Tutorat KK Schweizer Politik Viviane Bischoff

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Tutorat KK Schweizer Politik
Viviane Bischoff
MI. 4. JUNI 2014
AB 9.00 UHR, AFL-F-121
WWW.POLITO.UZH.CH
1
Übersicht
I.
Konfliktlinien und politische Kultur der Schweiz
II.
Das Parlament
III.
Die Regierung
IV. Intermediäre Organisationen
V.
Direkte Demokratie
VI. Föderalismus
VII. Konkordanz und Konsens
VIII. Europäisierung/Globalisierung der Schweiz
Fragen
2
I. Konfliktlinien und
politische Kultur der
Schweiz
VORLESUNG 1, 18.2.2014
3
1. Die Schweiz vor 1848
Alte Eidgenossenschaft:
◦ Loser Staatenbund:13 souveräne Kantone, Rechtsungleichheit
Helvetische Republik 1798-1803:
◦ Zentraler Einheitsstaat: Volkssouveränität und Gewaltenteilung, Rechtsgleichheit
Restauration und liberale Regeneration 1803-1848:
◦ Zerfall von HR: Rückkehr zu losem Staatenbund
◦ Ab 1815 liberale Regeneration: Liberale Verfassungsrevolutionen, Einführung direktdemokratischer
Instrumente, Volkssouveränität und Freiheitsrechte
◦ Modernisierungsschere zw. protestantischen/urbanen (nationaler Binnenmarkt) und
katholischen/ländlichen (Sonderbund) Kantonen
4
2. Der Bundesstaat von 1848
Bundesverfassung von 1848:
◦ Schaffung eines Bundesstaates
◦ ABER: fehlendes nationales Selbstverständnis, keine nationalen Institutionen und konfessionelle Konflikte
Politische Integration der Katholiken durch:
◦
◦
◦
◦
Föderalismus
Mitspracherecht durch Zweikammersystem und Doppelmehr
Volksabstimmung über Verfassung
Einführung fakultatives Referendum
Vor 1848:
◦ Heterogen, unterschiedliche Konfessionen und souveräne Staaten  keine Nation
Nach 1848:
◦ Integration durch Föderalismus, Referendum und Ständemehr bei Verfassung, Sprachfreiheit, Proporzwahl
5
3. Die politische Kultur der Schweiz
Zentrale gesellschaftliche Konfliktlinien (Lipset/Rokkan 1967):
Kulturelle Cleavages:
◦ Kirche vs. Staat (konfessionell-laizistisch)
◦ Zentrum vs. Peripherie (Sprachengegensatz)
Strukturelle Cleavages:
◦ Arbeit vs. Kapital (sozioökonomische)
◦ Stadt vs. Land (Modernisierungskonflikt)
Schweiz:
◦ Konfessioneller Konflikt viel ausgeprägter als Sprachengegensatz (Willensnation
nicht Kulturnation/Formelle und informelle Repräsentationsregeln)
6
3. Die politische Kultur der Schweiz
Neuere Konfliktlinien:
◦ Postmaterialismus-Konflikt:
◦ Maslow: Bedürfnishierarchie: primäre vs. sekundäre Bedürfnisse
◦ Sozialisationshypothese: Persönlichkeitsstruktur bildet sich früh und bleibt resistent
◦ Neue Parteien entstehen (z.B. die Grünen 1983)
◦ Globalisierungs-Konflikt:
◦ Gewinner vs. Verlierer
◦ Auslandpolitik und Deregulierung
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II. Das Parlament
VORLESUNG 2, 25.2.2014
VORLESUNG 3, 4.3.2014
8
1. Einführung
Idee der Volksvertretung:
◦ «government of the people, by the people and for the people», Abraham Lincoln
Organe:
◦
◦
◦
◦
Nationalrat, Ständerat, vereinigte Bundesversammlung
Kommissionen, Delegationen (Subkommission)
Fraktionen
Präsidenten (leitet die Verhandlungen des Rates, legt Tagesordnung fest, leitet das Ratsbüro und vertritt
den Rat)
◦ Ratsbüros (Planung , Organisation, Vertretung der Interessen nach aussen,…)
9
2. Zweikammersystem
Gelichstellung und gleiche politische Kompetenzen
ABER: unterschiedliche Repräsentationsfunktionen
Nationalrat: repräsentiert Gesamtbevölkerung (demokratisches
Prinzip), Proporz, 200 Mitglieder, unterschiedliche Sitzanzahl pro
Kanton, Namensabstimmungen mit Abstimmungsdatenbank
Ständerat: repräsentiert Kantone (föderalistisches Prinzip), Majorz
(Ausnahme JU), 46 Mitglieder, 2 Sitze pro Kanton, 1 pro Halbkanton,
Namensabstimmungen teilweise
Vgl. http://www.parlament.ch/d/wissen/parlamentswoerterbuch/seiten/namentliche-abstimmung.aspx
10
3. Zusammenarbeit NR/SR
Alle Geschäfte werde in den Kammern getrennt behandelt
Ausnahmen: beide Räte kommen zur vereinigte Bundesversammlung zusammen
(z.B. Wahl des BR)
Bei Uneinigkeit: Differenzbereinigungsverfahren mit maximal drei Beratungen
pro Rat
Erfolgloses Verfahren: Einigungskonferenz mit je 13 Mitglieder der beiden Räte
SR hat höhere Durchsetzungsfähigkeit weil er kleiner und kohäsiver sowie
ideologisch homogener ist
11
4. Vor-/Nachteile von zwei Kammern
Vorteile:
◦ Minderheitenschutz durch föderalistische Elemente
◦ Verbesserung der parlamentarischen Beratung, inhaltliche Qualität wird
gefördert
◦ Machthemmung: Gewaltenteilung innerhalb der Legislative
Nachteile:
◦ Wiederspricht dem Konzept der Demokratie
◦ Im SR vertretene Interessen sind auch schon im Nationalrat ausreichend
vertreten
12
5. Sessionen
Ordentliche Sessionen: Viermal jährlich drei Wochen
Sondersession: zusätzliche Session zum Abbau der Geschäftslast
Ausserordentliche Session: ¼ eines Rates oder Bundesrat kann Einberufung
verlangen
5 Ratsdebatten (Interventionsmöglichkeiten):
◦ Freie Debatte, organisierte Debatte, reduzierte Debatte, Kurzdebatte, schriftliches Verfahren
Internationaler Vergleich: Schweizer melden sich häufig (durchschnittlich 80 pro
Mitglied und Legislatur)
13
6. Funktionen
Repräsentationsfunktion (Forum der Nation):
◦ Überrepräsentation von Männern, älteren Personen, hohe Bildungsschichten, hohe Einkommensklassen
Gesetzgebungsfunktion:
◦ Anträge an Bundesrat: Motion und Postulat
◦ Aufsichtsmittel gegenüber Bundesrat: Interpellation und Anfrage
◦ Aufträge an die Bundesversammlung: Parlamentarische Initiative (vorparlamentarische Phase wird
umgangen)
Wahlfunktion:
◦ Bundesrat, Bundeskanzler, Bundespräsident, Vizepräsident, Mitglieder des Bundesgerichts, General (in
Krisenzeiten)
Budget, Rechnung, Kontrolle und Oberaufsicht
14
7. Miliz- oder Berufsparlament
Milizsystem:
◦ freiwillige, nebenberufliche Übernahme von öffentlichen Aufgaben und Ämtern, nicht oder
nur teilweise entschädigt
◦ Schweiz: grosse zeitliche Belastung, «Halbberufsparlament»
Probleme beim Milizsystem:
◦ Fehlende Chancengleichheit, soziale Diskriminierung, Verzerrung der Repräsentation, private
Interessenskollisionen
Professionalisierungsgrad messen:
◦ Einkommen, Anzahl Mitarbeitende pro Abgeordneten, Anzahl Tage in Sessionen
15
8. Arbeits- oder Redeparlament
Arbeitsparlament:
◦ In präsidentiellen Staatensystemen
◦ Diskussionen auf Problemlösung ausgerichtet
◦ Eigenständige Entscheidungsbeiträge des Parlaments
Redeparlament:
◦ In parlamentarischen Staatensystemen
◦ Diskussionen zielen auf Medienwirksamkeit ab
◦ Regierungsunterstützende Mehrheit vs. oppositionelle Minderheit
Schweizer Parlament = Arbeitsparlament?
◦ Ja: Arbeitsweisen, Entscheidungsbeiträge, Reform des Kommissionssystems
◦ ABER: Schwaches Kommissionssystem, Zeitnot, mangelnde Sachkunde und Bewertungskompetenz
16
9. Kommissionen
Wahl:
◦ durch das Büro des Nationalrates, parteipolitische Zusammensetzung (Proporzschlüssel)
◦ Wahl für vier Jahre, Wiederwahl möglich
◦ Präsident für zwei Jahre, Wiederwahl ausgeschlossen
Aufgabe:
◦ Vorbereitung der Geschäfte und Antragsstellung in ihrem Rat
◦ Problemlösungsinstanz des Parlaments
Parlamentsreform 1992:
◦ Vorher: gemischtes System aus ständigen/nicht ständigen Kommissionen
◦ Danach: alle Geschäfte auf ständige Kommissionen verteilt (Spezialisierung der Mitglieder, Stellung des
Parlaments gegenüber Verwaltung gestärkt)
◦ Parlamentarische Untersuchungskommissionen (PUK) = nicht ständig
17
10. Fraktionen
Fraktionen gelten als die wichtigsten Gruppierungen der Bundesversammlung. Es sind
Zusammenschlüsse von Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit oder ähnlicher ideologischer
Ausrichtungen. Eine Fraktion besteht aus mindestens fünf Mitglieder.
Instruktionsverbot, trotzdem hohe Fraktionsdisziplin: ideologischer Auftrag und bessere
Listenplätze
Durchsetzungsfähigkeit: Bündnisfähigkeit
Parlament wegen Ausrichtung auf Mitte-Parteien flexibel bzw. wechselnde Mehrheit
Fraktionszugehörigkeit als Voraussetzung für Einsitz in Kommission & für Fraktionsbeitrag
18
11. Suprematie-Verlust?
Parlaments verliert an politischem Übergewicht und seiner Stellung als oberste Gewalt des
Bundes. Zwar nach wie vor der wichtigste Akteur im Gesetzgebungs-prozess, in Gestaltungs- und
Handlungsspielraum jedoch stark eingeschränkt.
Was spricht dafür:
◦ Zeitliche Belastung, Arbeitsbelastung, Konkordanzzwang, Ressourcen, Milizparlament
Was spricht dagegen:
◦ Wahl des Bundesrates, formelle Entscheidungskompetenzen, Arbeitsparlament
Institutionelle Faktoren die zum Verlust führen:
◦ Fakultatives Referendum, vorparlamentarisches Verfahren, politische Verwaltung, Kompetenz Bundesrat
in Aussenpolitik
19
III.Die Regierung
VORLESUNG 7, 1.4.2014
VORLESUNG 8, 8.4.2014
20
1. Regierungssystem
Präsidentielles System:
◦ Gegenseitige Unabhängigkeit (unabhängige Wahl)
◦ Machthemmung (Parlament hat keine Macht über den Präsidenten und umgekehrt)
Parlamentarisches System:
◦ Abhängigkeit (Parlamentsmehrheit bestimmt Regierung)
◦ Machtkonzentration (durch pol. Einheit von Regierung und Parlamentsmehrheit)
Schweiz:
◦ BR von Parlament gewählt aber dennoch keine Machtkonzentration, weil es kein Misstrauensvotum gibt
21
2. Wahl des Bundesrates
Formelle Regeln:
◦
◦
◦
◦
Wahl durch vereinigte Bundesversammlung
Geheime Stimmabgabe
Reihenfolge nach Dienstalter
Wahlverzicht ist möglich
Wahlpraxis:
◦ Freiwillig: ausgeglichenen Vertretung aller Landes-/Sprachregionen
◦ Offizielle Nominierung der Kandidaten durch die Fraktionen, aber alle können gewählt werden
Allgemein:
◦ Parlamentarier und Nicht-Parlamentarier können gewählt werden, ABER: BR kann nach Wahl nicht
gleichzeitig Mitglied des Parlamentes sein
◦ Zauberformel: 1959-2003 je zwei Mitgliedern der Parteien FDP, CVP und SP sowie einem Mitglied der
SVP
22
2. Wahl des Bundesrates
Volkswahl des Bundesrates?
◦
◦
◦
◦
◦
◦
◦
Annäherung an präsidentielles System
Höhere Legitimität des Bundesrates
Gänzliche Unabhängigkeit vom Parlament
Nationaler Wahlkampf (Ressourcen)
Angemessene Vertretung aller Sprach- und Landesregionen nicht mehr garantiert
Proporzverfahren: Kollegialitätsprinzip in Gefahr, höhere Instabilität
Majorzverfahren: Übervertretung mehrheitsfähiger Parteien
Vom Volk bereits drei Mal abgelehnt (1900, 1942, 2013)
23
3. Regierungsfunktionen
• Rechtssetzungsfunktion
• Staatsleitungsfunktion
• Vollzugsfunktion
• Repräsentationsfunktion
• Informationsfunktion
 der Bundesrat ist die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes
24
4. Organisation des Bundesrates
Regierungskonkordanz:
◦ Zusammenarbeit und Miteinbeziehung aller erzwingt übergrosse Koalitionen
 Allparteienregierung
◦ Konkordanz als Folge des Referendums
◦ Nachteile:
◦ Blockierung der Beschlussfassung
◦ Nur kleinster gemeinsamer Nenner
Departementalprinzip:
◦ Für die Vorbereitung und den Vollzug werden die Geschäfte des BR nach
Departementen auf einzelne Mitglieder verteilt
25
26
4. Organisation des Bundesrates
Kollegialprinzip:
◦ BR entscheidet als Kollegium
◦ Einstimmigkeit sollte angestrebt werden, trotz Mehrheitsentscheide
◦ Jeder BR muss hinter den Entscheiden stehen und sie nach Aussen
kommunizieren (Rollenkollision)
◦ Vorteile:
◦ Machthemmend, gute Repräsentation der Bevölkerung, höhere Entscheidungsqualität
◦ Nachteile:
◦ Beschränkte Handlungsfähigkeit, Departementalismus, Kollegialitätsfalle (Entscheide mittragen)
27
5. Bundesverwaltung
Bundesverwaltung und Bundesrat = Exekutive
Sie umfasst die Departemente, die Bundeskanzlei sowie die dezentralisierten
Verwaltungseinheiten und untersteht dem Bundesrat
Aufgaben:
◦
◦
◦
◦
◦
◦
Beratung und Unterstützung des BR
Arbeits- und Geschäftspläne
Organisation von nationalen Wahlen und Volksabstimmungen
Überprüfung der formellen Kriterien der Volksinitiativen
Erarbeitung der Legislaturplanung
Koordination des Ämterkonsultations- und Mitberichtsverfahrens
28
6. Vorverfahren der Gesetzgebung
Verwaltungsintern:
◦ Ämterkonsultationsverfahren (Ebene der Ämter)
◦ Erlassungsentwurf an allen mitinteressierten Ämtern sowie an die
Bundeskanzlei, das Bundesamt für Justiz und die Finanzverwaltung
◦ Mitberichtsverfahren (Ebene der Departemente)
◦ Antrag an Bundesrat inkl. Mitberichte, Stellungnahme zu diesem
sowie der Vernehmlassung zur Stellungnahme
◦ Ziel: Entscheid des BR erwirken
◦ Die verwaltungsinternen Verfahren sollen den BR
entlasten und Differenzen zwischen Ämtern und
Departementen ausräumen
29
6. Vorverfahren der Gesetzgebung
Verwaltungsextern:
◦ Diskussion im Bundesratskollegium
◦ Expertenkommissionen: Zusammensetzung durch BR bestimmt, Verwaltung
setzt Kommissionen ein
◦
◦
◦
◦
Hauptaufgaben: Beratung des BR
Vorbereitung der Gesetzgebung
Vollzugsaufgaben des Bundes («Milizverwaltung des Bundes»)
Vorteile: Integrationsfunktion und Verwaltungsexternes Wissen
◦ Vernehmlassungsverfahren (öffentlich):
◦ Stellungnahmen durch Kantone, Parteien, Spitzenverbände, weitere interessierte Kreise (wichtige
politische und gesellschaftliche Kräfte)
30
IV.Intermediäre
Organisationen
VORLESUNG 9, 29.4.2014
VORLESUNG 10, 6.5.2014
31
IV.Intermediäre
Organisationen
a.
PA RTEI EN
b.
V E R BÄ N D E
c.
S OZ I A L E B E W EG U N G E N
32
1. Eigenschaften
Funktionen:
◦ Politikformulierung, Repräsentation, Interessenaggregation, Mobilisierung, Rekrutierung
Entstehung:
◦ Bottom up: aus den ausgeprägten Volksrechten (Kinder der Volksrechte)
◦ Top down: aus nicht-politischen, elitären Gruppen
Strukturen:
◦ Vier zentralen Konfliktlinien, frozen party system-These
◦ Ab 1970 strukturelle Veränderungen  Auswirkungen aufs System
Gründungsdaten der vier grossen auf nationaler Ebene:
◦ SP 1888, FDP 1894, Katholisch-Konservative (seit 1970 CVP) 1912, BGB (seit 1971 SVP) 1936
Merkmale:
◦ Hohe Fragmentierung und Stabilität, starke vertikal Segmentierung und starke Polarisierung
33
2. Fragmentierung
Messen:
◦ Zahl der im Parlament vertretene Parteien
◦ ABER: Stärke wird dabei nicht erfasst, z.B.: Kommen die Parteien als Koalitionspartner in Frage oder
nicht?
◦ Effektive Zahl der Parteien (Einflussstärke wird berücksichtigt)
Gründe für eine hohe Fragmentierung:
◦
◦
◦
◦
◦
Gesellschaftliche Heterogenität
Proporzwahlsystem
Föderalismus (regionale Parteien auch national vertreten)
direkte Demokratie (Einthemen-Parteien)
NICHT wegen Verfassungsreferendum!
34
3. Polarisierung
Warum hohe Polarisierung:
◦ Medienanwählertheorie: Parteien nähern sich in einem Zweiparteiensystem der Mitte an, dem
Medienanwähler um seine Stimmen zu maximieren
◦ ABER: Schweiz = Mehrparteiensystem: Stimmerhöhung durch Annäherung an Mitte nicht mögliche. Bei
multipolare Präferenzen ist eine extreme Position sogar von Vorteil
Polarisierungsgrad bzw. ideologische Position messen:
◦ Selbsteinschätzung durch Anhänger, Analyse der Parteiprogramme, Befragung von Experten und
Spitzenvertretern
Entwicklung der Polarisierung:
◦ Ab 1959: Deradikalisierung der SP durch Einbindung in Regierung
◦ 1963-1979: gegenseitige Annäherungen der Bürgerlichen Parteien
◦ Ab 1980: grössere Verschiebungen (grosse Volatilität), Polarisierungsgrad hat je nach
Erhebungsinstrument zu- oder abgenommen
35
4. Volatilität
Aggregierte Wählerstimmenverschiebung zwischen zwei Wahlgängen
Geeignet um Stabilität zu messen:
◦ geringe Volatilität = hohe Stabilität
Man kann individuelle und aggregierte Volatilität unterschieden
Warum ist das Schweizer Parteiensystem so stabil?
◦ Stabile Konfliktstrukturen: Wählerstimmenverschiebungen entstehen durch die Verschiebung der
Konfliktstrukturen
◦ Konkordanz macht Verschiebung der Wählerpräferenzen zusätzlich unwahrscheinlich
◦ Zudem: Issue-Präferenzen sind bei Wahlen weniger wichtig, weil über Sachverhalte separat abgestimmt
werden kann
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5. Vertikale Segmentierung
Dezentrale und föderale Organisation der Parteien
Hohe Zahl von Kantonal-, Bezirks- und Lokalparteien
Geringe Kompetenzen der Bundesparteien:
◦
◦
◦
◦
◦
Kantonale Parolen weichen oft von denen der Bundespartei ab
Hohe finanzielle Autonomie der kantonalen Parteien
Ideologische Konflikte innerhalb der Parteien
Kantonale Parteien organisieren Wahlkampagnen zu den nationalen Wahlen
Nur kantonale Partei kann Mitglieder ausschliessen
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6. Finanzierung
National:
◦ SP: Eigenfinanzierung (durch Mitgliederbeiträge)
◦ Alle anderen: Fremdfinanzierung (Spenden von Firmen/Privaten)
Regional:
◦ Alle: Fremdfinanzierung
Es gibt keine staatliche Parteifinanzierung
Fraktionsbeiträge und indirekte Förderungsmassnahmen
Budgetbeiträge in den letzten 30 Jahren verzehnfacht
38
7. Wählerschaft/Parteienstaat
Verankerung einer Partei in Wählerschaft:
◦ Parteibindung: ca. 6.4% Mitglieder und ca. 50% Sympathisanten
◦ Erfassung der tatsächlichen Mitgliederzahl schwierig
◦ SP: hat am wenigsten Mitglieder, strengere Aufnahmekriterien!
Schweiz als Parteienstaat?
◦ Nein: niedriger Professionalisierungsgrad (wenig personelle und
finanzielle Ressourcen. Verbände verfügen über mehr Personal)
39
IV.Intermediäre
Organisationen
a.
PA RT E I E N
b.
V E R BÄNDE
c.
S OZ I A L E B E W EG U N G E N
40
1. Funktion/Unterschiede
Verbände in der Schweiz:
◦ keine pressure gorup aufgrund symmetrischer Machtbeziehung zw. Staat und Verbänden
Funktion:
◦ Vollzugsfunktion, Interessenaggregation und –vertretung, ausgehandelte Kompromisse bei
Mitgliedschaft durchsetzten
Unterschied zw. Parteien und Verbänden:
◦ Verbände können nicht an Wahlen teilnehmen und besitzen keine formale politische Macht
Unterschied zw. soz. Bewegungen und Verbänden:
◦ Verbände sind formell, soziale Bewegungen informell organisiert
41
2. Durchsetzungsfähigkeit/Organisation
Durchsetzungsfähigkeit wird bestimmt durch:
◦ Organisationsfähigkeit: grösser bei Partikularinteressen (Vorteil für Mitglieder)
◦ Konfliktfähigkeit: abhängig von Nähe zu gesellschaftlich relevanten Ressourcen (Leistung verweigern)
Organisationsstruktur:
◦ Föderal und Doppelstruktur durch Einzel- und Dachverbänden
◦ Arbeitgeberverbände besonders hoher Organisationsgrad
Warum sind Gewerkschaften in der Schweiz so schwach?
◦ Obligatorische Arbeitslosenversicherung, ideologische-konfessionelle Fragmentierung der
Gewerkschaften, dezentraler Verlauf der Industrialisierung
◦ ABER: Referendumsmöglichkeit, deshalb auch ohne viele Mitglieder einflussreich
42
3. Wirtschaftsverbände
Wirtschaftsverbände:
◦ Organisierten sich bereits früh auf nationaler Ebene (früher als Parteien)
◦ Wirtschaftliche Eliten bildeten einen Antrieb zur Bundesstaatsbildung, da sie einen einheitlichen
Wirtschaftsraum anstrebten
Warum sind Wirtschaftsverbände so stark?
◦
◦
◦
◦
◦
Referendumsmacht mit grossen finanziellen Mitteln
Wirtschaftsartikel: verfassungsrechtl. Mitspracherecht bei pol. Fragen
Vollzugsmacht: schwacher Zentralstaat auf Vollzugshilfe angewiesen
Keine Bindung an eigenständige, branchenübergreifende Wirtschaftspolitik des Bundes
ABER: Reform im Kommissionswesen, Übervertretung von verwaltungsinternen Spezialisten in den
Expertenkommissionen und generell die Volksrechte beschränken Einfluss
43
IV.Intermediäre
Organisationen
a.
PA RT E I E N
b.
V E R BÄ N D E
c.
S OZ I ALE B E WEGUNGEN
44
1. Definition/Funktion
Definition:
◦ Eine soziale Bewegung ist ein loses, informelles Netzwerk von Akteuren mit gemeinsamer
Kollektividentität, die mit unterschiedlichen Mobilisierungs- und Handlungsstrategien versuchen, den
gesellschaftlichen Wandel zu beeinflussen
◦ Partizipation vieler steht im Zentrum
◦ Neuere, unkonventionelle Vermittlungslogiken (Demonstrationen, Petitionen und in der Schweiz
Initiativen)
Funktionen:
◦ Mobilisierungsfunktion, Korrektivfunktion (vernachlässigte Themen auf Agenda bringen),
Sozialisierungs-/Stimulierungsfunktion (Sozialisierung der Bürger)
45
2. Mobilisierung/Typen
Mobilisierungsfähigkeit:
◦ Je höher das Konfliktpotenzial einer gesellschaftlichen Spaltung, desto grösser die
Mobilisierungswahrscheinlichkeit
◦ Institutionelle Faktoren
◦ Neutralisierung traditioneller Konfliktlinien fördert Entstehung neuer
Typen:
◦
◦
◦
◦
Traditionell/konservative, national-populistische Gruppierungen
Arbeiterbewegungen
Neue soziale Bewegungen
Anti-Globalisierungs-Bewegung
Welche Faktoren begünstigen starke Verbreitung in CH:
◦ Institutionelle Struktur (Zugang über Volksrechte), Integration durch Politik, Neutralisierung traditioneller
Konfliktlinien
46
V. Direkte Demokratie
VOR L ESU NG 4 , 1 1 . 3.2 014
VOR L ESU NG 5 , 1 8 . 3.2 014
VOR L ESUNG 6 , 2 5 . 3.2 014
47
1. Entwicklung
Volksrechte
48
2. Mitwirkungsmöglichkeiten
Hat das Schweizer Volk faktisch mehr
Mitwirkungsmöglichkeiten als das Volk in anderen Staaten?
◦ Ja: Möglichkeit, direkt über Sachpolitik zu entscheiden
(Abstimmungen, Referenden, Volksinitiativen)
◦ Nein: Bedeutungsverlust von Volksbefragungen, Komplexität
überfordert Bürger
49
3. Referendum
Funktion:
◦ Legitimierung politischer Entscheiden
◦ Integrationswirkung von allen Bürgern und Minderheiten
◦ Einschränkungen der Macht des Parlaments
Dysfunktionen:
◦ Trade-off zwischen Wahlen und Abstimmungen (Konsequenz: Tiefe Wahlbeteiligung im int. Vergleich)
◦ Erzwungene Lösungen
◦ Frustrationspotenzial: strukturelle Minderheiten ständig überstimmt
Allgemein:
◦ Ein einmal ergriffenes Referendum hat gute Chancen vom Volk angenommen zu werden. In ca. 50% ist
es erfolgreich
50
3. Referendum
Auswirkungen auf politisches System:
◦ Positiv: Konsensbildung
◦ Negativ: Innovationshemmende, bremsende Wirkung
Auswirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft:
◦ Positiv: Senkt Staatsausgaben und Verschuldung, höhere Problemlösungsfähigkeit (jede neue
Bundeskompetenz bedarf der Zustimmung von Volk und Kantonen)
◦ Negativ: Hemmt wirtschaftliche Entwicklung, bevorteilt Status Quo
Staatsvertragsreferendum:
◦ Obligatorisches Staatsvertragsreferendum (Organisationen kollektive Sicherheit z.B. NATO/supranationalen
Gemeinschaften z.B. EU)
◦ Fakultatives Staatsvertragsreferendum
◦ Extrakonstitutionelles Staatsvertragsreferendum sui generis
(z.B. EWR)
51
4. Volksinitiativen
Funktionen:
◦ Neue Themen und Problemlösungen, Integrationswirkung, Legitimation
Dysfunktionen:
◦ Initiativflut, Überladung der Verfassung, Kollision mit internationalen Verpflichtungen und
Menschenrechten
Indirekte Wirkung:
◦
◦
◦
◦
◦
Annahme eines Gegenvorschlags
Auslösung indirekter Gegenvorschlag (vorgängig/nachträglich)
Initiativdrohung alleine löst gesetzgeberische Tätigkeit aus
Katalysatorfunktion (direkte Erfolg an Urne wird nicht angestrebt)
Wahlhelferfunktion für Parteien
52
4. Volksinitiativen
Erfolgschancen:
◦ Positiver Einfluss: mehrere Motivgruppen
◦ Negativer Einfluss: Gegenentwurf, lange Behandlungsfristen
Doppeltes Ja:
◦ Gleichzeitige Annahme der Initiative und des direkten Gegenvorschlags inkl. der Angabe, welche Vorlage er bevorzugen
würde (seit 1987)
Schranken bei Verfassungsrevision:
◦ Materielle Schranken: ius cognes (zwingendes Recht)
◦ Formelle Schranken: Einheit der Form, Einheit der Materie
◦ Über die Zulässigkeit entscheidet die Bundesversammlung endgültig
Wer macht am meisten Gebrauch?
◦ Politische Aussenseiter
◦ Instrument zur Integration von Minderheiten in Gesetzgebung
Allgemeine Volksinitiative:
◦ nie angewendet und 2009 abgeschaft
53
5. Partizipation
Stimmbeteiligung: ca. 40%, vorlagenabhängig
Probleme:
◦ Untergrabung der legitimierenden Wirkung der direkten Demokratie
◦ Rechte profitieren eher von hoher Beteiligung
◦ Partizipation besonders tief bei: Untere Bildungsschichten, untere Einkommensklasse, Junge, Ledige und
Geschiedene, Parteiungebundene sowie Personen ohne Behördenvertrauen
Faktoren für niedrige Beteiligung:
◦ Desinteresse: Ohnmachtsgefühl, Vertrauen, strukturelle und biographische Gründe
◦ Institutionelle Gründe: Überforderung, Konkordanz und Allparteienregierung, Trade-off
54
5. Partizipation
Theoretische Erklärungsansätze für Stimmabstinenz:
Die Bedeutungslosigkeit der individuellen Entscheidung zieht zwei Konsequenzen nach sich:
◦ Die Kosten der Beteiligung an einer Abstimmung sind immer höher als der zu erwartende Nutzen.
Teilnahme nicht nutzenmaximierend und somit nicht rational (Paradox of voting)
◦ Bei nationalen Abstimmungen ist das Gewicht der eigenen Stimme so gering, dass sich bei einem
Fehlentscheid keine Opportunitätskosten ergeben
Stimmpflicht:
◦ Erhöht die Teilnahmebereitschaft, aber auch Anteil Leerstimmen
Niedrigkostensituation (z.B. nationale Abstimmung):
◦ Relative Kosten die entstehen, wenn ich mich falsch entscheide sind sehr gering
55
5. Partizipation
Knappes Resultat = höhere Beteiligung?
◦ Es besteht kein empirischer Hinweis auf einen Zusammenhang, indirekt erhöht jedoch die erwartete
Knappheit eines Resultates den Kampagnenaufwand und somit die Stimmbeteiligung
Anstieg der Stimmbeteiligung 1971:
◦ Einführung Frauenstimmrecht
Kompetenzniveau/Informiertheit der Bürger:
◦ Individuelle Eigenschaften: Bildung, Interesse, Betroffenheit, Intensität
◦ Kontextfaktoren: Kampagnenintensität/Konfliktivität, Komplexität der Vorlage, Vertrautheit mit
Stimmthema, partizipatorische Demokratie (Häufigkeit Thema & Kompetenz)
56
6. Kampagnen
Kampagnenwirkung:
◦
◦
◦
◦
◦
Art des Abstimmungsthemas: stark bei komplexen, schwach bei konfliktäre und emotionalen Themen
Prädisposition: stark bei labil verankerten, schwach bei stabil verankerten Prädispositionen
Parteienposition: starke Wirkung bei Konsenssituationen
Beeinflussende Wirkung von Kampagnen lässt sich nur teilweise bestätigen (Käuflichkeitsthese)
Persuasionseffekte (noch unschlüssige Stimmbürger überzeugen) vs. Mobilisierung (eigene
Anhängerschaft mobilisieren)
57
7. Propaganda
Propagandaregulierung:
◦ Verbot von politischer Propaganda in Radio und TV
◦ Verbot von Verwendung öffentlicher Mitteln für politische Werbung
◦ ABER: keine Offenlegungspflicht oder Ausgabenbegrenzung und der Bundesrat darf
Abstimmungserläuterungen verfassen
Kampagnenintensivierung durch Regierungslager:
◦ Kontraproduktiv wenn Reaktion auf Knappheit  mobilisiert Gegner, Incumbency-Effekt: Ausgaben des
Regierungslagers haben einen geringeren Effekt als die Ausgaben der Herausforderer, abnehmender
Grenznutzen
Messen:
◦ Auszählen von Werbeinseraten
58
8. Parteieneinfluss
Heuristiken:
◦ Entscheidungshilfen, welche es ermöglicht, bei unvollständiger Information, Zeitdruck oder
Ressourcenmangel, eine rationale Entscheidung zu treffen
◦ Trust-Heuristiken, Status-Quo-Heuristiken (Default-Strategie für sehr schlecht informierte Stimmbürger),
Parteiensympathie
◦ Problem: Bürger stimmen möglicherweise gegen eigenen Präferenzen
Übereinstimmung Bürger und Parteien:
◦ Partei beeinflusst inhalt. Auseinandersetzung der Anhängerschaft aktiv
◦ Parteieliten & Anhängerschaft teilen ohnehin die Wertvorstellungen
Steuern Parteien das Volk bei Abstimmungen?
◦ Ja: Inhaltliche Begleitung, indirekter Einfluss über Parteisympathie
◦ Nein: Parolen selten direkt umgesetzt bzw. nur einer Minderheit bekannt, argumentbasierte Entscheide
59
VI.Föderalismus
VORLESUNG 11, 13.5.2014
VORLESUNG 12, 20.5.2014
60
1. Grundlagen
Definition:
◦ Politisches Organisationsprinzip, bei welchem die territorial differenzierten Gliedstaaten
grösstmögliche Eigenständigkeit haben, aber zu einem übergreifenden Gesamtstaat
zusammengeschlossen sind
◦ Zusätzlich bei staatsrechtlicher Definition:
◦ Staatsbürgerschaft zu zwei pol. Körperschaften
◦ Verfassungsrechtliche Garantie des Bestands der Gliedstaaten
◦ Gliedstaaten sind am bundesstaatlichen Willensbildungsprozess beteiligt und verfügen über alle zentralen staatlichen Institutionen
◦ Gesamtstaat sorgt für die Verbundenheit unter den einzelnen Gliedstaaten
Funktionen:
◦ Machtkontrolle, erhöhte Partizipationsmöglichkeiten, Entlastung der zentralen Entscheidungsinstanzen,
Schutz von Minderheiten, ermöglicht Sonderlösungen auf lokaler Ebene
61
2. Grundprinzipen des CH Föderalismus
Vier Grundprinzipien:
◦ Nicht-Zentralisierung: staatliche Autonomie der Kantone
◦ Subsidiaritätsprinzip: Bund übernimmt nur die Aufgaben, welche die Ressourcen und Möglichkeiten der
Kantone übersteigt
◦ Solidaritätsprinzip: Ausgleich zw. schwachen und starken Kantonen
◦ Kooperativer Föderalismus: funktionale Trennung von Gesetzgebung und Vollzug, ABER: keine
inhaltliche Trennung
Bestandsgarantie der Kantone:
◦ Verfassungsrechtlich garantierte Verpflichtung des Bundes zum Schutz von Bestand und Territorium der
Kantone
◦ Bestandsänderungen: braucht Zustimmung von betroffener Bevölkerung und Kantonen sowie von Volk und Ständen
◦ Gebietsveränderungen: braucht Zustimmung von betroffener Bevölkerung und Kantonen sowie der Bundesversammlung
62
2. Grundprinzipen des CH Föderalismus
Kompetenzverteilung:
◦ Kompetenzvermutung liegt bei den Kantonen (üben alle Aufgaben aus, die dem Bund nicht ausdrücklich
durch die Verfassung zugewiesen)
◦ Neue Bundesaufgaben also nur durch Verfassungsänderungen möglich
◦ Es gibt keine sachliche-thematische Abgrenzung
◦ Kompetenzen-Kompetenz hat Bund (nur er kann Kompetenzen festlegen)
◦ Es gibt keine politische Kontrolle der Kantone durch den Bund
Verfassungshoheit:
◦ Kantone besitzen Recht, sich ihre Verfassung selbst zu geben
◦ Revisionen müssen zur Gewährleistung des Bundes der Bundesversammlung vorgelegt werden
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2. Grundprinzipen des CH Föderalismus
Kantonale Beteiligungen an Willensbildung auf Bundesebene:
◦ Ständerat, Anhörungsrecht, Vernehmlassungsverfahren, Einsitz in Expertenkommissionen
Gleichheit der Kantone:
◦ Alle Kantone haben dieselben Rechte und Pflichten
 Halbkantone als Ausnahme
Solidaritätsföderalismus:
◦ Solidarität zwischen den Gliedstaaten (z.B. Finanzausgleich)
◦ Wettbewerbsföderalimus: zwingt Gliedstaaten zur Optimierung der Konditionen (z.B.
Steuerwettbewerb)
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3. Institutionen des CH Föderalismus
Vertikale Institutionen:
◦ Ständerat, Ständemehr, Standesinitiativen, Kantonsreferendum (mind. 8), vorparlamentarische Phase
(Vernehmlassungsverfahren und Expertenkommission) sowie Vollzug von Bundespolitik
◦ Sprachenproporz und stark föderalistisch organisiertes Parteiensystem
Horizontale Institutionen:
◦ Konkordate (Vertrag zw. Kantone):
◦ Demokratische Bedenken: Demokratiedefizit (Regierung entscheidet), Vereinheitlichung ohne Zentralisierung, Schwerfälligkeit
(revidieren)
◦ Interkantonale Konferenzen:
◦ Direktoren Konferenzen: kant. Regierungsmitglieder der betroffenen Ressorts sowie zuständige Bundesrat
◦ Konferenz der Kantonsregierung KdK: Delegationen der Regierungen jedes Kantons, Kantonsinteressen gegenüber Bund vertreten
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4. Finanzföderalismus
Vier zentrale Elemente:
◦ Ertragshoheit, Gestaltungshoheit, Finanzverwaltungshoheit, Lastenverteilung
Einnahmen- und Ausgabenstruktur:
◦ Stark dezentral, grösste Teil der Einnahmen und Ausgaben läuft über die Kantone
Staatsquote:
◦ Definition: Anteil der Staatsausgaben an der wirtschaftlichen Gesamtleistung einer Volkswirtschaft (dem
Sozialprodukt)
◦ CH hat niedrige SQ, welche aufgrund des Ausbaus des Sozialversicherungssystems stärker gewachsen ist
◦ Finanzföderalismus (und direkte Demokratie) hat dämpfenden Effekt auf die SQ (Bewilligung von
Ausgaben braucht Volks- und Ständemehr)
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4. Finanzföderalismus
Finanzausgleich:
◦ Notwendig, denn in einem föderalen System entstehen zwangsläufig
Disparitäten zwischen den Kantonen, welche abgebaut werden sollen
(Solidaritätsprinzip)
◦ Formen:
◦ vertikaler Finanzausgleich:
◦ Ausgestaltung: Aufgaben und Finanzierungsentflechtung (Aufteilung in alleinige
Kantonsverantwortlichkeit, alleinige Bundesverantwortlichkeit und in Verbundaufgaben)
◦ horizontaler Finanzausgleich:
◦ Ausgestaltung: Ressourcenausgleich und Lastenausgleich
◦ vertikaler Finanzausgleich mit horizontalem Effekt
◦ Gewichtung der Bundesbeiträge nach Finanzkraft der Kantone
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5. Kantone
Bezeichnungen für die kantonale Legislative:
◦ Kantonsrat, Landrat, Parlament, Grosser Rat
Unterschiedliche Stellung kantonale/nationale Legislative:
◦ Kantonale stehen einer vom Volk gewählten Regierung gegenüber, stärker durch direktdemokratische
Instrumente sowie durch übergeordnetes Bundesrecht eingeschränkt und Beschlüsse können vor
Gericht angefochten werden & geringere Professionalisierung
Unterschiede der Parlamente zwischen den Kantonen:
◦ Grösse, Wahlsystem, Wahlkreisgrössen (kleine Wahlkreise benachteiligen kleine Parteien),
Ausländerstimm- und Wahlrecht
Gemeinsamkeiten der Parlamente zw. den Kantonen:
◦ Alle haben nur eine Kammer sowie das Milizsystem
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5. Kantone
Kantonale Parteienfinanzierung:
◦ Direkte staatliche Parteienfinanzierung (nur in Genf und Freiburg), Fraktionsbeiträge,
Parlamentarierentschädigung
Unterschiede kantonale Regierung/Bundesrat:
◦ Kantonal vom Volk gewählt, keine Hierarchisierung, unterschiedliche Grösse, stärker ausgeprägte
Konkordanz
Direktdemokratische Instrumente:
◦ Abberufung der Regierung/des Parlaments
◦ Initiativen: Verfassungs-, Gesetzesinitiative sowie Initiative zur Auslösung einer Standesinitiative/eine
Kantonsreferendums
◦ Obligatorisches Referendum
◦ Fakultatives Referendum
69
5. Kantone
Typologien der kantonalen direktdemokratischen Systeme:
◦ Landsgemeinde-Kantone: starkes Mitwirkungsrecht der Bürger
◦ Obligatoriums-Kantone: Obligatorisches Referendum (protestantisch-ländliche
Kantone)
◦ Fakultativums-Kantone: Fakultatives Referendum (Lateinische/urbane
Kantone)
Nutzung der Volksrechte Vergleich Kanton/Bund:
◦ Tiefere Stimmbeteiligung, häufigere Anwendung direktdemokratischer
Instrumente, tiefere Behördenunterstützung, höhere Erfolgsquote in den
Kantonen
70
6. Gemeinden
Definition:
◦ durch kantonales Recht in Kraft gesetzter Selbstverwaltungskörper, der zur Besorgung von lokalen
öffentlichen Aufgaben mit weitgehender Autonomie ausgestattet ist
Unterschiedliche Typen:
◦ Gemeinden verfügen bezüglich ihrer politischer Einheit und ihrer Organisationsform über grosse
Diversität (z.B Einwohner-, Kirch-, Bürgergemeinde)
Rechtsstatus:
◦ Institution kantonalen Rechts, bei Ausübung der Kompetenzen durch den Kanton Grenzen gesetzt
◦ Öffentliches Kollektivorgan, politisch & administrativ dezentralisiert
71
6. Gemeinden
Funktionen:
◦ Politische Selbstverwaltung sowie Vollzug von delegierten Aufgaben (Subsidiarität)
Gemeindeautonomie:
◦ Bestandsgarantie: Gewährleistung durch die namentliche Erwähnung der Gemeinden in der
Kantonsverfassung
◦ Befugnis zur autonomen Regelung von Sachbereichen: Unterschiedliche Reichweiten, weil Befugnis
kantonal geregelt ist
Gemeindefinanzen:
◦ Gemeindeausgaben = ca. 1/3 der staatlichen Gesamtausgaben
◦ Prozentual nimmt der Anteil der gebundenen Beiträgen an den gesamten Einnahmen zu  weniger
Spielraum bei Ausgestaltung der Ausgaben
72
6. Gemeinden
Legislative:
◦ Gemeindeparlament: Repräsentative bzw. halbdirekte Demokratie
◦ Gemeindeversammlung: Versammlungsdemokratie (Urform), häufiger in der Schweiz
Exekutive:
◦ Regierung = entscheidende Behörde
◦ Kollegialgremien
◦ Hervorgehobenes Amt des Präsidenten
Probleme:
◦ Kleinräumlichkeit führt zu grenzüberschreibenden Problemen
◦ Agglomerationsbildung (Zentrumslasten)
◦ Finanzielle und administrative Überforderung (Ämter können nicht mehr besetzt werden)
73
6. Gemeinden
Reformen:
◦ Gemeindefusionen, bereichsspezifische Zusammenarbeit, innere Reform (schlanke Verwaltung/New
Public Management)
Unterschiede zum Ausland:
◦ Die Kleinheit als hervorstechendes Strukturmerkmal
Unterschiede zw. kleinen und grossen Gemeinden:
◦
◦
◦
◦
Legislative: Gemeindeversammlung vs. -parlament
Exekutive: Miliz- vs. Berufsamt
Verwaltung Geringer Professionalisierung vs. Professionalisierung
Pol. Auseinandersetzung: Konfliktfrei vs. ideologische Gegensätze
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6. Gemeinden
Unterschiede zw. den drei Gewalten der Gemeinden:
◦ Legislative auf Gemeindeebene:
◦ Sehr schwach, an ihre Stelle tritt die Exekutive, welche auch für die Ausarbeitung von
Vorlagen zuständig ist
◦ Exekutive auf Gemeindeebene:
◦ Sehr stark, erfüllt Funktionen der Legislative
◦ Judikative auf Gemeindeebene:
◦ Rechtssetzung sehr begrenzt
◦ nur Verletzungen von Gemeinderegeln ahnden
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6. Gemeinden
Funktionen von lokalen Parteien:
◦ Basis der Parteien:
◦ Regelung der Mitgliedschaft, Mitgliederbeiträge, direkte und indirekte Unterstützung der
überlokalen Parteien
◦ Hoher Grad an politischer Organisiertet auf Gemeindeebene steht
im Gegensatz zur Organisationsschwäche auf nationaler Ebene
◦ ABER: Aktuelle Tendenz zur Erosion der lokalen Parteiensysteme,
immer mehr Parteilose in den Gemeindeexekutiven
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7. Demographischer Wandel
Fünf Phasen der Verstädterung:
◦
◦
◦
◦
◦
1. Urbanisierung: Wachstum Industrie & Städten innerhalb Grenzen
2. Agglomerierung: Wachstum über Kernstadt hinaus
3. Suburbanisierung: Dezentralisierung
4. Pariurbanisierung: Bevölkerungsverlust in den Kernstädten
5. Metropolitanisierung: Rückkehr in die Kernstädte
Politische Folgen:
◦ Wandel der individuellen Selbstwahrnehmung (z.B. Pendler)
◦ Soziale Entmischung/Dreiteilung der Wertevorstellungen:
◦ Kernstädte: Linke, Arbeiter, Intellektuelle
◦ Suburbane Zonen: Rechte
◦ Pariurbane Zonen: Liberale, Konservative, hohe Einkommensschichten
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7. Demographischer Wandel
Folgen:
◦ Verschiedene Wertevorstellung bei Wahlen sichtbar
◦ Problem des Verstädterungsprozesses: Zentrumslasten
Lösungsansätze:
◦ Metropolitan-Reform Ansatz: Durch Gebietsreform oder Einführung einer neuen Regierungsebene die
Fragmentierung überwinden
◦ Public-Choice Ansatz: Beibehaltung der Fragmentierung, aber Effizienz durch Konkurrenz,
Lastenausgleich, schlanke Verwaltung
◦ New Regionalism: Vertikale und horizontale Zusammenarbeit zwischen den politischen Akteuren
verbessern
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VII.Konkordanz und
Konsens
VORLESUNG 13, 27.5.2014
79
1. Konsens und Konkordanz
Konsendemokratie:
◦ Ein Vielparteiensystem, im Gegensatz zur Mehrheitsdemokratie,
welche Machtteilung zwischen Exekutive und Legislative anstrebt
sowie Elemente der direkten Demokratie enthält
◦ Stark ausgeprägte Form davon ist die Konkordanzdemokratie:
◦ Mehrparteienregierung, Autonomie der Gliedstaaten, Proporzwahlsystem,
Minderheitenveto, Verhandlungsdemokratie
◦ Schweiz:
◦ Konkordanzdemokratie, weist aber immer mehr konkurrenzdemokratische Elemente auf,
nähert sich dem Normalfall einer Konsensdemokratie an
80
2. Entwicklung
Vom Mehrheitssystem zur Konkordanz:
◦ Einführung des fakultativen Referendums (1874/auf Grund des
Kulturkampfes) führte zum freiwilligen Proporz in der
Regierungszusammensetzung. Zum ersten Mal erlangte 1891 ein
Nicht-Freisinniger, ein Katholisch-Konservativer, einen BR-Sitz
◦ Einführung Proporzwahlrecht (1919)
◦ Wirtschaftsartikel, verfassungsrechtliche Anerkennung der
Wirtschaftsverbände (1947)
81
3. Kritik
Verantwortungszuweisung:
◦ schwieriger als Mehrheitsdemokratie
◦ If in doubt, blame the government
Innovationsbremse:
◦ Lange Verhandlungsdauer, Berücksichtigung aller führt nur zu minimalen
Reformschritten und ist ökonomisch ineffizient
Verhindert Lernprozesse der Mehrheit durch Verdeckung der
informellen Mehrheitspolitik
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4. Alternativen?
Konkurrenzdemokratie:
◦ Handlungsfähiger und Innovationsbedarf besser abgedeckt
◦ ABER: einschneidende Veränderungen der Institutionen
Revitalisierung der Konkordanz:
◦ Koalitionsvertrag zwischen Regierungsparteien:
◦ Verantwortungszuweisung vereinfachen und Verfolgung eines gemeinsamen politischen Programmes
ermöglichen
◦ Institutionelle Reform nicht nötig
◦ ABER: Risiko der Ungewissheit über die Gewinner/Verlierer der Koalition in
der Regierung, Parteien wegen eigenen Nutzen ab
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VIII.Europäisierung/
Globalisierung der
Schweiz
LINDER 2012, KAPITEL 15
84
1. Auslöser/Folgen
Auslöser der neusten Globalisierungswelle:
◦ Öffnung nationaler Volkswirtschaften, Liberalisierung der Märkte, Abbau staatlicher Regulierung sowie
Privatisierung öffentlicher Dienste (Neoliberalismus)
Negative Folgen:
◦ Instabilität der globalen Wirtschaft (Einschränkungen der Handlungsmöglichkeiten des Staates),
Verschuldung vieler Staaten, Benachteiligung von Entwicklungsländern, Schädigung der
Demokratiequalität (Stimmbürger verliert an Einfluss)
Politischen Folgen:
◦ Gesellschaftliche Spaltung, institutionelle Veränderungen, parteipolitische Polarisierung, polarisierte
Konkordanz
85
2. Reaktion auf Globalisierungsdruck
Die Schweiz folgt dem Prozess der Globalisierung in Form der Europäisierung
Spannungsfeld zwischen EU-Integration, Bewahrung der Unabhängigkeit und der
direkten Demokratie (Trilemma)
Strategie des Bilateralismus: Nach der Ablehnung des EWR-Beitritts durch das
Volk (1992) hat die Schweiz die Beziehung zur EU über den Vertragsweg
aufgenommen
Europäisierung ohne Institutionalisierung:
◦ wirtschaftliche Integration und institutionelle Abstinenz
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3. Bilaterale Beziehung
Zwei Vertragspakete:
◦ Bilaterale I (2000): Luft- und Landverkehr, öffentliches Beschaffungswesen,
wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, Personenfreizügigkeit,
technische Handelshemmnisse und Landwirtschaft
◦ Bilaterale II (2004): Umwelt, Landwirtschaft, Pensionsbesteuerung für EU
Beamte, öffentliche Statistik, Medien, Betrugsbekämpfung, Zinsbesteuerung
und die beiden Schengen/Dublin-Abkommen
Verträge konnten nur als ganzen angenommen/abgelehnt bzw.
gekündigt werden (Guillotine-Klausel)
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3. Bilaterale Beziehung
Unilateralen Integrationspolitik:
◦ Bundesrat verfolgt einseitig eine zusätzliche Integration durch die autonome Anpassung des
schweizerischen Wirtschaftsrecht an das EU-Recht  Autonomer Nachvollzug
Risiken der Bilateralen Beziehung:
◦ Asymmetrische Verhandlungssituation: Schweiz stärker abhängig von EU als umgekehrt
◦ Bei einem Auslaufen der Verträge wäre die Schweiz isoliert
Alternativen zum Bilateralismus:
◦ Starke nationale Autonomie und Europäisierung bei gelichzeitiger geringer Gewichtung der Demokratie
◦ Starke Demokratie und Europäisierung mit geringer nationaler Autonomie
88
4. Reform?
Reform der Grundstruktur des politischen Systems?
◦ Nein: Kombination von Föderalismus, Konkordanz und direkter Demokratie
sehr leistungsfähig und robust!
Stark ausgeprägte Volksrechte der Schweiz als Risiko?
◦ Staatsvertragsreferendum schwächt Regierung in int. Verhandlungen
◦ Volksinitiativen kollidieren möglicherweise mit Völkerrecht
89
5. Postdemokratie
Demokratieentwicklung im Zuge neusten Globalisierungswelle
Verbindung der Parteien zur Wählerschaft geht verloren
Gewerkschaften verlieren durch Globalisierung an Einfluss und öffentliche Dienste werden
kommerzialisiert
Politik wird zunehmend von globalen Unternehmen bestimmt, die wirtschaftlichen Eliten
konzentrieren politische Macht
Schweiz als Postdemokratie?
◦
◦
◦
◦
◦
Parteienfinanzierung durch Privatwirtschaft
Verflechtung wirtschaftlicher und politischer Eliten
Einsitz von Wirtschaftsvertretern im Regierungsapparat
Professionalisierung fördert Durchsetzung von Eigeninteressen der Verwaltung
Polarisierung der Politik und aggressiveres Vorgehen der Parteien
90
Fragen
91
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