Biodiversität und Klima – Themenblatt Nr.1/2010 Schneechaos trotz Klimawandel ? Das Tiefdruckgebiet „Daisy“ hat am 9. und 10. Januar 2010 mit seinen ergiebigen Schneefällen in weiten Teilen Europas zu chaotischen Verkehrsbedingungen geführt. Viele Bürgerinnen und Bürger stellen sich deshalb die Frage, warum es trotz Klimawandel und globalem Temperaturanstieg zu solch strengen Wintern kommen kann? Klima ist eine statistische Beschreibung der mittleren Wetterbedingungen an einem Ort in einem 30-jährigen Zeitraum. Klima und der Klimawandel werden von unterschiedlichen Faktoren gesteuert. Ein wichtiger Faktor ist die Zusammensetzung der Erdatmosphäre. Bedingt durch den stetig steigenden Verbrauch an fossilen Energieträgern sind im Zeitraum vom Jahre 1800 bis 2007 die CO2-Gehalte in der Atmosphäre um 35 % von 280 ppmV auf 380 ppmV (parts per million by volume) gestiegen. Erhöhte CO2-Gehalte in der Atmosphäre verstärken den sogenannten Treibhauseffekt und resultieren in einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen (Abb. 1a). Dank der Erwärmung der Erdoberfläche durch den Treibhauseffekt liegt die globale Durchschnittstemperatur bei + 15 °C statt bei -18 °C – ein Unterschied von 33 °C. Weiter steigende Durchschnittstemperaturen führen nun zu mehr Energie im System Erde und damit zu einer höheren Dynamik und zu einer verstärkten Variabilität des Wetters (Abb. 1b). Gleichzeitig steigt auch die Zahl der extremen Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Tiefwasserstände, Waldbrände, Stürme, Sturmfluten, Starkregen, Starkschnee, Hochwasser und Überschwemmungen, die sich besonders stark auf Mensch, Umwelt und Biodiversität auswirken (Abb. 1c). Das Tiefdruckgebiet „Daisy“ stellt beispielhaft ein solches Starkschnee-Ereignis dar. Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für bereits messbare Temperaturveränderungen aus Dresden. Die zweigipflige Verteilung der Tagesmitteltemperaturen im Zeitraum von 2003 bis 2006 gegenüber dem Vergleichszeitraum von 1951 bis 2006 zeigt eine Verschiebung in den wärmeren Bereich mit mehr Hitzetagen > 25 °C, aber auch eine leicht erhöhte Anzahl an kalten Tagen. Abbildung 3 stellt die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur dar. Die Abbildung verdeutlicht, dass die globale Temperatur im Zeitraum von 1850 bis 2007 insgesamt betrachtet ansteigt. Dazwischen fallen aber auch Zeitspannen mit gleichbleibenden oder gar sinkenden Messwerten auf. Um den generellen Trend aus Einzelereignissen ablesen zu können, gibt die schwarze, geglättete Linie ein zehnjähriges Jahresmittel wieder. Die hellen Kreise repräsentieren ohne Glättung die jährlichen Durchschnittswerte. Sogenannte „Ausreißer“ sind hier nicht selten, und die derzeitige Entwicklung des Winters 2009/2010 lässt erwarten, dass er im Vergleich zum zehnjährigen Mittelwert eher zu den kälteren Wintern zählen wird. Fazit: Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur führt zu mehr Dynamik und mehr Variabilität im Wettergeschehen. Folgen sind mehr Extremwetterereignisse, weniger „normale“ Temperaturen, eine Zunahme von Hitzetagen, aber auch – ab und zu – mehr Frosttage und starke Schneefälle, verbunden mit einem Wintersturm wie „Daisy“. Ein Temperaturanstieg um 3 °C bis zum Jahre 2100 würde die Anzahl der Hitzetage von heute 22 auf 76 pro Jahr erhöhen (Kuttler 2008). Zum Schutz des Klimas, zum Schutz der natürlichen Ressourcen an Wasser, Boden und Energierohstoffen sowie zum Erhalt der Biodiversität sind ein sparsamer Umgang mit fossilen Energieträgern und ein verstärkter Einsatz nachhaltiger erneuerbarer Energieformen notwendig. Abb. 1 a-c: Statistische Verteilung der mittleren Tagestemperaturen. a.) Eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur führt zu einer Verschiebung der Verteilungskurve nach rechts hin zu wärmerer Witterung b.) Eine Zunahme der Varianz resultiert in einer Abflachung der Verteilungskurve und führt damit sowohl zu mehr Hitzetagen als auch mehr Frosttagen c.) Der projizierte Klimawandel und der damit verbundene Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wird zu einer deutlichen Verschiebung hin zu mehr Hitzetagen und – durch die dadurch erhöhte Dynamik im Wettergeschehen – auch zu einer verstärkten Varianz der Wetterereignisse und zu mehr Extremwetterlagen führen. Extremwetterlagen sind insbesondere für die Klimafolgen für Mensch und Umwelt maßgeblich (verändert nach IPCC 2001). Abb. 2: Verteilung der Tagesmitteltemperaturen in Dresden im Zeitraum von 2003 bis 2006 (rote Linie) im Vergleich zum Zeitraum 1951 bis 2006 (blaue Linie). Eine Verschiebung in den wärmeren Bereich mit mehr Hitzetagen > 25 °C, eine Abflachung der roten Kurve und damit eine höhere Variabilität der Wetterereignisse mit einer Verringerung an Tagen mit „normaler“ Temperatur sowie eine leicht erhöhte Anzahl an kalten Tagen ist deutlich sichtbar (verändert nach Korndörfer 2008). Abb. 3: Veränderung der durchschnittlichen globalen Oberflächentemperatur vom Jahre 1850 bis 2007. Die schwarze Linie zeigt die Entwicklung eines zehnjährigen Mittelwertes. Die hellen Kreise repräsentieren die einzelnen Jahresmittel. Die blaue Schattierung entspricht dem Unsicherheitsintervall (nach IPCC 2007). Literaturhinweise International Panel on Climate Change, IPCC, (2001): Climate Change 2001: Synthesis report. A Contribution of Working Groups I, II, and III to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. - Cambridge University Press, Cambridge and New York. International Panel on Climate Change, IPCC, (2007): Summary for Policymakers. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. - Cambridge University Press, Cambridge and New York. Korndörfer, C. (2008): Auswirkungen des Klimawandels auf deutsche Großstädte – Ansätze zur Bewältigung der Klimafolgen in der LandeshauptstadtDresden. - WAR Schriftenreihe , 196, 159188, TU Darmstadt Kuttler, W. (2008): Zum Klima im urbanen Raum. - In. Müller-Westenmeier, G. (2008): Klimastatusbericht 2008, 6-13, Deutscher Wetterdienst Autor und Ansprechpartner: Prof. Dr. Bernhard Stribrny, Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Senckenberganlage 25, D-60325 Frankfurt am Main, Email: [email protected]