Prävention & Gesunderhaltung Prävention & Gesunderhaltung Ernährungsauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen aus psychologischer Sicht Essstörungen Ernährungsauffälligkeiten Erklärungsansätze Prävention & Gesunderhaltung Mag. Sabine Dietrich Klinische Psychologin Univ. Klinik Kinder- & Jugendheilkunde Störungen / Auffälligkeiten Essstörungen, die nach ICD-10 oder DSM-IV diagnostiziert werden Ernährungsauffälligkeiten, die in der Literatur beschrieben sind und in der Praxis beobachtet werden können Anorexia Nervosa Erkrankungsbeginn zw. 14 und 18 Jahren Prognose: 45% Ausheilung, 35% Teilremission, 20% Chronifizierung zwischen 5 und 20% sterben Symptome ausgeprägte Ängste vor Gewichtszunahme Störung der eigenen Körperwahrnehmung (Gewicht/Figur) Weigerung Körpergewicht auf Normalgewicht zu halten Ausbleiben der Menstruation über mind. 3 aufeinander folgende Zyklen Gesellschaft in der ärztlichen Praxis: Warnsignale in der Familie Essstörungen ICD-10 F50 F 50.0 F 50.1 F 50.2 F 50.3 F 50.4 F 50.5 F 50.8 F 50.9 Essstörungen Anorexia nervosa Atypische Anorexia nervosa Bulimia nervosa atypsiche Bulimia nervosa Essattacken bei anderen psych. Störungen Erbrechen bei sonst. psych. Störungen sonstige Essstörungen nicht näher bezeichnete Essstörungen Adipositas gilt nicht als Essstörung! Hauptmerkmale der Anorexie Streben nach Schlankheit Krankhafte Angst, „dick“ zu werden Ständige Beschäftigung mit Essen Zunehmende soziale Isolation, Interesselosigkeit Kognitive Störungen (verzerrtes Körperbild…) Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen Persönlichkeits- und affektive Probleme (zwanghafte Verhaltensmuster, Rigidität, Stimmungslabilität, Reizbarkeit, Angst...) Medizinische Folgen (Stoffwechselstörungen, hormonelle Veränderungen, Haarausfall…) Medizinische Folgen 1 Bulimia nervosa Erkrankungsbeginn zw. 15 und 19 Jahren erstes Auftreten häufig infolge intensiver Diät 50% zuvor anorektisch Gewicht kann beträchtlich schwanken, meist → Normalbereich Prognose: 40% erfolgreich therapiert, 40% mäßig, 20% nach Therapie unverändert → fast 1/3 erleidet innerhalb von 2 Jahren nach Therapie-Ende einen Rückfall Kriterien für eine Binge Eating Disorder (BED) nach dem DSM-IV A. Verzehr einer großen Menge an Nahrungsmittel in einem abgrenzbaren Zeitraum. Die Menge muss deutlich größer ist, als die Menge, die die meisten anderen Menschen im selben Zeitraum und unter gleichen Umständen essen würden. Kontrollverlust während dieser Episoden Overeating (chron. Überessen, Fairburn) Night Eating Syndrom („Syndrom des nächtlichen Essens“) seit mind. 2 Monaten. Anorexie am Morgen, Hyperphagie am Abend, Schlaflosigkeit in der Früh, Schuld, Anspannung und Gefühle von Angst während des Essens mind. 3 der folgenden Auffälligkeiten höhere Essgeschwindigkeit als sonst Essen bis zum Völlegefühl Zufuhr von großen Nahrungsmittelmengen ohne dem Gefühl von Hunger Zufuhr v. großen Nahrungsmittelmengen über den Tag verteilt, ohne fixe Zeiten Es wird alleine gegessen, weil es peinlich ist. Gefühle von Schuld, Ekel, Niedergedrücktheit nach der Essattacke C. Binge Eating tritt zumindest 2x/ Woche für mind. 6 Monate D. Binge Eating erzeugt Verzweiflung. E. Die Essanfälle sind nicht mit der regelmäßigen Anwendung von unangemessenen Kompensationsverhalten (Abführmittel, Fasten, exzessiver Sport) verbunden und treten nicht im Verlauf einer Anorexie oder Bulimie auf. Typen: Bulimia nervosa, Eß-Brech-Typus Bulimia nervosa, Typus ohne Erbrechen „Fressanfälle“ (wiederholte Essattacken), meist im Geheimen Erleben von Kontrollverlust Zu Beginn oft auslösende Situationen, dann unabhängig, ritualisiert Kontrollverlust während des Essanfalls, danach Schuldgefühle, Depression → Circulus vitiosus Medizinische Folgen Anwendung von gegensteuernden Maßnahmen (Erbrechen, Laxantien etc.) Selbstbewertung hängt in überhöhtem Maße von Figur & Gewicht ab Essattacken drei Monate lang, durchschnittlich 2x/Woche Auffälligkeiten bei Übergewichtigen mehrere Episoden des binge eating (regelmäßige Essanfälle) B. Symptome: Bulimie Emotional Eating: (emotional bedingtes Essverhalten) Nahrungszufuhr steht in enger Verbindung mit Gefühlen wie Angst, Langeweile, Stress, Zorn, Neidergeschlagenheit Restrained Eating: (gezügeltes Essverhalten, Herman) Tendenz, Nahrungsmittel einzuschränken, um an Gewicht abzunehmen oder zumindest nicht zuzunehmen. Craving (Essgier): Verlangen nach best. Nahrungsmittel Störung des Sättigungsgefühls: konstante, gleichmäßige Nahrungsaufnahme, Pat. isst bis zur Beendigung der Mahlzeit Grazing (Grasen); dauerndes Essen ohne sich satt zu essen, chron. Zuvielessen, ohne Kontrollverlust „es schmeckt“ Erklärungsansätze Soziokultur. Einflüsse Erklärungsansätze Kognitive Störungen Familiäres Mileau Essstörung Biologische Einflüsse Affektive Störungen 2 Entstehung der kindlichen Adipositas Familiäre Einflüsse sozioökon. Risikofaktoren kindliche Adipositas Risikofaktor: Stillen mangelnde Kenntnisse - Eltern event. äußere Ereignisse Soziale Stigmatisierung Inaktivtiät psych. Begleiterkrankungen hoher Energiekonsum Minuchin (1978): „verstricktes Familienmuster“ Interaktionsmuster in Familien anorektischer PatientInnen von Rigidität, Überfürsorglichkeit und wenig Raum für Autonomie gekennzeichnet Theorie von Hilde Bruch (1980) Familienumfeld ungünstig für die Entwicklung von Autonomie und positivem Selbstwertgefühl „Spatz im goldenen Käfig“ Gestörte Mutter-Tochter-Beziehung → Wahrnehmungs- und kognitive Störungen → schwere Ich-Schwächen kindliche Adipositas Prävention Forderungen an unsere Gesellschaftlich Soziokulturelle Belastungen Westliche Industriegesellschaften → vielfältiges Nahrungs(über)angebot Gleichzeitig: extremes Schlankheitsideal Gesellschaft legt Wert auf Äußeres → Druck immer schon stärker auf Frauen Vorurteilen und Feindseligkeit gegenüber übergewichtigen Menschen Vulnerabilität pubertierender Mädchen Werbung, Fernsehen, Frauenzeitschriften …Schlankheitsideal Schönheitsköniginnen: 20er Jahre: BMI 20-25 90er Jahre: BMI 18,5 Schaufensterpuppen (vgl. mit 1925): Hüftumfang -20 cm Oberschenkel -5cm Gibt es einen Zusammenhang zw. Pubertät, Essstörung und Körperwahrnehmung? Frauen (Ø 21a): retrospektiv nach Beginn der Pubertät oder nach Wahrnehmung ihres Gewichts vor der Pubertät gefragt Psycholog. Tests, antropom. Messungen 9% 3% 5% 6% hatten Anorexie Bulimie overeating mehr als eine Essstörung Acard D . 01. Int J Obes, 29, 187-194. 3 Ergebnisse Frühpubertäre Frauen (Pubertätsbeginn vor 11.Lj.) eher asketisches Verhalten größerer Wunsch nach „Dünn sein“ und schlankerer Idealfigur geringere Impulskontrolle größere soziale Unsicherheit 25% hatten eine Essstörung (14% der durch. oder Spätpubertären) Frauen, die sich als übergewichtig vor der Pubertät wahrnahmen Größere Unzufriedenheit mit dem Körper mehr bulimische Symptome geringer Impulskontrolle Wunsch nach „Dünnsein“ perfektionistischeres Streben 50% hatten eine Essstörung (14% der durch. oder spätpubertären) Acard D . 01. Int J Obes, 29, 187-194. Prävention Wie erkennt man, dass ein Kind/ Jugendlicher essgestört ist? Essstörung: Wie sie beginnt… Unzufriedenheit mit dem Aussehen, ein paar Kilo zu viel → Diät Immer häufigere kurze & nicht erfolgreiche Diäten Nicht Wunschgewicht erreichen = Versagen, Wertlosigkeit… Diät & Ernährung werden zum Fokus des Interesses (andere Themen treten zurück!) Intensiveres (Dauer-) Fasten wird zur Regel Teufelskreis zwischen körperlichen & psychischen Effekten Auffälligkeiten für Essstörungen Hohe Gewichtsschwankungen Angst vor Gewichtszunahme Auseinandersetzung mit dem Gewicht Unfähigkeit entspannt zu genießen Nahrungsmenge kann nicht dem Normalbereich angepasst werden Kalorienzählen Viele Diäten, Fastentage 4 Warnsignale erkennen: Anorexie Auffälliger Gewichtsverlust, Beschäftigung mit Essen Einschränkung der Nahrungsaufnahme Blaue Hände, Füße, Lippen (Kälteempfindlichkeit) Verleugnung von Hunger Verleugnung, Probleme zu haben Fortgesetztes, fast zwanghaftes körperliches Training trotz Ermüdung und Schwäche Ausreden, um gemeinsames Essen zu vermeiden Warnsignale erkennen: Bulimie Ständige Beschäftigung mit Essen, Kalorientabellen etc. Verstärkte körperliche Aktivität Bissspuren auf Händen Zahnschmerzen, Zahnprobleme Gefühlsmäßige Labilität, Impulsivität, Stimmungsschwankungen Längere Aufenthalte auf der Toilette bzw. im Badezimmer Hilfe anbieten! In ruhigem Moment → konkrete Hilfe (Adressen!) anbieten, nichts erzwingen, nicht nur „Gewichtsveränderung“ ansprechen! „gute Ratschläge“ und Drohungen nützen nichts. Essgestörte sind oft extrem angepasst, (Schulleistungen √) → nicht über Leistungsaspekt in Kontakt treten, definieren sich selbst stark über Leistung! Auch bei ablehnender Haltung Angebot, als Ansprechperson „da zu sein“, anbieten. Langfristige Ziele der Prävention Verbesserung und Stärkung des Selbstwertgefühls Förderung von Kritikfähigkeit und Selbstbehauptungsmöglichkeiten Entwicklung eines positiven Körperbildes Prävention im familiären Rahmen Essen mit Freude und Genuss 5 Haben Mütter Einfluss auf das Essverhalten ? bei Anwesenheit der Mutter während des Essens ¾ Bissensgröße: ... war bei Adipösen größer als bei nicht Adipösen ¾ Essgeschwindigkeit: adipöse Kinder aßen schneller als nonobese adipöse Kinder aßen am Ende immer schneller „die Mutter kann Auslöser sein, das Essverhalten zu ändern“ Laessle, Int, J Eat Disord, (2001), 30 Familie Zusammenhang zw. BMI der Eltern und Gewichtsstatus des Kindes Der Energie- Fettgehalt von Mahlzeiten bei Kindern ist denen ihrer Eltern ähnlich Kinder sind (vor allem in jungen Jahren) von … der Nahrungsmittelauswahl ihrer Eltern … deren Bevorzugungen … Größe der (Zwischen) Mahlzeiten abhängig Davison. 2001. Int J. Obes Birch. 2001. Childhhod and adole obe. 6