Wege aus der Essstörung durch Kunst und

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Wege aus der Essstörung
durch Kunst und Kunsttherapie
DIPLOMARBEIT
Zur Erlangung des Diploms
als
Multimediale Kunsttherapeutin
am MAC – Multimediales Arttherapy College,
Wien/Wiener Neustadt
Andrea SCHNEIDER-FRÖSCHL
Mödling, 21. 12. 2009
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
5
1.Teil:
Heilkraft der Kunst – Kunsttherapie
1.1
Die Heilkraft der Kunst
1.2
Verbindung von Krankheit, Kunst und Heilung
1.3
Kunsttherapie = Kunst und Therapie?
1.4
Elemente und Wirkungsweisen der Kunsttherapie
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9
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2.Teil:
Essstörungen: Krankheitsbilder, Ursachenforschung, Therapieansätze
2.1
Definition von Essstörungen
2.2
Geschichte der Essstörungen
2.3
Ursachen für Essstörungen
2.3.1)
Allgemeines
2.3.2)
Soziokulturelle Faktoren
2.3.3)
Individuelle Faktoren und Persönlichkeitsfaktoren
2.3.4)
Biologische Faktoren
2.3.5)
Häufigkeit von Essstörungen
2.4
Erscheinungsformen von Essstörungen
2.4.1) Grundlegendes
2.4.2) Anorexia Nervosa (DSM-IV und ICD 10)
2.4.2.1) Charakteristik
2.4.2.2) Diagnostische Leitlinien
2.4.2.3) Körperliche Folgeschäden
2.4.2.4) Diagnose
2.4.2.5) Zahlen und Fakten
2.4.2.6) Entstehungsfaktoren und Ursachen für Anorexie
2.4.2.7) Magersucht-Typen
2.4.2.8) Herkömmliche, anerkannte Therapieformen bei Anorexie
2.4.3) Bulimia Nervosa (DSM-IV und ICD 10)
2.4.3.1) Charakteristik
2.4.3.2) Diagnostische Leitlinien
2.4.3.3) Körperliche Folgeschäden
2.4.3.4) Zahlen und Fakten
2.4.3.5) Entstehungsfaktoren und Ursachen bei Bulimie
2.4.3.6) Herkömmliche anerkannte Therapieformen bei Bulimie
2.4.4) Binge Eating Disorder (DSM IV)
2.4.4.1) Charakteristik
2.4.4.2) Die körperlichen Folgeschäden
2.4.5) Nicht näher bezeichnete Essstörungen
2.4.5.1) Charakteristik
2.4.5.2) Zahlen und Fakten
2.4.5.3) Weitere Essstörungen nach ICD 10
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3. Teil:
Kunsttherapie bei Essstörungen
3.1
Beispiele von Kunst als Therapie von Essstörungen
3.2
Kunsttherapie bei essgestörten Mädchen
3.2.1)
Grundlagen
3.2.2)
Ziele kunsttherapeutischer Arbeit bei Essstörungen
3.3
Das stationäre Konzept am Landesklinikum Thermenregion
3.3.1)
Allgemeines
3.3.2)
Maßnahmen zur Normalisierung des Essverhaltens
3.3.3)
Stufenplan für Patientinnen mit Anorexia Nervosa
3.3.4)
Tagesablauf auf der Psychosomatischen Station
3.3.5)
Die Bearbeitung zugrunde liegender Problembereiche mittels
Psychotherapie
3.3.6)
Arbeit am Körperbild mit Hilfe der Physiotherapie
3.3.7)
Nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten durch bildnerische und
darstellende (Kunst-)Therapieformen
3.3.7.1) Allgemeines
3.3.7.2) Therapeutisches Malen im Kreativatelier
3.3.7.3) Therapeutisches Theaterspiel
3.3.7.4) Logopädie und Musiktherapie
3.3.8)
Sozialarbeiterische Aspekte
3.4
Fallbeschreibung Lara N.
3.4.1)
Anamnese
3.4.2)
Psychologischer Befund
3.4.3)
Therapieverlauf
3.4.4)
Tanztherapeutische Persönlichkeitsanalyse
3.4.5)
Laras Abschiedsbilder im Atelier
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3.5.
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3.6
Ideen für multimodale, multimediale KunsttherapieEinzelsettings
Mein Dank
Literaturverzeichnis und Bildverzeichnis
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Einleitung
„Kunstdinge sind ja immer Ergebnisse des In-Gefahr-gewesenSeins.. darin liegt die ungeheure Hilfe des Kunstdings für das
Leben dessen, der es machen muss: dass es seine
Zusammenfassung ist.“
(Rainer Maria Rilke)
Kunst = Ästhetik?
Ästhetik = Schönheit?
Schönheit = Realistische oder Imaginäre Wirklichkeit?
Wirklichkeit = Normalität?
Normalität = Das was „die Anderen“ tun/sagen = Produkt der Massenmedien, der
Gesellschaft, des persönlichen und sozialen Umfeldes?
Meinung der Anderen = Meine Meinung = Ich ?
Ich = Seele, Selbst?
Selbst = Mein inneres und äußeres Bild von mir und meinem Körper sind eins.
C.G. Jung sagt: „Seele ist Bild“ und wenn wir Bilder erschaffen, erschaffen wir Seele;
wir geben der Seele ein Organ, ein Gefäß....
Die oben genannten Fragmente, Wortspiele und Aussprüche sollen meinen Zugang
zum Thema umreißen. Es ist mir in der vorliegenden Arbeit wichtig darzustellen, wie
sehr die psychische Befindlichkeit und die sinnliche Wahrnehmung auf den Körper
Einfluss nehmen und dies auch umgekehrt der Fall ist und wie sehr man mit
physischen und ästhetischen Aktivitäten die Psyche beeinflussen kann.
Mein persönlicher Zugang zu diesem Thema ist einerseits geprägt durch eine
langjährige Unzufriedenheit mit den eigenen Körpermaßen und den unzähligen, teils
ungesunden Methoden der Gewichtsreduktion, andererseits durch eine lebenslange
Zuwendung zum kreativen und künstlerischen Schaffen. Gerade das war mir in
vielen Lebenssituationen Ausgleich und Zufluchtstätte und war – speziell in den
Jahren der Kunsttherapieausbildung - eine schier unversiegbare Quelle zum
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Erkennen, Wahrnehmen und Festigen eigener Ressourcen und persönlicher
Stärken.
Den Ausschlag zum Thema der vorliegenden Arbeit gab mein kunsttherapeutisches
Praktikum auf der Psychosomatischen Station für Kinder, am Landesklinikum
Thermenregion (in weiterer Folge werde ich es abkürzen zu „LKT“) in Mödling, wo ich
gemeinsam mit dem dort ansässigen medizinischen und psychosozialen Team
sieben Monate lang ein stationär behandeltes anorektisches Mädchen im
Therapieprozess begleiten durfte.
Im ersten Teil der Arbeit schreibe ich über die Möglichkeiten und Chancen von Kunst
und kunsttherapeutischen Interventionen für die Psychohygiene sowie über die
Stärkung der Ich-Wahrnehmung und des Selbstbildes im Allgemeinen und im
Hinblick auf mein gewähltes Thema.
Anschließend beschreibe ich im zweiten Teil die Krankheitsbilder der Essstörungen,
den gegenwärtigen Stand der Ursachenforschung und gebe einen Überblick über
derzeit anerkannte Therapieansätze.
Den dritten Teil bildet die Vorstellung des Programms für Anorexia Nervosa an der
Kinderabteilung der Psychosomatischen Station am Thermenklinikum sowie eine
Darstellung meiner praktischen Arbeit und der kunsttherapeutischen Aktivitäten
ebendort. Den Abschluss bilden die Fallbeschreibung von Lara N. und mein
Resümee.
Sofern nicht anders beschrieben (Bildverzeichnis im Anhang), stammen die
Abbildungen aus der Zeit im Kreativatelier am LKT-Mödling.
Da ich in dieser Arbeit der geschlechtlichen Spezifität bei den Essstörungen
nachgehen möchte - an diesen Erkrankungen leiden in 90 - 95 % der Fälle Mädchen
und Frauen - werde ich die Ausführungen in vielen Bereichen nur auf dieses
Geschlecht beschränken oder den Schwerpunkt dort setzen.
Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, Kunst macht sichtbar
(Paul Klee)
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1. Teil:
Heilkraft der Kunst
Kunsttherapie
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1.1 Die Heilkraft der Kunst
Kunst kann heilen, diese Weisheit stammt lt. Markus Treichler (Treichler, 1996)
bereits aus der Antike:
Horaz, einer der bedeutendsten römischen Dichter der Augustinischen Zeit (43 v.
Chr. – 14 n. Chr.) vergleicht den Arzt mit dem Dichter und die Dichtung mit süßer
Arznei.
Auch die Bibel kennt Beispiele für den therapeutischen Gewinn der künstlerischen
Beschäftigung (www.bibel-online.net/buch/09.1-samuel/16): „So oft nun der böse Geist von
Gott über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So
wurde es Saul leichter, und es ward besser mit ihm und der böse Geist wich von
ihm.“
Vergessen hat man diese enge Verbindung von Kunst und Medizin in dem stärker
naturwissenschaftlich geprägten 18. und 19. Jahrhundert. Erst im 20. Jahrhundert
entstanden wieder viele Initiativen auf dem Gebiet der Kunsttherapie, vor allem in
den Bereichen der Dichtung, dem Malen und dem Musizieren:
-
Biblio- und Poesietherapie beinhaltet sowohl Lesen als auch selber Schreiben
-
Maltherapie umfasst das Betrachten und Malen von Bildern
-
Zu Musiktherapie gehört das konzentrierte Zuhören und Spielen, uvm.
Wie oben stehende Beispiele zeigen, ist die Verbindung von passiven und aktiven
Ansätzen wichtig. Wodurch aber erklärt sich der heilsame Effekt?
Eine der möglichen Erklärungen darauf findet sich in einer Beantwortung folgender
Fragen:
-
Was ist Krankheit?
-
Was ist Kunst?
-
Was ist Heilung?
Antworten zu den einzelnen Fragen füllen unzählige Bücher in Bibliotheken der
ganzen Welt. Mir geht es darum, auf welche Weise Kunst im Allgemeinen und bei
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Krankheiten im Speziellen Heilungsprozesse unterstützen kann. Antworten darauf
fand ich in der in der humanistischen Psychologie sowie in der ganzheitlichen,
naturwissenschaftlich orientierten Medizin – auch weil ich mich aufgrund der Hebung
meines gesundheitlichen Befindens, dieser seit vielen Jahren sehr zugetan fühle.
Sehr konkrete Ansätze für einen möglichen Zusammenhang meiner Fragen gibt mir
die Anthropologische Medizin, wo der Wirkungsfaktor künstlerischer Aktivitäten
schon seit Ihrer Implementierung - vor allem durch Rudolf Steiner - als essentiell für
die psychisch-physische Gesundheit eingestuft wird. In den folgenden Kapiteln gehe
ich konkreter auf diese Punkte ein (lt. Treichler, 1996):
1.2 Verbindung von Krankheit, Kunst, Heilung
„Krankheit ist ein Konflikt zwischen innerem und äußerem
Menschen“
Der innere Mensch ist geistig-überphysischer Natur und Herkunft – der äußere
Mensch ist von physisch-stofflicher Qualität und irdischer Abkunft.
Inneres belebt, beseelt, begeistert das Äußere – dieses verwirklicht, was im Inneren
lebt. Beide sind ungleiche Partner, die in einer engen wechselseitigen, lebenslangen
Beziehung stehen, die Entwicklungen und Wandlungen unterworfen ist und daher
nicht ohne Konflikte sein kann. Diese Konflikte sind nicht abzuschaffen, sind nicht zu
vermeiden. Sie wollen angenommen, verstanden und bewältigt werden. Das ist ihr
Sinn!
Sie fordern dazu heraus, Altes, Gewohntes zugunsten von etwas Neuem
aufzugeben, das man vielleicht noch nicht kennt; etwas das man nur erahnt, das
fruchtbar, produktiv und kreativ sein kann.
„Krankheit“ sehe ich in diesem Zusammenhang, mit den Worten von Rüdiger Dahlke
(Dahlke, 1997) gesprochen, als „einen Weg, der zur Gesundung führen kann, wenn
sich eine Kommunikation findet zwischen dem inneren und äußeren Körper;
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zwischen
Leib
und
Seele,
zwischen
Selbst
und
Welt“.
Exakt
dieses
Kommunikationsmittel kann die Kunst im Allgemeinen und die Kunsttherapie im
Speziellen sein.
Üblicherweise assoziieren wir Krankheit mit Schmerz und Leid, mit etwas Negativem,
von dem Kranke möglichst schnell befreit werden sollen. Anders ist das
Krankheitserlebnis bei der essgestörten Menschen: Sie fühlen sich vorerst nicht
krank. Vor allem die magersüchtigen Mädchen empfinden die Krankheit gefährlich
lange als Machtmittel und Stärke gegenüber anderen, als etwas Besonderes,
Elitäres, das alle Probleme löst.
Magersucht und Bulimie ersetzen ihnen scheinbar den fehlenden Lebenssinn und
-inhalt. Diese Krankheitsbilder gewähren jederzeit Zuflucht, wie z.B. nach
Kränkungen, bei Spannungen und drohenden Auseinandersetzungen. Sie schützen
nicht zuletzt auch vor dem Erwachsenwerden.
Diese „Schutzfunktion“ scheint bei vielen Mädchen der Gewinn aus ihrer nicht
zugegebenen Erkrankung zu sein. Sie gibt ihnen scheinbar Kraft, sich lange Zeit
vehement gegen eine Behandlung ihrer Krankheit zu wehren. Nur TherapeutInnen,
die sich dieses „Gewinns“ bewusst sind und versuchen die Betroffene zu verstehen,
haben eine Chance, Zugang zur Psyche der Erkrankten zu finden.
In der Kunsttherapie liegt das Hauptaugenmerk auf dem künstlerischen Schaffen –
Krankheit und Essen sind kein Thema – somit haben entsprechend geschulte
KunsttherapeutInnen gute Möglichkeiten, einerseits eine Verbindung zwischen dem
inneren und äußeren Menschen herzustellen als auch nonverbal eine Verbindung zur
Klientin zu signalisieren und aufzubauen.
(Atelier/LKT-Mödling)
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„Kunst zu machen ist immer ein sehr individueller,
kreativer Prozess“
Künstler selbst können kaum oder nur sehr schwer etwas Allgemeines sagen, weil es
bei jedem Künstler auf etwas andere Weise geschieht (Dannecker, 1997):
-
Pablo Picasso wurde einmal gefragt, was Kunst für ihn sei. Er gab zur
Antwort: “Wenn ich es wüsste, so würde ich es für mich behalten.“
-
„....und vergessen Sie nicht, dass die Kunst nur ein Weg ist, nicht ein Ziel ...“
meinte auf die gleiche Frage Rainer Maria Rilke.
-
Demgegenüber sagte humorvoll Johann Nestroy: „Kunst ist, wenn man´s nicht
kann – denn wenn man´s kann ist es ja keine Kunst“
-
Elisabeth Bunka-Peklar (Künstlerin/Mödling) sagte am 15. Okt. 2009 im
Rahmen ihrer Laudatio zu meiner Vernissage in Mödling: „Kunst kommt von
künden – eben vom Übermitteln einer Botschaft und ein Kunstwerk soll eine
Botschaft beinhalten, die der Betrachter empfangen kann und soll.“
Markus Treichler (Treichler, 1996) schreibt dazu: „Kunst ist das, was Zukunft in sich
hat“. Künstler sind für ihn Seismographen unter den Menschen, die auf empfindsame
Weise vorausspüren – jeder in seinem Element. Sie sind ausgestattet mit besonders
scharfen Sinneswahrnehmungen. Sie nehmen den Geist der Zeit sinnlich wahr,
spüren das Kommende und deuten in ihren Werken das Zukünftige an, weisen auf
das Kommende hin. Künstler haben somit ein Ahnungsorgan für das Zukünftige.
„Kunst ist nicht dazu geschaffen, den Menschen den Frieden zu bringen, sondern
das Schwert der Einsicht“. Der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg (Muschg, 2009)
verweist mit diesem Zitat auf wichtige Aspekte der Kunst und ihren Auftrag, tiefe,
manchmal schmerzhafte Wahrheit zu vermitteln.
Die aktive, aber auch die passive Beschäftigung mit Kunst kann ablenken oder
hinlenken, verallgemeinern oder konkretisieren, zerstreuen oder dazu beitragen,
einen Sinn zu finden und direkt wie indirekt bei der Bewältigung des Daseins
und/oder einer physischen und/oder psychischen Krankheit unterstützen.
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Kunst ist Bewältigung und Überwindung der Vergangenheit. Kunst ist das Auffinden
und Gestalten der Zukunft in der Gegenwart.
In der Psychologie der Kunst wird oft davon gesprochen, dass Kunst an sich aus
mythischen, überindividuellen Ordnungskräften entstehe und dass das künstlerische
Schaffen eine gewisse Ichlosigkeit erfordere.
Die Kunsttherapie dagegen will den psychisch Kranken aus genau dieser Ichlosigkeit
befreien. Sie fordert und fördert die individuellen gestaltenden Kräfte aber keine
„große Kunst“ als Produkt.
“Heilung im Kontext der naturwissenschaftlichen Medizin
ist Wiederherstellung des vorigen, gesunden Zustandes“
Kunst ist somit ein Wiederfinden und Wahrnehmen, Spüren, Erleben und Umgehen
mit den eigenen Grenzen von innen und außen, von Leib und Seele, von Selbst und
Welt. Sie richtet sich nach der Entstehungsgeschichte, fragt nach dem Woher,
Wodurch, nach Ursache und Grund von Krankheit - ist somit an die Vergangenheit
orientiert.
„Heilung im Sinne der Kunsttherapie ist Annehmen und
Integrieren der neuen Erfahrungen und Errungenschaften“
Im Auffinden von Ressourcen, sowie im Neuerwerb von Fähigkeiten und Einsichten,
von neuen Umgangs- oder Lebensformen, in der Akzeptanz und Weiterentwicklung
von Veränderungen, welche durch das künstlerische Schaffen ersichtlich wurden, ist
eine neue, vielleicht sogar gesteigerte, weil selbst errungene, Gesundheit erreichbar
– sie ist somit an der Zukunft orientiert.
Junge Essgestörte verhalten sich vielfach nicht nur gegenüber ihrem Körper feindlich
und abweisend, sondern nehmen auch Kunstwerke, Musik, Poesie mit ebensolcher
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Abwehr auf. Die Auseinandersetzung mit diesen Themenbereichen erfolgt meist
durch das Diktat der Bildung oder der kulturellen Ansprüche der Eltern.
Kunsttherapie ermöglicht somit eine Erweiterung des individuellen Spektrums an
Wahrnehmung, Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten und gibt die Chance,
Kreativität in Bezug zu sich selbst anzuregen und künstlerische Werke durch sich
selbst entstehen zu lassen.
1.3 Kunsttherapie = Kunst und Therapie?
Entsprechend der Kunst- und Psychotherapeutin Prof. Dr. Karin Dannecker stelle ich
folgendes Paradigma diesem Absatz voran:
„Kunst existiert, weil sie Mittel bereithält, durch die menschliche Erfahrungen
kommuniziert werden können“ (Dannecker, 1997).
Kunst und Therapie sind in ihren äußeren Zielsetzungen ebenso konträr wie in ihren
inneren Prozessen verwandt: Der künstlerische Prozess dient der Formulierung einer
ästhetischen Position, der therapeutische Prozess dient der Heilung. Doch beide sind
lösungsorientiert in einer handelnden wie seelisch-geistigen Auseinandersetzung,
suchen nach innerem Einklang für bisher Ungewohntes. So entspricht das
Durcharbeiten einer künstlerischen Fragestellung mit allen Widerständen und
Höhepunkten einem therapeutischen Prozess.
Die Basis der Kunsttherapie ist die Erfahrung, dass jeder Mensch die Fähigkeit
besitzt, eigenes inneres Erleben über das kreative Tun auszudrücken. Er beeinflusst
sein künstlerisches Gestalten nach persönlichen Erfahrungen und Interessen.
Herkunft, Geschlecht, Bildung, Intelligenz und Gefühle machen jeden Lösungsweg
einzigartig. Gespräch, Gemeinschaft und schöpferischer Prozess eröffnen einen oft
heilsamen Blick- und Perspektivenwechsel.
Die Kunsttherapie begründet sich aus einem tief greifenden Verständnis der
komplexen - häufig von Spannungen und Ambivalenzen begleiteten - Beziehung
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zwischen Psychotherapie im allgemeinen und der ästhetischen Erfahrung, sowie
unterschiedlichen Formen von Kunst.
KunsttherapeutInnen haben meist gelernt, psychotherapeutisch zu denken und
künstlerisch zu handeln. Dadurch kann in der therapeutischen Beziehung das
wichtige „Dritte“ - eine teilbare und künstlerische Wirklichkeit - entstehen. Es wird
damit zu einem „gemeinsamen Werkstück“, das in keiner anderen Therapieform
existiert.
So gesehen ist Kunsttherapie das Ergebnis psychischer Aktivitäten, die mit den
Instrumenten der Psychotherapie erfasst werden können. Wenn Patienten zeichnen,
eine Skulptur, ein Musik- oder ein Theaterstück kreieren, geben sie Einblick in ihre
Erlebnisweisen, ihre Lebensgeschichte und die Art, wie sie ihre Welt geformt haben.
Sie geben somit Anhaltspunkte, was sie brauchen und wie das Handeln der
begleitenden Therapeuten ausgerichtet werden kann.
Die Frage nach der ästhetischen Erfahrung bzw. das Problem der Form durchzieht
die Literatur in der Kunsttheorie und –philosophie. In der Kunsttherapie wurde dieses
zentrale Thema der Form bisher vernachlässigt, was daran liegt, dass tatsächlich in
der Kunsttherapie selten Kunst entsteht. Mittlerweile berühmte Ausnahmen beweisen
aber das Gegenteil: Art Brut-Künstler, z.B. die Gugginger Maler mit Oswald
Tschirtner an der Spitze.
Daraus ergibt sich eine der wichtigsten Grundregeln für jeden Kunsttherapeuten: die
akzeptierende, empathische Haltung gegenüber allem, was vom Patienten mit den
künstlerischen Materialien produziert wurde. Über das Gestalten in einer Atmosphäre
des Vertrauens erlebt die Klientin eine Bereicherung und Stärkung ihres ureigensten
Ausdrucks, sie erlebt eine Spielraumerweiterung und kann für sich eine neue
Kraftquelle auftun, indem sie neue Varianten des Erlebens und Empfindens
experimentell erprobt.
Durch die nonverbale Methodenvielfalt gelingt es der Kunsttherapie, vor allem dort
anzusetzen, wo Sprache aufhört. Die im Prozess entstandenen Gestaltungen sind
Botschaften des Unbewussten. Es sind zum Teil Eindrücke aus unserer
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vorsprachlichen Zeit, oder Situationen, die nicht sprachlich im Gehirn abgespeichert
werden konnten (z.B. Traumata), aber auch momentane Gefühle und Gedanken.
Durch das so entstandene Bild (oder Musik-/Theaterstück, etc.) können seelische
Zusammenhänge der Sprache und der Kognition zugänglich gemacht werden. So
können sie aus heilsamer Distanz betrachtet und auch verändert werden.
C.G. Jung sagt, "Seele ist Bild" und wenn wir Bilder erschaffen, erschaffen wir Seele;
wir geben der Seele ein Organ, ein Gefäß des Ausdrucks (Barbara Hannah,1982).
Nicht immer verstehen wir diese Bilder sofort, oft wollen wir sie ganz anders
darstellen, als sie sich manifestieren; dann kämpfen wir mit dem Bild, übermalen es,
zerstören es vielleicht. Genau diesen Prozess des Schaffens - manchmal im Fluss,
oft spannungsgeladen und aufregend – fördern wir in unserer Arbeit als
KunsttherapeutIn.
Das kunsttherapeutische Produkt in allen seinen möglichen Formen soll nicht
Ausdruck einer Symptomatik sein, sondern es soll überraschen, es soll das
gestalten, was Gestalt annehmen möchte oder muss. Es geht dabei nicht um das
absichtsvolle Anstreben von tiefer Einsicht oder Erkenntnis, sondern um ehrliches
Zulassen, auch von Angst machenden Gefühlen. Die Arbeit übt metaphorisch jene
Tätigkeiten, die uns so schwer fallen: Risken eingehen, sich hingeben, zu- und
loslassen.
Kunsttherapie will die Menschen, die sich trauen in ihren Spiegel zu schauen, auf
ihrem Weg begleiten, zum kreativen Tun ermuntern und sie dort "abholen", wo ihre
Fähigkeiten liegen. Sie weckt und fördert das Potenzial und die seelischen
Selbstheilungskräfte
des
Menschen
und
sie
kann
somit
behutsam
neue
Möglichkeiten für die Zukunft aufzeigen.
Nichts spiegelt das eigene Sein konzentrierter, als der Akt des bewussten, kreativen
Gestaltens. Im Malen oder Formen macht sich das Leben sichtbar, im Intonieren
macht es sich hörbar, in der Bewegung fühlbar.
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1.4 Elemente und Wirkungsweisen der
Kunsttherapie
Jedem künstlerischem Medium können bestimmte Eigenschaften zugeordnet werden
– der immanente Charakter dieses Materials kann wiederum Aufschluss über die
psychische Situation der Gestaltenden geben. Dies beginnt beispielsweise im
Kreativatelier bei der Wahl des Papierformats – braucht die Klientin viel Raum um
ihre Ideen auf das Blatt zu bringen oder möchte sie sich am liebsten verkriechen –
und äußert sich ebenfalls in der Auswahl der Farben – Acrylfarben zum Sich-darinsuhlen, oder kontrolliert mit Stiften arbeiten.
Im gestalterischen Prozess - in der Verbindung des Mädchens mit dem gewählten
Medium - werden Gefühle lebendig, sichtbar und somit zugänglich. Aus der Art und
Weise, wie z.B. ein Pinsel in die Hand genommen wird (zögerlich/schnell,
zielgerichtet/probierend,..),
wie
der
Pinselstrich
geführt
wird
(kraftvoll/zart,
gerade/wellig,...) welche Farben wie ausgewählt und auf welche Weise aufgetragen
werden, lassen sich für geschulte BegleiterInnen mögliche Rückschlüsse ziehen über
die gelernten Beziehungsmuster der Klientin. Gleichzeitig wirkt das Material mit
seinen Eigenschaften auf die Gestaltende zurück und ermöglicht somit z.B. das
Nachholen bestimmter Erfahrungen (siehe anschließende Bilder aus Setting mit
essgestörten Mädchen und Jugendlichen im LKT-Mödling während meines
Praktikums).
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Besonders intensivierend auf Sinneserfahrungen wirken künstlerische Tätigkeiten mit
haptischen Materialien: Tonarbeiten, Kollagen, Figuren aus Pappmaché, (z.B.:
„Nanas“ nach Niki de St. Phalle – siehe dazu auch den Einband). Dabei kann
einerseits über die Hände behutsam Kontakt zur Außenwelt aufgenommen werden
und andererseits im Kontakt mit dem Material die Körpergrenze sehr stark
wahrgenommen werden. (siehe nachfolgende Arbeiten/Atelier im LKT-Mödling)
Speziell bei Essstörungen muss darauf geachtet werden, dass bei begreifbaren
Materialien keinerlei eventuell essbare dabei sind: getrocknete Hülsenfrüchte,
Kräuter, Gräser, Oblaten,..... weil von Seite der Mädchen allem Verzehrbaren
besonders ambivalente Gefühle entgegengebracht werden und dabei spielerisches
Erfahren oft unmöglich wird. Auch soll die Wichtigkeit der Nahrungsmittel für das
Leben aufgebaut, geachtet, betont werden, nicht deren Verwendung als „Spielzeug
oder Bastelware“.
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Ein wichtiges Therapiewerkzeug ist die verbale, wie auch die visuelle Kommunikation
zwischen KunsttherapeutIn und dem Mädchen. Erst in der Interaktion, in der
Bezugnahme auf das künstlerische Werk – dem teilbaren Dritten zwischen
TherapeutIn und Klientin – und einer Reflexion des Entstehungsprozesses, kann in
vertrauensvoller Atmosphäre eine Tendenz für die innere Motivation erspürt werden.
So kann das Unbewusste aus der Vergangenheit in Worte gefasst werden und als
behutsame Annäherung an eine Vision für die Zukunft installiert werden (verbal oder
medial).
Mädchen mit Essstörungen haben vielfach eine gestörte Körperwahrnehmung und
wollen oft gefallen. Aus diesem Grund muss in der direkten Interaktion von Seiten
der KunsttherapeutInnen besonders auf die nonverbale Ausdrucksweise, auf die
Mimik und auf die Gestik und auf die Reaktion der Augen geachtet werden. Erst in
der nichtsprachlichen Kommunikation kann das Mädchen in seinen ureigensten
Themen wahrgenommen werden, können seine seelischen Reaktionen erahnt
werden – seine Worte sind oft nur Ausdruck der Verwirrtheit, der Verunsicherung, der
Lethargie – und besonders in den Anfängen der Therapie wirklich nur Hülsen.
Speziell die multimediale, intermediale und multimodale Kunsttherapie gibt
diesbezüglich viele Möglichkeiten der nonverbalen Verdichtung und der Verstärkung,
um die Essenz aus einem künstlerischen Prozess, aus einer Sinneserfahrung, aus
einem Gefühl, in ein weiteres Medium zu transponieren und auf nichtsprachliche
Weise weitere sensorische Erfahrungen zu machen, z.B.: Maskenarbeit mit
anschließender Darstellung auf einer Bühne: (s.u./LKT-Mödling)
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2. Teil:
Essstörungen:
Krankheitsbilder
Ursachenforschung
Therapieansätze
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2.1 Definition von Essstörungen
Hat ein Mensch das Licht der Welt erblickt, ist er vom ersten Tag an auf
Nahrungszufuhr angewiesen. Die essentielle Funktion der oralen Versorgung mit
Essen ist unmittelbar gekoppelt an ebenso bedeutsame emotionale wie soziale
Beziehungen, zunächst zu einer Primärperson - meist der Mutter - und im nächsten
Umfeld zur Familie. Essen und gemeinsame Mahlzeiten bleiben im weiteren Leben
ein wesentliches Medium von Beziehungsgestaltung. Die Bedeutung der familiären
Tischgemeinschaft,
eigene
Regeln,
Geschmacksausrichtungen,
gemeinsame
Vorlieben, die Atmosphäre bei Tisch bis hin zu Verboten und Machtausübung über
das Essen vermittelt, bleiben als Muster für Kommunikation und Verhalten im
weiteren Leben prägend.
Der Mensch ist eine bio-psycho-soziale Einheit und nur in dieser Trias ist sein
Verhalten und seine Befindlichkeit zu verstehen. Die Regulation des Essverhaltens
wiederum ist ein äußerst komplexes psycho-physiologisches Geschehen und von
weiteren
soziokulturellen,
ökonomischen
und
ökologischen
Einflussfaktoren
abhängig. Dieses wird erst evident, wenn in diesen sich immer wieder selbst
anpassenden Mechanismen pathologische Störungen auftreten bis hin zum tödlichen
Ausgang. Essstörungen haben in den letzten beiden Dekaden eklatant zugenommen
und stellen mittlerweile einen Schwerpunkt in der stationären und ambulanten
Behandlung psychogener und psychosomatischer Erkrankungen dar. Entsprechend
zahlreich ist inzwischen die Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema (siehe
in der Literaturliste präsentiert).
Als Essstörung bezeichnet man eine Verhaltensstörung mit meist ernsthaften und
langfristigen Gesundheitsschäden. Zentral ist die ständige gedankliche und
emotionale
Beschäftigung
mit
dem
Thema
„Essen“.
Sie
betrifft
die
Nahrungsaufnahme oder deren Verweigerung und hängt mit psychosozialen
Störungen und mit der Einstellung zum eigenen Körper zusammen. Unbeschwertes
Genießen, gesunder Appetit und Hunger sind nicht möglich. Essen ist verbunden mit
Scham- und Schuldgefühlen, der Angst zuzunehmen und dem Empfinden, zu
versagen. Nicht-Essen dagegen bedeutet Stolz, Unabhängigkeit und Macht. Das
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eigene Wohlbefinden wird von der Kontrolle des Essverhaltens abhängig gemacht.
Das Essen ist vom Lebensmittel zum Lebensinhalt geworden. Es handelt sich dabei
nicht um Ernährungsstörungen, die durch “richtiges” Essen gelöst werden können,
vielmehr zeigen Essstörungen, dass die Betroffenen Probleme auf seelischer Ebene
nicht verarbeiten können. Vielerorts sprechen ExpertInnen
vom sogenannten
Hunger nach Anerkennung, von einem "Hilferuf der Seele":
-
Wenn Wohlbefinden vom Körpergewicht abhängt...
-
Wenn Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl fehlt...
-
Wenn das Urteil der Außenwelt die Selbstachtung bestimmt...
-
Wenn Liebe durch Perfektion “erkauft” werden muss...
-
Wenn der eigene Körper ständig abgelehnt wird...
Medizinisch handelt es sich meist um eine Störung der Energiebilanz:
-
Zu hohe Energiezufuhr bei zu geringem Energieverbrauch, z.B. durch
mangelnde Bewegung, führt zu Übergewicht durch dauerhafte Plusbilanz.
-
Zu geringe Energiezufuhr bei relativ zu hohem Energieverbrauch führt zu
Mangelernährung durch dauerhafte Minusbilanz.
Bis Essstörungen im Stadium klinischer Manifestation diagnostiziert werden, zeigen
in unserer Gesellschaft heute zahllose Menschen einen missbräuchlichen Umgang
mit Essen und Nahrungsmitteln. Damit einhergehend ist vermehrt eine distanziert
kritische
Haltung
dem
eigenen
Körper
gegenüber
bzw.
eine
gestörte
Körperwahrnehmung zu beobachten. Dabei besteht eine breite Grauzone zwischen
lediglich individuellen Eigenarten und Störungen von Krankheitswert.
(Quelle: Suppenkaspar in „Struwelpeter“/Hoffmann)
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2.2 Geschichte der Essstörungen
Die Legende der Heiligen Wilgefortis aus dem 10. Jahrhundert steht lt. Franz Renggli
(Renggli, 1992) stellvertretend für viele andere. Es ist die Geschichte einer Tochter
des Königs von Portugal, die einer Zwangshochzeit entkam, indem sie sich einer
strengen Askese unterzog und kaum mehr Nahrung zu sich nahm. Gleichzeitig
betete sie zu Gott und bat ihn, sie aller Schönheit zu berauben. Gott erhörte sie, ihr
wuchs ein Bart und der Bräutigam zog sich zurück. Vom Vater daraufhin ans Kreuz
geschlagen, betete sie, dass die Menschen ,,der Passion gedenken, der alle Frauen
unterworfen sind".
Ab 1200 breitete sich die Geschichte der Heiligen Wilgefortis (lat. ,,die starke
Jungfrau") immer mehr aus und Frauen, die fasteten, wurden immer wieder als
Heilige verehrt. Ungefähr 50% der Klosterfrauen des 13. Jahrhunderts zeigten
anorektische Verhaltensmuster. Das weibliche Ideal der Religion hing eng mit der
Nahrungsverweigerung zusammen. Katharina von Siena ist das bekannteste Beispiel
einer Anorektikerin dieser Zeit. Um einer Heirat zu entkommen begann sie sehr früh
zu fasten und verlor so ihre Weiblichkeit (Renglli, 1992).
Im Fasten ist einer der grundlegenden Unterschiede zwischen männlicher und
weiblicher Askese im Mittelalter zu suchen. Dieser Unterschied hängt eng mit den
christlichen Lehren zusammen:
-
Mönche fasteten, um sich von außerkörperlichen Sünden zu befreien : Frauen
fasteten, um sich von ihrem eigenen Körper zu befreien
-
Kaum ein Mönch fastete bis zum Tode : Der Tod wurde zum Ziel des
weiblichen Fastens
-
Für Männer war das Klosterleben die Verweigerung der umgebenden Kultur :
Für Frauen war das Klosterleben hingegen ein Ort der Befreiung, wo sie sich
dem Sozialkodex (= Herrschaft des Mannes) entzogen, der unterwarf.
Ab dem 14/15. Jahrhundert wurde das Fasten außerhalb der Klöster immer mehr
verbreitet und die Kirche versuchte die Ausbreitung des Fastens zu verhindern. Doch
nicht nur die Kirche, sondern auch die Medizin interessierte sich für das Fasten. Es
Seite 22 von 75
ist auffallend, dass in medizinischen Schriften dieser Zeit ähnliche Merkmale
beschrieben wurden, die auch beim Umgang mit der Anorexie in der Gegenwart
ersichtlich sind (vgl. z.B. Wendt,1999)
Bereits im 17. Jahrhundert, in dem ausladende Rundungen als Schönheitsideal
galten, malte Peter Paul Rubens eine Magersüchtige, die vom englischen Arzt
Richard Morton mit erstaunlich genauen Angaben der Symptome in seinem Werk
„Phthisiologia“ (1689) beschrieben wurde. So schildert Morton eine Form der
Schwindsucht, in der weder Fieber noch Atemnot festzustellen sind, die vielmehr
durch Appetitverlust und Verdauungsbeschwerden charakterisiert wird. Diese Form
der Schwindsucht bezeichnet er als ,,nervöse Atrophie". Als ihre Hauptmerkmale
nennt er Appetitlosigkeit, extreme Abmagerung, Verstopfung, Amenorrhoe und
Hyperaktivität. Außer einer Hypothermie vermag er keine pathologischen Symptome
zu entdecken. Die Gleichgültigkeit der AnorektikerInnen gegenüber ihrem Zustand
fällt ihm besonders auf. Er vermutet, dass die ,,nervöse Auszehrung" aus Traurigkeit
und ängstlichen Sorgen entstamme.
„Venus vor dem Spiegel" (1615) Rubens
„Liebeszauber“ (ca. 1400) unbekannt
Seite 23 von 75
2.3 Ursachen für Essstörungen
2.3.1) Allgemeines
Die Ursachen für Essstörungen sind immer multifaktorell zu sehen. Grundsätzlich
darf man nachstehend genannte Beobachtungen, Untersuchungen und statistische
Ergebnisse niemals auf Einzelfälle umwälzen. Vielmehr dienen diese Unterteilungen
dafür, die Teilgebiete des menschlichen Lebens in der Bewertung und Behandlung
von Essstörung jeweils gesondert betrachten zu können, um für jede KlientIn ein
zugeschnittenes Gesamtbild zu erhalten.
Obwohl es in der Ursachenforschung unzählige Statistiken, Bewertungen und
Berechnungen gibt, möchte ich mein Augenmerk auf intrapersonelle Thematiken und
deren Einflussfaktoren lenken, weil mir diese für die kunsttherapeutische
Arbeitsweise am ehesten relevant erscheinen.
Ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Essstörung sind neben familiären,
persönlichen und biologischen Ursachen auch der gesellschaftliche Schlankheitsund Jugendkult. Bilder in den diversen Medien, die extreme Schlankheit propagieren,
eine bestimmte Körperästhetik vermitteln und diese mit Anerkennung, Erfolg, Glück
und Selbstwert verknüpfen, können fatale Folgen haben. Sich diesen - scheinbar
Erfolg
verheißenden
-
Idealen
äußerlich
anzunähern,
wird
schnell
zur
Lösungsstrategie für innere Konflikte. Die körperliche Erscheinung „Je dünner, desto
schöner“
wird
eng
mit
psychischen
Befindlichkeiten
verbunden:
Liebens-,
begehrenswert und anerkannt zu sein. Dieser Gedanke kann den Weg in eine
Essstörung ebnen. Die deutsch-amerikanische Psychoanalytikerin Hilde Bruch
beschreibt Menschen mit Essstörungen als solche, "...für die das Essen die
missbräuchliche Funktion hat, Probleme, die ansonsten unlösbar erscheinen, auf
diese Art zu bewältigen.“ (Bruch, 1982)
Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ist in westlichen Industrieländern
eindeutig höher als in sogenannten Entwicklungsländern. Diäten sind als
Hochrisikofaktor für die Entstehung von Essstörungen zu sehen. Diese werden
mancherorts als eine „Seuche der Neuzeit“ bezeichnet; als eine Krankheit der
Überflussgesellschaft.
Seite 24 von 75
2.3.2) Soziokulturelle Faktoren
Diese werden durch Familie, Schule und Massenmedien vermittelt. Als wichtig für die
Entstehung von Essstörungen gelten die folgenden Einflüsse:
Schlankheitswahn
Für den Einfluss soziokultureller Einflüsse spricht das relativ höhere Vorkommen von
Essstörungen in der westlichen Welt gegenüber anderen Kulturkreisen. Durch die
Globalisierung scheint aber auch hier ein Wandel im Sinne einer Ausbreitung des
westlichen Schlankheitsideals stattzufinden.
Das gesellschaftliche Ideal hinsichtlich Figur hat sich immer mehr in Richtung einer
extremen Schlankheit gewandelt und ist für die meisten Frauen unerreichbar
geworden. So werden die Models in Werbung und Mode immer dünner. Während in
den siebziger Jahren zu Zeiten des legendären sogenannten „Twiggytrends“ ein
Model nur 8 % weniger als die durchschnittliche Frau wog, sind es heute 23 bis 35 %
(Wimmer-Puchinger, 2004). Angesichts solcher Vorbilder wundert es nicht, wenn
viele Mädchen und junge Frauen mit ihrer Figur nicht zufrieden sind. Umfragen
zeigen laut "Tabula", der Zeitschrift der Schweizerischen Vereinigung für Ernährung
(Nr. 3/Aug. 2006), dass die Hälfte der 14-19-Jährigen abnehmen möchte, obwohl die
meisten von ihnen normalgewichtig sind. In Österreich verhält es sich sehr ähnlich:
ca. 50% der 15-20-Jährigen sehen sich als zu dick (News 17/09)!
Der Grund für den großen Einfluss dieses Schlankheitsideals wird darin gesehen,
dass das von den Medien dargestellte Ideal vor allem bei Frauen an positive Attribute
wie Attraktivität, Glück und Erfolg gekoppelt ist.
Die Zeitschrift News berichtet in der Ausgabe 17/09 über den Kampf einiger
Fachleute gegen Supermodel Heidi Klum und ihre Sendung: „Germany´s next
Topmodel“ auf PRO 7. Dazu die Meinung von Dr. Beate Wimmer-Puchinger: (Wiener
Frauenbeauftragte): „Dieses Format reduziert das Frausein auf Aussehen und setzt
unerreichbare und gefährliche Maßstäbe an der Grenze zur Untergewichtigkeit.
Vermittelt somit die Botschaft: Wenn du dem nicht entsprichst bist du out“.
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Entwicklungspsychologin Dr. Brigitte Rollett zu selbigem Thema in ebendieser
Ausgabe: „Diese Sendung schürt bei jungen Mädchen und Frauen den Irrglauben,
Schlanksein, und dem Willen der „Modelmacher“ angepasst sein allein genügt, um
als Model zu reüssieren und ohne weitere Anstrengung reich und berühmt zu
werden.“
Alice Schwarzer, Feministin der ersten Stunde und „Emma“-Gründerin (feminist.
Frauenmagazin), nennt Heidi Klum´s Sendung sogar „menschenfeindlich“ und hat ihr
den Titel „Pascha des Monats“ verliehen (News 17/09).
Ich persönlich schließe mich der ehemaligen Miss Österreich Christine Reiler (auch
Arzttochter und Medizinstudentin) an, die via News 17/09 ausrichten lässt: „Nicht die
Sendung ist schuld daran, dass viele junge Mädchen in ihrer Körperwahrnehmung
verunsichert werden und auf Kosten der Gesundheit und des Genusses, schön,
schlank und erfolgreich sein wollen. Es sind die Medien!“ - dass diese so einen
Einfluss auf die noch biegsamen Heranwachsenden haben, hat vielfältige Gründe.
In welchem Ausmaß sich eine Person dem Schlankheitsideal beugt und den Kampf
für eine bessere Figur als Kampf gegen den eigenen Körper aufnimmt, ist von
mehreren Faktoren abhängig: Vorhandene Körperunzufriedenheit, eine Tendenz
seinen Körper mit dem anderer zu vergleichen, depressive Verstimmung, geringes
Selbstwertgefühl, Schwierigkeiten mit der eigenen Identität aus familiären, sozialen
oder gesellschaftlichen Gründen.
Familiäre Faktoren
Die Entstehung von Essstörungen hängt heute laut der Mehrzahl der TherapeutInnen
oft – aber nicht immer – mit gestörten Beziehungen in der Familie zusammen.
Wichtig ist dabei: Keine Familie ist eine “Idealfamilie”, und in jeder Form des
Zusammenlebens kommt es zu Fehlern und oft folgenreichen Verhaltensmustern.
Daher sind die nachstehenden Beschreibungen keinesfalls als Negativurteile zu
verstehen, sondern als wertfreie Bestandsaufnahme von möglichen Hintergründen,
um Essstörungen besser zu verstehen. Eine eindimensionale Erklärung einer
Essstörung durch familiäre Einflüsse ist nie zulässig - stets treffen mehrere Faktoren
zusammen; auch dabei geht es nicht um Schuldzuweisung. An der Universitätsklinik
Seite 26 von 75
Charitè in Berlin konnte man in Familienstudien ein gemeinsames genetisches Risiko
für Anorexia und Bulimia nervosa feststellen: sie zeigen eine 7 – 12-fache Erhöhung
der Prävalenz von Essstörungen bei Familienmitgliedern magersüchtiger und
bulimischer Patienten. (www.kjp.charite.de/forschung/essstoerungen/neurobiologie)
Veränderung der Frauenrolle
Die gesellschaftliche Rolle der Frau war in den vergangenen Jahrzehnten einem
ständigen Wandel unterworfen. Die “ideale Frau von heute” sieht sich einem
zunehmenden Druck ausgesetzt, denn neben dem traditionellen Rollenbild der guten
Mutter und Familienfrau sollen Frauen auch berufs- und karriereorientiert sein.
Das Sich-behaupten im Berufsleben führt jedoch für Frauen unweigerlich zu einem
Abweichen von Geschlechtsstereotypen und in weiterer Folge zu Spannungen, die
zu massiven körperlichen und psychischen Belastungen führen können. Die soziale
Umwelt ist heute zwar im Hinblick auf die Forderung zur Einhaltung der
Geschlechterrollen toleranter, jedoch ist für die einzelne Person ungewiss, bis zu
welchem Maß und in welchen Bereichen Abweichungen toleriert werden.
Durch diese hohen und zum Teil widersprüchlichen Erwartungen der modernen
Industriegesellschaft an die Erfüllung der Geschlechterrolle können im Einzelfall
erhebliche Konflikte auftreten. Mehrere AutorInnen weisen darauf hin, dass gerade
essgestörte Frauen sich sehr darum bemühen, all diese Rollenanforderungen zu
erfüllen und die Essstörung der Preis für die Anstrengung und Überforderung sei.
www.hml-modemarketing.de/uploads/pics/moderne-frau-farbe_01.jpg
Seite 27 von 75
www.ariva.de/Moderne_Frau_a55186
2.3.3) Individuelle Faktoren und Persönlichkeitsfaktoren
Allgemein gesehen zählen zu den individuellen Risikofaktoren folgende Merkmale:
-
Weibliches Geschlecht
-
Pubertätsphase
-
Niedriges Selbstwertgefühl
-
Starke Leistungsorientierung
-
Niedrige Frustrationstoleranz
-
Schlankes Schönheitsideal
Dazu können im Einzelfall alle persönlichen Schwierigkeiten als individuelle Faktoren
für die Entstehung einer Essstörung bedeutend sein, wenn sie das psychische
Gleichgewicht der Person belasten, z.B.: Probleme in Familie, Partnerschaft, Schule,
Arbeitsplatz, Verlust von Bezugspersonen oder Umzug, )
(Atelier/LKT-Mödling)
Körperunzufriedenheit
Bei Essstörungen ist der Körper der sichtbare Ort, an dem der oft weit in die
Lebensgeschichte zurückreichende und unbewusst gebliebene seelische Konflikt
ausgetragen wird. Die „Wiener Initiative für Essstörungen“ machte zum 10Jahresjubiläum 2008 eine Umfrage unter 2.800 Mädchen – mit folgendem Ergebnis:
90% der Mädchen und 80% der Frauen sind mit ihren Körpermaßen unzufrieden
82% der Mädchen und Frauen haben Angst davor, zuzunehmen
84% der Mädchen und 80% der Frauen machen Selbstwert vom Gewicht abhängig
52% der Mädchen haben eine Diät gemacht ohne tatsächlich übergewichtig zu sein
15% der Mädchen erbrechen absichtlich um ihr Gewicht zu reduzieren
9% der Mädchen nehmen Abführmittel ein um ihr Gewicht zu reduzieren
(http://www.essstoerungshotline.at/allgemeines/Zahlenx_Datenx_Fakten/Hxufigkeit.html)
Seite 28 von 75
2.3.4) Biologische Faktoren
Folgende biologische Faktoren unterstützen unter Einwirkung zusätzlicher Faktoren
die Entwicklung einer Essstörung: (www.sowhat.at/downloads/Alpbach_2006)
Neurobiologische Veränderungen
Der
Hypothalamus
ist
eine
spezifische
Hirnregion,
die
für
Hunger-
und
Sättigungsregulation im Körper verantwortlich ist. Daher können Dysfunktionen in
diesem Bereich die Hunger- und Sättigungsregulation dadurch stören, dass
verschiedene Hormone nicht mehr an Nahrungsaufnahme gekoppelt ausgeschüttet
werden.
Diese
Störungen
der
Hormonherstellung
führen
nachfolgend
zu
Appetitlosigkeit oder gegenteilig zu Überessen und Heißhunger.
Körperliche Faktoren
Als Risikofaktor gilt ein biologisch höheres Gewicht bei normaler Nahrungsaufnahme,
da ein höherer Body-Mass-Index, z.B. 19, häufiger mit einem negativeren Körperbild
einhergeht.
Grund dafür kann wiederum eine (auch mehrfach vererbte) Einschränkung des
Fettstoffwechsels sein. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass das angestrebte
Schlankheitsideal nur durch eine deutliche Einschränkung der Nahrungszufuhr
erreicht werden kann und damit die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung an einer
Essstörung erhöht wird.
Ernährungsphysiologische Faktoren
Es gibt Hinweise darauf, dass Mütter mit Essstörungen ihre Kinder eher nach
externen Zeitgebern gefüttert haben, anstatt auf die Hungersignale der Kinder zu
achten. Die Hunger- und Sättigungswahrnehmung wird so möglicherweise gestört,
so dass das Essverhalten weitgehend durch Auslösereize in der Umgebung
(Verfügbarkeit von Nahrung) oder durch Kognitionen („12 Uhr - es ist Essenszeit")
gesteuert wird. Durch die weggefallene Sättigungswahrnehmung ist das Risiko hoch,
sich zu überessen und langfristig bei Vorhandensein weiterer Risikofaktoren eine
Essanfallstörung zu entwickeln.
Seite 29 von 75
2.3.5) Häufigkeit von Essstörungen
90 bis 97% der von Essstörung Betroffenen sind Mädchen und junge Frauen.
Insgesamt geht man von über 200.000 Österreicherinnen aus, die zumindest einmal
in ihrem Leben an einer Essstörung erkranken. Bezogen auf die österreichische
Gesamtbevölkerung leiden an einem beliebigen Stichtag von allen 15-20jährigen
Mädchen mindestens 2.500 Mädchen an einer Magersucht und über 5.000 Mädchen
an einer anfänglichen Essstörung. Unter den 20-30jährigen Frauen findet man
mindestens 6.500 Frauen mit Bulimie. Allein in Wien besteht für mehr als 2.000
Mädchen und rund 100 Burschen ein akutes Risiko, an Magersucht oder Bulimie zu
erkranken.
Bei den stationären Spitalsaufenthalten in Österreich ist eine deutliche Zunahme der
Aufenthalte aufgrund von Essstörungen festzustellen. Im Jahr 1989 wurden 269
Personen (89% Frauen) registriert, im Jahr 2000 waren es 1.471 Spitalsaufenthalte.
(Wr. Initiative für Essstörungen, 2004)
ich will sein
ich will nicht sein so wie ihr mich wollt
ich will nicht ihr sein so wie ihr mich wollt
ich will nicht sein wie ihr so wie ihr mich wollt
ich will nicht sein wie ihr seid so wie ihr mich wollt
ich will nicht sein wie ihr sein wollt so wie ihr mich wollt
nicht wie ihr mich wollt wie ich sein will will ich sein
nicht wie ihr mich wolltwie ich bin will ich sein
nicht wie ihr mich wollt wie ich will ich sein
nicht wie ihr mich wollt ich will ich sein
nicht wie ihr mich wollt will ich sein
ich will sein
(Ernst Jandl)
Seite 30 von 75
2.4 Erscheinungsformen von Essstörungen
2.4.1) Grundlegendes
Im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric
Association (DSM-IV; Diagnostisches und Statistisches Handbuch psychischer
Störungen
der
Amerikanischen
Psychiatrischen
Vereinigung)
werden
als
Essstörungen derzeit definiert: (lt. DSM-IV-TR, Stand: März 2007)
-
Anorexia nervosa (Magersucht)
-
Bulimia nervosa (Ess- Brechsucht)
-
Binge - Eating - Disorder (Essstörung mit Fressanfällen)
-
Nicht näher bezeichnete Essstörung
Die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
(ICD-10- International Classification of Diseases, wichtigstes, weltweit anerkanntes
Diagnoseklassifikationssystem der Medizin, herausgegeben von der WHO, Kap. 5,
F50-F59) unterscheidet neben der Anorexia nervosa und Bulimia nervosa mit jeweils
auch atypischen Formen weitere Differenzierungen:
-
Essattacken bei anderen psychischen Störungen
-
Erbrechen bei anderen psychischen Störungen
-
andere Essstörungen und
-
nicht näher bezeichnete Essstörungen.
Adipositas (Fettsucht) wird nicht als psychische Erkrankung, sondern als chronische,
körperliche Erkrankung gesehen oder ist assoziiert mit anderen psychischen
Störungen.
Die einzelnen Störungen sind nicht klar gegeneinander abgrenzbar, auch sind die
Übergänge zwischen „normal“ und „krankhaft“ von vielen Faktoren abhängig. Oft
wechseln die Betroffenen von einer Form zur anderen und die Merkmale gehen
ineinander über und vermischen sich.
In der letzten Dekade hat sich das Verständnis für die vielfältigen Ursachen und
Einflussfaktoren sowie die Therapie der Essstörungen gewandelt.
Seite 31 von 75
2.4.2) Anorexia Nervosa (lt. DSM-IV und ICD 10)
2.4.2.1) Charakteristik
Die Anorexia nervosa (griech./lat.: etwa „nervlich bedingte Appetitlosigkeit“) wurde
erstmals 1873 von Ernest-Charles Lasègue auf der Basis von acht Fällen als
einheitliches Krankheitsbild beschrieben. Dabei grenzte er die Symptome vom
extremen Fasten ab. Bei Anorexia nervosa auch Magersucht genannt, handelt es
sich um eine psychische Störung aus dem Bereich der seelisch bedingten
Essstörungen, ist allerdings nicht gleichbedeutend mit dem Begriff Anorexie, welcher
lediglich ganz allgemein eine Appetitlosigkeit beschreibt.
Die Magersucht ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrecht
erhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert. Durch Hungern und Kalorienzählen wird
versucht, dem Körper möglichst wenig Nahrung zuzuführen. Die betroffene Person
sieht dabei den eigenen körperlichen Zustand häufig nicht, sie empfindet sich als zu
dick, auch noch mit extremem Untergewicht. Meist handelt es sich dabei um eine
Körperschemastörung, wovon am häufigsten heranwachsende Mädchen und junge
Frauen betroffen sind.
Obwohl die Ursachen der Anorexia nervosa noch wenig fassbar sind, wächst die
Überzeugung, dass vor allem eine Interaktion soziokultureller und biologischer
Faktoren, sowie auch unspezifische psychologische Mechanismen und die
Persönlichkeit eine Rolle spielen. Mit der Erkrankung ist eine Unterernährung
unterschiedlichen
Schweregrades
verbunden,
die
sekundär
zu
Hormonschwankungen und Stoffwechselveränderungen, sowie anderen körperlichen
Funktionsstörungen führt.
(Quellen siehe Literaturverzeichnis)
Seite 32 von 75
2.4.2.2) Diagnostische Leitlinien
Tatsächliches Körpergewicht liegt mindestens 15 % unter dem erwarteten Gewicht
oder Body-Mass-Index ist 17,5 und weniger. Bei Patienten in der Vorpubertät kann
die erwartete Gewichtszunahme in der Wachstumsperiode ausbleiben
Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung von hochkalorischen
Speisen, sowie eine oder mehrere der folgenden Verhaltensweisen:
-
selbst induziertes Erbrechen
-
selbst induziertes Abführen
-
übertriebene körperliche Aktivitäten
-
Gebrauch von Appetitzüglern oder Diuretika
Körperschema-Störung in Form einer spezifischen psychischen Störung; die Angst,
zu dick zu werden, besteht als eine tief verwurzelte überwertige Idee, die Betroffenen
legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest.
Hormonelle Störung auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, diese
manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhoe und bei Männern als Libido- und
Potenzverlust. Erhöhte Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Veränderungen im
Stoffwechsel, in der Schilddrüse und deren Aktivitäten und Störungen der
Insulinsekretion können gleichfalls vorliegen.
Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären
Entwicklungsschritte
verzögert
oder
gehemmt
(Wachstumsstopp,
fehlende
Brustentwicklung und primäre Amenorrhoe bei Mädchen; bei Knaben bleiben die
Genitalien kindlich). Bei Nachlassen der erwähnten Krankheitssymptome wird die
Pubertätsentwicklung meist normal abgeschlossen, die Menarche tritt später ein.
Auf psychischer Ebene sind die Gedanken der Betroffenen eingeengt und kreisen lt.
Alexa Franke (Franke, 2003) stets um die Themen Ernährung und Gewicht: „Die
Anorektikerin lehnt das Essen ab, beschäftigt sich aber mehr damit als die meisten
Gourmets. Sie lehnt ihren Körper ab, konzentriert sich jedoch in all ihrem Denken
und Handeln auf ihn.“
Seite 33 von 75
Für
die
Patientin
ist
die
Magersucht
in
erster
Linie
eine
Abwehr
von
Fremdbestimmung. Die Kontrolle über den eigenen Körper (z.B. durch KalorienZählen) ist eine Form der Ohnmachtsbewältigung im Prozess der Adoleszenz.
Magersucht ist fast immer nur ein Symptom eines tiefer liegenden psychischen und
sozialen
Problems,
das
behandelt
werden
muss.
Eine
Symptomtherapie
beispielsweise mit Pharmazeutika ist niemals ausreichend. So steht auch das
Schlankwerden oft nur am Anfang im Zentrum der Krankheit, die sich zunehmend
verselbständigt und gerade von langjährig Betroffenen als Sucht erfahren wird.
2.4.2.3) Körperliche Folgeschäden
-
Absinken von Puls, Blutdruck und Körpertemperatur
-
Osteoporose mit erhöhtem Risiko von Frakturen
-
Herz- und Kreislaufprobleme, EKG-Veränderungen
-
Anämie, Hypoglykämie
-
Müdigkeit, Konzentrationsstörungen
-
Verstopfung und Darmträgheit
-
Brüchige Haare und Nägel, Zahnschäden
-
Flaumbehaarung an Rücken, Armen, Gesicht)
-
Einschränkung des Größenwachstums
-
Amenorrhoe, Unfruchtbarkeit
-
Verzögerte/eingeschränkte Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale
-
in schweren Fällen besteht Lebensgefahr (bis zu 15% der Erkrankten)
2.4.2.4) Diagnose
Die Diagnose ergibt sich aus einem ausführlichen diagnostischen Interview, das
offen oder mit Hilfe von Checklisten erfolgen kann. Im Anschluss daran erfolgen
weitere Tests, z.B. ein EKG und ein Bluttest, um körperliche Begleiterscheinungen
des Untergewichts zu erfassen. Besteht der Verdacht, dass andere Ursachen das
Untergewicht verursacht haben, werden differentialdiagnostische Untersuchungen
veranlasst. Zunächst ist die Anorexia nervosa von dem Symptom Anorexie
abzugrenzen, das bei verschiedenen Erkrankungen auftreten kann.
Eine genaue Abgrenzung verschiedener Essstörungen voneinander ist nur im
therapeutischen
Kontext,
im
Rahmen
einer
Seite 34 von 75
aktuellen
Therapie
und
ihrer
momentanen Ziele sinnvoll, da oft beobachtet wird, dass Patienten während ihrer
Entwicklung verschiedene Formen aufweisen. Oft findet man in der Vorgeschichte
von Bulimikern eine Episode von Anorexia nervosa. Manchmal kommt es auch vor,
dass Personen, die unter Adipositas litten, eine Anorexia nervosa oder Bulimie
entwickeln oder umgekehrt.
Affektive Störungen wie Depressionen oder bipolare Störungen können auch zu
erheblicher Gewichtsreduktion führen. Die Betroffenen weisen jedoch keine verzerrte
Körperwahrnehmung
Gewichtsverlust
auf.
Pathologische
führen,
Störungen
beispielsweise
ein
können
ebenso
Hirntumor
zu
oder
Stoffwechselerkrankungen, wie z.B. eine Überfunktion der Schilddrüse.
Die Magersucht ist auch abzugrenzen von Fällen, bei denen Menschen in
Gefängnissen oder als Form des politischen Widerstandes freiwillig in den
Hungerstreik treten oder aus ideologischen und religiösen Gründen fasten.
2.4.2.5) Zahlen und Fakten
-
Prävalenzrate liegt zwischen 0,3-1,5%
-
40% aller Erkrankten sind Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren
-
60% der weiblichen Betroffenen befinden sich in der Pubertät
-
Verhältnis zwischen erkrankten Männern und Frauen liegt bei 1:10
-
8 Neuerkrankungen pro Jahr pro 100.000 Einwohner
-
Magersucht ist die psychische Krankheit mit der höchsten Sterblichkeitsrate
(www.sowhat.at)
(Atelier/LKT-Mödling)
Seite 35 von 75
2.4.2.6) Entstehungsfaktoren und Ursachen für Anorexie
Familiäre Einflüsse
In den meisten Fällen handelt es sich um eine unauffällige bürgerliche Familie, die
nach außen einen starken Zusammenhalt und „intakte Verhältnisse“ demonstriert,
obwohl meist geringer Kontakt und emotionale Kälte nach innen vorherrschen. Oft
hat die Meinung von Außenstehenden oberste Priorität und es besteht eine hohe
Norm-
und
Leistungsorientierung,
vielfach
aufgrund
von
schwachem
Selbstbewusstsein und Perfektionismus.
Immer wieder wird eine Überbehütung der Kinder und das Fehlen jeglicher
Privatsphäre beobachtet, sowie Harmoniestreben bei gleichzeitigem Mangel an
Konfliktbewältigungsfähigkeiten. Auseinandersetzung mit negativen Gefühlen, wie
z.B.: Wut, Zorn, Unsicherheit, Ängsten findet nicht statt.
Weitere Faktoren – speziell in der psychoanalytischen Sichtweise – sind eine
gestörte Mutter-Tochter-Beziehung, eine Ablehnung der Weiblichkeit bei Mutter
und/oder Tochter, sowie die zum Teil irreale Angst vor dem Erwachsenwerden.
Leider sind bis zu 50% der Mädchen nach sexuellem Missbrauch in die Anorexie
geflüchtet: Sie wollen ihre sexuelle Entwicklung stoppen, um unnahbar und
unattraktiv zu sein. Die Überzahl der Mädchen hatte bei Gewahrwerdung der
Krankheit
noch
keinen
freiwillig
initiierten
sexuellen
Kontakt.
(www.sowhat.at/downloads/Alpbach_2006)
Laut Christina von Braun (Von Braun, 1998) sind die engen Familienbande allein
noch keine vollständige Erklärung für das Entstehen von Essstörungen. Darauf
verweisen Erkenntnisse aus der Betrachtung von orthodoxen jüdischen Familien in
der Diaspora. Diese Familien erfüllen - in geradezu idealtypischer Form - alle
Kriterien, die in den Lehrbüchern als typische Voraussetzung für die Entwicklung von
Essstörungen beschrieben
werden:
Enge,
manchmal auch als
erdrückend
beschriebene Familienbande, mit einer Mutter im Zentrum, zu deren wichtigsten
Aufgabe die Erziehung der Kinder und die Kontrolle der Ernährungsgewohnheiten
gehört. Nach den Kriterien der Lehrbücher müssten orthodoxe jüdische Familien
geradezu reihenweise Töchter mit Essstörungen produzieren, was aber nicht der Fall
ist, wie in zahlreichen Untersuchungen festgestellt wurde.
Seite 36 von 75
Ich gebe zu bedenken, dass an anderer Stelle meiner Arbeit (vgl. Pkt. 2.3.2) der
Einfluss der westlichen Welt, die Massenmedien, das Schönheitsideal etc. als ein
Grund für Anorexie genannt sind – in der Abgeschiedenheit einer gläubigen
Gemeinschaft,
wie der orthodoxen Juden in der Diaspora, sehe ich diese oben
genannten Auslöser als nicht wirksam.
Falschverstandene Autonomiebestrebungen
Die Ursachenforschung der Essstörungen hat sich bis einigen Jahren hauptsächlich
auf
drei
Untersuchungsfelder
konzentriert.
Die
Psychodynamik,
die
Familienstrukturen und die organischen Funktionen. Bis heute gibt es aber noch
keine allgemein gültige Theorie, warum besonders junge Frauen in der ersten Welt,
die dem christlichen Glauben angehören, von diesen Störungen betroffen sind.
Vermehrt gibt es Vermutungen, dass Essstörungen auch auf ein Misslingen von
Autonomiebestrebungen zurückgeführt werden können. (Forum Alpbach)
Anhand ihrer Untersuchungen an Collegestudentinnen stellt Catherine Steiner-Adair
(Steiner-Adair, 1999) diesen Theorien eine neue gegenüber, die das Gegenteil
besagt: Essstörungen grassieren in unserer Gesellschaft deshalb, weil die Frauen in
gesundheitsschädlicher und unangemessener Weise zu Autonomie gedrängt
werden. (Essstörungen hängen nach dieser Hypothese mit dem Einfluss kultureller
Maßstäbe zusammen, die es Mädchen schwer machen, Beziehungen in ihren
Lebensentwurf zu integrieren und sie ernst zu nehmen.)
Ich möchte ihre Theorie wie folgt kurz erklären:
Autonomie, d.h. Unabhängigkeit, wird heute als Ziel des Erwachsenwerdens
gesehen, ohne dabei zu bedenken, dass gerade Bindungen und Beziehungen
besonders wichtig für die Reifung der weiblichen Persönlichkeit sind. Für die
männliche Entwicklung hingegen bedeutet die Ablösung eine Stärkung ihrer
geschlechtlichen Identität.
In unserer patriarchalisch orientierten Gesellschaft werden Mädchen vielfach dazu
erzogen,
die
Bedeutung
von
Beziehungen
zu
entwerten
und
Autonomie
überzubewerten. Ich persönlich denke, dass es für uns Frauen im Allgemeinen eine
große Aufgabe darstellt sowohl Autonomie und Beziehungen nebeneinander
bestehen zu lassen und dies ein lebenslanger Lernprozess ist. Diese teilweise
schwierige Gratwanderung ist aber für viele junge Mädchen ohne entsprechendes
Vorbild der Mutter oder einer sonstigen Bezugsperson meist schwierig zu bewältigen.
Seite 37 von 75
Bereits bei Jugendlichen werden typisch weibliche von typisch männlichen
Persönlichkeitsmerkmalen unterschieden, wobei auffällt, dass die als charakteristisch
weiblich klassifizierten Merkmale, wie schwach, ängstlich, unfähig,.. im Gegensatz zu
den männlichen, wie stark, furchtlos, leistungsfähig,... stets negativ bewertet wurden.
Die ideale menschliche Entwicklung wird also mit Männlichkeit definiert, die die
positive Entwicklung von Mädchen nicht beinhaltet. Auf der einen Seite brauchen sie
Beziehungen, um ihre Identität aufzubauen, auf der anderen Seite werden ihnen von
der Gesellschaft andere Ziele als Ideale vorgesetzt.
Ähnlich geht es jungen Mädchen, wenn es darum geht, ihren eigenen Körper als
einen Teil von sich selbst zu akzeptieren. Heute werden Mädchen so sozialisiert,
dass sie ihren Körper gar nicht akzeptieren können. Wie kann ein Mädchen mit
einem durchschnittlichen Körperbau seinen Körper lieben, in einer Gesellschaft, die
Frauen nach ihrem Aussehen und Oberflächlichkeiten beurteilt und sie dazu
auffordert ihren Körper so zu verändern, dass er einem bestimmten Schönheitsideal
entspricht? Mädchen reagieren intensiver auf den gesellschaftlichen Zwang von
Idealen als Burschen. Ihr Selbstvertrauen hängt stark von ihrer persönlichen
Zufriedenheit mit ihrer Figur/ ihrem Aussehen ab.
Somit stehen sich zwei gegensätzliche Theorien einander gegenüber: In der einen
wird die Ursache von Essstörungen in der mangelnden Autonomie der Mädchen
gesehen,
in
der
anderen,
wird
die
Verweigerung
der
Autonomie
als
Entstehungsursache betrachtet. (Forum Alpbach)
Alexa Franke sieht in der Anorexie Ausdruck eines verzweifelten Kampfes um das
Recht und die Möglichkeit, das eigene Leben nach den eigenen Vorstellungen und
Wünschen zu gestalten. Sie meint, wenn anorektische Menschen lernen, die
Energie, die sie in die Krankheit investieren, in die Realisierung eines eigenen
Lebensentwurfs umzulenken, können sie Wege zur Gesundung finden (Franke,
2003) .
2.4.2.7) Magersucht-Typen
Essstörungen zeichnen sich durch eine höhere Komplexität als beispielsweise
Zwänge oder Phobien aus, was sich lt. Carolyn Costin und Georgio Nardone auch
durch das Vorhandensein verschiedener Typen innerhalb derselben Störung äußert
(Costin, 1999 und Nardone, 2003).
Seite 38 von 75
Der aufopferungsvolle Typ
Die zu dieser Form der Anorexie neigenden jungen Frauen erleben bestimmte
Schwierigkeiten und auftauchende Symptome in Verbindung mit bestimmten
Familiensituationen.
Herrscht in der Familie quasi eine "pathogenetische Energie", nimmt meist ein
Familienmitglied die ganze Last auf sich und entwickelt irgendeine psychische
Störung, z.B.: eine Essstörung oder eine phobische oder psychotische Symptomatik.
Die Betreffenden ziehen einen sekundären Gewinn aus ihrer Störung, da sie
aufgrund ihrer Symptomatik zum wichtigsten Mitglied der Familie werden. Wenn
beispielsweise eine junge Frau mit stark fordernden Eltern und begabten
Geschwistern nicht genügend Anerkennung bekommt, kann sie herausfinden, dass
sie durch ihre Störung sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann.
Ein anderer Patiententypus ist nach Costin der "Held der Familie". Diese Betroffenen
leben
in
einem
chaotischen
Familiensystem,
in
dem
es
keine
starken
Bezugspersonen gibt. Die Betroffenen übernehmen alle Verantwortung in der
Familie, werden zu früh unabhängig und entwickeln einen ausgesprochen hohen
Grad an Selbstvertrauen und Selbstbeherrschung. Bei diesem Typus kann die
anorektische Symptomatik als höchste Form der Selbstbeherrschung verstanden
werden, die sich die Betroffenen abverlangen.
Der abstinente Typ
Die Betroffenen sind meistens sehr intelligente, aber auch äußerst sensible,
psychisch labile Personen, die große Schwierigkeiten im Umgang mit den eigenen
Gefühlen haben. Sie betrachten die Realität durch eine verzerrende Linse, die die
Dinge so vergrößert, dass sie gigantische Ausmaße annehmen. Jedes Problem
erscheint unendlich groß, unendlich schwierig und unendlich besorgniserregend. Die
Haltung der Betroffenen zum Leben ist, trotz Erfolgen in Ausbildung oder Beruf,
durch eine ständige Unzufriedenheit, Unsicherheit und Versagensangst geprägt.
Die Betroffenen erkennen irgendwann, zufällig, ohne bewusste Absicht, dass sie sich
Erleichterung von ihren extremen Emotionen verschaffen, indem sie sich auf anderes
konzentrieren, z.B. auf ihre Fähigkeit, ihrem eigenen Organismus die Nahrung zu
verweigern. Nach und nach gelingt es immer besser, die eigenen Gefühle und
Empfindungen zu betäuben.
Seite 39 von 75
Bildlich gesprochen, legen die Betroffenen sich eine Ritterrüstung zum Schutz ihrer
Empfindlichkeit an, die jedoch nach gewisser Zeit zu einem Gefängnis wird. Die
Abstinenz wird zum Lösungsversuch, der anscheinend nicht aufgegeben werden
kann, weil die Betroffenen sonst nicht in der Lage wären, mit den dann
aufkommenden Gefühlen umzugehen.
Nicht nur die Nahrung, auch andere potenziell störende Erfahrungen, die mit Lust
und Genuss zu tun haben, werden im Zuge dieser Selbstverleugnung vermieden. Die
Betroffenen bringen viele Opfer, arbeiten fleißig und ausdauernd. Aufgrund ihrer
Angst vor Kontrollverlust haben sie große Angst vor jeglichem lustvollen Erleben.
Andererseits werden ab einem bestimmten Punkt, durch Absonderung bestimmter
Neurotoxine, rauschartige Zustände bewirkt, welche die Betroffenen aufgeregt und
unermüdlich erscheinen lassen - ähnlich wie einige Drogenabhängige.
Da es den Betroffenen unmöglich ist, sich einen besseren Zustand vorzustellen, ist
der Widerstand gegenüber Veränderungen regelmäßig sehr hoch. Zusätzlich zu der
Betäubung von Stimmungen und Gefühlen, die den wohl wichtigsten Aspekt dieser
Störung darstellt, verschafft der Nahrungsverzicht den Betroffenen auch das Gefühl,
besser zu sein als andere, weil sie etwas schaffen, was anderen Menschen schwer
fällt. Die Zuwendung und Zuneigung, welche die Betroffenen wegen ihrer Störung
von der Umwelt erhalten, stellt einen sekundären Gewinn dar, einen Erfolg, der ihnen
- wie sie befürchten - auf anderen Gebieten verwehrt bleiben würde. Neben den
individuellen Lösungsversuchen der Betroffenen, spielen auch die Anstrengungen
des umgebenden Systems - vor allem der Familie - zu helfen (essen in Gesellschaft,
essen erzwingen, sich verstärkt kümmern, usw.), eine große Rolle. Viele dieser
Lösungsversuche
verschlimmern
das
Problem
oder
tragen
zu
dessen
Aufrechterhaltung bei, eben weil sie die sekundären Vorteile mehren. Dass die
Betroffenen der normalen Nahrungsaufnahme und vielen anderen Dingen entsagen,
die lustvoll und daher irgendwie bedrohlich sind, ist jedoch für die Betroffenen die
bedeutendste Strategie, um ihre Gefühls- und Beziehungswelt zu kontrollieren.
(Atelier/LKT-Mödling)
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2.4.2.8) Herkömmliche, anerkannte Therapieformen bei Anorexie
Die Therapie umfasst neben einer Stabilisierung des Essverhaltens in der Regel
psychotherapeutische Betreuung. Bei kritischem Untergewicht (bei einem BMI von
13 und weniger besteht akute Lebensgefahr) ist eine stationäre Behandlung in einem
Krankenhaus mit parenteraler Ernährung notwendig, d.h. die Patientin wird über
einen
venösen
Zugang
mit
Nährstoffen/Elektrolyten
versorgt.
Diese
Zwangsmaßnahme ist wichtig und lebenserhaltend, doch ohne weiterführende
psychotherapeutische Behandlung nicht dauerhaft wirksam.
Oft werden systemisch-familientherapeutische Behandlungen empfohlen. In diesem
Kontext erscheint die anorektische Patientin als Symptomträgerin einer Familie und
ist demnach nicht alleine behandlungsbedürftig. Es ist wenig zielführend, dass die
Patientin ein neues Körperbewusstsein und Essverhalten lernt und dann in die selbe
Umgebung, in der sie krank geworden ist, zurück kommt. Vielmehr müssen die
innerfamiliären Ausdrucksformen und Regeln derart geändert werden, dass in der
Familie Kommunikation und Konflikte direkt ausgedrückt werden können, und dass
kein Symptom mehr nötig ist. Sinnvoller Weise werden nicht Einzelpersonen
„geändert“, sondern die "Spielregeln" innerhalb des Systems. Ebenfalls kommen
psychoanalytische Behandlungsansätze zum Einsatz. Diese sollen unbewusste
Konflikte, die zur Entstehung des Symptoms geführt haben, bewusst machen und so
eine weitere Reifung der Persönlichkeit ermöglichen. Interessant ist, dass durch die
psychodynamischen Therapien häufig eine Verbesserung der Symptomatik erreicht
wird, ohne dass in der Therapie das fehlangepasste Essverhalten thematisiert wird.
Auch kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen werden oft mit dem Ziel
angewandt, die verzerrte Körperwahrnehmung der PatientInnen zu beeinflussen, die
Einstellung zum Essen zu verändern und Wege für eine bessere Konfliktbewältigung
sowie soziale Kompetenzen zu vermitteln. Diese Sichtweise sieht die Angst vor dem
Dickwerden und die gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers als motivierenden
Faktor an. Hier spielt sowohl die Kritik von Gleichaltrigen als auch die der Eltern,
sowie das von den Medien transportierte Schlankheitsideal eine große Rolle. Die
gezielte Gewichtsabnahme reduziert die Angst und macht so das Abnehmen zu
einem wirkungsvollen Verstärker.
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Die psychoanalytische Sichtweise sieht die Hauptursache von Essstörungen in einer
ungesunden Eltern-Kind-Beziehung, im Speziellen in einer gestörten Mutter-TochterBeziehung. Aufgrund dieser lehnt die Betroffene ihre weibliche Identität und damit
auch die weiblichen Formen ab. Die Beherrschung des eigenen Körpers wird zu
einem Mittel, Wünsche nach Autonomie, im Gegensatz zu der Angst vor der
Trennung mit der Mutter zu verarbeiten. Das aggressive Streben nach Autonomie,
das sich häufig in der Adoleszenz zeigt, wird somit über den Körper ausgedrückt.
Der alleinige Einsatz von Psychopharmaka und Antidepressiva scheint nicht
zielführend, weil die Einsicht für die multifaktorellen Einflüsse notwendig ist um jede
Form von Psychotherapie möglich und somit wirksam zu machen.
Das Wertvollste im Leben ist die Entfaltung der Persönlichkeit und
ihrer schöpferischen Kräfte.
(Albert Einstein)
(Atelier/LKT-Mödling)
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2.4.3) Bulimia Nervosa (lt. DSM-IV und ICD 10)
2.4.3.1) Charakteristik
Die
Bulimie
(griechisch
βουλιµία,
boulimía,
wörtlich
„der
Ochsenhunger“,
neulateinisch bulimia nervosa), wird auch Ess-Brechsucht oder Ochsen- bzw.
Stierhunger genannt, und wird weltweit seit den 70-er Jahren des 19. Jahrhunderts
als eigenständige Krankheit klassifiziert. Bulimie allein bezeichnet streng gesehen
lediglich das Symptom des Heißhungers und wird dann auch als Hyperorexie
(griechisches Kunstwort υπερόρεξη, aus υπερ-, „über-“ und όρεξη, „Appetit“)
bezeichnet; sie tritt in diesem Sinne auch bei Unterzuckerung aus körperlicher
Ursache z.B. bei Diabetes mellitus Typ 1+2, auf.
Bulimia nervosa ist durch wiederholte Anfälle von Heißhunger (Essattacken) und
eine übertriebe Beschäftigung mit der Kontrolle des Körpergewichts charakterisiert.
Die Betroffenen sind meist normalgewichtig, haben aber große Angst vor der
Gewichtszunahme, dem "Dickwerden"; man kann diese Angst als "Gewichtsphobie"
umschreiben. Sie ergreifen deshalb ungesunde Gegenmaßnahmen wie Erbrechen,
exzessiven Sport, Abführmittelgebrauch, Fasten oder Einläufe. Dadurch kommt der
Körper in einen Mangelzustand und es kommt zu so genannten Ess-Attacken, wobei
große Mengen Nahrung auf einmal verzehrt werden. Neben diesen Heißhungerbedingten Fressattacken kommt es noch zu stressbedingten. Das Überessen und
Erbrechen wird häufig als "entspannend" erlebt.
Diese so genannte Ess-Brech-Sucht beginnt oft in einem späteren Alter als die
Magersucht, etwa mit 16 oder 17 Jahren. Oft schließt sie an eine voran gegangene
Magersucht an, wenn von außen betrachtet ein Rückgang der Magersucht erzielt
wurde und die Patientin wieder zu Essen beginnt. Die Betroffenen leiden meistens
unter einer gestörten Selbstwahrnehmung und/oder einer Körperschemastörung. Wie
auch die Magersüchtigen, empfinden sie sich immer als zu dick, doch sind sie häufig,
im Gegensatz zu den Magersüchtigen, normalgewichtig. Die Ursachen der Bulimie
ähneln denen der Magersucht. Nicht selten geht der Bulimie eine anorektische
Phase voraus oder wechselt sich mit Phasen der Magersucht.
Seite 43 von 75
Bulimieerkrankte versuchen meist, ihre Krankheit zu verbergen. Dadurch wird sie oft
erst mehrere Jahre nach denen sie begonnen hat erkannt oder eingestanden und
behandelt. Eine frühzeitige Behandlung ist besonders wichtig, da die Aussichten auf
vollständige Genesung mit jedem weiteren Jahr der Erkrankung sinken.
Beobachtete Begleiterscheinungen bei Bulimie:
-
Missbrauch von Alkohol, Drogen, Medikamenten, starkes Rauchen
-
autoaggressives Verhalten
-
unkontrolliertes Mode- und Konsumverhalten, übertriebenes Geldausgeben,
so genannte Frustkäufe, nicht selten auch Kaufsucht und Ladendiebstähle
-
soziale Isolation, aber auch das Gegenteil: eine Überanpassung an Gruppe,
Familie, Leistungszwang, Karrieredrang (jung, dynamisch und erfolgreich)
-
Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle, Unzufriedenheit über die eigene
Geschlechtsrolle, zum Beispiel die Ablehnung der Weiblichkeit und Sexualität
allgemein
2.4.3.2) Diagnostische Leitlinien
Zu den diagnostischen Leitsymptomen gehören die andauernde Beschäftigung mit
dem Essen und die unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln. Die Patientin erliegt
Essattacken, bei denen große Mengen Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert
werden. Die Patientin versucht, dem dickmachenden Effekt der Nahrung durch
verschiedene Verhaltensweisen entgegen zu steuern: Selbstinduziertes Erbrechen,
Missbrauch
von
Abführmitteln,
zeitweilige
Hungerperioden,
Gebrauch
von
Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. Wenn die Bulimie bei
Diabetikerinnen auftritt, kann es zu einer Vernachlässigung der Insulinbehandlung
kommen.
Eine der wesentlichen Auffälligkeiten besteht in der krankhaften Furcht davor, dick zu
werden. Die Patientin setzt sich eine scharf definierte Gewichtsgrenze, deutlich unter
dem vom Arzt als optimal oder „gesund“ betrachteten Gewicht. Häufig lässt sich in
der Vorgeschichte mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren
die Episode einer Anorexia nervosa nachweisen. Diese frühere Episode kann voll
ausgeprägt
gewesen
sein,
oder war
eine
verdeckte
Form
mit mäßigem
Gewichtsverlust oder dem Auftreten einer vorübergehenden Amenorrhoe.
Seite 44 von 75
2.4.3.3) Körperliche Folgeschäden
-
Schäden am Zahnschmelz wegen erhöhtem Magensäureangebot im Mund
-
Entzündungen und Einrisse in der Speiseröhre
-
Schäden an der Magenwand und Nieren
-
Herzrhythmusstörungen durch massive Störung des Elektrolyt-Haushaltes
-
Ausbleiben der Monatsblutung
2.4.3.4) Zahlen und Fakten
-
Prävalenzrate liegt zwischen 2-4%
-
Auftretenswahrscheinlichkeit ist dreimal höher als die der Magersucht
-
11,5-13,5 Neuerkrankungen pro Jahr pro 100.000 Einwohner
-
Verhältnis zwischen erkrankten Männern und Frauen liegt bei 1:100
-
Frauen von 20 bis 24 Jahren haben die höchste Anzahl von Neuerkrankungen
-
0,4% der Bulimikerinnen sterben durchschnittlich pro Jahr. (www.sowhat.at)
2.4.3.5) Entstehungsfaktoren und Ursachen für Bulimie
-
Persönlichkeitsschwäche
-
depressive Veranlagung
-
Störung der Impulskontrolle und Identität
-
Neigung zu süchtigem Verhalten
-
gesellschaftliche Bedingungen
-
sexueller Missbrauch
Berufsgruppen, bei denen geringes Körpergewicht für das Ausüben des Berufs
verlangt oder vorteilhaft ist (z.B.: Fotomodell, Tänzer,..), sind tendenziell für diese
Krankheit
besonders
anfällig.
(http://www.wogos.org/de/menu_2/beratung-und-
vernetzung/kooperationspartner/wiener-initiative-gegen-essstoerungen.)
Häufig leiden die Patientinnen schon vor der Erkrankung unter starken seelischen
Problemen. Bei manchen gehen diese Probleme so weit, dass sie an die Grenze
einer seelischen Krankheit stoßen. Aus diesem Grund wird oft von der ,,Borderline
Störung" gesprochen. Die bei dieser Störung gemeinte Grenze zu Erkrankungen aus
dem Bereich der schizophrenen Psychosen wird nur fast erreicht und kaum je
überschritten. In manchen Fällen gewinnt man den Eindruck, dass die Bulimie und
die Psychose in enger Verbindung stehen.
Seite 45 von 75
Der Weg in die Bulimie beginnt meist mit starken Wünschen nach Versorgung und
Zuwendung, die enttäuscht werden. Aus dieser Enttäuschung wächst eine aggressiv
gefärbte Anspruchshaltung, die auf die Nahrung verschoben wird und sich in
Heißhungerattacken und Fressanfällen äußert. Die Beziehung zur Mutter ist meist
heikel und von Neid, Rivalität und gegenseitiger Herabsetzung geprägt. Einerseits
will das Mädchen von der Mutter versorgt werden, sucht Nähe und Zuneigung,
andererseits sieht es die Mutter als böse, herzlose Frau. Wenn das Mädchen von der
Mutter Nahrung annimmt, wird es quasi vergiftet. Die Nahrung muss wieder heraus.
Es muss nicht sein, dass die Beziehung zur Mutter immer schon schlecht war. Meist
entwickelt sich das schlechte Verhältnis erst im Laufe der Krankheit.
In den Familien der Bulimikerinnen kommt häufig getarnter Unfrieden vor, versteckte
Feindseligkeiten und Schwächen anderer Familienmitglieder, die mit Alkohol- und
Tablettenmissbrauch kompensiert werden. Die Bulimie kann gut verborgen werden,
weil die Mädchen nicht besonders abnehmen, meist normalgewichtig sind und daher
- im Gegensatz zu den Anorexiepatientinnen - rein körperlich selten in sichtbare
lebensbedrohliche Zustände kommen. Sie sind obendrein noch sehr auf ihr Äußeres
bedacht, wirken oft sehr attraktiv und gesund und sind vielfach – nicht wie
Anorektikerinnen –sexuell aktiv.
Meist halten Mädchen die Krankheit lange geheim, kommen oft selber darauf, dass
sie krank sind und suchen von sich aus Hilfe. Magersüchtige Mädchen sind im
Gegensatz dazu aufgrund ihrer verzerrten Körperwahrnehmung nicht in der Lage,
das Ausmaß ihrer Abmagerung, sowie ihre Krankheit zu erkennen. Bulimische
Patientinnen gelten im Vergleich zu Anorektikerinnen als wenig ausdauernd und
kontrolliert, frustrationsintoleranter und extrovertierter: Anorektische Patientinnen
sind oft beharrlich bis zur Rigidität, perfektionistisch, introvertiert und ausgeprägt
harmoniebedürftig.
(Venus von Willendorf)
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2.4.3.6) Herkömmliche anerkannte Therapieformen bei Bulimie
Die Therapie der Bulimikerinnen setzt in jedem Fall an einem anderen
Ausgangspunkt an d.h. sie ist sehr individuell, weil die Patientinnen aus den
unterschiedlichsten Gründen einen Weg aus der Krankheit suchen. Die oftmals
,,perfekte Fassade" macht eine Therapie sehr schwer, weil die Krankheit nicht
einfach zu fassen ist. Es ist sehr schwer zu begreifen bzw. zu spüren, wie schlecht
es den Mädchen wirklich geht. Bei manchen sind es unerfüllte Sehnsüchte oder ein
Ausweg aus einer familiären Notlage, bei anderen ein Hilfeschrei bei einer
Abhängigkeit in der sie Missbrauch erlitten haben. Andere wiederum leben in einer
dauerhaften, aber gefährdeten Partnerschaft und wollen diese mit der Therapie
retten. Es sind also unterschiedliche Motive, die differenziertes therapeutisches
Vorgehen notwendig. Die Erfolgsquote von Psychotherapien um mögliche Gründe für
die Krankheit suchen, sowie Strategien zur Bewältigung der Probleme und zur
Normalisierung des Essverhaltens zu entwickeln, liegt derzeit bei etwa 30 bis 45 %.
Weitere Ziele sind die Verbesserung der persönlichen Einstellung zum eigenen
Körper, zu den Lebensmitteln als Lebensquelle und nicht nur als Konsumgut, zur
Freude am Essen als Freude am Leben und der (Wieder-)Aufbau sozialer Kontakte.
(www.therapeuten.de/therapien/essstoerungen.htm)
Neuere Studien zeigen, dass sich Bulimie auch mit Hilfe von Antidepressiva
therapieren
lässt.
Diese
Behandlungsweise
sollte
allerdings
von
einer
Psychotherapie begleitet werden, da Antidepressiva alleine die Bulimie nur für die
Zeit der Einnahme einbremsen würden. Nach Absetzen der Medikamente wäre die
Wahrscheinlichkeit
eines
Rückfalles
ohne
zusätzliche
psychotherapeutische
Intervention sehr groß. Diese Kombinationstherapie ermöglicht den Betroffenen unter
anderem, ihre Krankheit ohne lange stationäre Aufenthalte zu bewältigen, sofern
nicht aufgrund körperlicher Komplikationen ein Klinikaufenthalt erforderlich ist.
(Quellen siehe Literaturverzeichnis)
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2.4.4) Binge Eating Disorder (lt. DSM IV)
2.4.4.1) Charakteristik
Bei der Binge Eating Disorder (BED) stehen psychische Symptome im Vordergrund.
Im ICD-10 wird BED noch nicht als eigenständige Störung angeführt, in vielen
Ländern wie z.B.Österreich, allerdings schon.
Als Leitsymptom gelten Essanfälle - sog. Fressattacken - die typischerweise mit
Kontrollverlust einhergehen. Sie treten im Zusammenhang mit suchtartigen
Heißhungergefühlen auf, wobei der Suchtcharakter der Essstörung umstritten ist.
Von Binge Eating wird gesprochen, wenn während mindestens sechs Monaten an
zumindest zwei Tagen pro Woche ein Anfall von Heißhunger auftritt, bei dem in
kürzester Zeit ungewöhnlich große Mengen an Nahrungsmitteln aufgenommen
werden. Außerdem müssen mindestens drei der folgenden Kriterien zutreffen:
-
besonders schnelles Essen, sehr oft ohne hungrig zu sein
-
essen, bis ein unangenehmes Gefühl einsetzt
-
allein essen, um Gefühle von Schuld und Scham zu vermeiden
-
die Ess-Anfälle werden als belastend empfunden
-
nach dem Ess-Anfall treten Gefühle von Ekel, Scham oder Depressionen auf
Obwohl die Essattacken jeweils nur kurz dauern, können Fälle von Binge Eating
Disorder zu Adipositas führen. Von der Bulimie unterscheidet sich BED durch die
ausbleibenden Maßnahmen, eine Gewichtszunahme durch Erbrechen, Intensivsport
oder Fasten zu verhindern.
2.4.4.2) Die körperlichen Folgeschäden
-
Bluthochdruck, sowie Überbelastung des Herzens und des Kreislaufs
-
Risiko von Schlaganfall, Herzinfarkt
-
Überbelastung des Skeletts, Gelenksleiden
-
Schäden an der Leber
-
Diabetes
-
erhöhte Mortalität und Anfälligkeit für Krebsleiden
-
Störung des Fettstoffwechsels
-
erhöhter Harnsäurespiegel mit Folgekrankheiten (Osteoporose, Schlafapnoe,.)
Seite 48 von 75
2.4.5) Nicht näher bezeichnete Essstörungen (lt. DSM IV)
2.4.5.1) Charakteristik
Hierunter fallen Essstörungen, welche die Kriterien für eine spezifische Essstörung
wie Magersucht, Bulimie oder BED nicht erfüllen. Folgende Fälle gehören dazu:
-
Bei einer Frau sind sämtliche Kriterien der Magersucht erfüllt, außer, dass die
Frau eine regelmäßige Menstruation hat.
-
Sämtliche Kriterien der Magersucht sind erfüllt, nur liegt das Körpergewicht
der Person trotz erheblichen Gewichtsverlustes noch im Normalbereich.
-
Sämtliche Kriterien der Bulimie sind erfüllt, jedoch sind die “Fressattacken”
und das unangemessene Kompensationsverhalten (z.B. Erbrechen) weniger
häufig als zweimal die Woche für eine Dauer von weniger als drei Monaten.
-
Regelmäßige
Anwendung
unangemessener
Maßnahmen
durch
eine
normalgewichtige Person nach dem Verzehr kleiner Nahrungsmengen (z.B.
selbst herbeigeführtes Erbrechen nach dem Verzehr von zwei Keksen).
-
Wiederholtes Kauen und Ausspucken großer Nahrungsmengen, ohne sie
hinunterzuschlucken.
-
Prävalenzrate liegt zwischen 13-14,6%
-
größte Gruppe der Essstörungen in der klinischen und therapeutischen Praxis
2.4.5.3) Weitere Essstörungen nach ICD 10
Pica-Syndrom
Das Pica-Syndrom (auch: Picazismus) ist ein psychiatrischer Symptomenkomplex
und kommt vor allem bei Menschen mit geistiger Behinderung oder Demenz vor. Die
Störung ist eher selten und ist keine Essstörung im eigentlichen Sinne. Menschen
essen
dabei
ungewöhnliche
Dinge,
zum
Beispiel
farbige
Papierschnipsel,
Gartenerde, Ton, Tafelkreide bis hin zu Kot. Dieses Verhalten kann unter anderem
zu Vergiftungen, Unterernährung oder Verstopfung führen. Auch bei sonst harmlosen
Materialien kann es zu Infektionen oder Vergiftungen kommen.
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Orthorexia nervosa
Orthorexia nervosa bedeutet krankhaftes Gesund-Essen. Betroffene verbringen
mehrere Stunden täglich damit, zwanghaft Vitamingehalt und Nährwerte zu
berechnen und Lebensmittel auszuwählen, wobei sich die Auswahl der „erlaubten“
Lebensmittel immer mehr verringert. Folgen sind Unterernährung, Mangelernährung
und soziale Isolation. Die Betroffenen zeigen teilweise Angst vor Lebensmitteln, die
sie für ungesund halten. Die Orthorexie zeigt durch den Missionierungsdrang und die
kognitiv nicht zugängliche Symptomatik auch Merkmale einer Wahn-/Zwangsstörung.
Anorexia athletica
Diese Störung ist als Sport-Sucht bekannt und wird als Begleitstörung einer EssSucht beobachtet. Als eigenständiges Krankheitsbild ist sie nicht anerkannt, wird
aber seit den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts vorrangig bei vorrangig
LeistungssportlerInnen beobachtet.
Damit gemeint ist eine Form von Essstörungen, die nicht alle Merkmale einer echten
Anorexia nervosa erfüllt. Charakteristisch ist eine zu geringe Zufuhr an Kalorien,
sowie exzessives Trainieren oder übermäßiges Entwässern, was zu schweren
Gesundheitsproblemen
führt,
wie
z.B.
der
Abnahme
der
Knochendichte,
Knochenbrüche, Amenorrhoe. Auch durch eine Anorexia athletica entstehen, je nach
Schwere und Art der Gewichtsreduktion, die üblichen Folgen einer Essstörung für
den Körper. Die Grenze zwischen dem Vorteil der geringeren Masse und dem
Nachteil der zu schwachen Muskeln, größerer Verletzungsanfälligkeit und anderen
Folgen kann sehr nah beieinander liegen.
Grundsätzlich kann auf diese Weise in allen Sportarten eine Essstörung entstehen.
Fachliche Untersuchungen und Umfragen haben jedoch ergeben, dass manche
Sportarten eine Essstörung eher zu fördern scheinen bzw. dass Personen mit
speziellen Persönlichkeitsmerkmalen, die eine Essstörung mit verursachen können,
bestimmte Sportarten besonders häufig ausüben. Zu diesen Sportarten gehören vor
allem ästhetische Sportarten, Ausdauersportarten, Gewichtsklasse-Sportarten und
Technische Sportarten.
Exercise-Bulimie
Sonderform der Bulimie bei Sportlern zur Gewichtsreduzierung
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3. Teil:
Kunsttherapie bei
Essstörungen
Seite 51 von 75
3.1. Beispiele von Kunst als Therapie von Essstörungen
-
„Der süße Brei„ und in Erzählungen über das Schlaraffenland
-
„Das große Fressen“, ein Film von Federico Fellini
-
“Ana's Song“, Lied von Daniel Johns dem Sänger der Gruppe Silverchair
-
“Lucy At The Gym” und “Supermodel”, Songs von Jill Sobule
-
„Beautiful“ aus dem Album „Stripped“ von Christina Aguilera
-
„Ein Hungerkünstler“ von Franz Kafka bearbeitet Magersucht nicht im
eigentlichen Sinne, sondern eher als Allegorie
-
„Sophie“, Lied von Eleanor Mc Evoy handelt von der Magersucht und dem
Tod der Protagonistin
-
Die
Black-Metal-Band
„Anorexia
Nervosa“
trägt
den
Namen
dieser
psychischen Störung.
-
„Courage“ von Superchick handelt ebenfalls vom Thema Magersucht
- Egon Schiele malte sich seinen Lebenspessimismus direkt vom Leib, indem er
knochige, dürre, emotionsgeladene Personen darstellte
„Der Hungerkünstler“ Martin Senn
Seite 52 von 75
3.2 Kunsttherapie bei essgestörten Mädchen
3.2.1) Grundlagen
Essstörungen sind vielfach ein Ausdruck von extremer Unsicherheit und körperlicher
Selbstabwertung,
wobei
es
vielen
Mädchen
schwer
fällt
innerhalb
der
gesellschaftlichen, familiären, sozialen Normen ihren Platz zu finden. Viele Mädchen
glauben sich zu schützen, indem sie versuchen, besonders perfekt zu sein nach dem
Motto: „Je perfekter ich bin, desto weniger bin ich angreifbar – aber am liebsten
würde ich mich `verdünnisieren’.“ (Franke, 2003)
Zum Krankheitsverlauf von Essstörungen gehört der Rückzug von der Außenwelt.
Infolgedessen entwickeln Betroffene häufig eine verzerrte Selbstwahrnehmung in
Beziehung zu ihrem sozialen Umfeld und ein gestörtes Selbstbild. Gerade hier bietet
der kunsttherapeutische Ansatz eine gute Möglichkeit der Auseinandersetzung. Das
Ausdrücken, Nach-Außen-Bringen und die Möglichkeit, dem Gestalteten hinterher als
Gegenüber zu begegnen, bietet die elementare Erfahrung, mit den eigenen
emotionalen Anteilen in Kontakt zu kommen. Innen- und Außenwelt können neu
erlebt und unter dem Aspekt von Ressourcenorientierung im persönlichen Bereich
umgestaltet werden. Das Sprechen über das gestaltete Werk kann der Patientin
helfen, neue Perspektiven und Lösungsmöglichkeiten zu entdecken und ins Leben
zu integrieren. So können „Erfolge“ bei Psychotherapien beschleunigt und erleichtert
werden, weil Bedürfnisse sicht- und spürbar werden dürfen.
Für mich liegt die größte Chance der kunsttherapeutischen Methodenvielfalt in den
Möglichkeiten der Dezentrierung vom eigentlichen Problem – dem Essen - sowie in
der sensorischen Aktivierung und Integration. Je mehr Sinne angesprochen werden,
desto besser können neue Empfindungen wahrgenommen, vertieft und gespeichert
werden, desto schneller kann es geschehen, dass die bei essgestörten Mädchen oft
sicht- und spürbare Panzer aus Kontroll- und Machtbestreben, Starre und Ängsten
durchbrochen werden kann. Eine gute sensorische Integration trägt dazu bei, ein
gesundes Empfinden für den Körper aufzubauen und ist Voraussetzung zur
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Erlangung
eines
altersadäquaten
Körperbildes
und
zum
Aufbau
eines
entsprechenden Körperschemas.
Viele Mädchen orientieren sich sehr an Äußerlichkeiten, kümmern sich um
Schönheit,
Kleidung,
Leistung,
Macht,
Kontrolle,
etc.;
speziell
solche
mit
Essstörungen haben meist wenig Zugang zu ihren tiefliegenden Gefühlen, zu ihren
Empfindungen, zu ihren körperlichen Reaktionen. Darum ist es bedeutsam, diese
Mädchen im oder nach dem künstlerischen Prozess immer wieder zu ermuntern, die
Aufmerksamkeit auf ihre körperlichen Reaktionen zu richten: Auf ihren Atem, auf ihre
Muskelspannung, auf ihre Bewegungen, ihre Körperhaltung, uvm.
Den Patientinnen im LKT-Mödling ist es oft sehr schwer gefallen, besagte
Reaktionen wahrzunehmen, zuzulassen und überhaupt zu spüren. Selbst die teils
bewusst eingesetzten Spiegelungen durch die Begleiterinnen konnten sie nur schwer
sehen und als solche erkennen.
3.2.2) Ziele kunsttherapeutischer Arbeit bei Essstörungen
Die wesentlichen Ziele kunsttherapeutischer Arbeit bei Essstörungen stellen sich wie
folgt dar:
-
Gefühlen wie Ängsten, Erwartungen und Sehnsüchten Ausdruck zu verleihen.
-
Die inneren Prozesse anschaubar zu machen und so deren bewusste
Verarbeitung einzuleiten.
-
Kreative Kräfte zu aktivieren und gesunde Persönlichkeitsanteile zu stärken,
um psychische Stabilität zu erlangen und damit Lebensfreude zu gewinnen.
-
Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufzubauen.
-
In der Gruppenarbeit soziale Erfahrungen zu machen und soziale Kompetenz
zu entwickeln.
Daraus ergeben sich folgende, zu fördernde Schutzfaktoren, bzw. zu stärkende
Lebenskompetenzen: Selbstwertgefühl, Selbstsicherheit, Durchsetzungsvermögen,
Positive Rollenidentität, Fähigkeit zur Abgrenzung, Positives Körpergefühl/Sexualität,
Wahrnehmung und Äußerung von Bedürfnissen, Wünschen und Träumen,
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Entspannungs- und Genussfähigkeit – auch beim Essen, kreativer Umgang mit dem
gängigen Schönheitsideal, Konflikt- und Problemlösungsfähigkeit, Ausdrücken von
Aggressionen/Wut, etc.
Wichtig ist zu betonen, dass ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrung und nach
dem
Literaturstudium
überzeugt
bin,
dass
die
Kunsttherapie
als
alleinige
Therapieform nicht ausreicht um eine Essstörung vollständig zu heilen. Sie kann sehr
wirkungsvoll die im Kapitel 2.4.2.8 erwähnten herkömmlichen Therapieformen
unterstützen, bzw. - wie im Landesklinikum Thermenregion Mödling angewandt – Teil
einer stationären Kombinationstherapie sein.
3.3 Das stationäre Konzept am LKT–Mödling
3.3.1) Allgemeines
Diagnostik
und
Behandlung
im
LKT-Mödling,
an
der
Kinderstation
mit
psychosomatischem Schwerpunkt, erfolgen auf der Grundlage eines multimodalen,
integrativen Behandlungskonzepts unter Einbeziehung psychodynamischer, kognitivverhaltenstherapeutischer
und
systemischer
(familientherapeutischer)
Therapieansätze. Die Integration verschiedener therapeutischer Ansätze und
Schulen ermöglicht eine umfassende Sichtweise auf die Komplexität der Erkrankung
jeder einzelnen Patientin. Die Kinder und Jugendlichen erhalten Einzel-, Gruppen-,
Familien-,
Körper-,
Kunst-
und
Musiktherapien,
profitieren
von
der
Ernährungsberatung und werden von einem auf Essstörungen spezialisierten Team
betreut. Es besteht ein reger Austausch zwischen dem heilpädagogischen Team und
den TherapeutInnen.
Vor jeder stationären Behandlung findet zur Diagnoseklärung und ersten Beratung
ein Vorgespräch statt. Bei Indikation einer stationären Behandlung wird der Patientin
und ihren Eltern das Behandlungskonzept erläutert und die Motivation zu dieser
Form der Behandlung festgestellt. Die Aufnahme erfolgt nach Warteliste.
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3.3.2) Maßnahmen zur Normalisierung des Essverhaltens
Das
regelmäßige
Einhalten
von
Mahlzeiten
ist
fester
Bestandteil
des
Behandlungsprogramms. Anfangs wird den Patientinnen die Verantwortung für das
regelmäßige Essen durch das Pflegeteam abgenommen. In vier Stufen werden sie
an eine normale Nahrungsaufnahme herangeführt. Das Aufsteigen von einer Stufe
zur nächsten ist gewichtsabhängig und richtet sich danach, wie die Patientinnen mit
der Nahrungsaufnahme zurechtkommen. Nähere Details dazu finden sich im
nächsten Kapitel.
Bei Bulimikerinnen wird häufig mit Stufe zwei oder drei begonnen, da diese oft
Selbstverantwortung übernehmen können.
Patientinnen mit einer Binge-Eating-Störung (siehe Kap. 2.4.4.) werden in zwei
Stufen an die Normalisierung ihres Essverhaltens und an ein ihnen entsprechendes
Gewichts herangeführt und beginnen deshalb mit der dritten Stufe. In den
wöchentlich
stattfindenden
Bilanzgesprächen
sollen
die
Patientinnen
ihr
Essverhalten kritisch selbst beleuchten. Sie erhalten im Anschluss vom Pflegeteam
eine Rückmeldung zu ihrer Selbstwahrnehmung.
Den Patientinnen wird die Gewichtssteigerung mittels Verstärkerplänen erleichtert.
Diese richten sich bei bulimischen Patientinnen zunächst auf die Dokumentation der
Essanfälle und des Erbrechens und später auf die Reduktion der Symptomatik.
(Atelier/LKT-Mödling)
Seite 56 von 75
3.3.3) Stufenplan für Patientinnen mit Anorexia Nervosa
Seite 57 von 75
3.3.4) Tagesablauf auf der Psychosomatischen Station
Anmerkung: die (leider) schwarzen Kästchen betreffen die Arbeit im Kreativatelier
3.3.5)
Die
Bearbeitung
zugrunde
liegender
Problembereiche mittels Psychotherapie
Zu den Problembereichen, die den Erkrankungen zugrunde liegen, zählen u. a.
mangelndes Selbstwertgefühl, fehlende Autonomie- und Identitätsentwicklung,
mangelnde Selbstsicherheit, Defizite im Kontakt- und Kommunikationsbereich,
fehlende Tagesstruktur, eingeschränkte Fähigkeit, Emotionen bei sich und anderen
wahrzunehmen und zu verbalisieren, Verunsicherungen in der psychosexuellen
Entwicklung, mangelnde Impulskontrolle, inadäquate familiäre Beziehungen sowie
Konflikte mit Freunden.
Seite 58 von 75
Die jeweiligen Problembereiche werden im Rahmen der Einzeltherapie bei jeder
Patientin individuell herausgearbeitet. Die Aufarbeitung der Probleme erfolgt sodann
in der Einzel- und Gruppentherapie sowie in den Familiengesprächen. Jede Patientin
erhält wöchentlich zwei Stunden Einzeltherapie, eine Stunde Gruppentherapie sowie
ein Elterngespräch mit der fallführenden Psychologin.
3.3.6) Arbeit am Körperbild mit Hilfe der Physiotherapie
Körperbildarbeit zielt auf die Förderung einer positiven und realitätsangemessenen
Beziehung der Patientin zu ihrem Körper. Sie gibt Hinweis auf kindliche
Abwehrhaltungen die chronisch geworden sind und deutet an, was das Mädchen
braucht um sich aus dieser Verhaftung zu lösen. Durch die bewusste und begleitete
Wahrnehmungsförderung basaler Körper- und Bewegungserfahrungen kann die IchEntwicklung nachreifen und eine körperliche Identitätsfindung stattfinden. Weiters
werden
folgende
Aspekte
gefördert:
Positive
Zuwendung
zum
Körper,
Differenzierung des Körpers von der Umwelt und die Erkennung der Körperteile in
ihrer bestmöglichen Funktion und ihrem Bezug im Gesamtkörpersystem.
Bei den zweimal wöchentlich stattfindenden Physiotherapieeinheiten stehen
Techniken zur Realisierung und Bearbeitung der Körperschemastörung sowie
Übungen und Spiele zur Körperwahrnehmung und zur Verbesserung der
Körperhaltung im Vordergrund. Sie ermöglicht den Patientinnen, körperliche
Bedürfnisse zu spüren und ihnen Ausdruck zu verleihen.
In der psychomotorischen Bewegungsgruppe, wie auch in der motopädagogischen
Einzelbetreuung, lernen die Mädchen Grenzen wahrzunehmen und zu akzeptieren.
Das häufig bei diesen Betroffenen vorliegende gestörte Nähe-Distanz-Verhältnis
kann dadurch behandelt werden und vielfach tritt auch eine spürbare Verbesserung
der Beziehungsfähigkeit ein – speziell bei länger andauernder Therapie.
Seite 59 von 75
3.3.7)
Nonverbale
Ausdrucksmöglichkeit
durch
bildnerische und darstellende (Kunst-)Therapieformen
3.3.7.1) Allgemeines
Die Kunsttherapie, an der die Patientinnen mehrmals wöchentlich teilnehmen (einzweimal Theater, zweimal Kreativatelier), hat zum Ziel, einen nonverbalen Ausdruck
von Gefühlen zu ermöglichen. Diffuses Unbehagen kann bildhaft gestaltet oder
körperlich ausgedrückt werden, um später als Konflikt oder Angst benannt zu
werden. Durch den Austausch mit den Therapeutinnen und auch der Gruppe, kann
die verbale Bearbeitung von Konflikten vorbereitet und unterstützt werden. An den
Ressourcen der Patientin wird angeknüpft. Die Patientin entdeckt und entwickelt
eigene kreative Fähigkeiten. Diese leisten als Quelle selbstbestimmter Identität einen
wichtigen Beitrag zur Identitätsentwicklung. Der Kampf um Kontrolle, der zu den
allgemeinen Merkmalen von Essstörungen gehört, kann über ein entsprechendes
Materialangebot und methodische Anleitung aufgelockert werden.
Entscheidend dabei ist für die Patientinnen das Erleben spontaner Kreativität und der
unmittelbare Selbstausdruck, in dem sie sich zunehmend der Eigendynamik des
gestalterischen Prozesses überlassen. So wird die Fixierung auf das Thema Essen
gelockert und ein Zugang zu verdrängten Ängsten, Phantasien und Wünschen
geschaffen.
3.3.7.2) Therapeutisches Malen im Kreativatelier
Das helle, freundliche und geräumige Atelier liegt im 5. Stock des sog. „Kinderturms“
am LKT-Mödling und bietet allein schon aufgrund seiner (traumhaften) Lage ein
wunderbares Ambiente: Malwände, große Tische, viele Mal- und Arbeitsutensilien
und natürlich viele bereits entstandenen Werke, welche für die zweimal jährlich
stattfindenden Ausstellungen dort zwischenzeitlich lagern. Das Kreativatelier wird
Dienstag und Donnerstag Nachmittag als solches genützt. An den Vormittagen dient
ein Teil davon der integrierten Heilstättenschule als zusätzlicher Unterrichtsraum.
Diese Doppelnutzung wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf die Patientinnen aus,
weil zu diesem Bereich eine Bindung aufgebaut werden kann, die einerseits durch
das kreative Gestalten positiv auf die schulischen Aktivitäten wirkt, andererseits
Seite 60 von 75
durch das spielerische, schulische Arbeiten bei den meisten Kindern positiv auf das
Einlassen in den kreativen, kunsttherapeutischen Prozess wirkt.
Genereller Ablauf der Gruppensitzungen
13.00 Uhr
Eintreffen der Kunsttherapeutin und sämtlicher PraktikantInnen (1-4);
Besprechung der Patientinnengeschichten lt. der am Vormittag stattgefundenen
Teamsitzung
sämtlicher
behandelnder
ÄrztInnen,
Krankenschwestern,
PsychologInnen, div. TherapeutInnen; Festlegung eines Themas und Aufteilung der
Führungs- und Betreuungs- und Beobachtungsdienste. Meist überlässt Elisabeth
Herdlicka als kunsttherapeutische Leiterin, einer Praktikantin das Leiten der Gruppe,
wobei wir auf diese Weise sehr viel lernen durften, weil sie uns fachlich fundiertes
Feedback auf unser Arbeiten geben konnte.
Da
neben
den
Mädchen
mit
Essstörungen
auch
wiederholt
autistische,
„verhaltensoriginelle“ oder ausländische Kinder ohne Sprachkenntnisse bei uns
waren, kam es wiederholt vor, dass wir die Kinder im Einzelsetting betreuen durften
um besser auf sie eingehen zu können.
13.30 Uhr
Ankunft der Kinder (je nach Gesundheitszustand und sonstigen
therapeutischen
Interventionen
zwei
bis
sechs
Personen);
Vorstell-
und
Befindlichkeitsrunde, Einführung ins Thema (wenn eines fixiert ist) und in die
Gruppenregeln, sowie Aufteilung der Arbeitsplätze und Einweisung in die
Verwendung sämtlicher zur Verfügung stehender Materialien.
15.00 Uhr
Sammel- und Abschlussrunde in der Gruppe; Kinder stellen ihre Werke
vor: Wie geht es ihnen damit? Was sehen sie darin? Was sehen die anderen darin?
Wie könnte es weitergehen, Was nehmen sie mit?....
Meist führt die Kunsttherapeutin diese Runde – sie hat die besten Worte und
einfühlendsten Sätze parat. Anschließend werden die Kinder wieder einen Stock
tiefer in den Bettentrakt zurückgebracht.
15.30 Uhr
Nachbesprechung im Team: Wie geht/ging es uns mit den Kindern?
Was wäre anders zu machen (gewesen)? Was berührt uns und was hat es mit uns
zu tun? Woran können wir noch arbeiten,.... (Fragen über Fragen, Erkenntnisse,
Einsichten, Freude, Wärme, Dankbarkeit für Elisabeth H., die mich sieben Monate
begleitete, betreute, stützte und mich sehr viel lehrte).
Des Öfteren kommt ab 15.00 Uhr auch eine Psychologin oder Therapeutin dazu, um
ihre Fallbeobachtungen mit unseren Prozessen zu vergleichen und zu besprechen.
Seite 61 von 75
Beispiele von (teils multimedialen) Gruppensettings
Vielfach wurde ohne Thema gemalt und gearbeitet, da wir einige Patienten hatten,
die lange Zeit auf der Station waren und sich schon sehr gut im Atelier
zurechtfanden. Manchmal hatten wir den Eindruck, dass sie gewisse Themen schon
bewusst mitbrachten, bzw. darauf warteten, ihre Eindrücke nonverbal darzustellen.
Sobald der Großteil der Gruppe wieder aus Neuzugängen bestand, haben wir zur
neuen Gruppenfindung entsprechende Vorschläge eingebracht um ein einheitliches
Ausgangsniveau zu bieten.
-
„Ich bin ein Baum“: Körperübungen, Phantasiereise, Malen.
-
Körperbilder: Weißes Leintuch auf Wand gespannt, Mädchen zeichnen sich
gegenseitig die Umrisse und malen sich dann aus.
-
Traumfänger aus CD´s: Bemalen, verzieren mit Perlenschnüren, Kastanien,
und Federn, etc., und aufhängen. Frage an Kinder: „Was sind Träume für
dich? Wie geht es dir damit?“
-
Figurenbau: Pappmaché, Ton, Gips, div. Materialien,..
-
Meine Lieblingsplatz: Malen oder bauen aus Kartons und Krimskrams: „Was
bedeutet er für mich? Wo? Warum? Was? Wie oft?“
-
Gefühle darstellen, malen, zeichnen: Karten mit Namen für diverse Gefühle
waren zur Auswahl und wurden verdeckt gezogen und bildnerisch und
anschließend auf Wunsch körperlich dargestellt.
-
Maskenbau: (Nur bei bereits bekannten Gruppen) Herstellung einer Maske
und Darstellung dieser mittels Verkleidung auf Bühne. (siehe auch Fotos Seite 18)
Seite 62 von 75
3.3.7.3.) Therapeutisches Theaterspiel
Das Theaterspiel als eine erlebnisaktivierende Methode erlaubt, Kinder in ihrer
Rollenverkörperung und Rollenhandlung besser zu verstehen und zu behandeln. Es
bietet die Möglichkeit, soziale Beziehungen deutlich sichtbar und erlebbar zu
machen. Verschiedene Handlungsweisen, Ideen, Emotionen können spielerisch und
auf Symbolebene analysiert, ausprobiert und verändert werden. Ziel dieser Arbeit ist
der Prozess und nicht das Produkt.
Die Spiele und Übungen am Anfang des Gruppensettings sind immer der Zunahme
an Selbstsicherheit und dem Gruppenklima gewidmet, denn nur in einem gesicherten
und vertrautem Rahmen ist Interaktion möglich. Sollte es sich herausstellen, dass die
Gruppe
zu
inhomogen
ist,
bleibt
es
bei
Entspannungs-
oder
Körperwahrnehmungsübungen und Einzelaktionen.
Die Übungen und Spiele aus dem Theaterbereich fördern die Selbst- und
Fremdwahrnehmung, die Einfühlsamkeit, die Spontanität und Flexibilität. Gestellte
oder gewählte Aufgaben werden hier gemeinsam gelöst und präsentiert. Die Zuseher
– ebenfalls Gruppenmitglieder – bekommen die Aufgabe zu berichten, was sie
gesehen, gehört und wahrgenommen haben. Damit wird aktives Hinschauen,
Hinhören und Mitfühlen geübt. In den Nachbesprechungen erzählen die Kinder, wie
es den „Figuren im Spiel“ ergangen ist. So wird aus sicherer Distanz berichtet, ohne
die eigene Person zu gefährden.
Theater wird hier vorwiegend als Methode benutzt und weniger als Kunstform. Die
dipl. Kunsttherapeutin und Theaterpädagogin Marika Reichhold leitet seit vielen
Jahren dieses ebenfalls zweimal wöchentlich stattfindende Gruppenerlebnis.
(eigene Bilder)
Seite 63 von 75
3.3.7.4) Logopädie und Musiktherapie
Sprach- und musiktherapeutische Behandlung ist dann sinnvoll, wenn Lautsprache
nicht dazu ausreicht, sich der Sprache bewusst zu werden, wenn sich die Störung
durch Sprache eher verfestigt als löst, wenn ein vielfältiger Ausdrucksraum für
Gefühle fehlt und wenn die Fähigkeit zu spielen verlorengegangen ist.
Im freien Spiel kommt die gesamte Persönlichkeit zum Ausdruck und wird hörbar.
Es
erklingen
Befindlichkeit,
Emotionalität,
Kreativität,
Lebensgeschichten,
Erfahrungen, Eindrücke, Ressourcen, und Störungen. In der gemeinsamen
Improvisation
entstehen
Begegnung,
Kontakt
und
Beziehung,
Dialog
und
Kommunikation. Durch die Resonanz wird die Eigenwahrnehmung, die bei
essgestörten Patientinnen stark gestört ist, aktiviert. Das heißt, die Störungen
kommen ins Bewusstsein, werden hörbar und können psychotherapeutisch
bearbeitet werden. Die freie Wählbarkeit der Instrumente sowie der weitgehende
Verzicht auf Themenvorgaben sind dabei wichtige Voraussetzungen.
Ich durfte während meiner Praxiszeit wiederholt bei musikalischen Gruppensettings
dabei sein. Dabei fiel mir auf, dass die Kinder mit einem von ihnen selbst gebauten
Musikinstrument (Rasseln, Regenfänger, Trommeln,... aus div. Materialien) immer
wesentlich intensiver spielten, ihr gespielter Rhythmus mit ihrem Instrument viel mehr
ihrem Wesen entsprach und dass es ihnen tendenziell leichter fiel, sich damit in die
Gruppe einzubringen - sowohl einzeln beim Vorstellen, wie auch beim gemeinsamen
Musizieren und finden eines Gruppentons.
(eigene Bilder)
Seite 64 von 75
3.3.8) Sozialarbeiterische Aspekte
Patientinnen, bei denen eine stationäre psychotherapeutisch-psychosomatische
Behandlung
notwendig
ist,
leiden
häufig
unter akuten
oder
andauernden
psychosozialen Problemen wie z.B. Schulversäumnisse bzw. Schulvermeidung,
soziale Isolation, familiäre Problematiken, wie „Rosenkrieg“ der Eltern, Kampf um ein
Kind, Wohnungs- und Arbeitsplatzprobleme...
Bereits während der ambulanten Vorbereitung der Therapie ermöglicht das
Gespräch mit einer Sozialarbeiterin eine Klärung sozialer Realitäten und für die
Psychotherapie relevanter Zukunftsperspektiven. In der stationären Behandlung gibt
der Sozialdienst den Patientinnen Gelegenheit, ihre schulische und soziale Situation
zu hinterfragen, regt, wenn nötig, Aktivitäten im sozialen Bereich an (Schulabschluss,
Ausbildung, etc.) und steht für Informationen (z.B. Beihilfen) und konkrete Hilfen zur
Verfügung. Zu Beginn der Behandlung erfolgt eine ausführliche Besprechung der
Situation mit den Patientinnen und die Formulierung eines gemeinsamen
Behandlungszieles.
Gesprächstermine
werden
unter
Berücksichtigung
des
individuellen Therapieverlaufs vereinbart.
Am LKT-Mödling beinhaltet die soziale Arbeit beinhaltet folgende Aufgabenbereiche:
-
Psychosoziale
Beratung
und
Information
über
Hilfsangebote:
Mädchenwohnheim, Ambulatorium für Essstörungen/Therapien im jeweiligen
Wohnbezirk
-
Beratung in schulischen Fragen, die über die hausinterne Heilstättenschule
hinausgeht
-
Beratung in sozialrechtlichen Fragen: Förderungen für Psychotherapien,...
-
Vermittlung von Hilfen zur beruflichen und medizinischen Rehabilitation
-
Förderung der sozialen Integration
-
Vernetzung mit und Vermittlung an ambulante Ansprechpartner, z. B.
Jugendämter, Reha-Kliniken für Essstörungen,..
Seite 65 von 75
3.4 Fallbeschreibung Lara N.
3.4.1) Anamnese
Lara N., (10 Jahre, 4. Klasse VS, hat eine ältere Schwester, Familie ist gut situiert,
Mutter und Vater haben akademische Ausbildung) kommt nach einem Kurzaufenthalt
im Wiener Wilhelminenspital im April 2008 zur stationären Aufnahme ins LKTMödling. (Name aus Datenschutzgründen geändert).
Die Kindeltern beschreiben einen schleichenden Beginn der Magersucht etwa im
Winter/Frühjahr 2007 und betonen, dass ihnen Laras Essstörung sehr lange
verborgen blieb, weil sie schon immer ein sehr auffälliges und selektives
Essverhalten zeigte. Miniportionen, sie legt Wert auf sehr gesunde bei sehr zartem
Körperbau. Innerhalb der Familie gibt es sehr unterschiedliche Essgewohnheiten,
wenig gemeinsame Mahlzeiten. Laras Mutter ist lt. Aussage der fallführenden
Psychologin vermutlich auch essgestört. Aus all diesen Gründen wurde Laras
gestörtes Essverhalten lange nicht bemerkt, bzw. wollten die Eltern nicht wahrhaben,
dass Lara eine Essstörung entwickelte.
Seit dem Winterurlaub 2008 erleidet das Mädchen einen drastischen Gewichtsverlust
auf unter 20 kg. Lara spielt nur noch „Essen“, lässt Speisen verschwinden, erfindet
unzählige Gründe um nicht essen zu müssen, ernährt sich hauptsächlich von Wasser
und wenig Brot mit Schwarzwälderschinken. Die Eltern nehmen im März 2008 mit
der Beratungsseinrichtung für Essstörungen „SoWhat“ in Wien Kontakt auf, wo
ExpertInnen ein Elterngespräch mit ihnen führen und anregen, Lara zur
medizinischen Untersuchung ins Wilhelminenspital zu bringen. Daraufhin wird das
Mädchen dort umgehend stationär aufgenommen und kann bereits binnen Stunden
weniger Stunden nach Mödling verlegt werden, was für die Eltern aufgrund ihres
Wohnortes die bessere Option darstellt.
Bei der Aufnahme in Mödling betrug Laras Körpergewicht 18,3 kg bei einer
Körpergröße von 138 cm, ihr BMI 11,3 kg/m² (von 15 abwärts sind lebensbedrohliche
Symptomen möglich).
Seite 66 von 75
3.4.2) Psychologischer Befund
Die diversen Untersuchungen und Tests durch die fallführende Psychologin, Mag.
Wallner und deren MitarbeiterInnen brachten folgende Diagnose: Lara ist
bewusstseinsklar,
räumlich,
zeitlich
und
zur
Person
voll
orientiert.
Der
Gedankenduktus ist inhaltlich und formal kohärent, die Grundstimmung eher
depressiv, ihr Antrieb stark reduziert. Ihre intellektuelle Leistungsfähigkeit liegt im
Normbereich; ihre Stärken liegen in der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit sowie bei
der Erfassung sozialer Abläufe und Situationen. Ihre kognitive Flexibilität sowie ihre
Problemlösefähigkeit liegen über dem Normbereich, sie spricht wenig, leise und
reagiert gering auf Außenreize.
Im sozial-emotionalen Bereich werden eine starke Normorientierung sowie ein
unadäquat hoher Leistungsanspruch erkennbar - neben den hohen Ansprüchen an
sich, wird auch ein Mangel an Selbsteinschätzung deutlich. Traurigkeit, Unsicherheit,
Freude werden verbalisiert, jedoch ohne eine Verbindung mit ihren Gefühlen
erkennen zu lassen.
3.7.3) Therapieverlauf
Lara wird nach den Richtlinien des Anorexiekonzepts behandelt, allerdings wird
wegen ihrer strikten Nahrungsverweigerung das verhaltensorientierte Bonussystem
bei
erfolgreicher
Gewichtszunahme
ausgesetzt,
weil
sie
aufgrund
lebensbedrohlichen Untergewichts in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts
großteils
mittels
medikamentös
Magensonde
mit
„
ernährt
Seroxat“
20
wird.
mg
Ebenfalls
wird
(Selektiver
einschleichend
Seratonin
-
Wiederaufnahmehemmer = Antidepressivum) begonnen, worauf sie schon nach ca.
10 Tagen zu reagieren scheint
Während ihres Aufenthalts nimmt sie am therapeutischen und pädagogischen
Programm der Station sowie am Unterricht in der Heilstättenklasse teil. Sie zeigt
großes Interesse an den kreativen Beschäftigungsmöglichkeiten (Kreativatelier,
Musik, Theater,...) und hat viel Spaß an Gesellschaftsspielen mit anderen Kindern
und dem Betreuungspersonal. Zweimal wöchentlich erhält sie tiefenpsychologische
Seite 67 von 75
Einzelpsychotherapie. Mit den Eltern und teilweise auch mit ihrer älteren Schwester
finden wöchentliche Familiengespräche mit der fallführenden Psychologin statt. Die
Eltern finden fast nur rationelle Erklärungen für die Magersucht ihrer Tochter, auch
fällt es ihnen schwer über Emotionen zu sprechen bzw. diese zuzulassen.
Lara erlebt ihre eigene Situation als sehr festgefahren und nimmt persönliche
Veränderungen
an
sich
kaum
wahr.
Erst
mit
Festsetzung
eines
fixen
Entlassungsdatums (zwei Monate Vorlauf) gelingt es ihr, das sehr restriktive und
selektive
Essverhalten
dahingehend
zu
verändern,
dass
sie
neben
ihrer
Aufbaunahrung auch noch Cornflakes mit Milch zu sich nimmt. Dies ermöglicht ihr in
weiterer Folge, von der Station aus für einige Stunden pro Tag die neue Klasse an
einer AHS zu besuchen, wo LehrerInnen und MitschülerInnen bereits im Vorfeld von
ihrer Krankheit unterrichtet werden.
Nach Festlegung des Entlassungstermins wird im Spital die Psychotherapie beendet,
der Kontakt zum Verein „SoWhat“ (Mödlinger Niederlassung eines Zentrums für
Essstörungen) wieder aufgenommen und eine sorgfältige „Übergabe“ an die
zukünftige Therapeutin organisiert und bereits von der Station aus begonnen.
Nach
der
Entlassung
werden
14-tägige
Kontrolltermine
in
der
Psychosomatikambulanz der Kinderabteilung vereinbart. Sollten Ihr Gewicht, bzw.
ihre Blut-/Harn-/BMI-Werte wieder abfallen, würde sie wieder stationär aufgenommen
werden müssen.
3.4.4) Tanztherapeutische Persönlichkeitsanalyse
Im Ausbildungsmodul „Tanztherapie“ habe ich die sogenannten Efforts, wodurch
diverse Antriebsstrukturen deutlich sichtbar werden, kennengelernt. Ich habe Lara
dieser Theorie entsprechend, nach den Efforts: Zeit, Raum, Bewegungsfluss und
Kraft beobachtet, um so ihre Gefühle und Ressourcen zu erspüren und sie in ihrer
Ganzheit zu beschreiben, zu erfassen und ihre Entwicklung aufzuzeigen.
Die Zeit
Für Lara scheint die Zeit stehen zu bleiben. Alles passiert sehr, sehr langsam und sie
scheint
bedächtig
und
wohl
überlegt
–
Seite 68 von 75
bei
ihrem
akut
gefährdeten
Gesundheitszustand auch kein Wunder, da sie über viele Wochen unseres
gemeinsamen Weges mit einer Magensonde ernährt werden muss. Allein das Essen
eines Joghurts kann bis zu 45 Minuten dauern (dies ist auch ein sichtbares Zeichen
für die Krankheit).
In der Maltherapie wählt sie die Farben sorgfältig aus und überlegt vor jedem Strich
zwei Mal; auch beim Formen von Pappmaché-Figuren legt sie ein ähnliches Tempo
vor: ca. 8 Std. (4 Gruppennachmittage) für einen ca. 15 cm hohen Engel.
In Ihrer Farbwahl ist sie sehr kräftig: Vielfach verwendet sie die Kombination
schwarz, rot, orange, gelb; auch ist ihre Pinselführung zügig – beide Faktoren
scheinen au den ersten Blick nicht zu Lara passen. Für geschulte BetreuerInnen ist
dadurch allerdings ihre seelische Stärke erahnbar geworden, die sie allerdings die
meiste gemeinsame Zeit autoaggressiv anwendete. Speziell in den ersten
gemeinsamen Monaten kamen sie meist nur in nonverbalen Äußerung zum
Vorschein.
Der Bewegungsfluss
Arme und Beine wirken manchmal wie nicht zum Körper gehörend; schlaksige
ungelenkige, teils auch verkrampft wirkende, fast abgehackte und sehr kleine, zarte
Bewegungen, die sie aber trotzdem anzustrengen scheinen – selbst dann noch
manchmal, als ihr Körper nach einigen Monaten wieder kräftiger ist. Viele ihrer
Bewegungen wirken ziellos – fast scheinen Bewegungen für Lara eine Qual zu sein.
In ihren verbalen Äußerungen bleibt sie in den ersten Monaten immer sehr indirekt,
unnahbar und ausweichend: „...weiß nicht genau, vielleicht, kann schon sein,....“
Gegen Ende des Aufenthalt scheint sie auch wortgewandter, direkter – ja nahezu zu
geradlinig und verletzend ehrlich (wir verstehen dieses Verhalten als positiven
Gegenpol zum anfangs Erwähnten).
Lediglich ihre Augen bewegten sich immer sehr schnell und verfolgten alles um sie
herum – ihr entgeht nichts. Sie kann ihr Gegenüber und verschiedene Situationen
sehr schnell „abchecken“ und weiß sehr genau, wie weit sie wo und bei wem gehen
kann und wirkt gerade deshalb manchmal auf manche Kinder und BetreuerInnen fast
bedrohend und manipulierend.
Beim Malen liebt sie Spiralen, Wellen und Flammen, die sie, ohne den Pinsel
abzusetzen, in einem Zug zu malen beginnt; sobald eine Fläche zum Ausmalen ist,
macht sie dies in kurzen Strichen.
Seite 69 von 75
Der Raum
Ob Lara da ist oder nicht, macht in der ersten Zeit ihres Aufenthalts wenig
Unterschied. Leise, zusammengekauert und in sich versunken, sich der Umgebung
anpassend, beobachtend, manchmal mit Kopfhörern Musik hörend. Einzig ihre
wunderschönen blonden Locken und ihre Kleidung nehmen räumlich wie auch
optisch einen Platz ein.
Aus Teamsitzungen und Gesprächen mit den Eltern hören wir heraus, dass sie als
jüngere von zwei Mädchen auch zuhause die ruhige, sanfte, zurückhaltende Position
übernommen hat. Diese dürfte allerdings nicht zu ihrem Wesen passen, da sie mit
ihrer Krankheit und dem jahrelangen innerfamiliären Kämpfen ums Essen sich
durchaus gehörigen Raum verschaffte und als Gewinn aus dieser Situation die
Aufmerksamkeit auf sich zog.
Die Kraft
Kraft und Lara haben aufs Erste wenig gemeinsam: Sie scheint wie eine Fee zu
schweben, fast wie ein Wesen von einem anderen Stern - halb da, halb „drüben blass, mager, wunderhübsch mit blonden Locken fast bis zum Gesäß, immer nett
und zusammenpassend gekleidet und frisiert.
Ihre Bewegungen lassen wenig Körpertonus erkennen, wirken schlaksig und auch
teilweise ungelenkig und fast unzusammenhängend. Bei Entspannungs- oder
Körperübungen im Kreativatelier zeigt sie wenig Einsatz. Ihre Körpersprache drückt
lange Zeit für uns das aus, was sie auch immer wieder verbalisiert: „...eh alles o.k.,
es geht schon, ich weiß nicht genau, na ja, ist mir egal,....“
Gegen Ende ihrer Zeit im LKT wird aber doch ein therapeutischer Erfolg sichtbar:
Sowohl ihre Launen (Wut, Zorn, Unlust,...) wie auch ihre Bewegungen und
Äußerungen werden kraftvoller und richten sich phasenweise auch gegen ihre
Umgebung. Diese nun nach außen gerichtete Aggression ist für uns neu und
ungewohnt, allerdings in ihrem Fall sehr heilsam und auch sehr gewünscht, weil das
Mädchen damit zeigt, dass sie wieder einen Zugang zu ihren Gefühlen gefunden hat.
In weiterfolgenden ambulanten Therapien bei „SoWhat“ will man weiterarbeiten, dass
Lara die zart aufkeimende Kraft für sich, statt gegen sich verwendet.
Seite 70 von 75
3.4.5) Laras Abschiedsbilder im Atelier
.... ohne Worte...
Seite 71 von 75
3.5 Ideen für multimodale, multimediale
intermediale Kunsttherapie-Einzelsettings
In meiner angeführten Literaturrecherche konnte ich keine speziellen Einzelsettings
für die Kunsttherapie bei den speziellen Formen von Essstörungen ausfindig
machen, was mich bei der Vielzahl von möglichen Ursachen und Auslösern nicht
wundert, weil jedes Mädchen seine einzigartige Geschichte diesbezüglich hat.
Vorrangig ist auf jeden Fall eine medizinische und psychologische Diagnose, die
Stabilisierung der Vitalfunktionen, sowie die Sicherheit von schulmedizinischer und
psychotherapeutischer Begleitung. Erst nach vorangegangener Absprache mit den
fallbegleitenden
Fachleuten
ist
in
meinen
Augen
eine
kunsttherapeutische
Intervention geeignet.
Am
Wichtigsten
scheint
mir
in
meiner
Rolle
der
Vertrauensaufbau,
ein
unterstützendes Beziehungsangebot und das Schaffen einer vertrauensvollen
Atmosphäre. Weiters gilt es, die Grenzen zwischen dem Mädchen und mir zu achten
sowie ihm meine uneingeschränkte Achtsamkeit und Empathie entgegenzubringen,
damit es sich öffnen kann für neue Erfahrungen, sich gestützt und verstanden fühlen
kann. Alles ist erlaubt – auch die schlechte Laune und die Wut.
Vom formalen künstlerischen Standpunkt gesehen gilt es für mich von Anfang an,
Wörter wie „Ästhetisches, Formschönes, Wohlklingendes,“ etc. nach Möglichkeit zu
verhindern, um ursprüngliche, authentische Darstellung der Gefühle erreichen zu
können – entsprechend dem Grundsatz eines „Urvaters“ der Kunsttherapie, Paolo
Knill: „Low Skills High Sensivity“: Wenige Fähigkeiten voraussetzen/fordern, hohe
Sensibilität einbringen.
So würde ich bei einer Anorektikerin mit BMI von 14 und dem Gefühl „urfett“ zu sein
meinen Teil der Begleitung mit Gruppensettings zum Thema Körperwahrnehmung
beginnen, weil es mir wichtig erscheint, dass sie ihre Körpergrenzen und ihr
gegenwärtiges Selbstbild spürt: Körperübungen alleine oder paarweise (streichen,
kneten, klopfen,...), Körperbilder malen, Figuren aus Pappmaché oder Ton, sanfte
Bewegungen zu Musik mit anschließender bildnerischer Darstellung.
In weiterer Folge würden individualisierende Übungen zur Ich-Wahrnehmung an der
Reihe sein: Bilder in verschiedenen Farben, mit der nicht-dominanten Hand, in
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unterschiedlichen
Auftragsarten,
verschiedene
Gefühle
malen
oder
mittels
Kollage/Assemblage darstellen, Maskenarbeit, in die Rolle von Tieren schlüpfen,...
Dem entgegengesetzt stelle ich mir die Arbeit mit einer Bulimikerin hauptsächlich als
Einzelstunde vor, da diese Gruppe der Betroffenen tendenziell einen sehr
ausgeprägten Wunsch nach Versorgung und Zuwendung hat und vielfach das Essen
die Form ist, um auszudrücken: „Seele hat Hunger“.
Ich stelle mir vor, dass es für das Mädchen sogar heilsam sein könnte, wenn ich in
einzelnen künstlerischen Medien auf Wunsch gemeinsam mit ihr arbeite und es in
der Handhabung unterstütze - schon deshalb, dass es meine volle Unterstützung
wahrnimmt und somit ungestillte Sehnsüchte stillen kann.
Vorschläge:
gemeinsames
Musizieren,
dialogisches
Malen,
tonen,
Szenen
darstellen, ihr poetisches Feedback zu geben,....
Grundsätzlich glaube ich nicht, wie schon mehrfach erwähnt, dass die Kunsttherapie
allein eine schwere Essstörung heilen kann.
3.6. Mein Dank
Er gilt in besonderer Weise meiner „Praktikumsmama“ Elisabeth Herdlicka, die mich
mit viel Liebe, Strenge und noch mehr Fachwissen eingeführt hat in das Arbeiten mit
psychosomatisch kranken Kindern.
Weiters danke ich meiner Praktikumskollegin Mäggy Firlinger – ebenfalls
Kunsttherapeutin und mittlerweile nach der Pensionierung von Elisabeth Herdlicka,
deren Nachfolgerin im LKT - mit der ich die meisten Gruppen gemeinsam betreut und
begleitet habe. Wir haben in guter Stimmung viel voneinander lernen dürfen und
hatten mit Lachen und Freude an der Arbeit, viele lehrreiche und schöne Stunden .
LKT-Kunsttherpeutin Elisabeth Herdlicka (Mitte), Praktikantinnen: M. Firlinger (li), A.Schneider (re)
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LITERATURVERZEICHNIS
Bruch, Hilde: (1982) Der goldene Käfig. Das Rätsel der Magersucht, Fischer S.
Verlag GmbH
Costin, Carolyn: (1999) The Eating Disorder Sourcebook, Lowell House/Los
Angeles
Dahlke, Rüdiger: (1997) Krankheit als Sprache der Seele: Bedeutung und Chance
der Krankheitsbilder, Goldmann Verlag
Dannecker, Karin: (1997) Kunsttherapie an einer Kunsthochschule, Teil 2, Journal
für Kunst, Gestaltung und Therapie, Hrsg: Int. Gesellschaft für Kunst Gestaltung und
Therapie.
De Zwaan, M./Wimmer-Puchinger, B./Baldaszti, E.: (2000) Essstörungen - Wie
groß ist das Problem in Wien? Erhebung betreffen Körperzufriedenheit bei Wiener
SchülerInnen für “Wiener Initiative gegen Essstörungen“
Franke Alexa: (2003) Wege aus dem goldenen Käfig. Anorexie verstehen und
behandeln, Beltz-Verlag
Habermas Tilmann: (1998) Essstörungen der Adoleszenz, in: Oerter, Rolf;
Montada, Leao (1998): Entwicklungspsychologie (4. korrigierte Auflage)
Hannah, Barbara: (1982) C. G. Jung. Sein Leben und Werk. Biographische
Aufzeichnungen, Verlag Bonz/Fellbach-Oeffingen
Hunziker-Fromm, Gertrude: (1986) Entfremdung und Selbstsuche in der Anorexia;
in: Benedetti, G.; Wiesmann,
Kraus, Werner: (2003) Die Heilkraft des Malens – Einführung in die Kunsttherapie;
beck´sche reihe.
Lasègue, Ernest-Charles: (1997) On hysterical anorexia (1873). Obes Res. 1997
Sep;5(5):492-7
Maurer, Willi: Zugehörigkeit, der verpasste Augenblick – ist er nachholbar?
Eigenverlag im Mai 2000 in Aranno/CH
Muschg, Adolf: (2009) Die Zerstörung der deutschen Literatur, Diogenes
Nardone, Georgio/Huber, Hans: (2003) Systemische Kurztherapie bei EssStörungen, Verlag Hans Huber
Renggli, Franz: (1992) Selbstzerstörung aus Verlassenheit. Die Pest als Ausbruch
einer Massenpsychose im Mittelalter. Zur Geschichte der frühen Mutter-KindBeziehung, Rasch & Röhring (vergriffen)
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Steiner-Adair, Catherine: (1995) Körperstrategien. Weibliche Adoleszenz und die
Entwicklung von Essstörungen, Flaake/King (Hg): Weibliche Adoleszenz. Zur
Sozialisation junger Frauen, Frankfurt/M.: Campus, S. 240-253
Tietze, Doris: (2005) Die Kunst der Kunsttherapie, Michael Sandstein Verlag,
Dresden
Treichler, Markus: (1996) Mensch, Kunst, Therapie. Anthropologische,
medizinische und therapeutische Grundlagen der Kunsttherapien, Hrsg. Urachhaus
Von Braun, Christina: (1998) Das Kloster im Kopf. Weibliches Fasten von
mittelalterlicher Askese zu moderner Anorexie, Flaake/King (Hg.): Weibliche
Adoleszenz. Zur Sozialisation junger Frauen, Franfurt/M.: Campus, S 213-239
Wendt, Anja: (1999) Autoaggressives Verhalten bei Anorexie und Bulimie;
Staatsexamensarbeit an der Universität Hamburg 1999
Wimmer-Puchinger, B/Strobich, M: (2004) Schlankheit – immer noch ein Ideal?
Broschüre einer Erhebung bei 657 Wiener Frauen für „Wiener Initiative gegen
Essstörungen“
BILDVERZEICHNIS (sofern nicht direkt angegeben)
Seite 32:
Links: http://malerei.cool-arts.com/Alte-Meister/Modigliani-Amadeo/JeanneHebuterne::5722.html,
Mitte: http://malerei.cool-arts.com/Menschen/Schneidersitz::9864.html
Rechts:http://malerei.cool-arts.com/Alte-Meister/Schiele-Egon/Hockender-weiblicherAkt::6446.html
Seite 47:
Links: http://malerei.cool-arts.com/Alte-Meister/Modigliani-Amadeo/Rothaarige-jungeFrau-im-Hemd::5719.html
Mitte: http://malerei.cool-arts.com/Alte-Meister/Gauguin-Paul/DieSchmollende::5795.html
Rechts: http://malerei.cool-arts.com/Alte-Meister/Marc-Franz/Akte-aufZinnober::5451.html
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