Hamburger Netz psychische Gesundheit Das Gesundheitsnetz Depression und sein Transfer in die Versorgung Fachsymposium Psychosomatik - 24. Mai 2014 - Bad Bramstedt Prof. Dr. Dr. Martin Härter Gliederung psychenet - Einführung • Hamburg – Gesundheitsregion der Zukunft • Aufklärung, Bildung und interaktives Internetportal Gesundheitsnetze und ihre Evaluation • Gesundheitsnetz Depression • Stand und Weiterentwicklung Perspektiven des Transfers in die Versorgung • Rahmenbedingungen • Modelle des Transfers 2 Gesundheitsmetropole Hamburg 3 Vision und Projektbeteiligte Projektkoordination: Wissenschaftliche Koordination: Projektpartner: Handelskammer Hamburg Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Ärzte- und Psychotherapeutenkammer 13 Krankenhäuser 5 Universitäten und Forschungseinrichtungen 12 Unternehmen, 14 Sozial- und Krankenversicherungen 25 Verbände, Vereine und Stiftungen Landesverbände der Betroffenen und Angehörigen Mehr als 300 Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten psychenet – Ein Netzwerk auf dem Weg 4 5 Medien- und Aufklärungskampagne • • • • • • Kinospots, Plakate, Edgar-Karten Psychoedukationsmaterial Schul-/Begegnungsprojekte Train-the-Trainer Tools Umfassende Webseite … 6 Medienkampagne Depression 7 Fallvignette „Depression“ Die 46jährige Dagmar D. ist seit einigen Monaten ständig niedergeschlagen und traurig. Sie macht sich Sorgen über die Zukunft. Frau D. fühlt sich nutzlos, hat den Eindruck, alles falsch zu machen und hat jegliches Interesse an den alltäglichen Dingen verloren. Außerdem klagt sie über Schlafstörungen und fühlt sich schon morgens schlapp und ohne Energie. Frau D. ist nur noch eingeschränkt arbeitsfähig. Was denken Sie, hat Frau D.? (Mehrfachnennungen) Hamburg München Gesamt (N=656; 99,8% der Befragten) (N=652; 100% der Befragten) Ø 1,1 Nennungen Depressionen 69,4 74.3 71,9 Burnout/Erschöpfungszustand/ “ausgebrannt“ 13,9 12,6 13,2 Sonstiges (z.B. psychische Störung, Stress, Ängste) 17,8 13,3 15,9 Weiß nicht 8,2 7,9 8,0 *gewichtet 8 www.psychenet.de Internetportal Erkrankungsinformationen Hilfe finden Integrierte Versorgungsprojekte in Deutschland 9 Gesundheitsnetz Depression 10 Rationale • Hohe 12-Monats-Prävalenz von Depressionen in Deutschland1: 11% • Optimierungsfähige Erkennensrate & Diagnostik in der ambulanten Versorgung2,3 • Wartezeit auf fachgerechte Behandlung (z.B. Psychotherapie: Ø 5-10 Monate)4,5 erhöhte Chronifizierungsgefahr6,7 • Fragmentierung des Versorgungsangebots erschwert eine leitliniengerechte Behandlung (z.B. Informationsfluss zwischen Behandlern)8 • Nationale Leitlinie „Unipolare Depression“ noch wenig in der Praxis implementiert 1Jacobi et al. (2004); 2Jacobi et al. (2002); 3Bermejo et al. (2005); 4Zepf et al. (2003); Bptk (2011); 5Schulz et al. (2008); 6Katon et al.(2004); 7Barkham et al. (2007); 8Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2005). 11 Gesundheitsnetz Depression: Team & Partner Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Martin Härter & Prof. Dr. Birgit Watzke, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, UKE Projektmitarbeiterinnen: Dipl.-Psych. Maya Steinmann, Dipl.-Psych. Daniela Heddaeus, Dipl.-Psych. Sarah Liebherz, Robert Schreiber, M.Sc. Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, UKE Projektpartner: Universitätsklinikum Eppendorf (Prof. Bernd Löwe, Prof. Martin Scherer, PD Dr. S. Arlt, Prof. Dieter Naber) Ärztekammer Hamburg (Dr. Christamaria Schlüter) Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (Dipl. Psych. Heike Peper) Landesverband Deutscher Nervenärzte (Dr. Guntram Hinz) Hausärzteverband Hamburg (Klaus Schäfer, Dipl. Psych. Peter Berdin) Asklepios Klinik Nord (Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers) Asklepios Klinik Harburg (Dr. Hans-Peter Unger) Asklepios Westklinikum Hamburg (Dr. Ulf Künstler, Dr. Goetz Broszeit) Ev. Stiftung Alsterdorf (Prof. Dr. Matthias Lemke) Ev. Krankenhaus Ginsterhof (Prof. Dr. Christoph Schmeling-Kludas) Schön Klinik Bad Bramstedt (Univ.-Doz. Dr. Gernot Langs) Schön Klinik Hamburg-Eilbek (Dr. Alexander Spauschus) GAIA AG u.a. 12 S3-/Nationale VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ (2009, in Revision 2014) 13 Umsetzung der Leitlinie Leitlinien empfehlen (u.a.): Versorgungsrealität? Screening bei Risikopatienten Findet nicht systematisch statt, sehr wahrscheinlich Unter- und Fehlversorgung Formalisierte ICD-10-Diagnostik (Haupt- u. Zusatzsymptome, Dauer, Verlauf) Findet wenig statt, Unter-, Fehl- u. Überversorgung sehr wahrscheinlich Therapieindikation nach Schweregraden, Dauer und Verlauf Keine Versorgungsdaten, Unter-, Fehl- u. Überversorgung wahrscheinlich Regelmäßiges Monitoring des Erfolgs, Wirkungsprüfung Findet nicht systematisch statt, Fehlversorgung wahrscheinlich Antidepressiva nicht generell bei leichten Störungen Keine Versorgungsdaten verfügbar, möglicherweise Überversorgung Kombinationsbehandlung bei schweren und chronischen Störungen Sehr wahrscheinlich Unterversorgung Kontinuierliche integrierte Versorgung Findet wenig statt: Fragmentierung des Gesundheitssystems; Wartezeiten 14 Melchior, H., Schulz, H. & Härter, M. (2014). Faktencheck Gesundheit: Regionale Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung von Depressionen. Bertelsmann Stiftung: Gütersloh. www.faktencheck-depression.de (19.3.2014) Administrative Prävalenz aller Depressionsfälle, 2011 Melchior, H., Schulz, H. & Härter, M. (2014). Faktencheck Gesundheit: Regionale Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung von Depressionen. Bertelsmann Stiftung: Gütersloh. Behandlungsarten bei schweren Depressionsfällen, 2011 Melchior, H., Schulz, H. & Härter, M. (2014). Faktencheck Gesundheit: Regionale Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung von Depressionen. Bertelsmann Stiftung: Gütersloh. Rate der leitlinienorientiert behandelten schweren Depressionsfälle, 2011 Melchior, H., Schulz, H. & Härter, M. (2014). Faktencheck Gesundheit: Regionale Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung von Depressionen. Bertelsmann Stiftung: Gütersloh. Zielsetzungen Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Patienten mit leichter, mittelgradiger oder schwerer Depression mittels einer optimierten Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlung innerhalb eines Stepped-Care-Modells effektive und effiziente Behandlung der Patienten durch Umsetzung einer integrierten und evidenzbasierten Versorgung (S3-/Nationale VersorgungsLeitlinie Depression) Projektumsetzung mit regionalen Partnern und Evaluation des Modells im Rahmen eines RCT in der Versorgung 19 Stepped Care Modell Netzwerk Ambulante Behandler Teilstationäre Behandler Step IV Vernetzung via E-Plattform Psychotherapie und Psychopharmakotherapie (ggf. stationär) Step III Screening Primärärztliche Behandler Psychotherapie oder Psychopharmakotherapie (ambulant) Step II+ Stationäre Stationäre Behandler Behandler PT-Telefonunterstützung Step II Bibliotherapie E-Selbsthilfe Step I Innovation Aktiv-abwartendes Begleiten … Monitoring … Begleitevaluation: Effektivität und Effizienz 20 Behandlung leichter Depressionen Step I: • aktiv-abwartendes Begleiten Step II: • Bibliotherapie: Selbsthilfebuch oder • Deprexis©: Elektronische Selbsthilfe (Internet) Step II+: • Psychotherapeutische Telefonunterstützung 21 Step II+: Psychotherapeutische Telefonunterstützung • geeignet für Patienten mit leichter bis mittelgradiger Depression • Übersetzung/Adaptation von Patienten- und Therapeutenmanual (Tutty et al. 2005) • evidenzbasiert, empfohlen nach NICE-Guidelines • 8 Kapitel, 4 Phasen - Psychoedukation - Angenehme Aktivitäten aufbauen - Kognitive Umstrukturierung - Rückfallprophylaxe • regelmäßige Telefonate, Inhalte und Übungen des Arbeitsbuches werden besprochen 22 Fallbeispiel Frau S., 57 Jahre, Bluthochdruck (medikamentös gut eingestellt), stellt sich mit verschiedenen Beschwerden (Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Magendruck, Erschöpfung, Stimmungstief) bei ihrem Hausarzt vor. Aufgaben des Hausarztes: • Einschätzung als Risikopatientin für eine Depression • Depressions-Screening • adäquate ICD-10-Diagnostik • Leitliniengerechte Behandlung(sempfehlung) je nach Schweregrad mittelgradige depressive Episode: Behandlung mit Antidepressiva oder/und Überweisung an Psychotherapeuten oder P-Facharzt Aufgaben des Psychotherapeuten oder P-Facharztes: • zeitnah Erstgespräch anbieten • zeitnah die leitliniengerechte Behandlung beginnen • regelmäßiges Monitoring (mit PHQ) Bei Indikation Stepping up oder Stepping down vornehmen 23 Behandlungsempfehlungen Depressive Episode F32.0 Leichte depressive Episode F32.1 Mittelgradige depressive Episode F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychot. Symptome F32.3 Schwere depressive Episode mit psychot. Symptomen Rezidivierende depressive Störung F33.0 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode F33.1 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode F33.2 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome F33.3 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen Dysthymie F34.1 Dysthymia Step I: Aktiv-abwartendes Begleiten Psychoedukation; Termin in 14 Tagen oder Step IIa: Bibliotherapie (Selbsthilfebuch) Psychoedukation; Buch und Patienteninfo zum Buch; Termin in 14 Tagen oder Step IIb: E-Selbsthilfe (Deprexis®) ® Psychoedukation; Deprexis -Zugangscode und ® Patienteninfo zu Deprexis ; Termin in 14 Tagen oder Step II+: PT Telefonunterstützung Psychoedukation; Patienteninformation und Einverständniserklärung zur Telefonunterstützung Step IIIa: Ambulante Psychotherapie Psychoedukation; Überweisung an Psychotherapeuten oder Step IIIb: Psychopharmakotherapie Psychoedukation; psychopharmakologische Behandlung oder Überweisung an Psychiater Step IV: Kombinationstherapie: Psychotherapie und Psychopharmakotherapie (ggf. stationär) Psychoedukation; Überweisung an Psychotherapeuten und ggf. Psychiater bzw. Überweisung an Klinik 24 Anforderungen an Netzwerkteilnehmer Bereitschaft zu... • frühzeitiger, leitliniengerechter Behandlung von Patienten des Netzwerks: Erster Termin innerhalb von 2-3 Wochen und Weiterbehandlung • initialer Leitlinien-Fortbildung und zum Ablauf der Studie • Monitoring im Zeitverlauf nach Leitlinie • enger Kooperation und Kommunikation von Hausärzten, Psychotherapeuten, Psychiatern und stationären Einrichtungen • Teilnahme an Qualitätszirkeln • Teilnahme an einmaliger Behandlerbefragung (u.a. Akzeptanz des Stepped Care Modells, Zufriedenheit) 25 Benefit für Netzwerkteilnehmer • Verbesserter Informationsaustausch innerhalb des Netzwerks • Zeitnahe Bereitstellung stationärer Behandlungsplätze und Mitbehandlung durch Psychotherapeuten (z.B. bei Kombinationstherapie) • Verbesserte Vordiagnostik • Regelmäßige Fortbildungen (CME-Punkte) • Teilnahme an einem innovativen Projekt; Zertifizierung mit dem Siegel von „psychenet“ • Finanzielle Aufwandsentschädigung 26 eTool zur Überweisung von Patienten 27 Das Gesundheitsnetz Depression 36 Hausärzte 7 Kliniken 542 / 170 40 Psychotherapeuten 9 Psychiater 28 Studiendesign Interventionsgruppe Patienten der IG-Praxen Leitliniengerechtes Screening und Diagnostik depressiver Patienten Einwilligung T0: Beginn Patienten der KG-Praxen T1: 3 Monate T2: 6 Monate T3: 12 Monate IG=SCM ClusterRandomisierung Grundgesamtheit der Patienten Stepped Care Modell (N=660) Kontrollgruppe Leitliniengerechtes Screening und Diagnostik depressiver Patienten Einwilligung T0: Beginn T1: 3 Monate T2: 6 Monate T3: 12 Monate KG=TAU (N=200) 29 Primäre und sekundäre Outcomes Effektivität: • Primärer Outcome: depressive Symptomatik (PHQ-D) • Sekundäre Outcomes: – Response/Remission/Relapse (PHQ-D) – funktionale Gesundheit/Lebensqualität (SF-8) – weitere klinische und sozialmedizinische Variablen Effizienz: – direkte und indirekte Kosten – Kosten-Effektivitäts-Relation (Effektmaß: Response) – Kosten-Nutzwert-Relation (Effektmaß: QALYs) 30 Verteilung der Patienten in % Ca. 30% N = 542 32 Gesamtprojekt - Verwertung Drei übergeordnete Konzepte werden verfolgt: • Nachhaltige Verbesserung der Gesundheitsversorgung • Entwicklung von „Produkten“ mit langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten • Übertragung der Geschäftsmodelle und Dienstleistungsprodukte auf andere Regionen 33 Netzwerkstruktur der Teilprojekte TP VII Depression TP VIII Somatoforme Störungen Hausarzt Psychotherapeut Klinik Facharzt Klinik Psychiater Facharzt TP V Peer-Beratung Klinik ACTTeam Hausarzt Psychotherapeut Klinik TP VI Psychose Peerberater TP IX Essstörungen Schule Berater TP X Alkohol im Jugendalter KH Berater 34 Schlussfolgerungen für 2014-2015 - regionale Strukturen und Ressourcen berücksichtigen und einbinden (KEINE Parallelstrukturen!) - Berücksichtigung, dass bereits IV-Modelle/Netze etabliert sind - mit Partnern VOR ENDE des Projektes tragfähige Versorgungsmodelle und transferierbare Dienstleistungen entwickeln - Konsequenzen aus der Evaluation der Modellphase psychenet ziehen und Gesundheitsnetze anpassen - Netzwerke sukzessive regional ausbauen und wachsen lassen 35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 36 Prof. Dr. Dr. Martin Härter Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie [email protected] www.psychenet.de https://twitter.com/psychenet 37