Stelle die Graduiertenförderung
(11,7%). Die Finanzierung einer Promotion durch Angehörige (15,4) und eigene Ersparnisse
(lediglich 0,6%) spielen eine untergeordnete Rolle.
Tabelle 13: Finanzierung des Lebensunterhaltes während der Promotion, Häufigkeiten der
Nennung in Prozent (Mehrfachnennungen)
Zahl der Nennung
% der Fallzahl
Stellen an Universitäten, Forschungseinrichtungen
843
45,1
Drittmittelfinanzierte Stellen
591
31,6
Promotionsstipendien
487
26,0
Unterstützung durch Angehörige
288
15,4
Graduiertenförderung
219
11,7
Erwerbstätigkeit außerhalb der Wissenschaft
210
11,2
Tätigkeit als Hilfskraft, Werksvertrag
133
7,1
sonstige Quellen
40
2,1
eigene Ersparnisse
12
0,6
Zahl der Nennungen insgesamt
2.823
Frage 39: Welcher der unten genannten Finanzierungswege sichert Ihnen während der Promotionsphase in der
Hauptsache den Lebensunterhalt?
Diese Befunde zeigen, dass das ökonomische Kapital nicht direkt die Möglichkeiten zur
Promotion
determiniert.
Trotz
hoher
materieller
Besitzstände
finanzieren
sich
Doktorandinnen und Doktoranden in der Mehrheit über Finanzierungsmöglichkeiten, die es
grundsätzlich allen sozialen Schichten ermöglichen würde zu promovieren.52 Trotzdem ist
natürlich davon auszugehen, dass ein wohlhabendes Elternhaus die nötige finanzielle
Sicherheit liefert, eine Promotion zu beginnen.
52
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass mittels der Erhebungsmethoden fast nur Promovierende in
Anstellungsverhältnissen erreicht wurden. Andererseits ist nicht davon auszugehen, dass sozial schwache
Personen eine externe Promotion ohne Finanzierungsmöglichkeit beginnen würden.
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
93
Wieder sei darauf verwiesen, dass auch bei der Vergabe von finanziell attraktiven Positionen
im wissenschaftlichen Feld deutliche Unterschiede nach Fach und Geschlecht existieren.
Frauen besetzen seltener Mitarbeiter- und Drittmittelstellen (-12%), sondern finanzieren ihre
Promotion häufiger über Stipendien (+5%), über Erwerbstätigkeit außerhalb der Wissenschaft
(+2%) und über die Unterstützung durch Angehörige (+3%). Gerhardt, Briede und Mues welche dieselbe Geschlechterdifferenz bemerken - erklären die Ungleichverteilung der
Finanzierung von Frauen und Männern über die verschiedenen Fächergruppen: „Ungefähr die
Hälfte der Befragten sind Doktoranden der Mathematik, Naturwissenschaften und
Ingenieurswissenschaften. Hier herrschen Promotionen auf Mitarbeiterstellen vor und der
Frauenanteil der Doktoranden liegt nur bei ca. einem Drittel, was sich entscheidend auf das
Gesamtergebnis auswirkt“ (Gerhardt, Briede & Mues 2005: 82).
Unabhängig dieser schlüssigen - und inhaltlich korrekten - Erklärung sei der
geschlechtsspezifische Unterschied aber festgehalten: Bedeutsam ist dieses Ergebnis nämlich
im Hinblick auf die weiteren Karrieremöglichkeiten von Frauen im wissenschaftlichen
Betrieb. Bisherige Befunde der Doktorandenforschung deuten darauf hin, dass Inhaber von
Stellen im Wissenschaftsbereich mehr fachliche Kontakte haben als alle anderen Gruppen
(vgl. z.B. Czock & Wildt 1985: 88). Fachliche Isolation aber führt zu Arbeitsschwierigkeiten.
Aus den dargestellten Zahlen folgt, dass männliche Doktoranden mehr Positionen innerhalb
eines organisierten wissenschaftlichen Kontextes innehalten, d.h. über wesentlich direkteren
Kontakt zu anderem wissenschaftlichen Personal verfügen. Weibliche Doktorandinnen
hingegen werden über die Stellenvergabe subtil aus dem wissenschaftlichen Feld gedrängt.
Tabelle 14 zeigt die angegebenen monatlichen Netto-Einkommen der befragten Doktoranden.
Demnach verdienen Doktoranden der Ingenieurswissenschaften im Durchschnitt ca. 1500 €
und liegen damit wesentlich höher als alle anderen Fachbereiche. Gefolgt werden sie von den
Promovierenden der Wirtschaftswissenschaften mit 1200 € und der Rechtswissenschaften mit
etwa 1160 €. Finanzielle Schlusslichter bilden wieder die Geistes-, Sozial- und
Naturwissenschaften mit jeweils unter 1100 € im Durchschnitt. Methodisch ist auf zwei
Besonderheiten hinzuweisen. Die Standardabweichungen sind mit bis zu 632 € vom
Mittelwert besonders groß, was ein Hinweis darauf ist, dass der Mittelwert ein schlechter
Repräsentant ist. Andererseits deckt das arithmetische Mittel auf diese Weise wieder einmal
die bereits angeführte Dichotomie zwischen den Promotionsfachbereichen auf. Bezüglich der
Entlohnung konnte kein Zusammenhang zur Bildungsherkunft oder zum elterlichen
ökonomischen Kapital festgestellt werden, was als klares Zeichen dafür gewertet werden
94
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
muss, dass die Entlohnung nach Fachbereichen organisiert wird. Bemerkenswert ist aber, dass
gerade die Fächer, wo Personen aus unteren sozialen Schichten überrepräsentiert
promovieren, das niedrigste monatliche Durchschnittseinkommen aufweisen.
Tabelle 14: Durchschnittliches monatliches Netto-Einkommen
Promotionsfächer
N
Standardabweichung
Mittelwert
Sozialwissenschaften
216
407,542
1066,20
Rechtswissenschaften
72
545,585
1157,08
Wirtschaftswissenschaften
154
632,009
1200,14
Ingenieurswissenschaften
131
541,160
1560,18
Geisteswissenschaften
322
476,206
1064,54
868
383,861
1089,37
1822
468,380
1120,57
Mathematik und
Naturwissenschaften
Insgesamt
Die ökonomische Ressourcenausstattung der einzelnen Klassenformationen erlaubt eine
unterschiedliche finanzielle und zeitliche Investition in die Promotion. Gleichzeitig bildet das
ökonomische Kapital die wichtigsten Rahmenbedingungen für die Studienentscheidung und
für die Studienfachwahl. Beispielsweise stellt eine außerordentlich lange durchschnittliche
Studiendauer in manchen Studienfächern ein unkalkulierbares Risiko dar. Ähnliches gilt für
Studienfächer mit so hohen Leistungsanforderungen, dass die Studierenden ihr gesamtes
Zeitbudget darauf verwenden müssen. Dadurch wird die Möglichkeit zu einer eventuell
notwendigen finanziellen Absicherung des Studiums durch zusätzliche Erwerbsarbeit
ausgeschlossen und das entsprechende Studienfach ebenfalls zu einem hohen Risiko.
Für die Promotion gelten diese Mechanismen nicht, was daran liegt, dass – wie gezeigt – fast
alle
Promovierenden
ein
sehr
hohes
ökonomisches
Kapital
besitzen
und
Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden (vgl. Anhang: Abbildungen 1 und
Abbildung 2).
5.4.2 Kulturelles Kapital
Die „Kompetenzen sozialer Art“ um im wissenschaftlichen Feld zu bestehen, werden
überwiegend durch das kulturelle Kapital der Familie vermittelt. Die soziale Herkunft der
befragten Promovierenden wurde bereits dargestellt. Dabei wurde auch darauf hingewiesen,
95
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
dass ein Sechstel der Doktoranden aus einem promovierten Elternhaus stammt (vgl. Tabelle
15).
Tabelle 15: Bildungsherkunft der Promovierenden* nach Promotionsbereichen (in Prozent)
Sozialwiss.
Rechtswiss.
Wirtscha.wiss.
Ingenieurwiss.
Geisteswiss
Mathe u.
Naturwiss.
Gesamt
13,4
25,7
11,7
19,0
15,6
15,1
15,5
HochSchule
33,0
37,1
33,8
31,7
31,5
33,3
32,8
Fachhochschule
13,9
14,3
13,8
15,1
17,5
13,8
14,5
9,1
8,6
5,5
4,0
4,5
5,5
5,8
Mittlere
Reife
14,8
7,1
18,6
16,7
14,0
18,6
16,7
Hauptschule
15,3
7,1
15,9
13,5
16,9
13,1
14,1
Kein
Abschluss
0,5
-
0,7
-
-
0,6
0,4
Gesamt
100
100
100
100
100
100
100
n=
209
70
145
126
308
834
1692
Promotion
Abitur
*) Höchster Bildungsabschluss der Eltern (von Mutter oder Vater)
Frage 47: Haben Verwandte von Ihnen promoviert? Bitte geben Sie auch den Verwandtschaftsgrad an! Frage 51: Welchen
höchsten Schulabschluss hat bzw. hatte Ihr Vater? Frage 52: Welchen höchsten Schulabschluss hat bzw. hatte Ihre Mutter?
Frage 53: Welchen höchsten beruflichen Abschluss hat bzw. hatte Ihr Vater? Frage 54: Welchen höchsten beruflichen
Abschluss hat bzw. hatte Ihre Mutter?
Es wurde in diesem Fall keine Unterscheidung getroffen, ob Vater, Mutter oder beide
promoviert sind. Entscheidend für den primären Sozialisationsprozess ist lediglich, dass ein
Familienmitglied promoviert ist. Genauso wirken natürlich aber auch andere Verwandte auf
den Habitus der Promovierenden. Laut Bourdieu ist davon auszugehen, dass Mitglieder dieser
Klassenformationen den Nutzen eines Doktortitels eher richtig beurteilen. Deswegen können
auch alle anderen Verwandten als Beleg für institutionalisiertes kulturelles Kapital
herangezogen werden. Dabei würde man erwarten, dass sich ein Doktortitel umso stärker auf
eine potentielle Promotion auswirkt, je enger der Kontakt, d.h. der Verwandtschaftsgrad ist.
In eben diesem Zusammenhang weist Preißner auf die Bedeutung der Statusposition der
Großeltern hin. Akademische Berufsgruppen (z.B. Ärzte, Apotheker) scheinen über eine
96
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
mehrere Generationen gepflegte akademische Tradition und eine hohe Selbstrekrutierungsrate
zu verfügen (vgl. Preißner 1988: 406). Um weitere Hintergrundinformationen über die
familiäre Situation von Promovierenden zu schaffen, wurde nach der promovierten
Verwandtschaft gefragt. Dabei stellte sich heraus, dass insgesamt 39,5% der Befragten
promovierte Verwandtschaft haben.
Zwei interessante Randnotizen seien vermerkt. Während noch ein genereller Zusammenhang
zwischen Fachbereichswahl und Bildungsherkunft des Elternhauses beobachtet werden
konnte, zeigte sich kein signifikanter Einfluss einer promovierten Verwandtschaft auf die
Promotionsfachbereiche. Dies könnte dafür sprechen, dass von zuhause generell der Wert der
Promotion betont wird und dieser höher gestellt wird als das entsprechende Fach. Zum
anderen zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen promovierter Verwandtschaft und der
Qualität der beruflichen Stellung (Kontingenzkoeffizient 0,285). Den Zusammenhang
verdeutlicht graphisch Abbildung 10. Die linken Balken stehen für Doktoranden, die angaben
über keine promovierte Verwandtschaft zu verfügen, die rechten Balken verfügen über
promovierte Verwandtschaft. Deutlich sieht man den Zusammenhang zwischen promovierten
Familienmitgliedern und dem geschätzten Nettoeinkommen der Eltern. Dies verdeutlicht
nochmals die privilegierte Position von Inhabern eines Doktortitels.
Abbildung 10: Zusammenhang zwischen der promovierten und nicht-promovierten
Verwandtschaft und dem ökonomischen Kapital
100
80
80
72
60
65
60
40
40
35
Einkommen < 18.768 €
28
20
20
Einkommen > 18.768 €
Einkommen > 37.536 €
0
Einkommen > 65.273 €
Keine Promotion
Promotion
97
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Als Fazit können wir festhalten: Die differentielle Weitergabe von institutionalisiertem
kulturellen Kapital funktioniert ungebrochen.
5.4.3 Soziales Kapital
Weil traditionelle Rekrutierungsmechanismen im wissenschaftlichen Feld teilweise nicht
mehr greifen, beginnen Promovierende – so die hier vertreten These – auf ihr jeweiliges Netz
von Beziehungen zurückzugreifen. Bereits Bourdieu, Boltanski und Maldidier verweisen
explizit auf die Rolle von sozialem Kapital an Hochschulen. Sie schreiben:
„Es folgt daraus, dass in diesen Disziplinen die Zugangschancen zur Forschung und mehr und mehr auch
die zur Lehre tendenziell mindestens genauso stark vom Umfang von der Mannigfaltigkeit und von der
Qualität des Gefüges universitär rentabler sozialer Beziehungen abhängen wie von ihrem akkumulierten
Bildungskapital“ (Bourdieu, Boltanski & Maldidier 1981: 144).
Besonderen Einfluss auf die Reproduktion von sozialen Strukturen an den Hochschulen
kommt den Professoren zu, welchen die Auswahl von Studenten für Hilfskraft-, Mitarbeiterund Assistentenstellen obliegt. Mit Bourdieus Worten: „Offenbar übertragen die für die
Rekrutierung
verantwortlichen
ordentlichen
Professoren,
sofern
die
verfügbare
Arbeitskraftreserve ihnen dies erlaubt, jene Prinzipien, welche sie mehr unbewusst als
bewusst bei der Wahl ihrer Kollegen leiten, auch auf die Auswahl ihrer Assistenten“
(Bourdieu,
Boltanski
&
Maldidier
1981:
130).
Allerdings
ist
an
deutschen
Massenuniversitäten - je nach Fach - der Kontakt zwischen Studenten und Dozenten in der
Regel nicht sehr ausgeprägt. In einer Bourdieuschen Lesart kann daher der reine persönliche
Kontakt, d.h. Professor und Studierender kennen einander womöglich nur beim Namen,
bereits als soziales Kapital gewertet werden. Denn wie Huber gezeigt hat, werden
Studierende, die als besonders befähigt erachtet werden oder in besonderer Weise die
Aufmerksamkeit der Dozierenden auf sich gezogen haben, bereits während der letzten
Studienphasen durch die Mitarbeit als wissenschaftliche Hilfskraft oder forschungsbezogene
Abschlussarbeiten nach und nach in die Forschungsarbeit integriert (vgl. Huber 1986).
Wie aber lenken Studierende die Aufmerksamkeit der Dozenten auf sich? Gleich, Meran und
Bargel kamen in ihrer Untersuchung über die Beziehungen zwischen Studenten und
Hochschullehrern unter anderem zu dem Ergebnis, „dass mit zunehmender Schulbildung der
Eltern das Problem der Kontaktaufnahme zu Hochschullehrern geringer wird. Für Studenten,
98
deren
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Eltern
Volksschul-
oder
Realschulabschluss
aufweisen,
dürften
also
sozialisationsbedingte Verhaltensunsicherheiten gegenüber den Hochschullehrern eine Rolle
spielen“ (Gleich, Meran & Bargel 1982: 76-77). Der „universitäre Habitus“ (Bourdieu,
Boltanski & Maldidier 1981: 134) scheint also die entscheidende Rolle zu spielen. Um
herauszufinden, welche Bedeutung persönliche Kontakte bei der Besetzung von
Promotionsstellen haben, wurden die Doktorandinnen und Doktoranden über die persönlichen
Kontakte zu ihrem Promotionsbetreuer befragt. Tabelle 16 stellt die verschiedenen Strategien
der „Betreuersuche“ dar. Persönliche Kontakte, soviel sei hier vorweggenommen, spielen zur
Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine besonders wichtige Rolle. Über die
Hälfte der Befragten antwortete, dass sie bereits vor der Promotionsphase ihren Betreuer
persönlich kannten. Immerhin 12% sind über persönliche Empfehlungen, gleichfalls eine
Form sozialen Kapitals, zu ihrer jetzigen Stelle gelangt. Von den Personen, welche angaben
selbstständig gesucht bzw. direkt einen Professor oder eine Professorin angefragt zu haben,
hatte bereits ein Fünftel Kontakt zum späteren Betreuer.
Die Ergebnisse lassen auch vermuten, dass nicht die Hochschullehrer sich ihre Doktoranden
suchen, sondern dass Hochschulabsolventen sich auf die Suche nach einem Doktorvater
begeben. Dabei wird anscheinend aus dem Pool bekannter Professoren gewählt.
Mehrfach wurde bisher auf Fachunterschiede hingewiesen. Bei der wichtigen Frage nach
persönlichen Kontakten zeigt sich auch hier ein relativ starker Zusammenhang
(Kontingenzkoeffizient = 0,212). Bei den Sozial- und Geisteswissenschaften sind die meisten
persönlichen Kontakte zwischen Doktorandinnen und Professoren zu beobachten, bei den
Rechtswissenschaften und Ingenieuren wurden etwas weniger persönliche Kontakte
angegeben. Das gleiche Kontaktverhalten zeichnet sich aber bereits im Studium ab (vgl.
Gleich, Meran & Bargel 1982: 84). Es ist daher davon auszugehen, dass die Bedeutung von
sozialem Kapital für die Rekrutierung von Doktorandinnen und Doktoranden in allen
Fachbereichen gleichermaßen von immenser Bedeutung ist.
99
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Tabelle 16: Arten der Betreuersuche, Häufigkeiten der Nennung in Prozent
(Mehrfachnennungen)
Zahl der Nennung
% der Fallzahl
Durch persönlichen Kontakt
1047
57,5
Selbstständige Suche/ Auf direkte Anfrage
555
30,5
Über Stellenangebote
320
17,6
Über Empfehlungen
218
12,0
Zufall
55
3,0
Aufnahme in ein Graduiertenkolleg – Zuteilung des
Betreuers
Initiative vom Betreuer
11
0,6
7
0,4
Keine Angabe
5
0,3
Zahl der Nennungen insgesamt
2200
N= 1820
Frage 35: Wie haben Sie Ihre Promotionsstelle bzw. Ihren Betreuer/ Ihre Betreuerin „gefunden“?
Die besondere Bedeutung des sozialen Kapitals erklärt auch die hohe Zahl Promovierender
,die an der gleichen Universität promovieren an der sie ihren Universitätsabschluss erworben
haben (vgl. Abbildung 11). Knapp 56% der Befragten gab an, an der „Heimatuniversität“ zu
promovieren.
Zwischen
beiden
Variablen
existiert
ein
deutlicher
Zusammenhang
(Kontingenzkoeffizient = 0,428). Dieser Befund ist äußerst interessant, wenn man sich
nochmals die in Kapitel 4 beschriebene Stellenknappheit an deutschen Universitäten vor
Augen führt. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass Studienabschluss und freie
Promotionsstelle terminlich über einander fallen sehr gering, vielmehr implizieren die
empirischen Ergebnisse, dass die Promotionsstellen bereits vor dem Freiwerden intern weiter
vergeben bzw. temporär zurückgehalten werden, bis der „geeignete“ Kandidat die Stelle
besetzen kann.
100
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Abbildung 11: Promotion an der „Heimatuniversität“
60
56
50
44
40
30
20
10
0
"Heimatuniversität"
"Fremduniversität"
Wie aber kommt der persönliche Kontakt zwischen Studenten und Professorinnen zustande?
Um detaillierte Aussagen über das soziale Kapital von Promovierenden im wissenschaftlichen
Feld zu Beginn ihrer Promotion treffen zu können, wurden die Promovierenden die über
persönliche Kontakte verfügten aufgefordert, zu erklären, wie dieser Kontakt entstanden ist
(vgl. Tabelle 17).
Tabelle 17: Entstehung des Kontaktes zum Promotionsbetreuer, Häufigkeiten der Nennung in
Prozent (Mehrfachnennungen )
% der Fallzahl
Zahl der Nennung
Betreuung der Abschlussarbeit
779
43,2
Seminar/ Veranstaltung
567
31,4
Hiwi/ Mitarbeit am Institut
421
23,3
Betreuung von Tutorat/ Praktikum
149
9,3
Private Kontakte
63
3,5
Fachliche Kontakte, z.B. Tagungen, Konferenzen
15
0,8
Prüfer der Abschlussprüfung
12
0,7
Zahl der Nennungen insgesamt
2053
n=1047
Frage 36: Falls Sie bereits vor Beginn der Promotionsphase persönlichen Kontakt zu Ihrem Doktorvater/ zu Ihrer
Doktormutter hatten, wie kam dieser Zustande?
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
101
Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass eine solche Fragestellung eine originär
qualitative Sozialforschung erfordern würde. Andererseits zeigten stichprobenartige
Nachfragen, dass sich die verschiedenen Kontaktvarianten zu den dargestellten Kategorien
„zusammenfassen“ lassen. Grundsätzlich entsteht der Kontakt zwischen künftigem
Doktorkind und Promotionsbetreuung durch die Betreuung der Abschlussarbeit (43,2%) oder
in universitären Veranstaltungen (31,4%). Eine entscheidende Rolle spielen aber auch die
Einstellung als wissenschaftliche Hilfskraft (23,3%) oder Tutorin (9,3%). Durch die
Möglichkeit mehrere Kontaktarten gleichzeitig abzufragen, wurde deutlich, dass die
Promovierenden über unterschiedlich starke persönliche Kontakte verfügen.
Dabei zeigte sich, dass die Promovierenden, die über besonders viele Kontakte verfügen, fast
alle bereits als wissenschaftliche Hilfskraft bei ihrem Betreuer gearbeitet haben. In der Regel
haben wissenschaftliche Hilfskräfte also auch Seminare und Vorlesungen bei diesen
Hochschuldozenten besucht, waren als Tutor oder Praktikumsbetreuer für sie tätig und haben
oftmals die Abschlussarbeit bei ihm geschrieben. Um zu kontrollieren, ob der jetzige Betreuer
bereits einen Einfluss auf die Promovierenden während des Studiums hatte, wurden die
Promovierenden ergänzend zu ihrer subjektiven Einschätzung über die Bedeutung ihres
Promotionsbetreuers für ihre wissenschaftliche Ausrichtung befragt (vgl. Anhang: Tabelle 7).
Für knapp ein Drittel der befragten Doktoranden bildetet ihr Betreuer bereits während des
Studiums eine wichtige Orientierungshilfe (Kontingenzkoeffizient = 0,344).
Eines der interessantesten Ergebnisse der Untersuchung zeigte sich bei der Frage nach der
Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft. So gaben fast drei Viertel der befragten
Doktorandinnen und Doktoranden an, während ihres Studiums als wissenschaftliche
Hilfskraft gearbeitet zu haben (vgl. Abbildung 12). Auch wenn keine aktuellen
Vergleichszahlen vorliegen53, so kann definitiv ausgeschlossen werden, dass 75% aller
Studenten als studentische Hilfskräfte angestellt sind. Der Anteil studentischer Hilfskräfte am
Gesamtpersonalbestand an deutschen Hochschulen betrug laut Statistischem Bundesamt im
Jahr 1997 etwa 42.000 Personen (entspricht immerhin 9,7% am Gesamtpersonalbestand).
53
Irritierenderweise werden die Personalzahlen nicht mehr mit den studentische Hilfskräften ausgewiesen (vgl.
exemplarisch die Grund- und Strukturdaten 2003). Die aktuellsten Zahlen stammen daher von 1997.
102
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Abbildung 12: Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft während des Studiums (in Prozent)
80
74
60
40
26
20
0
Kein HiWi
HiWi
Bezieht man diese Zahl auf die Gesamtzahl aller Studierenden, so stehen einer Stelle als
studentische Hilfskraft circa 42 verfügbare Studenten gegenüber. Die bundesweite Quote für
studentische Hilfskräfte beträgt lediglich 2,5%. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass von
den hier genannten 1341 Doktorandinnen und Doktoranden die während ihres Studiums als
studentische Hilfskraft angestellt waren, gleichzeitig 702 Personen (51,1%) auch ein Tutorat
oder ein Forschungspraktikum betreut haben.
Wie sind diese Beobachtungen zu bewerten. Hilfreiche Erkenntnisse liefert in diesem
Zusammenhang eine empirische Studie zu studentischen Hilfskräfte an der PhillipsUniversität Marburg. Die Beschäftigungsverhältnisse von studentischen Hilfskräften, so ein
Ergebnis der Studie, sind prekär. Die Analyse der Arbeitsverhältnisse studentischer
Beschäftigter hat gezeigt, dass sie nicht auf langfristige Planung und finanzielle Absicherung
ausgelegt sind. Sie haben zu geringe Beschäftigungsumfänge, relativ kurze Vertragslaufzeiten
und unzureichende Vergütungssätze. Studium und Lebenshaltungskosten sind allein mit
studentischen Jobs an Hochschulen nicht finanzierbar. Ein signifikantes Ergebnis der
Marburger Hilfskraftstudie ist die Beobachtung, dass studentische Beschäftigte sich in erster
Linie aus finanziell privilegierteren Schichten rekrutieren. „Die prekären Erwerbsverhältnisse
an der Marburger Universität sind in den meisten Fällen deshalb ohne dramatische Folgen,
103
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
weil viele studentische Beschäftigte durch ihre Eltern finanziell abgesichert sind“ (Regelmann
2005: 26).
Die dargestellten Sachverhalte zeigen, dass Promovierende bereits während des Studiums
begonnen haben, soziales Kapital zu akkumulieren. Tätigkeiten als studentische Hilfskraft
und die Leitung von Tutoraten oder Forschungspraktika können als „Strategien sozialer
Investitionen“ im wissenschaftlichen Feld verstanden werden. Da praktisch alle befragten
Personen aus ökonomisch besser gestellten Haushalten stammen, scheinen ökonomische
Motive eine sekundäre Rolle zu spielen. Die Ergebnisse lassen sogar vermuten, dass die
Beschäftigung als studentische Hilfskraft eine geeignete Strategie ist um den Zugang zu einer
Promotion zu erlangen.
Zugleich handelt es sich aber auch um einen äußerst subtilen Reproduktionsmechanismus
sozialer Ungleichheit. Die Tatsache, dass die meisten studentischen Beschäftigten in sehr
privilegierten Akademikerhaushalten aufgewachsen sind, lässt vermuten, dass bei der
Rekrutierung der Habitus als unausgesprochenes Auslesekriterium fungiert. Denn wenn ein
Dozent einen Studenten anspricht bei ihm studentische Hilfskraft zu werden - was immerhin
für die Hälfte der Marburger Hilfskräfte zutraf - dann ist es wahrscheinlich, dass er eine
Person auswählt zu der der Professor eine Art unsichtbare Verbindung hat und mit der er sich
vorstellen kann, später, z.B. als Doktorand weiter zusammen zu arbeiten. Das Angehörige des
wissenschaftlichen Mittelbaus und Professoren in vielerlei Hinsicht ein Hochschul- und
Weltbild teilen, haben Enders und Teichler herausgearbeitet: Sie haben im Durchschnitt
ähnliche Vorstellungen, welchen Stellenwert ihr Fach und ihre Hochschule für sie hat, was
ihnen wissenschaftliche Freiheit bedeutet und was die Hochschule für die Gesellschaft leisten
soll;
nur
geringfügige
Unterschiede
zwischen
Universitätsprofessoren
und
Mittelbauangehörige zeigen sich in ihren Aussagen zur Qualifikation der Studierenden und
zur
Hochschulverwaltung.
Ebenso
sind
die
Mittelbauangehörigen
wie
die
Universitätsprofessoren der Meinung, dass das deutsche System der Qualifizierung für
Forschung und Lehre für sie relativ gut funktioniert. Sie bewerten die materiellen und
ressourciellen Bedingungen für ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit ähnlich und sind zumeist
auch mit ihrem Gehalt nicht unzufrieden (vgl. Enders & Teichler 1995b). Darüber hinaus ist
anzunehmen, dass die Selbstverständlichkeit, sich für die Position als studentische Hilfskraft
oder Doktorandin zu bewerben, für Studierende aus nicht akademischen Milieus geringer ist
und deshalb von ihnen seltener die Initiative ausgeht als dies von Studierenden aus sozial
privilegierten Haushalten der Fall ist.
104
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Abschließend sei noch kurz die Frage thematisiert, ob es sich bei der Akkumulation von
sozialem Kapital um einen (un-)bewusste Strategie handelt, fehlendes ökonomisches und/oder
kulturelles Kapital zu kompensieren oder ob die Tätigkeiten als studentische Hilfskraft
vielmehr eine nötige Handlung darstellt, um das wissenschaftliche Feld betreten zu können.
Bei der Befragung von Promovierenden konnte kein Zusammenhang zwischen der früheren
Tätigkeit als studentische Hilfskraft und dem ökonomischen oder kulturellen Kapital
beobachtet werden.
Wäre ein Mangel an ökonomischen oder institutionalisierten kulturellen Kapital durch den
Erwerb von sozialem Kapital kompensiert worden, hätte man aber einen Zusammenhang
beobachten müssen, da eben diese Doktorandinnen und Doktoranden über weniger
ökonomisches und kulturelles Kapital verfügen würden. Aus der Tatsache, dass
Promovierende eine sehr homogene Gruppe bezüglich der Kapitalverteilung darstellen, lässt
sich folgern, dass bereits die Tätigkeit als studentische Hilfskraft sozial determiniert ist. Die
Möglichkeit durch den Erwerb zusätzlichen sozialen Kapitals den Zugang zu einer Promotion
zu erhalten, scheint demzufolge sehr gering zu sein.
5.5 Die Position der Fachbereiche im sozialen Raum
Aufgrund der unterschiedlichen Kapitalvolumen, der Kapitalstruktur und der sozialen
Laufbahn können die Lebenslagen von Klassenformationen theoretisch erfasst und in einem
„Raum der sozialen Positionen“ verortet werden (Bourdieu 1982: 212f.). Anhand von
Korrespondenzanalysen konstruiert Bourdieu einen Raum objektiver sozialer Positionen –
„Positionen, die sich wechselseitig zueinander definieren, durch Nähe, Nachbarschaft und
Ferne sowie durch ihre relative Position, oben oder untern oder auch zwischen bzw. in der
Mitte usw.“ (Schwingel 2003: 106).
Analog zum Bourdieuschen Schaubild habe ich anhand meiner Daten das relationale
Verhältnis der Fachbereiche zueinander angefertigt. Abbildung 13 zeigt den Raum der
sozialen Lebenslagen der befragten Doktorandinnen und Doktoranden entsprechend der
Verteilung von Volumen und Struktur des Kapitals in seinen verschiedenen Ausprägungen,
wobei die Position jedes Fachbereiches durch das Ensemble an kulturellen und ökonomischen
Merkmalen bestimmt wird.
105
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
Abbildung 13: Raum der sozialen Positionen
- Bildungskapital +
Jura
Ingenierswissenschaften
Geisteswiss.
Sozialwiss.
Naturwissenschaften
Wirtschaftswissenschaf
ten
- Ökonomisches Kapital +
Das Schaubild zeigt graphisch die bisher heraus gearbeiteten Ergebnisse. Abschließend seien
die drei Befunde nochmals kurz dargestellt: Erstens wird klar, dass alle Promotionsfächer
gleichermaßen über hohes Bildungskapital verfügen. Der entscheidende Unterschied
zwischen den Fachbereichen liegt in der Menge des zur Verfügung stehenden ökonomischen
Kapitals. Dies wiederum bestätigt das Postulat von Bourdieu, dass das ökonomische Kapital
allen anderen Kapitalarten zugrunde liegt.
Zweitens offenbart sich die noch immer dominante Position der rechtswissenschaftlichen
Fakultät deutlich, in der die Doktorandinnen und Doktoranden über das höchste kulturelle und
ökonomische Kapital verfügen. Damit habe ich gezeigt – entsprechend der Vermutungen von
Bourdieu, Boltanski und de Saint Martin (1981: 32, 40-41) – dass die juristischen Fakultäten,
die bereits früher eine Sonderstellung unter den Universitätsfakultäten besaßen, ihre Position
106
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
haben bewahren können. Auch ist der von Bourdieu, Boltanski und de Saint Martin
prognostizierte Bedeutungsverlust der ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten ausgeblieben.
Bourdieu hat für das französische Universitätsfeld beobachtet, „dass die charakteristischen
Eigenschaften der herrschenden Fraktionen der herrschenden Klasse in dem Maße zunehmen,
wie man von den naturwissenschaftlichen Fakultäten zu den philosophischen Fakultäten und
von diesen zu den rechtswissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten übergeht“
(Bourdieu 1988: 85). In Deutschland hingegen bildet die philosophische Fakultät (wo sich die
zwei schwächsten Fachbereiche Geisteswissenschaften und Sozialwissenschaften befinden)
vor
den
Naturwissenschaften
das
Schlusslicht.
Ansonsten
scheinen
dieselben
Hierarchiemuster zu gelten.
Drittens zeigt sich die Zweiteilung der Fächerstruktur. Damit nähern wir uns wieder der
anfänglichen Fragestellung nach den ambivalenten Ergebnissen über die soziale Herkunft von
Doktorandinnen und Doktoranden. Zur Erinnerung: Während Enders und Bornmann der
Promotionsphase eine vergleichsweise hohe soziale Offenheit zuschreiben, kommt Hartmann
zu dem Schluss, dass „sich die Promotion selbst bereits als sozial sehr selektiv erweist“
(Hartmann 2002: 366f.). Anhand der herausgearbeiteten Hierarchie der Fächer lassen sich
diese Befunde erklären. Denn beide Aussagen treffen zu: Betrachtet man nur die Fächer der
Rechts-, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften, Fächer mit denen privilegierte
Positionen verbunden sind, so finden wir hoch selektive Ausschlussmechanismen. Erweitert
man jedoch die Betrachtung von Doktorandinnen und Doktoranden auf alle Fachbereiche,
zeigt sich eine „relative“ soziale Offenheit der Promotion.
Zwar haben auch Enders und Bornmann das Phänomen der internen Gliederung der
Promotionsfachbereiche implizit registriert, diesem aber keine weitere Beachtung geschenkt.
Während sie zunächst schreiben:
„Für einige Fächer (Biologie, Germanistik, Sozialwissenschaften) beobachten wir im Kohortenvergleich
eine soziale Öffnung gegenüber einem bildungsferneren Herkunftsmilieu, für andere eher eine soziale
Schließung (Elektrotechniker, Mathematiker, Wirtschaftswissenschaftler). Wenn man annimmt, dass sich
in der Selektion nach Herkunftsmilieu auch Unterschiede im antizipierten Prestige und Sozialstatus eines
Faches widerspiegeln, mag man auch von einem relativen Auf- bzw. Abstieg in der Hierarchie der Fächer
sprechen“ (Enders & Bornmann 2001: 86).
Relativieren sie im direkten Anschluss ihre Befunde. Sie gelangen zu dem Ergebnis:
5. Promovierende und die Illusion der Chancengleichheit
107
„Für die Gestalt der Dissertationsphase (Finanzierung, Verankerung im Wissenschaftsbetrieb etc.) und ihre
Erträge (Publikationshäufigkeiten, Promotionsnoten etc.) verliert die soziale Herkunft aber ebenso an
Gewicht wie für die weitere wissenschaftliche Orientierung der Promovierten auf eine Habilitation“
(Enders & Bornmann 2001: 86).
Diese Aussage widerlegt die vorliegende Arbeit. Wie gezeigt, manifestiert sich die soziale
Ungleichheit im Promotionswesen in der Eliminierung der sozial schwachen Schichten und
einem Abdrängen der weniger Privilegierten auf weniger „produktive“ Fachbereiche. Die
Nivellierung der Promotionsphase ermöglicht keine Chancengleichheit, sondern verdeckt
lediglich die bestehenden sozialen Kämpfe.
Kapitel 6
Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit
In diesem Kapitel sollen die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst
werden. Hierbei dienen die im dritten Kapitel erarbeiteten Thesen als Struktur. Zugleich gilt
es aber auch, Perspektiven anzudeuten, die für weitere Analysen im Anschluss an die hier
vorgelegten Befunde zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten in modernen Gesellschaften
von Belang sein könnten: Die Überlegungen zur sozialen Herkunft von Doktorandinnen und
Doktoranden finden so ihren Abschluss.
1. Eine Promotion ist mit einer besonderen Privilegierung in den Berufschancen verbunden.
Das heißt, die Promotion ist nicht in den Sog der allgemeinen Ausweitung und Abwertung von
Bildungstiteln geraten, sondern hat seine traditionell herausragende Stellung im deutschen
Bildungssystem bewahren können.
Die Erkenntnis, dass der Doktortitel nicht der allgegenwärtigen „Inflation von
Bildungsabschlüssen“ unterliegt wurde im vierten Kapitel zusammengetragen. Anhand der
strukturellen und quantitativen Entwicklung der Promotionsprüfungen wurde gezeigt, dass –
obwohl immer mehr Hochschulabsolventen die Universität verlassen – die Anzahl der
Promovierenden nur marginal ansteigt. Während also die Hochschulbildung den Charakter
eines exklusiven Gutes längst verloren hat, ist es der Promotion gewissermaßen gelungen ihre
Exklusivität weiter zu steigern. Diese Entwicklung veränderte die Promotionsmotive von
potentiellen Doktorandinnen und Doktoranden nachhaltig: Während traditionell die
Aufnahme in die „wissenschaftliche Profession“ als vornehmliches Ziel und eigentliche
Aufgabe postgraduierter Bildung galten, steht heute die Qualifizierung für den
außeruniversitären Arbeitsmarkt im Zentrum der Bemühungen.
110
6. Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit
Die empirische Sozialforschung hat aufgezeigt, dass sich die große Mehrheit der
Promovierten auf hoch qualifizierten, gut bezahlten Vollzeitpositionen platzieren konnte. Ein
Doktortitel – so zeigen die Ergebnisse - ist besonders geeignet den Zugang zu
gesellschaftlichen Spitzenpositionen zu ermöglichen. Denn obwohl Promovierte nur einen
sehr kleinen Anteil der Hochschulabsolventen stellen, sind sie weit überproportional unter den
Mitgliedern der Elite vertreten. Neben der Wissenschaft, in der ein Doktortitel unverzichtbar
ist, gilt dies insbesondere für die Wirtschaft, wo knapp die Hälfte der Topmanager promoviert
hat, für die höhere Justiz und für die Politik.
2. Die Wahrscheinlichkeit einen Doktortitel zu „erwerben“ beruht nicht auf der individuellen
Leistungsfähigkeit oder persönlichen Qualifikation, sondern wird maßgeblich durch die
ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen des Elternhauses determiniert. Das
heißt, die Promotion muss als ein Mechanismus zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten
verstanden werden.
Die im fünften Kapitel herausgearbeiteten Ergebnisse zur sozialen Selektivität einer
Promotion verweisen auf deutliche Grenzen einer vermeintlich meritokratischen Gesellschaft.
Genetische Intelligenz und die schulische Vermittlung von Fertigkeiten spielen eine
untergeordnete Rolle bei dem Erwerb exklusiver Bildungstitel und der damit verbundenen
Besetzung gesellschaftlicher Spitzenpositionen. Stattdessen produziert das Bildungssystem
eine „Illusion der Chancengleichheit“ und ermöglicht auf diese Weise die Reproduktion
bestehender sozialer Ungleichheiten. Da das Bildungssystem prinzipiell jedem Studenten die
gleichen Chancen einräumt und es eine Vielzahl von Personen gibt, die ohne die „richtige“
Herkunft auf eine erfolgreiche Promotion verweisen können, ist die statistisch beobachtbare
Selektivität bei der Reproduktion der herrschenden Klasse oberflächlich nicht zu erkennen.
Dieser zweite Befund kann kaum treffender belegt werden, als anhand der Verteilung des
kulturellen und ökonomischen Kapitals von Promovierenden. Die Ergebnisse der empirischen
Untersuchung zeigen unmissverständlich, dass die befragten Doktorandinnen und
Doktoranden aus sozial stark privilegierten Verhältnissen stammen. Meine Untersuchung hat
gezeigt, dass Promovierende von Hause aus ein weit überdurchschnittlich hohes kulturelles
Kapital mitbringen. Unter diesen Bedingungen lässt sich eine deutliche Bildungsvererbung
6. Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit
111
bestimmen. Gleichzeitig steht Doktorandinnen und Doktoranden ein außerordentlich hohes
ökonomisches Kapital zur Verfügung. Etwa die Hälfte der Befragten gehört nach eigenen
Angaben zu dem reichsten einem Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung. Gerade im
Hinblick auf die prekäre Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses wirkt die Exklusion
sozial schwächerer Schichten über die finanzielle Unsicherheit während der Promotionsphase.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Promovierende aus äußerst privilegierten sozialen
Verhältnissen stammen. Die Reproduktion sozialer Ungleichheit – wie sie im gesamten
Bildungswesen zu beobachten ist – findet gleichermaßen im Zugang zum Doktortitel statt.
3. Die Ungleichheit der Bildungschancen manifestiert sich in der Einschränkung der Studienbzw. Promotionsfachwahl. Das heißt, die soziale Herkunft beeinflusst nicht nur die
Entscheidung zur Promotion, sonder prägt auch die Wahl für eine bestimmte
Studienfachrichtung.
Bourdieu und Passeron (1971) haben kritisiert, dass nur selten die verborgenen
Mechanismen der Macht zur Kenntnis genommen werden, in denen sich die Ungleichheiten
der Bildungschancen manifestieren: Im universitären Feld zählt hierzu zweifellos das
„Abdrängen“ der Kinder aus den unteren und mittleren Klassen auf bestimmte Fakultäten.
Mit der Aufnahme dieser Fragestellung wurde versucht die verborgenen Relationen zwischen
den
Fachbereichen
bei
Promovierenden
aufzudecken.
Die
Arbeitsmarkt-
und
Absolventenforschung hat bekanntlich seit längerem gezeigt, dass mit der Fachzugehörigkeit
deutlich unterschiedliche Chancen auf den Arbeitsmärkten bestehen.
Anhand der Promotionsmotive und der Karriereplanung ist es zunächst gelungen, eine
fachspezifische
Zweiteilung
der
Disziplinen
systematisch
aufzudecken:
In
den
Naturwissenschaften, den Rechtswissenschaften, den Ingenieurswissenschaften und den
Wirtschaftswissenschaften sind die Promotionsabsichten extrinsischer Natur. Während die
Naturwissenschaftler
vor
allem
den
Zwang
zur
Promotion
als
eigentlichen
berufsqualifizierenden Hochschulabschluss hervorheben, spekulieren Ingenieure, Juristen und
Wirtschaftswissenschaftler auf positive Karrierevorteile im außeruniversitären Bereich.
Geistes- und Sozialwissenschaftler betonen stärker ihre intrinsische Motivation.
112
6. Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit
Die mit der Fachwahl verbundene Strukturierung der befragten Gruppe zeigt sich endgültig,
wenn die zukünftige soziale Positionierung von Doktorandinnen und Doktoranden zur
Disposition steht. Während die promovierenden Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaftler
einen Verbleib im wissenschaftlichen Betrieb erwägen, streben Doktorandinnen und
Doktoranden in den Rechts-, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften eine vermeintlich
lukrative Position außerhalb der Forschungsgemeinschaft an.
Eine so deutliche Dichotomie zwischen den Promotionsfachbereichen wurde bei der
Konzeption der Befragung keineswegs erwartet und erforderte eine Ausweitung des
gewählten Fokus. Bemerkenswerte Befunde lieferte die Analyse der sozialen Herkunft von
Promovierenden nach Fachbereichen: So rekrutieren die Rechts-, Wirtschafts- und
Ingenieurswissenschaften ihre Doktorandinnen und Doktoranden aus sozial stärkeren
Schichten,
während
die
Geisteswissenschaften,
Sozialwissenschaften
und
Naturwissenschaften den weniger Privilegierten vorbehalten bleiben.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Zweiteilung in Rechts-, Wirtschafts- und
Ingenieurswissenschaften versus Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften offenbart den
zugrunde liegenden Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit auf der Ebene der
höchsten Bildungstitel. Damit löst sich aber auch der eingangs formulierte Widerspruch zur
sozialen Herkunft von Doktorandinnen und Doktoranden auf. Denn während Hartmann,
welcher für die Promotion eine sehr hohe soziale Selektivität beobachtet, nur eben jene
doppelt privilegierten Fächer der Rechts-, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften
untersuchte, beziehen sich die Befunde von Enders und Bornmann zugleich auf privilegierte
und weniger privilegierte Fächer. So erklärt sich auch die von ihnen diagnostizierte
vergleichsweise hohe soziale Offenheit.
4. Die soziale Ungleichheit im Zugang zur Promotion wird in besonderem Maße durch das
soziale Kapital im wissenschaftlichen Feld reguliert. Das heißt, ökonomisches und kulturelles
Kapital reichen alleine nicht aus, um den Zugang zur Promotion zu gewährleisten.
Anhand der ausführlichen Darstellung der persönlichen Kontakte zwischen den befragten
Doktorandinnen und Doktoranden zu den Professoren und Professorinnen wurde die
6. Die Promotion: Ein Reproduktionsmechanismus von sozialer Ungleichheit
113
Bedeutung von sozialem Kapital für die Aufnahme in das wissenschaftliche Feld
herausgearbeitet. Die im fünften Kapitel dargestellten Sachverhalte zeigen, dass
Promovierende bereits während des Studiums begonnen haben, soziales Kapital zu
akkumulieren. Tätigkeiten als studentische Hilfskraft und die Leitung von Tutoraten oder
Forschungspraktika sind also als „Strategien sozialer Investitionen“ im wissenschaftlichen
Feld zu verstehen. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass inkorporiertes soziales Kapital im
wissenschaftlichen Feld ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme in das
Promotionswesen darstellt. Denn während die meisten Studenten über das nötige kulturelle
und ökonomische Kapital verfügen, können nur sehr wenige Studierende einen so
ausgeprägten Kontakt zu Professorinnen und Professoren vorweisen wie künftige
Doktorandinnen und Doktoranden. Dabei handelt es sich aber – so meine These – um den
vermeintlich subtilsten Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit, da bei der
Generierung sozialen Kapitals Studierende sukzessive mit entsprechend „privilegiertem“
Habitus bevorzugt werden. Die Tatsache, dass die meisten studentischen Beschäftigten in
sehr privilegierten Akademikerhaushalten aufgewachsen sind, lässt vermuten, dass bei der
Rekrutierung der Habitus als unausgesprochenes Auslesekriterium fungiert.
Diese Befunde bringen methodologische Anforderungen mit sich: Denn eine Untersuchung
über die soziale Herkunft von Promovierenden ist – wie im dritten und vierten Kapitel
hergeleitet wurde - sinnvoller Weise anhand von Pierre Bourdieus (Feld-)Theorie zu führen.
Das heißt, es gilt die Zwänge und Regeln des wissenschaftlichen Feldes in die Analyse von
Doktorandinnen und Doktoranden mit aufzunehmen. Nur so können die Mechanismen und
Strategien
zur
Reproduktion
der
sozialen
Ungleichheit
Klassenformationen aufgedeckt, beschrieben und nivelliert werden.
zwischen
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Köln:
Wissenschaftsrat.
Wissenschaftsrat (2005): Entwicklungen der Studienfachdauer an Universitäten von 19992003, Köln: Wissenschaftsrat.
Anhang
Tabelle 1: Liste der Promotionsfächer
Volkswirtschaftslehre
Biologie
Soziologie
Biochemie
Griechisch
Kunstgeschichte
Pharmazeutische Technologie
Meteorologie
Metallurgie
Neurosciences
Anglistik
Stadt- & Regionalplanung
Kulturwissenschaft
Virologie
Maschinenbau
Umweltgeschichte
Kommunikationssysteme
Lebensmittelingenieur
Luft- & Raumfahrttechnik
Meereskunde
Kulturwissenschaft
Arbeitswissenschaft
Holztechnik
Forstwissenschaft
Geologie
Logistik
Umweltwissenschaften
Gesellschaftswissenschaften
Chemieingenieur
Linguistik
Sportwissenschaften
Psychologie
Physik
Geschichte
Philosophie
Wirtschaftsgeschichte
Sozialwissenschaften
Biotechnologie
Veterinärmedizin
Werkstofftechnik
Theologie
Islamwissenschaft
Haushaltstechnik
Architektur
Wirtschaftingenieur
Fertigungstechnik
Verkehrssysteme
Elektrotechnik
Lasertechnik
Medienwissenschaft
Meeresbiologie
Ozeanographie
Mikrosystemtechnik
Demographie
Geographie
Ethnologie
Betriebswirtschaftslehre
Erziehungswissenschaften
Wirtschaftswissenschaften
Südostasienkunde
Germanistik
Statistik
Politikwissenschaft
Astronomie
Mathematik
Chemie
Musikwissenschaft
Bauingenieurwesen
Kristallographie
Ang. Wissenschaft
Werkstoffwissenschaft
Amerikanistik
Slawistik
Archäologie
Medizin
Pflanzenernährung
Produktionstechnik
Maschinensysteme
Restaurationswissenschaft
Prozesswissenschaft
Romanistik
Marine Biogeochemie
Geowissenschaft
Computerlinguistik
Informationsrecht
Informatik
Jura
Mineralogie
Pharmazie
Bioingenieur
Literaturwissenschaft
Agrarwissenschaften
Theaterwissenschaften
Tabelle 2: Stellen für wissenschaftliches Personal an Universitäten (ohne Medizin) 19601990 (absolute Zahlen, in Tausend).
Jahr
Professoren
Assistenten
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
5,2
8,7
12,5
20,6
21,4
20,9
19,8
5,8
13,0
17,4
18,8
15,1
3,5
-
Quelle: Endres (1996: 63).
Anderes wiss.
Personal
2,0
5,3
8,8
14,6
18,1
28,6
34,7
Insgesamt
13, 0
27,0
38,9
54,3
55,5
53,0
53,9
128
Anhang
Tabelle 3: Hauptberuflich tätiges wissenschaftliches Personal, Habilitationen und
Doktorprüfungen an Universitäten (ohne Medizin) 1960 – 1990 (absolute Zahlen,
Veränderungen in Prozent).
Jahr
Professoren
1960
1970
1975
1980
1985
1990
1960 – 1990
3.939
11.545
14.893
16.877
18.377
18.802
(+377 %)
Nicht-professorale
Wissenschaftler
6.008
30.829
37.680
41.083
44.055
54.513
(+807%)
Habilitationen
Doktorprüfungen
287
613
692
695
630
658
(+129 %)
3.484
5.176
6.113
5.906
6.977
9.160
(+ 165 %)
Quelle: Endres (1996: 64).
Tabelle 4: Publikationstätigkeit während der Promotion nach Promotionsfachbereichen (in Prozent)
Sozial- RechtsWirts.IngenieursMathe u.
Geisteswiss.
wiss.
wiss.
wiss.
wiss.
Naturwiss.
Publiziert nicht
25,0
53,5
41,8
21,7
37,l
33,4
Publiziert
75,0
46,5
58,2
78,3
62,9
66,6
Insgesamt
100
100
100
100
100
100
n=
216
71
153
129
321
859
129
Anhang
Tabelle 5: Berufliche Stellung des Vaters nach Promotionsfachbereichen (in Prozent)
Sozialwiss.
Rechtswiss.
Wirtschaftswiss.
Ingenieurswiss.
Geisteswiss.
Mathe u.
Naturwiss.
Selbstständige
21,0
15,5
20,1
19,1
13,1
17,3
Beamte
28,5
32,4
26,2
26,0
30,4
23,5
Beamte im
höheren Dienst
15,4
21,1
13,4
16,0
12,8
9,2
Beamte im
gehobenen Dienst
7,9
9,9
8,1
6,1
13,1
11,0
Beamte im
mittleren und
einfachen Dienst
5,1
1,4
4,7
3,8
4,5
3,3
Angestellte
38,3
43,7
43,0
41,2
43,9
50,6
Angestellte mit
umfassenden
Führungsaufgaben
18,7
23,9
22,8
22,1
17,9
21,7
16,8
18,3
19,5
18,3
24,4
25,6
Angestellte mit
einfachen
Tätigkeiten
2,8
1,4
0,7
0,8
1,6
3,3
Arbeiter
11,1
4,2
10,7
10,7
11,2
7,4
Nicht
erwerbstätig
0,9
4,2
-
3,1
1,3
1,2
Gesamt
100
100
100
100
100
100
n=
214
71
149
131
312
851
Angestellte mit
qualifizierenden
Aufgaben
Frage 55: Was ist bzw. war die überwiegende berufliche Stellung Ihres Vaters?
130
Anhang
Tabelle 6: Finanzierung des Lebensunterhaltes während des Studiums, Häufigkeiten der Nennung in
Prozent (Mehrfachnennungen)
Zahl der Nennung
% der Fallzahl
Mittel der Eltern
1415
76,2
Universitäre Tätigkeit (HiWi, Tutorate etc.)
835
45,0
Erwerbstätigkeit außerhalb der Hochschule
678
36,5
BAföG
484
26,1
Andere Stipendiengeber
103
5,5
Mittel von Verwandten
67
3,6
Studienstiftung des deutschen Volkes
50
2,7
Parteinahe, gewerkschaftliche oder konfessionelle Stiftung
47
2,5
Bildungskredit
42
2,3
Mittel des (Ehe-)Partners
36
1,9
Sonstiges
25
1,4
Zahl der Nennungen insgesamt
3709
n=1819
Frage 39: Welcher der unten genannten Finanzierungswege sichert Ihnen während der Studienphase in der
Hauptsache den Lebensunterhalt?
Tabelle 7: Einfluss des jetzigen Promotionsbetreuers im Studium
Gültig
Fehlend
Gesamt
Einfluss
Kein
Einfluss
Gesamt
Keine
Angabe
System
Gesamt
Häufigkeit
644
Prozent
35,3
Gültige
Prozente
37,6
1067
58,6
62,4
1711
93,9
100,0
109
6,0
2
111
1822
,1
6,1
100,0
Kumulierte
Prozente
37,6
100,0
Frage 37: Würden Sie sagen, dass Ihr Doktorvater/Ihre Doktormutter im Studium eine
wichtige Orientierung oder einen entscheidenden Einfluss für Ihre Studienorientierung und
den weiteren Verlauf Ihres Studiums hatte?
40
30
20
Durchschnittliche Wochenarbeitszeit
131
Anhang
Abbildung 14: Durchschnittliche Wochenarbeitszeit für die Dissertation
50
ni
ge
sc
ha
h
sc
en
en
is s
i ss
ts w
sc
i rt
ch
lw
zia
af
n
te
atu
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un
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ik
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ul
K
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a
M
nd
ch
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ch
se
s
ra
h
wi
Sp
rs
sc
eu
en
is s
w
n
ft s
fte
ha
In
W
Re
So
r
Abbildung 2: Geschätzte Promotionsdauer in Jahren (Mittelwert)
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
M
at
at
ik
nd
un
at
te
ur
i
n
n
te
ch
a
ch
rw
N
ltu
d
Ku
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is
se
is
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ts
w
rs
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m
ch
he
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eu
ni
af
se
is
n
se
is
sw
h
sc
ge
Sp
In
irt
ht
w
al
zi
ec
W
R
So
132
Anhang
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Soziologie
Befragung von Promovierenden
1. Stellen Sie Ihre Tastatur auf Überschreiben, indem Sie die Taste "Einfg" drücken. Im Fenster Ihrer
Textverarbeitung erscheint ganz unten in der Statusleiste "Überschreiben". Dann verschiebt sich der
Fragebogen beim Ausfüllen nicht allzu sehr.
2. Füllen Sie den Fragebogen aus, indem Sie ein beliebiges Zeichen zum ankreuzen tippen und Zahlen
bzw. Texte in die (Tabellen-)Felder schreiben.
3. Speichern Sie die Datei und senden Sie diese per E-Mail an: [email protected]. Ihre E-Mail Adresse (Absender) wird beim Posteingang vom Fragebogen getrennt, um die
Zusendung zu anonymisieren.
1 Vor Studienbeginn
1.1 Über welchen Bildungsweg haben Sie Ihre Studienberechtigung erworben?
Gymnasium
Fachgymnasium
Gesamtschule
Berufsausbildung mit Abitur
Abendgymnasium, Kolleg
Fachoberschule
anderer, und zwar: ________________________________
1.2 Mit welcher Abschlussnote haben Sie die Hochschulreife abgelegt?
(Abitur-)durchschnitt: _ , _
1.3 Bitte geben Sie an, was Sie vor der Aufnahme des Studiums und nach
Beendigung der Schulzeit gemacht haben (Mehrfachnennungen möglich)
direkter Übergang von der Schule ins Studium
eine Berufsausbildung / Lehre oder ein Volontariat
abgeschlossen. Welche?
____________________________________________
abgebrochen. Welche?
____________________________________________
in einem Beruf gearbeitet. In
welchem?____________________________________________
ein Praktikum absolviert. In welcher
Branche?_______________________________________
Wie lange? ________ Monate
„gejobbt“, ohne unmittelbare Ausbildung
eine Weiterqualifizierungsmaßnahme. Welche ?
_____________________________________
eine Umschulungsmaßnahme. Welche?
___________________________________________
Bundeswehr, Zivildienst
längerer Auslandsaufenthalt, z.B. als „Au Pair“ in (Land)
_______________________________
Anhang
133
Sonstiges:
__________________________________________________________________
_____
2 Studienverlauf
2.1 Waren
Sie
während
Ihrer
Studienzeit
in
irgendeiner
Form
gesellschaftspolitisch tätig oder ehrenamtlich engagiert? (Mehrfachnennungen
möglich)
Nein
Hochschulpolitik ( (U-)ASTA, Gremienarbeit)
Fachschaft
Sport- oder Freizeitvereine
diakonische Arbeit, soziale Arbeit
kirchliche Organisationen
Partei
Weiteres:
_________________________________________________________
2.2 Haben Sie
während Ihres Studiums als ungeprüfte wissenschaftliche
Hilfskraft (HiWi) gearbeitet? Falls ja, wie viele Monate ungefähr?
Nein
Ja
ca. _ _ _ Monate
2.3 Haben Sie im Laufe Ihres Studiums eines oder mehrere Tutorate bzw. Praktika
betreut?
Nein
Ja
Eine Veranstaltung
Zwei Veranstaltungen
Drei Veranstaltungen
Mehr als drei Veranstaltungen
2.4 Welcher der unten genannten Finanzierungswege sicherte Ihnen während der
Studienphase in der Hauptsache den Lebensunterhalt? (Mehrfachnennungen
möglich)
Beschäftigung an Hochschule oder Forschungseinrichtung
Wissenschaftliche Hilfskraft
Tutorat/ Praktika Betreuung
134
Anhang
Stipendium
Studienstiftung des deutschen Volkes
Parteinahe, gewerkschaftliche oder konfessionelle Stiftung
Andere Stipendiengeber
Externe Finanzierung
Erwerbstätigkeit außerhalb der Hochschule
Mittel des (Ehe-) Partners
Mittel der Eltern
Mittel von anderen Verwandten (Großeltern etc.)
BAföG
Bildungskredit
Sonstiges
2.5 Wie viel Geld stand Ihnen während Ihres Studiums monatlich durchschnittlich
zur Verfügung?
ca. _____________ €
3 In den folgenden Tabellen bitten wir Sie, den Verlauf Ihrer Studienzeit wie in
einem tabellarischen Lebenslauf zu schildern. Es werden dabei vier Bereiche,
Studium, Praktika, Auslandsaufenthalte und Berufstätigkeit getrennt befragt. Bitte
versuchen Sie alle wichtigen Abschnitte aufzuführen, auf den genauen Monat
kommt es dabei aber nicht an ☺. Die Dauer (von – bis) kann am schnellsten mit
vier Ziffern notiert werden: Bspw. Jan 1986 = 01 86
3.1 Studium
von
Monat
Jahr
Bis
Monat
Jahr
1. Hauptfach 2. Hauptfach / 1. 2. Nebenfach Name und Ort der Hochschule
Nebenfach
3.2 Auslandsaufenthalte über 1 Monat Dauer
von
Monat
Jahr
bis
Monat
Jahr
Zweck (bspw. „Studium“,
„Sprachkurse“,
„Forschungsprojekt“)
Land
3.3 Praktika
von
bis
Tätigkeit
Firma / Institution/ Organisation
135
Anhang
von
Monat
Jahr
bis
Monat
Jahr
3.4 Berufstätigkeit
von
Monat
Jahr
bis
Monat
Jahr
Stunden/
Woche
Tätigkeit
Firma / Institution/ Organisation
4 Nun zu Ihrem Universitätsabschluss.
4.1 An welcher Universität haben Sie Ihren Abschluss gemacht?
Name der Universität: ____________________
4.2 In welchen Fächern haben Sie ihren Abschluss gemacht?
Diplom: _______________________
Magister:
1. Hauptfach: _______________________
2. Hauptfach: _______________________
1. Nebenfach: _______________________
2. Nebenfach: _______________________
4.3 Wie viele Fach- und Hochschulsemester haben Sie insgesamt studiert?
Fachsemester: _ _
Hochschulsemester: _ _
4.4 Wann haben Sie die letzte Prüfung an der Universität abgelegt?
Monat: _ _ / _ _ _ _ (Jahr)
4.5 Mit welcher Note wurde Ihre Abschlussarbeit bewertet?
Note: _ , _
4.6 Mit welcher Gesamtnote haben Sie Ihr Studium abgeschlossen?
136
Anhang
Gesamtnote: _ , _
5 Kommen wir nun zu Ihrer Promotion
5.1 In welchem Fachbereich promovieren Sie?
Fachbereich: _ _ _ _ _ _ _ _
5.2 Promovieren Sie an derselben Universität an der Sie Ihren Abschluss
erworben haben?
Nein
Ja
5.3 Wann hat die Promotionsphase bei Ihnen begonnen, d.h. wann haben Sie mit
der Arbeit an einem bestimmten Thema für Ihre Dissertation begonnen – auch
wenn sich in der Folge ein Wechsel des Themas oder Unterbrechungen der
Dissertationsarbeiten o.ä. ergeben haben sollten?
Monat: _ _ / _ _ _ _ (Jahr)
5.4 Bitte schätzen Sie, wie viele Jahre Sie voraussichtlich für Ihre Promotion
benötigen?
Jahre: _ _
5.5 Im Folgenden sind einige mögliche Gründe für die Entscheidung zu
promovieren angeführt. Wenn Sie an Ihre Entscheidung zu promovieren
zurückdenken, inwieweit trafen diese Gründe damals für Sie persönlich zu?
Traf völlig zu = 1
1
2
3
Interesse an wissenschaftlicher
Forschung
Interesse für Methoden, Theorien und
Erkenntnisse des Faches
Möglichkeit Fähigkeiten/ Begabungen
nachzugehen
Persönliche Entfaltung
Verbesserung der späteren
Berufschancen
Bessere Aufstiegschancen im Beruf
Verbleib an der Hochschule/ Stadt
Voraussetzung für angestrebten Beruf
Bessere Aussichten für sicheren
Arbeitsplatz
Höheres Einkommen im späteren Beruf
Nichts anderes kam in Frage
Bessere Orientierung für spätere
Berufswahl
Traf überhaupt
nicht zu = 6
4
5
6
Anhang
137
Aus Zufall
Promotion ermöglichte
Stelle/Stipendium zur Sicherung des
Lebensunterhalts
Zeitgewinn für Zukunftsplanung
Keine interessante Anstellung gefunden
Kleinstes Übel
5.6 Wie haben Sie Ihre Promotionsstelle bzw. Ihren Betreuer „gefunden“?
(Mehrfachnennungen möglich)
Durch persönliche Kontakte (weiter mit Frage 5.6)
Selbstständige Suche/ Auf direkte Anfrage
Über Stellenangebote
Über Empfehlungen
Zufall
Sonstiges: _ _ _ _ _ _ _
5.7 Falls Sie bereits vor Beginn der Promotionsphase persönlichen Kontakt zu
Ihrem Doktorvater/ zu Ihrer Doktormutter hatten, wie kam dieser Zustande?
(Mehrfachnennungen möglich)
Er/Sie hat meine Abschlussarbeit betreut
Ich habe ein Seminar bei ihm/ihr besucht
Ich habe ein Tutorat/Praktikum für ihn/sie betreut
Ich habe als wissenschaftliche Hilfskraft für ihn/sie gearbeitet
Es bestanden private Kontakte
Sonstiges: _ _ _ _ _ _ _
5.8 Würden Sie sagen, dass Ihr Doktorvater/Ihre Doktormutter im Studium eine
wichtige Orientierung oder einen entscheidenden Einfluss für ihre
Studienorientierung und den weiteren Verlauf Ihres Studiums hatte?
Ja
Nein
Welchen? ___________________________
5.9 Wie ist Ihr Promotionsthema entstanden? Würden Sie sagen, dass es
größtenteils Ihrem persönlichen Interesse und eigenen Engagement
entsprungen ist oder arbeiten Sie an einer Thematik, die Sie quasi als
„Auftragsarbeit“ bearbeiten?
Eigenes Engagement
Auftragsarbeit
138
5.10
Anhang
Welcher der unten genannten Finanzierungswege sichert Ihnen während
der Promotionsphase in der Hauptsache den Lebensunterhalt?
(Mehrfachnennungen möglich)
Beschäftigung an Hochschule oder Forschungseinrichtung
Anstellung an einer Hochschule/Forschungseinrichtung
Drittmittelfinanzierte Stelle
Hilfskraft-/Werksverträge
Promotionsstipendium
Graduiertenförderung
Parteinahe, gewerkschaftliche oder konfessionelle Stiftung
Andere Stipendiengeber
Externe Finanzierung
Erwerbstätigkeit außerhalb der Hochschule
Mittel des (Ehe-) Partners
Mittel der Eltern
Mittel von anderen Verwandten
Sonstiges
5.11 Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie durchschnittlich an Ihrer
Promotion?
ca. ____Std.
5.12 Arbeiten Sie – abgesehen von der Dissertationsschrift selbst – während
Ihrer Promotionsphase an wissenschaftlichen Publikationen? Falls Sie
wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht haben, geben Sie bitte die Anzahl
der Veröffentlichungen an.
Nein Ja
Anzahl der Publikationen: ___
5.13 Planen Sie eine Habilitation bzw. eine wissenschaftliche Karriere?
Ja
Nein
5.14 Wie viel Geld steht Ihnen durch eigenes Einkommen monatlich zur
Verfügung (persönliches Netto-Einkommen)?
ca. _____________ €
5.15 Falls Sie mit einem Lebenspartner oder einer Familie zusammenleben: Wie
viel Geld steht dem Haushalt insgesamt monatlich zur Verfügung (Haushalts
Netto-Einkommen)?
139
Anhang
ca. _____________ €
Bitte beachten Sie auch bei diesen für die Studie sehr wichtigen Angaben, dass
die Datenspeicherung anonymisiert erfolgt und zusätzlich die ausgewerteten
Ergebnisse so zu Gruppen zusammenfasst werden, dass keine Rückschlüsse auf
individuelle Personen möglich sind.
6 Zuletzt möchten wir Sie noch um einige allgemeine Angaben zu Ihrer Person
und ihren familiären Verhältnissen im Moment der Umfrage und zum Ende Ihrer
Studienzeit bitten.
6.1 Sind Sie ...
männlich?
weiblich?
6.2 In welchem Jahr sind Sie geboren?
19 _ _
6.3 Staatsangehörigkeit: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
6.4 Hatten sie am Ende Ihrer Studienzeit und haben Sie im Moment einen festen
Lebenspartner?
Zum Ende Ihrer Studienzeit:
Ja Nein
Im Moment: Ja Nein
6.5 War / ist Ihr Lebenspartner berufstätig?
Ja, Teilzeitbeschäftigung
Ja, vollerwerbstätig
Nein
Zum Ende Ihrer
Studienzeit:
Im Moment:
6.6 Haben Verwandte von Ihnen promoviert?
Nein
Ja
Verwandtschaftsgrad: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
6.7 Haben Freunde bzw. Bekannte von Ihnen bei Aufnahme Ihrer Promotion
ebenfalls promoviert?
Nein
Ja
Wie viele? _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
140
Anhang
6.8 Welche berufliche Tätigkeit übten Ihre Eltern aus, als Sie Ihr Studium
abschlossen?
Beruf des Vaters ___________________________
war verstorben
Beruf der Mutter ___________________________
war verstorben
unbekannt
unbekannt
6.9 Wie hoch war ungefähr das monatliche Einkommen Ihrer Eltern
Einkommen des Vaters ___________________________
unbekannt
Einkommen der Mutter
unbekannt
___________________________
6.10 Welchen höchsten Schulabschluss haben bzw. hatten Ihre Eltern?
Vater Mutter
Schule beendet ohne Abschluss
Volks-/ Hauptschulabschluss, Polytechnische Oberschule mit Abschluss 8. oder 9. Klasse
Mittlere Reife, Realschulabschluss, Polytechnische Oberschule mit Abschluss 10. Klasse
Fachhochschulreife (Abschluss einer Fachoberschule etc.)
Abitur bzw. Erweiterte Oberschule mit Abschluss 12. Klasse (Hochschulreife)
Mutter: anderen Schulabschluss und zwar: __________________________
Vater: anderen Schulabschluss und zwar: ___________________________
Unbekannt
6.11 Welchen höchsten beruflichen Abschluss haben bzw. hatten Ihre Eltern?
Vater Mutter
Universität
Pädagogische Hochschule
Fachhoch-, Ingenieurschule, Handelsakademie
Meisterprüfung
Lehre / Facharbeiter
kein beruflicher Abschluss
Mutter: anderen beruflichen Abschluss und zwar:________________________________
Vater: anderen beruflichen Abschluss und zwar:_________________________________
Unbekannt
Anhang
141
6.12 Was ist bzw. war die überwiegende berufliche Stellung Ihrer Eltern?
Vater Mutter
Arbeiter/in
Angestellte/r mit einfacher Tätigkeit
Angestellte/r mit qualifizierten Aufgaben
Angestellte/r mit umfassenden Führungsaufgaben
Beamter/in im einfachen/mittleren Dienst
Beamter/in im gehobenen Dienst
Beamter/in im höheren Dienst
Selbstständige/r
Akademischer freier Beruf
Mithelfende/r Familienangehörige/r (im eigenen Betrieb)
Hausfrau/ Hausmann
Arbeitslos
Unbekannt
Herzlichen Dank, dass Sie bereit waren, den Fragebogen auszufüllen. Sollten Sie
zusätzlich für ein kurzes Interview (ca. 5-10 Minuten) über Ihre Motivationen und
individuellen Hintergründe zur Promotion zur Verfügung stehen, senden Sie bitte eine
vom Fragebogen getrennte Email an [email protected]
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