C M Y K aussen 212782 Syst Medizin Qi 3-14 Qi Zeitschrift für Chinesische Medizin Qi 03 | 2014 Vol. 23 Zeitschrift für Chinesische Medizin In Zusammenarbeit mit: Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für TCM Österreichische Ausbildungsgesellschaft für TCM Journal of TCM 中医 杂志 Schwerpunkt: Lebensmitte Dominique Hertzer Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren Birgit Baur-Müller Drache und Phönix – Die Chinesische Medizin als Wegweiser zum Selbst nach Krisen in der Lebensmitte Barbara Kirschbaum Wechseljahre – Zeit für Kraft und Mut: Menopausale Dynamik Alexandros Tilikidis Altgriechische Akupunktur Vol. 23 3/2014 verlag systemische medizin Postvertriebsstück B 10508 F – ISSN 2195-9048 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, die Lebensmitte ist ein Abschnitt, der neben den eher offensichtlichen Phasen Geburt, Kindheit, Pubertät, Erwachsenwerden, Alter und Tod nicht gerade mit besonders viel Aufmerksamkeit gesegnet ist. Dabei bildet die Lebensmitte das Zentrum unseres Lebens. Von außen werden hohe Anforderungen an uns gestellt, denen wir nicht einfach entkommen können. Kinder wollen mit viel Liebe und Umsicht auf den Weg gebracht werden. Die eigenen Eltern werden zunehmend unselbständiger, bedürfen der Zuwendung und Pflege. Im Berufsleben sind wir stark gefordert, und es wird voll auf uns gesetzt. Die Frage der Altersvorsoge wird wichtig, die evtl. an den Bau eines eigenen Heims geknüpft ist. Jetzt kommt es darauf an, zu sich zu finden, die Partnerschaft zu gestalten, die Balance zwischen Beruf und den persönlichen Freiräumen zu bestimmen. Dies sind die Eckpunkte, die in der Lebensmitte unseren ganzen Einsatz fordern. Dann können wir in den Anstrengungen des Alltags bestehen und für uns selber eine Zufriedenheit herausziehen, die unsere eigene Basis stärkt. Doch es ist Vorsicht geboten. Ist unsere innere Haltung noch stark auf Jugendlichkeit gepolt? Können wir im Berufsleben immer noch die gleichen Leistungen vollbringen, wie wir sie vor 20 Jahren ohne mit der Wimper zu zucken nonchalant erledigt haben? Die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu erkennen und jugendliche Verhaltensweisen zu hinterfragen bedarf einer inneren Einkehr und Reflexion. Auch wenn diese Aufgaben in einer Zeit vielfältigster Herausforderungen zu leicht vernachlässigt werden können, sind diese Prozesse unabdingbar, um mit seinem eigenen Selbst und den zur Verfügung stehenden Potenzialen zu einer gesunden Mitte zu finden. Viel Freude beim Lesen wünschen Ihnen Christian Yehoash Chefredaktion 03/2014 Doris Schultze-Naumburg Redaktion 1 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die Apotheke für Naturheilmittel und Traditionelle Chinesische Medizin Die MediQi AG betreibt Zentren für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Nach Vereinbarung suchen wir TCM Therapeutinnen oder Therapeuten. Beste Qualität und Beratung Für Ihre erfolgreiche Therapie chinesische heilkräuter europäische heilkräuter chinesische granulate tablettierung pao zhi-verfahren pulverisierung standardrezepturen huang huang-rezepturen tinkturen muskel - und gelenkfluid Voraussetzung ist eine abgeschlossene TCM Ausbildung, Berufserfahrung und die EMR und ASCA Anerkennung. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage oder erhalten Sie bei: MediQi AG, Personaladministration, Gäuggelistrasse 6, 7000 Chur Telefon: +41 (0)81 257 11 77 www.mediqi.ch / [email protected] Bei uns finden Sie über 500 chinesische und 300 europäische Heilkräuter, mehr als 300 chinesische Granulate; Salben, Tinkturen und Sprays aus eigener Herstellung und natürlich auch das gesamte schulmedizinische Sortiment. Kostenfreie Hotline für Therapeuten: Tel. 0800 - 66 68 881 · Fax 0800 -10 15 465 Zieten Apotheke . 10963 Berlin . Großbeerenstr. 11 Telefon 030-547 16 90 . www.zietenapotheke.de Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Inhaltsverzeichnis Editorial _____________________________________________________________ 1 Inhaltsverzeichnis ____________________________________________________ 3 Ticker Neuigkeiten in der Welt der Chinesischen Medizin _________________ 4 Schwerpunkt Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren ___________________________________________________________ 6 Dominique Hertzer Drache und Phönix – Die Chinesische Medizin als Wegweiser zum Selbst nach Krisen in der Lebensmitte ___________________________________ 12 Birgit Baur-Müller Wechseljahre – Zeit für Kraft und Mut: Menopausale Dynamik ______________ 15 Barbara Kirschbaum Akupunktur Altgriechische Akupunktur ________________________________________ 19 Alexandros Tilikidis S. 6 Dominique Hertzer Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren Arzneimitteltherapie Die Behandlung klimakterischer Beschwerden mit Zhang Zhong Jings blutbewegenden Rezepturen ______________________________________ 26 Natascha Lobisch Diätetik Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden _____ 31 Antonie Danz S. 12 Die Lebensmitte – Weichen stellen für die zweite Lebenshälfte ______ 39 Ruth Rieckmann Steckbriefe Legenden chinesischer Arzneipflanzen: Huang Jing (Polygonati Rhizoma) _ 43 Birgit Baur-Müller Drache und Phönix, Die Chinesische Medizin als Wegweiser zum Selbst nach Krisen in der Lebensmitte Andreas Kalg Mi 1 – Verborgenes Weiß _________________________________________ 45 Bartosz Chmielnicki und Yair Maimon Ticker Aus Wissenschaft und Forschung __________________________________ Service Rezensionen _____________________________________________________ Nachrichten der Kooperationspartner DWG TCM ________________________________________________________ ÖAGTCM, Tibetische Rezepturen aus Sicht der TCM __________________ 48 50 S. 19 52 55 Dr. Florian Ploberger Alexandros Tilikidis Altgriechische Akupunktur Ausklang Theorien der Chinesischen Medizin in Fabeln _______________________ 62 Irmgard Gebl Ausblick + Impressum ____________________________________________ 64 S. 31 Antonie Danz Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden 03/2014 3 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Ticker Ticker Neuigkeiten in der Welt der Chinesischen Medizin Im Folgenden ein Ausblick über aktuelle Nachrichten, Geschehnisse und Ankündigungen. (CY) Im Rahmen der Standardisierung für Traditionelle Medizin hat die ISO die ersten Standards für sterile Einwegnadeln, die in der Akupunktur verwendet werden, gesetzt. Die Standards beziehen sich u.a. auf Material (soll eine gute Biokompatibilität aufweisen), Durchmesser, Länge, Härte und Elastizität für sterile Einwegnadeln sowie Schärfe und Stichperformance der Nadelspitze. Die Standards bei sterilen Einwegnadeln sollen Produktsicherheit und Effektivität während des kompletten „Lebenszyklus“ der Nadeln sicherstellen. Akupunktur wurde von der UNESO im Jahre 2010 in die Liste der „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ aufgenommen. Für weitere Informationen: https://www.iso.org/obp/ ui/#iso:std:iso:17218:ed-1:v1:en Datenbank nach den Prinzipien der systemischen Pharmakologie für Chinesische Kräuter (CY) Die Northwest A&F University Yangling, Shaanxi hat eine Datenbank für Chinesische Kräuter ins Leben gerufen, die „Traditional Chinese Medicine Systems Pharmacology Database and Analysis Platform“ (TCMSP). Es basiert auf den Grundlagen der systemischen Pharmakologie und umfasst 499 Chinesische Kräuter mit 29384 Inhaltsstoffen, 3311 „Targets“ und 837 verschiedene Erkrankungen. Außerdem werden 12 wichtige ADME-Eigenschaften (ADME = Absorption, Distribution, Metabolismus, Ausscheidung) in Bezug auf Drogentestung und Analyse aufgelistet. Darunter zählen u.a. die orale Bioverfügbarkeit beim Menschen, Halbwertszeit, Blut-Hirn-Schranke und Caco-2 Permeabilität. Die systemische Pharmakologie versucht nachzuvollziehen, wie Medikamente auf verschiedene Systeme im Körper einwirken. Dabei berücksich- tigt die systemische Pharmakologie, dass die Wirkung eines Medikaments das Ergebnis eines Netzwerks an Interaktionen dieses Medikaments darstellt. Die Datenbank steht zur freien Verfügung und kann unter http://sm. nwsuaf.edu.cn/lsp/tcmsp.php aufgerufen werden. Fotolia_54874735_M_© B. Wylezich - Fotolia.com Internationale Organisation für Normung (ISO) hat sterile Akupunkturnadeln für den Einmalgebrauch international standardisiert Traditionelle Chinesische Medizin Akademische Weiterbildung Doktor / Master n Sie Nutze nce ha Ihre C im Rahmen des EU - Pilotprojekts haben Sie die Möglichkeit berufsbegleitend an staatlichen chinesischen TCM-Universitäten das Doktor- bzw. Master-Studium in deutscher Sprache zu absolvieren. Abschluss: Doktor of Medicine bzw. Master of Medicine Doctor of Medicine Kombiniertes Fernstudium in nur 3 Jahren Näheres: Europe Department, Chinesische Naturheilkunde Akademie e.V. D-95326 Kulmbach, Hans-Dill-Str. 9 ,Tel.: 09 221 - 84 100, Fax : 09 221 - 87 76 21, www.chinesische-naturheilkunde.de 4 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG SPEZIALAPOTHEKE für hochwertige Chinesische Arzneimittel GRANULATE wirkungsvoll und patientenfreundlich MAGISTRALE PRODUKTE & KOSMETIKA aus eigener Entwicklung und Produktion ROHDROGEN authentisch und traditionell ONLINEBESTELLSYSTEM effizient und professionell LIAN CHINAHERB Online-Bestellsystem LIAN CHINAHERB Fürtistrasse 7 CH-8832 Wollerau Beratungsservice für Kunden aus Deutschland: Tel. 0800 786 99 99 (gebührenfrei) aus übrigen Ländern: Tel. +41 (0)44 786 99 99 LQIR#OLDQFKŘZZZOLDQFK 03/2014 5 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren Dominique Hertzer Im Zusammenhang mit unserem Schwerpunkt über die Lebensmitte gibt uns Dominique Hertzer einen faszinierenden Einblick in die philosophische Vorstellungswelt der Klassiker zur seelischen Funktion der Mitte, die Nicht-Sinolog/inn/en sonst verborgen bliebe. Die seelische Funktion der Milz (Yi; ), meist vereinfacht im Sinne von „Denken“ wiedergegeben, steht ebenso wie die Wandlungsphase Erde im Zentrum aller anderen seelischen Aspekte und ist zugleich die Mutter der Speicherorgane sowie deren seelisch-geistigen Funktionen. Denn sie stellt im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Polen den Übergang und die Vermischung zwischen den anderen Wandlungsphasen her, weswegen sie, abgesehen von ihrer festen Position zwischen Feuer und Erde, prinzipiell auch zwischen allen anderen Wandlungsphasen verortet werden kann. 1) Die seelische Funktion der Milz unterliegt prinzipiell derselben Dynamik wie ihre körperliche Funktion, doch nimmt sie auf der geistig-seelischen Ebene eine vollkommen andere Gestalt an. Um die zentrale und komplexe Dynamik von Yi (), die weit über den Begriff des „Denkens“ hinausweist, zu erhellen, soll im Folgenden zunächst die grundlegende körperliche Dynamik dargestellt werden, um diese dann auf der seelischen Ebene zu reflektieren. 2) Abb. 1 und 2 Erde als Mutter der Wandlungsphasen 6 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren Die körperliche Dynamik der Milz Die Milz bildet mit dem Hohlorgan Magen ein Paar und ist die Wurzel der nachgeburtlichen Lebensenergie eines Menschen: „Die Wurzel des Nachgeburtlichen liegt in der Milz. Die Milz ist die Mutter der 10 000 Dinge.“1 So wie die Qualität der Erde in allen anderen Wandlungsphasen enthalten ist, verfügt auch die Milz prinzipiell über eine ausgleichende Qualität: „Die Milz ist ihrer Natur nach ausgleichend und neutralisierend, in ihrer Wirkkraft ist sie weich, ihre Funktion ist die Transformation.“2 Die Funktion der Transformation bezieht sich primär auf die Umwandlung und Assimilation von Nahrung und Flüssigkeiten, freilich in Zusammenarbeit mit ihrem Partner, dem Magen. Nachdem Milz und Magen alle anderen Organe sowie den gesamten Körper ernähren, wird die Milz auch als „Diener“ (Shi; ֯) der Organe und der Magen als „Marktplatz“ (Shi; ᐲ) bezeichnet, in welchem Flüssigkeiten und Nahrung kurzfristig gespeichert werden. „Der Mensch erhält das Qi aus der Nahrung, die Nahrung dringt in den Magen ein und wird dann an die Lunge weitergeleitet. Die fünf Speicher- und sechs Hohlorgane erhalten alle auf diesem Wege das Qi.“3 Während es die Aufgabe des Magens ist, das Absteigen „des Trüben“, also die trüben, dichten Bestandteile der Nahrung, zu kontrollieren, gilt es für die Milz, das „Klare nach oben zu bringen“ (Shengqing; ॷ). Dabei reflektieren Milz und Magen die natürliche Bewegungsrichtung des Qi von Himmel und Erde. Nur wenn die Milz in der Lage ist, das Klare Yang nach oben zu bringen, können auch die neun Körperöffnungen (Augen, Ohren, Nase, Mund und die beiden Genitalöffnungen) und mit ihnen die Sinnesorgane ausreichend ernährt werden. Nachdem das Auf- und Absteigen des Qi von Himmel und Erde gleichsam die zentrale Achse für alle Verwandlungsund Schaffensprozesse im Kosmos bildet, werden das Aufund Absteigen von Milz- und Magen-Qi in derselben Weise als Schlüssel für die Zirkulation und Transformation von Qi im gesamten Organismus begriffen: „Gibt es kein Auf- und Absteigen, dann gibt es nichts, womit man hervorbringen, wachsen, transformieren, bewahren und speichern kann. Deswegen gibt es keine Körper, welche diese [Mechanismen] von Auf und Absteigen, Ein- und Austreten nicht hätten.“4 03/2014 Sobald jedoch dieser Auf- und Abstiegsmechanismus von Magen und Milz beeinträchtigt ist, ergibt sich daraus zwangsläufig eine Erkrankung der anderen Organe, so dass das Wasser in den Nieren erkaltet und das Feuer im Herzen nach oben schlägt, während das Holz der Leber stagniert und das Metall der Lunge im Absteigen behindert wird. Nur wenn das Ab- und Aufsteigen von Milz- und Magen-Qi reguliert ist, stellt sich auch das seelische Wohlbefinden ein: „Die fünf Geschmäcker dringen über den Mund ein und werden im Magen gespeichert; die gespeicherten Geschmäcker ernähren die fünf Qi Speicherorgane. Ist das Qi reguliert und transformiert, so ist es [voller] Vitalität, unter der gegenseitigen Hervorbringung der Körperflüssigkeiten und Säfte erblüht der Geist schließlich von selbst.“5 Erinnerung, Absicht und Denken: Yi Die seelische Manifestation der Milz ist das Denken (Yi): „Die Milz speichert die Nährenergie, die Nährenergie behaust das Denken.“6 Die Nährenergie (Ying; ⠏), welche dem Yin-Aspekt entspricht, zirkuliert innerhalb der Leitbahnen und Funktionskreise und stellt so eine neutrale Verbindung zwischen diesen her. Sie gibt ferner dem Denken (Yi) ein Zuhause. Übertragen wir die körperliche ernährende Funktion der Milz auf die Dynamik von Yi, so bedeutet dies zunächst, dass das „Denken“ alle anderen seelischen Aspekte ernährt. Die Bedeutungsebenen von Yi Das Schriftzeichen Yi setzt sich aus den Bestandteilen für Xin ᗳ „Herz“ und Yin 丣 „Laut, Ton“ zusammen und bezeichnet somit primär die „Stimme des Herzens“. Ferner steht das Zeichen in enger Beziehung zu dem seelischen Aspekt der Niere (Zhi; ᘇ), sowohl in der Bedeutung „Erinnerung“ als auch im „Willen“. Im ältesten chinesischen Wörterbuch (Shuowenjiezi; 䈤᮷䀓ᆇ) wird es zunächst im Sinne von „schlussfolgern“ verstanden, wenn es heißt: „Untersucht man die Worte, dann erkennt man die Bedeutung (Yi).“7 Die Verwendung von Yi als Bezeichnung für die „Bedeutung“, welche „den Sinn“ des gesprochenen Wortes meint, hat bereits Zhuang Zi formuliert: 7 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt „[Der Sinn] von Worten liegt in der Bedeutung, hat man die Bedeutung (Yi) verstanden, kann man die Worte vergessen.“8 Die Bedeutung und das Schlussfolgern sind beides Aspekte des Denkens selbst, als dessen Sitz im Ritenklassiker (Liji; ⽬䇠) das Herz angegeben wird: „Will man sein Herz aufrecht machen, so soll man zuerst sein Denken (Yi; ) aufrichtig machen.“9 Zwar wird die Fähigkeit zu denken von der Milz zur Verfügung gestellt, doch der Ort, an dem das Denken stattfindet, ist immer das Herz. Ferner bezeichnet Yi gerade im medizinischen Kontext nicht nur das Denken selbst, sondern den gesamten Prozess, der mit dem Denken in Zusammenhang steht. So geht den konkreten Gedanken zunächst die Aufmerksamkeit voran: „In dem Augenblick, wo ein Gedanke entsteht, richtet sich das Herz auf etwas aus, solange es noch nicht festgelegt ist, bezeichnet man es als ‚Aufmerksamkeit’ (Yi; ).“10 Diese Aufmerksamkeit geht ebenfalls aus dem Herzen hervor, indem sie eine „Regung des Herzens“ darstellt, die jedoch „noch keine Gestalt angenommen hat.“ Sie ist Ausdruck von Konzentration und einer bestimmten Ausrichtung die sich in der Bedeutung „Absicht, Intention“ weiter konkretisiert: „Das, was sich noch nicht bewegt hat, aber bewegen möchte, ist die Absicht (Yi; ).“11 In der Bedeutung „Absicht, Intention“ ist Yi dem „Willen“ (Zhi; ᘇ) freilich ähnlich, aber der Wille ist bereits auf ein bestimmtes Ziel hin fixiert, während es die Absicht im Herzen erst zu entwickeln gilt. Die Absicht zeigt sich hingegen nicht allein im Denken, sondern manifestiert sich, so der Konfuzianer Xun Zi, auch im moralischen Handeln eines Menschen: „Wenn die Absichten (Yi; ) kultiviert sind, dann ist man über Reichtum und Stellung erhaben. Wenn das Dao (䚃) und die Rechtschaffenheit für wichtig gehalten werden, dann wird man Könige und Herzöge nicht für [so] wichtig halten.“12 Die Absicht nimmt mit dem Willen konkrete Gestalt an und ist zugleich ein dem Denken zugrunde liegender Prozess, der von der Fähigkeit sich zu erinnern nicht zu trennen ist: „Die Milz ist der Herrscher über die Erinnerung (Yi; ) und das Denken (Si; ᙍ). Yi erinnert Vergangenes und das Denken (Si; ᙍ) ist die umfassende Tätigkeit des Herzens“13 8 Das Schriftzeichen Si ᙍ, dessen grundlegende Bedeutung „denken“ bzw. „Gedanken“ ist, bezeichnet zugleich den inneren pathogenen Faktor, wenn es ins „Grübeln“ übersteigert wird. Die Fähigkeit der Erinnerung bildet dabei eine notwendige Voraussetzung für das Denken selbst: „Daher wird das, was die Dinge trägt, als Herz bezeichnet, das, womit sich das Herz beschäftigt, wird als die Erinnerung (Yi; ) bezeichnet, das, was das Erinnern (Yi; ) bewahrt, wird als Wille (Zhi; ᘇ) bezeichnet. Wenn der Wille besteht und sich [dabei] verändert, so bezeichnet man das als Gedanken, wenn die Gedanken weit streben, wird es als abwägendes (strategisches) Denken bezeichnet. Bezieht sich das abwägende Denken auf die äußeren Dinge, bezeichnet man es als Wissen.“14 Dieses Zitat gehört nicht nur zu den wenigen Stellen, in welchem der Prozess des Denkens ausgeführt wird, sondern ist vor allem in Anbetracht der verschiedenen Bedeutungsebenen von Yi außergewöhnlich aufschlussreich. Hier offenbart sich die Eigenart des chinesischen Denkens besonders deutlich, denn das Schriftzeichen Yi ist Ausdruck beider Bedeutungen – „Absicht“ und „Erinnerung“ – zugleich. Die Differenzierung wird erst mit dem Wechsel der Perspektive notwendig, denn solange die Gedanken noch nicht fixiert sind, sind sie noch flexible Absicht. Als Gedanken manifestieren sie sich erst durch die Auswirkung des Willens, welcher sie auf ein konkretes Ziel hin festlegt. Dabei ist auch der vom Denken nicht zu trennende Vorgang des Erkennens bereits im Schriftzeichen Yi selbst enthalten: „Die fünf Funktionskreise entsprechen alle jeweils einem Ton, diesen kann man unterscheidend erkennen (Yi).“15 Die seelische Funktion der Milz reflektiert in ihrem Bedeutungsspektrum von Aufmerksamkeit, Absicht, Denken, Erkenntnis und Wissen die prinzipielle Energetik der Milz, wie sie sich in der kosmischen Manifestation der Wandlungsphase Erde manifestiert. Die Erde, welche als Mutter der 10 000 Wesen primär eine ausgleichende und neutrale Qualität besitzt, befindet sich in der Mitte der anderen Wandlungsphasen. So treffen im Denken nicht nur die Fähigkeiten aller anderen seelischen Aspekte, wie des Geistes, der Hauch- und Körperseele und des Willens, zusammen, sondern es gilt als wichtige Aufgabe des Denkens, diese zu regulieren und zwischen ihnen zu vermitteln. Gleichzeitig bildet das Denken gewissermaßen „die Nahrungsgrundlage“, auf der die anderen seelischen Aspekte ihre Tätigkeiten erst zu entfalten vermögen. So wie es ferner der Milz zukommt, die aufgenommene Nahrung zu verdauen, ist es Aufgabe des Denkens, die mittels der Wahrnehmung gewonnen Eindrücke im Her- Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren zen zu verarbeiten. Die Fähigkeit das Klare nach oben zu bringen zeigt sich unmittelbar in der Klarheit des Denkens, wenn es beispielsweise damit befasst ist, die Bedeutung (Yi; ) von Worten zu verstehen. Eine weitere elementare Bedeutung der Milz ist ihre Transportfunktion, indem sie das Qi und die Nahrungsessenzen zu allen anderen Organen weiterleitet. Die Dynamik des Auf-und Absteigens von Milz- und Magen-Qi nimmt dabei eine Schlüsselposition ein und manifestiert sich als Dynamik des Denkens, welches sich zwischen „Erinnerung“ und „Absicht“ bewegt. Denn das Denken verwandelt die auf der Basis der Erinnerung (Yi; ) gewonnene und mittels der Aufmerksamkeit (Yi; ) konzentrierte Absicht (Yi; ) schließlich in Erkenntnis. Der Transformationsprozess selbst wird zwar im Wesentlichen von der Milz ermöglicht, doch er findet im Herzen statt, welches für den Prozess von Wahrnehmen, Fühlen und Erkennen den Ort des Geschehens darstellt. Der entscheidende Einfluss, den das Denken kraft seiner zentralen Stellung auf die anderen seelischen Aspekte auszuüben vermag, kann jedoch, wenn das korrekte Auf- und Absteigen von Milz und Magen-Qi nicht gesichert ist, unmittelbar zu pathologischen Entgleisungen von Körper- und Hauchseele, Willen und Geist führen. Der Phönix ist, neben dem Drachen, der Schildkröte und dem Einhorn, das zweite der vier heiligen Tiere und gilt als König aller gefiederten Tiere. Sein Auftreten gilt bereits bei Konfuzius als Zeichen für einen weisen und gerechten Herrscher. Nachdem sein Federkleid alle fünf Farben der Wandlungsphasen enthält, wird er, gerade in daoistischen Texten, mit der Wandlungsphase Erde und dem Zentrum assoziiert. Ferner ist sein Körper eine Verbindung aus verschiedenen anderen Tieren und Vögeln. Als Tier des Zentrums, welche die anderen fünf Wandlungsphasen in sich Der Phönix: Symbol für die seelische Funktion der Milz Im „Klassiker des gelben Hofes“ (Huangting jing; 哴ᓝ㓿), einem der wichtigsten Werke zur Inneren Alchemie, werden die Speicherorgane primär als die fünf „Geist-Speicher“ (Shenzang; ⾎㠗) – in Gestalt eines Wohnortes für die fünf seelisch-geistigen Aspekte – aufgefasst, wobei die Speicherorgane als Ort der Verbindung zwischen Mensch und Kosmos vorgestellt werden. Die Milz nimmt dort insofern eine besondere Stellung ein, als dass der „gelbe Hof “ selbst aufgrund seiner gelben Farbe sowie des Hofes als Ort, um den die anderen Gebäude angeordnet sind, ein Symbol für das Zentrum ist. Im makrokosmischen Sinne ist der gelbe Hof der zentrale Ort, an dem der Mensch mit Himmel und Erde zu kommunizieren vermag, im Hinblick auf den menschlichen Körper stellt die Milz das Zentrum des Organismus dar. In diesem Zentrum wohnt der Phönix, der hier als Symbol für die geistige Funktion der Milz begriffen wird: „Der Geist der Milz [heißt] ‚stetige Anwesenheit‘, ihr gegebener Name ‚Halle der Hauchseele.‘ Die geistige Erscheinung der Milz gleicht einem Phönix, in ihrer Form gleicht sie bedeckenden Flügeln, Ihre Farbe gleicht einem schlicht leuchtenden Gelb.“16 03/2014 Abb. 3 Shen_Nanpi Pair_of_Phoenixes in_the_Morning Glow A Hanging scroll Color on sil a dynasty; ই㰻Bѩ匣ᵍ䲭ണB䳽↓13(1735) 9 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt vereint, stellt er ferner eine Verkörperung der fünf konfuzianischen Tugenden (Tugend, Rite, Rechtschaffenheit, Menschlichkeit und Vertrauen) dar, die ihrerseits ebenfalls als Manifestation der Wuxing (Fünf Wandlungsphasen; ӄ 㹼) betrachtet wurden. Nachdem das Binomen Fenghuang 匣ࠠ ursprünglich den männlichen und weiblichen Phönix bezeichnet, und der Phönix als Sinnbild für die Kaiserin häufig mit dem Kaiser in Gestalt des Drachens kombiniert wurde, dient er auch als Sinnbild für die Vereinigung von Yin und Yang. So ist der Phönix hier als Symbol für die ausgleichende und harmonisierende Funktion des Denkprozesses zu verstehen, der die Qualitäten der anderen Wandlungsphasen, nicht zuletzt im Sinne eines Ausgleichs zwischen den beiden Polen von Yin und Yang, in sich vereint. Als König aller gefiederten Tiere veranschaulichen seine außerordentlichen Flugkünste – die daoistische Gottheit Xiwang Mu (Königin Mutter des Westens) soll auf seinem Rücken zu den Paradiesen der Unsterblichen gereist sein – die Funktion der Milz das Klare nach oben zu bringen. Seine Fähigkeit besonders schön zu singen und zu tanzen reflektiert dabei die stimmliche Manifestation der Milz in Gestalt des Singens wie ihre Kontrolle über die vier Gliedmaßen. Denken eine Offenheit und tolerante Aufnahmebereitschaft zu kultivieren, will man die Welt verstehend durchdringen und ihr gerecht werden. So lässt sich festhalten, dass sich die Schlüsselposition der Milz auf der seelischen Ebene in einem differenzierten Denkprozess offenbart, der die Dynamik des Auf- und Absteigens von Qi in Gestalt von Erinnerung, Aufmerksamkeit, Erkenntnis und Absicht reflektiert. Dieser Denkprozess fordert auf der einen Seite eine hohe und tolerante Aufnahmebereitschaft, um eine möglichst umfassende Erkenntnis der Welt zu erhalten. Auf der anderen Seite ist die Transformationsfähigkeit von entscheidender Bedeutung, da alle gewonnenen Eindrücke zuerst verarbeitet bzw. „verdaut“ werden müssen, wollen sie zu klaren Gedanken werden. Nachdem Yi ferner die Grundlage für die Ernährung und Regulierung der anderen seelischen Aspekte bildet, ist sowohl die Ausbildung der Fähigkeit zum klaren und offenen Denken als auch die Regulierung des eigenen Denkens in Gestalt einer Psychohygiene wesentliche Voraussetzung zur Erhaltung von Gesundheit. Das Hexagramm Kun ඔ und die seelische Funktion der Milz Eine weitere Ebene, welche die seelische Funktion der Milz zum Ausdruck bringt, findet sich im Buch der Wandlungen (Yijing; ᱃㓿) in Gestalt der Zuordnung der Erde zum zweiten Hexagramm, dem Hexagramm Kun ඔ. Die ersten beiden Hexagramme in Gestalt der sechs durchgezogenen bzw. sechs durchbrochenen Linien symbolisieren die Dynamik des reinen Yin und Yang. Sie bilden die Grundlage für den Wandel, wie er sich zwischen Yin und Yang vollzieht und der in den 64 Hexagrammen dargestellt wird. Während das erste Hexagramm – Hexagramm Qian Ү „das Schöpferische“ – den Himmel und die schöpferische Qualität des reinen Yang symbolisiert, ist dem zweiten Hexagramm Kun ඔ („das Empfangende“) das reine Yin und die Erde zugeordnet. Das Hexagramm Kun ඔ zeichnet sich – ebenso wie die Wandlungsphase Erde und die Milz – primär durch seine Aufnahmebereitschaft und Transformationsfähigkeit aus. Im Bildkommentar zum Hexagramm „das Empfangende“ heißt es: „Der Zustand der Erde ist die empfangende Hingebung. So trägt der Edle weiträumigen Wesens die Außenwelt.“17 So wie die Erde in ihrer Aufnahmebereitschaft zunächst alles unterschiedslos in sich aufnimmt, gilt es auch im 10 Abb. 4 Hexagramm Kun ඔ, Zuordnung der Erde (Hu Yin: Huangting neijing wuzang liufu tu (Illustrations on the Five Viscera and Six Receptacles According to the Scripture of the Yellow Court), in Xiuzhen shishu (Ten Compilations on Cultivating Perfection; CT 263), j. 54.) Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die seelische Funktion der Mitte: Denken als Aufnehmen und Transformieren Dominique Hertzer, hat 1993 im Fach Sinologie über den Text und des Yijing aus Mawangdui Yijing promoviert und sich in ihrer zweiten Promotion (2005) im Fach „Theoriebildung in der Medizin“ mit dem unterschiedliche Leib-Seelebzw. Körper-Geist-Verhältnis in China und dem Abendland beschäftigt. Seit 1997 ist sie als Heilpraktikerin in eigener Praxis für TCM in Utting am Ammersee tätig. Regelmäßige Lehrtätigkeit an der LMU München, der Uni Göttingen und Oldenburg. Derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die Frage nach der Philosophie in der Medizin. Quellenangaben 1 2 3 4 5 6 7 8 Yizong, bidu, shen wei xiantian ben lun, (Ming-Zeit) in Gujin tushu jicheng Bd.4, S. 295. Suwen 67. Lingshu 18. Suwen, 68. Suwen 9. Lingshu 8. Shuowenjiezi zhu 1988, S.502. Zhuangzi 26.13. 03/2014 Bibliographie Chuanshi zangshu. Zi ku. Yi bu Րц㯿Җ. ᆇᓃ. ५䜘; 1995, Herausgegeben von He Qinghu օ⒆, 6 Bände Gujin tushu jicheng Yibu quanlu ਔӺെᴨ䳶ᡀ 䟛䜘ޘ䤴; 1995, Herausgegeben von Chen Menglei 䲣དྷ䴧 et al. Beijing: Renmin weisheng chubanshe He Yumin օ㼅≁; 1995, Zhongguo chuantong jingshen binglixue ѝഭՐ㔏㋮ ⾎⯵⨶ᆖ. Shanghai: Shanhai kexue puji chubanshe. Leijing 于 ㏃, in: Chuanshi zangshu. Zi ku. Yi bu Րц㯿Җ. ᆇᓃ. ५䜘, Bd.1 S.161–697; 1995, Herausgegeben von He Qinghuօ⒆, 6 Bände Li Gi. Das Buch der Riten, Sitten und Bräuche. Aus dem Chinesischen übersetzt und herausgegeben von Richard Wilhelm. Diederichs Gelbe Reihe Nr. 31. München: Eugen Diederichs Verlag Lingshujing 䵸ᴨ ㏃, in: Chuanshi zangshu. Zi ku. Yi bu Րц㯿Җ. ᆇᓃ. ५䜘, Bd.1 S.79–140; 1995, Herausgegeben von He Qinghu օ⒆, 6 Bände Suwen ㍐, in: Chuanshi zangshu. Zi ku. Yi bu Րц㯿Җ. ᆇᓃ. ५䜘, Bd.1 S.1-78; 1995, Herausgegeben von He Qinghu օ⒆, 6 Bände Wilhelm, Richard, I Ging. Text und Materialien. München: Heinrich Hugendubel Verlag (Diederichs), 1999 Xunzi duben 㥰ᆀ䆰ᵜ; 1977, Herausgegeben von Wang Zhonglin ⦻ᘐ᷇. Taibei: Sanmin shu ju Zhuangzi duben 㦺ᆀ䆰ᵜ; 1985, Herausgegeben von Huang Jinhong 哳䥖䤀. Taibei: Sanmin shuju 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Liji, Daxue. Leijing, Zangxianglei, 9 in: Chuanshi zangshu yibu 1995, Bd. 1, S.195. Zhuzi yulei 1986, 5. Xunzi, 2. He Yuming 1995, S.34. Das Originalzitat stammt aus einem dem medizinischen Werk Song Zeit (1174) dem Sanyin jibing zhengfanglun., in Chuanshi zangshu, Bd.5, S.7473–7633. Lingshu 8. Suwen 10. Sancaitu, Pishen (Ming-Zeit) in: Gujin tushu jicheng Bd.4, S.194. Wilhelm 1999, S. 32. 11 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt Drache und Phönix Die Chinesische Medizin als Wegweiser zum Selbst nach Krisen in der Lebensmitte Birgit Baur-Müller Jede Lebensphase hat ihre Herausforderungen auf verschiedensten Ebenen. Welche emotionalen und geistigen Themen in der Mitte des Lebens anstehen, verrät uns Birgit Baur-Müller. Wenn wir anfangen uns Gedanken zu machen, was es bedeutet, in der Lebensmitte angekommen zu sein, entstehen verschiedene Gefühle. Manche sind fast nicht spürbar und werden sofort wieder in eine Tiefe zurückgedrängt, andere sind stärker, umkreisen schon längere Zeit unsere Gedanken und sind nicht mehr so einfach wegzuschieben. Oft ist der Eintritt in die Lebensmitte begleitet von einer Krise. Speziell in der heutigen, schnelllebigen Zeit, die auf kaum einer Ebene Kontinuität zulässt, kommt es zu einschneidenden Erlebnissen in der Berufswelt, der Familie oder mit dem eigenen Körper in Gestalt einer Krankheit. Kurzum, es ist nicht mehr so wie es war, das Blatt hat sich gewendet, die Karten müssen neu gemischt werden. Viele Patienten, die wir in unserer Praxis sehen, befinden sich in diesem Zustand. Ob wir es Burn-out, Depression, Krebs, unbehandelbare Schmerzsyndrome oder „komische Krankheiten“ wie chronisches Fatigue-Syndrom, Fibromyalgie, und viele andere nennen wollen, letztendlich ist der betroffene Mensch mit einer ihn zutiefst persönlich betreffenden Situation konfrontiert, die es ihm unmöglich macht, sein Leben so weiterzuführen wie bisher. Zunächst sind viele Patienten, die uns in solch einer Lage aufsuchen, der Meinung sie machen jetzt ein bisschen Akupunktur, nehmen vielleicht eine Zeit lang Kräuter, dann wird alles wieder so wie vorher. Als Therapeuten haben wir hier eine große Verantwortung, den Patienten nicht in dieser Illusion verharren zu lassen und an ihm einfach zu verdienen. Dr. John Ray sagte, „die meisten Menschen haben es eilig, dass es ihnen besser geht, damit sie zurückkönnen und damit weitermachen, was sie eigentlich krank gemacht hat“. Ich persönlich glaube, dass es sehr wichtig ist dem Patienten zu helfen, den Gedanken ins Bewusstsein zu holen, dass es evtl. darum geht, einschneidende Veränderungen vorzunehmen, einen wirkli- 12 chen Neuanfang vorzubereiten, damit die Seele grünes Licht gibt und Heilung zulässt. Die Chinesische Medizin ermöglicht uns einen wunderbaren Einstieg mit dem Patienten zu erarbeiten, wo er/sie organisch/energetisch im Augenblick steht, wo die Blockaden sind, Schwächen und Stärken, um dann ein Konzept zu erarbeiten, damit der Organismus wieder in eine stabile Lage versetzt wird. Oft sind die Patienten nicht nur in einer total verfahrenen Situation sondern auch in einem ernsten Schwächezustand. Wo setzt man also an? In einem ausführlichen Diagnosegespräch werden den Patienten meist schon viele Zusammenhänge klar. Durch die Fülle an Herangehensweisen z.B. über das System der Fünf Wandlungsphasen kann man mit dem Patienten eine Fülle an Möglichkeiten erarbeiten, an denen er/sie arbeiten kann. Natürlich muss sich der Patient/die Patientin klar darüber sein, die Verantwortung übernehmen für den augenblicklichen Zustand und für den Heilungsprozess. Nachdem die Patienten eine Weile auf der körperlichen Ebene gearbeitet haben, sei es mit Kräutern, Qi Gong und/oder Akupunktur, kommt meiner Erfahrung nach der Moment, indem der Heilungsprozess auch das Hinzunehmen einer anderen Ebene erfordert. Dies bezieht sich auf die Bereitschaft auch auf der mentalen, emotionalen Ebene zu arbeiten, um den Widerstand aufzulösen, der dem Heilungsprozess des Körpers im Wege steht. Die Hilfsmittel hier sind: Liebe, Vergebung, Dankbarkeit und Vertrauen. In der Lebensmitte anzukommen stellt uns auch noch vor eine andere Herausforderung. Wir sehen uns oft konfrontiert mit erfüllten Zielen, beruflich haben wir erreicht, was wir uns vorgenommen haben, eine Familie wurde gegründet, die Kinder sind evtl. schon am Erwachsenwerden. Wie geht es weiter, welche Richtung schlagen wir jetzt ein? Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Drache und Phönix Abb. 1 Mandala „chinesischer Drachen“ Im Hinblick auf die Wandlungsphasen entspricht die Lebensmitte der Wandlungsphase Erde; wir können uns erlauben uns zu zentrieren, nachdem wir in der Wandlungsphase Feuer sehr auf das Außen fixiert waren, um unsere Ziele zu erreichen. Durch diesen Prozess des Zentrierens – des Nährens unserer selbst – können wir uns auf den „Herbst“ vorbereiten, in dem es darum gehen wird, gründlich auszumisten, Klarheit zu schaffen, was in unserem Leben wirklich wichtig ist. Meiner Meinung nach wird dieser Moment des Innehaltens, des Auffüllens der eigenen Speicher immer wichtiger, da die Menschen energetisch mit zunehmendem Alter schwächer werden. Der Prozess der „Qi-Erzeugung“, welcher der Wandlungsphase Erde zugeordnet ist, wird im modernen Leben immer mehr nach außen verlagert. Die Menschen konsumieren Energie und produzieren sie nicht mehr selbst. Hier geht es auch darum, seine eigene Quelle zu finden, zu pflegen, zu lernen, selbst Energie aufzubauen, um für die kommenden zwei Phasen, die vor uns liegen, gerüstet zu sein. Denn auch das ist eine Schattenseite unserer modernen Gesellschaft: Das menschliche Leben scheint in der Mitte der Herbstphase aufzuhören. Viele Menschen verbringen ihren „Winter“ – den Lebensabend – dahinvegetierend in Heimen, dement oder körperlich geschwächt. Ein wichtiger, wenn nicht so- 03/2014 | gar der wichtigste Aspekt der Chinesischen Medizin ist es, den Körper so lange wie möglich stark und gesund zu erhalten, um eine bewusste geistige Entwicklung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang können wir auch daran denken, dass die Altersvorsorge, die in dieser Lebensphase der Mitte beginnt, nicht damit endet, Geld zurückzulegen oder einzuzahlen für eine spätere Rente, sondern dass es darum geht Energie körperlich und geistig zu generieren, einzusparen, bzw. sich zunächst einmal bewusst zu werden, wofür wir diese verwenden und wie viel uns davon noch zur Verfügung steht. Wir leben in einer zutiefst materialistischen Welt, in der Körperbewusstsein nicht viel zählt. Rüdiger Dahlke bezeichnet den Körper als „die Bühne der Seele“. Leider führt dies dazu, dass der Körper oft ernsthaft erkrankt und aus dem Gleichgewicht gerät, weil wir mit unserer Seele nicht in Kontakt sind und dem Verstand zu sehr das Steuerruder überlassen. Dadurch führen wir ein Leben völlig abgetrennt von unserem eigentlichen Selbst. Eine Patientin sagte neulich zu mir: „Ich will mein altes Leben zurück“. Vor kurzem wurde bei ihr die Diagnose einer Autoimmunerkrankung gestellt, nachdem sie seit mehreren Wochen wegen therapieresistenter Schmerzen aus ihrem Berufs-und Alltagsleben „herauskatapultiert“ 13 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt Abb. 2 Mandala „Phoenix“ worden war. Sie kam mir vor wie jemand, der gerade aus einem fahrenden Zug gefallen, noch ganz benommen dasitzt und nicht realisieren kann, dass dieser Zug für immer abgefahren ist. Es wird darum gehen, sein Leben nach der Wahrheit auszurichten, nach der Wahrheit des eigenen Weges; zu vertrauen, dass es diesen Weg gibt, dass wir ihn finden und auch die Kraft haben, ihn zu gehen. Hierfür ist es natürlich nötig Disziplin aufzubringen und mit dem Qi zu arbeiten. Dies ist ein Teil der Wandlungsphase Erde, indem man die Kraft hat durch Heilungskrisen zu gehen, das Feld wieder neu zu bestellen, nachdem das Alte in der Wandlungsphase Feuer verbrannt wurde. Letztendlich bietet uns eine Krise die Chance, uns auf den Weg zu uns selbst zu machen; diesen müssen wir natürlich mit den eigenen Füßen gehen. Es wird gute und schwere Tage geben, wie bei einer Wanderung leichtere und schwerere Etappen zu bewältigen sind. Natürlich können wir ab und zu zum Gipfel hinaufschauen, was wir auch tun sollten, denn das gibt uns Inspiration, zeigt uns unser Ziel. Wir sollten uns aber immer auf den Abschnitt konzentrieren, auf dem wir uns im gegenwärtigen Augenblick befinden. Was liegt unmittelbar vor uns und kann mit der Kraft, über die wir verfügen, bewältigt werden. 14 Birgit Baur-Müller, nach dem Studium der Humanmedizin an der LMU München (1988 bis 1994) Ausbildung bei der DÄGfA in Akupunktur (A-Diplom 1999). Es gelang ihr mit viel Freude, die Akupunktur in ihrer gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung auch den Hebammen näherzubringen. Studium der chinesischen Medizin und chinesischen Kräuterheilkunde mit westlichen Kräutern bei Francoise Ramakers und Jeremy Ross. Seit 1998 ist sie als Ärztin für Akupunktur (Zusatzbezeichnung 2004) in privater Praxis niedergelassen. Selbstheilungszentrum, Birgit Baur-Mueller & Stephen Turner, Mohnweg 19, 86845 Großaitingen, 08203/951738, email: [email protected] Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Wechseljahre – Zeit für Kraft und Mut: Menopausale Dynamik Wechseljahre – Zeit für Kraft und Mut: Menopausale Dynamik Barbara Kirschbaum Mit einem praxisnahen Beitrag von Barbara Kirschbaum erfahren wir, was für Veränderungen bei Frauen in der mittleren Lebensphase eintreten. Außerdem wird anhand von zwei Fallbeispielen dargestellt, wie Brustkrebspatientinnen begleitend mit Chinesischer Medizin behandelt werden können. Mittlerweile ist viel geschrieben worden über die Bedeutung der Lebensmitte für die Menschen. In Zeitungsartikeln wurden z.B. Männer und Frauen, die 1964 geboren wurden, hinsichtlich ihrer Träume und ihrer Erwartungen für die zweite Hälfte ihres Lebens befragt. Die in diesem Jahr in westlichen Ländern Geborenen sind in einer besonderen Zeit aufgewachsen, eine Zeit ohne Kriege in Europa und mit viel Wohlstand. Für viele Menschen hat sich die Arbeitszeit verkürzt, wodurch sich eine ausgeprägte Freizeitkultur entwickelt hat. Viele Frauen um die 50 fühlen sich wie 30-jährige. Besonders die Frauen, die man der Mittelschicht zuordnen würde – diese Gruppe macht einen Großteil der Patientinnen aus, die mit Chinesischer Medizin behandelt werden – investieren nun in die „Aufrechterhaltung von Jugend und Schönheit“ durch vermehrte Anstrengungen. Denn darauf wird in unserer Gesellschaft sehr viel Wert gelegt. Das führt und führte auch dazu, dass viele Frauen relativ unbekümmert gerne die von ihrem Frauenarzt verschriebenen Östrogene einnehmen/einnahmen. Dadurch bleibt die Haut prall und glatt, die Knochen werden geschützt, Schlafstörungen und Hitzewallungen bleiben aus. Dass eine hormonelle Substitution möglicherweise das Risiko an einem Brust- oder Endometriumkarzinom zu erkranken erhöht, wird akzeptiert.1 Gerade Schlafstörungen sind für die berufstätige Frau um die „50“ eine unwillkommene Begleiterscheinung der einsetzenden Wechseljahre. Sie muss im Beruf, Haushalt, bei der Kindererziehung und in der Freizeit funktionieren. Die diversen Aufgaben lassen sich nur meistern, wenn die Müdigkeit nicht allzu groß wird, denn das moderne Leben 03/2014 überbeansprucht häufig Körper und Geist. Es ist also nur zu verständlich, wenn Frau auf Medikamente zurückgreift. Viele Studien zeigen, dass die Beschwerden während des Klimakteriums von Frauen aus den asiatischen, arabischen und afrikanischen Kulturen weniger stark wahrgenommen werden. Das lässt die Vermutung zu, dass nicht nur die rein körperlichen Faktoren, wie die geringer werdende Ausschüttung von Östrogen und Progesteron, sondern auch gesellschaftliche oder gar ernährungsbedingte Umstände bei der Entwicklung von klimakterischen Symptomen eine wichtige Rolle spielen. Aus Sicht der Chinesischen Medizin deutet das klimakterische Syndrom auf eine erworbene Störung hin, d.h. das nachhimmlische Qi wird geschwächt und/oder gerät aus der Balance. Denn Qi, Blut, Yin und Yang werden entscheidend durch die Veränderungen im sozialen Umfeld, die die Mitte des Lebens mit sich bringt, in ihrer Dynamik verändert. Viele Veränderungen im sozialen Umfeld treten oft parallel mit dem Eintritt der Wechseljahre (in Europa und Nordamerika durchschnittlich um das 51. Lebensjahr) auf. Sehen Sie mir die etwas mechanistische Darstellung nach, was die Betrachtung des Qi hinsichtlich der folgenden Ereignisse angeht. Häufig kommt es zu lebensentscheidenden Ereignissen, die energetisch gesehen, viel Qi ge- und verbrauchen: ❚ Beim Eintritt in die Menopause sind die Eltern einer 50 Jahre alten Frau in der Regel zwischen 75 und 80 Jahre alt. Kommt es zu einer Pflegebedürftigkeit der Eltern, dann kümmert sich meistens die Frau darum. 15 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ Das nimmt viel Zeit am Wochenende oder nach der Arbeit in Anspruch. Erschöpfung oft gepaart mit emotionaler Anspannung schwächt das Qi bei gleichzeitiger Stagnation des Leber-Qi. Der Tod eines Elternteils, die damit verbundene Trauer und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben, können den Funktionskreis Herz und Lunge schwächen. Die Kinder verlassen das Haus, was bei einigen Frauen zu einer massiven Traurigkeit führt und das Lungen-Qi schwächt. Die veränderte häusliche Situation bringt gelegentlich die Entfremdung vom Partner zum Vorschein bis hin zu Trennungsgedanken. Gelingt es nicht, sich an die neue Lage zu gewöhnen, kommt es häufig zu einer Stagnation des Leber-Qi. Bei einigen Frauen entwickelt sich eine Störung des Funktionskreises Milz, wodurch das Verdauen der neuen Situation und die Fähigkeit, die innere Haltung zu ändern, eingeschränkt ist. Zudem schädigt Angst vor einer Trennung oder vor dem Verlassenwerden den Funktionskreis Niere. Der Verlust der Fertilität kann besonders bei unerfülltem Kinderwunsch eine tiefe Traurigkeit hervorbringen, wodurch die Zirkulation des Lungen-Qi behindert wird. Einsamkeit ist ein Thema besonders für Frauen, die nach Trennung, Scheidung oder als Verwitwete nun auf sich allein gestellt sind. Das Gefühl des Abgeschnittenseins lässt wenig Lebensfreude zu und bringt oft eine gewisse Hoffnungslosigkeit mit sich. Die Funktionskreise Herz und Niere sind hier durch die Geschehnisse stark angriffen und sind mit verantwortlich für die depressiven Verstimmungen. Es soll so deutlich gemacht werden, dass eine Imbalance insbesondere der Zang (Speicherorgane/Funktionskreise) an dem Entstehen der klimakterischen Beschwerden beteiligt sind. Mit 50 Jahren ist unsere Konstitution geformt. Wie wir mit den Ereignissen unseres Lebens umgehen, ist sowohl davon abhängig als auch von der Intensität des Erlebten. So sind die persönlichen klimakterischen Beschwerden ein Spiegelbild eines vorangegangenen energetischen Prozesses. Wie die regelmäßige Menstruation und die Qualität des menstruellen Blutflusses für den/die Behandler/in eine wunderbare Indikation des Zustandes von Qi und Blut war, so ist nun das Klimakterium ein Wegweiser zur Erkenntnis des energetischen Wesens der Frau in der Menopause. Sowohl die chinesische Kräutermedizin, die Akupunktur als auch das erklärende Gespräch, kann zu einem Ausgleich von Shen und Jing verhelfen. Deren Balance hilft den Betroffenen, mit Freude am Leben teilzunehmen, sich selbst zu finden und ein sinnvolles Leben zu führen. Die Effektivität der Behandlung von Symptomen 16 insbesondere durch die Akupunktur ist durch zahlreiche Studien belegt worden.2,3 Die vielen Studien ermutigen uns, sich für eine Behandlung der menopausalen Beschwerden mittels der Chinesischen Medizin stark zu machen.4 So kann die schwierige Zeit des „Transits“ erleichtert werden und möglicherweise können viele Frauen auf die Behandlung durch Hormone verzichten. Viel schwieriger ist eine Akzeptanz der Beschwerden, wenn die Menopause künstlich herbeigeführt wird. Das betrifft besonders junge Frauen zwischen 30 und 40 Jahren, die an einem hormonabhängigen Brustkrebs erkrankt sind. Körpereigene Hormone, insbesondere das weibliche Sexualhormon Östrogen, können das Wachstum von Krebszellen in der Brust anregen. Wenn die Chemotherapie abgeschlossen ist, wird in der Regel das Antiöstrogen Tamoxifen verschrieben. Tamoxifen besetzt die Östrogenrezeptoren auf den Zellen und verhindert dadurch, dass Östrogen „andockt“. Die Hormontherapie mit Tamoxifen erstreckt sich über etwa fünf bis zehn Jahre. Häufige Nebenwirkungen von Tamoxifen sind beispielsweise Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit und depressive Verstimmungen, Gewichtszunahme sowie ein erhöhtes Thrombose-Risiko; in seltenen Fällen kann auch Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometriumkarzinom) entstehen. Das Nebenwirkungsprofil dieses Medikaments deutet an, dass insbesondere das Yin und die Körpersäfte geschädigt sowie die Zirkulation des Blutes blockiert werden. Die Konstitution der Patientin ist durch die vorhergehende Behandlung – entweder Chemotherapie, Bestrahlung oder beides, stark beeinträchtigt. Die Behandlung hinterlässt eine hinsichtlich des Yin, Blut und Knochenmarks geschwächte Patientin. So greift das Antiöstrogen sehr schnell und auf einer sehr tiefen Ebene das Yin im gesamten Körper an. Ganz anders ist es bei den Frauen, die auf natürliche Art und Weise ins Klimakterium kommen, hier herrscht häufig eine Blockade des Chong Mai (Durchdringungsgefäß) oder gegenläufiges Leber-Qi vor.5 Durch den durch das Medikament induzierten Yin-Mangel kommt es schnell zu Hitze im Herzen, so dass sehr viele Patientinnen über schwere Schlafstörungen, Hitzewallungen und emotionale Veränderungen klagen. Die trocknende Wirkung des Medikaments führt nicht nur zu einer mangelnden Befeuchtung der Körpergewebe, sondern die Flüssigkeiten wandeln sich durch Verköchelung in Schleim um. Subjektiv kann sich dies durch Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen bemerkbar machen, objektiv zeigt sich häufig eine unerwünschte Gewichtszunahme. Da Blut ein Aspekt von Yin ist, verändert es sich durch die Schädigung der Säfte und des Yin. Es verdickt und seine Zirkulation ist eingeschränkt, was langfristig zu Thrombosen und Embo- Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Wechseljahre – Zeit für Kraft und Mut: Menopausale Dynamik lien, aber auch einem übermäßigen Aufbau der Gebärmutterschleimhaut führen kann. Obwohl sowohl bei der physiologisch eintretenden als auch bei der medikamenteninduzierten Menopause einige der Symptome wie Hitzewallungen und Schlaflosigkeit in beiden Gruppen auftreten, sollten die Frauen, die Tamoxifen einnehmen, anders behandelt werden. Dabei sollte man berücksichtigen, dass es deutlich länger dauert, die Beschwerden zu lindern, weil natürlich die „Krankheitsursache“ nicht beseitigt werden kann. Hier sollte nachdrücklich das Yin genährt, sanft Hitze eliminiert und die Blut-Zirkulation gefördert werden. Auch für diese Problematik gibt es sehr gute Studien, die die Wirkung der Akupunktur in der Linderung von Hitzewallungen bei Frauen, die mit Tamoxifen behandelt werden, bestätigen.6,7,8 Zwei kurze Fallstudien sollen den Unterschied aufzeigen Julia, 33 Jahre alt, war an einem beidseitigen ER (Östrogen- und Progesteronrezeptor positiv) und Brustkrebs erkrankt. Es handelte sich um einen schnellwachsenden, sehr aggressiven Tumor. Sie erhielt insgesamt acht chemotherapeutische Zyklen, die sich aus Epirubicin, Cyclophosphamid und Docetaxol zusammensetzten. Sie vertrug die Chemotherapie relativ gut, hatte aber mit ständiger Müdigkeit und Schlappheit zu kämpfen. Zu Behandlungsbeginn hatte sie seit ca. sieben Wochen Tamoxifen eingenommen. Sie litt unter Hitzewallungen mit starken Schweißausbrüchen. Die Hitzewallungen traten tagsüber plötzlich auf und wurden auch durch Stress ausgelöst. Der Schlaf war schlecht, sie wachte ca. dreimal pro Nacht durch die Hitzewallungen auf. Sie klagte über heftige Stimmungsschwankungen, war entweder reizbar oder depressiv. Außerdem litt sie unter Gelenkschmerzen, klagte über Morgensteifigkeit und Anlaufschmerzen. Sie war sehr übergewichtig und hatte einen BMI von 31. Sie war immer hungrig und litt gelegentlich an Magenschmerzen. Sie war durstig, mochte aber nicht trinken. Die Zunge war leicht rötlich mit aufgerollten Rändern, trocken und wies einen gelben Belag an der Zungenwurzel auf. Die Pulse waren oberflächlich und gespannt. Diagnose: Nieren-Yin- und Leber-Yin-Schwäche mit Leber-Qi-Stagnation Behandlung: Granulat 10 g täglich Yi Guan Jian (Verbindungsdekokt): Dang Gui (Angelicae Sinensis Radix) wurde aus dem Dekokt entfernt, Chi/Bai Shao (Paeoniae Radix), Di Gu Pi (Lycii Cortex) und Chai Hu (Bupleuri Radix) wurden hinzugefügt. 03/2014 Innerhalb von acht Wochen, nach denen es ihr deutlich besser ging, wurden zehn Akupunkturbehandlungen durchgeführt. Häufig verwendete Punkte waren He 7 (Shenmen), He 6 (Yinxi), Ni 6 (Zhaohai) und Ni 1. Renate 50 Jahre alt, Rechtsanwältin Letzte Menstruation vor sechs Monaten. Seitdem leidet sie unter extremen Schlafstörungen mit Nachtschweißen und wacht immer um 04:00 Uhr auf und kann dann nicht mehr einschlafen. Schwitzt sehr viel in der Brustregion. Sie leidet unter starken Stimmungsschwankungen mit Reizbarkeit, Weinanfällen bis hin zu kompletten Schwarzsehen. Sie leidet unter Verstopfung und hat nur alle drei bis vier Tage Stuhlgang. Die Augen sind sehr trocken, so dass sie keine Kontaktlinsen mehr tragen kann. Sie ist immer erschöpft und hat keine Reserven mehr. Zunge: blassrot, leicht geschwollen, leichte eingekerbte Ränder, gerötete Zungenspitze, hellgelber, dünner Belag an der Zungenwurzel Pulse: tief, schwach, dünn Diagnose: Leber-Qi-Stagnation mit Qi- und Blut-Mangel Granulat: 10 g täglich Abwandlung von Xiao Yao San (Umherstreifen Pulver) plus Chuan Xiong (Chuanxiong Rhizoma), Xiang Fu (Cyperi Rhizoma), Ye Jiao Teng (Polygoni Multiflori Caulis), Tao Ren (Pruni Semen). Nach vier Wochen fühlte sie sich deutlich kräftiger. Sie schlief durch und der Stuhlgang hatte sich normalisiert. Emotional ging es ihr deutlich besser, nachdem ich den Yin Wei Mai (Verbindungsgefäß)9 geöffnet hatte. Schlussfolgerung Wenn der Geist eine Verankerung hat, ist der Schlaf tief und erholsam, die Gefühlslage stabil. Die antihormonelle Therapie verursacht bei vielen Betroffenen starke psychische, physische und energetische Schwankungen, die die Lebensqualität erheblich einschränken. Dass Akupunkturbehandlungen die Nebenwirkungen, die durch Tamoxifen/Aromatasehemmer hervorgerufen werden, lindern, zeigen in jüngster Zeit veröffentliche Studien. Um eine wirkliche Verbesserung der Lebensqualität durch eine Behandlung mit Chinesischer Medizin zu erreichen, ist nicht nur eine gute Kenntnis der Differentialdiagnostik aus Sicht der CM, sondern auch Kenntnisse über die Wirkung und Wechselwirkungen der schulmedizinisch verordneten Medikamente nötig. Dies sollte in den Ausbildungsgängen der Schulen und Colleges berücksichtigt werden. 17 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Schwerpunkt Barbara Kirschbaum, B.Ac, qualifizierte sich als B.Ac. 1981 am ICOM; East Grinstead, England; diverse Studiengänge mit G. Maciocia, T. Kaptchuk und Dan Bensky von 1978–1990. Referententätigkeit seit 30 Jahren über Akupunktur und chinesischer Phytotherapie in Europa und Amerika. Sie praktiziert seit über 30 Jahren und hat sich auf gynäkologische, gastrointestinale Krankheiten und Krebserkrankungen spezialisiert. Leiterin der TCM-Ambulanz im Mammazentrum am Jerusalem-Krankenhaus Hamburg. Referenzen 1 2 3 4 5 6 Tibolon: Ähnliche Risiken wie Östrogene, Klaus Koch, Dtsch Arztebl 2005; 102(19): A-1321 / B-1109 / C-1049 Cochrane Database Syst Rev. 2013 Jul 30;7:CD007410. doi: 10.1002/14651858, CD007410, pub2, Acupuncture for menopausal hot flushes Dodin S1, Blanchet C, Marc I, Ernst E, Wu T, Vaillancourt C, Paquette J, Maunsell E; Holist Nurs Pract. 2003 Nov-Dec;17(6):295-9. Hot flushes and acupuncture, Cohen SM, Rousseau ME, Carey BL. University of Pittsburgh, 440 Victoria Bldg, 3500 Victoria St, Pittsburgh, PA 15261, USA. cohensu@ pitt.edu In einer randomisierten klinischen Studie mit zwei Gruppen wurde Akupunktur eingesetzt zur Erleichterung von Beschwerden in der Menopause wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Die untersuchte Gruppe wurde mit spezifischen Körper-Akupunkturpunkten in Bezug auf Symptome der Menopause behandelt. Die Vergleichsgruppe erhielt eine Akupunkturbehandlung, die als allgemeine Stärkung mit besonderem Augenmerk auf den Ausgleich des Qi-Flusses ausgerichtet war. In der untersuchten Gruppe zeigte sich eine Milderung der monatlichen Durchschnittsstärke von Hitzewallungen. In der Vergleichsgruppe zeigte sich während der Behandlungsphase keine signifikante Veränderung in dieser Hinsicht. In der untersuchten Gruppe nahmen die Schlafstörungen ab. Bei Stimmungsschwankungen zeigte sich sowohl in der untersuchten Gruppe als auch in der Vergleichsgruppe eine signifikante Verbesserung nach drei Monaten im Vergleich zum Beginn der Studie. Akupunktur an spezifischen Punkten für Symptome der Menopause scheint eine vielversprechende nicht-hormonelle Therapie für Hitzewallungen und Schlafstörungen zu sein. Kirschbaum, B., Behandlung von Menopause und klimakterischen Beschwerden, Verlag Müller & Steinicke dito J Altern Complement Med. 2013 Aug;19(8):690-6. doi: 10.1089/ acm.2012.0347. Epub 2013 Feb 5. Acupuncture for the treatment of hot flashes in patients with breast cancer receiving antiestrogen therapy: a pilot study in Korean women Jeong YJ1, Park YS, Kwon HJ, Shin IH, Bong JG, Park SH. Eine Antiöstrogen-Therapie kann vasomotorische Symptome hervorrufen, die mit denen unter der Menopause Ähnlichkeit aufweisen, z.B. Hit- 18 7 8 9 zewallungen. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass Akupunktur eine Erleichterung von vasomotorischen Symptomen bei Patientinnen mit Brustkrebs und Tamoxifen-Therapie hervorruft. Das Ziel dieser Studie war es, die Wahrscheinlichkeit und Sicherheit einer Akupunkturbehandlung in der Therapie von Hitzewallungen an Koreanerinnen mit Brustkrebs und Tamoxifen-Therapie zu evaluieren. Studiendesign: Prospektive, einarmige Beobachtungsstudie mit Messungen vorher und nachher. Setting/Örtlichkeit: Die Studie wurde am East-West Medical Center am Daegue Catholic University Medical Center in Süd-Korea durchgeführt. Probandinnen: Zehn Patientinnen mit Brustkrebs und Hitzewallungen unter einer Antiöstrogen-Therapie mit Tamoxifen oder Anastrozol. Ergebnisse: Unter der Behandlung verringerte sich die Stärke der Hitzewallungen bei allen Patientinnen um 70–95%. Akupunktur erleichterte signifikant die Stärke der Hitzewallungen anhand einer visuellen Analog-Skala (F=30,261; p<0,001) als auch den Gesamtwert an Hitzewallungen (F=21,698; p=0,006). Vier Wochen nach der Behandlung haben sich die Symptome nicht verschlimmert. Schlussfolgerung: Akupunktur scheint eine wirksame Erleichterung von Hitzewallungen bei Koreanerinnen mit Antiöstrogen-Therapie nach einer Brustkrebs-Operation hervorzurufen, wobei die Wirkung für wenigstens einen Monat nach Behandlungsende anhielt. Eine randomisiert-kontrollierte, prospektive Studie mit einer höheren Anzahl an Probandinnen ist notwendig, um die Stellung der Akupunktur in der Behandlung von Hitzewallungen an Koreanerinnen mit Brustkrebs abzuklären. (PMID:23383974) Breast. 2013 Jun;22(3):320-3. doi: 10.1016/j.breast.2012.07.015. Epub 2012 Aug 18. Acupuncture relieves menopausal discomfort in breast cancer patients: a prospective, double blinded, randomized study. Bokmand S1, Flyger H. Diese Studie evaluiert die Wirkung von Akupunktur bei Hitzewallungen und Schlafstörungen an Patientinnen, die wegen Brustkrebs behandelt werden. Die Wirksamkeit der Akupunktur wurde gegen eine Vergleichsgruppe mit Sham-Akupunktur und einer Kontrollgruppe ohne Therapie getestet. Die Östradiol-Werte wurden im Blutplasma gemessen, um dies als Wirkungsursache auszuschließen. Die Nebenwirkungen der Therapie wurden festgehalten. Methode: 94 Frauen wurden randomisiert: 31 erhielten Akupunktur, 29 Sham-Akupunktur und 34 keine Therapie. Ergebnisse: In der Akupunktur-Gruppe verzeichneten 16 Patientinnen (52%) eine signifikante Wirkung in Bezug auf die Hitzewallungen im Vergleich zu sieben Patientinnen (24%) in der Sham-Gruppe (p<0,05). Die Wirkung trat nach der zweiten Akupunkturbehandlung ein und hielt mindestens bis zwölf Wochen nach der letzten Behandlung an. Eine statistisch signifikante positive Wirkung in Bezug auf den Schlaf trat in der Akupunktur-Gruppe im Vergleich zu sowohl der Sham-Gruppe als auch der Gruppe ohne Therapie ein. Diese Wirkung stand nicht im Zusammenhang mit erhöhten Östradiol-Werten im Blutplasma. Es wurden keine Nebenwirkungen der Akupunktur festgehalten. Deutung: Wir haben herausgefunden, dass Akupunktur eine signifikante Erleichterung bei Hitzewallungen und Schlafstörungen bei Frauen unter Brustkrebs-Therapie hervorruft und eine gute und sichere Therapie darstellt. (PMID:22906948) J Altern Complement Med. 2010 Oct;16(10):1047-57. doi: 10.1089/ acm.2009.0472. Using traditional acupuncture for breast cancer-related hot flashes and night sweats.de Valois BA1, Young TE, Robinson N, McCourt C, Maher EJ. Kirschbaum, B., Die 8 außerordentlichen Gefäße in der TCM, MLV-Verlag Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Altgriechische Akupunktur Altgriechische Akupunktur Alexandros Tilikidis Auch in der Antike gab es einen starken Austausch zwischen den Kulturen, so auch zwischen den Griechen und den Chinesen. Alexandros Tilikidis hat in der altgriechischen Medizin einige verblüffende Übereinstimmungen mit der Chinesischen Medizin zutage gefördert und daraus ein System der „Altgriechischen Akupunktur“ geformt. Im Jahre 2004 wurde in Athen, Griechenland, die Akademie Altgriechischer und Traditioneller Chinesischer Medizin gegründet. Die Akademie hat folgende Ziele: 1. Die Verbreitung der TCM in der griechischen Gesellschaft. 2. Die Wiederbelebung der altgriechischen Medizin. 3. Die Hervorhebung der Gemeinsamkeiten zwischen den beiden medizinischen Systemen. In den darauffolgenden Jahren (2005–2008) haben wir in griechischen sowie in englischsprachigen Zeitschriften der TCM zwei grundlegende Artikel veröffentlicht. In dem ersten (siehe www.akadimia.gr) weisen wir auf die allgemeinen Ähnlichkeiten der beiden Systeme hin (Yin-Yang-Theorie, Fünf-Elemente-Theorie, Essenz, Kräutertherapie usw., siehe Abb. 1). Im zweiten Artikel werden die Ähnlichkeiten besprochen, die zwischen dem von Hippokrates verwendeten Meridiannetz und den chinesischen Meridianen bestehen. Der Absatz, in dem Hippokrates seine Meridiane erklärt, befindet sich im Buch „Περί φύσιος ανθρώπου“ (Über die Natur des Menschen, Abs. 11). Nach diesem Text verwendet Hippokrates ein Meridiannetz, welches er „Phlebes“ (Venen) nennt, wahrscheinlich weil er auf diesem Netz die „Phlebotomie“ (Aderlass) anwendete. Wenn man dieses Netz studiert, stellt man fest, dass es nichts mit dem vaskulären System des Körpers zu tun hat, was manche Übersetzer dieses Texts ins Neugriechische zu der Behauptung geführt hat, dass Hippokrates an diesem Punkt nur eine vage Beschreibung der Venen darbiete. Was Hippokrates in Wirklichkeit beschreibt, ist ein Netz energetischer Kanäle (Meridiane), die den chinesischen mehr ähneln, als den Gefäßen (Venen oder Adern) der modernen westlichen Anatomie. Es bestehen tatsächlich viele Ähnlichkeiten zwischen den hippokratischen und den chinesischen Meridianen, insbesondere zwischen dem ersten Meridianpaar von Hippo- 03/2014 | Abb. 1 Auf der linken Seite ist der altgriechische Text, auf der rechten seine englische Übersetzung zu sehen. Im Anhang folgt dann die deutsche Übersetzung. krates und dem primären Meridian der Harnblase (Taiyang des Fußes – Abb. 2) Daraus könnte die Vermutung abgeleitet werden, dass sowohl die Griechen als auch die Chinesen durch ähnliche Techniken (Phlebotomie bei den Griechen, Akupunktur bei den Chinesen) die gleichen Kanäle des menschlichen Körpers entdeckt haben. 19 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Akupunktur Abb. 2 Hier sieht man links das erste Meridianpaar des Hippokrates, so wie wir es anhand seiner Beschreibung im Werk „Über die Natur des Menschen“, Abs. 11, in Bildform umgesetzt haben. Rechts ist der primäre Meridian der Harnblase – Taiyang des Fußes – nach den Chinesen. Die Ähnlichkeiten sind mehr als offensichtlich. Man könnte an die Sache jedoch noch wagemutiger herangehen: Ausgehend von der Tatsache, dass man zu der Zeit des Hippokrates auf seiner Heimatinsel Kos schon die Seidenraupe kannte (sie heißt auf Griechisch „σηρ“ und die Menschen, von denen man deren Zucht gelernt hatte, vermutlich also die Chinesen, trugen den Namen „Σήρες“), liegt es nahe, dass es damals schon Kontakte zwischen Chinesen und Griechen gab. Da die Chinesen die ersten Betreiber der Seidenzucht waren, stellt die Präsenz der Raupenzucht in Griechenland einen zwingenden Beweis dar. Paul Unschuld geht sogar einen Schritt weiter, indem er behauptet, dass Qi Bo, der Gesundheitsminister, der den Gelben Kaiser unterrichtete, sehr wahrscheinlich Hippokrates selbst oder ein gleichnamiger Nachkomme war. Die Kultur der Griechen begegnete den Chinesen in der Zeit von Alexander dem Großen (356–323 v. Chr.), als sie an der Grenze des Königsreichs von Baktrian ankamen (heutiges Turkmenistan, Nord-Afghanistan). Der erste Enkelsohn des Hippokrates, der selbst den Namen Hippokrates trug, war der behandelnde Arzt von Roxanne, Alexanders erster Gattin. Der Kontakt der chinesischen Ärzte zu den griechischen Ärzten, insbesondere wohl zu einem gewissen Hippokrates, hat sehr wahrscheinlich im Grenzgebiet des modernen chinesischen Staats stattgefunden. Bereits Paul Unschuld erwähnt in seinem Werk „Chinese Medicine“, dass die Griechen in der Entstehungszeit des „Huangdi Neijing Su Wen“ (160 v. Chr.) bereits an den westlichen Grenzen des Chinesischen Imperiums angekommen waren. Zu der Zeit, in der Hippokrates lebte, kam es anscheinend zu einem Austausch von medizinischem Wissen auf beiden Seiten. Die Ähnlichkeiten zwischen den griechischen und chinesischen Meridianen sind höchstwahrscheinlich auf diesen Umstand zurückzuführen. Der bestehende Kontakt zwischen den beiden Kulturen hat sich im Laufe der Jahrhunderte mehrfach wiederholt. Die Akademie der altgriechischen und Traditionellen Chinesischen Medizin wiederholt und verkörpert heutzutage also lediglich eine historische Gesetzmäßigkeit. Die Akademie ist eine Bildungsanstalt, an der einerseits die TCM kultiviert und verbreitet, andererseits die altgriechische Medizin nach Hippokrates rekonstruiert und wiederbelebt wird. Die altgriechische, hippokratische Medizin fand in den letzten Jahren generell nur wenig Beachtung. Die moderne Abb. 3 Die Route von Alexander dem Großen und die Grenzen des griechischen Hoheitsgebiets seiner Zeit. 20 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Altgriechische Akupunktur westliche Medizin mit ihrer technischen Ausrüstung hat uns zu dem Irrtum verleitet, dass wir viel besser imstande sind die menschliche Natur zu verstehen als unsere Vorfahren. Trotzdem bleibt die westliche Medizin im Bereich der Heilung zurück, was auch am moralischen Mangel ihrer Betreiber liegt, die den Patienten oft zum Spielball und Ausbeutungsopfer eines komplexen medizinischen Systems machen. Hippokrates, der im Vergleich zu unserer oberflächlichen Annäherung ein viel tieferes Wissen über die menschliche Natur besaß, behauptete, das Fundament der Heilung sei die moralische Eignung des Heilenden, der diese Tugend zum Vorteil seiner Patienten pflegen sollte. Auf geistiger Ebene bedeutet Tugend Selbsterkenntnis sowie das Streben nach Maß und Wahrheit. Auf der Gefühlsebene kennzeichnet sich Tugend durch Liebe und Mitgefühl aus. Und auf der Ebene der Wünsche liegt die Tugend in der Enthaltsamkeit von den Genüssen und Gelüsten. Durch Umsetzung und Pflege der Tugend auf allen Ebenen der menschlichen Seele gerät der Heilende in einen Zustand der Selbstverbesserung und kann damit seine positive Energie gleichzeitig den Patienten zukommen lassen. Der Abb. 4 Hippokrates wurde im Jahr 460 v. Chr. auf Kos geboren 03/2014 Grundgedanke, der die hippokratische Lehre durchläuft, lautet: „Ωφελέειν, μη βλάπτειν“, d.h. „Nützen, nicht schaden!“ Im Rahmen der Akademie wird also die TCM zusammen mit der hippokratischen Moral sowie dem hippokratischen Wissen gepflegt. Als ein Produkt der Vereinigung der beiden medizinischen Schulen, als ein Kind dieser Liebe, ist das Buch „Griechische Akupunktur“ entstanden. Die griechische Akupunktur ist eine Heilkunst, die zu gleichen Teilen der griechischen und der chinesischen Medizin entlehnt ist. Dazu haben wir folgende Elemente aus den hippokratischen Werken verwendet: 1. Die hippokratischen Moralprinzipien – Die Verbreitung der Heilkunst an alle Menschen. Zusätzlich zu der Anwendung der Akupunktur seitens des Heilenden wird dem Patienten die Möglichkeit gegeben, die Akupunktur an sich selbst auszuführen. Auf diese Weise wird die eventuelle Arroganz des Heilenden vermieden, die sowohl für ihn als auch für den Patienten schädlich ist. – Die Bescheidenheit des Heilenden. Der Heilende wird als ein Untertan und Diener des Patienten begriffen. Bei der griechischen Akupunktur ist es von wesentlicher Bedeutung, dass man die Behandlung an den Schmerzstellen anfängt, auf die der Patient verweist. Dadurch wird er zum Untertanen des Patienten und wendet gleichzeitig die sicherste Anwendungsmethode der Akupunktur an. So schützt er sich vor der eigenen Arroganz, aber die Patienten auch vor unnötigen Fehlern. – Dies sind die moralischen Fundamente der griechischen Akupunktur, die wir auch als wichtigsten Aspekt dieser Heilkunst betrachten, da sie auf den Schutz des Heilenden und auf den Nutzen des Patienten zielen. 2. Die griechische Akupunktur beruht auf dem hippokratischen Text „Über die Natur des Menschen“ (Abs. 11). In diesem Text werden vier Meridianpaare beschrieben, die den vier Elementen und den vier Säften der Chinesischen Medizin entsprechen. Interessanterweise wird dieser Text von Aristoteles in seinem Werk „Über die Tiere“ aufgegriffen, was seine starke Bedeutung vor Augen führt. Das haben wir als einen zusätzlichen Grund gesehen, die altgriechische Akupunktur zu rekonstruieren. (Abb. 6a, b, c, d) 3. In das griechische Akupunktursystem haben wir 72 Akupunkturpunkte einbezogen. Die Zahl 72 ist das Produkt der Multiplikation 8 × 9 =72. Die 8 ist die 2 in der dritten Potenz (23=8). Die 9 ist die 3 in der zweiten Potenz (32=9). 23 × 32=72 21 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Akupunktur Abb. 5 Cover des Buchs „Griechische Akupunktur“ Wir haben die 72 gewählt, denn sie beinhaltet alle Zahlen von 1–9. Sie beinhaltet die 2 in der Form von Yin-Yang und der hippokratischen Feuer-Wasser-Theorie („Über die Diät bei akuten Krankheiten“, Abs. 3). Außerdem begegnet man der „3“ als Ausdruck der dreifachen Natur der menschlichen Seele – die, nach Plato, aus einem kognitiven, einem emotionalen und einem begehrenden Teil besteht („logistikon, thymoeides, epithymetikon“). Die 72 beinhaltet auch die „4“, denn jeder der 4 Meridiane besitzt eine Punktanzahl, die ein Vielfaches der „4“ darstellt. Paar A: 32 Punkte (4 × 8) Paar B: 16 Punkte (4 × 4) Paar C: 8 Punkte (4 × 2) Paar D: 16 Punkte (4 × 4) 72 Punkte Natürlich entspricht die „4“ auch den 4 Elementen und den 4 Säften laut Hippokrates. Gleichzeitig findet man die „5“ wieder, denn 72 × 5=360, das ist die Zahl der chinesischen Akupunkturpunkte (primäre sowie sekundäre Meridiane). Die „6“ wird ebenfalls von der 72 abgedeckt, denn 6 × 12=72 (sowohl die „6“ als auch die „12“ sind bei den primären Meridianen der TCM zu finden). Auf den folgenden Bildern wird die Festlegung der 72 Akupunkturpunkte sichtbar. Dies zusammengenommen sind die aus der hippokratischen Medizin stammenden Elemente der griechischen Akupunktur. Diese besitzt jedoch auch folgende Elemente aus dem chinesischen Denken: 22 1. Die Verwendung der Nadel. 2. Der Verlauf der hippokratischen Meridiane wurde anhand des schon bekannten Verlaufs der chinesischen Meridiane gezeichnet. Am Anfang sind wir nur vom hippokratischen Text ausgegangen, dessen Informationen wir dann mit den chinesischen Meridianen verschmolzen haben. 3. Die Festlegung der exakten Punkte ist ebenfalls ein Erbe der Chinesischen Akupunktur. Denn in seinen Schriften erwähnt Hippokrates keine Punkte, sondern Bereiche auf dem Körper. Das liegt daran, dass er an die Phlebotomie denkt, die nicht nach spezifischen Punkten, sondern nach Stellen zum Aderlassen sucht. Daher haben wir beschlossen, chinesische Akupunkturpunkte zu verwenden. Aus der Kombination der oben genannten Elemente aus der Altgriechischen und der Traditionellen Chinesischen Medizin ist die Griechische Akupunktur entstanden. Dieses Wissen vertraue ich Ihnen mit dem Wunsch an, dass sie zum Gemeinwohl aller verwendet wird. Anhang HIPPOKRATES: Über die Natur des Menschen Abs. 11: „Die stärksten Adern liegen wie folgt: Es gibt vier Paare im Körper. Das eine von ihnen geht vom Kopf rückwärts durch den Hals, außen beiderseits an der Wirbelsäule entlang und gelangt zu den Hüften und den Oberschenkeln. Hierauf dringt es durch die Waden nach den äußeren Knöcheln und zu den Füßen. Bei Schmerzen im Rücken und in den Hüften muß man also den Aderlass an den Kniekehlen und an den Knöcheln außen vornehmen. Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Altgriechische Akupunktur a) b) c) d) Abb. 6 a. b. c. d Auf diesem Bild sind alle Meridianpaare nach Hippokrates laut seinem Werk „Über die Natur des Menschen“ (Abs. 11) auf altgriechischen Statuen dargestellt. 03/2014 23 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Akupunktur a) Abb. 7a und b Die 72 Punkte der griechischen Akupunktur auf den griechischen Körper gesetzt. Das zweite Adernpaar geht vom Kopf an den Ohren vorbei durch den Hals – die sogenannten σφαγίτιδες– innen beiderseits der Wirbelsäule an den Lenden entlang zu den Hoden und den Schenkeln und durch die Kniekehlen an der Innenseite hindurch, dann durch die Waden zu den inneren Knöcheln und den Füßen. Folglich hat man bei Schmerzen in den Lenden und Hoden den Aderlass an den Kniekehlen und an den Knöcheln innen vorzunehmen. Das dritte Adernpaar (geht) von den Schläfen durch den Hals unter die Schulterblätter, hierauf wendet es sich nach der Lunge und es gelangt die von rechts nach links verlaufende (Ader) unter die Brust zur Milz und Niere; und beide endigen sie im Enddarm. Das vierte Paar geht von der Vorderseite des Kopfes und den Augen nach unten zum Hals und zu den Schlüsselbeinen, dann über die Arme von oben nach der Ellenbeuge, alsdann durch die Unterarme zu den Handwurzeln und den Fingern, dann wieder zurück von den Fingern durch die Handballen und die Vorderarme nach oben zur Ellenbeuge, durch den unteren Teil der Oberarme nach den Achselhöhlen und aus der Brustseite gelangt die eine von 24 b) oben zur Milz, die andere zur Leber, schließlich laufen sie beide über den Leib herab an den Genitalien aus. So also liegen die starken Adern. Es gibt aber auch viele und mannigfaltige Adern aus dem Leib über den Körper hin, durch die dem Körper die Nahrung zugeht. Es ziehen aber auch (Adern) von den starken Adern in den Unterleib und den übrigen Körper, sowohl von den äußeren wie von den inneren, und die von innen gehen nach außen, die von außen gehen nach innen ineinander über. Den Aderlass muss man also diesen Ausführungen entsprechend einrichten. Man hat dafür Sorge zu tragen, dass die Schnitte möglichst fern von denjenigen Stellen erfolgen, wo die Schmerzen gewöhnlich entstehen und das Blut sich ansammelt; denn so erfolgt wohl am wenigsten die große Veränderung plötzlich und Du wirst den bisher gewohnten (Krankheits-) Zustand so abändern, dass keine Ansammlung an der gleichen Stelle mehr entsteht.“ (Die Hippokratische Schriftensammlung in neuer deutscher Übersetzung, Teil 7, Übers. von Richard Kapferer, Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1934). Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Altgriechische Akupunktur Abb. 8 Einer der 72 griechischen Akupunkturpunkte im Vergleich zum entsprechenden chinesischen Punkt. Alexandros Tilikidis, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Dipl TCM. Tätig als Arzt der TCM und Akupunkteur seit 1994. Autor verschiedener Bücher über TCM in griechischer Sprache. Dozent an der Akademie Traditioneller Chinesischer und Altgriechischer Medizin in Athen. Aus dem Griechischen übersetzt von Aspa Anogiati 03/2014 25 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Arzneimitteltherapie Die Behandlung klimakterischer Beschwerden mit Zhang Zhong Jings blutbewegenden Rezepturen Natascha Lobisch Mit einem Ausflug in die Klassische Chinesische Medizin wird dargelegt, wie Symptome und Beschwerden in der Menopause mit klassischen Rezepturen von Zhang Zhong Jing behandelt werden können. Einführung Hitzewallungen und Schweißausbrüche sind die am häufigsten vorkommenden klimakterischen Symptome. Der Therapeut könnte schnell dazu geneigt sein, diese Symptome ‒ insbesondere Nachtschweiße ‒ vorzugsweise einem Nieren-Yin-Mangel und/oder Nieren-Yang-Mangel zuzuordnen, da diese Muster im Zusammenhang mit dem klimakterischen Syndrom in der TCM-Literatur am häufigsten genannt werden. Diese Sichtweise berücksichtigt jedoch nicht das individuelle Muster der Patientin, dessen Bestimmung zunächst eine Syndromdifferenzierung (Bian Zheng 䗘䇱) vorausgeht. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass eine ganze Reihe unterschiedlicher Pathomechanismen und Muster für klimakterische Beschwerden verantwortlich sein können. Hierzu zählt z.B. eine Blut-Stagnation. Schon der Arzt Wang Qing Ren ⦻ԫ machte darauf aufmerksam, dass Spontan- und Nachtschweiße nicht nur auf einen Nieren-Yin-Mangel zurückzuführen sind, sondern dass auch eine Blut-Stagnation hierfür verantwortlich sein kann. Wörtlich schreibt er: „Schwitzen nach dem Erwachen nennt man spontanes Schwitzen, Schwitzen vor dem Erwachen nennt man diebisches Schwitzen (Nachtschweiß), da es auf Dauer Qi und Blut des Körpers reduziert. Dies ist eine althergebrachte Theorie. Haben nun aber die angewendeten Qi suppletiven, Oberfläche abdichtenden, Yin nährenden und Feuer reduzierenden Rezepturen keine Wirkung oder wirken gar verschlimmernd, dann ist das Unwissen, dass auch BlutStase zu spontanen und diebischen Schweißen führen kann, schuld daran.“1 26 Ursachen und Symptome von Blut-Stagnation in den Wechseljahren In der Chinesischen Medizin heißt es: „Qi ist der Heerführer des Bluts und Blut ist die Mutter des Qi.“ Demnach können sowohl Qi-Stagnation, Qi-Mangel als auch Blut-Mangel eine Blut-Stagnation hervorrufen. Außerdem sind pathogene Faktoren wie Kälte, Hitze und Schleim mögliche Ursachen für eine Blut-Stagnation. Mit dem Eintreten der Menopause sind Tian Gui (Menstruationsblut) und Blut soweit vermindert, dass die Menstruation ausbleibt. Die bisherige Fließrichtung von Qi und Blut im Bao Mai (Uterusgefäß) beziehungsweise Chong Mai (Durchdringungsgefäß) zur Gebärmutter verändert sich mit der Menopause in die entgegengesetzte Richtung nach oben hin, zum Herzen. Durch diese Veränderungen können pathogene Faktoren leichter in den Uterus und den Chong Mai eintreten und zur irregulären Bewegung des Qi und Bluts führen. Hinzu kommt, dass bereits bestehende Hitze oder Feuchtigkeit mit dem Ausbleiben der Menstruation nicht mehr über die Regelblutung ausgeschieden werden kann. Mögliche Wechseljahresbeschwerden, die im Zusammenhang mit einer Blut-Stagnation stehen, sind: Hitzewallungen, Schwitzen am Tag und/oder in der Nacht, Kopfschmerzen, Druck- und Spannungsgefühl im Brustkorb, steife Gelenke, übermäßig starke Menstruationsblutungen, Palpitationen, Reizbarkeit, Depression und Schlafstörungen. Die Krankheitsvorgeschichte der Frauen mit Blut-Stagnation weist häufig Menstruationsstörungen wie Dysmenorrhö, übermäßige oder verlängerte Menstruation und klumpige Blutungen auf. Ferner finden sich in der Anamnese Erkrankungen wie Myome, Zysten und Endometriose sowie gynäkologische Eingriffe. Zhang Zhong Jings blutbelebende Rezepturen zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden Zhang Zhong Jing ᕐԢᲟ, ein Arzt der östlichen Han-Dynastie, lebte ungefähr zwischen 150–219 n. Chr. Zu jener Zeit waren die Menschen aufgrund vieler Kriege, Naturka- Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die Behandlung klimakterischer Beschwerden mit Zhang Zhong Jings blutbewegenden Rezepturen tastrophen und Epidemien mit ganz anderen Krankheiten konfrontiert als zur heutigen Zeit. Davon abgesehen war man vor fast 2000 Jahren weit davon entfernt, Begriffe wie „klimakterisches Syndrom“ oder „Wechseljahresbeschwerden“ zu benutzen. Demnach ist es durchaus berechtigt, wenn Fei Bo Xiong 䍩՟䳴 (1799–1866), ein Arzt der Qing-Dynastie, kritisch anmerkt: „Das Festhalten an alten Rezepturen, um die heutigen Erkrankungen zu behandeln, ist so widersprüchlich wie Eis und glühende Kohle.“2 Ärzte, die hingegen Zhang Zhong Jings Rezepturen häufig verschreiben, stimmen zwar der Auffassung zu, dass sich heutige Krankheiten von denen der damaligen Zeit unterscheiden, verweisen aber darauf, dass auf der anderen Seite die körperlichen Reaktionen die gleichen geblieben sind. Im 22. Kapitel des Jin Gui Yao Lüe (Wichtige Verordnungen aus dem Goldenen Schrein, 䠁फ़㾱⮕) beschreibt Zhang Zhong Jing ein Krankheitsbild, welches er mit der Rezeptur Wen Jing Tang (Wärme die Menses Dekokt, 㓿 ⊔) behandelt. Diese Beschreibung zeigt deutliche Übereinstimmungen mit einer klimakterischen Symptomatik: „Eine Frau in den Fünfzigern leidet seit mehr als 10 Tagen unter ständigen Blutungen3. Am Abend hat sie Hitzewallungen, Drang im unteren Abdomen, abdominale Völle, störende Hitze in den Händen, trockene Lippen und einen trockenen Mund. Dies wird einer gynäkologischen Erkrankung zugeordnet. In der Vergangenheit gab es eine Fehlgeburt und stagniertes Blut verblieb im unteren Abdomen. ... Wen Jing Tang ist indiziert.“4 Eine Leere und Kälte des Chong Mai und Ren Mai (Konzeptionsgefäß) haben zur Qi- und Blut-Stagnation in diesen Gefäßen geführt, wodurch es zu einer verstärkten und verlängerten Menstruation kommt. Die im Originaltext erwähnte Fehlgeburt und das Eindringen von Kälte rufen eine Blut-Stase hervor, außerdem hat die Frau viel Blut verloren. Der daraus resultierende Yin- und Blut-Mangel verursacht Leere-Hitze-Symptome. Diejenigen Frauen, bei denen in den Wechseljahren der Pathomechanismus von Wen Jing Tang zu Grunde liegt, zeigen Symptome wie uterine Blutungsanomalien, Hitzewallungen, Nachtschweiße, Ängstlichkeit, Unruhe, Kopfschmerzen und Schwindel. Die Krankenvorgeschichte weist eventuell gynäkologische Eingriffe auf. Huang Huang erklärt, dass der Schlüssel der Differentialdiagnose ‒ zur Anwendung der Rezeptur ‒ darin liegt, nach der Farbe und Qualität des Menstruationsblutes zu 03/2014 fragen. Generell zeigt das Muster von Wen Jing Tang dunkelblasses Blut, das Klumpen enthält. Ist das Blut frisch rot oder purpurrot, viskös und klebrig, dann deutet dies auf innere Hitze hin, bei der die Anwendung von Wen Jing Tang nicht indiziert ist. Stattdessen ist hier Jia Wei Xiao Yao San (Erweitertes Umherstreifen Pulver) die probatere Wahl. Eine weitere Abgrenzung zu einer inneren Hitze besteht darin, dass die Frau bei der Wen Jing Tang-Pathologie neben den Hitze-Symptomen auch Symptome von Kälte wie z.B. eine blasse, dunkle Zunge und Aversion gegen Kälte zeigt.5 Blut regulieren und Kälte vertreiben mit Wen Jing Tang Wen Jing Tang (Wärme die Menses Dekokt)6 Wu Zhu Yu (Evodiae Fructus) 6 g Chuan Xiong (Chuanxiong Rhizoma) 6 g Dang Gui (Radix Angelicae sinensis) 6 g Shao Yao (Paeoniae Radix) 6 g E Jiao (Asini Colla Cori) (zum Schluss im Dekokt auflösen) 6 g Mai Men Dong (Ophiopogonis Radix) 9 g Mu Dan Pi (Moutan Cortex) 6 g Ren Shen (Ginseng Radix et Rhizoma) 6 g Gan Cao (Glycyrrhizae Radix et Rhizoma) 6 g Sheng Jiang (Zingiberis Rhizoma Recens) 6 g Ban Xia (Pinelliae Rhizoma) 6 g Wirkung der Arzneien Wen Jing Tang kann in vier Arzneigruppen unterteilt werden: Die erste Gruppe mit Dang Gui, Bai Shao und Chuan Xiong enthält Arzneien, die Blut nähren und regulieren. Die zweite Gruppe besteht aus den wärmenden Arzneien Gui Zhi und Wu Zhu Yu. Sie treten in den Chong Mai ein, wärmen das Blut, beseitigen Kälte und bewegen dadurch indirekt das Blut. Die dritte Gruppe enthält die Arzneien Ren Shen, Gan Cao, Ban Xia und Sheng Jiang. Sie stärken und harmonisieren die Mitte. Die vierte Gruppe tonisiert Yin und behandelt Leere Hitze: Mai Men Dong tonisiert Yin, erzeugt Flüssigkeiten, klärt Hitze und beseitigt Unruhe. Mu Dan Pi beseitigt Mangel-Hitze aus der Blut-Ebene und beseitigt Blut-Stase. E Jiao nährt Yin und Blut und stoppt Blutungen.7 Die Funktion des Magens Dadurch, dass der Chong Mai über den Punkt Ma 30 (Qichong) mit der Magen-Leitbahn (Yang Ming) und dem Magen eng verbunden ist, können sich Chong Mai und Magen gegenseitig beeinflussen. Ist der Magen hinsicht- 27 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! 9 g Gui Zhi (Cinnamomi Ramulus) Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Arzneimitteltherapie lich seiner absteigenden Funktion des Qi gestört, dann begünstigt dies das sogenannte rebellierende Qi im Chong Mai, welches z.B. Hitzewallungen, Unruhe und Palpitationen hervorruft. Besteht umgekehrt eine Stagnation und Leere im Chong Mai, so wird der Magen nicht ausreichend mit Yin-Substanzen genährt. Eine Schwäche des Magens wiederum führt zur Schwäche des Chong Mai an Blut und Yin, wodurch der Chong Mai instabiler wird und es zu uterinen Blutungsstörungen oder dem oben beschriebenen rebellierenden Qi im Chong Mai kommen kann. Über die Kombination der Arzneien Ren Shen, Mai Men Dong, Ban Xia, Gan Cao und Sheng Jiang ‒ die ebenfalls in der Rezeptur Mai Men Dong Tang (Ophiopogonis Radix Dekokt) enthalten sind ‒ wird der Magen und somit indirekt auch der Chong Mai tonisiert und reguliert. Depressive Symptome und Schlafstörungen werden mit Wen Jing Tang nicht nur über die Beseitigung der Blut-Stagnation behandelt, sondern auch über die Tonisierung und Regulierung der Mitte. Denn einige Gelehrte sind der Ansicht, dass eine Dysfunktion der Mitte hinsichtlich ihrer Funktion des Auf- und Absteigens von Qi eine wichtige Rolle beim Ausbruch von Depressionen spielt.8 Bezüglich der Schlafstörungen heißt es im 34. Kapitel des Neijing Su Wen: „Wenn der Magen in Disharmonie ist, dann fällt es schwer, ruhig zu liegen.“9 Tao Ren (Persicae Semen) 9–12 g Shao Yao (Paeoniae Radix) 9–12 g Die ursprüngliche Indikation für diese Rezeptur ist die Behandlung abdominaler Massen wie Zysten und Myome. Gui Zhi Fu Ling Wan reguliert die Zirkulation von Qi, Blut und Körperflüssigkeiten und behandelt Symptome, die durch eine Kombination von Qi-Stagnation, Blut-Stase und Feuchtigkeit-/Schleimobstruktion entstanden ist. Wirkung der Arzneien Gui Zhi und Shao Yao regen die Zirkulation an und befreien die Blutgefäße. Tao Ren und Mu Dan Pi beleben Blut und transformieren Blut-Stase. Fu Ling regt die Diurese an und transformiert Schleim und Feuchtigkeit. Zusammen mit Gui Zhi vertreibt es außerdem Feuchte-Kälte. Gui Zhi Fu Ling Wan kann bei entsprechendem Muster Wechseljahressymptome wie uterine Blutungsanomalien, Hitzewallungen und Schwitzen sowie psycho-emotionale Symptome in Form von Reizbarkeit, Unruhe und Schlafstörungen behandeln. Die Stärke dieser Rezeptur besteht darin, dass sie klimakterische Hitzewallungen und Schweißausbrüche über drei Mechanismen behandeln kann: erstens durch das Auflösen von Blut-Stagnation; zweitens durch die Beseitigung von Feuchte-Kälte, die die Verteilung von Yang des Minister-Feuers hemmt und dadurch zu Symptomen von Hitzeeinschnürung und hochsteigendem Yang führt; und drittens über die Regulation von Ying und Wei mit der Kombination von Gui Zhi und Shao Yao.10 Blut beleben und Feuchtigkeit beseitigen mit Dang Gui Shao Yao Tang Dang Gui Shao Yao Tang (Angelicae Sinensis Radix und Paeonia Radix Dekokt) Dang Gui (Angelicae sinensis Radix) Abb. 1 Mu Dan Pi (Cortex Moutan) Gui Zhi Fu Ling Wan (Cinnamomi Ramulus und Poria Pille) Gui Zhi (Cinnamomi Ramulus) 9–12 g Mu Dan Pi (Moutan Cortex) 9–12 g Fu Ling (Poria) 9–12 g 28 48 g Fu Ling (Poria) 12 g Bai Zhu (Atractylodes macrocephalae Rhizoma) 12 g Ze Xie (Alismatis Rhizoma) 24 g Chuanxiong (Chuanxiong Rhizoma) 24 g Die Rezeptur nährt das Leber-Blut, verteilt Leber-Qi, bewegt das Blut, harmonisiert Leber und Milz, stärkt die Milz und beseitigt Feuchtigkeit. Leber-Blut-Mangel und Feuchtigkeit führen zu Leber-Blut- und Qi-Stagnation. Die Dysfunktion der Leber überwältigt die Mitte, so dass diese ihre Transformationsund Transportfunktion der Flüssigkeiten nicht mehr erfüllen kann und es zur Ansammlung von Feuchtigkeit wie z.B. Ödemen kommt. Schon Zhang Zhong Jing erkannte, Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! 9 g Shao Yao (Paeoniae Radix) | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die Behandlung klimakterischer Beschwerden mit Zhang Zhong Jings blutbewegenden Rezepturen dass eine andauernde Leberdysfunktion zur Störung der Milz führt: „... Wenn man eine Lebererkrankung sieht, wird man wissen, dass die Leber-Disharmonie an die Milz übergeben wird und dass auch die Milz gestärkt werden muss.“11 Wirkungen der Arzneien Mit Bai Zhu und Fu Ling wird Feuchtigkeit beseitigt und die geschädigte Milz gestärkt. Dies wiederum unterstützt auch die Produktion des Bluts, an der die Milz mitbeteiligt ist. Auffällig an dieser Rezeptur ist die hohe Dosierung von Bai Shao mit 48 g. Sie beseitigt Bauchschmerzen und unterstützt die Milz, wenn diese von der Leber bedrängt wird. Nach dem Shen Nong Ben Cao Jing (Die Materia Medica des göttlichen Landmannes) regt Bai Shao überdies die Diurese an. Außerdem beeinflusst es den Wassermetabolismus über die Harmonisierung des Bluts.12 Dang Gui bewegt und nährt das Blut. Chuan Xiong belebt das Blut, beseitigt Blut-Stase und bewegt das Leber-Qi. Ze Xie tritt in Blase und Niere ein um den Wassermetabolismus zu unterstützen und über die Diurese Feuchtigkeit auszuleiten. Die Arzneikombination von Bai Zhu, Fu Ling, Bai Shao und Dang Gui findet sich wieder in der Rezeptur Xiao Yao San (Umherstreifen Pulver), die eine Leber-Qi -Stagnation mit Blut-Mangel und einer Milz-Qi-Schwäche behandelt. Im Vergleich zu Xiao Yao San ist hier die blutbewegende und blutnährende sowie die feuchtigkeitsausleitende Funktion stärker und kann demnach angewendet werden, wenn die Frauen neben den Symptomen einer Leber-Disharmonie unter stärkeren Feuchtigkeitsansammlungen wie z.B. Ödemen leiden. Sowohl die Feuchtigkeit als auch der Blut-Mangel führen zur Einschränkung des Qi-Mechanismus, welcher wiederum die Flüssigkeitstransformation stört. Der Qi-Mechanismus spielt in den Wechseljahren eine wichtige Rolle, denn alle Veränderungen und Transformationen im Körper ‒ wie im Falle des Klimakteriums ‒ werden vom Qi-Mechanismus vermittelt. Ist dieser jedoch durch Leber-Qi-Stagnation, Blut-Mangel und Feuchtigkeit gestört, werden auch die Veränderungen in der Menopause zu Problemen führen.13 Zudem sorgt ein intakter Qi-Mechanismus für die harmonische auf- und absteigende sowie ein- und austretende Bewegung des Qi. Ist diese in den Wechseljahren nicht gegeben, dann führt dies zu den typischen klimakterischen Symptomen wie z.B. aufsteigende Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Depression und Schlafstörungen. 03/2014 Abb. 2 Tao Ren (Semen Persicae) Tao He Cheng Qi Tang (Persicae Semen Dekokt, das Qi ordnet) Tao Ren (Persicae Semen) Da Huang (Rhei Rhizoma et Rhizoma) 12–15 g 12 g Gui Zhi (Cinnamomi Ramulus) 6 g Gan Cao (Glycyrrhizae Radix et Rhizoma) 6 g Mang Xiao (Natrii Sulfas) (zum Schluss in die Abkochung einrühren) 6 g Die Indikation dieser Rezeptur im Originaltext des Shang Han Lun (Abhandlung über Kälte-induzierte Erkrankungen) ist: Gebundene Hitze in der Blase (Re Jie Pang Guang, ✝㔃㞰㜡). Den Begriff „Blase“ interpretieren einige Gelehrte als unteren Jiao bzw. Becken. Fülle-Hitze wird bei der Diagnose von menopausalen Beschwerden häufig übersehen, weil sich viele Therapeuten auf eine energetische Schwäche konzentrieren.14 Doch die Entstehung des obigen Musters kann dadurch begünstigt werden, dass mit dem Ausbleiben der Menstruation bereits bestehende Hitze nicht mehr mit der Regelblutung ausgeschieden wird und die Yin-Substanzen im Chong Mai vermindert sind. Bezüglich klimakterischer Beschwerden verursacht die akkumulierte Hitze und Blut-Stase Symptome wie uterine Blutungen, Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Hitzewallungen sowie Hitzegefühle in der Nacht mit Nachtschweiß. Wird der Shen (Geist, ⾎) durch die Hitze im Blut gestört, dann leidet die Patientin unter mentalen Symptomen wie Reizbarkeit, Unruhe, Ängstlichkeit und Schlafstörungen. Wirkungen der Arzneien Tao Ren belebt das Blut, bricht Blut-Stase auf und beseitigt die Blut-Stagnation. Da Huang ist bitter und kalt, purgiert Ansammlungen und beseitigt Hitze. Da Huang belebt das Blut und hat aufgrund seiner Hitze klärenden und purgativen Funktion die Fähigkeit, Blut-Stase zu beseitigen. Gui Zhi macht die Leitbahnen und Netzgefäße durchgängig und beseitigt Blockaden. Mang Xiao ist bitter, salzig und 29 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Arzneimitteltherapie kalt. Es erweicht Verhärtungen, purgiert und klärt Hitze. Gan Cao harmonisiert und moderiert die harschen Arzneien. Anmerkungen 1 2 Schlussbemerkung Auch wenn Zhang Zhong Jings Rezepturen fast 2000 Jahre alt sind, so zeigen diese doch bezüglich der beschriebenen Schlüsselsymptome (siehe Wen Jing Tang), der Pathomechanismen und des Syndroms deutliche Übereinstimmungen mit klimakterischen Beschwerden. Dies gilt nicht nur für die blutbewegenden Rezepturen Zhang Zhong Jings. Denn das Shang Han Lun Քሂ䇪 und Jin Gui Yao Lüe bieten eine Vielfalt an Rezepturen, die sich für die Behandlung des klimakterischen Syndroms eignen. Man denke da z.B. an Rezepturen wie Gan Mai Da Zao Tang (Glycyrrhizae Radix, Tritici Fructus Levis und Jujubae Fructus Dekokt), Ben Tun Tang (Rennendes Ferkel Dekokt) oder Suan Zao Ren Tang (Ziziphi Spinosae Semen Dekokt) ‒ um nur einige zu nennen. Diese Vielfalt setzt natürlich eine sorgfältige Diagnose voraus, bei der der Therapeut nicht gleich auf ein bestimmtes Syndrom fokussiert ist. Natascha Lobisch, Heilpraktikerin und praktiziert in Köln. Zurzeit macht sie ihren Master-Abschluss an der Zhejiang Chinese Medical University in Hangzhou. Thema ihrer Master-Arbeit: Die Behandlung des klimakterischen Syndroms mit den Rezepturen aus dem Shang Han Lun und dem Jin Gui Yao Lüe. E-Mail: [email protected] 30 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Wang Qing-Ren (1830). Yi Lin Gai Cuo. Übersetzt in: Neeb, Gunter R. Das Blutstasesyndrom. Chinas klassisches Konzept in der modernen Medizin. Kötzting: Verlag für Ganzheitliche Medizin Dr. Erich Wühr, 2001: S. 256 Fei Boxiong. The Refined in Medicine Remembered (Yi Chun Sheng Yi), kommentiert von Wang Xinhua, Jiangsu Science and Technology Publishing House, Jiangsu, 1982: S. 13 (unveröffentlichte englische Übersetzung von Andreas Kalg) Im Orginaltext wird der Ausdruck Xia Li (Diarrhö) benutzt. Die meisten Kommentatoren sind jedoch der Auffassung, dass Xia Xue der richtige Terminus ist (nach unten Bluten). Vgl. auch Scheid, Volker, Dan Bensky, Ellis Andrew, and Randall Barolet. Chinese Herbal Medicine. Formulas and Strategies. Seattle: Eastland Press, 2009: S. 579 Yuk-ming, Sung. Understanding the Jin Gui Yao Lue. Beijing: People´s Medical Puplishing House, 2009: S. 60 Huang, Huang. Ten Key Formula Families in Chinese Medicine. Seattle: Eastland Press, 2009: S. 31–32 Dosierungen aller Rezepturen nach Volker Scheid, Dan Bensky, Ellis Andrew, and Randall Barolet. Chinese Herbal Medicine. Formulas and Strategies. Seattle: Eastland Press, 2009 Kaffka, Andrea. The Significance of Zhang Zhong Jing’s Formulas and Strategies in Female Infertility. Dissertation for Doctoral Degree of Zhejiang Chinese Medical University. 2009: S. 22–23 Huai-luang, Zhang. „Treatment of Depression Based on Differentiation of the Shaoyang Channels. „ Journal of Traditional Chinese Medicine, 2010, Vol. 30, No. 2: 83–92. S. 89 Bing Wang. Übersetzung ins Englische von Liansheng Wu, N. und A. Qi Wu. Yellow Emperor´s Canon Internal Medicine. Ort nicht angegeben1997: S. 724 (eigene Übersetzung) Vgl. auch Volker Scheid, Dan Bensky, Ellis Andrew, and Randall Barolet. Chinese Herbal Medicine. Formulas and Strategies. Seattle: Eastland Press, 2009: S. 584–585 Yuk-ming, Sung (2009): S. 12 (eigene Übersetzung) Aufzeichnungen der Autorin: Vorlesung von Prof. Cao Ling Yong über Rezepturen des Shang Han Lun und Jin Gui Yao Lüe . Zhejiang University, Hangzhou Oct. 2012. Flaws, Bob. Menopause and Chinese Medicine. Boulder: Blue Poppy Press, 2011: S. 39 Kirschbaum, Barbara, Stefan Englert, und Christine Gabriel. Behandlung von Menopause und klimakterischen Beschwerden. Praxisreihe Traditionelle Chinesische Medizin. Herausgeber: Stefan Englert und Josef Hummelsberger. Bd. 2. München: Müller & Steinicke, 2013: S. 49 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden Antonie Danz Die Ernährung spielt nicht nur in der Gesunderhaltung und bei vielen Krankheitsgeschehen eine große Rolle sondern auch in den Wechseljahren, wie wir im folgenden Beitrag ausführlich und mit praktischem Bezug dargestellt bekommen. Definition Schulmedizinisch Als Wechseljahre, fachsprachlich Klimakterium, wird die Übergangsphase der hormonellen Umstellung vor und nach der Menopause bezeichnet. Diese kann wenige Jahre oder auch einen längeren Zeitraum umfassen. Die Menopause ist der Zeitpunkt, zu dem die letzte von den Eierstöcken gesteuerte Menstruation im Leben einer Frau erfolgt.(1) Auf weitere Ausführungen zur Definition und auch zur Beschreibung der Wechseljahre und der Syndrome seitens der chinesischen Medizin wird nachfolgend nur einleitend zum allgemeinen Verständnis eingegangen. In dem vorliegenden Artikel geht es schwerpunktmäßig um die Diätetik und die Ernährungsberatungspraxis. Chinesische Medizin Im Hung Di Nei Jing (Innerer Klassiker des Gelben Kaisers) ist beschrieben, dass es mit 35 Jahren (5 mal 7 Jahre) zu einer Abnahme der Funktion der Mitte kommt, wodurch weniger Blut durch die Milz für die Menses bereitgestellt wird. Der Anteil an pränataler Essenz für das menstruale Blut erhöht sich, die Nieren-Energie (Qi und Jing) nimmt ab, bis im Alter von etwa 49 Jahren (7 mal 7 Jahren) der Ren Mai (Konzeptionsgefäß) erschöpft ist und der Chong Mai (Durchdringungsgefäß) zunehmend abnimmt, das Menstruationsblut (Tian Gui) verringert sich, bis der menstruale Zyklus vollständig erlöscht.(2) Es kommt zu einer Umkehr der Qi-Dynamik im Chong Mai nach oben. Essenz und Blut, die nun nicht mehr durch die 03/2014 Menses verloren gehen, steigen auf und führen zu einer Stabilisierung von Essenz und Shen. Das gibt Frauen mit dem Einsetzen der Menopause grundsätzlich ein kraftvolles und das Selbst stärkende Gefühl.(3) Beschwerden und ihre Ursachen Liegen jedoch Disharmonien vor, können Beschwerden in dieser Umstellungsphase in den Vordergrund treten und das Wohlbefinden von Frauen in den Wechseljahren mehr oder weniger stark einschränken. So haben nach einer der wenigen umfassenderen Untersuchungen in Deutschland dazu etwa ein Drittel der betroffenen Frauen keine Beschwerden, ein Drittel leichte und ein Drittel starke, behandlungsbedürftige Beschwerden.(4) Die am häufigsten auftretenden Symptome, die den Wechseljahren zugeschrieben werden, sind Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen.(5) Mangel-Syndrom oder Fülle-Zustände? In Textbüchern zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird bei vorliegenden Beschwerden vorwiegend von einem Mangel-Syndrom gesprochen – ein Nieren-Yin-Mangel, teilweise einhergehend mit einem Nieren-Yang-Mangel – und/oder einer Leber-Qi-Stagnation. Außerdem kann solch ein Mangel-Syndrom mit anderen Fülle-Zuständen wie Blut-Stase und pathologische Feuchtigkeit auftreten. In der Praxis wird durchaus auch ein anderes Bild des Pathomechanismus mit verschiedenen Syn- 31 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Diätetik dromen und dem Überwiegen von Fülle-Zuständen beschrieben.(3a, 6) Demnach gibt es nicht das menopausale Syndrom.1 Jede Patientin mit Beschwerden ist ganz individuell zu diagnostizieren und folglich zu behandeln. Das macht es schwierig, allgemeingültige Empfehlungen für die Diätetik zu geben. Herausgegriffen werden im Abschnitt zur Diätetik daher die Syndrome und Aspekte, die speziell für die Ernährungsberatungspraxis von Bedeutung sind und bei denen die Diätetik einen guten Einsatz findet. Die Diskrepanz zwischen Textbüchern und Praxis mag in den Unterschieden zwischen TCM und Klassischer Chinesischer Medizin (7) und in kulturspezifischen Unterschieden (der Symptomatik) liegen.(8, 9, 10) Multifaktorielles Geschehen Japanerinnen haben beispielsweise zwar weniger Hitzewallungen als Europäerinnen, klagen jedoch häufiger über Schulterverspannungen.(11) Krankheit ist eben auch ein kulturspezifischer Ausdruck eines Ungleichgewichts und somit von allem, was diesen Ausdruck umfasst. So zeigen auch wissenschaftliche Studien, dass das Auftreten von Beschwerden und vor allem auch das Belastungsempfinden durch vorhandene Beschwerden ein multifaktorielles Geschehen ist. Es gibt nicht das universale menopausale Syndrom, das nur auf die hormonelle Umstellung zurückzuführen wäre. Lebensstilfaktoren wie Ernährung, sportliche Aktivität und Umgang mit Stress, Zufriedenheit in Beziehung, Familie und Beruf sowie das vorhandene gesellschaftliche Bild von älteren Frauen und die Bedeutung von Jugendlichkeit spielen eine große Rolle.(12) Hinzu kommt die Einstellung und die Erwartung, die die Frauen von den Wechseljahren selbst haben. Sie ist von Einfluss darauf, wie die Wechseljahre im Sinne einer „self-fulfilling-prophecy“ tatsächlich erlebt werden. So steht eine negative Einstellung zu den Wechseljahren signifikant positiv mit den tatsächlich erlebten Beschwerden im Zusammenhang. (13) Für den Beratungserfolg ist es daher durchaus wichtig, welche Haltung wir selbst zu den Wechseljahren haben, ob wir ein Mangel-Syndrom im Vordergrund sehen oder die durchaus vorhandenen Ressourcen und Potentiale der Klientin wahrnehmen und unterstützen. Diätetik und Ernährungsberatungspraxis Die Diätetik bietet ein ausgesprochen gutes Feld, in dem die Selbstkompetenz von betroffenen Frauen gestärkt werden kann. Im Gegensatz zur Arzneimitteltherapie und Akupunktur wird die Klientin nicht (nur) passiv behandelt, sie kann aktiv selbst etwas tun. Zur Stärkung der Mit- 32 te, die in allen Phasen des Übergangs, so auch der Wechseljahre, sehr beansprucht wird, ist die Diätetik ohnehin ein wichtiges Element. Für eine gute Akzeptanz der Empfehlungen und eine hohe Compliance sollten die Zusammenhänge von Ernährungsweise und Befinden mit möglichst einfachen Erklärungsmodellen gut verständlich vermittelt werden.(14) Das Führen von Ernährungsprotokollen für einige Tage in Verbindung mit einem Befindlichkeitsprotokoll2 kann hier sehr hilfreich sein, die Klientin für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren. Ernährungswissenschaftlicher Ansatz und Empfehlungen Wissenschaftliche Studienlage Im Westen erhielt das Thema „Wechseljahre und Ernährung“ insbesondere durch die Ergebnisse der WHI-Studie (Women’s Health Initiative Study) mehr Aufmerksamkeit. Diese machten deutlich, dass die Hormon-Therapie (HT), die bislang in großem Umfang bei Wechseljahresbeschwerden und zur Prävention verschiedener Krankheiten eingesetzt wurde, mit erheblichen Risiken verbunden ist. So wurde eine erhöhte Anzahl von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Brustkrebserkrankungen, Ovarialkarzinomen und anderen Beschwerden und Erkrankungen wie Gallensteine und Thrombose unter einer HT beobachtet.(15) Als Folge kam es zu einem deutlichen Abfall der Verordnung der HT und es wurde nach Alternativen in der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden gesucht. Beobachtungsstudien zeigen, dass beispielsweise Japanerinnen weit seltener Hitzewallungen in den Wechseljahren haben als Europäerinnen.(11) Ein möglicher Einflussfaktor wurde im Lebensstil, insbesondere der Ernährung gesehen. Der beobachtete auffällig höhere Konsum an Sojabohnen und deren Produkte erhielt ein besonderes Augenmerk in der wissenschaftlichen Forschung. Vollkommen außer Acht gelassen wurde hierbei, dass in Ländern Süd-Ost-Asiens nicht nur mehr Soja(-produkte) gegessen werden, sondern sich die Ernährungsweise auch in vielen anderen Punkten von der in Europa unterscheidet. So werden unter anderem wesentlich weniger Milch und Milchprodukte konsumiert, weniger Fleisch und weniger Brot, jedoch mehr Fisch, Reis und Gemüse sowie Algen gegessen. All diese Unterschiede können Einfluss auf das Beschwerdebild haben. Aus Sicht der Chinesischen Medizin kann eine solche Ernährung zu einer besseren Bereitstellung von Gu-Qi (Nahrungs-Qi) führen und vor allem auch der Bildung pathologischer Feuchtigkeit vorbeugen. Beide Faktoren sind von Einfluss für das Beschwerdeaufkommen, wie später noch erläutert wird. Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden Phytoöstrogene und allgemeine Empfehlungen Diese eingeschränkte wissenschaftliche Perspektive in Bezug auf den Einfluss der Ernährung wurde noch weiter verengt, indem die Ursache für das geringere Aufkommen von Hitzewallungen den Phytoöstrogenen zugeschrieben wurde, die in Form von Isoflavonen in vergleichsweise hoher Konzentration in Sojabohnen vorhanden sind. Reine Beobachtungsstudien können jedoch nur Annahmen zu möglichen Zusammenhängen und keine Ergebnisse zu Ursache-Wirkungsmechanismen liefern. Das kann nur anhand von Interventionsstudien mit hohem evidenz-basiertem Standard belegt werden. Doch nicht selten bestätigen solche Studien nicht oder widerlegen gar, was jahrelang auf der Grundlage von Beobachtungsstudien angenommen und empfohlen wurde. So ist es auch im Hinblick auf den Einsatz von Phytoöstrogenen gegen Hitzewallungen. Auf der Basis verlässlicher, aussagekräftiger Studien führt weder die vermehrte Aufnahme von Sojabohnen, Sojaprodukten, noch die gezielte Zufuhr von Extrakten oder Konzentraten aus Soja oder synthetische Phytoöstrogene zu einer signifikanten Reduktion von Hitzewallungen, auch wenn dies bei einzelnen Frauen durchaus beobachtet wurde.(16) Aus Sicht der Chinesischen Medizin können Sojaprodukte durchaus hilfreich sein, wenn Hitzewallungen aufgrund eines Nieren-Yin-Mangels vorliegen. Sie tonisieren Yin und kühlen Hitze. Allerdings finden sie bei betroffenen Klientinnen, so zeigt es die Praxis, meist wenig Akzeptanz. Einerseits werden Verdauungsbeschwerden und Allergien beklagt. Andererseits sind geschmackliche Gründe dafür verantwortlich. Alternative Lebensmittel, die ebenfalls Nieren-Yin aufbauen (siehe Kasten) erhalten hingegen weit mehr positive Resonanz. Die häufig zu lesende Empfehlung, in den Wechseljahren mehr Sojaprodukte zu essen, scheint vor diesem Hintergrund eher weniger praktikabel zu sein. Das Thema „Ernährung und Wechseljahre“ erschöpft sich, wissenschaftliche Studienansätze betreffend, weitestgehend auf die Erforschung der Wirkung der Phytoöstrogene. In Artikeln aus der Beratungspraxis wird das Thema mehr unter dem Aspekt der Vorbeugung von Krankheiten, die mit dem Alter zunehmen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose sowie der Gewichtsreduktion behandelt. Es wird eine vollwertige Ernährung mit hohem pflanzlichen Anteil empfohlen.(17, 18) Auf die konkreten Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen wird kaum eingegangen und lässt sich weitestgehend auf die Empfehlung reduzieren, Alkohol, Kaffee und scharfes Essen zu meiden. Ernährungsberatung als Alternative Die Diätetik auf der Grundlage der Chinesischen Medizin bietet weit mehr Potential eine Alternative bei Beschwerden in den Wechseljahren zu sein – je nach Beschwerde(last) in Kombination mit einer Arzneimitteltherapie und Akupunktur. Der Bedarf an Alternativen, auch an der einer Ernährungsberatung ist, wie Studien zeigen, groß. In den USA sind es 80% (19) der betroffenen Frauen, die alternative Methoden zur HT gegen Wechseljahresbeschwerden anwenden. Laut einer anderen Studie sind es in Italien 33,5%.(20) Vermutlich liegt die Anzahl der Anwenderinnen in Deutschland irgendwo zwischen diesen beiden Angaben. Aus der italienischen Studie geht hervor, dass die Inanspruchnahme eines Ernährungsberaters an zweiter Stelle, hinter Kräuterheiler und vor Homöopathen und Akupunkteuren liegt. Ein Grund für die Inanspruchnahme einer Ernährungsberatung mag auch darin liegen, dass viele Frauen in den Wechseljahren an Gewicht zunehmen, obwohl sie nach eigener Aussage nicht anders und auch eher weniger essen als zuvor. Nicht selten hat der Wunsch abzunehmen den gleichen Stellenwert oder sogar mehr Priorität wie der, von den Hitzewallungen befreit zu sein. Die Gewichtsreduktion ist ein besonders wichtiges Thema in der Beratungspraxis. Die Empfehlungen in der westlichen Diätetik „kalorienarm und fettarm“ und aufgrund des abnehmenden Grundumsatzes mit zunehmendem Alter „weniger“ zu essen und „auf eine hohe Nährstoffdichte“ zu achten, greifen nicht (mehr). Abb. 1 03/2014 Kichererbsensuppe 33 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Diätetik Chinesische Diätetik und Ernährungsberatungspraxis Die Bedeutung der „Mitte“ Mit der Chinesischen Medizin kann über die Stärkung der Mitte (siehe Kasten) wesentlich mehr erreicht werden; nicht nur hinsichtlich des Körpergewichts, auch was Befindlichkeit und Beschwerden anbelangt. Mit einer starken Mitte wird ausreichend Qi und Xue bereitgestellt. Das schont die Nieren-Essenz und beugt damit einem vorzeitigen Verbrauch von Yin und Yang vor. Eine gute Versorgung von Herz und Leber mit Blut gewährt zudem, dass Shen (Geistseele) und Hun (Wanderseele) ausreichend verankert sind und für eine gute Schlafqualität und emotionale Ausgeglichenheit gesorgt ist. Zudem wird eine Ansammlung von Feuchtigkeit vermieden, die Stagnationen begünstigen und den harmonischen Qi-Fluss stört. Das kann bei bereits vorliegenden Fülle-Zuständen, beispielsweise durch Leber-Qi-Stagnation, zu einer Verstärkung von Symptomen wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Schlaflosigkeit sowie psychischen Verstimmungen führen. Tatsächlich treten bei übergewichtigen und adipösen Frauen 1,5–2 mal so häufig Hitzewallungen auf als bei Normalgewichtigen.(21)3 Ein Gewichtsverlust bei übergewichtigen menopausalen Frauen bewirkte eine signifikante Abnahme vasomotorischer Symptome.(22) Für den Zusammenenhang einer schwachen Mitte und in Folge schlechter Versorgung mit Gu-Qi und Akkumulation von Feuchtigkeit beim Auftreten von Beschwerden sprechen auch Untersuchungsergebnisse, nach denen postmenopausale Frauen mit Metabolischem Syndrom4 signifikant häufiger vasomotorische Symptome haben als Frauen ohne.(23) Andererseits werden bei Frauen mit kalorischer Minderzufuhr, unabhängig vom Alter, und einem damit möglicherweise einhergehenden Nährstoffmangel folgende Beschwerden beobachtet: Konzentrationsmangel, Depression und Stimmungsschwankungen, Nervosität, Müdigkeit, Schlafstörungen, Energiemangel, Hautprobleme, Haarausfall, Schwäche des Immunsystems und erhöhtes Risiko für Erkrankungen. Dies sind alles Beschwerden, die auch im Zusammenhang mit Symptomen in den Wechseljahren aufgeführt werden. Das kann als ein weiterer Hinweis für die nicht zu unterschätzende Bedeutung einer starken Mitte gedeutet werden, was die Befindlichkeit von Frauen in den Wechseljahren und das Beschwerdeaufkommen anbelangt. In einer Gesellschaft, in der Attraktivität, Schlanksein und Jungend(lichkeit) eine große Rolle Spielen, sind insbesondere Frauen dazu bereit, sich für diese Attribute zu kasteien und die Nahrungszufuhr auf ein Minimum zu beschränken. Häufig wird dazu das Frühstück ausgelassen, eine, nach der Chinesischen Medizin besonders wichtige Tagesmahlzeit. Oder aber es werden „nur“ die allgemein gängigen Empfehlungen, unter anderem viel Obst und Ge- 34 müse mit entsprechendem Rohkostanteil, ausreichend fettarme Milch- und Milchprodukte, und Vollkornprodukte für Gesundheit und Normalgewicht besonders streng befolgt. Nach der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) sind die drei Hauptenergielieferanten bei Frauen im Alter von 14–80 Jahren Brot, Milch- und Milchprodukte und Süßigkeiten, gefolgt von Obst.(24) Da ist es nicht verwunderlich, wenn sich in der Praxis oftmals Fülle-Zustände zeigen und unter anderem eine Stärkung der Mitte bedeutsam ist. Hinzu kommt, dass die gesellschaftlichen Bedingungen gerade auch für älterwerdende Frauen jenseits der fünfzig nicht unbedingt förderlich sind, sich eingebunden und versorgt zu fühlen. Dies sind bedeutsame Aspekte, die stärkend auf das Erd-Element wirken. Probleme beim Wiedereinstieg in den Beruf nach der Kindererziehungsphase, höchste Scheidungsraten im Altersbereich von 40–49 Jahren (25) sind nur zwei Beispiele dafür, wo es an Einbindung und dem Gefühl versorgt zu sein fehlt. So belegen auch Studien, dass Frauen, die Erfüllung im Beruf finden und/oder eine tragende Beziehung haben, bedeutend weniger Beschwerden in den Wechseljahren aufweisen und sich wohler fühlen als andere Frauen.(12, 26) schwerer ich nicht Ich bleib Abb. Cover: schlank_Das Kochbuch Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Alles wird Abb. Cover: | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden Aufbau von Nieren-Yin, Nieren-Yang, Leber-Blut, Herz-Blut Neben der Stärkung der Mitte über die Diätetik sind in der Tabelle weitere Empfehlungen aufgeführt, die je nach vorliegendem Syndrom als weitere Bausteine nutzbar sind. Bei vorliegendem Nieren-Yin-Mangel können ergänzend gezielt Lebensmittel vermehrt in den Speiseplan aufgenommen und Rezepte verwendet werden, die Nieren-Yin aufbauen, auch bei Milz-Qi-Schwäche gut zu transformieren sind und nicht vermehrt Feuchtigkeit gebildet wird (siehe Tabelle). In der Praxis hat sich bei Hitzewallungen, Nachtschweiß und Schlafstörungen aufgrund von Leere-Hitze vor allem Weizentee (siehe Tabelle) bewährt. Er eliminiert Hitze, beruhigt den Shen, tonisiert Yin sowie Leber- und Herz-Blut. Vorwiegend zu meiden sind hingegen die folgenden Lebensmittel, da sie zusätzlich Hitze bringen oder austrocknend auf das Blut wirken: Kaffee, Alkohol, Zusatzstoffe, thermisch heiß wirkende Gewürze; insgesamt sollte nur mild gewürzt werden. Auf Parfüm und parfümhaltige Lotionen zu verzichten kann ebenfalls hilfreich sein. Lebensmittel bei vorliegender Nieren-Yang-Schwäche, die bei maßvoller Zufuhr auch bei Nieren-Yin-Mangel empfehlenswert sind, finden sich ebenfalls in der Tabelle. Und die dort aufgeführten Lebensmittel und Rezepte, die Blut aufbauen mit Bezug zu Leber und/oder Herz, können gezielt zum Blutaufbau verwendet werden. Leber-Blut-Mangel kommt oft in der Praxis vor und ist eher ein Zeichen unserer Zeit, in der die Leber stark beansprucht wird, als ein typisch menopausales Syndrom. Leber-Qi-Stagnation und die Aufgabe der Diätetik Neben den genannten Syndromen, die in der Praxis selten in dieser Reinform, sondern in Kombination auftreten, ist dem Syndrom der Leber-Qi-Stagnation, gerade auch im Hinblick auf die Wechseljahre, in der Diätetik ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken. So liegt nicht selten eine Leber-Qi-Stagnation bei den Frauen vor, die aufgrund von Wechseljahresbeschwerden in die Beratungspraxis kommen. In der Anamnese zeigt sich häufig, dass dieses Muster schon vor der Menopause vorlag und die Frauen beispielsweise unter Prämenstruellem Syndrom (PMS) aufgrund einer Leber-Qi-Stagnation litten. Dass es sich bei Beschwerden in den Wechseljahren nicht selten um die Fortführung bereits vor den Wechseljahren bestehender Muster handelt, berichten auch andere aus der Praxis.(3a, 6) Außerdem wurde in Studien gezeigt, dass frühere Hitzewallungen und PMS bedeutende Prädikatoren für vasomotorische Symptome in den Wechseljahren sind.(12) Im Sinne der Prävention sollte bei Menstruationsbeschwerden also durchaus bereits vor den Wechseljahren auch an die Diätetik gedacht werden. 03/2014 Bei Leber-Qi-Stagnation unterstützt das Holz die Erde nicht – mit allen Nachteilen hinsichtlich der Bereitstellung von Gu-Qi und möglicher Ansammlung von Feuchtigkeit. Abgesehen davon, dass somit die Empfehlungen zur Stärkung der Mitte auch hier zum Einsatz kommen, geht es vor allem darum wie und mit welcher inneren Haltung gegessen wird: In Hektik nebenbei, unter Zeitdruck, in emotionaler Anspannung, was die Leber-Qi-Stagnation verstärkt, oder aber die Nahrung wird mit ausreichend Raum und Zeit – in Ruhe auf das Essen konzentriert – aufgenommen. Die Leber wird zwar stärker durch Emotionen als durch die Ernährung beeinflusst, doch können gerade solche Emotionen, die belastend und wenig förderlich für den freien Fluss der Leber-Energie sind, durchaus der Klientin in der Betrachtung ihrer Ernährungsweise sichtbar gemacht werden. Die Ernährung bietet ein gutes Übungsfeld, solche Zusammenhänge zu erkennen und entsprechende Verhaltensmuster zu ändern.(27) Klientinnen mit Leber-Qi-Stagnation können Empfehlungen zur Ernährungsumstellung schnell als Überforderung, Einengung und weitere Einschränkung ihrer Selbstbestimmtheit erleben. Gerade mit dem Älterwerden wird diesen Frauen bewusst, wie sehr sie sich in ihrem Leben selbst eingeschränkt oder in ihrer Lebensweise haben einschränken lassen. Oft wird beklagt, keinen eigenen Raum zu haben, sich fremdbestimmt zu fühlen, sei es von der Partnerschaft, den Kindern, den zu pflegenden (Schwieger-) Eltern oder im Beruf. Es sei schwer, den eigenen, inneren Rhythmus zu leben, äußerer und innerer Druck scheinen alles zu bestimmen. Insofern ist es in der Beratung einerseits wichtig, diese Zusammenhänge gut verständlich zu vermitteln, damit sich die Frauen gesehen und verstanden und mit den Empfehlungen nicht fremdbestimmt und überfordert fühlen. Andererseits ist es hilfreich, nicht zu starre Vorgaben zu machen, sondern flexibel umsetzbare Basisempfehlungen zu geben.(14) Der Rat, zuerst mit nur einzelnen und vor allem den Empfehlungen zu beginnen, die persönlich am leichtesten umsetzbar erscheinen, ist ebenfalls von Nutzen. Bewährt hat sich, die Ernährungsumstellung bei Leber-Qi-Stagnation mit einer stagnationslösenden Trinkkur, zum Beispiel mit Petersilientee einzuleiten (siehe Kasten). Während dieser Zeit wird wie gewohnt gegessen beziehungsweise die Empfehlungen werden parallel bereits umgesetzt. Das findet eine gute Akzeptanz und durch die relativ schnell spürbaren Verbesserungen im Befinden fühlen sich die Frauen motiviert, auch die weiteren Empfehlungen sukzessive umzusetzen. Abgesehen von den Empfehlungen zur Stärkung der Mitte, die weitestgehend auch für einen harmonischen Qi-Fluss förderlich sind, sollten bei Leber-Qi-Stagnation 35 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Diätetik Abb. 2 Getreidefrühstück Extreme wie zu fett, zu süß, zu spät, zu scharf, zu viel sowie saure und adstringierende Lebensmittel gemieden werden. Mild-scharfe Lebensmittel mit Leber-Bezug können hingegen häufiger in den Speiseplan aufgenommen werden, da sie den Qi-Fluss fördern ohne Hitze zuzufügen. Dazu zählen Kohlrabi und Kresse. Regelmäßig Sport treiben Nicht zuletzt sind Frauen mit Wechseljahresbeschwerden (und auch ohne) regelmäßiges Sporttreiben und Bewegung im Grünen zu empfehlen. Das unterstützt nicht nur den harmonischen Qi-Fluss, es wirkt sich auch positiv auf die Transformation der Nahrung und damit die Bereitstellung von Qi und Blut aus. Auch Studien belegen, dass Frauen, die regelmäßig Sport treiben, seltener Wechseljahresbeschwerden haben als sportlich Inaktive.(12) Empfehlenswert ist die Form an Sport, die individuell Spaß macht, ob Joggen, Walken, Yoga, Qi Gong, Taiji, Tanzen oder anderes. Das gibt die Gewähr, dass er auch regelmäßig und langfristig durchgeführt wird. Empfehlungen, Lebensmittel5 und Rezepte in den Wechseljahren „Mitte“ stärken Für die Stärkung des Yang und Qi der Milz sind Nahrungsmittel mit warmem bis neutralem Temperaturverhalten und süßer bis neutraler Geschmacksrichtung sowie emporheben- 36 der Wirkrichtung zu bevorzugen. Um nicht nur die wärmende, trocknende und aufsteigende Funktion der Milz, sondern auch die kühlende, befeuchtende und absenkende Funktion des Magens als Teil der „Mitte“ zu gewährleisten, sind kühle bis neutrale Lebensmittel mit saurem bis neutralem Geschmack und absenkender Wirktendenz zu ergänzen. Nahrungsmittel zur Stärkung der „Mitte“ bewegen sich also im süßen bis sauren Geschmacksbereich und sind von warmem über neutralem bis hin zu kühlem Temperaturverhalten.(28) Das ist die theoretische Grundlage zur Auswahl der empfohlenen Lebensmittel. In welchen Empfehlungen lässt sich dies für Klientinnen in einer allgemein verständlichen und nicht zu komplexen, umsetzbaren Form, ergänzt um Hinweise zur Zubereitung, zum Tagesrhythmus und zur Essensweise, weitergeben? Hierfür haben sich folgende einfache integrative Basisempfehlungen in der Praxis bewährt, die hier in Kurzform (in vollständiger Fassung unter 14a) dargelegt sind. Sie finden bei den betroffenen Frauen eine gute Resonanz und Akzeptanz, sind wirksam und können, je nach Diagnose, individuell variiert und ergänzt werden. ❚ Kaiserin, Edelfrau, Bettelfrau: morgens und mittags den größten Teil der Nahrungsaufnahme; abends nicht zu spät, möglichst vor 19 Uhr und nicht zu viel; „snacking“ und „grazing“ möglichst meiden. ❚ Rhythmus: regelmäßige Mahlzeiten, vor allem frühstücken; Extreme meiden. ❚ Einfachheit: Mahlzeiten einfach gestalten und den natürlich guten Eigengeschmack der Lebensmittel hervorheben; zu viele Zutaten, zu fett, zu süß, zu scharf, zu salzreich ist zu meiden. ❚ Regional und Saisonal: Gemüse und Obst entsprechend der Region und Saison wählen, Südfrüchte weitestgehend meiden. ❚ Gekochtes: mehr gekochte Mahlzeiten, wenn möglich zwei bis drei Mal am Tag; vor allem warmes Getreidefrühstück hat sich bewährt; Rohkost und Salt je nach Saison und Verträglichkeit nur sehr maßvoll; milde Garverfahren wählen. ❚ Pflanzliches: überwiegend pflanzliche Kost, vor allem Getreide, Gemüse und einige Hülsenfrüchte, ergänzt durch mäßigen Verzehr von Fleisch, Fisch und Milchprodukten. Letzteres je nach Verträglichkeit gegebenenfalls ganz meiden; bei geschmacklicher Akzeptanz Ziegenmilchprodukte bevorzugen. ❚ Trinken: vor oder nach dem Essen; vorwiegend heißes Wasser oder Leitungswasser; koffeinhaltige Getränke, wenn überhaupt, nur sehr maßvoll, ebenso Säfte und Limonaden sowie Früchtetees und Kräutertees, es sei denn speziell verordnete. Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Integrative Ernährungstherapie bei Wechseljahresbeschwerden ❚ Achtsamkeit: achtsam Essen, gut kauen und eine entspannte und angenehme Essensatmosphäre pflegen. ❚ Liebe und Fürsorge: bei der Auswahl der Nahrung, beim Kochen und Essen eine fürsorgliche und liebevolle Haltung pflegen, die uns und andere nährt und unsere „Mitte“ stärkt. Feuchtigkeit ausleiten ❚ Reiskur: 6–12 Tage Basmatireis (geschält) mit gedünstetem Gemüse oder Obst, ohne Zusatz von Gewürzen, Salz oder Fett.(6) Basmatireis transformiert Feuchtigkeit, reguliert, bewegt und tonisiert Qi. ❚ Maisgriffeltee (Ren Dong): für 6–12 Tage täglich 2 EL Maisgriffel auf 1,5 Liter Wasser aufkochen und für 20 Min. köcheln lassen, Maisgriffel abseihen und den Tee über den Tag verteilt trinken.(6) Maisgriffel reguliert und harmonisiert die „Mitte“, wirkt diuretisch und hat eine sanft entstauende Wirkung auf Leber und Galle. Nieren-Yin-Aufbau Hühnersuppe, Linsen, Bohnen (schwarze Bohnen, Kidneybohnen, (schwarze) Sojabohnen(-produkte), Eigelb, Spinat, Esskastanie, Leinsamen, Sesam, Sonnenblumenkerne, Walnuss, Trauben, Rosinen, Johannisbeere, Ziegenmilch(-produkte), Amaranth, Weizen, Dinkel, Hafer, Brombeere, Lachs Rezepte: ❚ Budwigcreme: 2 EL Magerquark, 1 EL Leinöl, 1 EL Leinsamen (ganz) miteinander verrühren und einmal pro Tag essen.(14b) ❚ Maulbeeren-Congee 30 g frische Maulbeeren (Sang Shen) oder 20 g getrocknete, 50 g geschälter Klebreis, ca. 400 ml Wasser. Alles in einen Topf geben, aufkochen und für 2–3 Stunden köcheln lassen.(29) ❚ 100 g Reis (geschält), 10 Rote Datteln (Da Zao) in Hühnerbrühe gekocht. Für mehrere Tage abends essen.(2a) Nieren-Yang-Aufbau Walnuss, Fenchel, Forelle, Esskastanie, Quinoa, Süßreis. Blut-Aufbau Leber (Le) und Herz (He) Hühnersuppe, Rote Bete, Haselnuss (Le), Sesam, Sojabohnen(-produkte), Spinat, Pflaume (Le), Aprikose (Le), Heidelbeere (Le), Auster (Le), Avocado (Le), schwarze Bohnen (Le), Kichererbsen, Kidneybohnen (Le), Linsen (He), Brombeere (Le), Himbeere (Le), Dinkel, Kabeljau (Le), Lachs (Le), Scholle (Le), Seelachs (Le), Eigelb, Feta, Karotten (Le), 03/2014 Brokkoli (Le), Kürbis (Le), Pastinake (Le), Pinienkerne (Le), Ziegenmilch(-produkte), Endivie, Feldsalat, Winterportulak. Rezepte: ❚ Schwarzer Sesam-Congee (nicht bei Yang- oder Qi-Leere) 25 g schwarzer Sesam gemahlen (Hei Zhi Ma), 50 g geschälten Reis (Rundkorn), ca. 400 ml Wasser. Alles in einen Topf geben, aufkochen und für 2–3 Stunden köcheln lassen.(29a) ❚ Gersten-Congee 100 g Gerste (Da Mai), 500-800 ml Wasser. Alles in einen Topf geben, aufkochen und für 2–3 Stunden köcheln lassen.(29b) Trinkkuren und Tees ❚ Weizentee: 2 EL auf 0,3 Liter Wasser aufkochen und 20 Min. köcheln lassen. Sud abends trinken, Weizenkörner weiterverwenden.(14c) ❚ Petersilientee-Trinkkur: für 6–12 Tage täglich 1 Bund Petersilie auf 1,5 Liter Wasser, alles aufkochen und für 20 Min. köcheln lassen. Petersilie entnehmen und Tee über den Tag verteilt trinken. Menge nach Bedarf und möglichst als einziges Getränk.(6) ❚ Süßholzwurzeltee: 1 TL Süßholzwurzel (Gan Cao) auf 0,5 Liter Wasser, aufkochen und für 20 Min. köcheln lassen.(14d) ❚ Wirkt harmonisierend, beruhigend, entschleimend, entgiftend, befeuchtend, Qi-Tonikum, kühlt Hitze (nicht bei pathologischen Feuchtigkeitszuständen einsetzen).(30) Dr. Antonie Danz, ist Ernährungswissenschaftlerin und Master of Science (USA). Seit 18 Jahren praktiziert und integriert sie die Chinesische Medizin in Lehre, Forschung und Beratungspraxis. Die Grundlagen der Chinesischen Medizin und Diätetik studierte sie u.a. bei Ralf Luthardt (TAO Chi, Zürich). Sie arbeitet als Themenexpertin für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und ist als Buchautorin, Referentin und Beraterin mit dem Schwerpunkt Frauengesundheit in Köln tätig. Literatur (1) Maurer S, Gerdemann A: Wechseljahre – Beschwerden und Therapie. Schriftenreihe der Bayerischen Landesapothekerkammer, Heft 39, Govi-Verlag, Eschborn 2009. (2) Lee Wolfe H: Managing Menopause Naturally with Chinese Medicine. Blue Poppy Press, Boulder, CO, 1998, S. 41–42. (2a) Ebd. S. 118 (3) Kirschbaum B, Englert S, Gabriel C: Behandlung von Menopause und Klimakterischen Beschwerden. Praxisreihe Traditionelle Chinsesische Medizin Band 2. Verlag Müller & Steinicke, München 20013, S. 30. (3a) Ebd. S. 11 37 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Diätetik (4) Schultz-Zehden B: FrauenGesundheit in und nach den Wechseljahren. Die 1000-Frauenstudie, Verlag Kempkes, Gladenbach 1998. (5) S-3 Leitlinie AWMF-Register-Nr. 015/062: Hormontherapie in der Periund Postmenopause (HT), 12.10.2010. http://www.awmf.org/uploads/ tx_szleitlinien/015-062_S3_Hormontherapie_in_der_Peri-_und_Postmenopause__HT__lang_09-2009_12-2011.pdf, abgerufen am 14.04.2014 (6) Luthardt R, Heikpraktiker und Dozent, Freiburg: persönliche Mitteilung (7) Scheid V, Ward T, Tuffrey V: Comparing TCM textbook description of menopausal syndrome with the lives experience of London women at midlife and the implications for Chinese medicine research. Maturitas 66:408–4016, 2010. (8) Avis NE, Stellato R, Crawford S , Bromberg J, Ganz P, Cain V, Kagawa-Singer M: Is there a menopausal syndrome? Menopausal status and symptoms across racial/ethnic groups. Soc Sci Med 52(3):345– 356, 2001. (9) Crawford SL: The roles of biologic and nonbiologic factors in cultural differences in vasomotor symptoms measured by surveys. Menopause 14(4):725–733, 2007. (10) Röring R: Die Wechseljahre – ein Kulturphänomen. Z Allgemeinmedizin 70:417–420, 1994. (11) Lock M, Kaufert,P, Gilbert P: Cultural construction of the menopausal syndrome: the Japanese case. Maturitas 10(4):317–322,1988. (12) Dennerstein L, Smith A, Morse C: Psychological well-being, mid-life and the menopause. Maturitas 20:1-11, 1994. (13) Avis N, McKinlay S: A longitudinal analysis of women’s attitudes towards menopause: results from the Massachusetts Women’s Health Sutdy. Maturitas 13:364–379, 1991. (14) Danz A: Alles wird schwerer – Ich nicht! Die genussvolle Ernährung für Frauen ab 40. TRIAS, Stuttgart 2010 (siehe Cover unten). (14a) Ebd. S. 52–67. (14b) Ebd. S. 82. (14c)Ebd. S. 82. (14d) Ebd. S. 83. (15) Writing Group for the Women’s Health Initiative Randomized Controlled Trial: Risk and Benefits of Estrogen Plus Progestin in Healthy Postmenopausal Women. JAMA 288(3):321–322, 2002. (16) Danz A: Phytoöstrogene - Pflanzenstoffe mit Hormonwirkung. UGB-Forum 2:62–64, 2013. (17) Groneveld M, Hofmann L: Die Wechseljahre der Frau – Ernährung und andere Lebensstilfaktoren. Ernährung im Fokus 10:442–449, 2011. (18) Becker U: Ernährung und Wechseljahre. Knackpunkt 19(3):10–13, 2011. (19) Bair YA, Gold EB, Zhang G, Rasor N, Utts J, Upchurch DM, Chyu L, Greenedale GA, Sternfeld B, Adler SR: Use of complementary and alternative medicine during the menopause transition: longitudinal results from the Study of Women’s Health Across the Nation. Menopause 15(1):32–43, 2008. (20) Cardini F, Lesi G, Lombardo F, van der Sluijs C, Menopause Survey Collaboration Group. The use of complementary and alternative medicine by woman experiencing menopausal symptoms in Bologna. BMC Women’s Health 10(7), 2010. (21) Thursten RC: The skinny on body fat and vasomotor symptoms. Menopausal medicine 17:S1–S5, 2009. (22) Kroenke CH, Caan BJ, StefanickML etal.: Effects of a Diatary weight change on vasomotor symptoms in the Women’ Healt Initiative. Menopause 19(9):980–988, 2012. (23) Suk Woo L, Hyun Hee L, Mee Ran K, Dong Jin K, Young Oak Y, Jang Heup K: Association between menopausal symptoms and metabolic syndrome in postmenopausal women. Arch Gynecol Obstet 285(2): 541–548, 2012. (24) Nationale Verzehrsstudie II (NVS II): http://www.was-esse-ich.de, abgerufen am 14.04.2014. (25) Krack-Roberg, E: Ehescheidungen 2009, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, März 2011. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/B evoelkerung/Ehescheidungen2009_32011.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 14.04.2014 38 (26) O’Connor VM, Del Mar CB: Do psycho-social factors contribute more to symptom reporting by middle-aged women than hormonal status? Maturitas 15:171–181, 1995. (27) Danz A: Wie bewusste Ernährung Ihren Geist beeinflusst. ViaNova Petersberg, 2010 (siehe Cover unten). (28) Engelhardt U, Hempen C-H: Chinesische Diätetik. Urban und Schwarzenberg, München 1. Aufl. 1997, S. 422–424. (29) Flaws B: The Book of Jook. Chinese Medicinal Porridges. Blue Poppy Press, Boulder, CO, Second Printing, 1998, S. 198. (29a) Ebd. S. 207. (29b) Ebd. S. 206. (30) Traversier R, Staudinger K, Friedrich S: TCM mit westlichen Pflanzen. Haug, Stuttgart 2. Aufl. 2012, S. 366–368. Referenzen 1 2 3 4 5 Mögliche energetische Muster, u.a.: Nieren-Yin-Mangel, Nieren-Yang-Mangel, Leber-Qi-Stagnation, Milz-Qi-Schwäche mit Feuchtigkeitsansammlung, Nieren-Yin-Mangel mit aufsteigendem Leber-Yang, Feuchte-Hitze im Unteren Erwärmer, Herz-Blut- und Milz-Qi-Leere. Hierbei wird die Aufmerksamkeit nicht, wie beim Beschwerdeprotokoll nur auf die Beschwerden gelenkt. Vielmehr geht es darum, auch die bereits vorhandenen förderlichen Ernährungsfaktoren wahrzunehmen und zu verstärken. Das erhöht die Motivation und Compliance erheblich. Thursten RC: The skinny on body fat and vasomotor symptoms. Menopausal medicine 17:S1-S5, 2009. Mehrere Stoffwechselsymptome vergesellschaftet: Adipositas (abdominal), Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Typ II Diabetes. Gemäß der SBO-TCM Diätetik Nahrungsmittelliste Abb. Cover: Wie bewusste Ernährung Ihren Geist beeinflusst Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die Lebensmitte – Weichen stellen für die zweite Lebenshälfte Die Lebensmitte – Weichen stellen für die zweite Lebenshälfte Ruth Rieckmann Im folgenden Beitrag können Sie sowohl für sich persönlich als auch für Ihre Patienten anhand einer Checkliste negative Gewohnheitsmuster analysieren und in ein förderliches Verhalten ändern. Gewohnheiten für mehr Wohlbefinden und Gesundheit Unser Lebensstil beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Ab der Lebensmitte ist es sinnvoll, unsere Ernährungs-, Bewegungs-, Arbeits- und Beziehungsgewohnheiten regelmäßig zu überprüfen: Tun sie uns noch gut? Oder sollten wir sie gezielt verändern um geistig, emotional und körperlich gesund zu altern? Gewohnheiten zu verändern ist eine Herausforderung. Planen Sie Veränderungen wie die Profis und belohnen Sie sich für Ihren Erfolg. Lebensmitte – Zeit zur Bestandsaufnahme Lange Arbeitstage, weniger Zeit für Sport, mehr Kaffee oder Tee zur Anregung, häufiger einen guten Wein zur Entspannung: In der Lebensmitte ist der Alltag meist von festen Gewohnheiten geprägt. Was wir in der ersten Lebenshälfte problemlos kompensieren konnten, kann in der zweiten Lebenshälfte gesundheitliche Störungen hervorrufen: Gewichtsprobleme, Kopf- oder Rückenschmerzen, Bluthochdruck oder Wechseljahresbeschwerden treten auf. Gebrechlich werdende Eltern und die ersten Krebsfälle im Freundeskreis zeigen: Unser Leben ist kostbar und endlich. Einige Gewohnheiten beeinflussen deutlich, wie wir altern und wie lange wir leben. Bereits in der Lebensmitte zeichnen sich die individuellen Schwachpunkte ab. Ein Verhaltenstraining, das schwächende Angewohnheiten in schützende umwandelt, kann das gesundheitliche Gleichgewicht stabilisieren. 03/2014 | Was das Leben gelingen lässt Die „Harvard Study of Adult Development“ hat mehr als 70 Jahre über 250 Harvard-Absolventen regelmäßig befragt und untersucht um herauszufinden, welche Lebensstilfaktoren für ein zufriedenes, gesundes und langes Leben entscheidend sind. Sieben Faktoren kristallisierten sich heraus: ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ Gesundes Körpergewicht Mindestmaß an körperlicher Bewegung Nichtrauchen Kein Alkoholmissbrauch Reife Abwehrmechanismen/konstruktiver Umgang mit Schwierigkeiten ❚ Stabile Paarbeziehung ❚ Bildung Wer mit 50 Jahren fünf oder sechs dieser Faktoren erfüllte, bezeichnete sich selbst 30 Jahre später als „glücklich und zufrieden“. Wer mit 50 Jahren nur drei oder vier der Faktoren aufwies, hatte ein dreifach erhöhtes Sterblichkeitsrisiko. Die ersten vier Faktoren sind allseits bekannt. Die Studie zeigt jedoch, wie wichtig es ist, bereits in der Lebensmitte in Bezug auf Körpergewicht, Bewegung und Genussmittel die richtige Weichenstellung vorzunehmen. Überraschend war, dass gleich mehrere Faktoren sozialer Natur ebenfalls einen deutlichen Einfluss hatten. Dies entspricht der ganzheitlichen Sichtweise der Chinesischen Medizin, die unausgeglichene Emotionen (innere pathogenen Faktoren) und Störungen des Shen zu den Krankheitsursachen zählt. 39 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Diätetik Gewohnheiten ändern: Mehr Schutz und weniger Risiko Welche der sieben Faktoren erfüllen Sie? Gehen Sie die obige Liste Punkt für Punkt durch. Gibt es Schlüsselgewohnheiten, bei denen ein Risikofaktor in einen Schutzfaktor verwandelt werden kann, z.B. ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko durch Rauchen durch Aufhören mit dem Rauchen und eine krebsprotektive Ernährung zu senken? Hat eine Therapeutin oder ein Therapeut Ihnen bereits zu einer gezielten Veränderung geraten? Attraktive Ziele und befriedigte Bedürfnisse Ziele sind attraktiv und motivierend, wenn sie mit positiven Erinnerungen, Bildern und Formulierungen verknüpft werden. „Ich esse ab morgen weniger“ ruft Widerstand hervor und ist ungenau formuliert. „Ich verwöhne mit täglich mit drei regelmäßigen, ausgewogenen Mahlzeiten, so wie damals im Italien-Urlaub und erreiche wieder die Power und das Gewicht von damals“ ist mit einem positiven Gefühl und der lebhaften Erinnerung an den angestrebten Zustand verknüpft. Ein Urlaubsfoto auf dem Kühlschrank oder auf dem Plan, der im Detail beschreibt, wie das Ziel unter den jetzigen Umständen erreicht werden kann, mobilisiert auch Kräfte im Unterbewusstsein. Personen im sozialen Umfeld können eingeweiht und als Helfer mit eingebunden werden. Fünf Schritte zur Planung von Verhaltensänderungen Die Veränderung von Gewohnheiten sollte genau geplant werden. Die Neugier, welche Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse eigentlich hinter der schwächenden Gewohnheit stecken und wie sie anders befriedigt werden können, ist eine gute Basis für realistische Pläne. Bewährt haben sich Verstärkerpläne, die in der Psychotherapie, aber auch in der Ernährungsberatung verwendet werden. Eine reine Information, dass ein bestimmtes Verhalten, wie z.B. Rauchen, übermäßiger Kaffeekonsum oder Bewegungsmangel die Gesundheit beeinträchtigt, bewirkt keine stabile Verhaltensänderung. Der „innere Schweinehund“ setzt sich über alle guten Vorsätze und rationalen Einsichten hinweg und klammert sich an die eingefahrenen Gewohnheiten. Durch Verstärkerpläne kann jeder zum liebevollen, unterstützenden Hundetrainer seines „inneren Schweinehundes“ werden. Die Vorstellung, mit diesem Anteil des Selbst wie mit einem uneinsichtigen Kind oder einem geliebten Haustier umzugehen, ist hilfreich. Druck, Strafen, Wut, Scham oder rigide Kontrollversuche wirken weniger stark als eine genaue, einfühlsame Analyse der Situation, die Beschreibung und Belohnung des erwünschten Verhaltens. 40 Der Schlüssel zum Erfolg: belohnen statt bestrafen Ein bestimmtes Verhalten tritt häufiger auf, wenn angenehme Gefühle darauf folgen, d.h. wenn es spürbar belohnt wird. Wenn dies oft geschieht, wird daraus eine Gewohnheit. Bei kleinen Kindern und Tieren ist dies einfach zu beobachten: Gibt es beim Betteln meistens Süßigkeiten oder Leckerli, wird immer häufiger gebettelt, weil das Betteln mit Süßigkeiten belohnt wird. Stark wirkende Belohnungen sind z. B. guter Geschmack, körperliches Wohlgefühl, Aufmerksamkeit und Anerkennung durch andere Menschen. Angst vor Strafe wirkt auf Dauer schwächer als Verstärkung durch Belohnung und kann außerdem zu Verhaltensproblemen führen. Zwei Beispiele: Ernährungs- oder Bewegungsgewohnheiten ändern 1. Schritt: Auswahl des konkreten Verhaltens, das geändert werden soll: Wenn ich abends nach Hause komme, … Beispiel 1: gehe ich sofort zum Kühlschrank und esse Joghurt oder Eis. Beispiel 2: mache ich den Fernseher an, lege mich aufs Sofa und schlafe ein. 2. Schritt: Beschreibung, was in der Situation genau abläuft: a. Ausgangssituation: Ich komme um 19 Uhr müde von der Arbeit nach Hause und bin allein. b. Gefühle: Ich fühle mich einsam, bin überarbeitet, müde und hungrig. c. Gedanken: Ich fühle mich körperlich und seelisch unwohl und möchte mich sofort gut fühlen. d. Verhalten: Beispiel 1: Ich ziehe meine Jacke aus, gehe zum Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Die Lebensmitte – Weichen stellen für die zweite Lebenshälfte Kühlschrank und esse Joghurt oder Eis. Beispiel 2: Ich ziehe meine Jacke aus, lege mich aufs Sofa, schalte den Fernseher ein und schlafe dort später ein. e. Folgen: Ich ärgere mich über mich selbst und schäme mich, dass ich schon wieder nicht das getan habe, was ich mir morgens vorgenommen hatte. Beispiel 1: Ich habe keine Lust mehr, etwas zu kochen oder mit Menschen Kontakt aufzunehmen. Ich werde immer dicker und unzufriedener. Beispiel 2: Meine Rückenschmerzen werden immer schlimmer, mein Widerstand gegenüber Bewegung und mein schlechtes Gewissen werden stärker. 3. Detaillierte Beschreibung des erwünschten Verhaltens: Beispiel 1: Ich plane am Vortag, was ich am nächsten Abend essen möchte und bereite etwas vor. Ich lege mir zumindest die Zutaten schon sichtbar zurecht. Auf dem Rückweg von der Arbeit gehe ich von der vorletzten Bushaltestelle aus durch den Park zu Fuß nach Hause um zu entspannen. Wenn ich zuhause ankomme, mache ich mir sofort eine Tasse meines Lieblingstees und setze mich fünf Minuten aufs Sofa und ruhe mich aus. Danach fange ich an zu kochen und zu essen. Wenn ich Lust habe, treffe ich mich noch mit Freunden. Beispiel 2: Montag melde ich mich wieder in der einstündigen Tai Chi-Gruppe am Mittwochabend an. An fünf Abenden pro Woche übe ich abends im Wohnzimmer von 19– 19:20 Uhr die 15 Ausdrucksformen des Tai Chi. Am Vorabend gehe ich spätestens um 22 Uhr ins Bett und verlasse meine Arbeit spätestens um 17 Uhr um ausgeruhter zu sein. Ich lehne bis auf weiteres neue Projekte ab. 4. Integration des neuen Verhaltens in Alltagsroutinen: Beispiel 1: Jeden Freitag vor der Tagesschau plane ich, was ich in der folgenden Woche abends essen möchte und schreibe mir einen Einkaufszettel. Jeden Morgen vor dem Zähneputzen lege ich in der Küche zurecht, was ich abends essen möchte. Beispiel 2: Jeden Sonntagabend programmiere ich in meinem Smartphone die Termine für den Tai Chi-Kurs, das frühere zu Bett gehen, den Arbeitsschluss und die Übungszeiten. Die Schuhe und die Kleidung für die Übung lege ich gut sichtbar auf den Stuhl im Flur. 5. Festlegen der Belohnung des neuen Verhaltens: Immer wenn ich das erwünschte Verhalten zeige, notiere ich mir im Kalender einen Bonuspunkt. Ich schreibe eine 03/2014 Liste meiner ganz persönlichen, attraktiven Belohnungen, die ich mir im Alltag nicht einfach so gönnen würde. Meine Bonuspunkte kann ich direkt eintauschen oder für eine größere Belohnung sammeln. Meine Punktwerte: pro erfolgreichem Abend 1 Punkt, für 5 Abende pro Woche 7 Punkte Meine persönliche Belohnungsliste: 1 Punkt: 1 Becher teurer Halbschatten-Grüntee/1 alkoholfreies Weizenbier 2 Punkte: 30 Minuten Anruf/Skypen mit Freund im Ausland 3 Punkte: 1 Krimi meines Lieblingsautors/DVD/MP3 kaufen 7 Punkte: 1 Kino- oder Restaurantbesuch mit einem Freund/Freundin 20 Punkte: 1 Städtereise am Wochenende Viele Gewohnheiten lassen sich einfach selbst analysieren und in diesen fünf Schritten umstellen. Es ist erstaunlich, was eine genaue, vorurteilsfreie Analyse der Hintergründe des bisherigen Verhaltens zutage bringt. Das offensichtliche „Fehlverhalten“ ist meist nur die Spitze eines Eisbergs von unbewussten Gefühlen, Gedanken und Bedürfnissen. Wenn der Gesundheitszustand stark beeinträchtigt ist, die Auswahl der umzustellenden Gewohnheiten schwierig ist oder starke Widerstände auftreten, bieten entsprechend geschulte Ernährungsberater und Therapeuten professionelle Unterstützung an. Literatur Vaillant, G E.: Aging Well: Surprising Guideposts to a Happier Life from the Landmark Harvard Study of Adult Development, Little, Brown and Comp. New York, 2002 http://news.harvard.edu/gazette/story/2012/02/decoding-keys-to-a-healthylife/ (abgerufen 24.4.2014) Reinlassöder R, Furman B.: Jetzt geht’s! Erfolg mit lösungsorientiertem Selbstcoaching, Carl Auer Verlag, Heidelberg, 2. Aufl. 2013 Ruth Rieckmann, Ruth Rieckmann (geb. 1966) ist Diplom-Oecotrophologin und Master of Chinese Dietetics. Sie berät in ihrer Bonner Praxis für Ernährungsberatung und arbeitet mit TCM-Schwerpunktpraxen zusammen. Die Grundlagen der Chinesischen Medizin und Diätetik lernte sie u.a. an der Universität Witten-Herdecke. Sie integriert Ernährungswissenschaft mit chinesischer Diätetik und professionellen Beratungsmethoden und gibt entsprechende Seminare in Deutschland und der Schweiz. Sie ist zertifizierte Ernährungsberaterin des Berufsverbands Oecotrophologie „VDOE“ und initiierte den Qualitätszirkel Diätetik im Verband „AGTCM“. Kontakt: [email protected] 41 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Diätetik Ernährungs- oder Bewegungsgewohnheiten ändern (zum Ausfüllen für den Leser) Gewohnheiten erfolgreich in fünf Schritten verändern 1. Schritt: Wählen Sie ein konkretes Verhalten aus, das Sie ändern möchten: 2. Schritt: Beschreiben Sie, was in der Situation genau abläuft: a. Ausgangssituation: b. Gefühle: c. Gedanken: d. Verhalten: e. Folgen: 3. Beschreiben Sie genau, wie das erwünschte Verhalten aussehen soll: 4. Integrieren Sie das neue Verhalten in eine Routine in Ihrem Tagesablauf: 5. Legen Sie genau fest, wie Sie das neue Verhalten belohnen möchten: Sobald das neue Verhalten eine Gewohnheit geworden ist, entfällt die Belohnung. 42 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Legenden chinesischer Arzneipflanzen Legenden chinesischer Arzneipflanzen: Huang Jing (Polygonati Rhizoma) Andreas Kalg In den Legenden kommen bestimmte Charakteristika der Arzneipflanzen zum Ausdruck. Damit wird sowohl ihre Verwendung als auch ihre Verwurzelung in der chinesischen Kultur deutlicher. Das Huang 哳 in Jing (Polygonati Rhizoma) bezieht sich nicht allein auf die gelbe Farbe des Rhizoms. Gelb repräsentiert hier auch die Erde, deren Essenz diese Pflanze in sich aufnimmt. Zur Erklärung des Namens schrieb Li Shizhen: „Die Unsterblichkeitsadepten meinen, dass Huang Jing eine Art Wunderkraut sei. Da es die verfeinerte Essenz der Erde in sich aufgenommen hat, nannten sie es die „Gelbe Essenz“ (Huang Jing).“ In diesem Sinne ist Huang Jing in alten Zeiten insbesondere von daoistischen Adepten gebraucht worden, um ihre Mitte zu stärken und somit ihren Körper im Gleichgewicht zu halten. Durch langfristigen Verzehr von Huang Jing meinte man sogar Unsterblichkeit erzielen zu können. Dies spiegelt sich beispielsweise in den Namen Ye Xian Jiang 䟾ԉ㯁 („Wilder Ingwer des Unsterblichen“), Xian Ren Yu Liang ԉӪ佈㌗ („Was die Unsterblichen von ihrer Wegzehrung übrigließen“) und Yu Zhi Cao ⦹㣍㥹 („Jade-Wunderkraut“) wider. Die Namen Ye Sheng Jiang 䟾⭏㯁 („Wilder Ingwer“), Shan Sheng Jiang ኡ⭏㯁 („Berg-Ingwer“) und Ye Xian Jiang 䟾ԉ㯁 („Wilder Ingwer des Unsterblichen“) beziehen sich auf die Form und Farbe des Polygonatumrhizoms, welches dem frischen Ingwer ähnelt. Die Namen Huang Du 哳⦘ („Gelb und alleinstehend“), Chong Lou 䟽⁃ („Mehretagiges Gebäude“) und Chui Zhu ⨐ („Herabhängende Perlen“) beziehen sich auf die Form der oberirdischen Pflanze. Polygonatum ist eine hochwachsende und aufrecht stehende Pflanze, daher der Name „Gelb und alleinstehend“. In bestimmten Abständen hat sie paarig angeordnete Blätter. Diese Wuchsform erinnert an Etagen 03/2014 eines Hauses, daher der Name „Mehretagiges Gebäude“. Die Früchte dieser Pflanze hängen zahlreich wie Perlen herab, daher der Name „Herabhängende Perlen“. Der Legenden über Unsterbliche gibt es in der chinesischen Literatur zur Genüge. Die überwiegende Zahl ist in ihrer maßlos übertriebenen Darstellung jedoch so unglaubwürdig, dass man nur darüber schmunzeln kann. Doch eine Sage, die von einer historisch verbrieften Person aus der Ming-Zeit berichtet, dem buddhistischen Mönch Wu Xia ❑⪅, alias Hai Yu ⎧⦹, ist anders. Hierbei soll es sich um eine „wahre Begebenheit“ handeln: Mit 24 Jahren hat er sein Heim verlassen und die vier heiligen buddhistischen Berge besucht, den Jiuhua-Berg in der heutigen Provinz Anhui, den Putou-Berg in der heutigen Provinz Zhejiang, den Wutai-Berg in der heutigen Provinz Shanxi und den Emei-Berg in der heutigen Provinz Sichuan. Zuletzt zog er sich als Eremit in die Wälder des Berges Jiuhua zurück, wo er über 100 Jahre lebte und erst im Alter von 126 Jahren verschied. Wie er so alt wurde? Es heißt, er habe sich in den Bergen von wildwachsenden Früchten und Wurzeln wie Huang Jing und Dan Shen (Salviae Miltiorrhizae Radix et Rhizoma) ernährt. Er lebte ganz allein in den Bergen und nahm keine Schüler an. Er meditierte viel und schrieb in seiner selbstgebauten, einfachen Hütte zahlreiche Bücher mit seinem eigenen Blut. Obwohl er so abgeschieden lebte, hatte sich das Wort von ihm bis an den Kaiserhof getragen. Eines Jahres schickte der Kaiser einen seiner hohen Beamten auf eine Pilgerfahrt zum Jiuhua-Berg. Mit sich brachte der Beamte eine Tafel, auf die der Kaiser selbst Worte der Anerken- 43 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Steckbrief Abb. 1 Huang Jing (Polygonati Rhizoma) nung und des Respekts für diesen buddhistischen Mönch geschrieben hatte. Nachdem er jede Höhle und jede Hütte auf dem Jiuhua-Berg aufgesucht hatte, fand der Beamte schließlich den mumifizierten Körper von Meister Wu Xia in Meditationshaltung sitzend. Zu diesem Zeitpunkt war er schon seit drei Jahren tot. Naben sich hatte er sein Lebenswerk zu liegen, einen 81-bändigen buddhistischen Kanon und eine Schriftrolle, die von seinem eigenen Leben berichtete. All dies hatte er 38 Jahre lang mit seinem eigenen Blut geschrieben. Es heißt, dass Meister Wu Xia nur alle 10 Tage Huang Jing aß. Zwischendurch bedurfte er 44 dann keiner weiteren Nahrung. Alle 20 Tage ließ er sich selbst zur Ader und schrieb mit dem Blut seine tiefen religiösen Erkenntnisse auf. Man bestreute seinen Körper mit Goldstaub und verehrt in seither als buddhistischen Heiligen. Noch heute kann man den sogenannten Blut-Klassiker in einem Museum am Jiuhua-Berg besichtigen. (Auszug aus dem Buch „Chinesische Arzneipflanzen – Wesensmerkmale und klinische Anwendung“, Elsevier Verlag, Urban und Fischer, 2009) Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung. Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Mi 1 – Verborgenes Weiß Mi 1 – Verborgenes Weiß Bartosz Chmielnicki und Yair Maimon Mit den Steckbriefen über Bilder von Akupunkturpunkten möchten wir Ihnen ein weiteres Fenster in die Schönheit der Chinesischen Medizin öffnen. Erklärung des Namens 隱– Yin: ein Hügel und mit zwei Händen und dem Herz vollbrachte Arbeit; anlehnen, Verborgenheit, versteckt, mysteriös, Geheimnis. 白– Bai: weiß, klar, offensichtlich, einfach. Etymologisch ist das Zeichen ein Symbol von einer reinen, weißen Baumwollkugel oder dem Vollmond, der am Horizont aufgeht; ein Symbol des Tai Yin. Mögliche Übersetzung Verborgene Klarheit – Die Magen-Leitbahn, die im täglichen Zyklus des Qi der Milz-Leitbahn vorgeschaltet ist, führt die Yang-Energie nach unten und innen zum Yin. An ihrem letzten Punkt Ma 45 wird das Qi zu Mi 1 geleitet, welches die Transformation dieses kräftigen Yang zum Yin beginnt. Dies wird von der Milz-Leitbahn an alle Organe geführt um diese zu nähren. An diesem Punkt ist die klare Yang-Energie im Yin versteckt. Deswegen ist dieser Punkt indiziert bei innerer Yang-Fülle oder -Hitze, wie z.B. bei Uterusblutungen oder Hämorrhoiden, und ist kontraindiziert in der Schwangerschaft oder bei Typ II-Diabetes. Diese Yang-Energie vermittelt auch einen starken Schutz gegen übles Qi einschließlich gegen Dämonen; dieser Punkt heißt auch „Geist-Festung“ und ist einer von Sun Simiaos Dämonenpunkten. Weitere Bezeichnungen 陰白– Yin Bai: Reines Yin 鬼壘– Gui Lei: Geist-Festung, Ansammlung von Geistern. Dieser Name bezieht sich auf die Situation, wenn Geister sich in der tiefsten Erde des Körpers, den Uterus, ansammeln und seltsame Myome hervorrufen; insbesondere multiple Myome bei jungen Frauen, die noch nicht schwanger gewesen sind. 鬼眼 – Gui Yan: Geist im Auge. Dieser Name verdeutlicht die Anwesenheit von Geistern bei plötzlicher Hysterie oder Panikattacken mit weitgeöffneten Augen. In diesem 03/2014 Fall sind die Augen entweder so weit geöffnet, dass man den weißen Teil der die Iris umrundende Sklera sehen kann, welcher normalerweise verborgen ist, oder die Augen sind dermaßen geöffnet, dass das Weiße der Sklera versteckt ist. Lokalisation Nach dem Jia Yi Jing (Systematischer Klassiker der Akupunktur und Moxibustion) ist Mi 1 lokalisiert an der „Spitze des medialen Aspekts vom großen Zeh, ein Blatt chinesischen Lauchs entfernt von der Nagelkante“. Um Mi 1 zu lokalisieren, zieht man – ähnlich wie bei anderen Jing-Quell-Punkten – zwei Linien: eine parallel und direkt anschließend an die mittlere Kante des Zehennagels, die andere parallel und direkt anschließend an die proximale Kante des Zehennagels. Mi 1 befindet sich am Kreuzungspunkt dieser beiden Linien. Ein Tipp zum Nadeln: Um Schmerzen zu vermeiden und die Wirksamkeit zu erhöhen, wird der Punkt schräg zur Oberfläche des Zehennagels genadelt, während man vor der Nadelung mit dem Fingernagel direkt neben den Punkt drückt. Hauptwirkungen und Indikationen 1. Mi 1 ist ein Jing-Quell-Punkt und der erste Punkt auf der Leitbahn. – Verinnerlichtes und verdautes Yang fließt von der Yang Ming-Magen-Leitbahn zu diesem Punkt. Das Qi zirkuliert in Zyklen durch den Körper. In dem täglichen Zyklus, der symbolisch die metabolischen Veränderungen im Körper beschreibt, wird das von der Lunge inhalierte Yang-Qi destilliert und von den beiden Yang Ming-Organen verdaut und verinnerlicht. Die letzten drei Punkte der Magen-Leitbahn leiten dieses reine Yang-Qi in den Bereich des Yin und zu Mi 1. Aus diesem Grund wirkt dieser Punkt auf das Yang bzw. Hitze und wird in Fällen von innerer Stagnation oder Fülle mit Yang oder Hitze verwendet. Dies bezieht sich 45 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Steckbrief Abb. 1 Milz 1 (gezeichnet von Martyna Janik http://mjhandmade.blogspot.com/) z.B. auf Uterusblutungen, Hämorrhoiden, Blut im Stuhlgang oder im Urin, fiebrige Erkrankungen mit Blutungen, Nasenbluten usw. Die gleiche Funktion erlaubt diesem Punkt die Hautporen zu öffnen und bei Patienten mit hohem Fieber Schwitzen auszulösen. Diese Wirkung des Managements von Yang/Hitze führt dazu, dass Mi 1 auch Herz und Shen beruhigen kann. Wie viele andere Jing-Quell-Punkte kann dieser Punkt auch zur Wiedererlangung des Bewusstseins verwendet werden. Deswegen ist dieser Punkt in der Schwangerschaft und bei Typ II-Diabetes kontraindiziert. – Die tendinomuskuläre Leitbahn entspringt an Mi 1. Da an Mi 1 die tendinomuskuläre Leitbahn entspringt, behandelt dieser Punkt alle Arten von Sehnenerkrankungen entlang der Leitbahn, wie Schmerzen, Schwellungen und Juckreiz. Die tendinomuskuläre Leitbahn der Milz schließt an die Rippen an und verteilt sich in der Brust. Dies erklärt die öffnende und zerstreuende Funktion von Mi 1 auf die Brust. 46 2. Mi 1 ist ein Holz-Punkt. Die Wandlungsphase Holz kontrolliert die Erde, was bedeutet, dass es die Erde in seiner angemessenen Qualität unterstützt. Die bewegende Wirkung vom Holz verhindert Stagnationen in der Erde, hält sie aber auch zusammen, um ihr eine bessere Struktur zu geben. Mi 1 als Holz-Punkt hat eine sehr dynamische Natur, regt den Metabolismus an und verhindert Stagnationen. Deswegen wird dieser Punkt bei verschiedenen Problemen mit der Verdauung verwendet, wie z.B. abdominelles Spannungsgefühl, fehlendem Durst- oder Hungergefühl, Erbrechen, Diarrhö usw. Im Falle von Blutungen gibt es ein gängiges Missverständnis in Bezug auf Tonisierung und Sedierung. Die Hauptwirkung von Mi 1 besteht darin, die Kraft der von der Yang Ming-Leitbahn zugeführten reinen Yang-Energie zu internalisieren, um den YinAspekt anzuheben, wie bei einem aufgehenden Vollmond. Aus diesem Grund gleicht eine Tonisierung und nicht Sedierung innere Fülle von Yang und Hitze Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Mi 1 – Verborgenes Weiß aus, die Spannungen und Druck auf der Brust oder ein Herausdrücken von Blut aus den Gefäßen, was zu Blutungen führt, hervorruft. Man darf nicht vergessen, dass in den meisten Fällen von Blutungen mit Beteiligung der Milz ein Milz-Mangel vorherrscht. Dies kann helfen, die Tonisierung an diesem Punkt nachzuvollziehen. 3. Mi 1 ist einer von Sun Simiaos Geisterpunkten. Um die Bedeutung des Punkts auf allen Ebenen nachvollziehen zu können, vertiefen Sie sich in das Bild, lesen Sie die verschiedenen Namenserklärungen und lernen dann die Wirkungen in Bezug auf die körperliche Ebene und der Umwandlung von Emotionen. Wenn Ihnen die Steckbriefe über die Akupunktur zusagen und Sie mehr über Punktenamen, deren Physiologie und praktische Verwendung erfahren möchten, haben Sie die Gelegenheit, an einem Kurs von Dr. Bartosz Chmielnicki im ABZ-Mitte teilzunehmen. Dieser Kurs beginnt am 26. bis 28. September 2014. Mehr Informationen finden Sie unter HYPERLINK „http://www.abz-mitte.de“ www.abz-mitte.de. Erklärung des Bildes Mi 1 (Yinbai) ist ein Holz-Punkt und ein Jing-Quell-Punkt; beide Funktionen finden sich auf dem Bild wieder. Da es auch ein Geisterpunkt von Sun Simiao ist, versteckt sich ein Geist neben der Quelle. Die reine Yang-Energie ermöglicht das Verdampfen von Feuchtigkeit. Deswegen bilden sich Nebelschwaden über dem Fluss. Sichtbare Wolken am Horizont werden Tai Bai (Großes Weiß) genannt. Der Nebel, aus dem sich Wolken bilden, ist kaum zu sehen und wird Yin Bai (Verborgenes Weiß) genannt. Dies spiegelt die physiologischen Funktionen der Milz, Qi in den Oberen Erwärmer und zu den Lungen zu transportieren. Im etymologischen Sinne steht die Milz im Zusammenhang mit einem Sklavenmädchen, das demütig ohne einen Wunsch nach Bewunderung ihre Arbeit verrichtet. Auf dem Bild findet sich ein Sklavenmädchen, welches am Fluss Kleidung wäscht. Sie trägt ein rein weißes Kleid, das sich unter einem hässlich-braunen Umhang versteckt. Dies ist auch ein Zeichen für eine versteckte Reinheit oder Weißes. Als Holz-Punkt und als ein Punkt auf dem Chong Mai (Durchdringungsgefäß) wird Mi 1 besonders bei Uterusblutungen eingesetzt. Dies zeigt sich im Bild darin, dass sie Blut aus der Kleidung wäscht. Als Jing-Quell-Punkt hat Mi 1 eine starke Wirkung auf das andere Ende der Leitbahn und öffnet die Brust, was sich an der geschnürten Ausfertigung des Kleides auf der Brust des Mädchens wiederfindet. Die schwarzen Geister in den Erdhügeln verdeutlichen die Funktion von Mi 1 als Geisterpunkt in der Behandlung von Myomen. Bartosz Chmielnicki, MD, Mitbegründer der TCM-Klinik und Schule „Compleo“ in Kattowitz; seit zwei Jahren arbeitet er an dem Projekt, Akupunkturpunkte und TCM-Physiologie in symbolischen Bildern zu präsentieren. Kontakt: chmieln@gmail. com Dr. Yair Maimon PhD, O.M.D Ac, Leiter des Israelischen Zentrums für Forschung in der Komplementärmedizin (NPO) und des integrativen Krebsforschungszentrums „Tal“ im Sheba-Krankenhaus, Tel Aviv; referiert weltweit und ist der Behandlung seiner Patienten treu ergeben. Kontakt: [email protected]; Website: www.aimtcm.com Für unsere ambulanten Zentren für Ganzheitliche Chinesische Medizin in Baden, Bad Zurzach, Basel, Kreuzlingen, Lenzburg, Wil, Winterthur, Zug, Zürich und Bad Säckingen (D) suchen wir per sofort oder nach Vereinbarung TCM- ÄrztIn 100% / Verantwortliche TCM- ÄrztIn 100% Anforderungen für die Stelle TCM- ÄrztIn - Abgeschlossenes TCM-Studium mit Berufserfahrung - Gute Teamfähigkeit und soziale Kompetenz Zusätzliche Anforderungen bei Verantwortlichen TCM-ÄrztIn - Mehrjährige klinische Erfahrung und Führungsqualitäten - Gute mündliche Deutschkenntnisse - Interesse an Forschungsarbeit TCM Therapeut/in im Kanton Zürich sucht nach Vereinbarung Voraussetzung sind eine abgeschlossene TCM Ausbildung, mindesten 10 Jahren Berufs-Erfahrung und die EMR und ASCA Anerkennung. Weitere Informaonen finden sie auf unser Homepage oder bei: Mandarin TCM Services Engstringen Zentrum GmbH, Hönggerstr.1 8102 Oberengstringen. 044-750 24 22 [email protected] Ihre vollständige, schriftliche Bewerbung senden Sie bitte an: RehaClinic Bad Zurzach, Personalabteilung, Quellenstrasse 34, 5330 Bad Zurzach, Telefon 056/269 54 11 03/2014 47 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Ticker Aus Wissenschaft und Forschung Zusammengestellt von Christian Yehoash Mit den folgenden Reviews über wissenschaftliche Studien möchte ich Ihnen ein kleines Fenster in die Welt der vorwiegend medizinischen Publikationen eröffnen. Dabei bleibt festzuhalten, dass diese Reviews weder die Bandbreite in der Forschung innerhalb der Chinesischen Medizin oder deren Denkweise noch meine Meinung wiederspiegeln. Sie sind ein Auszug aus verschiedenen Schwerpunkten und Methoden der aktuellen Diskussion (Arzneimitteltherapie, Akupunktur, Qigong, Taiji und Chinesische Medizin im Allgemeinen). Ich möchte einen Einblick bieten, wie vielseitig sich Chinesische Medizin in der Publikationslandschaft der westlichen Medizin darstellt. Verum- und Sham-Akupunktur führen zur Aktivierung unterschiedlicher schmerzverarbeitender Gehirnbereiche In dieser crossover-fMRT-Untersuchung wurden an 21 gesunden männlichen Freiwilligen die Gehirnaktivität bei Nadelung eines Akupunkturpunkts und eines Sham-Akupunkturpunkts mittels funktioneller Magnetresonanztomographie gemessen. Unter der fMRT wurden Ma 44 und ein ShamPunkt auf dem Fußrücken des linken Fußes stimuliert. Im Vergleich zur Sham-Akupunktur zeigte die Nadelung an Ma 44 eine erhöhte fMRT-Aktivierung im primären somatosensorischen, inferioren parietalen und präfrontalen Cortex sowie der Insula anterior. Die Sham-Akupunktur führte zu einer erhöhten Aktivität im anterioren cingulären Cortex und in der Insula anterior. Die Verum-Akupunktur erhöhte die Aktivität in den diskriminativ-somatosensorischen und den kognitiven schmerzverarbeitenden Gehirnbereichen, wohingegen die Sham-Akupunktur die Bereiche zur affektiven Schmerzverarbeitung aktivierte. Dies kann eine Erklärung dafür bieten, dass Verum-Akupunktur in Studien mit 48 chronischen Schmerzpatienten bessere Ergebnisse als Sham-Akupunktur liefert. Usichenko TI, Wesolowski T, Lotze M, Brain Imaging Behav. 2014 Apr 12.PMID: 24728839. [PubMed - as supplied by publisher] Eine randomisierte Multicenter-Studie an Patienten mit saisonaler allergischer Rhinitis In dieser Studie wurden 422 Patienten mit saisonaler allergischer Rhinitis in drei Gruppen aufgeteilt. 212 Patienten wurden mit Akupunktur plus Notfallmedizin (RM, Cetirizin), 102 Patienten mit Sham-Akupunktur plus RM und 108 Patienten nur mit RM behandelt. Im Vergleich zu den Gruppen mit Sham-Akupunktur und RM allein zeigte die Gruppe mit Akupunktur plus RM eine Verbesserung der krankheitsspezifischen Lebensqualität und im Gebrauch von Antihistaminika. Da in der Akupunktur-Gruppe eine höhere Anzahl an Nadeln verwendet wurde, kann dies ein Grund für das bessere klinische Abschneiden sein. Ortiz et al.: A randomised multicentre trial of acupuncture in patients with seasonal allergic rhinitis – trial intervention including physician and treatment characteristics. BMC; Complementary and Alternative Medicine 2014 14:128. doi:10.1186/1472-688214-128 Systematischer Review über Akupunktur bei funktioneller Konstipation Eine Untersuchung der Datenbanken Cochrane Library, PubMed, Web of Science, Embase, CBM, CNKI und WanFang zum Zeitpunkt September 2013 über den Vergleich von Akupunktur mit schuldmedizinischer Medikation deckte insgesamt 1041 Probanden mit funktioneller Konstipation ab. Im Vergleich zwischen oberflächlicher Akupunktur an Ma 25 (Tianshu) und schulmedizinischer Medikamentation zeigte sich kein signifikanter Unterschied bei spontanem Stuhlgang pro Woche. Jedoch zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen tiefer Nadelung an Ma 25 (Tianshu) und schulmedizinischer Medikamentation bei spontanem Stuhlgang pro Woche. Obwohl dieser systematische Review eine bessere therapeutische Wirksamkeit von tiefer Nadelung an Ma 25 (Tianshu) gegenüber schulmedizinischer Medi- Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Aus Wissenschaft und Forschung kamentation zeigt, sind die Verlässlichkeit und Qualität der Daten schlecht, so dass die Ergebnisse einer Bestätigung durch randomisierte klinische Studien hoher Qualität bedürfen. Zhang Wei et. al.: Systematic Review of Acupuncture for Functional Constipation. J. Acupunct. Tuina Sci. 2014, 12 (2); 89-95; DOI: 10.1007/s11726-014-0756-z Kardiale und pulmonare Vorteile von Waldspaziergängen im Vergleich zu Stadtspaziergängen bei älteren Frauen In einer randomisiert-kontrollierten Open-Label-Studie wurden 50 Frau- en mit einem Alter von über 60 Jahren einer Gruppe zugewiesen, die für eine Stunde im Wald spazieren ging, während 20 Frauen einer Gruppe zugewiesen wurde, die für eine Stunde in einer städtischen Gegend spazieren ging. Jeweils 30 Minuten vor und nach dieser Aktivität wurden Blutdruck, arterielle Gefäßsteifigkeit (Cardio-Ankle Vascular Index, CAVI) und Lungenfunktionen (FEV1 und FEV6) untersucht. Eine Stunde Waldspaziergang verbesserte signifikant CAVI (p<0,01), FEV1 (p<0,01) und FEV6 (p<0,01). Beim Stadtspaziergang wurden keine signifikanten Veränderungen gemessen. Zwischen diesen beiden Gruppen gab es signi- fikante Veränderungen in Bezug auf alle drei Parameter. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Waldspaziergänge die arterielle Gefäßsteifigkeit und die Lungenfunktionen bei älteren Frauen in Korea verbessern. Größer angelegte Studien sind aber notwendig, um die klinische Signifikanz dieser Ergebnisse nachzuvollziehen. Jee-Yon Lee, Duk-Chul Lee: Cardiac and pulmonary benefits of forest walking versus city walking in elderly women: A randomised, controlled, open-label trial. European Journal of Integrative Medicine, Volume 6, Issue 1, Pages 5-11, February 2014. DOI: 10.1016/j.eujim.2013.10.006 LEITET Narbenentstörung Anwendung in der TCM-Praxis, Physiotherapie Selbstbehandlung zur Förderung des Energieflusses GLEITET Massagen und energetische Therapien Reflexzonen-/Baby-/Atem-/Gua-sha-/Schröpfmassage PFLEGT Narben bei Schwangerschaft Körper- und Gesichtshaut (ersetzt Körpercrème/lotion) Verkauf: www.enercetica.ch Enercetica GmbH CH - 5636 Benzenschwil 056 664 76 06 Verkaufstellen: 03/2014 DE: +49 (0) 7959-1442 AT: +43 (0) 662-83 00 81 49 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Service Rezensionen Gertrude Kubiena: Die Kraft Chinesischer Hausmittel Es gibt viele sogenannte Patientenratgeber für Chinesische Medizin auf dem Markt, die mit mehr oder weniger aufregenden Patentrezepten von vielen TCM-Therapeuten nur ein Achselzucken ernten. Sicherlich ist es zu begrüßen, dass auch Laien mit der Materie vertraut gemacht werden. Doch leider wird die Komplexität der Chinesischen Medizin – und hier insbesondere des Denkens in Zusammenhängen und nicht der logischen Kausalität des Abendlandes hinterherhechelnd – in den meisten Büchern mit Yang=Mann und Yin=Frau bzw. „Fünf Elemente“ relativ kurz abgespeist. In der Praxis hört man dann zum Beispiel: „Aber ich bin doch Wasser, da brauche ich nicht noch mehr Yin.“ Wie wir wissen, ist die passende Antwort dazu von Fall zu Fall durchaus verschieden. 50 Bei dem Buch von Gertrude Kubiena „Die Kraft Chinesischer Hausmittel“ können wir nun freudig in die Hände klatschen. Sie hat es geschafft, den Laien so an die Hand zu nehmen, dass er ein grundlegendes Verständnis über das Gedankengut der Chinesischen Medizin in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise präsentiert bekommt. Dabei macht sie stets auf die gedanklichen Fallen aufmerksam, in die ein westlicher Leser nur zu gerne tappt. Das Buch fängt mit einer kleinen Reise ins Reich der Mitte an und klärt über einige kulturelle Eigenheiten auf. Weiter geht es dann, ausgehend von den Grundlagen der TCM und der Diätetik, in ein zusätzliches Kapitel mit einer Darstellung über die krankmachenden Faktoren und eine patientengerechte Auflistung der Konstitutionstypen. Nun kommt aber der eigentliche Schatz: Weit mehr als die Hälfte des Buchs ist mit praktischen Rezepten und Tipps für verschiedenste Erkrankungen ausgefüllt. Dort finden sich Ratschläge für Hauterkrankungen, Erkältungen, Bluthochdruck und noch viele mehr. Des Weiteren liegt ein Schwerpunkt auf der Gesunderhaltung und Vorbeugung sowohl von Krankheiten als auch von Altersbeschwerden. In diesem Teil sind eine Anzahl leicht zu fertigender Rezepturen versteckt, die selbst vielen TCM-Therapeuten nicht geläufig sein dürften, so z.B. das „Anti-Schuppen-Shampoo Dr. Sun“, die „Rettich-Suppe nach Wu Yan- ping, erkältungsvorbeugend“ oder der „Distelblüten-Glühwein gegen Bauchschmerzen“. Das Buch wird mit einer Arzneimittelliste abgerundet, in der neben den einzelnen Fotos die pharmazeutischen, deutschen und chinesischen Bezeichnungen sowie die Darreichungsform aufgezählt werden. An vielen Stellen finden sich persönliche Anmerkungen oder Erlebnisse von Gertrude Kubiena, die sie in liebevoll-humoriger Weise darstellt. Fazit „Die Kraft Chinesischer Hausmittel“ ist nicht nur als Empfehlung für Patienten geeignet, sondern sollte in keiner TCM-Praxis fehlen. Als Therapeut werden Sie dort praktische und leicht umsetzbare Rezepte für sich selbst als auch für ihre Patienten finden. Damit erweitern Sie nicht nur Ihren Wissensschatz sondern können bei Ihren Behandlungen an passender Stelle eine Empfehlung aus dem Hut zaubern. Gertrude Kubiena ist eine routinierte Meisterin auf dem Gebiet der TCM. Es blitzen in diesem Buch an vielen Stellen erfrischende Anekdoten z.B. von ihren Reisen nach China auf, und man merkt dem Buch an, dass sie mit frohen Herzen sowie Leib und Seele bei der Sache ist. (Maudrich Verlag ISBN: 978-3-85175988-4, 1. Auflage, Flexocover, vierfarbig, 192 Seiten, Preis 19,40 Euro) Christian Yehoash, Jerusalem Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Rezensionen B. Kirschbaum, S. Englert, C. Gabriel: Behandlung von Menopause und klimakterischen Beschwerden Der zweite Band der „Praxisreihe TCM“, die im Verlag Müller und Steinicke München erscheint, gibt einen Einblick in die Behandlung der klimakterischen Beschwerden und richtet sich an erfahrene Therapeuten. Die Autoren arbeiten die Zusammenhänge der Symptome während der Menopause und der Lebensumstände der Frauen heraus und ermöglichen durch ein besseres Verständnis des Krankheitsgeschehens eine erfolgreichere Behandlung. Der Begriff des „Klimakteriums“ wird im ersten Kapitel epidemiologisch erklärt und die Einzelphasen dieses Zeitabschnitts aufgeführt. Die Symptome werden beschrieben und ihrer Häufigkeit nach aufgelistet. Die Autoren besprechen die Folgeerkran- 03/2014 kungen des Klimakteriums und diskutieren sowohl die westlichen Therapieangebote als auch alternative Behandlungsmethoden. Es werden Möglichkeiten zur Vorbeugung der Beschwerden besprochen, wie z.B. die Umstellung von Ernährung und/ oder Lebensweise. Der Behandlungsansatz nach der Chinesischen Medizin wird im zweiten Kapitel beschrieben. Nachdem die Ursachen der klimakterischen Beschwerden aus chinesischer Sicht erklärt werden, gehen die Autoren auf die Behandlung ein. Die Krankheitsmuster werden nach Leber-Pathologie, Hitze-Fülle-Muster, Blut-Stase und Schleim bei zugrundeliegendem Qi-Mangel und/oder Qi-Stagnation und Nieren-Mustern eingeteilt. Bei jeder der differenzierten Pathologie wird der Pathomechanismus ausführlich beschrieben und die zugehörigen Symptome aufgezählt. Dazu werden ein bis zwei Basisrezepturen mit ausführlicher Erläuterung der Bestandteile und mögliche Modifikationen aufgeführt. Die Akupunkturpunkte werden ebenfalls mit einer Erläuterung zu jedem Punkt aufgelistet und über die Wirksamkeit, bzw. die Erfahrungen bei der Behandlung berichtet. Kasuistiken vermitteln im dritten Kapitel weitere praktische Erfahrungen. Sieben Fallbeschreibungen verdeutlichen die Aufschlüsselung von Krankheitsbildern und deren Behandlung. Bei jeder Fallbeschreibung. werden Vorgeschichte, Vorbehandlung, Zeichen und Symptome zum Behandlungsbeginn, der chinesische Befund und die dazugehörige Diagnose ausführlich beschrieben. Die Autoren erläutern die Behandlung, die Thera- piestrategien und den weiteren Verlauf. Die Rezeptur wird auch hier ausführlich erklärt. Durch die Beschreibung dieser Fallgeschichten kann der Leser „Erfahrungen sammeln“ und sich intensiv in das Thema klimakterische Beschwerden einarbeiten. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Studien. Es werden interkulturelle Unterschiede der Beschwerdebilder verglichen, Studien über die Wirksamkeit der Akupunktur und Arzneitherapie und experimentelle Studien zur Wirkweise der Behandlungsansätze aufgeführt. Einige der „Abstracts“ wurden in den Text aufgenommen (in englischer Sprache), bei anderen wird auf Internetseiten verwiesen, auf denen die Studien nachzulesen sind. Im Anhang finden wir eine übersichtliche Tabelle, in der die Rezepturensammlung nach den Syndromen geordnet und die Rezepturen somit leicht auffindbar sind. Fazit Ein übersichtliches Buch, das zu recht in einer „Praxisreihe“ erscheint, die Anregungen zur Therapie können sofort in die Praxis umgesetzt werden. Der Therapeut sollte sich mit den Hintergründen des Themas Menopause und den Ursachen der klimakterischen Beschwerden schon vor der Lektüre des Buchs beschäftig haben. (Verlag Müller und Steinicke ISBN: 978-3-87569-9, 1. Auflage, Hardcover, zweifarbig, 149 Seiten, Preis 39,00 Euro) Doris Schultze-Naumburg, Übersee am Chiemsee 51 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner DWG TCM DWGTCM Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin e.V. Gut Sutthausen 1, 49082 Osnabrück, Tel.: 05 41/2 02 69 36, Fax: 05 41/2 02 69 37, mail: [email protected], www.dwgtcm.com Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der interkulturelle Austausch, so spannend, notwendig und gewinnbringend er auch sein kann, schafft häufig Probleme, die sich in ihrer Tragweite oft erst langsam und unbemerkt entwickeln. Während im anglo-amerikanischen Sprachraum deutschsprachige Entlehnungen wie „rucksack“, „to abseil“ oder „kindergarten“ keinen Bedeutungswandel erfahren, zeigen wir Deutsche mit „englischen“ Wörtern eine ungeahnte Kreativität. Einen Zwitter zwischen Rucksack und Handtasche nennen wir, modern wie wir nun einmal sind, bodybag (engl. für Leichensack). Wenn`s schön macht! Ein Handy benutzen auch nur wir, die englisch sprechende Welt spricht via mobile miteinander. Ernster wird es, wenn sich auch im wissenschaftlichen Setting solche Ungenauigkeiten etablieren. Paradebeispiel hierfür ist die evidenzbasierte Medizin oder evidence-based medicine. Der aus dem Englischen stammende Begriff bedeutet „auf empirische Belege gestützte Heilkunde“. Im Deutschen hat Evidenz eher die Bedeutung einer Offensichtlichkeit, die keines Beweises bedarf. So kann eine evidente Therapieoption auch einmal keine oder nur eine geringe evidence besitzen und eine evidence-based Therapie nicht evident sein, wie das Nicht-Therapieren von bestimmten Subentitäten von Prostatakrebserkrankungen. Die Missverständnisse bzw. der ungenaue 52 Umgang mit dem Begriff evidence-based medicine berühren jedoch noch ganz andere Ebenen. Die Idee einer evidence-based medicine ist sehr viel älter als allgemein wahrgenommen. Bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die systematische, klinische Beobachtung unverzichtbarer Teil der medizinischen Forschung. Wichtig ist hier anzumerken, dass evidence-based medicine per se keine Kausalität darstellt, obschon sie Schlüsse auf Kausalzusammenhänge erlaubt. Zum Beispiel: Die Nadelung des Akupunkturpunktes Di 4 (Hegu) zeigt reproduktiv Effekte im Bereich des Unterkiefers (evidence-based medicine). Im Humanexperiment konnten Koppelungen der zerebralen Projektionsareale der Hand mit denen des unteren Gesichtes nachgewiesen werden. Durch Funktionale Kernspintomograhie (FMRI) konnte gezeigt werden, dass eine Reizung von Di 4 nicht nur das Hand-Areal sondern auch das Gesicht-Areal stimuliert. (Functional Mapping of Human Brain During Acupuncture with MRI Imaging Somatosensory Cortex Activation by Hui Kathleen K.S., Liu Jing, Kwong Kenneth K. of MGHNMR Center, Department of Radiology Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Charlestown, MA, USA. and East-West Immune Institutue, Winchester, MA, USA) Unbestreitbar ist, dass die Beschäftigung mit einer evidence-based medi- cine zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung in der Erhebung und Bewertung veröffentlichter, medizinischer Daten geführt hat (z.B. Cochrane Collaboration, Jadad-Skala etc.) und auch weiter führen wird. Zum Beispiel: Review of controlled clinical trials on acupuncture versus sham acupuncture in Germany. He W, Tong Y, Zhao Y, Zhang L, Ben H, Qin Q, Huang F, Rong P. Die Autoren diese Reviews führen die z.T. widersprüchlichen Ergebnisse hinsichtlich der Bewertung einer Verumund einer Sham-Akupunktur in 57 deutschen Studien (2002–2011) auf mangelhaftes Studiendesign zurück. Insbesondere die fehlende Standardisierung der Sham-Akupunktur sowie der fehlende wissenschaftliche Nachweis der Eignung der Sham-Akupunktur als Placebo in Akupunkturstudien würden die Aussage „Verum- und Sham-Akupunktur zeigten keinen Unterschied im Therapieeffekt“ in Frage stellen. Der Problematik eines geeigneten Placebomodells sollte in zukünftigen Akupunkturstudien deutlich mehr Gewicht zugesprochen werden. Heute wird evidence-based medicine auf organisatorische und institutionelle Ebenen übertragen. Eine Behandlungsempfehlung wird nicht individuell für einzelne Kranke, sondern für eine Gruppe von Kranken oder für eine ganze Bevölkerung ermittelt. Aus einem Instrument des case management wird zunehmend Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner DWG TCM ein Instrument des disease management. Hier ist die Ableitung von Behandlungsempfehlungen, Leitlinien, Richtlinien oder Regulierungen aus Ergebnissen der evidence-based medicine, zumindest gegenwärtig, als sehr bedenklich zu bewerten, allein durch die Tatsache, dass von wem auch immer gesponserte Untersuchungen bzw. Meta-Analysen einem starken Publikationsbias unterliegen. Zudem werden fälschlicherweise medizinische Daten geringerer evidence oft als nicht bewiesen, bzw. beweisend wahrgenommen. Eine Kasuistik, die individuelle klinische Expertise, mag eine geringere Beweiskraft haben als eine Meta-Analyse, ist aber dennoch Teil einer systematischen Forschung und damit evidence-based medicine. Aber auch Meta-Analysen haben es 03/2014 gelegentlich schwer in der Erarbeitung von Leitlinien berücksichtigt zu werden, wenn die Zusammensetzung der Kommissionen die klinische Realität der Therapieoptionen ungenügend widerspiegelt. Zum Beispiel: Efficacy of Traditional Chinese Herbal Medicine in the management of female infertility: a systematic review. Ried K, Stuart K; Discipline of General Practice, School of Population Health & Clinical Practice, The University of Adelaide, South Australia. Die australischen Forscher konnten in einer Meta-Analyse mit insgesamt 1851 Frauen mit Fertilitätsstörungen zeigen, dass im Vergleich zur westlich-medikamentösen Therapie und zur IVF die Therapie mit Chinesischer Medizin die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft verdoppelt bis vervierfacht. Der beschriebenen Entwicklung einer evidence-basierten Gesundheitsversorgung (evidence-based health care) wird zunehmend der Begriff der value based medicine im Sinne einer human based medicine entgegen gestellt. Zu der Kritik an einer unbegründeten Überhöhung des Begriffes der evidence-based medicine – nichts sollte für einen Arzt selbstverständlicher sein als die Berücksichtigung wissenschaftlicher Grundsätze in Diagnostik und Therapie – gesellen sich auch methodologische Gesichtspunkte, wie die generelle Infragestellung der Meta-Analyse als geeignete Quelle der evidence. Ihre DWG TCM 53 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner DWG TCM BACOPA BILDUNGSZENTRUM ZERTIFIZIERTE ER WACHSENEN-FORTBILDUNGSEINRICHTUNG Auszug aus unseren kommenden Veranstaltungen: Heike Wiedemann: Schröpfen und Gua Sha | Samstag, 27. und Sonntag, 28. September 2014 | Jason Robertson: Meridianpalpation und Diagnose | Freitag, 03. bis Sonntag, 05. Oktober 2014 | Florian Ploberger: Zungendiagnose in der Chinesischen Medizin | Samstag, 11. und Sonntag, 12. Oktober 2014 | Christoph Sellner: Fortbildung für Hebammen in Akupunktur und Chinesischer Medizin | Donnerstag, 16. und Freitag, 17. Oktober 2014 | Heike Wiedemann: Moxa - Was die Nadel nicht heilt, heilt Moxa | Samstag, 25. und Sonntag, 26. Oktober 2014 | Informationsabend für: Tuina An Mo PraktikerIn Ausbildung 2015–2017 | Freitag, 14. November 2014 um 19.00 | Fachbuch-, Therapie- und Lernmittelversand … mit allem, was Sie suchen! BACOPA BILDUNGSZENTRUM, VERLAG, VERSAND mail to: [email protected], web: www.bacopa.at Telefon: +43 (0) 72 51-222 35 Fax: +43 (0) 7251-222 35-16 Postanschrift: Waidern 42, 4521 Schiedlberg, Österreich SEIT 2003 ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNGSEINRICHTUNG -)" (/('' "&.&*'$$)$ (& ")$' $& ()$$ -*, $&& ($#&$$$0&&)$'%$' -$&!$$(& ")$'(&/& $/&$($)$"+)& 54 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM ÖAGTCM Österreichische Ausbildungsgesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin Waidern 42, 4521 Schiedlberg/Austria Tel: +43(0)7251-22235-14, Fax: 22235-16, mail: [email protected], www.oeagtcm.at Die ÖAGTCM wurde im Dezember 2004 von einem Ärzt/inn/en-Team gegründet, um Kolleg/inn/en eine optimale TCM-Ausbildung in Oberösterreich anzubieten. Ich wünsche Ihnen viel Freude mit der TCM! Mit vorzüglicher Hochachtung, Dr. med. univ. Florian Ploberger B. Ac., MA Präsident der ÖAGTCM +++ Tibetische Rezepturen aus Sicht der TCM Florian Ploberger Die Traditionelle Tibetische Medizin (TTM) wird, ebenso wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), auch außerhalb Asiens immer beliebter. Nicht immer ist es ganz einfach, Einzelkomponenten oder Rezepturen in einer hohen und gleichbleibenden Qualität zu beschaffen, die westlichen Qualitätsstandards entsprechen. Arzneimittel, welche im westlichen Kulturraum produziert werden, müssen gemäß der sogenannten „Good Manufacturing Practice (GMP)“ hergestellt werden und unterliegen einer strengen Überwachung durch die Behörden. Ziel dieses Artikels ist es nun, eine Auswahl von Rezepturen der TTM, welche von der PADMA AG nach westlichen Qualitätsstandards/GMP in der Schweiz produziert werden, aus Sicht der TCM zu beurteilen. Der Artikel soll zum 03/2014 Erhalt und zur Verbreitung des Einsatzes der vorgestellten hochwertigen und ausgewogenen Rezepturen der TTM beisteuern. Darüber hinaus soll er einen Beitrag zum Brückenschlag zwischen TTM und TCM leisten und damit Therapierenden der TCM einen Zugang zur Wirkweise dieser tibetischen Pflanzenformeln eröffnen. In den beiden traditionellen Medizinsystemen haben sich völlig unterschiedliche Konzepte und damit auch differierende Beschreibungen der verwendeten Wirkstoffe und Rezepturen entwickelt. Die Erkennung und Beschreibung dieser Unterschiede sollen eine Grundlage für einen intensiveren Austausch zwischen TTM und TCM liefern und als Diskussionsgrundlage dienen. Im Unterschied zur TTM, welche hauptsächlich den Ort, an dem eine Pflanze wächst, den Geschmack, das makroskopische Aussehen einer Pflanze sowie astrologische Aspekte bei der Beschreibung einer Pflanze berücksichtigt, besticht die TCM durch exakte Beschreibung der in ihrer Materia Medica vorkommenden Pflanzen. So werden neben Geschmack, thermischer Wirkung, Organzuordnung jeweils die speziellen Wirkungen und die empfohlenen Tagesdosierungen angegeben. Eine weitere Stärke der traditionellen chinesischen Ärzte war es, über die Beschreibung der Einzelkräuter hinaus Rezepte zusammenzustellen, deren Aufbau durch Präzision besticht. So kommen in den meisten TCM-Rezepturen folgende Bestandteile vor: 55 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM Kaiserkräuter, Ministerkräuter, Polizeikräuter sowie Botenkräuter. In Abhängigkeit davon, wo sie gewachsen sind, welchen Witterungsbedingungen sie ausgesetzt waren, zu welchen astrologischen Konstellationen sie geerntet wurden und einer Reihe anderer Faktoren ist bei verschiedenen Pflanzen ein Unterschied in der Wirkung zu beobachten. Im ersten Teil dieses Artikels werden die folgenden Rezepturen der TTM aus Sicht der TCM-Phytotherapie zusammenfassend beschrieben: Padma Leber-Regulans (in Österreich: Padma Hepaten), Padma Nerven-Tonikum (in Österreich: Padma Nervotonin), Padma Lax, Padma Rheuma-Akutformel, Padma Venen-Tonikum (Padma Venaben), Padma Leber-Galle-Tonikum, Padma Grippe-Formel sowie Padma Magenbrennen-Formel (Padma Aciben). Alle oben erwähnten Rezepturen sind in der Schweiz im Kanton Appenzell Außerrhoden als Arzneimittel auf dem Markt. Die Rezepturen Padma Nervotonin und Padma Hepaten sind außerdem in Österreich als Nahrungsergänzungsmittel in Drogerien und Apotheken erhältlich. Im zweiten Teil des Artikels wird die Rezeptur Padma Digestin in ausführlicher Art und Weise aus Sicht der TCM-Phytotherapie beschrieben. Padma Digestin ist in der Schweiz als Arzneimittel zugelassen und in Apotheken erhältlich. In Österreich ist es als Nahrungsergänzungsmittel in Drogerien und Apotheken erhältlich. Verwendete Quellen Für den vorliegenden Artikel wurden hauptsächlich folgende Wörterbücher zu Rate gezogen: „The New Tibetan-English Dictionary Of Modern Tibetan” (Goldstein 2004), „Glossary of Standardised Terms“ (Department of Education/CTA, Terminology Pro- 56 ject 2009), „Glossary of Standardised Terms, Serial 2“ (Department of Education/CTA, Terminology Project 2010), „Glossary of Standardised Terms, Serial 3“ (Department of Education/CTA, Terminology Project 2011), das „Tibetan-English Dictionary of Tibetan Medicine and Astrology“ (Drungtso 2005), die in tibetischer Sprache erschienenen Werke „Das große dung dkar Tibetisch-Chinesisch Wörterbuch” mit dem tibetischen Titel „dung dkar tshig mdzod chen mo” (dung dkar blo bsang ‚phrin las 2002), „Das große Wörterbuch der tibetischen Heilkunde” mit dem tibetischen Titel „bod lugs gso rig tshig mdzod chen mo” (bod rang skyong ljongs sman rtsi khang 2006) sowie „Das große Tibetisch-Chinesisch Wörterbuch” mit dem tibetischen Titel „bod rgya tshig mdzod chen mo” (krang dbyi sun 2003). Darüber hinaus kam das „Rangjung Yeshe Tibetan-English Dictionary“ in seiner im Internet zugänglichen Form (Nitharta international 2010), sowie die online Wörterbücher der THL Webseite (THL 2010) zur Anwendung. Für die botanischen Namen der Pflanzen dienten diverse Informationsquellen. Die Wichtigsten waren: „Tibetan Medicinal Plants“ (Kletter und Kriechbaum 2001), „A Clear Mirror of Tibetan Medicinal Plants, First bzw. Second Volume“ (Dawa 1999 bzw. 2009), das „Dictionary Of Tibetan Materia Medica“ (Yonten 1998), sowie die in tibetischer Sprache erschienenen Bücher „bod kyi gso rig dang a yur we dha krung dbyi‘i sman gzhung bcas las bstan b‘i skye dngos sman rdzas kyi dpar ris dang lag len btus“ von Dr. Tsultrim Kalsang (tshul khrims skal bzang 2008) und „‚khrungs dpe dri med shel gyi me long“ von Gawa Dorje (dga‘ ba‘i rdo rjes 1995). Wenn nicht anders angegeben, folgt die TCM-Klassierung der einzelnen Kräuter den Werken von Bensky (1993) und Ploberger (2006 und 2013). Beschreibung der diversen Rezepturen aus Sicht der TCM Padma Leber-Regulans (Padma Hepaten) Diese Mischung besteht aus lediglich drei „Kräutern“: Terminalia chebula RETZ, Phyllanthus emblica L. (syn. Emblica officinalis GAERTN.) sowie Terminalia bellirica (GAERTN.) ROXB. Laut Beschreibung unterstützt diese Mischung die Entgiftung des menschlichen Organismus, stärkt die Leber, ihre Reinigungsfunktion sowie ihre Regenerationsfähigkeit. Alle drei Kräuter werden in der TTM sehr häufig und gerne zum Klären des Blutes sowie als allgemeines Stärkungsmittel eingesetzt (Yonten 1998: 305). Diese Pflanzen sind in TTM als vielgeschmacklich beschrieben und können daher zur Behandlung einer großen Anzahl von Krankheitsbildern eingesetzt werden. Laut TCM ist Terminalia chebula (Pinyin-Bezeichnung Hezi) bitter, sauer sowie adstringierend und thermisch neutral. Zugeordnete Organe sind Lunge, Magen, Dickdarm sowie Leber. Laut TCM wirkt diese Pflanze zusammenziehend im Bereich des Dickdarms und somit Durchfall lindernd sowie Lungen-Qi-bewahrend (Bensky 1993: 380). Damit ist auch der Einsatz als allgemeines Stärkungsmittel zu erklären. Die Wirkstoffmischung ist aus Sicht der TCM sauer, adstringierend, bitter und thermisch neutral. Durch den sauren sowie adstringierenden Geschmack lässt sich die Qi bewahrende Wirkung erklären, durch den bitteren Geschmack eine klärende Wirkung Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM auf Feuchte-Hitze sowie eine leicht klärende Wirkung auf Blut-Hitze. Padma Nerven-Tonikum (Padma Nervotonin) Padma Nerven-Tonikum wirkt laut Beschreibungstext nervenstärkend und beruhigend. Es wird bei Nervosität, Reizbarkeit, innerer Unruhe und Spannungszuständen sowie bei Ein- und Durchschlafstörungen angewendet. Darin enthalten sind Pflanzenteile der Kräuter Ferula assa-foetida L., Bombax ceiba L., Syzygium aromaticum (L.) Merr. Et L. M. Perry, Choerospondias axillaris (Roxb.) B. L. Burtt & A.W. Hill, Saussurea costus (Falc.) Lipschitz; (syn. Aucklandia costus Falc; Saussurea lappa (Decne.) C. B. Clarke), Guaiacum sanctum L., Myristica fragrans HOUTT., Terminalia chebula RETZ und Boswellia frereana BIRDW. Diese Rezeptur ist aus Sicht der TCM adstringierend, leicht bitter bzw. scharf und thermisch neutral. Interessanterweise enthält die Rezeptur einige bittere, kalte Kräuter, die zum Beruhigen des Shen (Geist) bzw. zum Ausleiten von Herz-Feuer eingesetzt werden können, gegensätzlich dazu jedoch auch Pflanzen wie Saussurea costus und Myrystica fragrans, welche aromatisch bzw. scharf und thermisch warm sind (tshul khrim skal bzang 2008: 297). Diese Kräuter tonisieren das Milz-Qi und -Yang. Die Rezeptur wirkt damit nicht nur beruhigend auf den Shen (Geist), sondern auch Feuchtigkeit ausleitend bzw. der Diagnose „Schleim verlegt die Herzkanäle“ entgegen. durango Reichenb. fil.), Rhamnus frangula L., Gentiana lutea L., Inula helenium L., Terminalia chebula RETZ, Piper longum L., Rhamnus purshiana DC., Rheum officinale BAILLON, Strychnos nux-vomica L. und Zingiber officinale ROSCOE sowie den Mineralien Kaolinum ponderosum, Natrii hydrogenocarbonas und Natrii sulfas anhydricus besteht. Diese Mischung dient der Behandlung gelegentlicher Verstopfung (z.B. bei Kostumstellung, Ortswechsel, Bettruhe). Zusätzlich zur abführenden Wirkung werden durch Einnahme dieser Rezeptur die Verdauungsfunktionen angeregt und Blähungen vermindert. Aus Sicht der TCM handelt es sich bei Padma Lax um eine überwiegend bittere, aber auch leicht scharfe Rezeptur. Thermisch ist sie leicht kühl. Die bitteren, kalten Kräuter wie Rheum officinale (Dawa 1999: 286) und Gentiana lutea können als Kaiserkräuter der Rezeptur angesehen werden, welche Feuchte-Hitze aus dem Bereich des Dickdarms ausleiten. Scharfe, thermisch warme oder gar heiße Polizeikräuter wie Piper longum und Zingiber officinale (tshul khrim skal bzang 2008: 87) stärken das Nieren- und Milz-Yang und verhindern somit, dass die Rezeptur zu stark ausleitend wirkt. Einige weitere Kräuter, wie beispielsweise Terminalia chebula und Aloe barbadensis Miller wirken harmonisierend auf den Dreifachen Erwärmer. Insgesamt handelt es sich somit um eine im Bereich des Dickdarms Feuchte-Hitze ausleitende Rezeptur, die jedoch das Milz-Qi und -Yang nicht verletzt. Padma Lax Bei dieser Rezeptur handelt es sich um ein Abführmittel, welches aus Pflanzenteilen der Kräuter Aloe barbadensis Miller, Jateorhiza palmata (Lam.) Miers., Marsdenia reichenbachii Triana (syn. Marsdenia con- Padma Rheuma-Akutformel Diese Rezeptur besteht aus Pflanzenteilen der Kräuter Gentiana lutea L., Terminalia chebula RETZ, Phyllantus emblica L. (syn. Emblica officinalis GAERTN) sowie Tinospora cordifolia (WILLD.) MIERS. Zusätzlich zu 03/2014 diesen Kräutern enthält die Rezeptur noch wässrigen Steinölextrakt (Brag shun). Empfohlen wird die Einnahme der Padma Rheuma-Akutformel bei akuten rheumatischen Beschwerden, welche mit Rötungen, Schwellungen und Schmerzen in Gelenken und Muskeln einhergehen. Eine Anwendung bei akuten Gicht- und Arthritisbeschwerden ist ebenfalls möglich. Laut TCM kann diese Rezeptur sowohl eingesetzt werden, um Feuchte-Hitze aus dem Bereich von Leber und Gallenblase (und somit akut entzündliche Prozesse) auszuleiten, als auch um ein Bi-Syndrom zu behandeln. Unter Bi-Syndrom wird in der TCM ein Eindringen der „pathogenen Faktoren“ Wind, Kälte sowie Feuchtigkeit in den Bereich der Meridiane und Gelenke bezeichnet. Dieses Bi-Syndrom kann in akuten Phasen mit Schmerzen, Rötungen sowie Schwellungen im Bereich der Gelenke einhergehen. Gentiana lutea L. ist bitter und thermisch kalt und leitet Feuchte-Hitze im Bereich von Leber und Gallenblase aus (Yonten 1998: 131). Die drei anderen Kräuter der Rezeptur können darüber hinaus zur Behandlung eines Bi-Syndroms eingesetzt werden. Sie besitzen neben dem bitteren auch einen scharfen Geschmack und sind thermisch nur leicht kühl. Aus Sicht der TCM ist der Steinölextrakt bitter, leicht kühl und wird zum Ausleiten von Hitze im Bereich von Leber und Nieren eingesetzt. Generell wirken ölige Essenzen hauptsächlich als Jing-Tonic und wirken damit stärkend auf das Nieren-Qi. Insgesamt ist die Mischung Padma Rheuma-Akutformel somit bitter und leicht scharf, thermisch kühl und kann damit zur Behandlung von Feuchte-Hitze im Bereich von Leber und Gallenblase sowie eines mit Hitze-Symptomen einhergehenden Bi-Syndroms eingesetzt werden. 57 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM Padma Venen-Tonikum (Padma Venaben) Diese Rezeptur besteht aus Pflanzenteilen der Kräuter Elettaria cardamomum (Roxb.) Maton var. minuscula Burkill, Carthamus tinctorius L., Cinnamomum aromaticum NEES, Rhamnus frangula L., Fumaria officinalis L., Achillea millefolium L., Piper longum L. bzw. Piper retrofractum VAHL, Punica granatum L., Quercus petraea (MATT.) LIEBL. bzw. Quercus pubescens WILLD. bzw. Quercus robur L., Taraxacum officinale F.H. Wigg. Aggr., Urtica dioica L. und Urtica urens L. Außerdem sind in der Mischung Ammoniumchlorid (NH4Cl) und Rohzucker (Saccharum officinarum L.) enthalten. Laut Beschreibung wird die Rezeptur angewendet bei Beschwerden wie geschwollenen oder schmerzenden Beinen, Schweregefühl in den Beinen, Krampfadern oder Hämorrhoiden. Die Wasserausscheidung wird angeregt. Laut TCM enthält diese Mischung zahlreiche bittere, kühle oder sogar kalte Kräuter wie beispielsweise Rhamnus frangula L., Fumaria officinalis L., Achillea millefolium L., Quercus patraea, Taraxacum officinale, Urtica dioica L. All diese Kräuter leiten Feuchte-Hitze über die Diurese bzw. im Fall von Rhamnus frangula L. über den Stuhl aus. Die scharfen, thermisch warmen Kräuter wie Cinnamomum aromaticum NEES sowie Piper longum L. tonisieren das Milz- sowie Nieren-Yang und wirken somit Feuchter-Kälte entgegen. Carthamus tinctorius wird mild Blut-Stagnationen entgegen, Die restlichen Kräuter sowie Rohzucker, welcher thermisch leicht warm und vom Geschmack her süß beschrieben wird, tonisieren hauptsächlich das Milz-Qi (Men-Tsee-Khang 2011: 181). Die gesamte Mischung ist aus Sicht der TCM vom Geschmack her bitter 58 sowie scharf und thermisch leicht kühl. Sie kann eingesetzt werden, um Feuchtigkeit bzw. Feuchtigkeits-Stagnationen über die Diurese auszuleiten, ohne das Milz-Qi zu verletzen. Padma Leber-Galle-Tonikum Diese Rezeptur besteht aus Pflanzenteilen der Kräuter Elettaria cardamomum (Roxb.) Maton var. minuscula Burkill, Carthamus tinctorius L., Centaurium erythraea Rafn s. l., Cinnamomum aromaticum NEES, Cola acuminata (P. Beauv.) Schott et ENDL. bzw. Cola nitida (Vent.) Schott et Endl., Cynara scolymus L., Terminalia chebula RETZ, Nasturtium officinale R. BR., Piper longum L. bzw. Piper retrofractum VAHL, Punica granatum L., Taraxacum officinale F. H. Wigg aggr. und Veronica officinalis L. Zusätzlich beinhaltet die Rezeptur das Mineral Natrii sulfas anhydricus sowie Aktivkohle (Carbo activates). Dieses Arzneimittel wird laut Beschreibung angewendet bei einer geschwächten Leber-Galle-Funktion, die konstitutionell bedingt sein oder von einem Leberschaden, z.B. auf Grund einer zuvor erfolgten Leberentzündung, herrühren kann. Eine eingeschränkte Leber-Galle-Funktion kann sich durch unterschiedliche Beschwerden wie rasche Ermüdbarkeit, Appetitlosigkeit, Migräne, Blähungen, Übelkeit und Verstimmungszustände äußern. Aus Sicht der TCM wirkt diese Rezeptur „harmonisierend“ auf das Holz- sowie Erd-Element. Zahlreiche bittere, kühle Kräuter wie Centaurium erythraea Rafn s. l., Cynara scolymus L. sowie Taraxacum officinale F. H. Wigg aggr. leiten Feuchte-Hitze aus dem Bereich von Leber und Gallenblase aus (Dawa 1999: 326). Die bittere, aber auch scharfe, thermisch warme Pflanze Nasturtium officinale R. BR. tonisiert das Nieren- und Milz-Yang, ohne das Yin zu verletzen. Einige aromatische, scharfe, ther- misch warme Bestandteile wie Elettaria cardamomum, Cinnamomum aromaticum NEES, Cola acuminata, Piper longum L., Punica granatum L., aber auch Aktivkohle (Carbo activates) sowie Veronica officinalis L. tonisieren das Milz-Qi sowie -Yang. Abgerundet wird die Rezeptur durch das Blut-Stagnations-ausleitende Kraut Carthamus tinctorius L. (Dawa 1999: 102); sowie das salzige, thermisch kalte Mineral Natrii sulfas anhydricus. Der salzige Geschmack wird in der TCM eingesetzt, um Tan (Schleim-Stagnationen) aufzulösen. Insgesamt ist diese Rezeptur bitter, scharf, aromatisch und thermisch neutral. Sie kann harmonisierend eingesetzt werden, wirkt Feuchtigkeit und auf milde Art und Weise Blut-Stagnationen entgegen und tonisiert gleichzeitig das Milz-Qi sowie -Yang. Padma Grippe-Formel Die Rezeptur besteht aus Pflanzenteilen der Kräuter Aconitum napellus L., Angelica archangelica L., Saussurea costus (Falc.) Lipschitz; (syn. Aucklandia costus Falc.; Saussurea lappa (Decne.) C. B. Clarke), Trigonella foenum-graecum L., Galeopsis segetum Necker, Mentha piperita L., Terminalia chebula RETZ, Ononis spinosa L. sowie Salvia fruticosa MILL. (syn. Salvia triloba L. fil.). Laut Beschreibung lindert die Padma Grippe-Formel die Symptome einer Grippe oder eines grippalen Infekts wie Glieder- und Muskelschmerzen sowie Fieber und unterstützt den Heilungsprozess in der Rekonvaleszenzphase. Aus Sicht der TCM besitzt die Rezeptur ein breites Wirkungsspektrum. Einerseits enthält sie Aconitum napellus L., ein scharfes, thermisch heißes Kraut, welches eingesetzt werden kann, um das Yang zu tonisieren bzw. die „pathogenen Faktoren“ Wind und Kälte zu vertreiben (Dawa 1999: 48). Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM Trigonella foenum-graecum wirkt ähnlich, nur milder (tshul khrim skal bzang 2008: 363). Diese Pflanze ist aus Sicht der TCM thermisch nicht heiß, sondern lediglich warm. Mentha piperita L. ist scharf, thermisch kühl und vertreibt äußere Wind-Hitze. Die restlichen Kräuter dieser Rezeptur wirken hauptsächlich tonisierend auf das Milz-Qi und -Yang. Dies wirkt sich positiv auf das „Wei-Qi“ (Abwehr-Qi) aus, welches dem „Immunsystem“ der westlichen Biomedizin entspricht. Lautet doch ein Sprichwort der TCM: „Das WeiQi hat seinen Ursprung im Bereich des Nieren-Yang, wird vom Milz-Qi produziert und durch die Lunge verteilt“. Ein kräftiges Wei-Qi wirkt grippalen Infekten vorbeugend entgegen, aber auch genesend in deren Behandlung. Zusammenfassend wirkt die Padma Grippe-Formel tonisierend auf das Milz-Qi sowie im Speziellen auf das Wei-Qi, andererseits kann die Rezeptur zum Ausleiten von Wind-Hitze und auch Wind-Kälte eingesetzt werden. Padma Magenbrennen-Formel (Padma Aciben) Diese Rezeptur besteht aus dem Mineral Calcii carbonas sowie den Pflanzenteilen der Kräuter Elettaria cardamomum (Roxb.) Maton var. Minuscula Burkill, Carthamus tinctorius L., Inula helenium L., Piper longum L. bzw. Piper retrofractum VAHL und Punica granatum L, Laut Beschreibung wird die Padma Magenbrennen-Formel bei Magenbrennen und saurem Aufstoßen sowie bei Reflux (Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre) angewendet. Aus Sicht der TCM besteht diese Rezeptur aus dem salzigen, thermisch kalten Calcii carbonas (Yonten 1998: 58, Men-Tsee-Khang 2011: 70), welches eingesetzt werden kann, um 03/2014 Magen-Feuer zu kühlen sowie eine Umkehrung des Magen-Qi entgegenzuwirken. Calcii carbonas kann sicherlich als das „Kaiserkraut“ der Rezeptur bezeichnet werden. Unterstützt wird Calcii carbonas durch Inula helenium L.. Diese Pflanze ist bitter und scharf und kann ebenfalls eingesetzt werden, um das Qi abwärts zu leiten. Im Unterschied zu Calcii carbonas ist Inula helenium L. jedoch thermisch warm. Alle weiteren Bestandteile der Rezeptur, mit Ausnahme von Carthamus tinctorius L. sind scharf, teileweise aromatisch und thermisch zumindest warm (Men-Tsee-Khang 2011: 76). Diese Kräuter können eingesetzt werden, um das Milz-Qi sowie -Yang zu tonisieren bzw. um Feuchte-Kälte aus dem Bereich des Verdauungstraktes auszuleiten. Carthamus tinctorius L. wird laut TCM eingesetzt, um Blut-Stagnationen und somit Schmerzen entgegenzuwirken. Insgesamt kann die Rezeptur Padma Magenbrennen-Formel also eingesetzt werden, um einer Umkehrung des Magen-Qi sowie Schmerzen im Bereich des Verdauungstraktes entgegenzuwirken. Die Rezeptur ist vom Geschmack her salzig, aromatisch und scharf und thermisch leicht kühl. Beschreibung der Rezeptur Padma Digestin aus Sicht der TCM Im folgenden Teil dieses Artikels soll die Rezeptur Padma Digestin in ausführlicher Art und Weise aus Sicht der TCM beschrieben werden. Gemäß Packungsbeilage (Schweiz) stärkt Padma Digestin die Verdauung und wird traditionell angewendet bei Neigung zu Verdauungsschwäche, Verdauungsstörungen, Druck- oder Völlegefühl in der Magengegend, Blähungen und Appetitmangel. Es unterstützt eine gesunde Magenentleerung und harmonisiert die Aktivi- tät von Magen und Darm. Dadurch wird die Passage der Nahrung erleichtert und verbessert. Die Rezeptur regt die Produktion der verschiedenen Verdauungssäfte an und sorgt für eine gute Durchmischung des Speisebreis. Nach der rechtzeitigen Beförderung aus dem Magen in den Darm verlängert die Pflanzenmischung außerdem das Verweilen im Dünndarm, so dass genügend Zeit für die Zersetzung und Resorption der Nährstoffe bleibt. Bei geschwächtem Allgemeinzustand wird mangelndem Appetit sowie längerfristig auch Müdigkeit und Abgespanntheit entgegengewirkt. Anbei ein Auszug aus einem Abschnitt über medizinische Pulver zur Heilung von Kälte-Krankheiten im vierten Kapitel des Letzten Tantra über die der Mischung Padma Digestin zugrundeliegenden tibetischen Rezeptur se ’bru lnga pa (fünf): „Diese dient zur Behandlung von Verdauungsstörungen aufgrund von bad kan-Krankheiten, kalten Schleimmassen im Bereich des Magens, Erbrechen, Anorexie und ist besonders wirksam bei rlung-Krankheiten des Herzens sowie bei Krankheiten der Niere und der Leibesmitte. Fügt man obiger Mischung stattdessen gur kum hinzu, so entsteht die Arznei se ’bru lnga pa zur Regulierung der Hitze des Verdauungstraktes und des Hitze-Kälte-Konfliktes“ (Men-TseeKhang 2011: 76). In den meisten Fällen bestehen die Rezepturen der TTM aus einer großen Anzahl an Einzelbestandteilen (Pflanzen, Mineralien und auch Tierprodukte, welche heute jedoch kaum mehr eingesetzt werden). Daher ist es nicht immer einfach zu definieren, welcher Bestandteil Kaiser-, Minister-, Polizei- und welcher Botenkraut ist. Bei der vorliegenden Rezeptur, die lediglich aus fünf Kräutern besteht, 59 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM fällt eine derartige Zuordnung leichter. Von den fünf Kräutern, deren Pflanzenteile Bestandteil der Rezeptur sind, kann sicherlich Punica granatum L. als das Kaiserkraut bezeichnet werden. Die übrigen vier Kräuter Elettaria cardamomum (Roxb.) Maton var. minuscula Burkill, Cinnamomum aromaticum NEES, Alpinia officinarum Hance und Piper longum L./Piper retrofractum VAHL sind Ministerkräuter, welche das Kaiserkraut in seiner Wirkung unterstützen. Der Wirkstoff Punicae granati semen (die Samen von Punica granatum L., Granatapfel) wird im Tibetischen mit se ’bru bezeichnet (Dawa 2003: 50). Die in der TTM verwendeten Granatapfelsamen sind vom Geschmack her sauer, thermisch warm (tshul khrim skal bzang 2008: 374) und werden eingesetzt, um das Milz-Qi sowie -Yang zu tonisieren, das Blut zu nähren und Parasiten zu vertreiben. Interessanterweise kommen in der TCM in den meisten Fällen nicht Granatapfelsamen, sondern lediglich die Schalen der Früchte (Punicae granati pericarpium, chinesisch: Shiliupi) zur Anwendung. Diese werden als sauer, adstringierend und thermisch warm beschrieben. Hauptsächliche Anwendungsgebiete aus Sicht der TCM sind Durchfall- sowie Parasitenerkrankungen. Darüber hinaus werden sie zum Bewahren des Nieren-Qi sowie des Jing (Essenz) eingesetzt (Bensky 1993: 384). Das erste Ministerkraut, Alpinia officinarum Hance (verwendeter Pflanzenteil: Rhizom) (echter Galgant), ist scharf, thermisch heiß und wird den Organen Milz sowie Magen zugeordnet. Galgant wird vorrangig eingesetzt, um im Bereich des Mittleren Erwärmers zu wärmen bzw. Magen-Kälte entgegenzuwirken. Somit wird die Wirkung des Kaiserkrautes unterstützt. Des Weiteren wirkt Galgant auf milde Art und Weise 60 Blut-Stagnationen und somit Schmerzen entgegen und kann zum Tonisieren des Milz-Qi und -Yang herangezogen werden (Ploberger 2013: 153). Das nächsten Ministerkraut, Piper longum L. oder Piper retrofractum VAHL (verwendeter Pflanzenteil: Fruchtstand) (langer Pfeffer) ist scharf, leicht süß und thermisch warm (Yonten 2001: 222). Langer Pfeffer wird eingesetzt, um das Nieren- und Milz-Yang zu tonisieren, sowie um Feuchtigkeit auszuleiten (tshul khrim skal bzang 2008: 203). Das dritte Ministerkraut, Elettaria cardamomum (Roxb.) Maton var. minuscula Burkill (verwendeter Pflanzenteil: Samen) (Kardamom), wird aus Sicht der TCM als scharf, aromatisch sowie thermisch warm beschrieben. Kardamom wird den Organen Milz, Magen, Lunge sowie Dünndarm zugeordnet. Der Begriff „aromatisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Trennungsfunktion des Dünndarmes angeregt wird. Negatives, also Feuchtigkeit, wird von Positivem, nämlich den Körpersäften (chinesische Bezeichnung: Jinye), getrennt. Manche TCM-Texte gehen so weit zu behaupten, dass durch aromatische Kräuter Feuchtigkeit in Körpersäfte umgewandelt wird. Weitere Funktionen, die diesem Bestandteil der Rezeptur zugesprochen werden, sind: Tonisierung das Milz-Yang, wirkt Feuchter-Kälte entgegen, leitet rebellierendes Qi abwärts und wirkt mild Qi-Stagnationen entgegen. Das vierte und letzte Ministerkraut, Cinnamomum aromaticum NEES (verwendeter Pflanzenteil: Rinde) (Zimtkassia) ist aus Sicht der TCM vom Geschmack her süß sowie bitter und thermisch heiß. Organzuordnungen bestehen zu Herz, Nieren, Milz sowie Leber. Der zuvor angeführte süße Geschmack lässt erkennen, dass Zimtkassia zur Tonisierung eingesetzt werden kann, konkreter zur Tonisierung des Nieren-Yang. Dieses Nieren-Yang gilt in der TCM als Basis des Verdauungstraktes und ist mit dem Feuer unter einem Kochtopf vergleichbar. Ist das Feuer – also das Nieren-Yang – kräftig, funktioniert der gesamte Verdauungstrakt und somit auch die Umwandlung und Aufnahme der Nahrung gut. Darüber hinaus wärmt diese Pflanze im Bereich der Meridiane, wirkt Qi- und Blut-Stagnationen aufgrund von Kälte entgegen, hilft beim Aufbau von Qi und Blut und hilft bei Zuständen von echter Kälte sowie falscher Hitze. Bei Padma Digestin handelt es sich in der Gesamtbetrachtung um eine überwiegend scharfe sowie aromatische, thermisch warme Rezeptur. Sowohl das Kaiserkraut als auch alle vier Ministerkräuter sind thermisch heiß oder mindestens warm und keine thermisch kühlen bzw. nährenden Polizeikräuter sind in dieser Rezeptur enthalten. Daraus ergibt sich aus Sicht der TCM ein sehr klarer Wirkmechanismus: Mit größtenteils scharfen, thermisch warmen bis heißen Kräutern wird das Milz-Qi sowie -Yang tonisiert und somit Feuchte-Kälte aus dem Verdauungstrakt ausgeleitet. Hingegen sollte, wer unter Leere-Hitze-Zuständen leidet, diese Rezeptur nur mit Vorsicht und zu bestimmten Gelegenheiten einnehmen. Darüber hinaus wirkt diese Rezeptur in milder Art und Weise Nahrungsmittel-Stagnationen sowie Qi- und Blut-Stagnationen im Bereich des Mittleren Erwärmers entgegen. Fazit Mit den beschriebenen, in der Schweiz nach westlichen Qualitätskriterien hergestellten Pflanzenformeln der Tibetischen Medizin stehen Patienten und Therapierenden auch hier im Westen Rezepturen von ho- Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Nachrichten der Kooperationspartner ÖAGTCM her und gleichbleibender Qualität zur Verfügung, die bei einer ganzen Reihe von Störungen eingesetzt werden können. Der vorliegende Artikel leistet einen Beitrag dazu, dass diese Quelle hochwertiger und ausgewogener Rezepturen auch von Therapierenden der TCM besser eingeschätzt Literatur- und Quellenverzeichnis In westlichen Sprachen Bensky, D. (1993) Chinese Herbal Medicine: Materia Medica. Washington: Eastland Press. Boesi, A. and Cardi, F. (2006) Tibetan Medicinal Medicine: Classification and Utilization of Natural Products Used as Materia Medica in Tibetan Traditional Medicine. 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Mit Ausnahme von Strychni seminis pulvris und Aconiti tuberi pulvis wurden sämtliche pflanzlichen und mineralischen Wirkstoffe von mir verkostet. kyi shes rig dpe skrun khang (hran hri zhin par khang). rgya mtsho, sangs rgyas ([1687-88] 1982) gso ba rig pa’i bstan bcos sman bla’i dgongs rgyan rgyud bzhi’i gsal byed baidur sngon po’i malli ka („Blauer Beryl“), Lhasa: bod ljong mi dmang dpe skrun khang. tshul khrim skal bzang (2008) „bod kyi gso rig dang a yur we dha krung dbyi’i sman gzhung bcas las bstan b’i skye dngos sman rdzas kyi dpar ris dang lag len btus“, Dharamsala: Men-Tsee-Khang Publications. Dr. med. univ. FLORIAN PLOBERGER, B.Ac., MA Wien, Österreich. Internationale universitäre und interdisziplinäre Lehrtätigkeit und zahlreiche Publikationen in den Them e nb e re i ch e n TTM und TCM. Präsident der Österreichischen Ausbildungsgesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin (ÖAGTCM). Von der Direktion des Men-Tsee-Khang (Institut für Tibetische Medizin und Astrologie in Dharamsala, Nordindien) mit der Übersetzung der ersten beiden und des letzten Teils des historisch und gegenwärtig bedeutendsten Werkes der Tibetischen Medizin (rGyud-bZhi) beauftragt. 61 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG © ryanking999 - Fotolia.com Ausklang Die acht Außerordentlichen Meridiane Theorien der Chinesischen Medizin in Fabeln Irmgard Gebl Zum Ausklang präsentieren wir Ihnen eine Abfolge von Fabeln über die Theorien der Chinesischen Medizin. Viel Spaß beim Lesen! Der vierte Traum: Die acht wunderbaren Heilquellen im Himmelsgebirge (Teil 1) Li war ein sehr guter Heiler. Er hatte fleißig gelernt und aufmerksam beobachtet. Er kannte das Spiel und die Bewegungen der Wandlungsphasen, er hatte die Funktionen der Organbeamten studiert und gemeistert und das Verhältnis der sechs Schichten zueinander war ihm geläufig. Durch stetiges Üben hatte er die Sprache der Zunge und des Pulses lesen gelernt. Mitgefühl und Respekt den Patienten gegenüber leiteten seine Worte und seine Behandlung. Viele Menschen kamen zu ihm und suchten Heilung. Vielen konnte er helfen. Doch immer wieder kam es vor, dass seine Akupunktur nur kurzfristig half und eine tiefgreifende Wirkung ausblieb. Beharrlich und bescheiden tat er weiter seine Arbeit, doch als seine eigene Frau erkrankte und er ihr nicht wirklich helfen konnte, erfassten ihn tiefe Zweifel. Obwohl er sein ganzes Wissen und seine ganze Kunst in der Akupunktur einsetzte, war und blieb sie krank. Sie verwelkte und vertrocknete langsam wie eine Blume ohne Wasser. In seiner Verzweiflung beschloss Li seinen alten Lehrer Shi Zhen zu besuchen. Er wohnte ganz weit weg in einer abgelegenen Berggegend, aber Li nahm gerne alle Strapazen auf sich, denn er vertraute der tiefen Weisheit seines Meisters. 62 Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! | 03/2014 Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Ausklang Acht Tage und acht Nächte wanderte er durch Täler und unwegsame Landschaften, überquerte reißende Bäche und bezwang schwer atmend hohe Pässe. Am Ende des achten Tages erreichte er endlich den Berg Tai Shan. Sein Meister wohnte ziemlich weit oben in einer bescheidenen Hütte. Mit letzter Kraft erreichte Li spät abends die Behausung seines Lehrers. Eine junge Frau öffnete ihm die Tür. Sie war nicht besonders überrascht ihn zu sehen. „Guten Abend, Sie müssen Herr Li sein. Ihr Lehrer hat mir gesagt, dass sie heute kommen.“ Li freute sich sehr und wollte gleich zu seinem Lehrer, da traf ihn der nächste Satz wie ein Blitzschlag: „Tut mir leid,“ sagte das Mädchen traurig, „Herr Shi Zhen ist vor einer Woche gestorben, ganz friedlich eingeschlafen ist er, mit einem Lächeln auf den Lippen. Aber er hat mir etwas für Sie gegeben!“ Sie reichte Li eine Papierrolle, doch der hatte Mühe auf seinen Beinen zu stehen. Die körperliche Erschöpfung und der Schock der traurigen Nachricht gaben ihm den Rest. Er wankte und musste sich setzen. Tief enttäuscht und verzweifelt saß er da und sah all seine Hoffnung schwinden. Eigentlich wollte er gleich wieder nach Hause gehen, doch die junge Frau bot ihm eine Schale Reis und ein Nachtlager im Zimmer seines verstorbenen Lehrers an. Zitternd vor Erschöpfung nahm er dankend an. Trotz großer Müdigkeit konnte er nicht einschlafen und schaute sich mit neu erwachter Hoffnung die Papierrolle näher an. Doch schlau wurde er daraus nicht. Die Rolle enthielt eine Landkarte mit hohen Bergen, Flüssen und Seen und komplizierte Schriftzeichen. Beim Versuch diese zu entziffern, verschwammen sie vor seinen Augen und völlig entkräftet schlief er schließlich ein, während sein Kopf auf die Landkarte sank. Noch im Einschlafen spürte er eine Hand, die sachte über seinen Kopf strich und sah die gütigen Augen seines Lehrers vor sich. „Sei nicht traurig, Li!“ sagte Herr Shi Zhen in seinem Traum. „Auch ich gehe den Weg des Dao! Sei heiter, denn was nützt das Festhalten an vergänglichen Dingen! Du aber hast bewiesen, dass Dir das Wohl Deiner Patienten mehr am Herzen liegt als Geld und Anerkennung und die Befriedigung Deines Stolzes. Deswegen will ich Dir das Geheimnis der acht Wunderquellen erklären und die Kunst des Behandelns der Qi Jing Ba Mai an Dich weitergeben. Die Landkarte vor Dir zeigt das Himmelsgebirge Tian Shan. Es gibt hier einen so außerordentlich hohen Berg, dass auf einer Seite immer die Sonne scheint und auf der anderen immer der Mond und die Sterne. In den geheimen Höhlen dieses Berges entspringen vier außerordentlich heilsame Quellen. Jede dieser Quellen bildet einen See, aus dem wiederum ein Fluss entspringt. Es gibt Krankheiten, die Du behandeln kannst mit dem Wasser direkt aus dem jeweiligen See und Krankheiten, die geheilt werden mit dem Wasser aus dem dazu gehörigen Fluss. So ergeben sich acht Gruppen von schweren Krankheiten, die zu den Seen und Flüssen dieses Berges gehören. Höre gut zu, mein Sohn, denn Du kannst das Wasser nur schöpfen, wenn Du die Zeichen der Krankheiten sehr aufmerksam entschlüsselst und die Rätsel der Gewässer lösen kannst… (Fortsetzung in der nächsten Ausgabe) Irmgard Gebl, Heilpraktikerin, Jahrgang 1968, Erd-Affe; langjährige Tätigkeit als Krankenschwester und Arzthelferin (viele onkologische Patienten); 2005–2006 Ayurveda-Ausbildung (Grundlagen, Ernährungstherapie, Pancha Karma, Phytotherapie); 2007 Zulassung als Heilpraktikerin; 2010–2012 Akupunktur-Ausbildung am ABZ Mitte, Offenbach; ab März 2013 Akupunktur-Praxis in Oberursel. Kontakt [email protected] 03/2014 63 | Qi · Zeitschrift für Chinesische Medizin Hier können Sie die 'Qi' abonnieren! Copyright © 2014 Verlag Systemische Medizin AG Ausblick Qi 04 | 2014 Vol. 23 Zeitschrift für Chinesische Medizin In Zusammenarbeit mit: Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für TCM Österreichische Ausbildungsgesellschaft für TCM Journal of TCM 中 医 杂 志 Schwerpunkt: Physiologie und Pathologie der Lunge Jürgen Mücher Störungen der Schweißsekretion in der CM Gali Stoffmann Therapie von Lungenerkrankungen bei Kindern Birgit Baur-Müller „Lungenheiler“ aus der Familie der Boraginaceae Dietrich Wabner An Mo und der Einsatz ätherischer Öle verlag systemische medizin Postvertriebsstück B 10508 F – ISSN 2195-9048 Ausblick Die kommende Ausgabe widmet sich dem Thema „Physiologie und Pathologie der Lunge“. Jürgen Mücher gibt uns Einblick in die Störungen der Schweißsekretion in der Chinesischen Medizin. Dietrich Wabner macht uns mit dem Einsatz ätherischer Öle in der An Mo vertraut. Karl Quint liefert einen Beitrag über die energetische Betrachtung der Lunge. Über akute Asthmaattacken bei Kindern und deren Therapie wird Gali Stoffmann einen praktischen Beitrag verfassen. Drei Pflanzenporträts von „Lungenheilern“ aus der TCM mit westlichen Kräutern stellt uns Birgit Baur-Müller vor. Einen ausführlichen Artikel über das Pulssystem nach Shen-Hammer können wir von Karen Bilton erwarten. Wie Laborergebnisse in der TCM-Praxis gedeutet werden können, verrät Jake Fratkin. Wir wünschen Ihnen einen gelassenen Sommer, Ihr Team der „Qi – Zeitschrift für Chinesische Medizin“ Qi - Zeitschrift für Chinesische Medizin Anschrift der Redaktion Christian Yehoash Amasa Street 80, Old Malcha ISR-96904 Jerusalem Tel. (Israel) +972 (0) 7-65463299 Postanschrift Deutschland: Weichselstraße 16, D-10247 Berlin Herausgeber Dr. Erich Wühr, Bad Kötzting; Rolf Lenzen, München Qi-Kooperationspartner Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für TCM Gut Sutthausen 1, D-49082 Osnabrück/Deutschland Tel.: +49 (0)5 41/2 02 69-36, Fax: +49-(0)541/2 02 69-37 [email protected], www.dwgtcm.de Österreichische Ausbildungsgesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin (ÖAGTCM) Waidern 42, A-4521 Schiedlberg/Österreich Tel.: +43 (0)7251/22235-14, Fax: +43(0)7251/22235-15 [email protected], www.oeagtcm.at Journal of TCM Editor: Niu Siyuen M.D., Editorial Office, 18 Beixincang, Dongzhimen Nei, Beijing 100 700, China [email protected], www.jtcm.net.cn Journal of Chinese Medicine Editor: Peter Deadman, The Journal of Chinese Medicine, 22 Cromwell Road, Hove, Sussex BN3 3EB, England [email protected], www.jcm.co.uk The Lantern – A Journal of Traditional Chinese Medicine Editors: Steven Clavey, Bettina Brill, Michael Elllis 160 Elgin St, Carlton, Australia 3053 [email protected], www.thelantern.com.au Sonstiges Anzeigenverkauf und -disposition Doris Schultze-Naumburg Neuwies 12, D-83236 Übersee Tel.: +49 (0)8642/59 88 95 [email protected] Anzeigenpreise siehe www.verlag-systemische-medizin.de/mediadaten 64 Fax: +49 (0)99 41/9 47 90-18 info@ verlag-systemische-medizin.de www.verlag-systemische-medizin.de www.qi-ztcm.de Chefredaktion Christian Yehoash, Jerusalem (v.i.S.d.P.) Redaktion Doris Schultze-Naumburg, Übersee Qi – Zeitschrift für Chinesische Medizin ISSN 2195-9048 Verlag Verlag Systemische Medizin AG Müllerstraße 7, D-93444 Bad Kötzting Tel.: +49 (0)99 41/9 47 90-0 Erscheinungsweise vierteljährlich, 4 Ausgaben je Jahrgang (Band) Abonnementspreise Abonnement € 59,80 (inkl. Umsatzsteuer) pro Jahr, zzgl. Versandkosten (Inland € 4,90, Ausland € 14,–). Schüler-/Studentenabonnement (gegen Vorlage einer Studien-/Ausbildungsbescheinigung): € 39,80 (inkl. Umsatzsteuer) pro Jahr, zzgl. Versandkosten (Inland € 4,90, Ausland € 14,–). Einzelheftpreis: € 19,80 (inkl. Umsatzsteuer), zzgl. Versandkosten. Die Preise verstehen sich als unverbindliche Preisempfehlungen. Preisänderungen bleiben dem Verlag vorbehalten. Alle Preise verstehen sich inkl. 7% Umsatzsteuer. Preise für Luftpostversand auf Anfrage. Laufzeit und Kündigung Das Abonnement läuft jeweils über ein Kalenderjahr und wird unbefristet bis auf Widerruf verlängert, sofern es nicht bis zum 31. Oktober des Jahres gekündigt wird. Abonnementservice Tel.: +49 (0)99 41/9 47 90 [email protected] Bestellungen bitte direkt an den Verlag. Im Falle eines Umzugs oder sonstiger Adressänderung bitten wir unsere Abonnenten um umgehende Mitteilung der neuen Anschrift. Die Post sendet leider keine Zeitschriften nach (auch nicht bei einem Nachsendeantrag!). Bankverbindung HypoVereinsbank Bad Kötzting Konto-Nr. 115 311 72 Bankleitzahl: 742 211 70 IBAN: DE23742211700011531172 SWIFT (BIC): HYVEDEMM675 Durch Forschung und klinische Erfahrungen unterliegen die Erkenntnisse in Medizin und Naturwissenschaften einem beständigen Wandel. Autoren, Redaktion und Verlag haben sorgfältig geprüft, dass die in dieser Zeitschrift getroffenen therapierelevanten Aussagen und Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. 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