Kapitalformen und Klassen bei Pierre Bourdieu

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Universität Augsburg
Lehrstuhl für Soziologie
PS: Einführung in die Soziologie sozialer Ungleichheit
Dozent: Sasa Bosancic, MA
Referenten: Roman Tischberger,
Raoul Rascha, Benjamin Widholm
WiSe 07/08
26.11.2007
Kapitalformen und Klassen bei Pierre Bourdieu
1. Habitus
• Zentraler Begriff bei Bourdieu, er ist sozialstrukturell, bzw. klassenspezifisch geprägt.
• Habitus ist „Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und
Repräsentationen.“ (Bourdieu in: Theorie der Praxis, S.165)
• er„gewährleistet die aktive Präsenz früheren Erfahrungen, die sich in jedem Organismus in
Gestalt von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen.“ (Bourdieu in:
Sozialer Sinn, 1980)
o Wahrnehmungsschemata: die Wahrnehmung der (sozialen) Welt wird strukturiert
o Denkschemata: Diese Wahrnehmung wird habituell interpretiert und bewertet
o Handlungsschemata: bringt die praktische Auseinandersetzung mit der Welt hervor
• Habitus ist determiniert durch die Position, die der Akteur innerhalb der Sozialstruktur hat und
damit ständig im Wandel.
• Aber: Habitus determiniert Praxis nicht, er grenzt als „System generativer Schemata“
Möglichkeiten ein bzw. aus.
2. Soziales Feld
• Komplementärverhältnis zwischen Habitus (intern, „Leib gewordene Gesellschaft“) und
Strukturen sozialer Felder (extern, „Ding gewordene Gesellschaft“)
• So wie externe Strukturen den Habitus beeinflussen, so konstituiert der Habitus durch
gesellschaftliche Praxis der Akteure das soziale Feld.
3. Kapitalformen
• Die wichtigsten sind das ökonomische, kulturelle und soziale Kapital.
Ökonomisches Kapital:
• Jede Art von Ware dass direkt in Geld umwandelbar und in der Form des Eigentumsrechtes
institutionalisiert wird. Bsp.: Unternehmen, Grund und Boden, Geld, Aktien, etc.
Kulturelles Kapital:
• Bourdieu unterscheidet hier drei Formen:
1. Inkorporiertes Kapital: ist körpergebunden und wird zum Teil des Habitus einer
Person. In diesem Zusammenhang spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle.
2. Objektiviertes Kapital: umfasst das Wissen und die Kulturgüter (z.B.: Bücher, Bilder,
Instrumente, Maschinen, etc.). Wichtige Rolle: Geld und Zeit.
3. Institutionalisiertes Kapital: umfasst die schulischen und akademischen Titeln. Schafft
die Differenz zwischen Titelinhaber und Autodidakten. Wichtige Rolle: das in der
Familie verfügbare ökonomische Kapital und der Faktor Zeit.
Soziales Kapital:
• Mit diesem Begriff bezeichnet Bourdieu die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen
Ressourcen, die mit der Teilhabe an dem Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen Kennens
und Anerkennens verbunden wird. Bsp.: die Familie, die Ehemaligen von Elite-Schulen,
Clubs, Adelsgruppen, Parteien, etc. Wichtige Rolle: Beziehungsarbeit (steigert die
Profitchancen im kulturellen und ökonomischen Bereich.
Andere Kapitalformen:
• Symbolisches Kapital (verleiht Prestige, Reputation, Ehrenzeichen, Privilegien und
Positionen).
4. Modell des sozialen Raumes
• Bourdieu erstellte mit Hilfe aufwendiger und weit reichender empirischer Untersuchungen ein
Sozialraummodell, welches sich stark an der Praxis orientiert.
↑ Achse: Kapitalvolumen, Höhe des Kapitals
→ Achse: Kapitalstruktur, Verhältnis von ökonomischen zu kulturellem Kapital
Kapitalvolumen (+)
y
kult. Kapital (+)
ökonom. Kapital (–)
x
ökonom. Kapital (+)
kult. Kapital (–)
Kapitalvolumen (–)
die soziale Laufbahn gibt die Entwicklung an, die von einer soziale Klasse
während des Untersuchungszeitraumes durchschritten wird
o
der Raum der Positionen gibt die ökonomische, kulturelle und soziale
Bedingungslage von Personen und Berufsgruppen wieder
o
der Raum der Lebensstile
Homologie zwischen Raum der Positionen und der Lebensstile; bedingt durch den Habitus.
o
5. Soziale Klassen
• Soziale Klassen werden nach Bourdieu durch die objektiven Lebensbedingungen, den
Klassenhabitus und den spezifischen Lebensstil bestimmt.
1. Herrschende Klasse
2. Mittelklasse/Kleinbürgertum
3. Volksklasse/Beherrschte
• aber: Bourdieus Klassen sind theoretisch konstruiert, im Gegensatz zu politisch motivierten
oder real mobilisierten.
6. Geschmack
• Die drei Formen des Geschmacks sind durch den Klassenhabitus geprägt:
1. legitimer Geschmack (Oberklasse)
2. mittlerer Geschmack (Kleinbürgertum)
3. populärer/illegitimer Geschmack (Volksklasse)
7. Distinktion
• Mit Distinktion beschreibt Bourdieu die Differenzierung der sozialen Klassen untereinander,
wobei ein wichtiger Unterscheidungsfaktor der Lebensstil ist.
Literatur:
Bohn, C./Hahn, A. (1999): Pierre Bourdieu (1930-2002). In: Kaesler, D. (Hrsg.): Klassiker der Soziologie,
Band II, Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu. 4. Auflage, München, 2003, S.252-268.
Bourdieu, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Krekel, R. (Hrsg.): Soziale
Ungleichheiten. Sonderband 2 der Zeitschrift Soziale Welt, S.183-198.
Schwingel, M. (1995): Pierre Bourdieu zur Einführung. 3. Auflage, Hamburg 2000, S.59-124.
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