Leitfaden für die Begutachtung im Beamtenrecht

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Leitfaden zur amtsärztlichen
Begutachtung psychischer
Erkrankungen im Beamtenrecht
zur Frage der Dienstfähigkeit
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im
Beamtenrecht
zur Frage der Dienstfähigkeit
Version 1.0
Juli 2016
Herausgeber:
Arbeitsgruppe Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Diese Arbeitsgruppe entstand auf Initiative von Frau Dr. med. Brigitte Buhr-Riehm,
Sprecherin des Fachausschusses Gutachtenwesen des Landesverbandes Niedersachsen
der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst e.V.
Autoren:
Dr. med. Kathrin Brower-Rabinowitsch
Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osnabrück
Dr. med. Carit Grothusen
Gesundheitsamt Landkreis Peine
Franz-Josef Güster
Gesundheitsamt Schaumburg
Martina Koziol
Gesundheitsamt Landkreis Lüneburg
Ursula Maurer-Guill
Gesundheitsamt des Landkreises Stade
Dr. med. Friederike Stamer-Schröder
Gesundheitsamt Landkreis Lüneburg
Dr. med. Doris Thieme-Thörel
Fachbereich Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Göttingen
PD Dr. med. Dr. PH Felix Wedegärtner
Medizinische Hochschule Hannover
Dipl.-Med. Elke Wiedermann
Gesundheitsamt des Landkreises Osterode am Harz
Dr. med. Jens Wolter
Gesundheitsamt Braunschweig
Verena Lührs, M.A.
Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen,
Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen
Die AG Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht hat sich bemüht, richtige und vollständige Informationen zur Verfügung zu stellen. Alle Angaben wurden nach bestem
Wissen und mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt und überprüft. Dennoch übernimmt die AG Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht keine Garantie oder Haftung für die
Fehlerfreiheit, Genauigkeit, Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der bereitgestellten Informationen und sonstigen in diesem Leitfaden enthaltene Elemente. Der Leitfaden kann und
will insbesondere keine Rechtsberatung ersetzen.
Haftungsansprüche gegen die AG Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder
Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt u. a.
und uneingeschränkt für konkrete, besondere und mittelbare Schäden oder Folgeschäden, die aus der Nutzung dieser Materialien entstehen können, sofern seitens der AG Begutachtung
psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt.
Die Inhalte des vorliegenden Leitfadens beziehen sich in gleichem Maße sowohl auf Frauen als auch auf Männer. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird jedoch die männliche Form
(Patienten, Ärzte etc.) für alle Personenbezeichnungen gewählt. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Inhalt
A. Allgemeiner Teil
1. Ziele des Leitfadens .................................................................................. 4
2. Gesetzliche Grundlagen ............................................................................ 5
3. Rolle des Gutachters ...............................................................................11
4. Die Begutachtung – Organisatorischer Ablauf .........................................13
5. Das Gutachten.........................................................................................20
B. Fachspezifischer Teil..................................................................................23
6. Depressionen ..........................................................................................24
7. Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit ..............................................27
8. Angststörungen .......................................................................................32
9. Anpassungsstörungen .............................................................................35
10. Somatoforme Störung .............................................................................37
11. Persönlichkeitsstörungen ........................................................................40
12. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) .......................................43
13. Schizophrenie und wahnhafte Störungen ................................................46
Quellenverzeichnis ........................................................................................48
Anhang..........................................................................................................51
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
1. Ziele des Leitfadens
Vor dem Hintergrund knapper werdender Gutachterkapazitäten im psychiatrischen Bereich
ist es zunehmend erforderlich, dass bei psychiatrischen Krankheitsbildern auch Amtsärzte
ohne psychiatrische Facharztbezeichnung Gutachten erstellen. Um dieser Aufgabe gerecht
zu werden, haben mehrere in Gesundheitsämtern gutachterlich tätige Ärzte aus Niedersachsen, mit Unterstützung des Zentrums für Qualität und Management im Gesundheitswesen,
Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen, diesen Leitfaden für die Begutachtung der
Dienstfähigkeit von psychisch erkrankten Beamten erstellt. Dieser Leitfaden ist als Arbeitsund Entscheidungshilfe bei einigen ausgewählten psychiatrischen Erkrankungen konzipiert.
Er kann ein fachärztliches Gutachten bei komplexen psychiatrischen Fällen nicht ersetzen.
Ziel des Leitfadens ist darüber hinaus die Verbesserung der Qualität der Gutachten. Durch
Standardisierung soll der Prozess der Gutachtenerstellung (siehe Anlage 1) nachvollziehbar
und vergleichbar werden. Gleichzeitig soll ein möglichst hohes fachliches Niveau erreicht
werden, das den fachlichen Austausch mit anderen Amts- und Fachärzten erleichtert sowie
die Akzeptanz der Gutachten bei den Dienstherren und den begutachteten Beamten erhöht.
Zunächst werden in einem allgemeinen Teil organisatorische und inhaltliche Aspekte sowie
rechtliche Grundlagen zur Gutachtenerstellung beschrieben. In einem fachspezifischen Teil
werden folgende ausgewählte psychiatrische Krankheitsbilder behandelt:
 Depressionen
 Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
 Angststörungen
 Anpassungsstörungen
 Somatoforme Störung
 Persönlichkeitsstörungen
 Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
 Schizophrenie und wahnhafte Störungen
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
2. Gesetzliche Grundlagen
2.1.
Niedersächsisches Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD)
Dem niedersächsischen Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) sind die
Rechtsgrundlagen für die Begutachtungen zur Frage der Dienstfähigkeit im Gesundheitsamt
zu entnehmen:
NGöGD § 7 Untersuchungen und Begutachtungen
(1) "Die Landkreise und kreisfreien Städte haben ärztliche Untersuchungen und Begutachtungen vorzunehmen und hierüber Gutachten, Zeugnisse und Bescheinigungen zu
erstellen, soweit solche Tätigkeiten durch Gesetz oder Verordnung von einer Gesundheitsbehörde, einem Gesundheitsamt oder einer Amtsärztin oder einem Amtsarzt
verlangt werden. Soweit Tätigkeiten nach Satz 1 im Auftrag einer anderen juristischen
Person des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden, die deren Personal betreffen,
handeln die Landkreise und kreisfreien Städte im übertragenen Wirkungskreis."
(2) "Für Aufgaben nach Absatz 1 ist der Landkreis oder die kreisfreie Stadt zuständig, in
deren Bezirk die zu untersuchende oder zu begutachtende Person ihren gewöhnlichen
Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt
außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, so ist der Landkreis oder die kreisfreie
Stadt zuständig, in dessen oder deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung
hervortritt."
2.2.
Beamtenstatusgesetz und Niedersächsisches Beamtengesetz
Die Rechtsverhältnisse der Beamten des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände
werden im Beamtenstatusgesetz des Bundes (BeamtStG) sowie ergänzend dazu im niedersächsischen Beamtengesetz (NBG) geregelt. Die Vorschriften des NBG gelten für die Rechtsverhältnisse der Richter entsprechend, soweit das deutsche Richtergesetz und das
niedersächsische Richtergesetz nichts Anderes bestimmen.
Die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit eines Beamten sind gesetzlich in den §§ 26 und 27 des BeamtStG sowie
in den §§ 43 bis 45 des NBG geregelt.
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Die Dienstunfähigkeit oder begrenzte Dienstfähigkeit eines Beamten wird von dem Dienstherrn festgestellt. Die Feststellung der Dienstunfähigkeit oder begrenzten Dienstfähigkeit
erfolgt auf der Grundlage einer ärztlichen Untersuchung (§§ 43, 45 NBG in Verbindung mit
§§ 26, 27, 28 BeamtStG). In dem ärztlichen Gutachten übermittelt der ärztliche Gutachter
dem Dienstherrn, der das Gutachten anfordert, die tragenden Feststellungen und Gründe
des Untersuchungsergebnisses, welche für die zu treffende Entscheidung erforderlich sind.
Das Gutachten selbst stellt keine beamtenrechtliche Entscheidung dar, sondern lediglich
eine Entscheidungshilfe, die nachvollziehbar sein muss.
2.3.
Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)
Im Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sind in den §§ 26 und 27 die Dienstunfähigkeit und die
begrenzte Dienstfähigkeit näher erläutert und unter welchen Umständen diese festgestellt
werden können. Es ist zudem ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen ein Beamter in
den Ruhestand zu versetzen ist und wann eine anderweitige Verwendung des Beamten
möglich ist.
§ 26 BeamtStG
(1) "Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen
zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als
dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines
Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine
Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den
Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Für
Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die
Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden."
(2) "Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten
ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den
Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig,
wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens
demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist,
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen
und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an
Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen."
(3) "Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem
Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine
geringer wertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn
eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist."
§ 27 BeamtStG
(1) "Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll abgesehen
werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes
die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit
erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit)."
(2) "Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Mit
Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem
Amt entsprechenden Tätigkeit möglich."
Ein Ruhestandsbeamter ist verpflichtet, sich untersuchen zu lassen. Er kann aber auch selbst
eine Untersuchung verlangen, wenn er zum Beispiel eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis beantragen möchte.
§ 29 BeamtStG
(5) "Die Dienstfähigkeit der Ruhestandsbeamtin oder des Ruhestandsbeamten kann nach
Maßgabe des Landesrechts untersucht werden; sie oder er ist verpflichtet, sich nach
Weisung der zuständigen Behörde ärztlich untersuchen zu lassen. Die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte kann eine solche Untersuchung verlangen, wenn sie oder
er einen Antrag nach Absatz 1 zu stellen beabsichtigt."
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
2.4.
Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG)
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer Dienstunfähigkeit bzw. einer begrenzten
Dienstfähigkeit werden im § 43 NBG beschrieben. Grundlage dieser Feststellung ist eine
ärztliche Untersuchung. Der Beamte hat eine Mitwirkungspflicht, d. h. er ist verpflichtet, sich
bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen:
§ 43 NBG
(1) "Die Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 BeamtStG ist aufgrund einer ärztlichen
Untersuchung (§ 45) festzustellen; darüber hinaus können auch andere Beweise erhoben
werden. Bestehen Zweifel an der Dienstfähigkeit, so ist die Beamtin oder der Beamte
verpflichtet, sich nach schriftlicher Weisung der oder des Dienstvorgesetzten innerhalb
einer angemessenen Frist ärztlich untersuchen und, falls eine Amtsärztin oder ein Amtsarzt es für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen. Kommt die Beamtin oder der
Beamte ohne hinreichenden Grund dieser Verpflichtung nicht nach, so kann sie oder er
als dienstunfähig angesehen werden; sie oder er ist hierauf schriftlich hinzuweisen."
(2) "Unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG kann eine Beamtin
oder ein Beamter als dienstunfähig angesehen werden, wenn keine Aussicht besteht,
dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt
ist."
(3) "Hält die oder der Dienstvorgesetzte die Dienstunfähigkeit einer Beamtin oder eines
Beamten für gegeben, so schlägt sie oder er der für die Entscheidung zuständigen Stelle
die Versetzung in den Ruhestand vor. Diese ist an den Vorschlag der oder des Dienstvorgesetzten nicht gebunden; sie kann weitere Ermittlungen durchführen."
(5) "Die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit nach § 27 Abs. 1 BeamtStG wird,
soweit gesetzlich nicht anders bestimmt ist, von der Stelle getroffen, die für die
Versetzung in den Ruhestand zuständig wäre. Für das Verfahren zur Feststellung der
begrenzten Dienstfähigkeit gelten die Vorschriften über die Feststellung der Dienstunfähigkeit entsprechend."
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Aus § 44 NBG lassen sich Regelungen bzgl. der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit entnehmen und, dass auch der Ruhestandsbeamte verpflichtet ist, sich ärztlich untersuchen zu
lassen, d. h. eine Mitwirkungspflicht hat:
§ 44 NBG
(2) "Kommt die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte ohne hinreichenden
Grund der Verpflichtung nach § 29 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtStG, sich auf Weisung
ärztlich untersuchen zu lassen, nicht nach, so kann sie oder er als dienstfähig angesehen
werden; sie oder er ist hierauf schriftlich hinzuweisen."
Im § 45 NBG wird auf die ärztliche Untersuchung und die Zuständigkeit des ärztlichen
Gutachters näher eingegangen:
§ 45 NBG
(1) "Ärztliche Untersuchungen nach den §§ 43 und 44 werden von Amtsärztinnen, Amtsärzten, beamteten Ärztinnen oder beamteten Ärzten durchgeführt. Ausnahmsweise kann
im Einzelfall auch eine sonstige Ärztin oder ein sonstiger Arzt zur Durchführung bestimmt
werden."
(2) "Die Ärztin oder der Arzt teilt der Stelle, in deren Auftrag sie oder er tätig geworden
ist, die tragenden Feststellungen und Gründe des Ergebnisses der ärztlichen
Untersuchung mit, soweit deren Kenntnis unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Die Mitteilung ist
als vertrauliche Personalsache zu kennzeichnen und in einem verschlossenen Umschlag
zu übersenden sowie versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Die übermittelten Daten
dürfen nur für die nach § 43 oder § 44 zu treffende Entscheidung verarbeitet werden."
(3) "Zu Beginn der ärztlichen Untersuchung ist die Beamtin oder der Beamte auf deren
Zweck und die Befugnis zur Übermittlung der Untersuchungsergebnisse hinzuweisen. Die
Ärztin oder der Arzt übermittelt der Beamtin oder dem Beamten oder, soweit dem
ärztliche Gründe entgegenstehen, einer zu ihrer oder seiner Vertretung befugten Person
eine Kopie der Mitteilung nach Absatz 2 Satz 1."
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
2.5.
Niedersächsische Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten an öffentlichen
Schulen (Nds.ArbZVO-Schule)
In der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten an öffentlichen
Schulen (Nds.ArbZVO-Schule) werden in den §§ 11 und 27 die vorübergehend
herabgeminderte Dienstfähigkeit und die Möglichkeit der befristeten Ermäßigung der
Unterrichtsverpflichtung erläutert.
§ 11 Nds.ArbZVO-Schule
"Die Landesschulbehörde kann die Unterrichtsverpflichtung bei vorübergehend herabgeminderter Dienstfähigkeit einer Lehrkraft auf der Grundlage eines ärztlichen
Gutachtens befristet ermäßigen; § 45 NBG ist entsprechend anzuwenden."
§ 27 Nds.ArbZVO-Schule
"Die Landesschulbehörde kann die Unterrichtsverpflichtung bei vorübergehend herabgeminderter Dienstfähigkeit einer Schulleiterin oder eines Schulleiters auf der Grundlage
eines ärztlichen Gutachtens befristet ermäßigen; § 45 NBG ist entsprechend
anzuwenden. Die Arbeitszeitermäßigung wirkt sich nur auf die Unterrichtsverpflichtung
aus; die Landesschulbehörde kann eine abweichende Regelung treffen."
2.6.
Gemeinsamer Runderlass des Nds. Ministeriums für Soziales, Gesundheit und
Gleichstellung und des Ministeriums für Inneres
Weitere Hinweise für die ärztlichen Untersuchungen von Beamten des Landes
Niedersachsen im Zusammenhang mit der Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit und zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit gibt ein gemeinsamer
Runderlass des MS u. d. MI (Gem. RdErl. d. MS u. d. MI, siehe Anlage 2).
In diesem wird auf Allgemeines, die Definition der Dienstunfähigkeit, die Form des
Untersuchungsauftrages, die Erstellung des ärztlichen Gutachtens und die in diesem zu
beantwortenden Fragen, die Möglichkeit von Zusatzgutachten und die Auskunftspflicht des
ärztlichen Gutachters eingegangen.
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
3. Rolle des Gutachters
3.1 Forderungen an den Gutachter
Die geforderte Rolle des ärztlichen Gutachters ist im Allgemeinen die eines unabhängigen,
unparteiischen und medizinisch-wissenschaftlich objektiven Sachverständigen. Als nicht
unabhängig ist der Gutachter dann anzusehen, wenn er mit dem zu Begutachtenden
verwandt, verschwägert oder befreundet ist. Direkte Dienstverhältnisse zum zu Begutachtenden sind weitere Kriterien für einen Mangel an Unparteilichkeit und Objektivität.
Besonderheiten oder Unklarheiten müssen stets mit dem Dienstherrn geklärt werden. Da
der Auftraggeber in der Regel nur über begrenzte medizinische Kenntnisse verfügt und mit
der medizinisch-psychiatrischen Terminologie nicht vertraut ist, sollte der Gutachter eine für
medizinische Laien gut verständliche Nomenklatur verwenden.
Aus Sicht der Verwaltung wird der Gutachter lediglich als "Erfüllungsgehilfe" gesehen bzw.
wird zur Entscheidungshilfe für eine beamtenrechtliche Regelung herangezogen, ist also
nicht Entscheidungsträger. Vor jedem Gutachtenauftrag muss der Gutachter entscheiden, ob
er für die gestellten Fragen kompetent ist, d. h. über die notwendige medizinische/ sozialmedizinische und beamtenrechtliche Fach- und Sachkompetenz verfügt.
Er ist nach Annahme des Gutachtenauftrags an eine termingerechte Erstattung des
Gutachtens, an seine Eigenverantwortlichkeit als Gutachter und an die Vertraulichkeit der
Untersuchungsergebnisse nach außen gebunden.
3.2 Das Verhältnis zwischen Gutachter und zu Begutachtendem
Der Gutachter muss sich bewusst sein, dass die Interaktion zwischen ihm und dem zu
Begutachtenden oft schwieriger ist als in einem üblichen Arzt-Patienten-Verhältnis.
Einerseits können ablehnende und unfreundliche Haltung den zu Begutachtenden zu
Verdeutlichungstendenzen verleiten, die dann fälschlich als Aggravation oder Simulation
gedeutet werden. Die negative Gegenübertragung spielt dann eine bedeutende Rolle.
Andererseits sind mangelnde oder gar fehlende Kooperation und die Dissimulation des zu
Begutachtenden, z. B. in der Einschätzung einer Dienstunfähigkeit, Phänomene, die dem
Gutachter in seiner Beurteilung besondere Probleme bereiten könnten. Da der zu
Begutachtende vom Dienstherrn gem. § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 5 Satz 2 NBG zu der
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
gutachterlichen Untersuchung verpflichtet wird, kommt dieser unter Umständen unfreiwillig
zur Untersuchung, was die Kooperationsbereitschaft erheblich beeinträchtigen kann.
Der Gutachter sollte beachten, dem zu Begutachtenden mit Wertschätzung, Sachlichkeit,
Transparenz in seinen Aussagen, laienverständlicher Sprache und Einhaltung von Neutralität
gegenüber zu treten. So ist der zu Begutachtende vor Beginn der Untersuchung darüber aufzuklären, dass gegenüber dem Auftraggeber keine ärztliche Schweigepflichtbindung besteht.
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
4. Die Begutachtung – Organisatorischer Ablauf
4.1. Der Gutachtenauftrag
Untersuchungen
sind
durch
den
ärztlichen
Gutachter
eines
Gesundheitsamtes
vorzunehmen, wenn diese durch Gesetz oder Verordnung vorgegeben sind und der zu
untersuchende Beamte seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnortprinzip) in dem
Zuständigkeitsbereich des betreffenden Gesundheitsamtes hat. Hat der Beamte seinen
gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Niedersächsischen Gesetzes
über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD), so ist der Landkreis oder die kreisfreie
Stadt zuständig, in dessen oder deren Bereich der Anlass für die Amtshandlung hervortritt
(z. B. Dienstort).
Es muss grundsätzlich ein schriftlicher Untersuchungsauftrag des Dienstherrn bei dem
ärztlichen Gutachter vorliegen. Aus diesem sollte die Zuständigkeit des betreffenden
Gesundheitsamtes hervorgehen.
Mit dem Untersuchungsauftrag sollen dem ärztlichen Gutachter der Untersuchungszweck
unter Nennung der Rechtsgrundlagen im BeamtStG sowie im NBG und alle bekannten Umstände mitgeteilt werden, die für die Abfassung eines aussagekräftigen ärztlichen
Gutachtens wesentlich sind. Wichtige Unterlagen wie Atteste, Stellungnahmen von
Vorgesetzten sind beizufügen. Zu einem vollständigen Untersuchungsauftrag muss der
landeseinheitliche Vordruck 030_022 "Amtsärztliche Untersuchungen im Zusammenhang
mit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und zur Feststellung einer
begrenzten Dienstfähigkeit" (siehe Anlage 3a) ausgefüllt und mit folgenden Angaben zur
Verfügung gestellt werden:
1. Name, ggf. Geburtsname, Vorname, Geburtsdatum
2. Dienst- oder Amtsbezeichnung
3. Dienststelle mit Anschrift; Privatanschrift
4. Ausgeübte Funktion
5. Beschreibung alternativer Verwendungsmöglichkeiten
6. Wöchentliche Arbeitszeit (Stunden)
7. Nebentätigkeiten, Art und Umfang in Wochenstunden
8. Anlass für die Begutachtung mit ausführlicher Begründung
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
9. Angaben zur Leistungseinschränkung und ggf. zu entlastenden Maßnahmen, die zur
Anwendung gekommen sind
10. Angaben zum Umfang von krankheitsbedingten Fehlzeiten während der letzten fünf
Jahre soweit diese Daten für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit oder begrenzten
Dienstfähigkeit offensichtlich erforderlich sind
11. Angaben zu stattgefundenen und laufenden Maßnahmen des anfordernden
Dienstherren, um den Beamten zu unterstützen und die Dienstfähigkeit zu erhalten oder
wieder herzustellen
12. Angaben zu dokumentierten Konflikten am Arbeitsplatz, wenn es für die Beurteilung der
Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich ist
13. Ggf. Angaben zu einer Schwerbehinderung oder einer anerkannten Gleichstellung und
anerkannten Nachteilsausgleichung1
Für Lehrkräfte muss zusätzlich der ausgefüllte landeseinheitliche Vordruck 030_023
„Fragebogen zur Dienstfähigkeit“ (siehe Anlage 3b) dem Gutachter vom Dienstherren vorgelegt werden.
4.2. Ärztliche Untersuchung
Grundlage des ärztlichen Gutachtens sind neben dem vollständigen Gutachtenauftrag
Fremdbefunde der behandelnden (Fach-)ärzte und eine eigene Anamneseerhebung und
ärztliche Untersuchung, sowie ggf. fachärztliche Zusatzgutachten, Laboruntersuchungen
oder eine testpsychologische Diagnostik. Eine Begutachtung nach Aktenlage ist in der Regel
nicht vorgesehen.
Der Beamte wird schriftlich unter Nennung des Untersuchungsanlasses zu einem
Untersuchungstermin in das Gesundheitsamt eingeladen. Darin wird er gebeten, Fremdbefunde zum Untersuchungstermin mitzubringen.
Zur Erleichterung der Anamneseerhebung am Untersuchungstag kann dem Einladungsschreiben ein Selbstauskunftsbogen beigefügt werden, den der Beamte zu Hause ausfüllen
und zur Untersuchung mitbringen kann (Beispiel: siehe Anlage 4).
1
Vollständiger Text siehe Runderlass
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Der Beamte muss sich am Untersuchungstag, soweit er dem ärztlichen Gutachter nicht
persönlich bekannt ist, durch ein amtliches Dokument (Personalausweis, Reisepass, Führerschein o. ä.) ausweisen.
Zu Beginn der ärztlichen Untersuchung ist der Beamte auf deren Zweck und die Befugnis zur
Übermittlung der Untersuchungsergebnisse sowie auf seine Mitwirkungspflicht hinzuweisen.
Grundlagen der Untersuchung durch den ärztlichen Gutachter sind eine Erhebung der
Berufs-, Sozial- und Krankheitsanamnese, einschließlich der Vormedikation, und ggf. eine
Fremdanamnese, sowie die Auswertung vorhandener Fremdbefunde. Die Befunderhebung
beinhaltet die Erhebung eines psychopathologischen Befundes und eine körperliche Untersuchung.
Empfehlenswert ist eine standardisierte Dokumentation der Anamneseerhebung und des
Untersuchungsbefundes (Beispiel: siehe Anlage 5). Zur Erfassung und Dokumentation eines
psychopathologischen Befundes kann außerdem das AMDP-System2 verwendet werden.
Der ärztliche Gutachter entscheidet, ob eine zusätzliche Diagnostik, z. B. Laboruntersuchungen, apparative oder testpsychometrische Untersuchungen, erforderlich sind und veranlasst
diese.
Liegen keine Fremdbefunde vor, wird oder wurde der Beamte aber ärztlich behandelt,
sollten die vorhandenen Befunde/Arztbriefe der behandelnden Ärzte schriftlich angefordert
werden. Dafür ist die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht
gegenüber dem ärztlichen Gutachter erforderlich und muss schriftlich vorliegen (Beispiel:
siehe Anlage 6).
Reichen die vorhandenen eigenen und fremden Untersuchungsergebnisse nicht aus, um das
Krankheitsbild und dessen Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit zu beurteilen, kann die
Einholung eines ergänzenden fachärztlichen Gutachtens erforderlich sein. Der ärztliche
Gutachter teilt dem Dienstherrn mit, welche weiteren ärztlichen Untersuchungen geboten
sind. Die Entscheidung hierüber trifft der Dienstvorgesetzte. Die Einholung eines
fachärztlichen Gutachtens erfordert eine möglichst genaue Fragestellung. Bevor dem
2
Das AMDP-System besteht aus einem Glossar psychopathologischer Symptome (dem AMDP-Manual). Die vom AMDP-System
aufgeführten Merkmale lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Merkmale des psychischen und Merkmale des somatischen Befundes (100
bzw. 40 Symptome). Diese Symptome sind im AMDP-Manual jeweils nummeriert und in Gruppen zusammengefasst. Zu jedem Symptom
gibt es im Manual eine kurze Definition, Erläuterungen und Beispiele, Hinweise zur Graduierung (leicht, mittel, schwer) sowie eine Liste
abzugrenzender Merkmale.
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Zusatzgutachter neben dem Auftrag und der Fragestellung auch alle im medizinischen Fachdienst vorhandenen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können, muss der ärztliche
Gutachter gegenüber dem Zusatzgutachter schriftlich von der Schweigepflicht entbunden
werden (Beispiel: siehe Anlage 7).
Das Zusatzgutachten wird in der Regel nur dem ärztlichen Gutachter zugesandt und verbleibt
bei diesem. Es wird nicht an den Dienstherrn des Beamten weitergegeben. Sollte im Einzelfall eine Weitergabe an den Dienstherrn erforderlich sein, muss das Zusatzgutachten den
Anforderungen des ärztlichen Gutachters (siehe Punkt 5 "Das Gutachten") entsprechen.
Bei Vorliegen eines psychischen Krankheitsbildes wird bei der Begutachtung der Dienstfähigkeit und der Bewertung der Auswirkungen des Krankheitsbildes auf die berufliche
Leistungsfähigkeit empfohlen, den "Mini-ICF“ zu nutzen. Dabei handelt es sich um ein
Kurzinstrument zur Fremdbeurteilung bei psychischen Erkrankungen in Anlehnung an die
Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der
Weltgesundheitsorganisation. Es werden die folgenden Fähigkeiten beurteilt: (1) Fähigkeit
zur Anpassung an Regeln und Routinen, (2) Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von
Aufgaben, (3) Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, (4) Fähigkeit zur Anwendung fachlicher
Kompetenzen, (5) Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, (6) Durchhaltefähigkeit, (7) Selbstbehauptungsfähigkeit, (8) Kontaktfähigkeit zu Dritten, (9) Gruppenfähigkeit, (10) Fähigkeit zu
familiären bzw. intimen Beziehungen, (11) Fähigkeit zu Spontan-Aktivitäten, (12) Fähigkeit
zur Selbstpflege, (13) Verkehrsfähigkeit.
4.3.
Schweigepflicht
4.3.1. Schweigepflicht des ärztlichen Gutachters gegenüber dem Dienstherrn
Bei der amtsärztlichen Untersuchung zur Klärung der Dienstunfähigkeit muss eine Abwägung
zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Beamten und dem Informationsbedürfnis des
Dienstherrn, der mit Hilfe des amtsärztlichen Gutachtens eine personalrechtliche Entscheidung treffen muss, stattfinden. Die Weitergabe des schriftlichen Gutachtens und anderer
medizinischer Daten an den Dienstherrn bedarf immer eines juristischen "Rechtfertigungsgrundes". Diesen Rechtfertigungsgrund bietet im Ruhestandsverfahren der § 45 Abs. 2 NBG.
Für die Übermittlung der sensiblen gesundheitsbezogenen Daten bedarf es also in diesem
Fall nicht der ausdrücklichen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den
Beamten. Für den ärztlichen Gutachter besteht aber die Verpflichtung, den Dienstherrn über
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
den Gesundheitszustand des Beamten ausreichend zu informieren, ohne dabei stärker als
nötig in dessen Persönlichkeitsrecht einzugreifen.
Nach Auffassung des Landesbeauftragten für den Datenschutz (Datenschutzrechtliche
Hinweise zum Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit/der begrenzten Dienstfähigkeit für Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Niedersachsen) ist eine Verletzung der
ärztlichen Schweigepflicht nicht gegeben, wenn folgende Punkte beachtet werden:

Die Untersuchung muss unter Beachtung der üblichen ärztlichen Regeln (ärztliche
Schweigepflicht, siehe § 203 Abs. 1 Strafgesetzbuch, §§ 7 bis 10 der Berufsordnung
der Ärztekammer Niedersachsen) und Gewohnheiten nach pflichtgemäßem
Ermessen durchgeführt werden. Die dabei bekannt gewordenen Daten unterliegen
dem Berufsgeheimnis für Ärzte.

Zu Beginn der Untersuchung muss der Betroffene auf den Zweck und die Befugnis zur
Übermittlung des Gutachtens an den Dienstherrn hingewiesen werden. Es empfiehlt
sich, dieses auf einem Formblatt (Beispiel: siehe Anlage 8) durch Unterschrift vom
Beamten bestätigen zu lassen.

Der im schriftlichen Gutachten aufgeführte Umfang der medizinischen Daten, wie
Anamnese, Untersuchungsbefunde sowie Gutachten und Stellungnahmen von
anderen Ärzten muss im Einzelfall geprüft werden. Hauptkriterium ist, dass diese für
die
zu
treffende
Personalentscheidung
des
Dienstherrn
unerlässlich
sind
(insbesondere die "für die Bewertung tragenden medizinisch-diagnostischen
Gründe").

Die "Mitteilung über die tragenden Feststellungen und Gründe des Ergebnisses der
Ärztlichen Untersuchung" muss als vertrauliche Personalsache gekennzeichnet und in
einem verschlossenen Umschlag an den Dienstherrn übersendet werden (siehe 4.4).
Wie viele Einzelheiten dem Dienstherrn mitgeteilt werden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine verbindliche Regelung gibt es nicht. Es muss immer zwischen
dem dienstlichen Informationsinteresse und dem persönlichen Geheimhaltungsinteresse
unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden.
Theoretisch können dem Dienstherrn auch weitere, über die Erforderlichkeit hinausgehende
ärztliche Erkenntnisse mitgeteilt werden, beispielsweise detaillierte Darstellung zusätzlicher
bzw. außerdienstlicher psychosozialer Belastungen. Dann aber sollte der Beamte mit der
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Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Weitergabe dieser Erkenntnisse einverstanden sein und dieses mit einer separaten
schriftlichen Entbindung von der Schweigepflicht dokumentieren. Hierzu kann der Beamte
aber nicht verpflichtet werden.
4.3.2. Schweigepflicht bei Kontaktaufnahme mit anderen Ärzten und Institutionen
Im Verhältnis des ärztlichen Gutachters zum behandelnden Arzt gilt die Befugnis aus § 45
Abs. 2 NBG nicht. Es ist eine Schweigepflichtentbindung erforderlich, bei der privat
behandelnde Ärzte bzw. Kliniken gegenüber dem ärztlichen Gutachter von der Schweigepflicht entbunden werden. Auch bei Übersendung von medizinischen Berichten vom
ärztlichen Gutachter an einen Fachgutachter sollte vorher eine Einverständniserklärung des
Beamten eingeholt und zur Akte genommen werden.
Weigert sich der Beamte, eine solche Schweigepflichtentbindung zu unterschreiben, sollte
umgehend der Dienstherr informiert werden. Nur der Dienstherr und nicht der ärztliche
Gutachter kann die Erteilung einer Schweigepflichtentbindung anordnen.
4.3.3. Form der Schweigepflichtentbindung
Ein allgemeingültiges Muster für ärztliche Schweigepflichtentbindungen ist nicht
vorgeschrieben. Es empfiehlt sich, für jeden angeschriebenen Arzt oder Institution eine
separate vom Beamten einzeln unterschriebene Schweigepflichtentbindung zu verwenden.
Neben den genauen persönlichen Daten des Beamten und dem Datum sollten der Anlass der
Begutachtung sowie Art und Zeit der Behandlungen möglichst konkret benannt werden. Es
empfiehlt sich auch, den Hinweis aufzunehmen, dass die Entbindung jederzeit widerruflich
ist. Unter Berücksichtigung der genannten Empfehlungen wurde ein Musterexemplar
entwickelt (siehe Anlage 7). Vor der Verwendung sollte dieses Exemplar im eigenen Amt
angepasst und juristisch geprüft werden.
4.4. Dokumentation/Versendung des Gutachtens
In der Akte des Beamten müssen im Gesundheitsamt folgende Unterlagen zur
amtsärztlichen Untersuchung und Begutachtung vorhanden und archiviert sein:

Auftrag mit Fragestellung und "Fragebogen zur Überprüfung der Dienstfähigkeit"
oder dem landeseinheitlichen Vordruck 030_022 (siehe Anlage 3a)

Selbstauskunftsbogen (falls vorhanden)
18
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht

Dokumentation der Art der Identifikation des Beamten (Ausweis, persönlich bekannt
etc.)

Dokumentation der Anamnese (Krankheits-, Berufs-, Sozial-)

Dokumentation der körperlichen Untersuchungsbefunde

Dokumentation des psychopathologischen Befundes

Dokumentation
weiterer
Befunde
(z. B.
Laborbefunde,
Testpsychologische
Diagnostik)

Relevante Fremdbefunde, die als Quellenangaben im Gutachten erscheinen

Fachärztliche Zusatzgutachten, falls vorhanden

Schweigepflichtentbindungen, Aufklärungsbestätigung

Komplettes Gutachten
Das Gutachten wird in schriftlicher Form als "vertrauliche Personalsache" an den
Auftraggeber versendet. Der Beamte erhält eine Kopie des Gutachtens, wenn medizinische
Gründe nicht dagegen sprechen.
19
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
5.
Das Gutachten
5.1.
Das
Aufbau des amtsärztlichen Gutachtens
Gutachten
soll
der
entscheidenden
Behörde
eine
umfassende
und
auch
verwaltungsgerichtlich überprüfbare Entscheidungsgrundlage zur Erfüllung ihrer Aufgaben
geben.
Vom ärztlichen Gutachter sind die Daten zu übermitteln, die für die Entscheidung über die
Frage der Dienstfähigkeit oder einen etwaigen anderen Einsatz erforderlich sind. Dazu
gehört grundsätzlich das Ergebnis der Untersuchung (Krankheitsbild einschließlich, soweit
erforderlich, der Beschreibung des Krankheitsverlaufes) sowie die Auswirkungen auf die
dienstliche Tätigkeit im Sinne eines positiven und negativen Leistungsbildes.
20
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Nach dem Hinweis:
Vertrauliche Personalsache, Adressfeld mit Namen des Sachbearbeiters, Briefkopf mit Datum
folgt die Überschrift:
"Amtsärztliche Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit"
und der Untersuchungszweck:
z. B. "Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§ 43 NBG i.V.m.
§ 26 BeamtStG)"
Es schließen sich folgende Überschriften bzw. Gliederungspunkte an:
1. Stammdaten
Name
Vorname
Geburtsdatum
PLZ/Wohnort
Straße
Identifikation durch …
Aktenzeichen
2. Datum und Ort der Untersuchung
3. Anlass der Begutachtung
4. Berufliche Situation
5. Folgende Unterlagen wurden bei der Begutachtung berücksichtigt
6. Beantwortung der vom Auftraggeber gestellten Zielfragen/Beurteilung
1. - 11. (aus Runderlass des MS und MI vom 11.02.2015)
7. Name, Unterschrift und Qualifikation des ärztlichen Gutachters
21
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Erläuterungen zu den Gliederungspunkten:
Zur Überschrift: Fragestellung mit Rechtsgrundlage benennen, z. B.

Überprüfung der Dienstfähigkeit (§§ 43, 45 NBG)

Möglichkeit der begrenzten Dienstfähigkeit (§ 43 NBG)

Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung wegen vorübergehend herabgeminderter
Dienstfähigkeit (§§ 11, 27 Nds. ArbZVO-Schule)
zu 1. Stammdaten: Name des Beamten, ggf. Geburtsname, Vorname, Geburtsdatum, Art der
Identifikation (z. B. Vorlage des Personalausweises)
zu 2. Datum und Ort der Untersuchung
zu 3. Untersuchungsanlass: Hier ist der Anlass der Untersuchung (z. B. Dienstunfähigkeit
seit…) ggf. näher auszuführen.
zu 4. Berufliche Situation: Darlegung der quantitativen (z. B. Wochenstundenzahl) und der
qualitativen Aufgabenwahrnehmung (ggf. Nennung von Sonderaufgaben, z. B. Teamleitung)
zu 5. Unterlagen, die bei der Begutachtung berücksichtigt wurden: Die Unterlagen werden
mit Namen des Verfassers, Hinweis auf dessen Qualifikation, Anlass und Datum des
Berichtes aufgeführt
zu 6. Beantwortung der gutachtlichen Zielfragen gemäß dem Gem. RdErl. d. MS u. d. MI
zu 7. Name des ärztlichen Gutachters, Unterschrift und ggf. Qualifikation
22
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
B. Fachspezifischer Teil
Im folgenden Teil werden die zu Beginn des Leitfadens genannten Krankheitsbilder im
Einzelnen kurz beschrieben. Eine umfassende Beschreibung der Krankheitsbilder würde den
Rahmen dieses Leitfadens übersteigen. Wir bitten, ggf. auf entsprechende Fachliteratur zurückzugreifen.
Es werden Angaben zu den üblichen Therapien mit dem Schwerpunkt auf zielführende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, zur Prognose und insbesondere zum
Leistungsbild gemacht.
Da sich die Notwendigkeit der Erstellung eines Fachgutachtens sowie die Zweckmäßigkeit
und der Zeitpunkt einer Nachuntersuchung nicht allein durch das Vorliegen eines
bestimmten Krankheitsbildes ergeben, wird zu diesen Themen nachfolgend Stellung
genommen.
Wann ist die Erstellung eines Fachgutachtens erforderlich?
Ergänzende fachärztliche Gutachten werden u. a. erforderlich, wenn eine maßgeblich die
Dienstfähigkeit beeinträchtigende Erkrankung vorliegt, bisher noch keine fachärztliche
Diagnostik erfolgte und keine Behandlungsempfehlungen ausgesprochen bzw. eingeleitet
wurden.
Die Entscheidung, ob ein Zusatzgutachten eingeholt wird, trifft der Dienstherr (siehe 4.2).
Wann
ist
eine
Nachuntersuchung
nach
Versetzung
in
den
Ruhestand/zur
Wiederverwendung sinnvoll?
Im Gutachten sind auch die Frage der Notwendigkeit einer Nachuntersuchung und deren
Zeitpunkt für den Fall der Versetzung in den Ruhestand zu beantworten.
Wegweisend sind folgende Kriterien:

Schweregrad der Erkrankung und Prognose

Therapieoptionen und deren Erfolgsaussichten

Motivation und Alter des Beamten
23
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Insbesondere bei noch andauernden therapeutischen Maßnahmen sollte nach deren
Abschluss eine Nachuntersuchung erfolgen, um den Krankheitsverlauf mit Auswirkung auf
die Dienstfähigkeit zu beurteilen.
6. Depressionen
6.1.
Beschreibung des Krankheitsbildes
Eine depressive Episode wird definiert als eine Störung der Grundgestimmtheit mit
anhaltend gedrückter Stimmung über mehr als zwei Wochen mit mindestens zwei Hauptund zwei Zusatzsymptomen, nicht selten in Verbindung mit Insuffizienz- und Angstgefühlen
(gelegentlich bis hin zu einer Angststörung).
Hauptsymptome:

gedrückte Stimmung (keine Trauer)

Interessenverlust, Freudlosigkeit

Antriebsmangel, schnelle Ermüdbarkeit
Häufige Zusatzsymptome:

Störung der Konzentration, der Aufmerksamkeit und des Denkvermögens

vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit

negative und pessimistische Zukunftsperspektiven

Suizidgedanken/-handlungen

Schlafstörungen

verändertes Essverhalten
Für die Diagnose einer schweren depressiven Episode werden alle drei Hauptsymptome und
mindestens vier Zusatzsymptome gefordert.
Die Schwere der Symptome ist Tagesschwankungen unterworfen. Ein morgendliches
Stimmungstief,
frühmorgendliches
Erwachen,
Gequältsein
und
Grübeleien
sowie
verminderte sexuelle Lust sind nicht selten.
24
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Die Hemmung des Antriebs geht häufig mit Verlangsamung der Reaktionen, Bewegungen,
der Sprache, des Denkens und der Auffassung einher. Mimik und Gestik sind starr.
Kreativität, Konzentration und Merkfähigkeit schwinden. Sozialer Rückzug wird deutlich.
Häufig sind suizidale Gedanken vorhanden.
Bei schweren depressiven Episoden sollten psychotische Zusatzsymptome erfasst werden.
Die einzelnen Symptome müssen über eine fundierte Exploration des Patienten im ärztlichen
Gespräch erhoben werden (ggf. Zusatzgutachten bei Fachgutachter). Die Betroffenen einer
Melancholischen Depression (schwere Ausprägung einer Depression) beklagen, dass sie
nichts mehr fühlen.
Als körperliche Beschwerden (Somatisierung) können im Rahmen einer Depression z. B.
Schmerzen, Druckgefühle, Herzrasen, Schwindel oder Atembeschwerden auftreten, in
manchen Fällen können diese sogar im Vordergrund stehen.
Ein Ausschluss organischer Ursachen (z. B. Hirnfunktionsstörung durch Tumor oder
ähnliches, Schilddrüsenerkrankung, Störung der Nebennierenfunktion, Medikamenteninduzierte Depression) und die Abgrenzung gegenüber einer Demenz müssen erfolgen.
Einteilung nach ICD 10: F32.x – F34.x
6.2.
Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit
Nach aktuellem Stand hat die beste Wirksamkeit eine Kombination aus Psychotherapie mit
Psychopharmakotherapie. Es ist also zu prüfen, ob der Betroffene ausreichend und zeitnah
behandelt worden ist. Hierbei ist auch darauf zu achten, ob (teil-)stationäre oder
rehabilitative Maßnahmen bereits versucht worden sind.
Übliche Therapieformen sind beispielsweise: Kognitive Psychotherapie, Interpersonelle
Therapie (IPT), Tiefenpsychologisch orientierte/fundierte oder psychodynamische Psychotherapie, Gesprächstherapie nach Carl R. Rogers.
Wenn bei chronischen Depressionen begleitende Erkrankungen wie Zwangsstörungen,
Panik-
oder
Angststörungen,
Essstörungen,
Substanzmissbrauch
oder
Persönlichkeitsstörungen vorliegen (Co-Morbidität), sind vielfach zusätzliche Behandlungsmaßnahmen erforderlich. Von einer psychotischen Depression spricht man, wenn zusätzlich
25
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Wahnideen auftreten. Eine stationäre Behandlung bei einer Depression mit psychotischen
Symptomen ist meist unumgänglich.
Es sollte erfragt werden, inwieweit Kontextfaktoren des Arbeitsumfeldes für die
Exazerbation mitverantwortlich sind, um hieraus Empfehlungen für eine Umgestaltung des
Arbeitsplatzes oder eine spezielle Anpassungsleistung bei dem Betroffenen ableiten zu
können.
6.3.
Prognose und prognostische Kriterien
In zwei Dritteln der Fälle verlaufen die Phasen abgegrenzt. Häufig kann eine Remission
erreicht werden. Bei einem Drittel tritt lediglich eine teilweise Besserung ein. Etwa 15-20%
weisen längere Verläufe auf oder neigen zur Chronifizierung.
6.4.
Leistungsbild
Alleinige Traurigkeit oder das Unglücklichsein über die Arbeitssituation belegen noch keine
berufliche Minderbelastbarkeit. Hinweise auf verminderte berufliche Belastbarkeit sind
Konzentrationsstörungen, eingeschränkte Fähigkeit zur Daueraufmerksamkeit und Antriebsstörungen.
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben

Flexibilität und Umstellungsfähigkeit

Durchhaltefähigkeit

Selbstbehauptungsfähigkeit

Kontaktfähigkeit zu Dritten
26
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
7. Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit
Zwischen den Abhängigkeitsformen, ihrer Symptomatik, Diagnostik, Behandlung und
Prognose bestehen zahlreiche Parallelen. Aufgrund der Relevanz für gutachterliche
Fragestellungen wird im Folgenden auf die Alkoholabhängigkeit (a) ausführlicher und auf die
Medikamentenabhängigkeit (b) kürzer eingegangen.
7.1.
Beschreibung des Krankheitsbildes
Nach ICD 10: F10 handelt es sich beim Abhängigkeitssyndrom "um eine Gruppe körperlicher,
Verhaltens- und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz oder
Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen,
die von ihr früher höher bewertet wurden."
Typische Symptome:

verminderte Kontrollfähigkeit

eingeengte Verhaltensmuster

Fortsetzung des Substanzkonsums trotz eingetretener schädlicher Folgen

ein starker Wunsch oder eine Art Zwang nach der Substanz

Toleranzentwicklung

Entzugssymptomatik
Zur Diagnose eines substanzgebundenen Abhängigkeitssyndroms müssen mindestens drei
der oben genannten Kriterien während des letzten Jahres gemeinsam erfüllt gewesen sein.
Laboruntersuchungen unterstützen die Diagnostik.
a) Alkoholabhängigkeit
Zusätzliche Symptome/Befunde:

Ethanol und Abbauprodukte sind nach Aufnahme von Alkohol über eine unterschiedlich
lange Zeitdauer in Blut, Urin und Haaren nachweisbar.

Zum
Screening
von
riskantem
oder
schädlichem
Alkoholgebrauch
oder
Alkoholabhängigkeit sollen Fragebögen eingesetzt werden und eine geeignete
Kombination von Laborwerten, z. B. GGT, MCV und CDT.

Alkohol assoziierte körperliche Erkrankungen können zahlreiche Organe betreffen, wie
27
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
o
Leber in Form einer Fettleber, Hepatitis oder Zirrhose mit der möglichen Spätfolge
eines hepatozellulären Karzinoms
o
Pankreas
o
Herz- und Kreislaufsystem, Bluthochdruck
o
Nervensystem (z. B. alkoholische Polyneuropathie, Korsakow-Syndrom)
o Mundhöhle, Oesophagus und Larynx (erhöhtes Karzinomrisiko)
o
Das Risiko für Unfälle und Gewalt ist erhöht.
Auf das Vorliegen zusätzlicher psychischer Erkrankungen wie einer Depression, einer
bipolaren affektiven Störung, Angststörung, Persönlichkeitsstörung, Belastungsstörung,
Schizophrenie muss geachtet werden.
Einteilung nach ICD 10: F10.1 – F10.2
7.2.
Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit
Therapieziel ist die lebenslange Abstinenz von Alkohol. Auch die Reduktion der Trinkmenge
wird als zumindest vorübergehendes Therapieziel für Alkoholabhängige anerkannt.
Therapeutische und weitere zielführende Maßnahmen:

körperliche Entgiftung zur Behandlung von Alkoholintoxikationen oder von
Alkoholentzugssymptomen,
idealerweise
im
Rahmen
einer
"Qualifizierten
Entzugsbehandlung". Diese umfasst zusätzlich
o Diagnostik und Behandlung der psychischen und somatischen Begleit- und
Folgeerkrankungen
o Interventionen zur Förderung von Änderungsbereitschaft, Änderungskompetenz
und Stabilisierung der Abstinenz
o ambulant oder stationär, je nach Rahmenbedingungen

Postakutbehandlung möglichst nahtlos nach der Entzugsphase, um das primäre
Therapieziel "Abstinenz" zu erreichen.
o Mitbehandlung einer ggf. vorliegenden psychischen Komorbidität
o Die Entwöhnungsbehandlung mit Einzel- und Gruppentherapien kann ambulant,
teilstationär oder stationär erfolgen.

haus- oder fachärztliche Versorgung
28
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht

therapeutische Gespräche für Bezugspersonen

Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe

ggf. medikamentöse Rückfallprophylaxe

ggf. zusätzliche Abstinenzkontrollen, angeordnet durch den Dienstherrn, können auch
Unterstützung zur Abstinenz sein. Bewährt hat sich der Nachweis von Ethylglucuronid
(EtG) im Urin oder in Haaren sowie von Phosphatidylethanol (PEth) im Vollblut.
7.3.
Prognose und prognostische Kriterien
Hinweise auf eine fehlende Dienstfähigkeit:

der Beamte erscheint intoxikiert am Arbeitsplatz (Bedienung von Maschinen oder
Fahrzeugen? Soziales Erscheinen bei Kontakt mit Publikum/Öffentlichkeit?)

körperliche Entzugssymptomatik

kognitive Störungen

weitgehende irreversible Schäden und Störungen durch somatische Komorbiditäten
Es muss damit gerechnet werden, dass nicht abstinente Menschen mit Alkoholabhängigkeit
die erforderliche Zuverlässigkeit für die dienstliche Tätigkeit nicht wieder erlangen.
Bei "lediglich" schädlichem Gebrauch (Missachtung der negativen, sozialen und körperlichen
Folgen ohne Hinweis auf unkontrollierten Konsum) liegt gewöhnlich Dienstfähigkeit vor.
Grundsätzlich gelten die Betriebsvereinbarungen des Dienstherrn zu Abhängigkeitserkrankungen.
7.4.
Leistungsbild
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen

Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben

Kompetenz- und Wissensanwendung

Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit

Proaktivität und Spontanaktivitäten

Fähigkeit zur Selbstpflege und Selbstversorgung

Mobilität und Verkehrsfähigkeit
29
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Medikamentenabhängigkeit
Bei den zur psychischen Abhängigkeit führenden Medikamenten handelt es sich
insbesondere um:

Schlaf- und Beruhigungsmittel, v. a. Benzodiazepine und Barbiturate, in den letzten
Jahren auch sogenannte Z-Drugs (die Wirkstoffnamen beginnen alle mit Z, wie z. B.
Zolpidem und Zopiclon). Dabei handelt sich um Benzodiazepinagonisten mit ähnlicher
Wirkung und ähnlichem Abhängigkeitspotenzial wie die Benzodiazepine.

Schmerzmittel, häufig in Kombination mit zentral dämpfenden oder erregenden Stoffen,
z. B. Opiate.

Weck- und Aufputschmittel, v. a. Ephedrine und Amphetaminabkömmlinge wie z. B.
Methylphenidat. Psychostimulanzien stehen zunehmend im Mittelpunkt, wenn es um
Neuro-Enhancement oder "Hirndoping" geht.
Zusätzliche Symptome/Befunde
•
Der Labornachweis ist möglich als Screening-Untersuchung im Urin, gerichtsfeste
Nachweise in Blut und Urin, auch in Haaren.

Assoziierte gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen sind
o Nierenfunktionsstörungen
o Leberschäden
o Störung des blutbildenden Systems
o medikamenteninduzierter Kopfschmerz
o hirnorganische Beeinträchtigungen bis hin zum Persönlichkeitsabbau
o soziale Konflikte durch körperliche und psychische Leistungsminderung.
Psychische Begleiterkrankungen sind nicht selten.
Einteilung nach ICD 10: F13.2, F11.2, F15.2
Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit
Laut der Deutschen Rentenversicherung führt eine Medikamentenabhängigkeit selten zu
einem Renten- oder Rehabilitationsantrag, trotz der großen Zahl von Betroffenen (in
Deutschland ca. 1,9 Millionen Medikamentenabhängige). Bei Organschädigungen oder
psychischen Erkrankungen wird eine Medikamentenabhängigkeit eher als zusätzliche
Diagnose festgestellt.
30
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Die Therapie richtet sich demnach also zunächst nach den vorliegenden Organschäden oder
beginnt
mit
der
Behandlung
Medikamentenabhängigkeit
der
diagnostiziert
psychischen
ist,
Erkrankung.
erfolgen
Wenn
Entzugs-
die
und
Entwöhnungsbehandlung mit Stabilisierung der Persönlichkeit.
Prognose und prognostische Kriterien
Diese ist vor allem abhängig vom Ausmaß der Organstörungen, der vorliegenden
psychischen Erkrankung und der Fähigkeit zur Abstinenz.
Leistungsbild
Vorrangig sind häufig die Auswirkungen der Organschäden auf die Leistungsfähigkeit.
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich je nach abhängigkeitsauslösender
Substanz und den psychischen Begleiterkrankungen in folgenden Bereichen ergeben:
•
Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen
•
Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben
•
Kompetenz- und Wissensanwendung
•
Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit
•
Proaktivität und Spontanaktivitäten
•
Fähigkeit zur Selbstpflege und Selbstversorgung
•
Mobilität und Verkehrsfähigkeit
31
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
8. Angststörungen
8.1.
Beschreibung des Krankheitsbildes
Angsterkrankungen
gehören
Angsterkrankungen
stehen
zu
den
häufigsten
unrealistische
psychischen
Befürchtungen
im
Störungen.
Vordergrund.
Bei
Eine
psychoreaktive Genese wird angenommen. Häufige Ausprägungsformen sind die soziale
Phobie, andere, spezifische Phobien, die Panikstörung und die generalisierte Angststörung.
Die letzten beiden sind für die Beurteilung der Dienstfähigkeit am relevantesten.
Typische Symptome:
Panikstörung

Plötzlich
auftretende
Angstgefühle
mit
körperlicher
und
psychischer
Begleitsymptomatik wie Herzrasen, Schwitzen, Hyperventilation und Todesängsten

unvorhersehbar, keine Beschränkung auf spezifische Situationen
Agoraphobie

Beschwerden, verbunden mit Ängsten einen vermeintlich sicheren Ort zu verlassen,
wie z. B. das eigenen Haus

Es besteht oft eine Vermeidungstendenz mit Neigung zur Entwicklung einer
sogenannten Erwartungsangst (Angst vor der Angst).
Generalisierte Angststörung

Leitsymptom ist die frei flottierende, nicht situationsbestimmte Angst, die mit
körperlichen Symptomen, wie z. B. Schwindel, Schwitzen und Bauchschmerzen
vergesellschaftet sein kann.
Soziale Phobie

Angst, im Mittelpunkt zu stehen

Angst vor Situationen mit der Möglichkeit von Mitmenschen kritisch beurteilt zu
werden.
Spezifische Phobien
Übertriebene Furcht, die durch einzelne Objekte hervorgerufen wird.
Einteilung nach ICD 10: F40.x – F41.x
32
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
8.2.
Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit
Panikstörung/Agoraphobie, Generalisierte Angststörung, Soziale Phobie
Es ist zu prüfen, ob der Betroffene leitliniengerecht ausreichend und zeitnah behandelt
worden ist. Neben einer kognitiven Verhaltenstherapie wird eine medikamentöse
Behandlung mit Antidepressiva empfohlen. Die medikamentöse Behandlung sollte nach
eingetretener Remission sechs bis zwölf Monate weitergeführt werden.
Spezifische Phobie
Psychotherapie: Patienten soll eine Expositionstherapie angeboten werden.
Indikationen zur Rehabilitation bei Angststörungen u. a.:

Eingetretene oder drohende Chronifizierung trotz Ausschöpfung der ambulanten
Behandlungsmöglichkeiten

Gefährdung der Teilhabe am Erwerbsleben, vor allem bei längerdauernder (länger als
sechs Wochen) Dienstunfähigkeit und Gefährdung der Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben bzw. der Selbstständigkeit als Folge der Angststörung.
8.3.
Prognose und prognostische Kriterien
Panikstörungen: Meist chronischer Verlauf mit Wechsel zwischen gesunden und kranken
Phasen.
Generalisierte Angststörung: Chronischer, phasenhafter Verlauf.
Soziale Phobien: Eher durchgehender Verlauf.
Spezifische Phobien: Selten Einfluss auf die Dienstfähigkeit.
8.4.
Leistungsbild
Nicht die Diagnose, sondern die Einschränkungen führen bei verschiedensten Phobien zur
Dienstunfähigkeit.
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:
33
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht

Flexibilität und Umstellungsfähigkeit

Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit

Selbstbehauptungsfähigkeit

Kontaktfähigkeit zu Dritten

Verkehrsfähigkeit
Allgemeine Hinweise:

Phobische Störungen sind meist gut zu therapieren.

Therapeutische Möglichkeiten sollten ausgeschöpft worden sein (akutmedizinische
Versorgungsmöglichkeiten und stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen).

Häufige Auslösesituationen im Arbeitsfeld können bei phobischen Störungen
Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens hervorrufen (ggf. ist unter
Berücksichtigung des Leistungsbildes eine betriebsinterne Umsetzung, Anpassung des
Arbeitsplatzes zu prüfen).

Quantitative Leistungsminderung sowie Gefährdung der Dienstfähigkeit kann bei
ausgeprägter, chronifizierter Agoraphobie oder generalisierter sozialer Phobie,
generalisierter Angststörung und Panikstörung verbunden mit sehr ausgeprägten
Einschränkungen mit Teilhabegefährdung vorliegen. Die Feststellung einer befristeten
quantitativen Leistungsminderung kann aber durch eine Befreiung von den
Arbeitsanforderungen auch zu einer Chronifizierung beitragen.

Neben dem Krankheitsverlauf auch Berücksichtigung möglicher Komorbiditäten.
34
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
9. Anpassungsstörungen
9.1.
Beschreibung des Krankheitsbildes
Nach ICD 10 handelt es sich um "Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler
Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und
während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder
nach belastenden Lebensereignissen auftreten." Die individuelle Prädisposition spielt eine
gewisse Rolle; prinzipiell ist aber davon auszugehen, dass die Erkrankung ohne die
belastenden Ereignisse nicht aufgetreten wäre.
Symptome:

depressive Stimmung, Angst und Sorge (häufig Mischung der Symptome)

Gefühl, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht
vorausplanen oder fortsetzen zu können.

Gelegentlich Störung des Sozialverhaltens (besonders bei Jugendlichen)
Der Beginn einer Anpassungsstörung ist innerhalb eines Monats nach dem belastenden
Ereignis zu erwarten. Üblicherweise dauert sie nicht länger als sechs Monate (Ausnahme:
längere depressive Reaktion, bis zu zwei Jahren).
Zu beachten sind auch körperliche Erkrankungen, bei denen in einer Häufigkeit von 20-30%
Anpassungsstörungen auftreten (z. B. Krebserkrankungen, KHK und nach Myocardinfarkt,
schwere
Herzinsuffizienz,
chronische
Lungenerkrankungen,
Diab.
mell.
und
Niereninsuffizienz mit Dialyse).
Einteilung nach ICD 10: F43.2
9.2.
Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit

Medikamentöse Therapie mit Antidepressiva (zeitlich begrenzt)

Psychotherapie mit dem Ziel der Erarbeitung von Bewältigungsstrategien und Nutzung
vorhandener persönlicher Ressourcen
35
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
9.3.
Prognose und prognostische Kriterien
Die Anpassungsstörung selbst hat eine positive Prognose. Es ist zu erwarten, dass sie
üblicherweise nach sechs Monaten abgeklungen und die volle Dienstfähigkeit wieder
hergestellt ist.
Aus einer Anpassungsstörung können sich allerdings Depressionen, Angststörungen,
Somatisierungen, Suchterkrankungen bis hin zu Persönlichkeitsstörungen entwickeln. Dann
muss von länger dauernden Erkrankungen ausgegangen werden (s. entsprechende
Krankheitsbilder).
9.4.
Leistungsbild
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben

Flexibilität und Umstellungsfähigkeit

Durchhaltefähigkeit

Kontaktfähigkeit zu Dritten

Fähigkeit zu außerberuflichen Kontakten
In den meisten Fällen spielt die Anpassungsstörung für die dauernde Dienstunfähigkeit von
Beamten auf Grund des kurzen zeitlichen Rahmens kaum eine Rolle. Oft bedingt sie nur eine
vorübergehende Dienstunfähigkeit.
Je nach Schwere des Krankheitsbildes wäre eine begrenzte Dienstfähigkeit für den Zeitraum
von sechs Monaten denkbar.
36
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
10.
Somatoforme Störung
10.1. Beschreibung des Krankheitsbildes
Somatoforme Störungen sind charakterisiert durch eine subjektive Beeinträchtigung in Form
unterschiedlicher anhaltender oder häufig wiederkehrender körperlicher Beschwerden.
Dazu kommen hartnäckige Forderungen nach medizinischen Untersuchungen, trotz
wiederholt negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht
körperlich begründbar sind. Auch wenn somatische Störungen vorhanden sind, erklären
diese nicht die Art und das Ausmaß der Symptome, das Leiden und die innere Beteiligung
des Patienten.
Ursache der Beschwerden sind Affekte wie Wut, Ängste usw., die nicht zugelassen werden
können und unbewusst in körperliche Symptome umgesetzt werden. Die Suche nach
Aufmerksamkeit spielt oft eine wichtige Rolle. Depressive Symptome und Ängste sind häufig
mit somatoformen Syndromen assoziiert.
Beispiele wären verschiedene Schmerzsyndrome ohne entsprechendes organisches Korrelat,
Kopfschmerzen, Globusgefühl, Stiche im Brustkorb, eine Reizblase und ein Reizdarmsyndrom. Oft kommt es im zeitlichen Verlauf auch zu einem Symptomwechsel.
Bei 80% der Bevölkerung kommt es zumindest zeitweise zu somatoformen Störungen, die in
der Regel von selbst vorüber gehen. Bei 4-20% der Menschen chronifizieren diese
Beschwerden jedoch. Es ist oft schwierig Krankheitseinsicht bei dem Betroffenen bezüglich
der Krankheitsentstehung zu erzielen, da meistens ein rein somatisches Krankheitsverständnis vorliegt. Häufig kommt es zu vielen Wechseln der medizinischen Behandler ("Ärztehopping"), welches die Therapie weiter erschwert.
Die Diagnose einer somatoformen Störung beruht zunächst auf dem Ausschluss einer
organischen Verursachung der beklagten Körperbeschwerden. Dazu muss aber eine
psychische Diagnostik kommen, die gegenwärtige Affekte, psychische Konflikte, Aspekte der
psychischen Struktur, biographische Belastungen und soziale und kulturelle Faktoren
berücksichtigt. Diese Diagnostik sollte bei mehr als sechs Monate anhaltenden Beschwerden
möglichst durch einen Facharzt für Psychiatrie oder eine vergleichbare fachkompetente
Person erfolgen. Die Unterscheidung zwischen der Simulation von Beschwerden und einer
37
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
echten Störung ist sehr schwierig und erfordert meistens eine Beurteilung durch einen Facharzt für Psychiatrie.
Hinweise auf eine Simulation ergeben sich, wenn:

die geschilderten Beschwerden ausschließlich beim Arzt oder in bestimmten
Situationen auftreten,

Angaben des Dienstherrn oder andere fremdanamnestische Angaben (z. B. in
Vorbefunden) und die Schilderungen des Betroffenen deutlich differieren,

in gleichen Tests stark voneinander abweichende Ergebnisse erzielt werden.
Bei kognitiven Störungen sind die Angaben des Betroffenen zurückhaltend zu bewerten.
Gegebenenfalls sollte in diesen Fällen eine psychologische Leistungstestung durchgeführt
werden.
Einteilung nach ICD 10: F45.x
10.2. Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit
Die Beschwerden der Betroffenen müssen ernst genommen, sollten aber auch nicht zu stark
beachtet werden. Längerdauernde Schonung ist zu vermeiden. Regelmäßige leichte körperliche Aktivität und evtl. Entspannungstraining sind sinnvoll. Der Erhalt der Tages- bzw. der
Arbeitsstruktur ist sehr wichtig. Eine ambulante bzw. stationäre Psychotherapie ist bei
anhaltenden Beschwerden empfehlenswert. Medikamentöse Behandlungen sind kritisch
abzuwägen (dies gilt insbesondere für Schmerzmittel und Psychopharmaka). Ziel aller
Maßnahmen ist der Erwerb einer inneren Haltung bei dem Betroffenen, die zu einem Rückgang der Symptomatik führt.
10.3. Prognose und prognostische Kriterien
Die Verläufe somatoformer Störungen sind inter- und intraindividuell sehr unterschiedlich
und reichen von spontanen Remissionen bis hin zu schweren chronischen Verläufen.
Chronische Verläufe werden durch wiederholte und unnötige Organdiagnostik, organ38
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
medizinisch anmutende "Verlegenheitsdiagnosen", Medikamentenverordnungen ohne klare
Indikation und lange Krankschreibungen gefördert. Die Prognose ist abhängig vom
Chronifizierungsgrad und von vorhandenen komorbiden psychischen Störungen. Auch das
Erzielen von Krankheitseinsicht bei dem Betroffenen und die Bereitschaft des Erkrankten
sich auf psychotherapeutische Behandlungen einzulassen ist dabei wesentlich.
Unter optimaler Therapie lassen sich durchaus deutliche Verbesserungen der Symptomatik
bis hin zur Beschwerdefreiheit erzielen. Die somatoforme Reaktionsbereitschaft bleibt
jedoch erhalten und damit auch eine gewisse Neigung zum Wiederauftritt der Störung in
bestimmten belastenden Situationen.
10.4. Leistungsbild
Die Dienstfähigkeit des Beamten ist abhängig von der Ausprägung der Symptomatik und vom
Verlauf (akut/chronisch).
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Flexibilität und Umstellungsfähigkeit

Durchhaltefähigkeit

Anpassung an Regeln und Routinen

Selbstbehauptungsfähigkeit

Kontaktfähigkeit zu Dritten

Gruppenfähigkeit

Familiäre und intime Beziehungen

Spontanaktivitäten
39
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
11. Persönlichkeitsstörungen
11.1. Beschreibung des Krankheitsbildes
Die Persönlichkeit eines Menschen ist die Summe seiner psychischen Eigenschaften und
Verhaltensmuster,
die
ihm
eine
individuelle,
wesenseigene
Identität
verleihen.
Persönlichkeitsstörungen sind extreme Ausprägungen eines Persönlichkeitsstils mit
unflexiblen, starren und unzweckmäßigen Persönlichkeitszügen, die zu häufigen Konflikten
mit der Umwelt führen und die Lebensqualität des Betroffenen beeinträchtigen. Sie können
diagnostiziert werden, wenn die problematischen Persönlichkeitszüge stabil und
langandauernd vorliegen und bis ins Jugend- oder frühe Erwachsenenalter zurückverfolgt
werden können. Die Verhaltensmuster bei Persönlichkeitsstörungen weichen von einem
flexiblen, situationsangemessenen Erleben und Verhalten in charakteristischer Weise ab.
Persönlichkeitsstörungen werden nach ihren charakteristischen Merkmalen unterteilt, wobei
jedoch häufig Überschneidungen vorkommen.
Nähere Beschreibung der Persönlichkeitsstörungen nach ICD 10:

paranoide Persönlichkeitsstörung (starkes Misstrauen anderen Menschen gegenüber,
deren Äußerungen und Handlungen werden oft als feindlich missgedeutet, erhöhte
Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisungen, Streitsucht)

schizoide Persönlichkeitsstörung (eingeschränkte Fähigkeit Freude zu erleben und
Gefühle auszudrücken, Mangel an vertrauensvollen Beziehungen, geringes Gespür für
soziale Konventionen, einzelgängerisches Verhalten)

emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (Impulsivität ohne
Rücksicht auf die Konsequenzen, Stimmungsschwankungen/emotionale Instabilität,
Angst vor dem Alleinsein, anhaltendes Gefühl von Leere, instabile Beziehungen, häufig
Selbstverletzungen, erhöhte Suizidtendenzen)

emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (Impulsivität ohne
Rücksicht auf die Konsequenzen, Stimmungsschwankungen/emotionale Instabilität,
mangelnde Impulskontrolle)

histrionische Persönlichkeitsstörung (übertriebener, oft theatralischer Ausdruck von
Gefühlen,
dauerndes
Verlangen
nach
Aufmerksamkeit
und
Bewunderung,
Genusssucht, Mangel an Rücksichtnahme)
40
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht

dissoziale Persönlichkeitsstörung (Übertretung sozialer Normen mit Neigung zu
Aggressionen und Gewalt, Verantwortungslosigkeit, geringe Empathie, oft fehlendes
Schuldbewusstsein, geringe Frustrationstoleranz)

ängstliche Persönlichkeitsstörung (übermäßige Sorge, andauernde Angespanntheit,
starkes Bedürfnis nach Sicherheit)

abhängige Persönlichkeitsstörung (mangelnde Fähigkeit zu eigenen Entscheidungen,
verlassen sich auf andere Menschen und ordnen sich ihnen unter, Verantwortung wird
abgeschoben, große Trennungsangst)

anankastische
(zwanghafte)
Persönlichkeitsstörung
(Perfektionismus,
ständige
Kontrollen, Pedanterie, unflexibel, übermäßige Beschäftigung mit Details und Regeln,
Angst vor Fehlern)

passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung (tiefgreifende negative Einstellung der
Umwelt gegenüber, fühlt sich oft missverstanden und ungerecht behandelt, passive
Widerstände gegenüber Anforderungen aus sozialen und beruflichen Bereichen)

narzisstische Persönlichkeitsstörung (grandioses Selbstverständnis, Benötigen von
Bewunderung, ausbeuterisch in zwischenmenschlichen Beziehungen, Mangel an
Empathie, häufig neidisch, Phantasien von Macht, Erfolg, idealer Liebe spielen häufig
eine wichtige Rolle)
Ca. 8% der Menschen in Deutschland sind von Persönlichkeitsstörungen betroffen.
Für die Zuordnung der Typen ist die Ausprägung der Symptomatik im persönlichen Umfeld
und im Arbeitsumfeld wichtig. Da die Betroffenen ihr Verhalten oft nicht kritisch reflektieren
können, sollten möglichst fremdanamnestische Angaben mit einbezogen werden. Aufgrund
der Tragweite der Diagnose, sollte die Erstdiagnose durch einen Facharzt für Psychiatrie
erfolgen.
Einteilung nach ICD 10: F 60.x
11.2. Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit
Häufig liegen bei den Betroffenen der Persönlichkeitsstörungen keine Krankheitseinsicht und
kein ausreichender Leidensdruck vor, sodass keine Behandlung angestrebt wird oder
möglich erscheint, obwohl die Umwelt unter den Auswirkungen leidet. Medizinische
Behandlung wird eher bei begleitenden Depressionen bzw. Ängsten oder Selbstverletzungen
und Suizidalität in Anspruch genommen.
41
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Wünschenswert sind langfristige psychotherapeutische Behandlungen mit dem Ziel psychosoziale Fertigkeiten zu verbessern (Differenzierung emotionaler Ausdrucksmöglichkeiten,
Verbesserung der sozialen Wahrnehmung, Erlernen adäquater Beziehungsgestaltung,
Verbesserung der Affektregulation) und dadurch die Starrheit der Persönlichkeitszeichen
abzumildern. Die Therapie ist dabei besonders auf Handlungsmöglichkeiten ausgerichtet und
setzt nicht in erster Linie an der Persönlichkeit an.
Angewendet werden verhaltenstherapeutische und auch psychodynamisch ausgerichtete
Psychotherapieverfahren. Bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung ist die
dialektisch-behaviorale Therapie nach Linehan besonders wirksam, teilweise wird diese auch
als Intervalltherapie eingesetzt. Bei akut belastenden Situationen hilft in der Regel nur eine
Herausnahme aus dieser Situation.
Psychopharmakologische Therapien erfolgen symptomorientiert. Darüber hinaus ist die
Suche nach geeigneten Arbeitsbereichen wichtig, in denen die Persönlichkeitszüge vielleicht
vorteilhaft sind.
11.3. Prognose und prognostische Kriterien
Die Verläufe sind sehr unterschiedlich, je nach Ausprägung der Symptomatik. Deutliche
Verbesserungen lassen sich durch die genannten Therapien erzielen. Mit fortschreitendem
Lebensalter nimmt die Ausprägung der Persönlichkeitsstörungen in der Regel ab.
11.4. Leistungsbild
Häufig liegen längerfristige Beeinträchtigungen in der Leistungsfähigkeit vor.
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit

Fähigkeit zur Strukturierung von Aufgaben

Urteils- und Selbstbehauptungsfähigkeit

Kontakt- und Gruppenfähigkeit
Bei starken Ausprägungen kann je nach Tätigkeitsbereich Dienstunfähigkeit vorliegen.
42
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
12. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
12.1. Beschreibung des Krankheitsbildes
Eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte oder protrahierte
Reaktion auf ein Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder
katastrophenartigen Ausmaßes, die bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung
hervorrufen würden. Das Trauma kann einmalig auftreten (Typ I Trauma) wie z. B. ein
schwerer Unfall oder ein Terroranschlag oder länger andauern bzw. wiederholt auftreten
(Typ II Trauma) wie z. B. Kriegsgefangenschaft oder wiederholte Gewalterfahrungen/Vergewaltigungen. Das Auftreten einer posttraumatischen Belastungsstörung ist
abhängig von der Art des Traumas (bei Vergewaltigung und Folter eher als bei schweren
Verkehrsunfällen) und früheren Erfahrungen des Betroffenen bzw. besonderen Persönlichkeitsmerkmalen (bei zwanghaften Persönlichkeitszügen kommt es z. B. häufiger zum
Auftreten einer PTBS). Auch ein Trauma bei einer nahestehenden Person kann eine
Traumafolgestörung auslösen.
Eine Posttraumatische Belastungsstörung tritt in der Regel innerhalb von sechs Monaten
nach dem belastenden Ereignis auf und zeigt folgende Symptome:

sich aufdrängende Erinnerungen (Flash-backs, Albträume)

Schreckhaftigkeit

Emotionales Betäubtsein

Teilnahmslosigkeit/Gleichgültigkeit

Vermeidungsverhalten gegenüber Angst auslösenden Hinweisreizen bis hin zum
sozialen Rückzug

Emotionale Labilität

Gereiztheit mit Wutausbrüchen

Scham- und Schuldgefühle

Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, sich an wichtige Aspekte des belastenden
Erlebnisses zu erinnern
Oft kommen noch Depressionen, Ängste und Suchterkrankungen hinzu.
43
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Die komplexe PTBS ist eine wissenschaftliche Diagnose, sie ist nicht als eigenes Krankheitsbild anerkannt. Die Bezeichnung beschreibt eine PTBS, die mit starker zeitlicher Verzögerung
auftritt und zusätzliche Störungen (der Affekt- und Impulsregulation, der Aufmerksamkeit,
des Bewusstseins, der Beziehungsgestaltung usw.) aufweist. Differentialdiagnostisch sind vor
der Diagnosestellung einer komplexen PTBS unbedingt andere Erkrankungen, die
entsprechende Auffälligkeiten verursachen, in Erwägung zu ziehen.
Die Erstdiagnose einer PTBS sollte durch einen Facharzt für Psychiatrie erfolgen. Die
Sicherung des Traumas durch entsprechende Befragung ist dabei wesentlich, um eventuelle
Simulation aufdecken zu können.
Die Lebenszeitprävalenz eine PTBS zu entwickeln liegt bei 2-8%.
Einteilung nach ICD 10: F43.1
12.2. Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit

Eine Umgebung ohne weitere Traumata ist förderlich.

Informationsvermittlung zur Symptomatik und Hilfsmöglichkeiten (z. B. Opferhilfeorganisationen)

Bei Symptomausbruch sind kurzdauernde kognitiv-verhaltenstherapeutische Frühinterventionen zur Symptomkontrolle nützlich (zum/zur Erhalt/Wiederherstellung der
Alltagskompetenz).

Bei chronisch symptomatischer PTBS werden ambulante, teilstationäre und stationäre
traumaspezifische Therapien in kompensatorischer bzw. traumabearbeitender Form
eingesetzt. Auch die EMDR (Eye-movement desensitization and reprocessing) und
Psychopharmaka (besonders bei begleitender Depression) kommen zum Einsatz,
ergänzend auch Kunsttherapie, Ergotherapie, Progressive Muskelrelaxation usw.
12.3. Prognose und prognostische Kriterien
Der Verlauf ist sehr unterschiedlich. Die Prognose ist insbesondere bei frühzeitiger
Intervention und adäquater Therapie günstig. Die Chronifizierungstendenz ist insgesamt
hoch. Eine chronische PTBS kann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung übergehen.
44
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
12.4. Leistungsbild
Die berufliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen hängt von der Ausprägung der
Symptomatik ab. Bei stärkeren Symptomen wird wahrscheinlich zumindest vorübergehend
Dienstunfähigkeit vorliegen.
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Flexibilität/Umstellungsfähigkeit

Durchhaltevermögens

Selbstbehauptungsfähigkeit

Kontaktfähigkeit zu Dritten
45
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
13. Schizophrenie und wahnhafte Störungen
13.1. Beschreibung des Krankheitsbildes
Hierbei handelt es sich um eine Gruppe schwerer psychischer Störungen, bei denen es zu
einem vorübergehenden weitgehenden Verlust des Bezugs zur Realität kommt, und die
oftmals mit fehlender Krankheitseinsicht verbunden sind. Differentialdiagnostisch sind
Folgen organischer Erkrankungen (Hirntumor, Verletzungen, Infektionen, Medikamentenund Drogenintoxikation, Alkoholentzugsdelir) auszuschließen. 1% der Bevölkerung erkrankt
im Laufe des Lebens an einer Schizophrenie. Wahnhafte Störungen unterscheiden sich von
der Schizophrenie durch das Fehlen von Halluzinationen.
Typische Symptome (Schizophrenie):

Halluzinationen (Auftreten von Sinneswahrnehmungen ohne entsprechenden äußeren
Reiz.) Bsp.: optische, akustische und olfaktorische Halluzinationen

Wahnerleben (Der Betroffene erlebt eine Realität, die sich nicht mit dem
Realitätserleben anderer Menschen deckt. Der Betroffene ist von der Wahrhaftigkeit
des Erlebten unkorrigierbar überzeugt.) Bsp.: Eifersuchts- und Verfolgungswahn

Inhaltliche Denkstörungen (Was wird gedacht?)

Formale Denkstörungen (Denkhemmung, Gedankenflucht usw.)

Auch Ich-Störungen können vorkommen (Störungen der Ich-Umwelt Grenze, z. B. mit
dem Gefühl, dass die Gedanken von außen eingegeben werden oder dass die eigenen
Person als unwirklich/fremdartig wahrgenommen wird).

Starke Ängste treten oft in der Akutphase auf.

Andauernde Antriebs- und Konzentrationsstörungen sowie diffuse kognitive Störungen
sind bei Chronifizierung häufig und bilden das sog. Residualsyndrom.
Die Erstdiagnose sollte durch einen Facharzt für Psychiatrie erfolgen. Zirka 25% der
Schizophrenien chronifizieren.
Einteilung nach ICD 10: F20.x
46
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
13.2. Übliche Therapie und zielführende Maßnahmen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit

Die Pharmakotherapie steht sowohl in der Akutphase als auch in der Rezidivprophylaxe
im Vordergrund (Neuroleptika). Eine Depotmedikation kann langfristig stabilisierend
wirken.

Wichtig ist es bei dem Betroffenen ein Krankheitsverständnis zu erzielen für hilfreiche
und schädliche Aktivitäten.

Ergänzend Hilfen zur Alltagsbewältigung (z. B. Tagesstrukturierung)
13.3. Prognose und prognostische Kriterien
Es gibt vielfältige Verläufe, die von zwei psychotischen Phasen im Leben bis hin zu
chronischen Verläufen reichen. Prognostisch günstig sind eine gute prämorbide Sozialisation,
eine realistische Selbsteinschätzung, ausreichende soziale Kontaktfähigkeit, die Fähigkeit
Vereinbarungen längerfristig einzuhalten, akuter Eintritt, rasche Remission und das Fehlen
eines Residualsyndroms. Prognostisch ungünstig sind ausgeprägte subakut beginnende oder
langsam remittierende Episoden mit Residualsymptomen und begleitende Abhängigkeit von
psychotropen Substanzen.
13.4. Leistungsbild
Eine Individualbeurteilung je nach Symptomatik und Verlauf der Erkrankung ist erforderlich.
In den akuten Phasen liegt meist Dienstunfähigkeit vor. In der Regel wird dies bei
chronischen Verläufen auch im Remissionszustand so sein. Remittierte Betroffene sind
empfindlich für unstrukturierte Umgebungsbedingungen, wechselnde Anforderungen,
wechselnde Arbeitszeiten, emotionale Bedrängnis und Stress und können deswegen
Krankheitsrückfälle erleiden. Schichtdienst ist daher in der Regel nicht möglich.
Typische Einschränkungen nach Mini-ICF können sich in folgenden Bereichen ergeben:

Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit

Fähigkeit zur Strukturierung von Aufgaben

Urteils- und Durchhaltefähigkeit

Kontaktfähigkeit

soziale Kompetenz

Reaktionsgeschwindigkeit

Selbstpflege
47
Leitfaden zur amtsärztlichen Begutachtung psychischer Erkrankungen im Beamtenrecht
Quellenverzeichnis
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49
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Neurologen und Psychiater im Netz: Online-Lexikon „Krankheiten von A-Z“
http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/krankheiten/
Zugriff am 05.05.2016
50
Anlage 1: Prozess der Gutachtenerstellung im Beamtenrecht
Auftraggeber &
Empfänger des
Gutachtens
Gesundheitsamt (GA)
Der Beamte
Bemerkungen
Amtsärztlicher Dienst
Behörden (Dienstherr eines
Beamten)
Auftrag zur
amtsärztlichen
Überprüfung der
Dienstfähigkeit
GutachtenAuftrag
vollständig
?
1
Hinweis auf
Mitwirkungspflicht des
Beamten
Mitwirkung
NEIN
Ergänzungen
JA
2 Organisatorische Aspekte
•Schriftliche Einladung des
Beamten
•Aufklärung hinsichtlich Zweck
der Untersuchung und Befugnis
zur Gutachtenübermittlung
•Schweigepflichtentbindungen
•Versenden als „vertrauliche
Personalsache“
Erstellung des
Gutachtens unter
Berücksichtigung
inhaltlicher (u.
organisatorischer )
Aspekte
Entscheidung über
Dienstfähigkeit
• Stammdaten
- Aktenzeichen
• Datum /Ort der Untersuchung
• Anlass der Begutachtung
• Berufliche Situation
• Folgende Unterlagen wurden
bei der Begutachtung
berücksichtigt
• Beantwortung der vom
Auftraggeber gestellten
Zielfragen/Beurteilung
• Name, Unterschrift,
Qualifikation des Begutachters
Auftragsergänzungen
anfordern
Untersuchung,
Auswertung vorhandener
Befunde u. ggf. von
Zusatzgutachten
Erhalt Gutachten
Inhaltliche Aspekte
Versand des Gutachtens
Erhalt Gutachten
Anlage 2
Anlage 3a
Behörde, Dienststelle
•
•
Gesundheitsamt
Zutreffendes bitte ankreuzen
oder ausfüllen
Bearbeitet von
•
E-Mail
•
Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom
Mein Zeichen (Bei Antwort angeben)
Telefon
Ort, Datum
Amtsärztliche Untersuchung im Zusammenhang mit der Versetzung in den Ruhestand
wegen Dienstunfähigkeit sowie zur Feststellung einer begrenzten Dienstfähigkeit (§§ 26 ff.
BeamtStG,§§ 43 ff. NBG)
Untersuchungszweck
Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§ 26 BeamtStG)
Anlage:
Bd. Unterakten Erkrankungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
Versetzung in den Ruhestand bei Beamtenverhältnis auf Probe (§ 28 BeamtStG)
Wiederverwendung aus dem
Ruhestand (§ 29 BeamtStG)
Feststellung einer möglicherweise bestehenden begrenzten Dienstfähigkeit
(§ 27 BeamtStG)
hiermit bitte ich Sie, auf der Grundlage einer amtsärztlichen Untersuchung zur Frage der Dienstunfähigkeit im Sinne des § 26 BeamtStG
Stellung zu nehmen.
In Ihrem Gutachten bitte ich auch zu der Frage, ob die Beamtin oder der Beamte begrenzt dienstfähig (§ 27 BeamtStG) ist, Stellung zu
nehmen.
Eine begrenzte Dienstfähigkeit im Sinne des § 27 BeamtStG liegt vor, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des Amtes die Dienstpflichten noch
während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann. Es kommt also darauf an, ob sie oder er infolge eines körperlichen Zustands oder aus
gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten nicht mehr in vollem Umfang, jedoch weiter mindestens zu 50 v. H. auf Dauer fähig ist. Der Prozentsatz
der begrenzten Dienstfähigkeit ist festzustellen. Sofern Anhaltspunkte für eine zeitliche Befristung einer begrenzten Dienstfähigkeit oder ihres Prozentsatzes vorliegen ist auch der Zeitpunkt für eine Nachuntersuchung zu bestimmen. Auf die Durchführungshinweise d. MI v. 20.03.2000 (Nds. MBl. S. 310) wird hingewiesen.
Im Einzelnen werden folgende Angaben zur Verfügung gestellt:
1 Name, ggf. Geburtsname, Vorname
2 Geburtsdatum
3 Privatanschrift
4 Dienst- oder Amtsbezeichnung
siehe Seite 2
7 wöchentl.
Arbeitszeit
(Stunden)
5 Dienststelle, Anschrift (Straße, PLZ, Ort)
6 ausgeübte Funktion (ggf. bes. Aufgaben,
Nebentätigkeiten, Stundenplan)
8 ggf. Grund von Ermäßigungen und Freistellungen (z. B. wegen
Alter, Schwerbehinderung, Teilzeitbeschäftigung)
9 Angaben zu einer ggf. anerkannten Gleichstellung, Schwerbehinderung (Grad, seit wann) und konkreten anerkannten Nachteilsausgleichen
10 Angaben zu Leistungseinschränkungen und ggf. zu bisherigen ent- 11 stattgefundene Rehabilitationsmaßnahmen
lastenden Maßnahmen (insbes. physische und psychische
Belastungen)
12 ggf. krankheitsbedingte Fehlzeiten der letzten 5 Jahre
siehe beigefügte Unterakten Erkrankungen
030_022
08.2015
Hinweis:
z. Z. dienstfähig
z. Z. dienstunfähig erkrankt
13 ggf. Angaben zu dokumentierten Konflikten am Arbeitsplatz
seit
seit
z. Z. im Ruhestand
14 Beschreibung alternativer Verwendungsmöglichkeiten
Ich bitte, die folgenden gutachtlichen Zielfragen zu beantworten:
•
•
Welches Krankheitsbild liegt vor? Wie ist die bisherige
Entwicklung und wie ist das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Dienstfähigkeit zu beurteilen?
mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähig• Ist
keit zu rechnen und ggf. innerhalb welchen Zeitraumes? Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Anforderungen des § 26 Abs. 1 Satz 2
BeamtStG i. V. m. § 43 Abs. 2 NBG zum Zeitpunkt
der behördlichen Entscheidung vorliegen müssen.
Bestehen Leistungseinschränkungen im derzeitigen
Aufgabenbereich und ggf. welche? (Beispiele: kein
Publikumsverkehr, Unterbrechungen erforderlich,
Reduzierung der Arbeitszeit erforderlich, nur Arbeiten
ohne Zeitdruck, Entlastung von bestimmten Aufgaben.)
• Ist eine stufenweise Wiedereingliederung sinnvoll
•
Welche Behandlungsmaßnahmen wurden bisher zur
Verbesserung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit durchgeführt und mit welchem Erfolg?
•
Sind zur Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ggf. weitere Behandlungsmaßnahmen erfolgversprechend und wenn ja, welche?
Ist die Bereitstellung von Hilfsmitteln, z. B. Stehpult,
erforderlich?
Dienstfähigkeit, d. h., kann die Beamtin oder der
Beamte noch mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit ihren oder seinen Dienst verrichten (Begründung erforderlich)? Wenn ja, mit
welchen Prozentsatz?
• Liegt die gesundheitliche Eignung für eine anderwertige
Verwendung vor, ggf. auch in Teilzeit oder mit Qualifizierungsmaßnahme? Welche Leistungseinschränkungen sind bei einer anderweitigen Verwendung für eine
Tätigkeit, wie sie aus dem Auftrag hervorgeht, möglich?
und wenn ja, nach welchem Schema?
• Besteht aus medizinischer Sicht eine begrenzte
• Wird die Beamtin oder der Beamte wegen ihres
oder seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen (Schwächung der körperlichen, seelischen oder geistigen Kräfte) aus ärztlicher Sicht für dienstunfähig gehalten?
(Begründung erforderlich)
• Wird für den Fall der Versetzung in den Ruhestand
eine Nachuntersuchung für zweckmäßig gehalten?
Wenn ja, in welchem Zeitabstand?
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrage
Sehr geehrte
•
•
Zur Feststellung Ihrer Dienstfähigkeit ist ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis erforderlich. Ich habe
mit dem vorstehenden Schreiben das o. g. Gesundheitsamt gebeten, Sie innerhalb angemessener Frist
zu untersuchen. Sie werden von dort eine weitere Mitteilung über den Untersuchungszeitpunkt erhalten.
Der Vollständigkeit halber mache ich darauf aufmerksam, dass Sie verpflichtet sind, sich der Untersuchung zu unterziehen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 NBG).
Ich weise darauf hin, dass Sie als dienstunfähig angesehen werden können, wenn Sie dieser Verpflichtung
ohne hinreichenden Grund nicht nachkommen (§ 43
Abs. 1 Satz 3 NBG)
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrage
•
•
Anlage 3b
Behörde, Dienststelle
.
.
Gesundheitsamt
Bearbeitet von
E-Mail
.
.
Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom
Mein Zeichen (Bei Antwort angeben)
Telefon
Ort, Datum
Fragebogen zur Überprüfung der Dienstfähigkeit
hier:
Sehr geehrte Damen und Herren,
zur Überprüfung der Dienstfähigkeit von Beamtinnen und Beamten im Zusammenhang mit der Versetzung in
den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist eine amtsärztliche Untersuchung erforderlich.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ist mit besonderer Sorgfalt zu
prüfen.
Zur Feststellung der Dienstunfähigkeit einer Beamtin oder eines Beamten ist es daher erforderlich, dass in
jedem Einzelfall das gesamte Spektrum der in Betracht kommenden Umstände individuell festgehalten und
gewürdigt wird. Hierzu gehört nicht nur das Beschwerde- oder Krankheitsbild der zu beurteilenden Person,
sondern ebenso das Anforderungsprofil des von ihr derzeit ausgeübten Amtes.
Die Feststellung der Dienstunfähigkeit erfolgt auf der Grundlage einer amtsärztlichen Untersuchung (§ 43 Abs.
1 Satz 1 NBG).
Wichtig Angaben hierfür sind u. a.:
• ausgeübte Funktion;
• Angaben zu Leistungseinschränkungen und ggf. zu entlastenden Maßnahmen, die zur Anwendung gekommen
sind. Insbesondere ist auf etwaige besondere physische und psychische Belastungen, denen die Lehrkraft
ausgesetzt ist, hinzuweisen;
• Angaben zu dokumentierten Konflikten am Arbeitsplatz, wenn es für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit der
Lehrkraft erforderlich ist;
• Angaben zu einer ggf. anerkannten Gleichstellung, Schwerbehinderung (Grad, seit wann) und anerkannten
Nachteilsausgleichen (konkret benennen)
Ich bitte, den folgenden „Fragebogen zur Überprüfung der Dienstfähigkeit“ entsprechend ausgefüllt an mich
zurückzuschicken.
Ich bitte Sie, der Beamtin oder dem Beamten eine Kopie des ausgefüllten Fragebogens zu überlassen. Grundsätzlich bestehen auch keine Bedenken, die Lehrkraft ggf. bei der Beantwortung der Fragen zu beteiligen.
Es wird darauf hingewiesen, dass sich Ihre Angaben nur auf zutreffende Tatsachen zu stützen haben.
Für evtl. Rückfragen steht die unterzeichnende Person jederzeit gerne unter der o. a. Telefonnummer
zur Verfügung.
030_023
07.2009
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrage
Bezeichnung der Schule, ggf. Schulform
Erreichbarkeit der Schule (Telefon/Telefax)
.
.
Vertrauliche Personalangelegenheit!
Verschlossen zurücksenden!
.
.
Fragebogen zur Überprüfung der Dienstfähigkeit
Amtsbezeichnung, Vor- und Nachname der Lehrkraft
vollbeschäftigte Lehrkraft
teilzeitbeschäftigte Lehrkraft
Wochenstundenzahl:
1. Angaben zum Umfang von krankheitsbedingten Fehlzeiten im letzten Jahr
2. Wöchentliche Unterrichtsstundenzahl und Unterrichtsfächer
030_023
07.2009
3. Stundenzahl von in Anspruch genommenen Anrechnungen, Ermäßigungen und Freistellungen (z. B. Altersermäßigungen, Schwerbehindertenermäßigung, vorübergehend herabgesetzte Dienstfähigkeit, Schulleitungsfunktion,
Aus- und Fortbildungsaufgaben, Beratungslehrkraft, Personalvertretung, besondere Belastungen)
4. Werden in der Schule besondere zusätzliche Aufgaben wahrgenommen, und wenn ja, welche?
5. Welche Leistungseinschränkungen sind beobachtet worden?
6. Sind entlastende Maßnahmen zur Anwendung gekommen, und wenn ja, welche?
7. Eine andere Verwendung der Lehrkraft ist wie folgt möglich
8. Ggf. ergänzende weitere Angaben
Bitte den Stundenplan und das in der Schule geführte Krankheitsblatt beifügen!
Ort, Datum
Unterschrift der Schulleiterin oder des Schulleiters
bzw. der Vertreterin oder des Vertreters
030_023
07.2009
Ggf. ergänzende Hinweise der Personalstelle an das Gesundheitsamt
Kenntnisnahme durch die Lehrkraft
Ort, Datum, Unterschrift
Anlage 4: Selbstauskunftsbogen
Landkreis _________________________
Gesundheitsamt
Zur Erleichterung des Ablaufs am Untersuchungstag bitten wir Sie, den Untersuchungsbogen ausgefüllt mitzubringen.
Alle Angaben sind streng vertraulich und unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.
oder ausfüllen (Bleibt im ärztlichen Dienst)
Zutreffendes bitte ankreuzen
Name, Vorname
geboren am
Geburtsname
in
Staatsangehörigkeit
wohnhaft in (Straße, Haus-Nr. PLZ, Wohnort
Beruf
aktuelle Tätigkeit

ggf. mobil oder dienstl.
1. Angaben zur Vorgeschichte:
Gab oder gibt es bei Eltern, Geschwistern oder Großeltern chronische Erkrankungen?
ja
Wenn ja, welche?
nein
2. Gibt es angeborene Störungen?
ja
nein
Wenn ja, welche?
3. Leiden Sie an chron. Erkrankungen (z.B. Diabetes mell., Bluthochdruck, Herzerkrankung,
Nierenerkrankungen, Bluterkrankungen, Allergien, Krampfanfällen, Nerven- oder psychische Erkrankungen,
rheumatologische oder immunologische Erkrankungen) ?
ja
Wenn ja, welche?
nein
4. Angaben zu früheren Erkrankungen:
4a. Hatten Sie stationäre Krankenhausaufenthalte, Kur- bzw. Sanatoriumsaufenthalte?
ja
nein
Wenn ja, Wann?
Warum?
Wo?
4b. Operationen/Unfälle?
ja
nein
Wenn ja, wann?
Warum?
4c. ambulante/stationäre Psychotherapien?
ja
nein
Wenn ja, wann?
Warum?
1
Anlage 4: Selbstauskunftsbogen
5. Haben sie derzeit Beschwerden oder befinden Sie sich in ärztlicher oder
psychotherapeutischer Behandlung?
ja
Wenn ja, bitte kurz erläutern
Bei wem/weshalb?
nein
6. Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
ja
nein
Wenn ja, welche?
Dosierung?
7. Haben Sie einen Schwerbehindertenausweis oder wurde ein Antrag auf Schwerbehinderung
oder Rente gestellt?
ja
nein
GdB:
Seit wann?
v. H. Merkzeichen:
weshalb?
8. Tragen Sie eine Sehhilfe oder ein Hörgerät?
ja
Brille
Kontaktlinsen
nein
Dioptrien:
dpt rechts
dpt. Links
Hörgerät/Sehhilfe bitte zum Untersuchungstermin mitbringen.
9. Rauchen Sie?
ja
Wenn ja, was?
Tägl. wie viel?
Seit wann?
nein
nicht mehr, seit wann?
10. Trinken Sie Alkohol?
ja
Wenn ja, welcher Art?
Wie häufig?
nein
11. Nehmen Sie Drogen ein oder haben Sie früher welche eingenommen?
ja
nein
Wenn ja, welche?
Wie häufig?
12. Treiben Sie regelmäßig Sport?
ja
nein
Wenn ja, welchen?
13. Wurden Sie schon einmal auf Ihre gesundheitliche Eignung untersucht?
ja
Wenn ja, wo?
Wann?
nein
Sind Sie mit der Heranziehung der Akten einverstanden?
ja
nein
Erklärung
Ich bestätige die Richtigkeit und Vollständigkeit meiner Angaben. Insbesondere habe ich nichts verschwiegen, was zur
Beurteilung meines Gesundheitszustandes von Bedeutung sein könnte.
Ort, Datum,
Unterschrift
2
Anlage 5: Anamnese- und Befundbogen
Name des Amtes/Untersucher:
Untersuchungsdatum: ____________
Name, Vorname: ________________________
Geburtsdatum: __________________
Geburtsort: _____________________
Anschrift: _________________________________________________________________
Telefon: ___________________
Identifikation (Ausweis, pers. bekannt, etc.): ____________________________________
________________________________________________________________________________________________
Sozialanamnese:





Familienstand (ledig/verh./geschieden seit)
Partnerschaft/Angehörige (Beruf, Alter)
Wohnsituation (allein lebend/angebunden/bei Eltern)
Kinder (Anzahl, Alter, Geschl., Geburten/Fehlgeburten)
Belastungen
Familienanamnese:

Vater, Mutter, Geschwister
o Alter
o Beruf
o Krankheiten
o Todesursache
o psychische Erkrankungen (Depressionen, Psychosen, Angststörungen, Demenz, Suizide)
Ausbildung/Beruf:
(Skizzieren eines kurzen Lebenslaufes zur Beurteilung der psychischen Erkrankung unter Berücksichtigung der individuellen Lebensgeschichte)
 Schulabschluss
 Ausbildung, Studium, Zusatzqualifikationen
 Kontinuität/Wechsel v. Ausbildungs-/Arbeitsstelle
 aktuelle Tätigkeit (ggf. mit Beschreibung)
 Fächer (bei Lehrern)
 Bes. berufl. Belastungen/Nebentätigkeiten
 Arbeitsklima/Arbeitsplatzkonflikte
Ressourcen:





soziale Kontakte
Familie
Freunde/Bekannte/Nachbarn
Interessen/Hobbies
Sport/Aktivitäten
1
Anlage 5: Anamnese- und Befundbogen
Vorerkrankungen:

Lokalisation
o Herz/Kreislauf
o Lunge
o GI-Trakt
o Stoffwechselerkrankungen.
o Urogenital
o Gynäkologisch
o Stütz-/Bewegungsapparat
o Neurologisch/Epilepsie
o Rheumatologisch/Immunologisch



Krankenhausaufenthalte
Operationen
Stationäre Aufenthalte in Psychiatrisch/Psychosomatischen Kliniken
o Anzahl
o Dauer
Wiedereingliederungsmaßnahmen
Anerkennung einer Schwerbehinderung
o GdB
o Gleichstellung ja/nein, Seit wann


________________________________________________________________________________________________
Aktuelle (psychiatrische) Vorgeschichte:


Eigenanamnese
ggf. Fremdanamnese
Aktuelle Erkrankungen/Befinden:
vegetative Anamnese:







Appetit/Gewichtsverlauf
Stuhlgang/Miktion
Temperatur/Schweißneigung
Schlaf (Ein-/Durchschlafprobleme/frühes Erwachen)
Schmerzen
Tagesschwankungen
sexuelle Störungen
Allergien/Unverträglichkeiten:
Drogen und Noxen:



Alkohol (Menge, Art)
Drogen
Nikotin
Medikamente:

regelmäßig/bei Bed.
2
Anlage 5: Anamnese- und Befundbogen
Dokumentation/Befunderhebung
Körperliche Untersuchung:



Größe (cm)
Gewicht (kg)
BMI
Allgemeine Inspektion:








Ikterus
Leberhautzeichen
Zyanose
Dyspnoe
Haut/Schleimhaut
Ödeme
Neurodermitis/Schuppenflechte
Haltung/Gangbild)
________________________________________________________________________________________________
Internistisch:

Kopf/Hals
o
NAP frei
o
Gebiss saniert
o
keine Struma
o
keine vergr./palpablen LK
o
Sehvermögen
o
Hörvermögen

Thorax
o
Pulmo
o
Cor
o
Puls (Schl/Min., regelm./arrhyth.)
o
Blutdruck (mmHg)

Abdomen
o
Leber
o
Milz
o
Darmgeräusche:
o
(path.) Resistenzen

Stütz-/Bewegungsapparat
o Wirbelsäule (Skoliose, Kyphose, Lordose, Myogelosen)
o Gelenke (schmerzfrei, vollumfänglich beweglich)

Neurologisch
o Hirnnerven
o Reflexe
o Koordination
o Gangbild
o Kraft
o Sensibilität
3
Anlage 5: Anamnese- und Befundbogen
Psychopathologisch:


Bewusstsein und Orientierung (wach, örtlich/zeitlich, zur Person, situativ orientiert)
Stimmung
o
ausgeglichen, indifferent, gedrückt-resignativ, freudlos, traurig, euphorisch, ängstlich-angespannt, aggressiv-abwehrend, ratlos, hilflos, missgestimmt, unzufrieden, mürrisch

Kontaktverhalten
o
freundlich, zugewandt, abweisend, gereizt

Antrieb
o
unauffällig, verarmt, verlangsamt, gehemmt, blockiert, gesteigert

Psychomotorik - Verhalten - Tics
o
unauffällig, unruhig, nestelnd, ängstlich-unsicher, theatralisch, manieriert, bizarr,
mutistisch, logorrhoisch, dysfunktionale Anpassung

Affekt - Gefühlsleben
o
schwingungsfähig, flach, leer, affektarm, starr, labil, parathym (passt nicht zum Gesagten), ambivalent

Aufmerksamkeit - Auffassung- Abstraktionsvermögen
o
rasch, keine kognitiven Einbußen, unauffällig, erschwert

Konzentration
o
Monate oder RADIO rückwärts -> unauffällig, gemindert, stark beeinträchtigt

Merkfähigkeit - Kurzzeitged.
o
3 Begriffe nach Zeit wiederholen lassen; 100 – 7 – 7 - 7) -> erhalten/gestört (bes. für Zahlen/Worte)

Zeitgitterstörung/Langzeitgedächtnis
o
keine/grobe mnestische Störung oder Konfabulationen (Erinnerungslücken werden mit Einfällen ausgefüllt)

Formales und inhaltliches Denken
o
ungestört, geordnet, verlangsamt, weitschweifig, umständlich, abschweifend, Danebenreden, zerfahren
o
Perserveration, Einengung auf bestimmte Inhalte, Haften, Grübeln

Wahrnehmungsstörung
o
keine, akustische/olfaktorische/optische/haptische Halluzinationen

Ich-Störung, Ich-Erleben
o
Gedankenbeeinflussung, Fremdbeeinflussung, Gedankenausbreitung
o
eigene Person oder eigenes Erleben wird als fremd, nicht-zu-sich-gehörig, leblos, fern, unwirklich erlebt

Ängste
o
situationsbezogen/generalisiert
o
Panikattacken, Hypochondrie, Phobien

Zwänge (Zwangsdenken - Zwangsimpulse - Zwangshandlungen)
o
Wiederholen, Kontrollieren, Zählen, Reinigen, Waschen, Schmutz

Suizidalität/Eigengefährdung/Fremdgefährdung
o
wird glaubhaft verneint, latente Suizidalität kann nicht ausgeschlossen werden, passive Todeswünsche, Suizid-Gedanken, vorbereitende Handlungen, Ritzen, Essstörung, Aggressivität gegen Gegenstände, gegen Personen
4
Anlage 6: Schweigepflichtentbindung Fremdbefunde
Ich,
Herr/Frau
Geburtsdatum:
wohnhaft in:
entbinde hiermit die Ärztin/den Arzt bzw. das Krankenhaus bzw. die Psychotherapeutin/den
Psychotherapeuten
Name:
Anschrift:
bezüglich der Beurteilung meiner Dienstfähigkeit durch den amtsärztlichen Dienst des
Gesundheitsamtes __________________________ am ___.___.20___
von seiner ärztlichen Schweigepflicht.
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der von der Schweigepflicht entbundene Arzt/das
Krankenhaus die von mir vorhandenen medizinischen Unterlagen (Untersuchungsergebnisse,
Facharztberichte, Krankenhausberichte usw.) übermitteln darf.
Ausgeschlossen werden dabei Unterlagen zu: _____________________________________
Ich bin mit einer telefonischen Kontaktaufnahme zwischen der/dem o.g. Ärztin/Arzt und den o.g.
Behandlern einverstanden. Für diesen Fall entbinde ich auch die Ärzte des Gesundheitsamtes von
ihrer Schweigepflicht.
Mir ist bekannt, dass ich diese Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht jederzeit mit
Wirkung für die Zukunft widerrufen kann.
Ort, Datum
Unterschrift des Ausstellers
1
Anlage 7: Schweigepflichtentbindung Zusatzgutachter
Ich,
Herr/Frau
Geburtsdatum:
wohnhaft in:
entbinde hiermit die Ärztin/den Arzt des Gesundheitsamtes (oder Vertretung)
Name:
gegenüber der/dem beauftragten Fachgutachterin/Fachgutachter
Name:
bezüglich der Beurteilung meiner Dienstfähigkeit durch den amtsärztlichen Dienst des
Gesundheitsamtes __________________________ am ___.___.20___
von seiner ärztlichen Schweigepflicht.
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Gutachtenauftrag und relevante Unterlagen
übermittelt werden dürfen.
Ausgeschlossen werden dabei Unterlagen zu: _____________________________________
Ich bin mit einer telefonischen Kontaktaufnahme zwischen der/dem o.g. Ärztin/Arzt und dem o.g.
Fachgutachter einverstanden.
Mir ist bekannt, dass ich diese Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht jederzeit mit
Wirkung für die Zukunft widerrufen kann.
Ort, Datum
Unterschrift des Ausstellers
1
Anlage 8: Formblatt Aufklärungsbestätigung
Die Ärzte des Gesundheitsamtes sind im Rahmen der Begutachtung zur Frage der Dienstfähigkeit
nach dem Niedersächsischen Beamtengesetz (NBG) verpflichtet, dem Auftraggeber (Dienstherrn)
die tragenden Feststellungen und Gründe des Ergebnisses der ärztlichen Untersuchung mitzuteilen. Das Ergebnis der Untersuchung wird später in einem verschlossenen Umschlag dem Auftraggeber (Dienstherrn) übermittelt.
Gemäß § 45 NBG Absatz 3 bestätigen Sie hiermit durch Unterschrift und Datum die Kenntnisnahme.
Ort, Datum
Unterschrift
Ich bitte um die Übersendung einer Kopie der endgültigen Stellungnahme (§ 45, Absatz 3 NBG):
Ja
Nein
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