Reform der politischen Strukturen und der

Werbung
Reform der politischen Strukturen und der Verwaltung
Bericht des Gemeinderats zuhanden
der Vernehmlassung
Inhalt
Seite
I.
Ausgangslage und Vorgehen
3
II.
Gemeindevergleich
3
III.
Legislativbereich
4
1.
Einführung Gemeindeparlament?
Rolle und Funktion Gemeindeparlament
Vergleich mit anderen bernischen Gemeinden
Kosten
Mögliche Organisation bei Einführung eines Parlaments
Die Stimmbeteiligung an Gemeindeversammlungen
und an der Urne
Gründe für und Gründe gegen die Einführung eines
Gemeindeparlaments
4
4
4
5
6
a)
b)
c)
d)
e)
f)
2.
7
8
a)
b)
c)
d)
Zuständigkeiten Versammlung / Urne
Allgemeine Überlegungen
Fakultatives Referendum gegen Versammlungsbeschlüsse
GO-Änderungen
Baurechtliche Grundordnung
10
10
11
12
12
a)
b)
c)
d)
Andere Zuständigkeiten?
Stellenschaffungen
Reglemente
Ausgaben
Rechnung und Nachkredite zum Budget
13
13
13
14
14
IV.
Gemeinderat
15
1.
Grösse des Gemeinderats
Führungsstruktur
7 oder 5 Mitglieder
Auswirkungen auf die Ressortorganisation
Schnittstellen zur Verwaltung
15
17
18
21
3.
a)
b)
c)
d)
2
2.
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Wahlverfahren (Proporz oder Majorz)
Regelungsspielräume
Majorz (mit Minderheitenschutz)
Proporz
Vergleich der beiden Modelle
Andere Gemeinden – Tendenzen
Vor- und Nachteile eines Wechsels
22
22
22
22
23
24
24
a)
b)
c)
d)
Pensum der gemeinderätlichen Tätigkeit / Abgeltung
Allgemeine Gedanken zum Milizsystem
Pauschale Abgeltung
Sitzungsgelder
Abgeltungsmodelle
26
26
27
28
28
Gemeindepräsidium
29
3.
V.
1.
2.
Pensum
a) Pensum Ist-Zustand
b) Anforderungen der Zukunft
c) Vor- und Nachteile eines Vollamts
29
29
30
„Fallschirm“ bei Nichtwiederwahl
a) Warum ein Fallschirm?
b) Lösungsansätze
31
31
31
VI.
Amtszeitbeschränkung Präsidium
32
VII.
Kommissionen
32
1.
Bestand
32
2.
Mitgliederzahl
33
3.
Wahlverfahren
33
4.
Zuständigkeiten
34
VIII.
Verwaltungsorganisation
35
IX.
Weiteres Vorgehen
35
3
I.
Ausgangslage und Vorgehen
Die Gemeinde Belp ist eine immer noch wachsende Gemeinde in der Agglomeration
Bern mit 11‘594 Einwohnerinnen und Einwohnern (8‘352 Stimmberechtigte). Bezüglich der Gemeindegrösse liegt sie auf Platz 14 von 362 bernischen Gemeinden. Behörden und Verwaltung sind gut aufgestellt, das politische Leben ist aktiv und gleichzeitig sehr konstruktiv. Die Gemeinde schneidet bei Gemeindevergleichen jeweils gut
ab. Trotzdem ist es dem Gemeinderat ein Anliegen, die politischen Strukturen und
die Verwaltungsorganisation zu überprüfen, damit die Gemeinde Belp auch in Zukunft erfolgreich politisch geführt und „bewirtschaftet“ werden kann. Der Gemeinderat
hat deshalb beschlossen, im Rahmen eines gut strukturierten Prozesses die Strukturen und Abläufe zu hinterfragen und wenn nötig anzupassen. Dabei wird in den folgenden Phasen vorgegangen:
 Phase 1: Erste Orientierung, Definition Projektinhalte, Projektorganisation,
Projektplanung
 Phase 2: Grundsatzfragen, Bericht, breite Vernehmlassung, evtl. Grundsatzentscheide
 Phase 3: Umsetzung Reform politische Strukturen (v.a. Gemeindeordnung)
 Phase 4: Umsetzung Reform der Verwaltungsorganisation
Die Phase 1 ist erfolgt und hat nach einer gemeinderätlichen Klausur und einer Vernehmlassung bei den Parteien zu einer Festlegung der Reformthemen geführt. Wenn
nachstehend verschiedene Fragen zur Diskussion gestellt werden, bedeutet das
nicht, dass der Gemeinderat bei jedem Thema Reformen vornehmen will. Es ist dem
Gemeinderat daran gelegen, diese Themen aufs Tapet zu bringen, zu diskutieren,
mit möglichen Modellen zu hinterlegen und mit Vor- und Nachteilen zu versehen. Der
Gemeinderat nimmt in Phase 2 zuhanden der Vernehmlassung zu jedem Reformthema Stellung und spricht sich dazu aus, ob und wie eine Reform angegangen werden soll, oder ob davon abzusehen ist. Sollte sich im Rahmen der Vernehmlassung
zu diesen Grundsatzfragen bei gewissen wichtigen Fragen nicht eine eindeutige Haltung der Parteien ergeben, kann sich der Gemeinderat vorstellen, diese Grundsatzfragen der Gemeindeversammlung zum Vorentscheid zu unterbreiten.
II.
Gemeindevergleich
Von Interesse ist bei Reformen immer der Vergleich mit anderen Gemeinden.
Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass der Vergleich mit anderen Gemeinden immer mit Vorsicht anzustellen ist, weil jede Gemeinde ihre Eigenheiten, ihre Bevölkerung, ihre Kultur, ihre geografische Lage und ganz allgemein ihre Besonderheiten
hat. Auch wenn eine Gemeinde von der Einwohnerzahl her vergleichbar erscheint,
kann die Ausgestaltung der politischen Strukturen und der Abläufe sehr verschieden
sein. Was in einer Gemeinde bewährt ist, muss in der anderen Gemeinde nicht unbedingt erfolgreich sein. Letztlich müssen Modelle umgesetzt werden, die gezielt auf
die betreffende Gemeinde zugeschnitten sind.
4
III.
Legislativbereich
1.
Einführung Gemeindeparlament?
a)
Rolle und Funktion Gemeindeparlament
Heute ist die Gemeinde Belp direktdemokratisch organisiert. Der Gemeinderat (Exekutive) ist ausschliesslich gegenüber den Stimmberechtigten verantwortlich, sei dies
an der Gemeindeversammlung, sei dies im Rahmen von Urnenabstimmungen und
-wahlen. Im Auftrag der Stimmberechtigten prüft die Geschäftsprüfungskommission
die Vorlagen und beaufsichtigt den Gemeinderat. Das übergeordnete Recht stellt es
den Gemeinden frei, ob sie diese ausschliesslich direktdemokratische Struktur bevorzugen oder ob sie eine Struktur der „halbdirekten Demokratie“ einführen wollen.
Unter halbdirekter Demokratie ist eine Mischform von repräsentativer Demokratie
(volksgewähltes Legislativorgan) und direkter Demokratie (Referenden) zu verstehen. Alle bernischen Gemeinden, die ein Gemeindeparlament eingeführt haben,
üben ihre direkte Demokratie an der Urne aus. Die Gemeindeversammlung wird regelmässig mit der Einführung eines Gemeindeparlaments abgeschafft, obschon dies
aus rechtlicher Sicht nicht zwingend ist. Somit steht in der politischen Strukturdiskussion das Modell „Gemeindeversammlung“ dem Modell „Gemeindeparlament“ gegenüber.
Soweit die Gemeinde ein Gemeindeparlament vorsieht, muss dieses mindestens 30
Mitglieder zählen (Art. 24 Abs. 3 Gemeindegesetz). Die Gemeindeordnung muss die
Zuständigkeiten, die Mitgliederzahl und die Amtsdauer des Gemeindeparlaments
bestimmen (Art. 24 Abs. 2 Gemeindegesetz). Gemeindeparlamente werden regelmässig im Verhältniswahlverfahren (Proporz) gewählt, obschon das übergeordnete
Recht dazu keine Vorgaben macht.
Im Parlamentsbetrieb spielen die Parteien eine wichtige Rolle. Die Geschäfte werden
von der der gleichen Partei angehörenden Parlamentsmitgliedern vorberaten (Fraktionen). Das Parlament gibt sich eine eigene Geschäftsordnung, welche das Verfahren der Parlamentssitzungen, das Ratsbüro, die Vorgaben zu den Fraktionen, etc.,
regelt. Die Mitglieder des Parlaments können das politische Geschehen mit Vorstössen beeinflussen (Motionen, Postulate, Interpellationen).
b)
Vergleich mit anderen bernischen Gemeinden
Die folgenden 22 (von 362) bernischen Gemeinden haben sich für ein Gemeindeparlament entschieden:
Gemeinde
Bern
Biel
Thun
Köniz
Ostermundigen
Burgdorf
Steffisburg
Langenthal
Einwohnerzahl
127‘515
52‘351
42‘735
39‘375
15‘871
15‘659
15‘515
15‘184
5
Lyss
Muri bei Bern
Spiez
Münsingen
Worb
Zollikofen
Münchenbuchsee
Langnau
Moutier
Nidau
Interlaken
St-Imier
Tramelan
La Neuveville
14‘080
12‘675
12‘549
11‘566
11‘324
9‘977
9‘749
9‘092
7‘553
6‘782
5‘504
4‘866
4‘335
3‘666
Die folgenden Gemeinden mit mehr als 8'000 Einwohnerinnen und Einwohner haben
kein Gemeindeparlament:
Gemeinde
Belp
Ittigen
Wohlen bei Bern
c)
Einwohnerzahl
11‘594
10‘997
8‘901
Kosten
Die Einführung eines Gemeindeparlaments dürfte bei den folgenden Positionen zu
Mehrkosten führen:
 Entschädigungen / Sitzungsgelder
 Spesen / Repräsentation
 Parlamentssekretariat
 Verwaltungsaufwand
o Kommissionssekretariate
o Anträge / Vortrag
o Bearbeitung parlamentarischer Vorstösse
 Material (Drucksachen, Akten, etc.)
 Parlamentswahlen
Dem würden durch den Wegfall der Gemeindeversammlung entsprechende Minderkosten gegenüberstehen. Die Mehrkosten eines Gemeindeparlaments lassen sich
nicht exakt quantifizieren. Die Gemeinde Münsingen ist anlässlich der Abstimmung
zur Einführung eines Gemeindeparlaments im Jahr 2001 von Netto-Mehrkosten von
ca. Fr. 170'000 ausgegangen. Heute zeigt sich in Münsingen, dass der geschätzte
Verwaltungs-Mehraufwand damals zu tief veranschlagt worden ist. Ohne genaue
Kostenrechnung ist es allerdings sehr schwierig, den zusätzlichen Aufwand genau zu
beziffern. In einem NZZ-Artikel vom 6. April 2000 wurden die Kosten zur Einführung
eines Gemeindeparlaments zwischen Fr. 250'000 und Fr. 350'000 veranschlagt, ohne diese Kosten näher zu beziffern. Die Gemeinde Belp wies bei der Abstimmung zur
Einführung eines Gemeindeparlaments (2001) die damit verbundenen Mehrkosten
mit ca. Fr. 400'000 aus.
6
Die mit einem Gemeindeparlament verbundenen Mehrkosten könnten für die Gemeinde Belp etwa wie folgt plausibilisiert werden (Annahme: Pro Jahr 8 Parlamentssitzungen, 30 Parlamentsmitglieder):
Position
Entschädigungen
 Präsidium
 Parl. Kommission
Sitzungsgelder
 Parlamentsmitglieder
 Gemeinderat
 Kommissionen zusätzlich
 Verwaltungskader
Ratskredit
Parlamentssekretariat
Verwaltungsaufwand
Kommissionssekretariate
40 Anträge / Vortrag
(pro Geschäft 10 Stunden)
15 Vorstösse
(pro Geschäft 10 Stunden)
Material
Parlamentswahlen
Einheit
Menge
Kosten in Fr.
2’000
Pauschale
Sitzungen
200 zu Fr. 70
50 zu Fr. 70
100 zu Fr. 70
30 zu Fr. 70
Stellenprozent
50
27’000
20’000
60’000
Stellenprozent
Stellenprozent
20
25
24’000
30’000
Stellenprozent
10
12’000
Total Fr. 20’000
alle vier Jahre
25’000
5’000
Zunahme Urnenabstimmung
Total Fr. 20’000
alle vier Jahre
Verschiedenes / „Sicherheitsmarge“
Zwischentotal
Abzüglich Kosten Gemeindeversammlung
Total Mehrkosten
(jährlich wiederkehrend)
5’000
30’000
240’000
- 50’000
Fr. 190’000
Die Kosten wären dann höher, wenn das Gemeindeparlament sehr aktiv wäre und
die Verwaltung dadurch zusätzlich in grossem Ausmass in Anspruch genommen
würde. Es ist indessen nicht möglich, hier zum Voraus Annahmen zu treffen.
Zusätzlich müsste mit einmaligen Kosten zur Einführung des Gemeindeparlaments
gerechnet werden (Einrichtung Arbeitsplatz Parlamentssekretariat, Personalrekrutierung, Anpassung Rechtsgrundlagen, etc.). Dies dürfte einmalige Kosten in der Grössenordnung von Fr. 50'000 bis Fr. 100'000 auslösen.
d)
Mögliche Organisation bei Einführung eines Parlaments
Bei Einführung eines Gemeindeparlaments wird zwischen den Stimmberechtigten
und dem Gemeinderat eine weitere – legislative – Ebene eingefügt. Nachfolgend soll
in geraffter Form anhand einiger Beispiele bernischer Parlamentsgemeinden darge-
7
stellt werden, wie die Organisation ausgestaltet und die Zuständigkeiten auf die verschiedenen Ebenen aufgeteilt werden können.
EG Lyss
EG Münsingen EG Muri b. B.
EG Worb
Einwohnerzahl
Mitgliederzahl
14‘080
47
11‘566
30
Voranschlag und
Steueranlage
Parlament, unter
Vorbehalt des
fakultativen Referendums
Parlament, unter
Vorbehalt des
fakultativen Referendums
12‘675
40
Stimmberechtigte,
wenn Anlage ändert, sonst Parlament unter Vorbehalt des fakultativen Referendums
11‘324
40
Stimmberechtigte,
wenn Anlage ändert, sonst Parlament unter Vorbehalt des fakultativen Referendums
Über 3 Mio.
Über Fr. 5 Mio.
Über Fr. 4 Mio.
Über Fr. 2 Mio.
Fr. 1 Mio. bis
Fr. 3 Mio.
Fr. 150‘000 bis
Fr. 1 Mio.
Bis Fr. 150‘000
Fr. 1 Mio. bis
Fr. 5 Mio.
Fr. 200‘000 bis Fr.
1 Mio.
Bis Fr. 200‘000
Fr. 2 Mio. bis
Fr. 4 Mio.
Fr. 250'000 bis
Fr. 2 Mio.
Bis Fr. 250’000
Fr. 1 Mio. bis
Fr. 2 Mio.
Fr. 150‘000 bis
1 Mio.
Bis Fr. 150‘000
Ausgaben
-Stimmberechtigte
-Parlament mit fakultativem Referendum
-Parlament abschliessend
-Gemeinderat
e)
Die Stimmbeteiligung an Gemeindeversammlungen und an der Urne
Stimmbeteiligung an Gemeindeversammlungen in Prozent
Jahr
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
Frühling
2.60
1.25
1.37
2.58
Sommer
0.95
0.78
0.80
1.50
1.88
1.14
0.81
1.20
1.79
1.20
0.70
Herbst
1.30
7.60
1.50
1.97
1.70
1.90
7.55
2.14
-
Winter
1.16
3.70
1.32
2.95
1.70
3.04
3.50
2.70
2.86
1.08
2.63
An den Gemeindeversammlungen der letzten Jahre nahmen damit durchschnittlich
2.14% der Stimmberechtigten teil.
Stimmbeteiligung an Urnenabstimmungen in Prozent
Jahr
2014
2012
2009
2003
1. Halbjahr
56.94
41.25
52.87
2. Halbjahr
50.50
41.00
An den Urnenabstimmungen (Geschäfte der Gemeinde) der letzten Jahre nahmen
durchschnittlich 48.51% der Stimmberechtigten teil.
Wahlbeteiligung bei Proporzwahlen in Prozent
Jahr
2012
2008
GR
33.18
39.45
GPK
32.07
37.83
BauK
32.02
37.7
BildK
31.82
37.57
VJGK/SozialK
31.77
37.32
8
An den Gemeindewahlen (Proporz) der letzten Jahre nahmen durchschnittlich
35.08% der Stimmberechtigten teil.
f)
Gründe für und Gründe gegen die Einführung eines Gemeindeparlaments
Es ist nicht eine Frage der abstrakten, technokratischen Beurteilung, welches Strukturmodell besser ist, sondern letztlich – wie bei allen politischen Reformen – eine
Frage der persönlichen politischen, zumal auch emotionalen Bewertung. Es erscheint
im Hinblick auf die politische Diskussion sinnvoll, eine Auslegeordnung der Gründe
für oder gegen die Einführung eines Gemeindeparlaments vorzunehmen. Einen guten Überblick über die sich stellenden Fragen findet sich in der Publikation von Marc
Burgherr „Versammlungsdemokratie in den Gemeinden“ in ZBL 2001, Seiten 617,
namentlich die Ziffern 4 und 5 (Gegenüberstellung Gemeindeversammlung / Gemeindeparlament). Nachstehend eine Zusammenfassung der Argumente für ein
Gemeindeparlament (und gleichzeitig gegen eine Gemeindeversammlung) und gegen ein Gemeindeparlament (und gleichzeitig für eine Gemeindeversammlung).
Gründe für ein Gemeindeparlament (contra Gemeindeversammlung)
Nachstehend wichtige Argumente, welche für ein Gemeindeparlament ins Feld geführt werden:
Geringe Partizipation / geringe Legitimation: Mit zunehmender Einwohnerzahl sinkt
die politische Beteiligung an Gemeindeversammlungen und damit die Legitimation
der Entscheide.
Anfälligkeit für Beeinflussung durch Partikularinteressen: Angesichts der zum Teil geringen Beteiligung an der Gemeindeversammlung besteht die Gefahr, dass bei gewissen Geschäften bestimmte Partikularinteressen spezifisch motivierte Stimmberechtigte mobilisieren können, was Entscheide bewirken kann, die nicht unbedingt
dem – allerdings hypothetischen – Interesse der „schweigenden Mehrheit“ entsprechen.
Fehlender Sachverstand der Stimmberechtigten, grosse Emotionalität: Den Stimmberechtigten wird zuweilen der für den „richtigen“ Entscheid nötige Sachverstand abgesprochen. Dieses Manko wird unter Umständen durch reine Emotionalität wettgemacht, was sich negativ auf die Qualität der Entscheide auswirken kann. Es besteht
mitunter die Gefahr von reinen „Betroffenheitsentscheiden“.
Mangelnde Kontinuität: Die Gemeindeversammlung ist jedes Mal anders zusammengesetzt. Während ein Gemeindeparlament mit den gleichen Mitgliedern für Kontinuität bürgt, ist diese beim Versammlungsmodell nicht gewährleistet.
Dominierende Stellung des Gemeinderats: Der Gemeinderat ist ausschliesslich gegenüber der Gemeindeversammlung verantwortlich. Die Geschäftsprüfungskommission nimmt zwar gewisse Prüfungshandlungen vor. Eine einlässliche politische Aufsicht, wie sie von einem Parlament ausgeübt wird, findet nicht statt. Dem Gemeinderat kommt somit eine dominierende Stellung zu, die dazu führen kann, dass die Gemeindeversammlung vor ein fait-à-compli gestellt wird.
9
Stimmgeheimnis nicht gewahrt: Ausser bei geheimen Abstimmungen entscheidet die
Gemeindeversammlung durch offenes Ausmehren. Im Gegensatz zur Urnenabstimmung ist in diesem Verfahren das Stimmgeheimnis nicht gewahrt. Je nach Konstellation kann dies einen Einfluss auf die Stimmabgabe der Teilnehmenden an der Gemeindeversammlung haben.
Gründe gegen ein Gemeindeparlament (pro Gemeindeversammlung)
Nachstehend wichtige Argumente, welche gegen ein Gemeindeparlament ins Feld
geführt werden:
Lebendige, direkte Demokratie geht verloren: Während an der Urne in der Regel nur
mit Ja oder Nein gestimmt werden kann, können die Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung die Geschäfte gestalten, bis zum Beispiel ein Kompromiss
möglich wird. Diese lebendige Form der direkten Demokratie geht mit einem Gemeindeparlament verloren. In diesem Modell beschränkt sich die Tätigkeit der
Stimmberechtigten in der Regel auf Annahme oder Ablehnung einer Vorlage.
Die Parteien haben das Sagen: Während an der Gemeindeversammlung auch parteiungebundene Personen massgeblich Einfluss nehmen können, organisieren sich
Parlamente in der Regel in – parteipolitisch ausgerichteten - Fraktionen. Die Parlamentsmitglieder werden im Verhältniswahlverfahren (Proporz) gewählt, was bedingt,
dass sich alle Kandidierenden einer Partei oder Wählergruppe anschliessen müssen.
Die parteiungebundenen Personen können sich im Parlament nicht mehr einbringen.
Durch diese Verstärkung parteipolitsicher Einflussnahme geht der „Versammlungspragmatismus“ verloren.
Zuständigkeiten der Stimmberechtigten werden geschmälert: Die Einführung einer
weiteren „legislativen“ Ebene führt zu einer Aufteilung der Zuständigkeiten. Beim
„Versammlungsmodell“ obliegen den Stimmberechtigten sämtliche Geschäfte aus
dem Legislativbereich. Die Zuständigkeiten der Stimmberechtigten werden zu einem
grossen Teil an der Gemeindeversammlung, bei grosser Bedeutung an der Urne
wahrgenommen. Mit der Einführung eines Gemeindeparlaments geht ein erheblicher
Teil dieser Volkszuständigkeiten an das Gemeindeparlament über. Die Rechte der
Stimmberechtigten werden somit geschmälert.
Ineffizienter Ratsbetrieb: Um die Wiederwahl sicherzustellen, müssen sich die Parlamentsmitglieder profilieren. So führen zahlreiche parlamentarische Vorstösse zu erheblicher Mehrarbeit von Behörden und Verwaltung, auch wenn die Vorstösse zu
interessanten politischen Diskussionen und Veränderungen führen können.
Häufiger Mitgliederwechsel: Erfahrungen in anderen Gemeinden zeigen, dass die
„Fluktuation“ (Wechsel während der Amtsdauer) in Gemeindeparlamenten sehr hoch
ist. So kann es vorkommen, dass gegen Ende der Legislatur verschiedene Mitglieder
„nachgerutscht“ sind, die – weil auf der Liste besser Platzierte verzichtet haben – anlässlich der Wahl lediglich einen hinteren Listenplatz belegt haben. Diese Mitglieder
sind nur ungenügend legitimiert. Die ständigen Wechsel von Parlamentsmitgliedern
sind der Kontinuität und der Qualität der Entscheide abträglich.
10
Mehrkosten: Ein Gemeindeparlament verursacht Mehrkosten. Hier kann argumentiert
werden, diese Mehrkosten stünden in einem Missverhältnis zum Nutzen eines Parlaments, der Reformnutzen bei Einführung eines Gemeindeparlaments sei nicht ausgewiesen.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat vertritt die Auffassung, die Gemeinde Belp sei heute mit einer Gemeindeversammlung handlungsfähig und funktioniere gut. Sollte die Gemeinde dereinst noch deutlich grösser werden, wird die Frage der Einführung eines Gemeindeparlaments sicher wieder zu thematisieren sein. Im Moment lehnt der Gemeinderat
die Einführung eines Gemeindeparlaments mit der folgenden Begründung ab:
 Die Vorteile der lebendigen, an der Gemeindeversammlung praktizierten Demokratie überwiegen die mit der Versammlung verbundenen Nachteile.
 Der Gefahr, dass Versammlungsentscheide mit tiefer Stimmbeteiligung oder mit
einer einseitigen Zusammensetzung mangelhaft legitimiert sind, kann mit der Einführung eines fakultativen Referendums gegen gewisse Versammlungsbeschlüsse begegnet werden (siehe Ziffer 2 Bst. b).
 Die Einführung eines Parlaments ist mit erheblichen (wiederkehrenden) Kosten
verbunden, die angesichts des fehlenden Leidensdrucks vermieden werden können.
 Zudem neigt ein Parlament zu Ineffizienz und verursacht je nach Aktivitäten in der
Verwaltung einen erheblichen Aufwand.
 Einige Beispiele zeigen, dass Parlamentsentscheide neben der Haltung der
Stimmberechtigten liegen können, was dann bei Volksabstimmungen zu unliebsamen Überraschungen führen kann. In Belp sind in den letzten Jahren keine Anträge an die Stimmberechtigten erfolgt, die nicht erfolgreich gewesen wären.
2.
Zuständigkeiten Versammlung / Urne
a)
Allgemeine Überlegungen
Die Stimmberechtigten können ihre Zuständigkeit an der Urne oder an der Gemeindeversammlung wahrnehmen. Die Gemeindeordnung bestimmt, in welchem Verfahren die Stimmberechtigten ihre Zuständigkeiten in der Gemeinde Belp wahrnehmen,
das übergeordnete Recht enthält diesbezüglich keine Vorschriften. Kleine Gemeinden kennen in der Regel für kommunale Geschäfte nur die Gemeindeversammlung,
während mittlere und grössere Gemeinden sowohl die Versammlung wie auch die
Urne kennen. Nur in Parlamentsgemeinden gibt es keine Gemeindeversammlung,
obschon aufgrund des kantonalen Rechts eine Versammlung – als Ergänzung zum
Parlament – nicht ausgeschlossen wäre. Es gibt bei der Frage, ob die Zuständigkeit
der Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung oder an der Urne wahrzunehmen sei, keine Wahrheit. Die Gründe pro Gemeindeversammlung (und contra
Urne) und pro Urne (und contra Gemeindeversammlung) lassen sich wie folgt darstellen:
Pro Gemeindeversammlung
 Die Gemeindeversammlung entscheidet rasch
 Mit einer Gemeindeversammlung sind tiefere Kosten verbunden
 Schwierige Inhalte lassen sich an der Gemeindeversammlung besser vermitteln
 Es können Fragen gestellt und beantwortet werden
11



Der Gemeinderat kann intervenieren und Stellung beziehen
Es können Änderungsanträge gestellt werden, was eine im Gegensatz zur Urne
(Ja/Nein) eine interessante und lebendige Form der direkten Demokratie darstellt
Mittels Änderungsantrag eingebrachte Vorschläge können eine Vorlage retten,
weil am Schluss eine Kompromisslösung zur Abstimmung gelangt
Pro Urnenabstimmung
 Die Stimmbeteiligung ist deutlich höher als an Gemeindeversammlungen
 Die Legitimation von Urnenbeschlüssen ist höher zu gewichten als Versammlungsgeschäfte
 Der Einfluss partikulärer Interessen ist geringer als an Gemeindeversammlungen
 Der Einfluss der Behörden ist bei Urnenabstimmungen geringer
b)
Fakultatives Referendum gegen Versammlungsbeschlüsse
Wenn man sich mit pro und contra auseinander setzt ist man geneigt, beiden Verfahren gute Noten zu erteilen. Da stellt sich die Frage, ob die beiden Verfahren nicht
kombiniert werden sollen. Die Einwohnergemeinde Ittigen kennt diese Kombination,
die sich wie folgt charakterisiert (Art. 31 GO EG Ittigen):
 Die Gemeindeversammlung beschliesst Ausgaben ab Fr. 400‘000 in unbeschränkter Höhe
 Ausgaben (und nur Ausgaben!) über Fr. 3 Mio. müssen im Anzeiger bekannt gemacht werden
 Innert 30 Tagen ab Publikation können drei Prozent der Stimmberechtigten verlangen, dass der Beschluss der Gemeindeversammlung (Ausgabe von über
Fr. 3 Mio.) der Urnenabstimmung zu unterbreiten ist
Diese Regelung hat die Vorteile der Versammlung mit den Vorteilen der Urne vereinigt. Der Nachteil besteht in der Verlängerung des Prozesses, muss doch bei einem
Ausgabenbeschluss von über Fr. 3 Mio. mit einer Dauer bis zur Rechtskraft von mehreren Monaten gerechnet werden. Dies bedingt eine gute Planung der grossen Ausgaben, was sich sicher machen lässt. Es ist wichtig, dass sich die Politik bei einer
solchen Zuständigkeitsregelung darüber ausspricht, ob auch die negativen Entscheide einem Referendum zugeführt werden können. Grundsätzlich spricht sicher nichts
dagegen, alle Beschlüsse (auch die negativen) bei gegebenen Voraussetzungen mittels Unterschriftensammlung einem Referendum zuführen zu können.
Haltung Gemeinderat
Um dem Argument, die Gemeindeversammlung entscheide teilweise ungenügend
legitimiert (tiefe Stimmbeteiligung, Mobilisierung von Interessengruppen), entgegenzutreten, sollen wichtige Versammlungsentscheide mittels Referendum einer Urnenabstimmung zugeführt werden können. Dieses Referendum könnte sich wie folgt
darstellen:
 Referendumsfähig wären die Geschäfte zur Gemeindeordnung, zur baurechtlichen Grundordnung (soweit die Fläche der Planungen kleiner als 25‘000 m2), zu
den Reglementen und zu den Ausgabenbeschlüssen zwischen Fr. 300‘000 und
Fr. 3 Mio.
 An der Zuständigkeit der „obligatorischen“ Urnenabstimmung (Art. 33 GO) würde
sich nichts ändern.
12




c)
Es könnten sowohl gegen zustimmende wie ablehnende Entscheide ein Referendum ergriffen werden.
Es wäre eine relative kurze Referendumsfrist zu wählen, damit so rasch als möglich Klarheit darüber herrscht, ob ein Entscheid rechtskräftig wird, oder ob eine
Urnenabstimmung stattfindet. Gleichzeitig wäre die Zahl der erforderlichen Unterschriften nicht allzu hoch anzusetzen.
Der Gemeinderat spricht sich für eine Frist von 30 Tagen und für 300 erforderliche Unterschriften aus (was 3.6 Prozent der Stimmberechtigten entspricht).
Beispiel: Die Gemeindeversammlung beschliesst die Gestaltung und Aufwertung
eines Platzes für Fr. 1 Mio. Ab Publikation dieses Entscheids im Anzeiger würde
die 30-tägige Frist laufen. Können innert dieser Frist 300 Unterschriften gesammelt werden, muss eine Urnenabstimmung durchgeführt werden. Kommen die erforderlichen Unterschriften nicht zustande, kann der Gemeinderat nach 30 Tagen
den Beschluss vollziehen.
GO-Änderungen
Art. 35 Bst. a der Gemeindeordnung bestimmt, dass die Gemeindeversammlung den
Erlass und die Änderungen der Gemeindeordnung beschliesst. Diesbezüglich könnte
erwogen werden, GO-Änderungen seien an der Urne zu beschliessen, weil so die
Legitimation der „Gemeindeverfassung“ erhöht werden könne. Anders als bei Einzonungsgeschäften ist das Risiko bei GO-Änderungen relativ gering, dass bestimmte
Interessengruppen mobilisieren und einseitig Einfluss nehmen können.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat vertritt die Auffassung, die Änderung der GO weiterhin an der Versammlung zu beschliessen. Dies umso mehr, als gegen solche Änderungen neu das
fakultative Referendum ermöglicht werden soll.
d)
Baurechtliche Grundordnung
Auch für die baurechtliche Grundordnung (Baureglement, Zonenplan) ist gemäss Art.
35 Bst. b die Gemeindeversammlung zuständig, soweit nicht der Gemeinderat zuständig ist. Allerdings haben die Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Belp die
Zuständigkeit der Gemeindeversammlung am 17.10.2010 relativiert, indem sie entschieden haben, dass über die Gesamtrevision der Ortsplanung und über Ein- und
Umzonungen von mehr als 25‘000 m2 an der Urne zu befinden ist (Art. 33 Abs. 1 Bst.
c GO). Mit dieser Zuständigkeitsvorschrift soll verhindert werden, dass entsprechende Geschäfte an der Gemeindeversammlung durch eine Mobilisierung Betroffener
allzu stark beeinflusst werden können.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat hat sich mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Fläche zur
Durchführung einer Urnenabstimmung (obligatorisch) auf 10‘000 m2 heruntergesetzt
werden sollte. Er schlägt nach geführter Debatte vor, neu ab 10‘000 m2 die Urnenabstimmung vorzusehen. Da Planungsgeschäfte bekanntermassen teilweise sehr emotional beurteilt und immer komplexer werden, erscheint eine Reduktion der Fläche als
Voraussetzung für eine Urnenabstimmung angezeigt.
13
3.
Andere Zuständigkeiten
a)
Stellenschaffungen
Die Stimmberechtigen schaffen neue, ständige Stellen mit mehr als 70 Stellenprozenten an der Gemeindeversammlung (Art. 35 Bst. j GO). Es stellt sich die Frage, ob
diese Bestimmung sinnvoll ist. Diese Bestimmung wurde erst im Jahr 2010 in dieser
Form erlassen, weshalb es problematisch erscheint, diese Zuständigkeitsnorm bereits wieder in Frage zu stellen. Alternativ könnte auch der Gesamtstellen-Etat beschlossen und dem Gemeinderat dabei eine gewisse Bandbreite zugestanden werden (z.B. plus/minus 100 Stellenprozente). Einzelne Gemeinden weisen in ihren Gemeindeordnungen die Zuständigkeit für Stellenschaffungen abschliessend dem Gemeinderat zu. Für diese Lösung spricht der Umstand, dass der Gemeinderat, der
Verwaltung nahe steht und weiss, welche Belastungen diese zu bewältigen hat. Allerdings gilt es zu bedenken, dass jede Stellenschaffung zu grossen wiederkehrenden Aufwendungen führt, die je nach Funktion der Stelle ohne weiteres jährlich
Fr. 100‘000 bis Fr. 200‘000 ausmachen können.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat gelangt nach einlässlicher Diskussion zum Schluss, dass es Sinn
machen würde, wenn die Zuständigkeit zur Schaffung (und Aufhebung) von Stellen
abschliessend dem Gemeinderat obliegen würde. Er begründet seine Haltung wie
folgt:
 Nur der Gemeinderat als der Verwaltung direkt vorgesetzte Behörde kann beurteilen, wie viele Ressourcen nötig sind, um anfallenden Aufgaben zu erfüllen.
 Die Diskussion um die personellen Ressourcen sollte möglichst nüchtern und faktenbezogen erfolgen, ebenso die entsprechenden Entscheide. Die Gemeindeversammlung erscheint hier als zuständiges Organ eher ungeeignet.
 Es ist erfahrungsgemäss nicht so, dass der Gemeinderat mit Stellenbegehren
unkritisch und zu grosszügig umgehen würde. Der Gemeinderat von Belp hat ein
ausgeprägtes Kostenbewusstsein und stimmt einer Stellenerhöhung nur dann zu,
wenn diese unerlässlich erscheint. Zudem befasst sich in der Regel vor dem Gemeinderatsentscheid auch noch eine Kommission mit der Frage nach den „richtigen“ personellen Ressourcen, der Einfluss der Politik ist gewährleistet.
 Zahlreiche Stellen sind beim Sozialdienst angesiedelt und werden vom Kanton
gesteuert (Anzahl Fälle ergeben eine Stelle). Die Kosten werden dem Lastenausgleich „Sozialhilfe“ zugeführt. Hier macht es keinen Sinn, wenn im Rahmen eines
politischen Prozesses über die Schaffung von entsprechenden Stellen diskutiert
und entschieden wird. Zudem können die zuständigen Stimmberechtigten oft
nicht mit der erwünschten Geschwindigkeit auf veränderte Verhältnisse reagieren.
 Die heutige Regelung, wonach der Gemeinderat Stellen bis zu 70% schaffen
kann, verleitet zu einer Stückelung bei der Schaffung von Stellen, damit die Zuständigkeit der Gemeindeversammlung vermieden werden kann.
b)
Reglemente
Reglemente liegen grundsätzlich in der Zuständigkeit der Gemeindeversammlung.
Einzelne Gemeinden legen die Zuständigkeit zum Erlass von Reglementen (mit Ausnahme der Gemeindeordnung und der baurechtlichen Grundordnung) in die Zustän-
14
digkeit des Gemeinderats, unterstellen aber dessen Beschlüsse über die Reglemente
dem fakultativen Referendum. Begründet werden solche Lösungen mit dem „Effizienzgewinn“, indem nach Ablauf der Referendumsfrist die geänderten Erlasse sofort
in Kraft gesetzt werden können. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass bei einer
tief festgelegten Unterschriftenzahl bei einem umstrittenen Geschäft die nötigen Unterschriften ohne grossen Aufwand beigebracht werden können, damit das Geschäft
einem Beschluss der Gemeindeversammlung zugeführt werden kann. Es gilt im Sinne eines kritischen Vorbehalts darauf hinzuweisen, dass es sich bei Reglementen um
ein „Kerngeschäft“ der Legislative handelt, weshalb der Erlass durch den Gemeinderat – unter Vorbehalt des fakultativen Referendums – doch eher ungewöhnlich erscheint.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat vertritt nach geführter Diskussion die Auffassung, die Reglemente
in der Zuständigkeit der Stimmberechtigten zu belassen. Die Rechtsetzung ist die
ureigene Zuständigkeit des Souveräns und dies soll für Reglemente auch so bleiben.
Im Reglement kann der Gemeinderat bei Bedarf ermächtigt werden, die Ausführungsbestimmungen mittels Verordnung zu erlassen.
c)
Ausgaben
Heute beschliessen die Stimmberechtigten Ausgaben an der Urne, wenn es um mehr
als Fr. 3 Mio. geht. Ausgaben zwischen Fr. 300‘000 und Fr. 3 Mio. beschliessen die
Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung, während der Gemeinderat für
Ausgaben bis zu Fr. 300‘000 zuständig ist. Es gibt Gemeinden, in welchen der Gemeinderat höhere Ausgaben beschliessen kann (die Gemeinde Ittigen gewährt dem
Gemeinderat eine Ausgabenzuständigkeit bis Fr. 400‘000), diese dürften aber sehr
selten sein. Mit Fr. 300‘000 verfügt der Gemeinderat von Belp über eine erhebliche
Ausgabenzuständigkeit.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat erachtet die heutige Ausgabenzuständigkeit als sinnvoll und will
diese so beibehalten.
d)
Rechnung und Nachkredite zum Budget
Das kantonale Recht lässt es zu, dass die Zuständigkeit zum Beschluss über die
Rechnung dem Gemeinderat zugewiesen wird. Da im Rahmen der Rechnungsgenehmigung regelmässig auch über Nachkredite zum Budget zu befinden ist, muss
die Zuständigkeit für Budgetnachkredite sinnvollerweise auch dem für die Rechnung
zuständigen Organ zugewiesen werden. An sich wäre es möglich, das Budget durch
den Gemeinderat beschliessen zu lassen, sofern die Steueranlage nicht verändert
wird. Es dürfte aber wohl keine Gemeinde geben, welche diese Zuständigkeitsregelung vorsieht. Die meisten Gemeinden unterbreiten die Rechnung zur Genehmigung
den Stimmberechtigten, weil diese das Budget und die Steueranlage beschlossen
haben. Mit anderen Worten: Wenn die Stimmberechtigten das Budget beschliessen,
soll im Rahmen der Rechnungslegung Rechenschaft über den Abschluss der Rechnung abgelegt werden.
15
Haltung Gemeinderat
Die Behandlung der Rechnung ist regelmässig nicht sehr interessant und mit einem
erheblichen administrativen Aufwand verbunden. Der Gemeinderat ist deshalb der
Auffassung, die Zuständigkeit zum Beschluss über die Rechnung, einschliesslich des
abschliessenden Beschlusses über Budgetnachkredite, sei dem Gemeinderat zuzuweisen. Die Öffentlichkeit wäre jeweils über den Abschluss der Rechnung und die
beschlossenen Budgetnachkredite zu informieren. Nachkredite zu Verpflichtungskrediten sind bei gegebener Höhe nach wie vor von den Stimmberechtigten zu beschliessen, an dieser Zuständigkeit würde festgehalten.
IV.
Gemeinderat
1.
Grösse des Gemeinderats (7 oder 5?)
a)
Führungsstruktur
Der Gemeinderat entscheidet als Kollegialbehörde. Dies führt für die Mitglieder zu
einer Doppelfunktion: Einerseits bringen sich die Mitglieder im Plenum ein und beeinflussen die Entscheidfindung, vertreten aber nach geführter Diskussion grundsätzlich
die Haltung des Gesamtgemeinderats. Andererseits stehen die Gemeinderatsmitglieder einem Departement vor. Diesbezüglich gibt es in bernischen Gemeinden drei
„Grundmodelle“, die sich grafisch (abstrakt, nicht auf die Gemeinde Belp bezogen)
wie folgt darstellen lassen:
Modell „Geschäftsführung“
Dieses Führungsmodell zeichnet sich dadurch aus, dass das zuständige Gemeinderatsmitglied die Geschäfte seines Departements politisch führt. Das Personal ist dem
Gemeindepräsidium unterstellt, somit führt das Departement nicht in der Linie. Dieses Modell gelangt in der Gemeinde Belp zur Anwendung und funktioniert gut.
16
Modell „Geschäftsführung und Personalführung“
Dieses Führungsmodell ist konsequent aufgebaut, wird aber vor allem in Gemeinden
zur Anwendung gebracht, die über professionelle Gemeinderatsmitglieder verfügen.
Dieses Modell bedingt seitens der Politik Führungserfahrung. Zudem besteht die Gefahr, dass die Verwaltung wegen der unterschiedlichen personellen Führung eher
segmentiert wird, als wenn die Verwaltung „aus einer Hand“ durch das Gemeindepräsidium geführt wird.
Modell „Organisation ohne Departement“
Bei diesem Modell befassen sich die Gemeinderatsmitglieder ausschliesslich mit
strategischen Fragen und führen weder das Personal noch konkrete Geschäfte. Dieses Modell gewährleistet, dass das Kollegium ohne ständigen Blick auf das eigene
Departement frei diskutieren und entscheiden kann. Auch wenn dieses Modell auf
den ersten Blick bestechend erscheint, hat es in der Praxis bisher keinen Eingang
gefunden. Die Gründe, die gegen dieses Modell genannt werden:
 Das Präsidium wird zu mächtig, weil alle operativen Geschäfte durch dieses „Nadelöhr“ laufen
 Die Politik ist kaum mehr breit über die laufenden operativen Geschäfte informiert
und kann nicht mehr auf die Verwaltung einwirken
 Wer den operativen Alltag nicht kennt, kann kaum Einfluss nehmen auf die Bildung von erfolgreichen Strategien
17
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat erachtet die heutige Lösung, wonach die oberste Kaderebene dem
Gemeindepräsidium unterstellt ist, die Departementsvorstehenden aber das Geschäft
inhaltlich führen, als sinnvoll und möchte daran nichts ändern. Das Modell „Geschäftsführung“ hat sich in Belp bewährt, die alternativen Führungsmodelle erscheinen ungeeignet.
b)
7 oder 5 Mitglieder
Abstrakt lässt sich zur Grösse des Gemeinderats das Folgende sagen:





In der Tendenz sind die Gemeinderäte im Kanton Bern in den letzten Jahren eher
verkleinert worden, allerdings betraf dies in der Mehrzahl der Fälle Verkleinerungen von 9 auf 7 Mitglieder.
Gemeinden, die aus mehreren Dörfern bestehen, halten eher an grösseren Gemeinderäten fest, damit die Vertretung ihrer „Aussenstationen“ gewährleistet ist.
Gemeinden mit einem Parlament neigen eher zu einer Verkleinerung der Gemeinderäte, weil die gesellschaftlich breite Abstützung durch das Parlament gewährleistet wird.
Milizmässig organisierte Gemeinden tendieren eher zu einem grösseren Gemeinderat, weil so die Arbeitslast auf mehr Schultern verteilt werden kann.
Je kleiner der Gemeinderat, desto eher geht die Politik in Richtung Professionalisierung.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat vertritt nach geführter Diskussion die Auffassung, für die Gemeinde
Belp sei weiterhin ein siebenköpfiger Gemeinderat richtig. Er begründet seine Haltung wie folgt:
 Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht wären die Geschäfte auch von einem fünfköpfigen Gemeinderat zu meistern. Allerdings gilt es hier auch (und vor allem)
auch die politische Dimension der Grösse des Gemeinderats zu würdigen. Neben
der Führung der Geschäfte des Departements ist jedes Gemeinderatsmitglied
auch „Bestandteil“ des Kollegiums und muss so weitreichende Entscheide
mitverantworten.
 Die Tätigkeit des Gemeinderats muss deshalb politisch breit abgestützt werden.
Hätte die Gemeinde Belp ein Parlament, wäre diese Abstützung durch dieses
18




c)
Gremium gewährleistet. Da auf die Einführung eines Parlaments verzichtet werden soll, braucht es weiterhin einen siebenköpfigen Gemeinderat, damit die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in der Gemeinde möglichst gut in der Zusammensetzung des Gemeinderats gespiegelt werden.
Im Gegensatz zu anderen Gemeinden sind die Parteien in Belp sehr aktiv, es gibt
acht Ortsparteien. Bei einem grösseren Gemeinderat sind erfahrungsgemäss
mehr Parteien in der Exekutive vertreten, was zur Stabilisierung des politischen
Systems beiträgt. Heute sind fünf politische Parteien im Gemeinderat vertreten.
Angesichts der immer grösser werdenden Belastung für die Gemeinderatsmitglieder, die ihre Funktion – mit Ausnahme des Präsidiums – im Milizamt versehen,
erscheint es besser, die Arbeitslast auf sieben Schultern zu verteilen.
Bis 2004 bestand der Gemeinderat noch aus neun Mitgliedern, es wäre verfehlt,
jetzt auf fünf Mitglieder zu reduzieren.
Die Zuweisung der Aufgaben zu den Departementen wird indessen einlässlich zu
diskutieren sein. Je nachdem, wie die weiteren Fragen entschieden werden, sind
hier Anpassungen erforderlich.
Auswirkungen auf die Departementsorganisation
Die Zuweisung der Aufgaben zu den Departementen stellt sich heute in der Gemeinde Belp wie folgt dar:
Departement
Namentlich aufgeführte Aufgabenbereiche
Kommissionen
Präsidiales
und Sicherheit
 Planung und Koordination der Erfüllung sämtli-
 Präsidialkommission
 Wahlausschuss, Büro I
 Abstimmungsausschuss,














cher Gemeindeaufgaben
Überwachung von Eingang, Zuweisung und Erledigung sämtlicher Geschäfte
sowie der Einhaltung von Fristen
arbeitsmarktliche Massnahmen
Repräsentation der Gemeinde und Information
der Öffentlichkeit
Regionalkonferenz
Einbürgerungen
administrative Führung des Personals
Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und
Verbänden
Durchführung von Wahlen und Abstimmungen
Wirtschaftsförderung; Unternehmensbefragungen
Bevölkerungsschutz (Feuerwehr, Zivilschutz,
Militär)
Gemeindepolizei
ausserordentliche Lagen
Lokale Agenda 21
Marktwesen
Büro II
 Abstimmungsausschuss,
Büro III
 Bevölkerungsschutzkommission
 Marktkommission
 Regionales Führungsorgan RFO Gürbetal Nord
19
Bau
 Baubewilligungs- und Baupolizeiaufgaben
 Planung, Bau und Unterhalt vom Strassennetz,









Bildung
Brücken inklusive Landerwerbe und Dienstbarkeiten
Verkehrssicherheit, einschliesslich Signalisationswesen
Wasserbau
Gewässerschutz
Abfallentsorgung
Vermessungswesen
Mitarbeit bei Umweltschutzanliegen
Mitarbeit bei Ortsplanung und bei Anliegen des
öffentlichen Verkehrs
Reklame- und Plakatwesen
Betrieb des Werkhofs
 Volksschule (Kindergarten, Primarstufe und Se







 umfassende Zuständigkeit in den Bereichen







Bildungskommission
kundarstufe 1)
Schulraumplanung
Mithilfe bei Projektierung der Schulräume
Schulsport
weitere / freiwillige Bildungsangebote
Musikschule
Tagesschule
Aufgabenhilfe
Erwachsenenbildung
Finanzen und
 Finanzplanung: Erstellen des Finanzplans
Liegenschaften  Erstellen des Voranschlags und der Gemeinderechnung
 Beratung der Gemeindeorgane in finanziellen
Belangen
 Steuerwesen
 Bau, Betrieb und Unterhalt sowie Bewirtschaftung der Liegenschaften des Finanzvermögens
 Bau und Unterhalt der Liegenschaften im Verwaltungsvermögen
 Vermietung Gewölbekeller und Räume Schulanlagen
Kultur, Freizeit
und Sport
Baukommission
Freizeit, Sport und Kultur
Kulturanlässe, Kulturtage, Kulturförderung
Vereine
Gemeindebibliothek
Planung und Koordination von Kultur-, Freizeitund Sportangeboten
Ferien(S)pass
Bundesfeier
Ortsmuseum
Finanzkommission
Kultur-, Freizeit- und
Sportkommission
20
 Schlossgalerie (Kunstausstellungen)
 Prix Belp
Planung
und Umwelt
 Konzeptionelle Zuständigkeit in den Bereichen
 Landschaftsschutz und -planung
 Siedlungsplanung
 Regionalplanung
 Ökologie (Umwelt, Energie)
 Regionalkonferenz
 Öffentlicher und privater Verkehr
Planungs- und Umweltkommission
Soziales und
Gesundheit




 Sozialkommission
 Reg. Sozialkommission








Altersfragen
Asylwesen
Kinder- und Jugendfragen, Jugendfachstelle
familienexterne Kinderbetreuung: Tageseltern,
Kindertagesstätten usw.
Schulsozialarbeit
Erbschaftswesen
Siegelungswesen
Prävention im Sozialbereich
Sozialhilfe
AHV-Zweigstelle
Gesundheitsförderung
Prävention im Gesundheitsbereich
Bei sieben Gemeinderatsmitgliedern bewährt sich die Zuweisung der Aufgaben zu
den Departementen grundsätzlich gut. Der Gemeinderat wird zu entscheiden haben,
ob das Präsidium mit mehr Ressourcen auszustatten ist. Sollte dies der Fall sein,
muss der Gemeinderat Überlegungen anstellen, ob die Departemente neu zu verteilen sind, namentlich ob dem Gemeindepräsidium zusätzlich zum Präsidialen ein anderes Departement zuzuweisen wäre. Heute verhält es sich so, dass immer öfter
Aufgaben als „Projekte“ (oft departementsübergreifend) und nicht im Rahmen von
ständigen Strukturen erfüllt werden.
Haltung Gemeinderat
Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Zuweisung der Aufgaben zu den Departementen zu diskutieren sein. Zum heutigen Zeitpunkt erscheint dies noch verfrüht.
Bei einer Verkleinerung des Gemeinderats auf fünf Mitglieder würde sich
Departementsorganisation anders darstellen. Je nach Entscheid des Gemeinderats
müssen die Aufgaben den fünf Departementen neu zugewiesen werden, was sich in
der nachstehenden Tabelle festhalten liesse. Dieser Aufwand muss allerdings nur
dann betrieben werden, wenn die Verkleinerung des Gemeinderats wirklich ein politisch gewolltes Thema ist.
Departement
Namentlich aufgeführte Aufgabenbereiche
Präsidiales und …
Aufgaben
Departement 2
Aufgaben
Kommissionen
Baukommission
21
Departement 3
Aufgaben
Departement 4
Aufgaben
Departement 5
Aufgaben
Haltung Gemeinderat
Da der Gemeinderat nicht verkleinert werden soll, bedarf es auch keiner völlig neuen
Zuweisung der Aufgaben auf fünf Departemente.
d)
Schnittstellen zur Verwaltung
Die Schnittstellen des Gemeinderats zur Verwaltung stellen sich heute wie folgt dar:
Auffallend ist die Doppelunterstellung der Abteilungen „Präsidiales“ und „Bau“ unter
zwei Ressorts. In der Praxis geben aber solche Doppelunterstellungen kaum je zu
Problemen Anlass, weil die Personalführung beim Gemeindepräsidium liegt, das bei
möglichen Konflikten koordinierend wirken kann. Bei einer Verkleinerung des Gemeinderats auf fünf Mitglieder würden diese Doppelunterstellungen wohl wegfallen.
Alle fünf Gemeinderatsmitglieder wären je einer Verwaltungsabteilung (politisch)
übergeordnet.
Haltung Gemeinderat
Es bedarf keiner Anpassungen der Schnittstelle zur Verwaltung.
22
2.
Wahlverfahren (Proporz oder Majorz)
a)
Regelungsspielräume
Die Gemeinden des Kantons Bern sind frei, in welchem Wahlverfahren sie den Gemeinderat wählen wollen. Eine Einschränkung ist im Minderheitenschutz zu sehen,
der auf Antrag der Minderheiten (in aller Regel) im Majorzverfahren zur Anwendung
gelangen kann. Der Minderheitenschutz ist zwingendes kantonales Recht und stellt
eine Zwischenlösung zwischen Majorz- und Proporzverfahren dar; er soll die "Härten" des Majorzes brechen. Er gewährt den Minderheiten bei gegebenen Voraussetzungen einen Sitz. Der Anspruch, in einer majorzgewählten Behörde vertreten zu
sein, beträgt rund 70% eines reinen Proporzanspruchs. Das Verfahren ist im Gemeindegesetz mit einer Formel genau beschrieben (Art. 43 GG). Die Anwendung
kann in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Wer bei einer Wahl
von sieben Mitgliedern im Proporzverfahren mit ca. 15% Wähleranteil in den Gemeinderat gewählt wird, schafft dies im Majorzverfahren mit einem entsprechenden
Wähleranteil kaum. Die Inanspruchnahme des Minderheitenschutzes gewährleistet
aber - wie oben ausgeführt - nicht einen proportionalen Anspruch, sondern nur ca.
70% davon, was bedeutet, dass mit einem Wähleranteil von 15% auch unter Inanspruchnahme des Minderheitenschutzes eine Kandidatur nicht erfolgreich wäre. Im
vorliegenden Beispiel würde ein Wähleranteil von ca. 20% genügen, um im
Majorzverfahren, kombiniert mit dem gesetzlichen Minderheitenschutz, gewählt zu
werden.
b)
Majorz (Mehrheitswahlverfahren)
Im Majorzverfahren ist gewählt, wer am meisten Stimmen erhält. Die Stimmen werden für einzelne Personen und nicht für Listen bzw. Parteien abgegeben. Sie stellen
die Kandidierenden in den Vordergrund und sind deshalb Persönlichkeitswahlen. Da
die Parteizugehörigkeit rechtlich unbeachtlich ist, gibt es auch kein Nachrücken. Bei
einem Ausscheiden während der Amtsdauer bedarf es deshalb einer Ersatzwahl. Im
Majorzverfahren können im gleichen Wahlgang auch mehrere Personen gewählt
werden. Die Gemeinden müssen bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine
kandidierende Person gewählt ist. In der Regel sehen die entsprechenden
Reglemente der Gemeinden vor, dass gewählt ist, wer im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreicht (mehr als die Hälfte der erforderlichen Stimmen für einen Sitz).
Können so nicht alle Sitze besetzt werden, findet ein zweiter Wahlgang statt, in welchem dann in der Regel nur noch das relative Mehr für die Wahl erforderlich ist. Oder
mit anderen Worten: Im zweiten Wahlgang ist gewählt, wer am meisten Stimmen erhält. Es ist aber auch möglich, von Anfang an nur auf das relative Mehr abzustellen.
In diesem Verfahren ist in jedem Fall nur ein Wahlgang nötig, gewählt sind die Kandidierenden mit den meisten Stimmen. Die Stadt Burgdorf kennt dieses Verfahren.
c)
Proporz (Verhältniswahlverfahren)
Im Zentrum der Wahl steht bei diesem Verfahren nicht die Person, sondern die Liste
bzw. die Partei. Die politische Idee hinter diesem Verfahren besteht darin, die gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse möglichst realitätsgetreu (proportional) in der zu
wählenden Behörde abzubilden. Das Ausmittlungsverfahren läuft in zwei Schritten
23
ab: Zuerst wird ermittelt, wie viele Sitze den an der Wahl teilnehmenden Listen bzw.
Parteien zustehen. Die meisten Gemeinden lassen Listenverbindungen zu, was bei
der Verteilung von Restmandaten zu Sitzgewinnen führen kann. Sind die Sitze den
Listen bzw. Parteien zugewiesen, werden in einem zweiten Schritt die Stimmen den
Kandidierenden zugewiesen. Gewählt ist, wer auf der Liste am meisten Stimmen auf
sich vereinigt. Bei Proporzwahlen stellt sich die Frage, ob das Präsidium, welches
regelmässig im Majorzverfahren gewählt wird, bei der Ermittlung des ProporzwahlErgebnisses anzurechnen ist. Diesbezüglich stehen mehrere Modelle zur Verfügung.
Wird die Parteizugehörigkeit des Präsidiums nicht angerechnet, kann dies zu einer
Verzerrung des Proporzwahl-Ergebnisses führen. Bei diesem Verfahren ist eine Ersatzwahl unproblematisch. Viele Gemeinden sehen vor, dass die Parteizugehörigkeit
des Präsidiums bei der (proportionalen) Verteilung der Sitze anzurechnen ist. Bei
Ersatzwahlen ins Präsidium kann dies dann dazu führen, dass ein Gemeinderatsmitglied der gleichen Partei wie das neu gewählte Präsidium zurücktreten muss, damit
deren Partei im Gemeinderat nicht übervertreten ist. Dies kann mitunter zu politischem Unverständnis führen.
d)
Vergleich der beiden Modelle
Die beiden Modelle (Majorz und Proporz) lassen sich wie folgt gegenüberstellen:
Kriterium
Mehrheitswahl (Majorz)
Verhältniswahl (Proporz)
Grundidee
„Persönlichkeitswahl“: Die besten Personen sollen, unabhängig von ihrer
Parteizugehörigkeit, gewählt werden
„Parteiwahl“: Die politischen Anschauungen der Wählenden sollen sich im
gewählten Gremium wiederspiegeln
Zulässigkeit
Rechtlich möglich, wird durch gesetzlichen Minderheitenschutz relativiert
Rechtliche Bedenken angemeldet im
Zusammenhang z.B. mit ausseramtlichen Wahlzetteln und Nichtberücksichtigung leerer Stimmen
Rechtlich möglich
Nähere Ausgestaltung
Gestaltungsspielraum bezüglich
- Absolutes / relatives Mehr
- Anzahl Wahlgänge
Gestaltungsspielraum bezüglich
- Zulassung von Listen- und Unterlistenverbindungen
-
Wahl Präsidium (separat oder
nicht?)
-
Abänderung der Listen
Verfahren für Zuteilung der Sitze
-
Zulassung ausseramtlicher Wahlzettel
-
Wahl Präsidium (separat oder
nicht?)
-
Berücksichtigung leerer Wahlzettel
-
Nachrücken / Ersatzwahl
Auswahl der Personen
Direkt durch Stimmen für die betreffende Person
Indirekt bzw. in 2 Schritten dadurch,
dass zunächst einer Liste Sitze zugeteilt werden und die Personen der
betreffenden Liste mit dem besten
Resultat gewählt sind
Verfahren bei Ausscheiden einer gewählten Person
Ersatzwahl zwingend
Üblich ist Nachrücken
Ersatzwahl ist möglich und in Köniz neu
vorgeschrieben
Einfluss der Wählenden auf die Person
Systembedingt gross
Je nach Ausgestaltung grösser oder
geringer
Einfluss durch
- Veränderung der Listen (Streichen,
Kumulieren, Panaschieren)
- Erfordernis einer Ersatzwahl bei
Ausscheiden gewählter Personen
24
Listenverbindungen
Nein
Möglich und üblich
Erforderliches Quorum
Für Wahl im 1. Wahlgang ist absolutes
Mehr üblich, aber nicht zwingend
Stadt Burgdorf verlangt nur relatives
Mehr
Kein bestimmtes Quorum, Sitzanspruch
je nach Anteil an Gesamtstimmen
Zweiter Wahlgang
Erforderlich, wenn für Wahl im 1. Wahlgang das absolute Mehr verlangt ist
Nicht erforderlich
Stimmengleichheit
Problem kann sich stellen, üblich ist
Losentscheid.
Problem kann sich stellen, für Sitzverteilung bestehen verschiedene Möglichkeiten (Art. 43 Reglement über
Abstimmungen und Wahlen), evtl. Losentscheid
Dieser Vergleich entstammt einem Bericht meines Büropartners Dr. Ueli Friederich,
den er für die Einwohnergemeinde Köniz verfasst hat.
e)
Andere Gemeinden - Tendenzen
Wohl alle Gemeinden mit einem Gemeindeparlament im Kanton Bern wählen dieses
im Proporzverfahren. Die Mitglieder des Bundesrats und der kantonalen Regierungen
werden im Majorzverfahren gewählt, mit Ausnahme der Kantone Tessin und Zug, wo
die Regierungsmitglieder im Proporzwahrverfahren gewählt werden. Bei den Gemeindeexekutiven hängt das Wahlverfahren (auch) von der Gemeindegrösse ab;
kleinere Gemeinden wählen in aller Regel im Majorzverfahren, teilweise noch an der
Gemeindeversammlung. Im Kanton Bern werden die Gemeinderäte der grossen
Gemeinden praktisch durchwegs im Propozverfahren gewählt. Ausnahme ist die
Stadt Burgdorf, welche für die Gemeinderatswahlen das Majorzverfahren kennt.
Während lange Zeit der Trend hin zu Proporzverfahren ging, wird heute vermehrt die
Frage nach einem Wechsel vom Proporz- zum Majorzverfahren diskutiert. Allerdings
kann diesbezüglich noch kaum von einem Trend gesprochen werden (siehe dazu
Andreas Ladner, Wahlen in Schweizer Gemeinden, IDHEAP 2011, Seite 9). Andreas
Ladner führt am angegebenen Ort auch aus, in der konkreten Handhabung würden
die beiden Wahlverfahren nicht zu grossen Unterschieden führen, auch wenn sich
gewisse Unterschiede erkennen liessen.
f)
Vor- und Nachteile eines Wechsels
Gesichtspunkt
Mögliches Argument für Majorz
Mögliches Argument für Proporz
Mobilisierung der
Stimmberechtigten
Majorzwahlen führen eher weniger zu
einem „politischen Hickhack“
Proporzwahlen fördern den politischen
Wettbewerb und sind besser geeignet,
die Wählerschaft zu mobilisieren
Wählerwille
Wählerwille kommt unmittelbar zum
Ausdruck, die Wählenden bestimmen
selbst, welche Personen in der Exekutive vertreten sein müssen
Personen werden v.a. gewählt, weil sie
ein politisches Programm vertreten, eine
„Personenwahl“ ist immer auch eine
„Parteiwahl“
Eher weniger Bindung an Selektion
durch Parteien, vor allem dann, wenn
keine Wahlvorschläge verlangt sind
Selektion durch Parteien wird durch
Möglichkeit der Streichung, des Kumulierens und des Panaschierens relativiert
Majorz als „Persönlichkeitswahl“ begünstigt starke, unabhängige Persönlichkeiten
Auch profilierte Persönlichkeiten sind auf
„Stimmenpotenzial“ der Parteien angewiesen
Qualität der Kandidierenden
25
Dominanz grosser Parteien kann beim
Proporz die Wahl einer profilierten Person verhindern
Legitimation der
Gewählten
Direkte Wahl von Personen legitimiert
die Personen als solche besser
Proporz widerspiegelt politische Überzeugungen und führt deshalb zu repräsentativer Exekutive
Parteien
Proporz fördert Parteienzersplitterung
Personen aus Kleinstparteien haben
nach Proporz keine Wahlchancen
Ermöglicht auch kleineren Parteien eine
Vertretung (Listenverbindung)
„Parteienlandschaft“ wird in Exekutive
abgebildet
Politische Stabilität
Bevorzugung grosser Parteien durch
Majorzwahl führt zu politischer Stabilität
Präferenzen für Personen ändern häufiger als für Parteien und politische Programme, Majorzwahl ist deshalb anfälliger für „Zufallsentscheide“
Majorzwahl führt insbesondere bei sehr
knappen Mehrheitsverhältnissen zwischen „Blöcken“ zu Hin und Her
Funktion der Exekutive
Majorz begünstigt starke Exekutive mit
Führungsfunktion
Auch Exekutive muss Interessen „austarieren“
Exekutive ist Kollegialbehörde und vertritt nicht Gruppeninteressen
Verhältnis zum
Parlament
Wahl von Personen durch die Mehrheit
gibt der Exekutive Unabhängigkeit gegenüber dem Parlament
Parteipolitische Zusammensetzung
entspricht eher derjenigen des Parlaments
Weniger „parteipolitische Reibungsflächen“
Aufwand
Nachvollziehbarkeit, Transparenz
Majorzwahl ist einfacher, kein kompliziertes Verteilverfahren
Wahl ist nach einem Wahlgang „erledigt“
Besonders einfach ist Majorzwahl mit
relativem Mehr und einem Wahlgang
Majorzwahl mit nur relativem Mehr ist
nicht unbedenklich
Einfachheit der Majorzwahl macht diese
eher nachvollziehbar
„Reiner“ Majorz ist im Kanton Bern nicht
möglich (Minderheitenschutz)
Kein weiterer Wahlgang erforderlich
Kombination mit gesetzlichem Minderheitenschutz macht Verfahren intransparent, wenn Vertretungsanspruch geltend
gemacht wird
Rechtssicherheit
Einfaches Grund-Modell bringt Rechtssicherheit
Spielregeln sind, im Gegensatz zum
Majorzverfahren, immer bekannt
Bei Majorzwahl steht nicht zum Vornherein fest, ob sich Wählergruppe auf
Minderheitenschutz beruft
Heutige Situation
Verbreitung
Proporzwahl ist bekannt und den Wählenden vertraut
Für Kantonsregierungen hat sich bis
heute Majorz durchgesetzt bzw. erhalten
Politische Vorstösse in Richtung eines
Wechsels scheiterten teilweise klar
Grösste Gemeinden im Kanton Bern
kennen durchwegs Proporzwahlen des
Gemeinderats
Situation in andern Gemeinwesen kann
nicht 1:1 mit einer Gemeinde wie Köniz
verglichen werden (gesetzlicher Minderheitenschutz!)
26
Die Darstellung der Vor- und Nachteile entstammt einem Bericht meines Büropartners Dr. Ueli Friederich, den er für die Einwohnergemeinde Köniz verfasst hat.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat diskutiert einen möglichen Wechsel zum Majorzverfahren kontrovers und entscheidet sich schliesslich mit Mehrheitsbeschluss, die Beibehaltung des
Proporzverfahrens zu beantragen. Die Diskussion lässt sich wie folgt zusammenfassen:
 Es ist nicht davon auszugehen, dass die parteipolitische Zusammensetzung des
Gemeinderats bei einer Änderung des Wahlverfahrens völlig ändern würde.
 Allerdings lassen die zur Verfügung stehenden Zahlen aus den Proporzwahlen
kaum Schlüsse zu, wie es sich in einem Majorzverfahren mit der Zusammensetzung des Gemeinderats verhalten würde.
 Im Majorzverfahren können die Minderheiten den Minderheitenschutz (Art. 38 ff.
Gemeindegesetz) in Anspruch nehmen. Das Proporzwahlverfahren gibt den kleineren Parteien einen weitergehenden Anspruch, als sie dies im Majorzverfahren
unter Inanspruchnahme des Minderheitenschutzes haben (bei einer 7er-Behörde
braucht es im Proporz für einen Sitz ca. 15% Wähleranteil, im Majorz mit Minderheitenschutz einen Wähleranteil von ca. 20%). Die Durchführung des Minderheitenschutzverfahrens ist eher kompliziert, die Wirkungen sind nicht immer einfach
zu kommunizieren.
 Für den Wechsel zum Majorz spricht der Umstand, dass es den Parteien zusehends schwer fällt, im Proporzverfahren die Listen mit guten Kandidierenden zu
füllen, die dann auch bereit sind, bei einer erfolgten Wahl das Amt anzutreten.
 Gegen das Proporzverfahren wird eingewendet, dies sei kompliziert und werde
von den Stimmberechtigten nicht in der ganzen Dimension erfasst. Das
Majorzverfahren sei demgegenüber einfacher und transparenter.
 Bei einem Wechsel zum Majorzverfahren würde keine Referenzgrösse zur Wahl
der Kommissionen mehr bestehen. Heute wird bei der Wahl verschiedener Kommissionen auf das Wahlergebnis der Gemeinderatswahlen abgestellt. Das wäre
bei einem Majorzverfahren nicht mehr möglich.
 Die Taktik der Parteien würde sich bei einem Wechsel zum Majorzverfahren ändern. Bisher mussten die Parteien entscheiden, ob und mit wem allenfalls Listenverbindungen oder gar gemeinsame Listen eingegangen werden. Im
Majorzverfahren können zwar Kandidierende auf einer gemeinsamen Liste in Erscheinung treten, dies hat aber keinen (rechtlichen) Einfluss auf das Ergebnis.
3.
Pensum der gemeinderätlichen Tätigkeit / Abgeltung
a)
Allgemeine Gedanken zum Milizsystem
Die Diskussion, ob Gemeinderatsmitglieder im Milizamt (nebenamtlich) oder professionell (hauptamtlich) tätig sein sollen, wird in vielen grösseren Gemeinden in der
ganzen Schweiz geführt. Ausser in grösseren Städten wird der Milizgedanke immer
noch sehr hoch gehalten. Es wäre aber verfehlt, „milizmässige“ politische Arbeit mit
vollständig „ehrenamtlich“ oder „laienhaft“ gleichzusetzen. Ausser in grösseren Städten herrscht praktisch überall die Meinung vor, der Gemeinderat als Kollegialbehörde
müsse – abgesehen vom Präsidium – aus Personen bestehen, die im Alltag nicht nur
der Politik nachgehen, sondern in der „Zivilgesellschaft“ auch noch eine andere (in
der Regel entschädigte) Rolle wahrnehmen. Die Verankerung im beruflichen Alltag
27
soll die Tätigkeit in der Exekutive befruchten und die nötige „Bodenhaftung“ gewährleisten. Von den Gemeinderatsmitgliedern wird denn auch nicht primär Fachlichkeit
erwartet, sondern die Fähigkeit, die von Fachleuten vorbereiteten Entscheide politisch zu bewerten und in der Diskussion die Lebenserfahrung und die vom zivilen
Beruf mitgeprägte Werthaltung einzubringen. Dass die Entschädigung, die zum Teil
ein erhebliches Ausmass annimmt, ohne weiteres Nebenerwerbscharakter annehmen kann, steht zum oben beschriebenen Milizverständnis nicht im Widerspruch. Im
Übrigen darf der Aspekt der „Ehrenamtlichkeit“ nicht ganz von der Hand gewiesen
werden. Dieser gesellschaftliche Anspruch an die politische Exekutive ist bei der Entschädigungsfrage ebenfalls zu berücksichtigen. So vermögen die Entschädigungen
in aller Regel den effektiven Aufwand nicht abzudecken, was bedeutet, dass ein Teil
der gemeinderätlichen Arbeit nach wie vor ehrenamtlich erbracht wird.
b)
Pauschale Abgeltung
Heute werden die Gemeinderatsmitglieder wie folgt entschädigt:
 Fr. 18‘000 pro Jahr
 zuzüglich Sitzungsgeld (Fr. 200 bei Sitzungen über 6 Stunden, Fr. 100 bei Sitzungen über 3 Stunden und Fr. 50 für kürzere Sitzungen)
 Diese Entschädigungen werden bei einer Veränderung von 10 Indexpunkten der
Teuerung angepasst (Basisindex 2005: 100 Punkte, Stand Oktober 2014: 103,3
Punkte)
Stellt man die Entschädigung (ohne Sitzungsgelder) in die Gehaltsklasse 25/80 (Ansatz Gemeindepräsidium) ein, so ergibt sich ungefähr ein entschädigtes Pensum von
10%. Die effektiven Pensen der Gemeinderatsmitglieder dürften höher liegen, allerdings wird von Behördenmitgliedern immer auch ein Teil Ehrenamtlichkeit erwartet.
Die Entschädigung der Gemeinderatsmitglieder in vergleichbaren Gemeinden stellt
sich wie folgt dar:
 Der Vergleich erfolgt mit von der Grösse her mit 14 vergleichbaren Gemeinden (zwischen 9‘000 und 16‘000 Einwohnern).
 Praktisch alle Gemeinden bezahlen zusätzlich zur pauschalen Abgeltung Sitzungsgelder aus.
 Die Hälfte dieser Gemeinden richtet zusätzlich zur Abgeltung eine Spesenpauschale aus (wohl auch aus steuerlichen Gründen), diese Pauschale wird
bei der Berechnung des Durchschnittswertes berücksichtigt.
 Durchschnittlich belaufen sich die Abgeltungen (mit Spesenpauschale, ohne
Sitzungsgelder) in diesen Gemeinden auf. ca. Fr. 23.000
Die Abgeltung in der Gemeinde Belp (Fr. 18‘000) ist im Vergleich zu anderen - vergleichbaren – Gemeinden eher unterdurchschnittlich. Es stellt sich die Frage, ob im
Sinne einer Motivation und zur Verbesserung der Rekrutierung von Behördenmitgliedern eine gewisse Erhöhung anzustreben sei.
28
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat vertritt die Auffassung, allen Gemeinderatsmitgliedern die gleiche
Abgeltung zu gewähren. Dies unabhängig von der Belastung, die unterschiedlich
sein kann. Erfahrungen in anderen Gemeinden haben gezeigt, dass unterschiedliche
Abgeltungen zu Differenzen und Spannungen führen können, namentlich weil es
sehr schwierig ist, die Unterschiede objektiv zu messen und der Unterschiedlichkeit
mit sachlichen Argumenten Rechnung zu tragen. Eine massive Erhöhung der Abgeltung hält der Gemeinderat für falsch, namentlich wegen der stets angespannten Finanzlage der Gemeinde. Eine massvolle Erhöhung von ca. 10% auf pauschal
Fr. 20‘000 pro Jahr und Mitglied erscheint dem Gemeinderat aber vertretbar. Es gilt
zu berücksichtigen, dass die Aufgaben immer komplexer und die Belastung, die mit
dem Amt verbunden ist, immer grösser wird. Bei einer entsprechenden Erhöhung
würden sich die Mehraufwendungen jährlich auf. Fr. 12‘000.00 belaufen.
c)
Sitzungsgelder
An sich wäre es wünschbar, die Departemente bezüglich der Arbeitsbelastung
gleichmässig zu organisieren, was aber kaum möglich ist, weil sich immer Unterschiede (Kommissionssitzungen, etc.) ergeben. Die meisten Gemeinden sehen deshalb zusätzlich zur pauschalen Abgeltung noch Sitzungsgelder vor, damit der unterschiedlichen Belastung der einzelnen Ressorts entsprechend Rechnung getragen
werden kann. Dies ist auch in Belp der Fall.
Haltung Gemeinderat
Um der unterschiedlichen Arbeitsbelastung besser Rechnung zu tragen, schlägt der
Gemeinderat vor, die Sitzungsgelder – für den Gemeinderat und auch für die Kommissionen - wie folgt um je 50% zu erhöhen:
 Sitzungen bis zu 3 Stunden: von Fr. 50 auf Fr. 75
 Sitzungen zwischen 3 bis 6 Stunden: von Fr. 100 auf Fr. 150
 Sitzungen über 6 Stunden: von Fr. 200 auf Fr. 300
Bei einer entsprechenden Erhöhung würden sich die Mehraufwendungen jährlich auf
ca. Fr. 60‘000.00 belaufen.
d)
Abgeltungsmodelle
Verschiedene Gemeinden legen die Abgeltung fest, indem sie auf einen bestimmten
prozentualen Anteil an einer bestimmten Gehaltsklasse (einschliesslich Gehaltsstufe)
verweisen. Beispielsweise weist die Gemeinde Lyss dem Gemeindeparlament die
Zuständigkeit zur Festlegung der Abgeltung zu.
Haltung Gemeinderat
Ein pauschaler Frankenbetrag hat den Vorteil der Transparenz und der Einfachheit,
weshalb der Gemeinderat von einem anderen Abgeltungsmodell absehen will.
29
V.
Gemeindepräsidium
1.
Pensum
a)
Pensum Ist-Zustand
Heute beläuft sich das entschädigte Pensum des Gemeindepräsidenten der EG Belp
auf 50%. Eingestuft ist diese Funktion in der kantonalen Gehaltsklasse 25 in der
höchsten Gehaltsstufe (80), was ein Jahresbruttogehalt von ca. Fr. 91‘000 ergibt.
In vergleichbaren Gemeinden (z.B. Muri, Spiez, Worb, Münsingen, Zollikofen, Münchenbuchsee) verfügen die Gemeindepräsidien über ein entschädigtes Pensum von
100% und üben das Präsidium im Vollamt aus. Die Gemeinde Belp ist in dieser Hinsicht mit einem Halbamt ein Ausnahmefall. Das Halbamt zwingt zu Priorisierungen,
gerade die Vertretung der Gemeinde gegen aussen kann nicht mit der Intensität erfolgen, wie dies bei einem Vollamtspräsidium möglich ist. Der amtierende Gemeindepräsident ist in der Regel am Nachmittag bei der Gemeindeverwaltung, steht aber
telefonisch jederzeit zur Verfügung. In einigen Vergleichsgemeinden sitzt das Gemeindepräsidium im Grossen Rat des Kantons Bern, in der vorangehenden Legislaturperiode waren es noch mehr. Die Gemeinde muss in diesem Fall durch klare Vorgaben sicherstellen, dass das vollamtliche Gemeindepräsidium während der Arbeitszeit grundsätzlich verfügbar ist und seine volle Arbeitskraft in den Dienst der Gemeinde stellt. Auch wenn ein Mandat im Grossen Rat für die Gemeinde von Interesse
ist, so muss doch gewährleistet sein, dass die Leistungen des Gemeindepräsidiums
zu einem guten Teil unmittelbar der Gemeinde zu Gute kommen.
b)
Anforderungen der Zukunft
In den letzten Jahren ist die „Politik“ anspruchsvoller geworden. Die Gesellschaft ist
individueller, mobiler und auch selbstbewusster geworden, was für die Gemeinden
eine erhebliche Herausforderung mit sich bringt. Politische Prozesse sind gegenüber
früher viel komplexer und in zeitlicher Hinsicht auch länger geworden. Neben der
Verwaltung ist jeweils auch die Politik gefordert, allen voran das Gemeindepräsidium.
Zudem hat die kommunale „Aussenpolitik“ heute einen ganz anderen Stellenwert.
Die horizontale und vertikale Vernetzung der Gemeinden hat in den letzten Jahren
sehr stark zugenommen. Als offensichtliches (aber bei weitem nicht einziges) Beispiel kann die Regionalkonferenz genannt werden, in der das Gemeindepräsidium
aufgrund des kantonalen Rechts zwingend Einsitz nehmen muss. Neben den horizontalen Verflechtungen nehmen grosse Gemeinden immer stärker Einfluss auf ihre
vertikalen Verflechtungen, namentlich was das Verhältnis zum Kanton anbelangt.
Weiter muss das Gemeindepräsidium einen guten Auftritt der Gemeinde in der Öffentlichkeit und in den Medien gewährleisten, weil das Präsidium schlechthin das
Aushängeschild der Gemeinde ist. Oft läuft der erste Kontakt von Unternehmen oder
auch von Exponenten aus der Bevölkerung über das Gemeindepräsidium, weshalb
ein guter Auftritt von zentraler Bedeutung ist.
30
c)
Vor- und Nachteile eines Vollamts
Vorab wäre zu definieren, was unter einem Vollamt zu verstehen ist. Es ist naheliegend, damit einen „Beschäftigungsgrad“ von 100% zu verstehen, wie das die vergleichbaren Gemeinden tun. Es wäre auch denkbar, die Professionalisierung des
Gemeindepräsidiums mit einem Beschäftigungsgrad von 80% vorzunehmen, wie
dies die Gemeinde Köniz für das Präsidium wie auch für die Gemeinderatsmitglieder
gemacht hat. Dieses Modell hat den Vorteil, dass die Erhöhung des Pensums etwas
günstiger kommt und das Amt weiterhin eine zivilgesellschaftliche (Neben-) Beschäftigung zulässt. Allerdings hat sich gerade in Köniz gezeigt, dass die Regulierung der
zulässigen Beschäftigung für die Gemeinderatsmitglieder mit sehr komplexen Fragen
verbunden ist (http://www.koeniz.ch/documents/15331Nr4691390571773816.pdf).
Bezüglich der Schaffung eines Vollamts lassen sich die folgenden Vor- und Nachteile
aufführen:
Vorteile eines Vollamtes
 Der Vorrang der Politik gegenüber der Verwaltung wird betont (der Chef ist
immer präsent).
 Die wichtigen Projekte können vom vollamtlichen Gemeindepräsidium intensiver betreut werden.
 Die Gemeinde wird stärker in „externen“ Gremien repräsentiert.
 Das Gemeindepräsidium kann – quasi während der Arbeitszeit – im Grossen
Rat Einsitz nehmen, was den Einfluss der Gemeinde gegenüber dem Kanton
erhöht.
 Dir Rekrutierung eines Vollamts ist einfacher als die Rekrutierung eines
Halbamts, weil beim Halbamt viele Berufsleute mehr oder weniger von einer
Kandidatur ausgeschlossen werden.
Nachteile eines Vollamtes
 Die „Milizkomponente“ des Gemeindepräsidiums geht verloren.
 Das Präsidium wird gegenüber den Milizgemeinderatsmitgliedern zu mächtig.
 Ein Vollamt ist doppelt so teuer wie ein Halbamt.
 Je nach Persönlichkeit des gewählten Gemeindepräsidiums nimmt dieses zu
stark Einfluss auf den operativen Verwaltungsalltag.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat spricht sich für eine Erhöhung des Pensums des Gemeindepräsidiums auf 80% aus und begründet seine Haltung wie folgt:
 Es ist eine Tatsache, dass die Belastung für das Gemeindepräsidium in den letzten Jahren massiv zugenommen hat, vor allem auch die Pflege der Aussenbeziehungen.
 Bei einem 50%-Amt ist das Gemeindepräsidium darauf angewiesen, neben der
Arbeit für die Gemeinden einem anderen Beruf nachzugehen, was die Verfügbarkeit für die Gemeinde (zu) stark einschränkt.
 Bei einem 100%-Amt stellt sich sofort die Frage, was im Rahmen dieser Beschäftigung an „Nebenämtern“ möglich ist (Mitgliedschaft im Grossen Rat, etc.). Deshalb schlägt der Gemeinderat die Schaffung einer 80%-Stelle vor.
 Im Rahmen dieser „Professionalisierung“ könnte als Vorgabe verlangt werden,
dass Gemeindepräsidium müsse mindestens zu 50% auf der Verwaltung verfügbar sein und könne bis zu maximal 30% die Aussenbeziehungen pflegen.
31

Die restlichen 20% könnte das gewählte Gemeindepräsidium für weitere Mandate
einsetzen, welche aus eigenem Antrieb und nicht im Auftrag der Gemeinde übernommen würden
 Dem Gemeindepräsidium bzw. seinem Departement könnten weitere Aufgaben
zugewiesen werden, was andere, stark belastete Departemente entlasten würde.
Bei einer Erhöhung des Pensums auf 80% würden sich die Mehraufwendungen (Gehalt, Gehaltsnebenkosten) jährlich auf ca. Fr. 70‘000.00 belaufen.
2.
„Fallschirm“ bei Nichtwiederwahl
a)
Warum ein Fallschirm?
Ein „Fallschirm“ bedeutet, dass bei einer Nichtwiederwahl das wirtschaftliche Risiko
für das ausscheidende Gemeindepräsidium gemildert wird. Letztlich steht es der
Gemeinde bzw. der Politik frei zu entscheiden, ob und in welchem Ausmass solche
Risiken überhaupt gemildert werden sollen. Wie der Aufstellung der „Fallschirmlösungen“ vergleichbarer Gemeinden entnommen werden kann, gewähren alle Gemeinden mit einem vollamtlichen Gemeindepräsidium einen “Fallschirm“. Damit soll
die Stelle attraktiv ausgestaltet werden, damit sich möglichst viele Personen finden,
die sich einer Wahl stellen. Gerade in jüngster Zeit ist ein älterer Gemeindepräsident
im Vollamt nicht wiedergewählt worden, die Zeitungen haben darüber berichtet. In
diesem Fall trägt die Fallschirmlösung zur wirtschaftlichen Sicherheit bei, auch wenn
damit nicht der ganze Ausfall kompensiert wird.
b)
Lösungsansätze
Wie der Zusammenstellung im Anhang entnommen werden kann, sind die Lösungsansätze vielfältig. Voraussetzung für eine Entschädigung bei Rücktritt und vor allem
bei Nichtwiederwahl ist regelmässig ein bestimmtes Alter und eine oder mehrere absolvierte Amtsdauern. Zur Anwendung gelangen einerseits einmalige Abgangsentschädigungen, beim Ausscheiden älterer Gemeindepräsidien gewähren die Gemeinden oft eine Rente (bis zum Erreichen des Pensionierungsalters). Die finanziellen
Risiken für die Gemeinden sind auch bei Einführung einer Fallschirmlösung beschränkt, weil die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen relativ streng und
entsprechende Vorfälle eher selten sind.
Haltung Gemeinderat
Um das Amt des Gemeindepräsidiums attraktiv auszugestalten, braucht es nach Auffassung des Gemeinderats eine Fallschirmregelung. Allerdings soll sich eine solche
Regelung auf ein minimales „Abfedern“ beschränken. Allzu grosszügige Lösungen
würden in der Bevölkerung kaum verstanden. Es wäre ein Modell vorstellbar, wonach
die Gemeinde lediglich die Differenz zwischen der Arbeitslosenentschädigung und
der vollen Besoldung ausrichten würde, dies zeitlich beschränkt auf die Dauer der
von der Arbeitslosenversicherung geleisteten Beiträge. Hier könnte aber kaum zum
Voraus abgeschätzt werden, ob, in welchem Ausmass und wie lange Arbeitslosengeld bezogen würde. Deshalb kann sich der Gemeinderat die folgende Lösung vorstellen:
 Rücktritt: Keine Entschädigung
 Nichtwiederwahl unter 50 Jahren: Keine Entschädigung
32




Einmalentschädigung (keine Rente) als %-Satz der letzten Jahresentschädigung
Bei einer Amtsdauer von 0 – 3 Jahren: 50%
Bei einer Amtsdauer von 4 – 7 Jahren: 75 %
Bei einer Amtsdauer von 8 und mehr Jahren: 100%
VI. Amtszeitbeschränkung Präsidium
Es stellt sich die Frage, ob bei einer Erhöhung der Tätigkeit des Gemeindepräsidium
auf 80% die Amtszeitbeschränkung noch Sinn macht.
Haltung Gemeinderat
Der Gemeinderat diskutiert diese Frage kontrovers. Einerseits erscheinen drei
Amtsdauern nach wie vor als lang, andererseits wäre bei einem Hauptamt ein Ende
von Gesetzes wegen nach drei Amtsdauern sehr streng, besonders dann, wenn das
professionell tätige Gemeindepräsidium gut unterwegs ist, über eine grosse Erfahrung verfügt und in der Bevölkerung verankert ist. Der Gemeinderat schlägt nach geführter Diskussion mit Mehrheitsentscheid vor, bei einer Erhöhung des Pensums auf
80 von der Amtszeitbeschränkung für das Gemeindepräsidium abzusehen. Sollte das
Pensum hingen auf 50% belassen werde, soll auch für das Gemeindepräsidium an
der Amtszeitbeschränkung festgehalten werden.
VII.
Kommissionen
1.
Bestand
Die Gemeinde Belp sieht in ihren organisationsrechtlichen Grundlagen die folgenden
ständigen Kommissionen vor:
Kommission
Geschäftsprüfungskommission
Baukommission
Bildungskommission
Mitgliederzahl
9
9, Präsidium GR-Mitglied
11, Präsidium GR-Mitglied
Präsidialkommission
9, Präsidium durch GP
Planungs- und Umweltkommission
9, Präsidium durch GR-Mitglied
Finanzkommission
9, Präsidium durch GR-Mitglied
Kultur-, Freizeit- und Sportkommission
9, Präsidium durch GR-Mitglied
Regionale Sozialkommission
Jede Gemeinde 1 Sitz
GR-Mitglied von Amtes wegen
9, Präsidium durch GR-Mitglied
Sozialkommission
Wahlverfahren
9 Urne Proproz
8 Urne Proporz
8 Urne Proporz
1 Vertragsgemeinden
1 Elternrat
8 durch GR, Proporzschlüssel
8 durch GR, Proporzschlüssel
8 durch GR, Proporzschlüssel
8, Präsidium durch
GR-Mitglied
GR wählt ein Mitglied
8 Urne Proporz
Bezüglich des Bestandes erscheinen die Kommissionen grundsätzlich sinnvoll. Lässt
man die regionale Sozialkommission, die eine Organisation der interkommunalen
Zusammenarbeit darstellt, ausser Betracht, fällt auf jedes Departement eine Kom-
33
mission, die durch das Departement präsidiert wird. Diese Lösung ist klar und überzeugend. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass bei der Bildung die Zuständigkeiten
der Kommission im operativen Bereich stark reduziert worden sind, gleiches gilt auch
für die Sozialkommission. Es wird zu entscheiden sein, ob der Bestand der Kommissionen erhalten oder verändert werden soll. Hier zeigt sich auch der Zusammenhang
zwischen den Aufgaben des Departements und der Kommissionen: Sollten Kommissionen zusammengelegt werden, hätte dies wohl auch auf die Organisation der Departemente Auswirkungen. Sollte der Gemeinderat auf fünf Mitglieder reduziert werden, wäre auch der Bestand der Kommissionen zu überprüfen, mit dem Ziel, pro Departement eine Kommission vorzusehen.
Haltung Gemeinderat
Dem Gemeinderat ist bewusst, dass sich die Aufgaben gewisser Kommissionen stark
verändert haben. Aus einer rein betriebswirtschaftlichen Optik heraus wäre es sicher
vertretbar, die Anzahl der Kommissionen zu reduzieren. Es gilt aber zu bedenken,
dass die Kommissionen ein wichtiges Bindeglied zwischen der Bevölkerung und der
Verwaltung darstellen und den Gemeinderat von zahlreichen (eher operativen) Geschäften entlasten und wichtige Vorarbeit leisten. Nach einlässlicher Diskussion gelangt der Gemeinderat zum Schluss, den Bestand der Kommissionen so zu belassen, wie er sich heute darstellt.
Die Präsidialkommission wird umbenannt zu Sicherheitskommission.
2.
Mitgliederzahl
Heute bestehen die Kommissionen der Gemeinde Belp in der Regel aus neun Mitgliedern. Grosse Kommissionen haben den Vorteil, dass eine breitere gesellschaftspolitische Abstützung gewährleistet werden kann. Da es bereits heute nicht ganz einfach ist, die erforderlichen Kommissionsmitglieder zu rekrutieren, ist allenfalls eine
Reduktion der Mitgliederzahl auf sieben Mitglieder in Betracht zu ziehen.
Haltung Gemeinderat
Dem Gemeinderat ist es bewusst, dass bei neunköpfigen Kommissionen die kleinen
Parteien besser vertreten sind. Er gelangt trotzdem zum Schluss, dass eine Verkleinerung auf sieben Mitglieder Sinn machen würde. Es wird für die Parteien immer anspruchsvoller, gute Kommissionsmitglieder zu rekrutieren. Bei der Bildungskommission soll die Vertretung des Elternrats aufgehoben werden, die Eltern sind ja pro
Schulhaus sehr gut organisiert und können dort Einfluss nehmen. Die Frage nach
der Vertretung der Vertragsgemeinden muss der Gemeinderat mit den betroffenen
Gemeinden angehen.
3.
Wahlverfahren
Die Geschäftsprüfungskommission, die Baukommission, die Bildungskommission
und die Sozialkommission werden heute an der Urne im Proportionalwahlverfahren
gewählt. Da die Geschäftsprüfungskommission gegenüber dem Gemeinderat und
der Verwaltung Aufsichtsfunktionen wahrnimmt, kommt nur eine Wahl durch die
Stimmberechtigten in Frage, weshalb sich bezüglich deren Wahlverfahren keine Änderung aufdrängt. Bei den anderen drei an der Urne gewählten Kommissionen stellt
sich die Frage, ob am aufwändigen Urnenwahlverfahren festgehalten werden soll.
34
Ein wichtiger Grund für die Urnenwahl stellt die damit verbundene hohe Legitimation
dar. Allerdings wird es für die Parteien immer schwieriger, die entsprechenden Listen
für die Proporzwahlen mit geeigneten Kandidierenden zu füllen. Es stellt sich deshalb
die Frage, ob die Zuständigkeit zur Wahl auch für diese Kommissionen dem Gemeinderat zuzuweisen sei. Selbstverständlich wäre der Gemeinderat auch bei diesen
Wahlen angehalten, die parteipolitische Zusammensetzung (neu wohl des Gemeinderates) bei der Wahl der Kommissionen zu berücksichtigen und die Wahl auf Antrag
der Parteien vorzunehmen.
Bei einer Reduktion der Mitgliederzahlen der Kommissionen könnte im Interesse der
kleineren Parteien eine Lösung getroffen werden, nach welcher das Total der politisch zu wählenden Kommissionssitze für die Verteilung auf die Parteien massgeblich
wäre. Verschiedene Gemeinden (mit Parlament) kennen solche Lösungen. In aller
Regel einigen sich die Parteien auf die Verteilung der ihnen zustehenden Sitze, im
Konfliktfall könnte der Gemeinderat ein Machtwort sprechen.
Haltung Gemeinderat
Abgesehen von der GPK, die weiterhin im Proporzverfahren zu wählen sein wird,
sollte die Wahl der Kommissionen ausschliesslich durch den Gemeinderat erfolgen,
der bei den politisch zusammengesetzten Kommissionen die Sitzverteilung aufgrund
der Wahlergebnisse des Gemeinderats vornehmen würde. Um trotz einer Verkleinerung der Kommissionen den kleineren Parteien eine angemessene Zahl der Sitze
zuzuweisen, wäre eine Lösung anzustreben, wonach das Total der politisch zu besetzenden Kommissionssitze zusammengezählt und dann im Total auf die Parteien
verteilt würde (im Verhältnis zu den erzielten Parteistimmen). In einigen Gemeinden
treffen sich dann die Parteienvertretungen und einigen sich auf eine „gerechte“ Verteilung, im Streitfall würde der Gemeinderat entscheiden. In aller Regel ist aber ein
gemeinderätlicher Entscheid nicht erforderlich, da die Parteien sich finden.
Ein Zahlenbeispiel aufgrund der Ergebnisse der letzten Gemeinderatswahlen 2012:
 Total Kommissionssitze neu (7 Kommissionen à 6 Sitze) 42
 Verteilung auf die Parteien gemäss Proporz Gemeinderat.
BDP
15.30 %
7 Sitze
EDU
10.63 %
4 Sitze
EVP
05.65 %
2 Sitze
FDP
08.56 %
4 Sitze
GFL
05.09 %
2 Sitze
GLP
05.27 %
2 Sitze
SP
21.99 %
9 Sitze
SVP
27.51 %
12 Sitze
4.
Zuständigkeiten
Sobald die Grundsatzentscheide bezüglich dem Bestand, der Mitgliederzahl und des
Wahlverfahrens der Parteien gefällt sein wird, müssen im Rahmen der Umsetzung
die Zuständigkeiten der Kommissionen hinterfragt werden. Es wäre aber wohl zu
früh, bereits in der Phase der Grundsatzfragen die Zuständigkeiten der Kommissionen im Detail zu hinterfragen.
35
Haltung Gemeinderat
Grundsätzlich sind die Zuständigkeiten der Kommissionen richtig. Es wird im Rahmend der Umsetzung zu entscheiden sein, ob Anpassungen einzelner Zuständigkeiten erforderlich sind.
VIII.
Verwaltungsorganisation
Die Verwaltungsorganisation richtet sich grundsätzlich nach der politischen Struktur
der Gemeinde. Es wäre falsch, zuerst die Verwaltungsorganisation festzulegen, damit sich die politische Struktur danach zu richten hätte. Auch hier gilt der Grundsatz
des politischen Primats. Sollten weitreichende Reformen der politischen Struktur beschlossen werden (Einführung Gemeindeparlament, Reduktion Mitgliederzahl Gemeinderat) könnte sich die Verwaltungsorganisation ebenfalls grundlegend verändern. Wird hingegen im Grossen und Ganzen an der heutigen politischen Struktur
festgehalten, dürfte sich zumindest die Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung
nicht allzu gross verändern. Da bereits heute die Abteilungsleitenden vom Gemeindepräsidium in der Linie geführt werden, würde dies auch bei einer Umwandlung des
Gemeindepräsidiums in ein Vollamt wohl so bleiben.
IX.
Weiteres Vorgehen
Das weitere Vorgehen stellt sich nach heutigem Kenntnisstand wie folgt dar:
Phase 2
Gemeinderat, Beschluss Bericht
Informationsveranstaltung Parteien
Bericht auf Homepage Gemeinde
Vernehmlassung / Parteiensprechstunden
Auswertung Vernehmlassung
Anpassungen Bericht, Verabschiedung durch Ratsbüro
Gemeinderat, definitiver Beschluss Bericht
Beschluss, ob der Gemeindeversammlung Grundsatzfragen zu
unterbreiten sind
Falls GV, GPK, Publikation Traktandum
Gemeindeversammlung, Grundsatzfragen
Anschliessend: Umsetzungsplanung im Detail
18.12.14
13.1.15
Ende Februar 15
bis Mitte März 15
bis Mitte April 15
7. Mai 15
bis Ende Juni 15
3. 9.15
Phase 3
Änderungen Rechtsgrundlagen (GO, RAW, VVO)
Skizze Verwaltungsreorganisation
GR –Entscheid Rechtsgrundlagen
Beschluss Skizze Verwaltungsorganisation
Info Parteien
Vernehmlassung / Parteiensprechstunden
Auswertung Anpassungen, Redaktion Botschaft
GPK, Verabschiedung durch GR
Antrag an Gemeindeversammlung
Gemeindeversammlung
Umsetzung Verwaltungsreorganisation
Gemeindewahlen
Neue Strukturen Politik und Verwaltung
Bericht zh Vernehmlassung, 12.1.15
September – Oktober 15
Anfang November
15
Mitte November 15
bis Mitte Januar 16
Februar 16
März 16
April / Mai 16
bis Ende 16
November 16
1.1.2017
Herunterladen