Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 1 von 9 1. Grundtatbestände des Wirtschaftens a) Was wird im allgemeinen unter dem Begriff „Wirtschaften“ verstanden? · Wirtschaften dient der Beseitigung der Knappheit oder · Notwendigkeit des Wirtschaftens aufgrund der Knappheit der Mittel b) Grenzen Sie die Begriffe „Bedürfnis“ und „Güter“ voneinander ab! (1 Punkt) (2 Punkte) · Bedürfnis: Gefühl einer Mangelsituation, verbunden mit dem Wunsch, diese zu beseitigen · Güter: Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse, sind aber knapp c) Klassifizieren Sie „Güter“ entsprechend ihrer Verfügbarkeit! Welchen Einfluß hat die unterschiedliche Verfügbarkeit von Gütern auf ihren Preis? Welche allgemein Regel kann daraus abgeleitet werden? (4 Punkte) · Freie Güter: sind in ausreichender Menge vorhanden, keine Knappheit à keinen Preis · Wirtschaftliche Güter: sind im Verhältnis zu den Bedürfnissen knapp à besitzen einen positiven Preis · Regel: Je knapper ein Gut ist (je geringer die Verfügbarkeit ist), um so höher wird sein Preis sein d) Erklären Sie das „ökonomische Prinzip“! Gehen Sie dabei auf seine beiden Varianten ein! (3 Punkte) · Ökonomisches Prinzip: Einsatz knapper Mittel zur Bedürfnisbefriedigung · Minima-Prinzip: mit geringstem Mitteleinsatz einen vorgegebenes Ergebnis erzielen · Maxima-Prinzip: mit gegebenem Mitteleinsatz höchstmögliches Ergebnis erzielen 2. Unternehmenstheorie a) Was wird unter einer Isoquante und was unter einer Isokostenlinie verstanden? (2 Punkte) · Isoquanten: geometrischer Ort aller Faktorkombinationen, deren Einsatz den gleichen Output erzielt · Isokostenkurve: geometrischer Ort aller Faktorkombinationen, die mit einer gegebenen Kostensumme bei herrschenden Faktorpreisen erworben werden können 1 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 2 von 9 b) Stellen Sie grafisch das Produktionsoptimum einer Unternehmung dar und erläutern Sie Ihre Grafik! (5,5 Punkte) v2 A * v2 x=3 x=2 B * v1 x=1 v1 Erläuterung · Produktionsoptimum wird durch Zusammenlegen von Isoquanten und Isokostenlinie in ein Diagramm bestimmt · Produktionsoptimum ist dann gegeben, wenn Isokostenlinie eine Isoquante tangiert · Optimale Produktionsmenge ist abhängig von gegebener Kostensumme, gegebenen Faktorpreisen und gegebener Produktionstechnik · Im Optimum müssen Preisverhältnis und Steigung der Isoquante (GRS) übereinstimmen · Optimum wird auch als Minimalkostenkombination bezeichnet (gegebener Output bei niedrigsten Kosten) c) Begründen Sie kurz, warum bei einer progressiv ansteigenden Kostenfunktion die durchschnittlichen Fixkosten mit zunehmendem Produktionsoutput sinken, während die durchschnittlichen variablen Kosten steigen! (2,5 Punkte) · Durchschnittliche Fixkosten: Fixkosten sind unabhängig von der Ausbringungsmenge, damit sinken mit jeder weiteren produzierten Einheit die durchschnittlichen Fixkosten · Durchschnittliche variable Kosten: variable Kosten sind abhängig von der Ausbringungsmenge, bei einem progressiven Kostenverlauf steigen sie überproportional zur Ausbringungsmenge, das heißt, die durchschnittlichen variablen Kosten steigen 2 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 3 von 9 3. Marktformen a) Vervollständigen Sie das folgende Marktformenschema nach Stackelberg! Was wird unter der Symmetrieannahme verstanden? (3 Punkte) Nachfrager viele wenige ein · Anbieter viele wenige ein bilaterales Polypol Angebotsoligopol Angebotsmonopol Nachfrageoligopol (Oligoposon) bilaterales Oligopol beschränktes Angebotsmonopol Nachfragemonopol (Monopson) beschränktes Nachfragemonopol bilaterales Monopol Marktanteile der Marktteilnehmer sind gleich groß! b) Erläutern Sie kurz, welchen Einfluß die Marktform auf die Preisbildung hat! (2 Punkte) · Herrscht ein Nachfrage- oder ein Angebotsmonopol vor, so kann der entsprechende Monopolist den Preis bzw. die Menge bestimmen · Herrscht hingegen eine (beidseitige) Polypolsituation vor, so ergibt sich der Preis auf dem Markt; Preis ist aber für alle Marktteilnehmer ein Datum, das heißt, sie sind Mengenanpasser/ Preisnehmer c) Nennen Sie die fünf Bedingung für einen vollkommenen Markt! · Homogenität der Güter · Fehlen von persönlichen Präferenzen · Fehlen von zeitlichen Differenzierungen/Präferenzen · Fehlen von räumlichen Differenzierungen/Präferenzen · Vollständige Markttransparenz (5 Punkte) 3 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 4 von 9 4. Marktversagen und Marktunvollkommenheit a) Nennen Sie drei verschiedene Gründe dafür, warum ein Markt versagen bzw. unvollkommen ist! (3 Punkte) · Bereitstellung öffentlicher Güter · Natürliches Monopol · Auftreten externer Effekte · Meritorische/demeritorische Güter b) Erläutern Sie kurz die Kriterien, welche zur Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Gütern herangezogen werden! (2 Punkte) · Ausschlußprinzip: Frage, ob ein potentieller Nutzer von der Nutzung ausgeschlossen werden kann · Nichtrivalität im Konsum: Frage, ob der eigene Nutzen durch die gleichzeitige Nutzung des Gutes durch einen anderen Konsumenten beeinträchtigt wird c) Was verstehen Sie unter externen Effekten? Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen externer Effekte auf den gesamtwirtschaftlichen Output? Gehen Sie bei Ihrer Argumentation auf die beiden verschiedenen Arten von externen Effekten ein! (5 Punkte) · Externe Effekte: Vor- oder Nachteile, die Dritten durch die wirtschaftliche Aktivität entstehen, ohne das sie dafür Entgelte leisten oder kompensiert werden · Positive externe Effekte: Dritten entsteht positiver Nutzen à sozialer Nutzen ist größer als privater Nutzen à zu geringe Bereitstellung des Gutes · Negative externe Effekte: Dritte erleiden Nutzenverlust à soziale Kosten sind größer als private Kosten à zu hohe Produktion des Gutes 5. Wirtschaftskreislauf in einer offenen Volkswirtschaft mit Staat a) Nennen Sie die wirtschaftlichen Aktivitäten, die in den verschiedenen Konten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfaßt werden! (4 Punkte) · Produktion von Gütern (Einkommensbeschaffung) · Verbrauch von Gütern (Einkommensverwendung) · Vermögensbildung · Kreditaufnahme und Kreditvergabe 4 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung b) Was unterscheidet eine offene von einer geschlossenen Volkswirtschaft? · Seite 5 von 9 (0,5 Punkte) Austausch von Gütern und Kapital zwischen den Ländern c) Das folgende Schaubild zeigt vereinfachend einen Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität. Vervollständigen Sie die Darstellung, das heißt, ersetzen Sie die Fragezeichen! (3 Punkte) ZU ASt TU YH/U IM A X St ZH YH/St TH CH U HH n Ipr X - IM SU V SH d) In welche Richtung laufen bei einer exportierenden Volkswirtschaft die realen Ströme und in welche die monetären Ströme? Ist Güterexport eine Bestands- oder eine Stromgröße? (1,5 Punkte) · Reale Ströme: Güter vom Inland ins Ausland · Monetäre Ströme: Kapital und Devisen vom Ausland ins Inland · Güterexport ist eine Stromgröße e) In welchem Verhältnis stehen Export- und Importwert in der obigen Darstellung?(1 Punkt) · Es liegt ein Leistungsbilanzdefizit vor, das heißt, der Exportwert ist kleiner als der Importwert · Ausland gewährt Kredit an Inland 5 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 6 von 9 6. Klassischer Arbeitsmarkt a) In der folgenden Grafik ist das Kalkül eines Unternehmers zur Bestimmung seiner optimalen Arbeitsnachfrage dargestellt. Vervollständigen Sie die Grafik! (2 Punkte) p ¶Y ,l ¶A l0 GE1 GE0 A0 A2 A'2 A b) Erläutern Sie das unter a) grafisch dargestellte Kalkül eines Unternehmers, wenn die Grenzproduktivität der Arbeit infolge einer Innovation gestiegen ist! Wie ändert sich die obige Grafik? (4,5 Punkte) · Kalkül: Kosten einer weiteren Einheit Arbeit (Lohnsatz) muß dem zusätzlichen Erlös entsprechen, den dieses Einheit erwirtschaftet · Erlös entspricht Grenzproduktivität mal Preis à mit gestiegener Grenzproduktivität steigt der zusätzliche Erlös · Kosten einer weiteren Einheit Arbeit sind geringer als zusätzlicher Erlös à Nachfrage nach zusätzlicher Arbeit steigt bis wieder gilt: Grenzkosten gleich Grenzerlös · Grenzertragskurve verschiebt sich nach rechts 6 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 7 von 9 c) Stellen Sie den gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarkt vor und nach der Innovation grafisch dar! Welchen Effekt hat die Innovation auf die Höhe der Beschäftigung und des Reallohnes? (3,5 Punkte) l P N1 N T A E 1 ælö ç ÷ è Pø 0 ælö ç ÷ è Pø E1 * A · A Reallohn und Beschäftigung sind gestiegen 7. Keynesianische Beschäftigungspolitik a) Gilt in der Keynesschen Theorie das Saysche Theorem? Falls nicht, welche Größe bestimmt dann die Höhe der Beschäftigung? (1 Punkt) · Saysches Theorem gilt nicht! · Höhe der (effektiven) Nachfrage bestimmt Höhe der Beschäftigung b) Stellen Sie in dem folgenden Diagramm eine Erhöhung der Staatsausgaben dar! Erläutern Sie kurz Ihr Vorgehen! Welchen Effekt wird die Staatsausgabenerhöhung auf die Arbeitslosenzahlen haben? (6 Punkte) Erläuterung · Ursprüngliches Gleichgewicht bei Y0 · Erhöhung der Staatsausgaben führt zu einer Erhöhung der effektiven Nachfrage und damit zu einer Verlagerung der Nachfragefunktion nach oben · Ein neues Gleichgewicht stellt sich bei Y1 ein · Einkommen ist infolge der Staatsausgabenerhöhung gestiegen · Arbeitslosigkeit wird zurückgehen 7 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung Seite 8 von 9 N Y C(Y) + I + DASt C(Y) + I 45° * Y0 * Y1 Y c) Erläutern Sie kurz die Kausalkette, über die eine expansiven Geldpolitik auf die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Einkommens einwirkt! (3 Punkte) · Expansive Geldpolitik à Erhöhung der Geldmenge à · Bei (kurzfristig) konstantem Einkommen sinkt der Zinssatz à · Sinkende Zinsen führen zu steigenden Investitionen à · Steigende Investitionen erhöhen die effektive Nachfrage und · Über den Multiplikatoreffekt das Einkommen 8. Wachstum: Grundbegriffe und Hypothesen a) Definieren Sie den Begriff wirtschaftliches Wachstum? Wie wird dieses gemessen? (2 Punkte) · Begriff: Stetige Zunahme des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials · Messung über Veränderung des Outputs (Veränderung des BSP); (entscheidend ist die reale Veränderung) b) Was wird unter extensivem, intensivem sowie realem Wachstum verstanden? · Extensives Wachstum: Veränderung der Absolutgrößen · Intensives Wachstum: Veränderung der Pro-Kopf-Größen (3 Punkte) 8 Klausur VWL I und II, 24. Juni 2002 – Musterlösung · Seite 9 von 9 Reales Wachstum: Bewertung der Ausweitung des Outputs zu konstanten Preisen, Herausrechnen der Inflation c) Warum ist der intensive, reale Wachstumsbegriff international gebräuchlich? (0,5 Punkte) · Bessere Vergleichbarkeit der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften untereinander d) Erläutern Sie kurz drei Erscheinungsformen des Technischen Fortschritts! (3 Punkte) · Produktinnovation: Entwicklung neuer und Verbesserung vorhandener Güter · Prozeßinnovation: Einführung neuer, kostengünstigerer Produiktionsverfahren · Innovation der Organisationsformen: Steigerung der Produktivität durch verstärkte Arbeitsteilung, Motivation etc. e) Erläutern Sie kurz, warum der Bildungssektor in Deutschland stärker gefördert werden sollte? (1,5 Punkte) · Humankapital ist Produktionsfaktor · Quantitativ und qualitativ verbesserte Ausstattung mit Humankapital beeinflußt Wirtschaftswachstum direkt 9