Schwangerschaftsrelevante Virusinfektionen, neue S2k-Leitlinie 23. Thüringer Ultraschalltagung, 30. Oktober 2015, Erfurt S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen, Reg.Nr. 093-001 • Stand: 31.03.14 , gültig bis 31.03.19 • Federführende Fachgesellschaften – Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV e.V.) – Gesellschaft für Virologie (GfV e.V.) • Beteiligte Fachgesellschaften – – – – – Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG e.V.) Berufsverband der Frauenärzte (BvF e.V.) Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI e.V.) Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI e.V.) Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie (BÄMI e.V.) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 2 Bezugsquellen • Als PDF von der Homepage der AWMF abrufbar: http://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/093-001.html • Publiziert in Buchform: Springer-Verlag, Berlin Heidelberg; ISBN 978-3-662-43480-2 Preis: 39,99 € Über 200 Seiten! M. Enders, Erfurt 30.10.2015 3 S2k-Leitlinie Zielsetzung: • Empfehlungen zur Labordiagnostik von Virusinfektionen, die die Gesundheit des werdenden Kindes bzw. der Schwangeren gefährden. – Wann (welche) Diagnostik und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Konsensfindung in repräsentativem Gremium • Empfehlungen beruhen auf Kohortenstudien, Beobachtungen und Expertenmeinungen (Erfahrung) • Berücksichtigt wurden andere Leitlinien, Richtlinien, Gesetze M. Enders, Erfurt 30.10.2015 4 S2k-Leitlinie Gliederung in 3 Sektionen 1. Empfehlungen, die alle Virusinfektionen betreffen – z.B. Hygienemaßnahmen, Transport u. Lagerung von Proben ... 2. Spezielle Daten und Empfehlungen: Impfpräventale Virusinfektionen – z.B. Hepatitis B, Influenza, Röteln ... 3. Spezielle Daten und Empfehlungen: Nicht impfpräventale Virusinfektionen – z. B. HIV-Infektion, Zytomegalie, Ringelröteln,... M. Enders, Erfurt 30.10.2015 5 Gliederung der Erregerkapitel 1. Grundlegende Informationen zur Infektion • Epidemiologie • Risiko für Mutter und/oder Kind • Therapie und Prophylaxe 2. Allgemeine Daten zur Labordiagnostik • Stand der Methoden • Allgemeine Fragestellungen (Frage-Antwort-Stil) • Diagnostische Probleme 3. Spezielle Fragestellungen zur Labordiagnostik • Vor, während und nach der Schwangerschaft bzw. beim Neugeborenen (Frage-Antwort-Stil) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 6 Aufgrund der Kürze der Zeit... Ausgewählte Fragen M. Enders, Erfurt 30.10.2015 7 Zytomegalie (CMV-Infektion) Anzeige in Der Gynäkologe (48):10, 2015 M. Enders, Erfurt 30.10.2015 8 Zytomegalie (CMV-Infektion) Immunstatus IN der Schwangerschaft ? In welchen Fällen und zu welchem Zeitpunkt sollte eine CMVDiagnostik durchgeführt werden? • Bei Feststellung der Schwangerschaft: – Bei allen Schwangeren wird die ausschließliche Bestimmung des IgG-Serostatus empfohlen. Geringer Konsens: 6x Ja vs. 5x Nein ! – Bei Schwangeren mit erhöhtem Infektionsrisiko (...) soll der vollständige IgG/IgM-Serostatus erhoben werden. • Bei Symptomen bzw. US-Auffälligkeiten • Bei drohender Frühgeburt (<33.SSW, <1500g) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 9 Evidenz zur Effektivität der Hygieneberatung • Adler J Pediatr 2004 (Risiko: CMV-ausscheidendes Kleinkind) – SK bei Schwangeren mit Beratung: – SK bei Nicht-Schwangeren mit Beratung: 5,8 % (1/17) 41,6 % (10/24) • Vauloup-Fellous C JCV 2009 (CMV-Screening in SSW 12): – Prävalenz (Erstinfektion) ohne Beratung: – SK nach Beratung in der 12.SSW: 0,42 % (11/2594) 0,19 % (5/2583) • Revello MG EBioMedicine 2015 (Schwangere mit Risiko) – SK Kontrollgruppe ohne Beratung: – SK nach intensiver Beratung in der 12.SSW: 7,6 % (24/315) 1,2 % (4/331) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 10 CMV: Invasive Pränataldiagnostik • In welchen Fällen ist eine Fruchtwasseruntersuchung zur Diagnostik der fetalen CMV-Infektion in Erwägung zu ziehen? – Bei auffälligen Ultraschallbefunden, bei denen differentialdiagnostisch eine aktive CMV-Infektion abzuklären ist. – Ggf. bei Primärinfektion im 1. und frühen 2. Trimenon – Nicht empfohlen bei Primärinfektion im 3. Trimenon. ? ?• Wie erfolgt die Labordiagnose der fetalen CMV-Infektion? – Nachweis v. CMV-DNA und/oder Virus im Fruchtwasser – Frühestens ab der 21. SSW und mindestens 13 Wo. (bzw. 6–8 Wo.) nach vermutetem Infektionsbeginn M. Enders, Erfurt 30.10.2015 11 Anmerkung: Ergebnis der FRW-Untersuchung in Abh. vom Zeitpunkt der AC (Labor Enders; n=303) Anzahl Schwangere ngere (n) FN (n=27) RP (n=70) RN (n=206) Bei 22/27 der FN Befunde erfolgte die AC innerhalb von 8 Wochen nach vermuteter Serokonversion SSW Amniozentese (AC) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 12 Anmerkung: Einfluss des Zeitpunktes der AC auf die Aussagekraft des CMV-Nachweises SSW PD ≥20+0 ≥17+0 Zeit nach Inf.beginn n Sens. NPV ≤8 Wo 139 65 % 83 % >8 Wo 82 88 % 95 % ≤8 Wo 167 68 % 85 % >8 Wo 111 87 % 95 % Enders G., unveröffentlicht; Zeitintervall ist serologisch definiert: CMV-IgM quant., IgG-Avidität und anti-gB2-IgG M. Enders, Erfurt 30.10.2015 13 Hepatitis B (Quelle: JHU, Division of Infectious Diseases) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 14 Labordiagnostik der Hepatitis BVirusinfektion VOR der Schwangerschaft • Fragestellung: Bei welchen Frauen soll der Infektionsstatus vor der Schwangerschaft geklärt werden? – Vor Maßnahmen der assistierten Reproduktion – Bei allen Frauen mit erhöhtem HBV-Infektionsrisiko ? • • • • • Erhöhte Transaminasen Sexualpartner o. Familienangehörige mit HBV-Infektion Herkunft aus Hochprävalenzregionen Früherer oder aktueller IVDU HIV- oder HCV-Infektion <2 % HBsAg und anti-HBc 2-7 % ≥8 % M. Enders, Erfurt 30.10.2015 15 Labordiagnostik der Hepatitis BVirusinfektion IN der Schwangerschaft • In welchen Fällen soll eine Überprüfung des Infektions- bzw. Immunstatus durchgeführt werden? 1. Alle Schwangeren entsprechend den MuRili: HBsAg 2. Bei V.a. akute oder chronische Hepatitis B: HBsAg ? • Zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft soll die Diagnostik durchgeführt werden? – HBsAg-Nachweis ab 32.SSW – Bei Schwangeren mit erhöhtem Risiko für eine HBV-Infektion kann der HBsAg-Nachweis bereits in der Frühgrav. sinnvoll sein. ? M. Enders, Erfurt 30.10.2015 16 ? Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem positiven HBsAg-Befund? • Weitere labordiagnostische Abklärung – Bei allen Schwangeren sollte eine quantitative Bestimmung der HBV-DNA erfolgen (In Kollektiven mit niedriger Prävalenz HBsAg häufig falsch positiv!) • Aktiv/Passiv Prophylaxe beim Neugeborenen – Bei hoher Viruslast trotz Prophylaxe Infektion des Ngb. möglich • Antivirale Therapie? (bei hoher Viruslast) – Um das Risiko einer Mutter-Kind-Übertragung zu senken • Sektio? – Zu erwägen bei Nicht-Therapierten mit hoher Viruslast M. Enders, Erfurt 30.10.2015 17 Männer, die Sex mit Männern haben HIV-Infektion i.v. Drogengebrauch Heterosexuelle Kontakte Quelle: RKI, Schätzung Stand 2013 M. Enders, Erfurt 30.10.2015 18 HIV: Labordiagnostik in Schwangerschaft • In welchen Fällen soll eine HIV-Diagnostik durchgeführt werden? – Allen Schwangeren soll die labordiagnostische Abklärung einer möglichen HIV-Infektion dringend empfohlen und die damit verbundenen Konsequenzen erläutert werden ? • Anmerkung: Änderung der Mutterschaftsrichtlinie [Beschluss des G-BA vom August 2015 (in Kraft getreten?)] – Nicht nur Durchführung der Beratung zum HIV-Test ist im Mutterpass zu dokumentieren, sondern auch: „HIV-Antikörpertest durchgeführt ja/nein“ – Das Ergebnis des Testes wird NICHT dokumentiert M. Enders, Erfurt 30.10.2015 19 ? Welche Konsequenzen hat die Diagnose einer HIV-Infektion für die Schwangere? • Therapie? – Abklärung einer maternalen Behandlungsindikation – Ab 28.SSW antiretrovirale Transmissionprophylaxe Anmerkung: Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) empfiehlt aktuell Beginn der Transmissionsprophylaxe zwischen SSW 13+0 und 24+0 (AWMF-LL Reg-Nr. 055-002, 31.05.2014) • Elektive Sectio ? – Empfohlen bei Viruslast >50 cop/ml M. Enders, Erfurt 30.10.2015 20 PHIL CDC Windpocken Heubner‘sche Sternenkarte: Effloreszenzen in unterschiedlichen Stadien M. Enders, Erfurt 30.10.2015 21 Windpocken: Immunstatus VOR der Schwangerschaft • In welchen Fällen ist eine labordiagnostische Überprüfung des Immunstatus gegen Varizellen notwendig? – Bei Frauen im gebärfähigen Alter mit unklarer oder negativer Varizellenanamnese soll VZV-IgG bestimmt werden. ? (Varizellenanamnese positiv Immunität >95-97% anzunehmen unklar oder negativ Immunität fraglich) – Anmerkung: Nach ESA-RL unabhängig von Anamnese testen! • Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem positiven bzw. negativen IgG-Nachweis? – IgG positiv Immunität; IgG negativ Impfung (2 Dosen) – Nach Impfung Konzeption für mindestens 4–6 Wochen vermeiden (Lebendimpfung!) ? M. Enders, Erfurt 30.10.2015 22 Windpocken: Immunstatus IN der Schwangerschaft ?• Wann sollte der Immunstatus überprüft werden? – Anmerkung: Keine Empfehlung zur generellen Überprüfung des Serostatus – Bei ungeimpften Schwangeren ohne Varizellenanamnese soll nach Exposition (...) die Bestimmung des VZV-IgG erfolgen. • Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem negativen Immunstatus? – Eine Postexpositionsprophylaxe mit VZIG innerhalb von 96 h nach Kontakt kann erwogen werden (Anmerkung: Neue STIKOEmpfehlung: bis 10 Tage) ? M. Enders, Erfurt 30.10.2015 23 Influenza M. Enders, Erfurt 30.10.2015 24 Influenza: Grundlegendes • Erhöhtes Komplikationsrisiko in Schwangerschaft – Krankenhauseinweisung, Pneumonie, Frühgeburt • Prophylaxe der maternalen Erkrankung – Impfung in Schwangerschaft ab 2. Trimenon empfohlen (STIKO), jährliche Impfung im Herbst • Schwangere mit erhöhtem Risko: Impfung ab dem 1. Trimenon – Antivirale Prophylaxe (kann nach Exposition erwogen werden) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 25 Influenza: Diagnostik • Wie erfolgt die Labordiagnose der akuten Infektion? 1. Nachweis von Influenza-RNA mittels RT-PCR aus Nasen- oder Rachenabstrich © Labor Labo Enders ? 2. Beachte: Antigen-Schnellteste haben eine eingeschränkte diagnost. Aussagekraft: © Labor Enders − Hohe Spezifität positives Ergebnis stimmt − Geringe Sensitivität (20–50 %) neg. Ergebnis schließt Influenza nicht aus! 3. Der Nachweis virusspezifischer Antikörper wird nicht empfohlen M. Enders, Erfurt 30.10.2015 26 ? Welche Diagnostik ist bei V.a. Exposition der Schwangeren mit Grippepat. durchzuführen? • Die akute Infektion der Kontaktperson sollte durch entsprechende diagnostische Verfahren gesichert sein. • Bei Exposition nicht gegen Influenza geimpfter Schwangerer mit Grippepatienten kann eine antivirale Prophylaxe erwogen werden . • Begründung der Empfehlung: Vor allem während des 2. und 3. Trimenons haben Schwangere ein erhöhtes Risiko schwere Komplikationen zu entwickeln. M. Enders, Erfurt 30.10.2015 27 ? Soll bei V. a. Influenza in Schwangerschaft eine Labordiagnostik erfolgen? • Auf Labordiagnostik kann bei typischer Symptomatik und hoher Inzidenz bzw. gesichertem Kontakt zu Grippepatienten verzichtet werden Anmerkung: Wir empfehlen bei Schwangeren bzw. deren Umfeld im Verdachtsfall die Diagnose zu sichern • In Zeiten niedrigerer Influenza-Inzidenz wird eine labordiagnost. Sicherung empfohlen. (z.B. Beginn oder Ende der Influenzasaison) • Sollte das Laborergebnis nicht innerhalb von 24 Stunden zur Verfügung stehen, kann bei begründetem Verdacht auf akute Influenza eine antivirale Therapie begonnen werden. M. Enders, Erfurt 30.10.2015 28 Übersicht zur Labordiagnostik der wichtigsten schwangerschaftsrelevanten Virusinfektionen: Erreger/ Infektion Welche Proben / Laborparameter bei V.a. Infektion in der Schwangerschaft (vorrangig)? Influenza Nasen-/Rachenabstrich (RNA, Ag) Entero-/Parechoviren Stuhl, Rachenabstrich (RNA) Varizellen Bläschenabstrich (DNA) + Blut (Ak) HSV Genital-/Bläschenabstrich (DNA) + Blut (typspez. IgG) MMR EDTA-Blut, Serum (Ak) + Rachenabstrich, Urin (RNA) HIV, HBV, HCV EDTA-Blut, Serum (Ak, ggf. Ag, DNA/RNA ) Parvovirus B19 EDTA-Blut, Serum (Ak, DNA) Zytomegalie EDTA-Blut, Serum (Ak) M. Enders, Erfurt 30.10.2015 29 Lernkontrolle ☺ • Tür geht auf.... Diese Patientin kommt ins Sprechzimmer... • Welche labordiagnostische Untersuchung wird hier von der Leitlinie empfohlen? <2 % 2-7 % ≥8 % M. Enders, Erfurt 30.10.2015 30 Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit! PD Dr. med. Martin Enders Labor Prof. Dr. G. Enders Rosenbergstrasse 85 70193 Stuttgart 0711/6357-0 [email protected] M. Enders, Erfurt 30.10.2015 31 Interventionsmöglichkeit bei nachgewiesener Primärinfektion: CMV-Hyperimmunglobulin ? Nigro 2005 Revello 2014 Randomisiert ? Nein Ja Placebo-kontrolliert ? Nein Ja • HIG-Gruppe 16 % (6/37) 30 % (18/61) • Kontrollgruppe 40 % (19/47) 44 % (27/62) Entspricht relativer RR von 60 %, p<0,04 Relative RR: 32 %, p=0,11 CMV-Transmissionsrate: Statistische Bewertung: (Odds ratio: 0,32 , p=0,04) Um bei einer RR von 32 % ein Signifikanzniveau zu erreichen, müssten 348 Schwangere mit Primärinfektion randomisiert werden! Nigro G NEJM 2005, Revello MG NEJM 2014 M. Enders, Erfurt 30.10.2015 32