IV-Verträge zwischen Hersteller und Kassen

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Märkte + Unternehmen
Direktverträge
(K)ein Thema für Pharmahersteller?
Schon in der Vergangenheit war es der Industrie möglich, mit Krankenkassen
Verträge für bestimmte Behandlungsformen abzuschließen. Das AMNOG
hat dies auch gesetzlich geregelt. Offen ist, wie die verschiedenen Partner im
Gesundheitssystem die neuen Möglichkeiten nutzen werden.
Autor: Thomas Ufer, Kanzlei Dr. Halbe
Seit geraumer Zeit gibt es neben der
‚Regelversorgung‘ im Rahmen der ambulanten Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten (auch) die
Möglichkeit, dass Leistungserbringer
im Gesundheitssystem – Sektorenübergreifend und/oder interdisziplinärfachübergreifend – Verträge mit Krankenkassen abschließen, in welchen
dann entsprechende Behandlungspfade
geregelt werden. Teilnahmeberechtigt
sind unter anderem verschiedene Leistungserbringer und Einrichtungen im
ambulanten und/oder stationären Bereich. Auch Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen können Teilnehmer an der
Integrierten Versorgung sein.
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Dass nicht alles, was als ‚Integrierte Versorgung‘ bezeichnet wird, aber
auch die Kriterien hierfür erfüllt, zeigte
exemplarisch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zum sogenannten
Barmer Hausarztvertrag. In dieser Entscheidung (Urteil vom 06.02.2008, Az.
B 6 KA 27/07 R) hatte sich das BSG
damit zu befassen, ob ein Vertrag, welcher Hausärzte und sogenannte Hausapotheken einband, die Kriterien für
die Integrierte Versorgung erfüllte. Dies
hat das BSG verneint und hierzu unter
anderem ausgeführt, dass der Vertrag
‚vollständig auf die vertragsärztliche
Versorgung‘ aufsetze, mit anderen Worten also eine Abweichung von der Regelversorgung nicht gegeben sei.
Schon in der Vergangenheit war in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob und
inwieweit eine Versorgungsstruktur
die notwendigen Vorgaben erfüllt. Ob
das Modell der Integrierten Versorgung
(IV) als Erfolg oder Misserfolg zu bewerten ist, ist in erheblichem Maße vom
Sichtwinkel abhängig. Ein solcher Streit
ist auch darüber entbrannt, ob und inwieweit pharmazeutische Unternehmen
und Hersteller von Medizinprodukten
in diese Versorgung einbezogen werden
sollen. Der Gesetzgeber hat mit dem
AMNOG die Weichen dafür gestellt,
dass entsprechende Industrieunternehmen eine direkte Teilnahmemöglichkeit
an den Verträgen nach §§ 140 a ff. SGB
V zukommen kann.
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Ärzte befürchten
Einflussnahme
In der politischen Diskussion ist dies
– etwa von den ärztlichen Selbstverwaltungen – kritisiert worden, weil
hierdurch ein größerer Einfluss von
Arzneimittelherstellern auf die Versorgung der Bevölkerung genommen werden könnte. Hiernach sei es beispielsweise denkbar, dass pharmazeutische
Unternehmen auch auf die medizinische
Versorgung insgesamt Einfluss nehmen
könnten, indem etwa die Auswahl der
an dem Vertrag teilnehmenden Leistungserbringer (auch) der Pharmaindustrie gesteuert würde. Der Hauptgeschäftsführer der KV Nordrhein
formulierte dies wie folgt: „Lassen Sie
es mich überspitzt formulieren: Die vertraglich gesicherte Versorgung von Patienten mit beispielsweise onkologischen
Präparaten wird die ärztliche Leistung
gleich mitfinanzieren.“ (Bericht in Ärzte
Zeitung online vom 19.11.2010).
Betrachtet man unter rein strukturellen
Gesichtspunkten die Versorgungssituation, so war bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit gegeben, dass über
den Abschluss von Rabattverträgen
pharmazeutische Unternehmen an diesbezüglichen Verträgen zur Integrierten
Versorgung teilnehmen konnten. Diese
Tür ist nunmehr weiter aufgestoßen,
was vom Gesetzgeber wie folgt begründet worden ist:
„Da die Versorgung mit Arzneimitteln wesentlicher Bestandteil integrierter Versorgungskonzepte sein
kann, ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass pharmazeutische Unternehmer Vertragspartner einer integrierten Versorgung sein können.
Dies gilt auch für die Versorgung mit
Medizinprodukten, sodass auch den
Herstellern von Medizinprodukten
die Möglichkeit zum direkten Vertragsschluss einzuräumen ist.“
Die hiernach geschaffenen Versorgungsstrukturen bergen aber Vor- und
Nachteile. Nehmen pharmazeutische
Unternehmen ihre insoweit gestärkte Verantwortung wahr, so wird es
hierdurch möglich, dass Versorgungskonzepte nicht nur im Hinblick auf
Behandlungspfade abgestimmt werden, sondern auch die medikamentöse
Therapie (oder die Therapie mit Hilfsmitteln) in dem Versorgungsmodell abgebildet wird. Dies kann maßgebliche
Vorteile für die Versorgung von Patienten ‚Hand in Hand‘ bieten.
Gleichzeitig stellt sich für die Ärzteschaft jedoch der – als zunehmend empfundene – Einfluss von Anbietern der
Pharma-/Medizinprodukte-Industrie
als Bedrohung dar, wie nicht zuletzt
Aussagen aus den Kreisen der Kassenärztlichen Vereinigungen zeigen. Wenn
nämlich Verträge unter Beteiligung von
Ärzten und Industrieunternehmen getroffen werden, so mag hiernach die Verhandlungsposition einzelner Ärzte als
schwach gegenüber der ‚übermächtigen‘
anderen Beteiligten empfunden werden,
sodass eine Verhandlung auf Augenhöhe nicht realisiert werden kann. Durch
die unmittelbare Beteiligung tritt daher
– vielleicht – ein Konkurrenzverhältnis
auf, in welchem Ärzte sich in einer unterlegenen Stellung fühlen.
Entwicklung neu geregelter
IV völlig offen
Dies könnte, muss aber nicht eintreten,
so dass bei der Ausgestaltung der Verträge konkret darauf zu achten ist, wie
Versorgungs- und Vergütungsaspekte
ihren Niederschlag finden, um einer
solchen Gefahr zu begegnen.
Die Bedeutung derartiger Modelle für
pharmazeutische Unternehmer kann
derzeit nicht abgeschätzt werden. Ob
überhaupt in größerem Maße IVVerträge abgeschlossen werden unter
Beteiligung von pharmazeutischen Unternehmen oder Medizinprodukteherstellern, ist gänzlich offen. Dies wird
nicht zuletzt von der Kooperationsbereitschaft ‚sonstiger‘ Leistungserbringer
(wie etwa Ärzten oder Krankenhäu-
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Offensive Industrie verschreckt die
Leistungserbringer
sern) abhängen, die bei einer Verwahrung ihrer Mitwirkung die Nutzung der
neu geschaffenen gesetzlichen Möglichkeiten unterminieren könnten. Ob dies
erfolgen wird oder nicht, wird auch von
dem Auftreten der Pharma- und Medizinprodukteindustrie abhängen; würde
zu ‚offensiv‘ auf Leistungserbringer im
Gesundheitsmarkt zugegangen, so würde dies sicher dem Ziel einer Etablierung partnerschaftlicher Strukturen im
Rahmen von Selektivvertragsmodellen
abträglich sein.
Den gesamten Artikel können Sie
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die neuen Möglichkeiten zur
Teilnahme von IV-Verträgen dem Ziel
Marketing‘-Ausgabe
ab Seite 16 lesen.
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Beteiligten,
neu geschaffenen
gesetzlichen Möglichkeiten zu einer
Durchsetzung am Markt zu verhelfen.
Dr. Dr. Thomas Ufer
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei Dr. Halbe - Rechtsanwälte, Köln/Berlin, und dort seit 2005 tätig. Zudem ist er Lehrbeauftragter im Weiterbildungsstudiengang Medizinrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie an der Universität Witten/
Herdecke. Bei Dr. Halbe berät ein zehnköpfiges Anwaltsteam u.a.
Krankenhausträger, Ärzte aller Richtungen, Apotheken, Industrie
und öffentlich-rechtliche Institutionen im Gesundheitswesen.
Kontakt: [email protected]
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