Statusbericht zum aktuellen Stand der Verwendung von Holz und

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Statusbericht zum aktuellen Stand der Verwendung von Holz und Holzprodukten im Bauwesen und Evaluierung künftiger Entwicklungspotentiale
Auszug bestehend aus:
Kapitel 14 – Gebäudekonzepte, Bauen im Bestand
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INHALTSVERZEICHNIS
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INHALTSVERZEICHNIS
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Gebäudekonzepte, Bauen im Bestand
Inhaltsverzeichnis
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Mehrgeschossiger Holzbau – heute und in naher Zukunft
S. 1185
Nachhaltige, energetische Gebäudekonzepte
S. 1193
Bauen mit Raummodulen
S. 1199
Anforderungen an den Wohnungsbau der Zukunft
S. 1209
Holz in temporärem Einsatz
S. 1215
Hochhäuser aus Holz
S. 1221
14.2 Bauen im Bestand
Bauen in der Stadt
S. 1227
Dachaufstockungen
S. 1231
Sanierung auf Passivhausstandard
S. 1239
Gebäudeupdate
S. 1247
Erhaltung und Ertüchtigung von Holztragwerken
S. 1253
Bestand geometrisch erfassen
S. 1259
Baubegleitendes 3D-Laserscannen
S. 1267
14.3 Besondere Einsatzgebiete
Sperrholz – Ein Werkstoff im Gerüstbau
S. 1273
14.4 Gebäudetechnik
Zukünftige Gebäude
S. 1277
Photovoltaik und Holz – Eine Verbindung mit Zukunft
S. 1285
Zeitgemäße Gebäudeautomation – Aktueller Stand und Potenziale
S. 1293
Wärmepumpen
S. 1299
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EINLEITUNG
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Gebäudekonzepte, Bauen im Bestand
Einleitung
Neben den direkt ökologischen und logistischen
eine sorgfältige Planung und hohe Kompetenz
Vorteilen des Bauens mit Holz gewinnt der Bau-
bei den beteiligten Partnern am Bau. Die Praxis
stoff Holz als komplex leistungsfähiges Rohbau-
lehrt, dass die Produkte der industriellen Holzbau-
material aufgrund seines geringen Gewichts im-
Systemhersteller einen flexiblen und unabhängi-
mer mehr an Bedeutung bei der Sanierung von
gen Einsatz zulassen und mit anderen Bauweisen
Bestandsgebäuden, aber auch bei der qualitätvol-
stärker vernetzbar sein müssen, um den weiterhin
len Nachverdichtung bestehender Stadtquartiere.
bestehenden vielschichtigen Anforderungen an
Das geringe Gewicht der Holzbaukonstruktionen
die Ausbaugewerke standzuhalten.
hilft nicht nur die Bauzeit vor Ort zu verkürzen,
sondern auch die Baukosten zu reduzieren.
Wohnen in der Zukunft
Im Beitrag „Anpassungsfähig, funktional, kom-
Aufstockungen lassen sich oft überhaupt nur in
mod, nachhaltig: Anforderungen an den Woh-
Holzbauweise realisieren, da der Bestand nicht
nungsbau der Zukunft“ (Robert Kaltenbrunner)
für weitere große Belastungen ausgelegt ist und
werden grundsätzliche Überlegungen zur Funkti-
Lasten aus zusätzlichen Konstruktionen nur in
on des Wohnens und den sich daraus ableiten-
wenigen Bereichen abgeleitet werden können.
den Strukturen für die Zukunft angestellt. Haus
Auch bei Anbauten und der Schließung von Bau-
und Wohnung stehen heute am Schnittpunkt von
lücken können werkseitig erstellte Bauteile wie
serieller Produktion und individueller Erschei-
Wände, Decken und Dächer mit Hilfe von Mobil-
nungsform. Mangelnde Spektakularität und Un-
kränen in einem Arbeitsgang montiert werden.
aufgeregtheit werden den künftigen Wohnungs-
Bauteile aus Holz lassen sich mit leichtem Gerät
bau prägen. Und neuartig wäre seine Bauform
auch in unzugängliche Bereiche bewegen und
nur insofern, als der Rhythmus ihrer Primärstruk-
schnell montieren. Umbaumaßnahmen tragen im
tur und das freie Maßwerk ihres Ausbaus jene
Idealfall zum Klimaschutz bei, senken anfallende
Funktionen übernehmen können, die seinerzeit
Kosten für Heizenergie und sorgen für eine Wert-
das Denkmodell des Fachwerks erfüllt hat: Näm-
steigerung der Immobilie.
lich ein zeittypisches, allgemein verständliches
und akzeptiertes Ordnungsprinzip darzustellen,
Gerade die Wohnungswirtschaft steht vor einem
dass den Rahmen und Maßstab individueller
umfassenden Wandel und damit vor neuen Her-
Selbstverwirklichung bildet.
ausforderungen. Der Rückgang der Bevölkerung
in allen Regionen und zeitversetzt der Rückgang
Beim künftigen Wohnungsbau werden die Ambi-
der Haushalte fordern einen verstärkten Wettbe-
tionen durchaus ins Grundsätzliche gehen, wobei
werb um Standorte und Kunden. Heute gelten
das Spiel stets auf der Möglichkeit vielfältiger
bereits über 60 % der Wohnungen in Deutsch-
Verwendungen weniger gleichförmiger Elemente
land als überaltert, hinzu kommen neue Anforde-
beruhen sollte. Nur so werden sich Kostendruck,
rungen an Qualitäten und differenzierte Nutzer-
Nachhaltigkeitserfordernis und sozialpsychologi-
gruppen und Nutzungen. Damit müssen die Pro-
sche Bedürfnisse unter einen Hut bringen lassen.
dukte der Wohnungswirtschaft mehr denn je auf
Nach Lage der Dinge kann eben dies für den
Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.
Holzbau eine große Chance darstellen.
Beim Bauen im Bestand bietet der Holzbau vielfältige Möglichkeiten zur Schaffung attraktiven
Wohnraums. Voraussetzung dafür ist vor allem
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EINLEITUNG
Mehrgeschossiger Holzhausbau
Das Holz kommt mit dem Bauen im Bestand in
tuellen Entwicklung die schrittweise Eroberung
die Stadt. Bei Nachverdichtungsmaßnahmen be-
bauweisen für mehrgeschossige Bauten. Erforder-
stehender Gebäude kommt oft aus statischen
lich dafür ist eine konsequente Weiterentwick-
Gründen nur ein Holzbau in Frage. Auch beim
lung der Brandschutzvorschriften, aber auch von
mehrgeschossigen Holzbau sind die Vorteile wie
Konstruktionen, die alle bauphysikalischen Eigen-
kurze Bauzeiten, koordinierter und trockener
schaften (Schallschutz, Wärmeschutz) und die er-
Bauablauf ausschlaggebend. Das ist eine große
forderlichen brandschutztechnischen Eigenschaf-
Chance für den Holzbau. Diese Unterschiede
ten optimiert kombinieren.
eines wichtig werdenden Marktes durch Holz-
müssen herausgestellt und vermittelt werden.
Durch immer bessere und weiter getriebene Vor-
In Kombination mit Fertigstellungen auf der Bau-
fertigung kann sich der Holzbau gerade in Bezug
stelle und mit Vorkonfektionierungen sind hierbei
auf Bauablauf und -zeit noch konsequenter von
noch administrative Fragen der Verantwortlich-
den anderen Baustoffen absetzen.
keit und der Überwachungsfähigkeit zu klären.
Vielgeschossige Holzbauweisen werden aber in
der Lage sein, einen wesentlichen Beitrag zur
Baugeschwindigkeit,
Qualitätssicherheit
und
Energieeffizienz der Gebäude zu leisten. Die neuen Erkenntnisse müssen allerdings in baurechtliche Regelungen Eingang finden. Die Diskussionen zu einer neuen Muster-Holzbau-Richtlinie
wird man nur mit einer gemeinsamen Anstrengung aller interessierter Kreise voranbringen können.
Hochhäuser aus Holz
Noch einen Schritt weiter gehen die Schweizer
Kollegen der ETH Zürich und der Schweizer Holzbauindustrie. Im Beitrag „Hochhäuser aus Holz“
(Hermann Blumer) wird eine Projektstudie beschrieben, die den Bau eines Hochhauses mit 40
Geschossen und damit etwa 120 m Höhe in Holz
vorsieht. Das anspruchsvolle Vorhaben sollte
Konzepte und Strategien hervorbringen, um ein
Siebengeschossiges Wohngebäude in Berlin, Es-
solches Gebäude sicher und trotzdem wirtschaft-
marchstraße. Architekt: Kaden u. Klingbeil
lich bauen zu können.
Das derzeit wohl berühmteste mehrgeschossige
Am vielversprechendsten erscheint die Option ei-
Wohngebäude in Deutschland (7 Geschosse)
nes Tragwerkes in Mischbauweise. Die unter-
wurde durch die Architekten Kaden und Klingbeil
schiedlichsten
in der Großstadt Berlin geplant und realisiert. Der
Standfestigkeit,
Beitrag „Mehrgeschossiger Holzbau – heute und
und Ökologie verlangen geradezu nach Baustoff-
in naher Zukunft“ (Stefan Winter) sieht in der ak-
allianzen. Die Kernbereiche aus Beton und Stahl,
Systemleistungen
Brandsicherheit,
im
Bereich
Behaglichkeit
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EINLEITUNG
die Wohnbereiche aus Holz, Holzwerkstoffen und
tes Handeln, auch und ganz besonders im Bau
Verbundbauteilen. Eine besondere Herausforde-
und Betrieb von Gebäuden. Die Baubranche ist
rung ergibt sich aus der Brennbarkeit, die das
nun verbindlich gefordert, neben den techni-
Material aus vielen Bereichen verdrängt hat, heu-
schen Eigenschaften eines Gebäudes auch die
te aber mit technischen Maßnahmen wettge-
ökologischen Qualitäten zu verantworten. Die
macht werden kann. Mit den vorgesehenen
Holzwirtschaft ist im einhergehenden politischen
Maßnahmen erreicht das Hochhaus aus Holz ein
Willensprozess gefordert, noch stärker als bisher
Brandsicherheitsniveau, das über dem Standard
Holz als nachwachsenden Baustoff und Energie-
liegt. Mit der Entwicklung einer adäquaten Lösch-
träger in den Blick der Betrachtungen zu rücken.
technik können sich Ingenieure, Architekten und
Handwerker den Weg zu mehr Holz am Bau er-
Der Beitrag „Nachhaltige, energetische Gebäu-
schließen.
dekonzepte“ (Jörg Wollenweber) erinnert als
Ausgangslage an den Fortschrittsglauben der
Moderne, die letztendlich isolierte, von den vielfältigen Wechselbeziehungen abgelöste Architekturen mit enormen Energieverbräuchen hervorgebracht hat. Um diesem Weg dauerhaft und
nachhaltig für die kommenden Generationen
entgegenzutreten, sind neue Überlegungen und
Konzepte für ressourcenschonende Bauweisen
und das damit verbundene architektonische Erscheinungsbild erforderlich.
Die grundlegenden Eigenschaften einer optimierten Bauweise sind die Minimierung des Energiebedarfs und die Optimierung der Energieversorgung. Für die Entwicklung effizienter und nachhaltiger Gebäudekonzepte ist das optimierte Zusammenspiel von aktiven und passiven Systemen
erforderlich. Hierbei ist den passiven Systemen
Vorrang einzuräumen, um in der Regel die besten
Ergebnisse zu erzielen.
Raummodule
Der Beitrag „Bauen mit Raummodulen“ (Gerhard
Studie Dock Tower, Hochhaus aus Holz
Lutz) beschreibt die Errichtung eines fünfgeschossigen Studentenwohnheims in Konstanz aus 170
Effiziente Gebäudekonzepte
Nachhaltiges und energieeffizientes Bauen ist das
Raummodulen in Holzbauweise, bei dem in
zentrale Thema in der Bauwirtschaft geworden.
teressant ist die Feststellung, dass die in Deutsch-
Vor dem Hintergrund explodierender Rohstoff-
land in den letzten 50 Jahren entstandenen Fer-
und Energiepreise verlangt der Klimawandel in-
tigteilwerke für Holzhäuser fast ausschließlich in-
folge hoher CO2-Emissionen ein radikal veränder-
dividuell geplante Einzelstücke für den Ein- oder
mehrfacher Hinsicht Neuland betreten wurde. In-
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EINLEITUNG
Zweifamilienhausmarkt liefern. Die ursprüngliche
industrielle Herstellung von gleichförmigen Ty-
Bauen in bestehender Substanz
Die Bauwirtschaft trifft auf ein reichhaltiges Betä-
penhäusern ist dabei einer fast handwerklichen
tigungsfeld in bestehender Substanz: Bereits heu-
Fertigung gewichen. Das hat dazu geführt, dass
te sind über 60 Prozent der Projekte in Deutsch-
der noch vor 20 Jahren vorhandene Kostenvorteil
land diesem Segment zuzuordnen. Bis ins Jahr
der seriellen Fertigung im Wettbewerb zur Bau-
2050 werden in Deutschland über 90 % des Ge-
stellenproduktion verloren gegangen ist.
bäudeenergiebedarfs durch Gebäude verursacht,
die vor dem Jahr 2000 erstellt wurden. Bauen im
Bestand weist also ein signifikant wachsendes
Auftragsvolumen auf. Modernisierung, Umnutzung oder auch Aufstockung und Nachverdichtung gewinnen wieder an Bedeutung. Holz spielt
hierbei eine besondere Rolle. Die große Bandbreite von Holzprodukten erlaubt individuelle Lösungen, die gerade im Altbau gefragt sind. Die trockene Bauweise mit ihrer hohen Maßhaltigkeit
sorgt für kurze Bauzeiten und damit eine ge-
Studentenwohnheim in Konstanz
ringstmögliche Störung der Anwohner – Faktoren, die schon immer beim Bauen im Bestand ei-
Biegesteife, sich selbsttragende Raumeinheiten
ne Rolle spielten.
aus holzbasierten Bauteilen lassen sich aber sowohl technisch als auch wirtschaftlich hergestel-
Der Beitrag „Gebäude-Update“ (Richard Adri-
len, wie der Bau des Studentenwohnheims be-
aans) ermittelt das ungeheure Potenzial auf der
legt. Auffällig war hier die Einrichtung einer Feld-
Basis bestehender politischer Vorgaben: 20 %
fabrik. Die Raummodule wurden über ein Fließ-
weniger Energie zu verbrauchen, 20 % weniger
band auf einer eigenen Fertigungstrasse unter ei-
CO2-Ausstoß zu verursachen und eine 20 % hö-
nem Zelt vor Ort hergestellt. Die Produktion der
here Energie-Effizienz aufzuweisen. So hätte man
Module erfolgte „Just-in-time“ in acht Arbeits-
in Deutschland bis 2020 ca. 1,1 Mio. Wohnun-
wochen. Für diese Art der Fertigung ist nach Auf-
gen mit dem Faktor 10 (Heizwärmebedarf ca.
fassung des Autors noch großes Entwicklungspo-
2 l/m²) jährlich zu sanieren! Die höchste Wirt-
tenzial vorhanden.
schaftlichkeit wird bei steigendem Energiepreis
mit der Wärmedämmung der äußeren Gebäudehülle, vor allem der Wände erreicht. Aus technischen Gründen ist neben dem Dach und den
Fenstern vor allem auch die Haustechnik zu erneuern.
Der Autor entwickelt in der Theorie ein System,
bei dem bestehende Außenwände von außen mit
hochwärmegedämmten Holzfertigbauelementen
renoviert werden. Diese Elemente bieten so gro-
Überdachte Linienfertigung vor Ort
ße Hohlräume, dass in ihnen neben der Wärmedämmung die technische Gebäudeausrüstung
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EINLEITUNG
verlegt werden kann. Positive Konsequenzen:
Bereichen abgeleitet werden können. Den Werk-
weitgehende Vorfertigung durch CAD-unter-
stoff Holz zeichnet dabei die Eigenschaft aus, bei
stützte Arbeitsvorbereitung nach elektronischer
geringem Eigengewicht über hohe Festigkeit zu
Gebäudeaufnahme durch 3D-Scanner, dadurch
verfügen, so dass Holz auch noch bei großen
höchstmögliche Qualität der Elemente, sehr
Spannweiten ausreichend tragfähig ist und damit
schnelle, effektive und trockene Montage mit
eine wirtschaftliche Überbrückung ermöglicht.
dem Effekt, dass die Bewohner in den Wohnungen bleiben können, weil die Verlegung der neu-
Die in dem Beitrag „Dachaufstockungen“ (Joa-
en TGA weitgehend von außen geschieht.
chim Seinecke) beschriebene Siedlung in Köln
steht für viele Wohnungsbauten dieser Zeit. Der
So erlebt Holz an der Fassade wieder eine Renais-
dort anzutreffende Haustyp ist durch massive
sance, und zwar nicht als primärer Konstrukti-
Schlichtbauweise und fehlende Wärmedämmung
onswerkstoff, sondern für den Schutz vorhande-
gekennzeichnet. Da die letzte Geschossdecke
ner Gebäude, die aus Gründen der Dauerhaftig-
keine Lasten aufnehmen konnte, wird sie durch
keit ursprünglich mineralisch ausgeführt wurden,
eine neue Tragkonstruktion komplett überbrückt.
im Sinne der Energie-Effektivität aber größte
Eine neue Brettsperrholzdecke mit Auflagerpunk-
Schwächen aufweisen. Wenn sich im Laufe der
ten an den Außen- und Mittelwänden kragt um-
kommenden Jahre die Lebenszykluskosten an
laufend über die Außenwände aus. Sämtliche
den wirklichen, umweltrelevanten Kosten orien-
tragenden Wände und Dächer der Aufstockung
tieren werden, sind solche Fassaden ökonomisch
sind als Holztafelelemente mit montierten Fens-
kaum zu schlagen.
tern und eingebauter Dämmung vorgefertigt und
montiert worden.
Dachaufstockungen
Die den Städtebau der 1950er bis 1970er Jahre
prägenden flachgedeckten Gebäude benötigen
Historische Holztragwerke
Bei Erhalt und Umnutzung bestehender Bausub-
größtenteils eine energetische Sanierung der Au-
stanz ist der Blick aber auch auf den Umgang mit
ßenfassaden, wobei sich im Zuge der Baumaß-
historischen Holzkonstruktionen zu richten. Die
nahmen zusätzlich die Möglichkeit der Aufsto-
Bautechnik des Holzbaues hat in ihrer langen
ckung anbietet. Die umfassende Sanierung von
Entwicklungsgeschichte eine Vielfalt von Kon-
Siedlungen dieser Art unter Gewinnung neuer
struktionen und Tragwerken hervorgebracht, die
Wohnfläche ermöglicht es, die Gebäude wieder
in vielen Fällen prägender Bestandteil der Baukul-
dem Immobilienmarkt zuzuführen. Die techni-
tur Deutschlands sind. Man denke in diesem Zu-
schen Möglichkeiten, die der Holzbau hierfür bie-
sammenhang nur an die ca. 2 Millionen Fach-
tet, müssen von der Holzwirtschaft deutlicher als
werkbauten, aber auch an historische Dachkon-
bisher an die jeweiligen Bauherren – zumeist
struktionen, die nach über 800 Jahren immer
Wohnungsbaugesellschaften
noch ihre Tragfunktion erfüllen oder die histori-
–
herangetragen
werden.
schen Blockbauten, die als Wohn- oder Wirtschaftsgebäude ganze Regionen Deutschlands
Gerade bei Aufstockungen werden die ange-
prägen. Über die lange Zeit der Nutzung wurden
strebten Lösungen durch den Holzbau überhaupt
diese Holztragwerke auch immer neuen Bedin-
erst möglich. Oft ist der Bestand nicht für weitere
gungen und Ansprüchen angepasst.
große Belastungen ausgelegt, so dass die Lasten
aus zusätzlichen Konstruktionen nur in wenigen
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EINLEITUNG
Der Beitrag „Erhaltung und Ertüchtigung von
Wer den zukünftigen Holzabsatz verbessern will,
Holztragwerken“ (Wolfgang Rug) fordert ein kla-
muss in der Bildung der zukünftigen Verbraucher
res Bekenntnis zu dem baukulturellen Erbe, das
ansetzen und das durchgängig vom Kleinkind bis
historische Holzbauten vermitteln. Die Erhaltung
zur Schul- und Hochschulbildung organisieren.
historischer Konstruktionen erfordert eine Ausei-
Die Bedeutung des Waldes und des Holzbaus als
nandersetzung mit der Geschichte des Bauens,
Wirtschaftsfaktor kann in jedem Geschichtsunter-
seiner konstruktiven Entwicklung, seiner kultur-
richt auch unter dem Aspekt der jeweiligen regi-
geschichtlichen und sozialen Bedeutung. Das
onalen Entwicklung (gerade in Baden-Württem-
Wissen hierüber ist in der Bevölkerung nur wenig
berg) ein spannender Lehrstoff sein. Wie sich ein
vorhanden und nimmt immer weiter ab.
Fachwerkhaus oder eine Dachkonstruktion zusammensetzt, wie aus Holzstäben zusammen mit
zimmermannsmäßigen Verbindungen eine standsichere Konstruktion entsteht – das sollte man
durch entsprechende Bausätze spielend erlernen.
Puppenhäuser oder Spielhäuser sollten nicht aus
Kunststoffen, sondern aus Fachwerk- oder Blockbauten bestehen.
Die Erhaltung und Ertüchtigung von Holztragwerken ist eine anspruchsvolle fachliche Aufgabe,
denn sie umfasst neben einer sorgfältigen Prüfung der Erhaltungswürdigkeit Kenntnisse zu den
historischen Holzbautechniken, zum Werkstoff
und zu den Methoden einer substanzgerechten
und -schonenden Erhaltung. Nach Einschätzung
des Autors wird die Ausbildung der Architekten
und Bauingenieure diesen Ansprüchen nicht umfassend gerecht. Hier muss in jedem Fall die Ausbildung und vor allem auch das Studien- und
Lehrmaterial verbessert werden. Wenn schon die
Holzbauausbildung in den letzten Jahrzehnten
Rathaus Esslingen- herausragendes Beispiel für
wesentlich verringert wurde, so sollte unbedingt
den alemannischen Fachwerkbau, 1430 erstmals
die Möglichkeit der gezielten Zusatzqualifizierun-
erwähnt
gen ausgeweitet werden.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Mehrgeschossiger Holzbau – heute und in naher Zukunft
Stefan Winter
Esmarchstraße geplant und realisiert. Der vielleicht prominenteste Verwaltungsbau in Europa
1 Allgemeines
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich
ist im Moment die Zentrale von Finnforest Metsäliitto in Helsinki.
insgesamt auf Gebäude mittlerer Höhe, d.h. die
Gebäudeklassen 4 und 5 entsprechend der derzeit in Deutschland geltenden Musterbauordnung
(MBO 2002). Sie beleuchten insbesondere die Aspekte von Holzhäusern an der Hochhausgrenze
(mittlere Geschosshöhe des obersten Geschossfußboden ≤ 22 m).
Es ist eine alte Wahrheit, aber man kann sie nicht
oft genug wiederholen: Mehrgeschossiger Holzhausbau bis zur Hochhausgrenze ist eigentlich
eine Bauweise mit sehr langer Tradition. Auf vielen Marktplätzen im deutschsprachigen Raum findet man repräsentative, mittelalterliche Fachwerkbauten mit teilweise sieben oder acht Geschossen, zählt man die ausgebauten und genutzten Geschosse in den spitzen, großen Dächern mit. In der Schweiz findet man im oberen
Rhônetal im Wallis bis zu siebengeschossige
Blockbohlenbauweisen, die ebenfalls schon seit
vielen Jahrhunderten bestehen. Erst in der neue-
Abb. 1: Wohngebäude in Berlin, Esmarchstraße
ren Baugeschichte nach dem zweiten Weltkrieg
(Foto: Kaden u. Klingbeil Architekten, Berlin)
hat man sich von den vielgeschossigen Holzhäusern, insbesondere wegen der vermeintlich hohen
In Deutschland wurden baurechtlich zunächst in
Brandgefahren, abgewendet. Und – der Wahrheit
der Musterbauordnung 2002 und darauf folgend
Ehre – in den letzten 20 Jahren wären sie wohl
durch Umsetzung in den einzelnen Landesbau-
auch aus wirtschaftlichen Gründen kaum mit den
ordnungen bis zu fünfgeschossige Holzgebäude
sehr billigen Stahlbeton- und Mauerwerkskon-
mit einer Höhe des obersten Geschossfußbodens
struktionen konkurrenzfähig gewesen.
von nicht mehr als 13 m über mittlerer Geländehöhe eingeführt. Diese Gebäude der Gebäude-
In den letzten Jahren allerdings hat es vermehrt
klasse 4 sind in hochfeuerhemmender Bauweise
wieder Holzhausbauten im Wohnungs- und im
(F60) zu errichten. Die Musterrichtlinie für hoch-
Verwaltungsbau gegeben, die die übliche Höhe
feuerhemmende Holzbauweisen (M-HFHHolzR)
von Gebäuden mit geringer Höhe (Höhe des o-
schreibt allerdings ergänzend vor, dass die Holz-
bersten Geschossfußbodens i.M. ≤ 7 m gegen-
bauteile durchgehend durch eine nichtbrennbare
über Geländeoberkante) deutlich übertreffen.
Bekleidung so zu schützen sind, dass sie über den
Das derzeit wohl berühmteste siebengeschossige
Zeitraum der Schutzklasse, also 60 Minuten, nicht
Wohngebäude in Deutschland wurde durch die
mitbrennen dürfen. Diese sogenannte „Kapsel-
Architekten Kaden und Klingbeil in Berlin in der
klasse“ (K60) führt allerdings de facto dazu, dass
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
der Feuerwiderstand der Bauteile im Regelfall 90
in Helsinki ist auch von außen deutlich als Holz-
Minuten oder deutlich mehr beträgt und der ei-
bau erkennbar.
gentlich gewünschte Effekt - die Einführung einer
zusätzlichen Feuerwiderstandsklasse von 60 Mi-
Zu den besonders wichtigen Fragen des Brand-
nuten, die bis dahin nicht existierte, und das ge-
schutzes treten bei vielgeschossigen Holzgebäu-
ringere Risikopotential bei Gebäuden mittlerer
den bis zur Hochhausgrenze statische und ökolo-
Höhe widerspiegeln sollten - nicht realisiert wur-
gische Fragen hinzu. Letztere fokussieren sich be-
de. Die nichtbrennbare Bekleidung auf allen Bau-
sonders auf den Primärenergiegehalt der Kon-
teilen führt zudem dazu, dass die Holzbauweise
struktionen, d.h. auf den zur Herstellung der Bau-
optisch und haptisch nicht wahrgenommen wer-
stoffe, der Fertigung der Bauteile und der Errich-
den kann und dadurch die positiven gestalteri-
tung des Gebäudes erforderlichen Energieeinsatz.
schen und auch psychologischen Effekte der Verwendung von Holz verloren gehen.
2 Bautechnische Aspekte
Bei Häusern bis zur Hochhausgrenze werden im
Erdgeschoss und in den beiden darauffolgenden
Geschossen häufig Beanspruchungen erreicht,
die den üblichen Traglastbereich heutiger Holztafel und Holzskelettkonstruktionen deutlich überschreiten. Insbesondere muss in diesen Bereichen
der Einbau quer zur Faser druckbeanspruchter
Hölzer praktisch vermieden werden, da die auftretenden Querpressungen die charakteristischen
Festigkeitseigenschaften meist deutlich überschreiten. Hier sind also Pfosten-Riegel-Konstruktionen einzusetzen, bei denen entweder die Stützenkonstruktionen vertikal durchlaufen oder entsprechende Stahlbauteile als Zwischenbauteile
eingesetzt werden müssen. Eine Kombination
von Holz- und Stahlbauteilen ist hier in vielen Fällen unvermeidlich. Sofern die Lasten über Wandbauteile abgetragen werden sollen, sind häufig
Materialien als Schwelle einzusetzen, die wesentlich höhere Querdruckbeanspruchbarkeiten auf-
Abb. 2: Verwaltungsbau in Holzbauweise in
weisen. In Zukunft könnte hier z.B. eine vermehr-
Helsinki
te Verwendung von Harthölzern zu höher beanspruchbaren Bauteilen führen.
An dieser Stelle also besteht Handlungsbedarf,
der nachfolgend weiter beschrieben werden soll.
In den unteren Geschossen können alternativ
Die oben erwähnten Gebäude im Übrigen weisen
Brettsperrholz oder verwandte Bauweisen einge-
teilweise sichtbare Holzoberflächen in ihren De-
setzt werden, die eine Abtragung großer Bean-
cken und Stützenkonstruktionen auf und sind
spruchungen auf kleinen Grundrissflächen er-
daher von innen heraus auch deutlich als Holzge-
möglichen.
bäude wahrnehmbar. Das Verwaltungsgebäude
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
Für die Erdgeschosse solcher vielgeschossigen
Bauwerke sowie gleichzeitig einen guten Feuch-
Bauwerke sollte man jedoch eine andere Kon-
teschutz der Holzbauteile während der Montage-
struktionslösung zumindest einmal grundsätzlich
vorgänge.
abwägen. Gemeint ist der Einsatz eines Erdgeschosses in Betonbauweise, da mit einer Stützen-
Ebenso häufig wird man eine Grundsatzentschei-
Flachdecken-Konstruktion sehr häufig die nut-
dung treffen müssen, wie die Treppenräume in
zungsbedingt aufgelösten Grundrisse in den Erd-
diesen Gebäuden an der Hochhausgrenze ausse-
geschossen besser realisiert werden können.
hen sollen. Auch hier bietet sich - derzeit zumindest - eine Kombination mit Betonbauteilen an.
Außerdem war es schon immer gute Bautraditi-
Sie sollten aus Gründen der Maßgenauigkeit, der
on, den Holzbau nicht bis zu den erdberührten
Geschwindigkeit des Baufortschrittes und der Fü-
Bauteilen zu führen und einen ausreichenden Ab-
gungen mit den Holzbauteilen ebenfalls aus Fer-
stand zur Geländeoberfläche zu gewährleisten.
tigteilen hergestellt werden. Die heute häufig zu
Bei vielen traditionellen Holzbauten ist dieses
hörenden Einwände, dass dadurch zu große oder
Prinzip des massiven Unter- oder Halbgeschosses
zu schwere Bauteile entstehen, sollen durch
realisiert worden. Da in den Erdgeschossen durch
Abb. 3, die Montage von Treppenturmfertigtei-
Ladennutzungen oder durch die Anforderung des
len, widerlegt werden.
behindertengerechten Bauens meist stufenlose
Eingangssituationen geschaffen werden sollen, ist
dies ein weiterer Grund, den Holzbau erst ab
Oberkante der Erdgeschossdecke beginnen zu
lassen.
Kein Dogma – aber eine wohl abzuwägende
Grundsatzentscheidung bei jedem individuellen
Bauvorhaben!
Auch der Einsatz von Holz-Beton-Verbundbauteilen sollte immer am Beginn einer Planung sorgfältig im Grundsatz überlegt werden. Die Verbundbauweisen helfen, weit gespannte Deckensysteme zu realisieren, führen aber auch zu höheren
Lasten. Andererseits gewährleisten sie durch die
höhere Massebelegung der Decken auf relativ
einfache Art und Weise die Sicherstellung der erforderlichen Schallschutzeigenschaften der Bauteile. Das Argument, dass das Einbringen eines
nassen Baustoffs wie Ortbeton wenig mit dem
Abb. 3: Montage von 12 m hohen Fertigteilbau-
Holzbau harmoniert, kann man sicher in Zukunft
teilen eines Stahlbetontreppenhauses
dadurch eliminieren, dass eine Holz-Beton-Fertigteilbauweise entwickelt wird. Diese kommt mit
Durch die geschickte Kombination elementierter
relativ geringen Anteilen von Fugenverguss aus
Bauweisen können Baugeschwindigkeiten reali-
und gewährleistet eine trockene Errichtung der
siert werden, die heute noch ein wenig außerhalb
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
des Vorstellungsbereichs liegen. Hier muss es ein
Natürlich spielt die Energieeffizienz der Gebäude
Ziel sein, insbesondere in innerstädtischer Lage zu
bereits heute aber noch viel mehr in naher Zu-
einem sehr schnellen Montagefortschritt zu
kunft eine wesentliche Rolle. Vielgeschossige
kommen und damit die störenden Einflüsse von
Holzgebäude sollten zumindest den Standard von
Baustellen auf die gesamte Umgebung drastisch
Drei-Liter-Häusern erreichen, d.h. einen Heizener-
zu minieren.
giebedarf von nicht mehr als 30 kWh/m²a benötigen. Während in den Innenbereichen – wie oben
Die Errichtung eines siebengeschossigen Wohn-
erwähnt – massive Bauweisen auch wegen ihres
gebäudes in einer innerstädtischen Baulücke soll-
positiven Einflusses auf das Raumklima einzuset-
te in einem Zeitraum von zwei bis vier Wochen
zen sind, sind für die Außenwände hochge-
problemlos möglich sein.
dämmte Tafelbauweisen vorzuziehen. Sie vermeiden auch den Einsatz sehr dicker Wärme-
Und wie soll sich das Holzhaus nach außen dar-
dämm-Verbundsysteme, deren Dauerhaftigkeit ja
stellen? Natürlich ist es wünschenswert, wenn
auch noch nachzuweisen ist.
auch in der Fassadengestaltung ablesbar wird,
dass es sich um ein Gebäude aus dem ökologi-
Schwierig ist derzeit (noch) die Bewertung des
schen Baustoff Holz handelt. Allerdings gilt es
Primärenergieeinsatzes zur Herstellung der Holz-
auch hier sorgfältig zu gewichten! Zwar können
bauweisen. Vergleichsrechnungen [1] mit dem
aus brandschutztechnischen Gründen Holz- oder
Programmsystem LEGEB haben zwar gezeigt,
Holzwerkstofffassaden bis zur Hochhausgrenze
dass deutliche Energieeinsparpotentiale bei der
sicher realisiert werden (vgl. nachfolgenden Ab-
Errichtung möglich sind, allerdings relativiert sich
schnitt), aber es müssen Materialien eingesetzt
der Anteil dieses Energieaufwandes im Vergleich
werden, die nicht einer wiederkehrenden Pflege
zur 60 - 80jährigen Lebensdauer und des in die-
in kurzen Intervallen bedürfen. Resistente unbe-
ser Zeit verbrauchten Energiebedarfs erheblich.
handelte Hölzer, wie Lärche oder Douglasie, sind
Dennoch – eine realistische und nachvollziehbare
dafür durchaus geeignet. Mit der daraus entste-
Bewertung der Energieeffizienz der Bauteile
henden Optik allerdings muss man bewusst und
selbst sollte in Zukunft auch bei Vergabeverfah-
wollend umgehen. Holzwerkstoffe, die mit ent-
ren berücksichtigt werden. Ebenso sollte die
sprechenden
versehen
Energieeffizienz der Gebäude während der Nut-
sind, müssen ihre Dauerhaftigkeit noch nachwei-
zung bei der Bewertung der erforderlichen Her-
sen. Hier ist definitiv weiterer Forschungs- und
stellungspreise einfließen. Eine grundsätzliche
Prüfbedarf erforderlich. Modifizierte Hölzer oder
Überarbeitung des Vergaberechts ist hier von
Werkstoffe aus modifizierten Hölzern, z.B. aus
höchster Notwendigkeit!
Beschichtungssystemen
Thermoholz, sind ebenfalls sicher sehr gut beständig. Auch hier sind aber die Fragen der dau-
Und wie gestaltet man die Gebäudeaccessoires?
erhaften optischen Gestaltung nicht endgültig
In Wohngebäuden und natürlich auch in Büroge-
gelöst. Einsetzbar sind natürlich Glasfassaden o-
bäuden sind Freibereiche erforderlich – Balkone-
der Wärmedämm-Verbundsysteme mit Putzober-
oder Terrassenanbauten. Was die Beläge angeht,
flächen, die damit die gleichen Wartungsinterval-
so kann man sich uneingeschränkt für Holz ent-
le aufweisen wie bei allen anderen Bauarten
scheiden. Was allerdings frei bewitterte und frei
auch. Oder hinterlüftete Fassaden mit zementge-
stehende Konstruktionen angeht, so sollte man
bundenen Fassadenplatten.
die Grenzen des Werkstoffs Holz erkennen.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
Sofern es möglich ist, aus gestalterischen und
konstruktiven Gründen einen durchgehenden
3 Brandschutz
Wie bereits erwähnt, ist in der Gebäudeklasse 4
baulichen Holzschutz, wie bei modernen gedeck-
derzeit eine gekapselte Bauweise baurechtlich
ten Holzbrücken, zu gewährleisten, so kann man
uneingeschränkt möglich. Die beiden Projekte,
auch bei diesen vorgestellten Bauweisen auf
die in der Einleitung genannt sind, weisen aller-
Holzbau zurückgreifen. Frei bewitterte, unge-
dings sichtbare Bauteile auf. Das Berliner Projekt
schützte Balkone in Holzbauweise sollten aller-
beispielsweise eine von unten sichtbare Holz-
dings der Vergangenheit angehören. Hier ist es
Beton-Verbunddecke und sichtbare Brettschicht-
wieder wesentlich sinnvoller, auf einen guten
holzstützen. Das Projekt in Helsinki ebenfalls
Materialmix zurückzugreifen und beispielsweise
sichtbare Stützenkonstruktionen und Deckenkon-
Stützen, Querträger und Geländer in Stahlbau-
struktionen. Das deutsche Projekt konnte nur auf
weise und die Balkonbodenplatten in Betonfertig-
der Grundlage eines Brandschutzkonzeptes und
teilbauweise zu realisieren.
mit Einsatz einer entsprechenden Brandmeldeanlage realisiert werden.
Auskragende Bauteile sollten tunlichst vermieden
werden. Aus energetischen Gründen aber auch
Von Bedeutung ist in den vielgeschossigen Bau-
aus konstruktiven Gründen sind gerade die viel-
werken vor allen Dingen die Vermeidung von
geschossigen Holzhäusern mit einer durchgehen-
Hohlraumbränden in Konstruktionen. Sie sind
den möglichst ungestörten Hülle zu versehen.
von der Feuerwehr kaum zu erkennen und zu
Tab. 1: Notwendige brandschutztechnische Bekleidung für hochfeuerhemmende Bauteile
(Vorschlag für neue M-HolzR)
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
bekämpfen. Insofern ist die Kapselung von Kon-
den, wie sie auch in Berlin im Bauvorhaben Es-
struktionen mit gedämmten oder ungedämmten
marchstraße verwendet wurden.
Hohlräumen durchaus sinnvoll. Beim Einsatz von
massiven flächigen Bauteilen, wie Brettsperrholz
oder Brettschichtholzdecken und –wänden, oder
von massiven linearen Bauteilen, wie Brettschichtholz- oder Furnierschichtholzunterzügen
und –stützen, sollte jedoch eine deutlich differenzierte Bewertung einsetzen. Im Rahmen eines
Forschungsvorhabens
aus
dem
Großprojekt
„Holzbau der Zukunft“ [2] wurde daher ein Vorschlag für eine neue Muster-Holzbau-Richtlinie
(M-HolzR) erarbeitet, in der eine Reihe von Vorschlägen enthalten sind, das derzeitige Baurecht
weiter zu entwickeln. So sollte beispielsweise zukünftig zwischen linearen und flächigen Bauteilen
unterschieden werden und es sollten klare Regeln
eingeführt werden, mit welchen Zusatzmaßnahmen eine Reduzierung der Kapselzeiten möglich
wird. Tab. 1 zeigt einen Vorschlag für Leistungsanforderungen an Bauteile von Gebäuden bis zur
Abb. 4: Fensteranschluss in gekapselter Holzrah-
Hochhausgrenze.
menbauwand (Zeichnung: bauart, Lauterbach)
Für raumabschließende Wand- und Deckenbau-
Es ist auch zu bedenken, dass die Erhöhung der
teile werden danach natürlich immer noch Kap-
Brandlasten in Holzgebäuden mit üblicher Wohn-
selanforderungen gestellt. Allerdings nicht immer
oder Büronutzung durch sichtbare Konstrukti-
zwangsweise mit nichtbrennbaren Bekleidungen
onsbauteile nur unwesentlich ist. An der Holz-
und – je nach Einsatz von Elementen des techni-
oberfläche bildet sich sehr schnell eine schützen-
schen Brandschutzes – mit deutlich reduzierten
de Holzkohleschicht aus. Bei den umfangreichen
Schutzzeiten. Auch dann aber sind im Grundsatz
Versuchen in der Schweiz zur Anwendung von
die Bauteile rundum zu schützen. Ein Beispiel für
Fassaden bis zur Hochhausgrenze konnte immer
einen Fenstereinbau zeigt Abb. 4.
wieder beobachtet werden, dass eine Ausbreitung von Flammen über verkohlte Holzoberflä-
Ebenso sollten zukünftig vermehrt Verbundkon-
chen eben nicht weiter stattfindet.
struktionen untersucht werden. Durch den Verdung von Geschoss zu Geschoss sind hier noch
4 Zusammenfassung
Es darf erwartet werden, dass die vielgeschossi-
wesentlich bessere Brandschutzeigenschaften zu
gen Holzbauweisen bis zur Hochhausgrenze sich
erwarten als bisher angenommen werden. Unter
schrittweise einen zunehmenden Markt erobern.
bestimmten konstruktiven Randbedingungen ist
Erforderlich dafür ist eine konsequente Weiter-
bei Verbundbauteilen auch vorstellbar, dass sicht-
entwicklung der Brandschutzvorschriften, aber
bare Holzkonstruktion geregelt eingesetzt wer-
auch von Konstruktionen, die alle bauphysikali-
guss der Bauteile und die damit luftdichte Ausbil-
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
schen Eigenschaften (Schallschutz, Wärmeschutz)
und die erforderlichen brandschutztechnischen
Quellen
[1] Wolf, A.: Vergleichende Bewertung eines 5-
Eigenschaften optimiert kombinieren. Der Einsatz
geschossigen Mehrfamilien-Passivhauses in
sichtbarer Holzoberflächen muss bei linearen
Stahlbeton bzw. in Massivholzbauweise un-
Bauteilen und bei flächigen massiven Holzbautei-
ter ökonomischen und ökologischen Ge-
len möglich werden.
sichtspunkten. Diplomarbeit, TU München,
November 2008.
Selbstverständlich ist dabei eine Erhöhung des
[2] Merk, M; Winter, S.: High-Tech-Offensive
Brandrisikos nicht vertretbar und auch nicht ge-
Bayern – Holzbau der Zukunft. Teilprojekt 02
wünscht. Das Brandentstehungsrisiko wird da-
–
durch sowieso nicht erhöht werden. Die Vorferti-
Holzbau, TU München, 2008.
gung solcher Konstruktionen muss weiter optimiert werden und mit sinnvoller Vorkonfektionierung verbunden werden. Allerdings gehören zur
Vorfertigung auch Zertifizierungsverfahren und
eine intensive Eigen- und Fremdüberwachung der
Betriebe. In Kombination mit Fertigstellungen auf
der Baustelle und mit Vorkonfektionierungen sind
hierbei noch administrative Fragen der Verantwortlichkeit und der Überwachungsfähigkeit zu
klären. Vielgeschossige Holzbauweisen werden
aber in der Lage sein, einen wesentlichen Beitrag
zur Baugeschwindigkeit, Qualitätssicherheit und
Energieeffizienz der Gebäude zu leisten. Diese
Vorzüge auch in bewertbare Kriterien in Ausschreibungsverfahren umzusetzen, ist eine zusätzliche besondere Herausforderung. Zuvor aber
müssen die neuen Erkenntnisse in baurechtliche
Regelungen Eingang finden. Die Diskussionen zu
einer neuen Muster-Holzbau-Richtlinie wird man
nur mit einer gemeinsamen Anstrengung aller interessierter Kreise voran bringen können.
Brandsicherheit
im
mehrgeschossigen
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
MEHRGESCHOSSIGER HOLZBAU – HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
NACHHALTIGE, ENERGETISCHE GEBÄUDEKONZEPTE
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Nachhaltige, energetische Gebäudekonzepte
Jörg Wollenweber
Die Vergegenwärtigung der prägenden Klimafaktoren und -elemente bildet die Voraussetzung,
1 Ausgangslage
In der Architekturgeschichte verfügten Gebäude
um
energieeffiziente
immer über vielfältige Wechselbeziehungen mit
wickeln zu können.
Entwurfskonzepte
bei
gleichzeitig optimalen Komfortbedingungen ent-
ihrer natürlichen Umgebung. Der Städtebau und
die Architektur entwickelten sich im Wesentlichen
aus dem Kontext lokaler Klimabedingungen sowie vorhandener Material- und Energieressourcen. Seit wenigen Generationen und nur für eine
kurze Zeitspanne hat sich das Bauen durch die
übermäßige Nutzung fossiler Energieträger vermeintlich von diesen Rahmenbedingungen losgesagt.
Abb. 2: Durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge in Deutschland
[Quelle: TU Darmstadt, FG_ee]
Noch in den 1940er Jahren verstand man hohen
Energieverbrauch als Ausdruck überlegener Kultur. Amerikanische Statistiken verwiesen damals
Abb. 1: Durchschnittliche jährliche Globalstrah-
stolz auf die Fähigkeit der USA, mehr Energie er-
lung in Deutschland
zeugen und verbrauchen zu können als andere
[Quelle: TU Darmstadt, FG_ee}
Staaten.
Vor der Industrialisierung, als das Komfortniveau
Als
im Vergleich zum heutigen Standard deutlich
20. Jahrhunderts verdeutlicht die Neue National-
niedriger lag und nur wenige technische Mög-
galerie in Berlin symptomatisch das Denken dieser
lichkeiten zur Verfügung standen, ein von den
Zeitepoche. In den Jahren 1962–68 realisierte
Umfeldeinflüssen unabhängiges Raumklima zu
Mies van der Rohe mit diesem Projekt seine Ideal-
erzeugen, waren besonders die Hüllbauteile von
vorstellung des »Universalraums«. Die nutzungs-
Gebäuden unmittelbar vom Einfluss der jeweils
neutrale, monumentale Eingangshalle im Oberge-
standortspezifischen Bedingungen geprägt.
schoss (allseitige Einfachverglasung) und die aus-
eines
der
bekanntesten
Gebäude
des
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
NACHHALTIGE, ENERGETISCHE GEBÄUDEKONZEPTE
1194
kragende, ungerichtete Dachtragstruktur (ohne
thermische Trennung) gelten in konstruktiver Hinsicht als Meisterwerke der Moderne.
Die haustechnischen Anlagen im Keller des Gebäudes weisen jedoch eine gänzlich andere Formensprache als die Ausstellungsräume auf. Nur
durch den immensen Einsatz leistungsstarker Kli-
Abb. 5: Integrale Planungsprozess / Einfluss [TU Darmstadt, FG_ee]
matechnik lässt sich das für Museumsräume erforderliche Raumklima herstellen.
Die Abbildung zeigt die Einflüsse, die ein energieoptimiertes Gebäudekonzept beeinflussen und
die eine effiziente und nachhaltige Architektur
prägen. Die grundlegenden Eigenschaften einer
optimierten Bauweise sind die Minimierung des
Energiebedarfs und die Optimierung der Energieversorgung.
Die aufgeführten Randbedingungen können in
Informationen und deren Handlungsfelder aufgeteilt werden. Als Beispiel werden hier kurz zu jedem Bereich der Randbedingungen zwei Themen
Abb. 3 (links): Teilansicht Neue Nationalgalerie,
dargestellt.
Abb. 4 (rechts): Technikzentrale, Neue Nationalgalerie, Berlin (1968) Mies van der Rohe
2.1 Klima
Sonnenbahnverlauf - Optimierung des sommerli-
Der Fortschrittsglaube der Moderne, die Bereit-
chen Wärmeschutzes
stellung komfortabler Lebensbedingungen durch
Hohe Temperaturwerte - Thermische Qualität der
Technik zu gewährleisten – unabhängig von äu-
Gebäudehülle
ßeren Bedingungen und inneren Anforderungen
– hat letztendlich isolierte, von den vielfältigen
Wechselbeziehungen abgelöste Architekturen mit
2.2 Nutzung
Zielvorgaben für sommerlichen Wärmeschutz –
enormen Energieverbräuchen hervorgebracht.
Raumtemperatur und Temperaturspreizung
Anforderung an beheizte Flächen – minimale und
2 Grundlagen für effiziente Gebäudekonzepte
Um diesem Weg dauerhaft und nachhaltig für die
maximale Temperatur
kommenden Generationen entgegen zu treten,
2.3 Recht
Bebauungsplan – Optimierung der Flächennut-
sind neue Überlegungen und Konzepte für eine
zung und Orientierung
ressourcenschonende Bauweise und somit einer
DIN 18599 – Wärmequellen und –senken
nachhaltigen und effizienten Architektur erforderlich.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
NACHHALTIGE, ENERGETISCHE GEBÄUDEKONZEPTE
2.4 Gestaltung
Umgebende Bebauung und Makroklima – Gestal-
Für die Entwicklung effizienter und nachhaltiger
tung in Verbindung mit Nutzung von Umwelt-
spiel von aktiven und passiven Systemen erforder-
energien
lich. Hierbei ist den passiven Systemen Vorrang
Verhältnis Nutzfläche zu potentieller Solarfläche –
einzuräumen um in der Regel die besten Ergeb-
Anteil transparenter Wandflächen nach Himmels-
nisse zu erzielen. Im Folgenden werden die
richtungen
10 Bausteine des energieoptimierten Baues näher
Gebäudekonzepte ist das optimierte Zusammen-
dargestellt.
Die nachfolgenden Grafiken stellen die Abhängigkeiten und die erforderlichen Randbedingun-
3 Anwendung der Energiethemen
gen und Maßnahmen sowie die betreffenden
Energiethemen für die Planung effizienter Ge-
3.1 Wärme erhalten
Grundlage für effiziente Gebäudekonzepte ist im
bäudekonzepte dar.
Bereich Wärme der Erhalt und die optimierte
Wärmegewinnung. Die Minimierung des Wärme-
Tab. 1: integraler Planungsprozess / Anforderungen [TU Darmstadt, FG_ee]
bedarfes lässt sich im Holzbau sehr gut umsetzen.
Im Verhältnis zur Massivbauweise werden auf
gleicher Wandgrundfläche wesentlich bessere
Dämmstandards erreicht. Gleiche Dämmleistungen lassen sich im Holzbau mit geringeren Wandquerschnitten erzielen. Somit wird auf gleicher
Gebäudegrundfläche mehr nutzbare Fläche generiert.
Die fünf Energiethemen können in die Bereiche
Energiebedarf und Energieversorgung unterteilt
werden, wobei zu beachten ist, dass der Energiebedarf zu minimieren und die entsprechende
Energieversorgung für den Restenergiebedarf zu
optimieren ist. Nachhaltige energetische Gebäudekonzepte können so bereits in der Entwurfsphase generiert werden.
Tab. 2: 10 Bausteine des energieoptimierten Bauens nach Energiethemen
[TU Darmstadt, FG_ee]
3.2 Wärme effizient gewinnen
Die Gewinnung des Restwärmebedarfes sollte
möglichst effizient und ressourcenschonend gedeckt werden. Dies kann durch thermische Solaranlagen oder durch geothermische Wärmepumpenanlagen erfolgen. Kombinierte Systeme können entsprechende Synergien für Wärmeversorgung und Warmwasserbereitung erzeugen. Die
Anwendung von Pellet-Anlagen ist im Bereich der
Niedrigstenergiehäuser oder Passivhäuser nur
schwer möglich. Da der Pelletkessel wesentlich
höhere Temperaturen erzeugt als für die genannten Gebäudetypen erforderlich ist. Daher ist diese
Anlage für diese Gebäudetypen als nicht optimal
einzustufen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
NACHHALTIGE, ENERGETISCHE GEBÄUDEKONZEPTE
3.3 Überhitzung vermeiden
Abb. 8: Semitransparente Überdachung als solaraktivierter Sonnenschutz [TU Darmstadt, FG_ee]
Dies lässt sich in den meisten Fällen im Holzbau
Abb. 6: ähnlicher Sonnenverlauf auf der Nordhalbkugel [Hegger et al. 2007, S. 54]
nur in abgeminderter Form erreichen. Der Holzmassivbau bietet hier das größte Potential. Aber
auch hier ist die Speicherfähigkeit nur begrenzt
verfügbar. Neue technische Möglichkeiten mit
PCM Materialien (Phase Change Material) ermöglichen eine gleichwertige Speicherfähigkeit wie im
Massivbau. Entsprechende Forschungen im Bereich der Plattenwerkstoffherstellung versuchen
die Integration dieser Materialien in Holzfaserplatten. Somit wäre eine Anwendung im Innenraum
ohne Gipsbauplatte möglich, was dem Holzbau
zu gute käme.
Abb. 7: Sonnenstanddiagramm für 51° nördlicher
Breite (jeweils am 21. jeden Monats) [Hegger et
3.4 Wärme effizient abführen
Die aufgeladenen Speichermassen müssen in der
al. 2007, S. 54]
Nacht durch eine ausreichende Querlüftung wie-
Einer Überhitzung der Innenräume muss im
über Kühldeckensysteme erfolgen, die z.B. über
Sommer zwingend vorgebeugt werden. Dies ist
am effizientesten durch Verschattungssysteme
oder bauliche Maßnahmen zu erreichen. Sofern
diese Maßgaben nicht greifen oder nicht im erforderlichen Maße vorhanden sind, ist eine Einspeicherung der überschüssigen Wärme in Massespeichern im Innenraum erforderlich.
der entladen werden. Die Entladung kann auch
bivalente Wärmepumpensysteme im Sommer mit
Kaltwasser versorgt werden. Nur bei einem optimalen Zusammenspiel dieser Systeme kann die
gewünscht Wirkung dieser Materialien und Bauteile sicher gestellt.
3.5 Natürlich lüften
Mit dem Bereich, Wärme effizient über eine ausreichende natürliche Querlüftung abzuführen, ist
ein wichtiger Beitrag der natürlichen Lüftung von
Gebäude beschrieben. In den Zeiten, einer geringen Temperaturdifferenz zwischen Innen- und
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
NACHHALTIGE, ENERGETISCHE GEBÄUDEKONZEPTE
Außenluft ist die natürliche Lüftung soweit möglich, der maschinellen Lüftung vorzuziehen. Dies
reduziert den Energieaufwand und schafft einen
Bezug zwischen Außen und Innen.
3.6 Effizient maschinell lüften
Zukünftige gesetzliche Anforderungen an Gebäude fordern eine weitere Reduzierung der aufzuwendenden Energie im Bereich der Gebäudeunterhaltung und damit auch eine höhere Dichtheit
der Gebäudehülle. Dies führt zu einer ausgeprägteren technischen Lösung zur Lüftung des Gebäudes. Diese ist aber in der Regel nur für extreme Situationen erforderlich, wie bei hohen oder
niedrigen Außentemperaturen. In diesen Fällen ist
das Gebäude mit entsprechend temperierter
Frischluft zu versorgen um einen Behaglichkeitsverlust zu vermeiden.
3.7 Tageslicht nutzen
Mit der Positionierung von transparenten oder
transluzenten Bauteilen in der Gebäudehülle wird
wesentlich auf die Tageslichtnutzung eingewirkt.
Die richtige Anordnung von Öffnungen erhöht
die Tageslichtausbeute bei diffusen Wetterlagen
sowie in Wintertagen auch die solaren Gewinne.
Dies führt zu einer Reduzierung des Energiebedarfes für Wärmeerzeugung und Beleuchtung.
Abb. 10: Nachtsimulation, geschlossene Fassade
mit Innenraumbeleuchtung
[TU Darmstadt, FG_ee]
3.8 Kunstlicht optimieren
Die Optimierung des Kunstlichteinsatzes bezieht
sich im Wesentlichen auf die Anwendung im gewerblichen Bereich wie Bürogebäude oder Shoppingmalls, da hier bis zu 80 % der Energie für die
Beleuchtung aufgewendet werden muss. Im
Wohnungsbau nimmt der Strombedarf durch Beleuchtung im Verhältnis auch weiter zu. Die immer geringer werdenden Energiebedarfe sorgen
für eine Verschiebung der Verhältnisse, sodass
Strom eine immer größere Rolle in der Gesamtbilanz einnimmt.
3.9 Strom effizient nutzen
Gebäude ohne einen Strombedarf sind heute
noch nicht vorstellbar. Umso wichtiger ist der effiziente und reduzierte Einsatz dieser Energiequelle. Strom wird im deutschen Strommix mit einem
Primärenergiefaktor von 2,7 angegeben. Das bedeutet, dass für eine Kilowattstunde Strom in
Deutschland 2,7 Kilowattstunden Energie für die
Produktion aufgewendet werden müssen.
3.10 Strom dezentral gewinnen
Die stetig steigende Zahl von privaten Photovol-
Abb. 9: Ansicht Südfassade, Solardecathlon
taikanlagen auf oder am Gebäude lässt die de-
2007, TU Darmstadt [TU Darmstadt, FG_ee]
zentrale Stromversorgung permanent ansteigen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
NACHHALTIGE, ENERGETISCHE GEBÄUDEKONZEPTE
Abb. 11: Bildausschnitt der Photovoltaikfassade, Beitrag Solardecathlon 2009, TU Darmstadt
[TU Darmstadt, FG_ee]
Die privaten Betreiber speisen den erzeugten
Strom in das öffentliche Netz und beziehen dafür
die gesetzlich geregelte Einspeisevergütung. Im
Gegenzug entnehmen Sie dem öffentlichen
Stromnetz den erforderlichen Strombedarf. Die
Differenz
zwischen
Einspeisevergütung
und
Strompreis dient der Finanzierung und der Rendite der Anlage. Somit wird durch die dezentrale
Stromproduktion der CO2 Ausstoß gemindert.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
BAUEN MIT RAUMMODULEN
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Bauen mit Raummodulen
Gerhard Lutz
aber fast ausschließlich in konventioneller Mauerwerks oder Betonbauart errichtet wird. Die Er-
1 Ausgangslage
Die Menschen in Deutschland sind mobiler ge-
richtung von Mehrfamilienhäusern, selbst solche
worden. Arbeitsplätze sind nicht mehr dort wo
ne Domäne der herkömmlichen Bauindustrie ge-
der Wohnort ist, das Berufseintrittsalter hat sich
blieben.
von Bauhöhen unter 15 m, ist in Deutschland ei-
erhöht und Berufsbiographien gravierend verändert. Dazu kommen der demoskopische Wandel
und die damit verbundene Alterung der Gesell-
3 Mobiles Bauen mit Containern
Parallel zu dem regulären Baugeschehen hat sich
schaft. Dieser Umstand verlangt auch von Ge-
eine Branche etabliert die mit mobilen Einheiten
bäuden mehr Flexibilität. Wo heute ein Gebäude
temporären Raumbedarf befriedigt. Dabei sind
als Kindergarten genutzt ist, wird morgen die
die ursprünglich sehr einförmigen Baustellencon-
Kindertagesstätte gebraucht, aus der Schule wird
tainer einer beachtlichen Formen und Formatviel-
vielleicht eine Hochschule oder am Ende die Al-
falt gewichen. Allein in Deutschland bieten
tentagesstätte.
123 Firmen ihre Dienste als Lieferanten von
Raummodulen an. Der Jährliche Markt für neu
Die landläufige Vorstellung, dass Gebäude für die
produzierte Container wird auf 170.000 Einhei-
„Ewigkeit“ gebaut sind, muss revidiert werden
ten geschätzt. Dabei werden nicht mehr nur Lö-
auch Angesicht der Tatsache, dass wir relativ
sung für den Baustellen oder Werkseinsatz gebo-
neue Bausubstanz bereits nach wenigen Jahr-
ten sondern durchaus auch individuell gestaltete
zehnten Standzeit aufwändig beseitigt haben.
Gebäude zusammengestellt.
Dies waren nicht nur die Plattenbauten der ehemaligen DDR sondern auch unflexible, nicht wirt-
Das für die Herstellung von Containern überwie-
schaftlich umnutzbare Mauerwerks- und Stahlbe-
gend verwendete Material ist dem Vorbild „See-
tongebäude in ganz Deutschland.
container“ geschuldet: der Baustahl. Typischerweise sind die Produzenten der Container in dem
2 Holzfertigteilwerke produzieren Einzelstücke
Die in Deutschland in den letzten 50 Jahren ent-
industriellen Bereich des Stahlbaues, Maschinen-
standenen Fertigteilwerke für Holzhäuser liefern
durch werden die relativ hohen Kosten des Bau-
fast ausschließlich individuell geplante Einzelstü-
stahls offensichtlich noch aufgefangen. Die typi-
cke für den Ein- oder Zweifamilienhausmarkt. Die
schen Nachteile des Werkstoffes Stahl: Hohe
ursprüngliche industrielle Herstellung von gleich-
Wärmeleitfähigkeit, geringer Brandschutz, hoher
förmigen Typenhäuser ist dabei einer fast hand-
Herstellaufwand und geringe „Wohnakzeptanz“
werklichen Fertigung gewichen. Das hat dazu ge-
beschränken allerdings eine weiterverbreitete
führt, dass der noch vor 20 Jahren vorhandene
wohnwirtschaftliche Verwendung der „Stahlcon-
Kostenvorteil der seriellen Fertigung, im Wettbe-
tainer“.
oder Fahrzeugbau angesiedelt und gewohnt serielle Herstellungsverfahren anzuwenden. Da-
werb zur Baustellenproduktion verloren gegangen ist. Dies führt zu der paradoxen Situation,
dass das freistehende individuelle Einfamilienhaus
4 Alternative: Holzbasierte Raummodule
Biegesteife, sich selbsttragende Raumeinheiten
als Einzelfertigung in hochmechanisierten Fabri-
können sowohl technisch als auch wirtschaftlich
ken produziert wird, das gleichförmige, aus wie-
aus holzbasierten Bauteilen hergestellt werden.
derholenden Bauteilen bestehende, Reihenhaus
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
BAUEN MIT RAUMMODULEN
Die dafür notwendigen Technologien sind im
Holzbau vorhanden:
-
6 Konstruktion des Raummodules (eingetragene Marke: StudyCase)
Großserielle, hocheffiziente Herstellung von
Holzgroßtafeln
-
Industrielle Ausformung von Tragwerksstäben
-
Hoher Vorfertigungsgrad in den bewährten
Holzfertigteilwerken
-
Hochbelastbare Systemverbinder für die Ausbildung von Tragwerksknoten
-
Zulassung von Gebäuden in den deutschen
Landesbauordnungen
-
bis zur Gebäudeklasse 4 (in Baden-Württemberg bis zur GKL 5) und damit
-
bis zur Hochhausgrenze von zur Zeit 22 m
-
neue Holztechnologien wie z.B. Brettsperrholz, Holzkastenelemente
-
sind wirtschaftlich verfügbar
-
Kombinationsfähigkeit mit Metall und / oder
Stahlbetonkonstruktionen
Dabei kann Holz seine werkstoffspezifischen Vorteile anwenden:
-
extrem günstiges Gewicht / Nutzlastverhältnis
-
hohe Elastizität
-
gute Wärmedämmeigenschaften
-
geringster Primärenergieaufwand aller Kon-
Abb. 1: Prototyp Juli 2005
Jedes der verbauten 170 Raummodule besteht
aus einer Bodenplatte aus Stahlbeton. Die in
„Kopflage“ hergestellten Fertigbetonplatten wurden werkseitig mit der Heizleitung für die Fußbodenheizung ebenso versehen wie mit geschweißten Stahlschlössern die als Montagehilfe und Auflagerelement die übereinander zu stapelnden
Module verbinden. Durch das Rütteln des Betons
in der Schalung entsteht auf der „Gutseite“ der
Platte eine belagsfertige Oberfläche.
struktionsbaustoffe
-
leichte Bearbeitbarkeit
-
hohe, weltweite Verfügbarkeit
-
systembedingte Zerlegbarkeit
5 Über den Prototypansatz hinaus
Bespiel: Studentenwohnheim Konstanz, Baujahr
2007
Bisherige serielle Holzraummodule sind häufig
Abb. 2: Stahlbetonbodenplatte - Fußbodenhei-
nicht über den Prototypstatus hinaus zur bau-
zung
technischen Verwendung gekommen. Deshalb
lohnt es das Bauprojekt in Konstanz bei einem
fünfgeschossigen Wohngebäude für 167 Studenten näher zu betrachten. Dabei sind gleich mehrere „Neuigkeiten“ umgesetzt worden die es
lohnt dem Fachpublikum vorzustellen.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
BAUEN MIT RAUMMODULEN
Auf der Fensterseite des Appartements ist in die
Holztafel ein raumhohes doppelflügliges Element
verbaut, das im Rastermaß die Plattenfassade
aufnimmt. Den Außenabschluss bildet ein neuentwickeltes
Rolladenaufsatzbauteil,
das
die
Funktion Fensterabdeckung, Fensterleibung und
französischer Balkon in einem übernimmt. Mit
einer angeformten umlaufenden Blechschürze ist
die neuralgische Fuge zwischen Fenster und FasAbb. 3: Stahlbetonbodenplatte – 16 cm stark
Die tragenden Seitenwände der Räume bestehen
aus klassischen Holzgroßtafeln nach DIN 1052.
Damit die hohen Einzellasten aufgenommen werden können sind an den Raumecken und je in der
Mitte des Moduls die Holzstützen durchgehend.
sade höchst einfach und dauerhaft entschärft.
Auf der Flurseite sind neben der Apartmenttür
die Versorgungsleitungen für Heizung, Lüftung,
Sanitär und Elektroinstallation angeordnet. Der
werkseitige Vorfertigungsgrad mit in die Wandelemente eingebauten Rohrlängen beschleunigt
die Modulmontage.
Dabei in mit einer max. Anmessung der Mittelstütze von 12 / 42 cm kein für Brettschichtholz
unübliches Maß erreicht.
Durch die innenseitige Beplankung der Tafeln mit
zwei Gipsfaserplatten, der Füllung der Wandgefache mit Mineralfaserdämmung und der Beplankung der Modulaußenseite mit Holzwerkstoffplatten wurden die Tafeln F90 B tauglich. Die
Gipsfaserplatten konnten erstmalig im großtechnischen Einsatz von dem Lieferanten in Raumhö-
Abb. 5: Installationswand - Verlegung der Leitun-
he und 6 m Länge geliefert werden, so dass in
gen
den Räumen kein Plattenstoß entsteht.)
Jedes der Einzelapartments und jedes zweite Model der Doppelapartments ist mit einem voll ausgerüsteten Duschbad versehen. Dazu wurden fertig vormontierte Badezellen verbaut, die auf der
Innenseite bezugsfertig sind und mit den Steigsträngen der Ver- und Entsorgungsleitung gekoppelt werden.
Die raumseitige Verkleidung der Nasszelle übernimmt das Einbaumöbel für Pantryküche, Garderobenschrank, Bettschrank und integrierter den
Abb. 4: Längswand - Wendetisch am Band
Wohnbereich abteilenden Schiebetür. (Abb. 6, 7)
Für die Zweiraumappartements wird eine wand-
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
BAUEN MIT RAUMMODULEN
dicke Feinspanplatte als nichttragende Innenmen Tafeln aus KVH und beidseitiger Gipsfaser-
7 Herstellung der Raummodule mittels Feldfabrik
Für das Zusammensetzen der Einzelbauteile zu
plattenschale zum Einbau.
einer montagefertigen Einheit wurde eine Pro-
wand verwendet, für den Deckenabschluss kom-
duktionsmethode entwickelt, die aus der Serienfertigung besonders des Fahrzeugbaues bekannt
ist: das Fließband. Einheiten mit gleichen oder
ähnlichen Abmessungen lassen sich durch eine
verkettete Abfolge von Tätigkeiten deutlich preiswerter herstellen als es die Einzelfertigung ermöglicht. Dabei lohnt sich ab einer Losgröße von
>100 Einheiten auch das separate Einrichten einer eigenen Fertigungstrasse. Dazu bietet sich
häufig, so auch in Konstanz, die unmittelbare
Nähe zum Aufstellort der Module an. Für die
Baustelle an der Rheingutstraße wurde dazu die
zukünftige Parkplatzfläche des Wohnheimes genutzt. (Abb. 8) Die Baustelle Studentenwohnheim
benötigte arbeitstäglich bis zu acht Raummodule
auf die, die Produktionskapazität der Feldfabrik
auszulegen war. Für die witterungsgeschützte
Produktion der Raumzellen wurden dazu zwei
Abb. 6: Pantryküche
Zelte errichtet, mit unterschiedlichen Traufhöhen.
Während das erste Zelt giebelseitig offen aufgestellt wurde, hat das zwei, niedrigere Zelt allseitig
geschlossene Wände und wurde witterungsbedingt beheizt.
Abb. 7: Wohnraum
Die Größe der Raummodule richtete sich nach
den Vorgaben des Bauherrn der für jeden Studenten eine Wohnfläche von ca. 20 qm gefordert
hatte. Die sich daraus ergebenden Außenabmessungen bei einem Achsraster 3,25 x 3,25 m ergibt bei einer Transportbreite von 3,40 m, einer
Länge von Ca. 6,80 m und einer Masse von 13 t
(130 KN) die Möglichkeit zwei Module auf mit
einer LKW Fuhre zu versenden.
Abb. 8: Feldfabrik / Studentenwohnheim
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Der Weitertransport der Module erfolgt auf einer
„Gleisanlage“ aus Kanthölzer mit einer Spurweite
von 2,50 m und je Modul vier untergelegte
Schwerlastrollen. Durch die Verlegung Bahn im
Gefälle konnte weitgehend manuell geschoben
werden.
Die Betriebzeit der Fabrik betrug acht Arbeitswochen wobei je eine Woche für den Aus- und Abbau der Einrichtung und eine Woche für das
Teamtraining an den Arbeitsplätzen verwendet
wurden.
Abb. 10: Linienfertigung aus insgesamt sieben
Montageplätzen
An sieben eingerichteten Spezialarbeitsplätzen
wurden je zwischen zwei und vier Mitarbeiter
eingesetzt um die nach REFA Grundsätzen geplanten Arbeitsgängen zu verrichten. Das Montieren der schweren Boden, Wand und Raumzelle
erfolgte mittels Mobilkran am Arbeitsplatz ein
und zwei, das Auflegen der Deckenelemente am
Arbeitsplatz
drei
mittels
ortsfestem
Klein-
schwenkkran, das Innenfinish und die Installationsarbeiten in den Modulen an den Plätzen fünf
Abb. 11: Transport Raummodul: 20 t Schwerlast-
und sechs sowie das Aufnehmen der Module am
stapler
Arbeitsplatz sieben und das Zuführen zur Baustelle mittels geländegängigem Containerstapler. Für
Konnte in den ersten Arbeitswochen die Planvor-
den Platzwechsel wurde eine Taktzeit von zwei
gaben der Fabrik noch nicht erreicht werden, war
Stunden vorgegeben.
nach drei Wochen Einlaufzeit aber die Kapazität
erreicht. Die Herstellung der Module erfolgte im
Wesentlichen „Just in Time“, d.h. die Produktionsfolge der Fabrik war mit der Montagefolge an
der Baustelle abgestimmt. Allerdings waren Lieferengpässe der Vorlieferanten durch die besondere Situation der „Jahresendralley“ 2006 unvermeidlich. Deshalb musste zum Beispiel das
Anbringen der Unterkonstruktion und der Außenfassade von der Feldfabrik auf die Baustelle
verlegt werden.
Abb. 9: Montage der Sanitärzelle
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Außenabmessungen
8.2 Aufstapeln der Raummodule
Die vorgefertigten Studentenapartments sind
62 x 19 m und einer Bauhöhe von 14 m einem
Stockwerksweise beginnend auf der Bodenplatte
Bauvolumen von ca. 17.500 cbm umbautem
reihum mittels Mobilkran zu versetzen. (Abb. 7)
Raum schafft Raum für 166 Studenten
Dazu werden die Module an den die Module
8 Hochbaukonzept
Das Gebäude mit
den
„überragenden“ Holzstützen oben angehängt.
Vor dem Aufsetzen wird zwischen die Auflagerpunkte der Module exakt dimensionierte Sylomerlager gelegt, die eine Schallentkopplung der
einzelnen Apartments bewirken. (Abb. 1) Vorgabe an den Schallschutz ist Mehrfamilienhausstandard. Deshalb wird zwischen Oberkante Deckenplatte und Unterkante der darüber liegenden Bodenplatte ein Scheibenabstand ca. 15 cm hoher
Scheibenabstand gewählt. Nachdem täglichen
Arbeitspensum von acht Modulen kann der MoAbb. 12: Tragwerksplanung
bilkran umgesetzt werden. (Abb. 11, 12)
Die Arbeiten sind in fünf zum Teil gleichzeitig laufende Baulose realisiert.
8.1 Gründungsarbeiten
Der am Seerhein gelegene Bauplatz in Konstanz
hat den bekannt schwierigen Baugrund, der eine
Baugrundverbesserung mittels Rüttelstopfpfählen
erforderte. Die auf ca. 100 Pfählen und einem
verdichteten Kiesbett gelagerte Stahlbetonbodenplatte mit einer Stärke von 35 cm konnte
Abb. 14: Feldfabrik
zwei Monate nach dem 1. Spatenstich im Oktober 2006 an einem Stück gegossen werden.
Abb. 15: Aufbau des 5. Geschosses
Abb. 13: Bewehrung Bodenplatte
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8.3 Montage der Treppenhäuser und Flure
Zwischen die Raummodulzeilen werden Stahlbetonwandelemente, Deckenplatten und Treppenläufe so montiert, dass diese selbsttragend, ohne
Kontakt zu den Raummodulen stehen. Auch hier
ermöglicht eine ausgeklügelte Bauteilgeometrie,
dass mit wenigen Plattenformaten gearbeitet
werden kann. Die Verwendung von Stahlbeton
für die Treppen und Flur stellt sich als die ökoAbb. 16: 170 montierte Raummodule
nomisch günstigste Baumethode dar die hohen
Anforderungen des Gebäudebrandschutzes zu
erfüllen. Das Gebäudekonzept sieht unbeheizte,
Außenluft durchströmte Flure zu mit zwei jeweils
an den Gebäudegiebeln angeordneten Treppenhäusern.
Abb. 18: Etagenflur
In der Gebäudemitte wird ein Brandabschnitt angeordnet. Dazu werden die angrenzenden Apartments je einseitig zusätzlich mit Gipsfaserplatten
und eingelegten dünnen Stahlblechen „aufgerüstet“, in die Flure geschlossene Stahlbetonscheiben und geforderte Türen eingesetzt.
Abb. 17: Detailzeichnung- Elastomerauflager
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Abb. 19: Grundriss
Abb. 20: Verblockung Schnitt durch vier Module
Abb. 21: Vertikalschnitt durch Lagesicherung
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Am Ende der Hochbaumontage Anfang Dezember 2006 werden je vier Raummodule mittels
„Zugstange“ in Deckenebene an die Stahlbetonflure rückverankert.
Abb. 24: Dachbegrünung
Die Entwässerung des Daches erfolgt mittels in
den Fluren sichtbar angeordneten Fallrohren. Die
Montage des Daches endete im Dezember 2006.
8.5 Versorgung des Gebäudes
Die Versorgung der Apartments erfolgt SteigAbb. 22: Detailzeichnung- Zugstab
Sichtbetonscheiben am Haupt- und Nebeneingang tragen die Vordachanlagen.
und Fallsträngen je auf der Flurseite angeordnet
für die fünf übereinander stehenden Module.
Dabei wurde der Elektroanschlussraum in dem
letzten Obergeschoß in dem giebelseitigen Eckmodul angeordnet und die Zuleitungen unter der
Dachebene im Flur geführt. Eine abgehängte Decke sichert den Fluchtweg.
Die Wasser- und Heizungszuleitungen sind auf
der statischen Bodenplatte verlegt und im Flurbereich mit einem Glattstrich abgedeckt. Die Heizzentrale und der Wasseranschluss sind im Erdgeschoßeckmodul vorgenommen. Das darüber liegende Modul im ersten Geschoss nimmt den
Raum für die Waschmaschinen der Bewohner
Abb. 23: Hauszugang
auf. Für die Hausverwaltung ist das Eckmodul am
Haupteingang vorbehalten.
8.4 Dach
Den Gebäudeabschluss nach oben bildet ein auf-
Die hoch wärmegedämmte Gebäudehülle und
gelegtes begrüntes Flachdach aus einer im A-
die in den Modulbodenplatten eingebauten Heiz-
partmentbereich wärmegedämmten Holzbalken-
schlangen ermöglichen die Beheizung des Ge-
lage. Rauchoffene Oberlichter sollen zusätzlich
bäudes mittels Sole-Wasserwärmepumpe. Die da-
Tageslicht in die darunterliegenden Flure bringen.
für notwendigen Bohrungen wurden nach Abbau
der Feldfabrik niedergebracht und mittels Erdleitung an das „Heizmodul“ angeschlossen.
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BAUEN MIT RAUMMODULEN
Der Bezug des Gebäudes erfolgte Anfang April
Das eine Hochbaustelle auch mit einem „Kletter-
2007.
zelt“ witterungsgeschützt werden kann machen
uns jüngst die Schweden bei dem neungeschos-
9 Resümee und Ausblick
Ein Gebäude in derart kurzer Zeit zu bauen stellt
sigen Wohngebäude vor. Hier ist noch Entwicklungspotential vorhanden.
allein eine beachtliche Leistung dar. Rechnet man
dazu, dass sowohl während der Planung als auch
Die Baustelle in Konstanz aber hat gezeigt, dass
während der Bauphase ständig noch Neuland be-
mit der Fertigungsmethode „Feldfabrik“ und
treten wurde und „Erfindungen“ gemacht wur-
„Raummodulen aus Holz / Beton an beliebigen
den wird die Größe der Aufgabe klar.
Bauorten (nicht nur in Deutschland), auf schlechtem Baugrund und in Erdbebenzonen rasch
Wo die Planer gemeint hatten auf die Zulieferin-
hochwertiger
dustrie zurückgreifen zu können (Steckelemente
kann. Nicht nur für Studenten!
für Wasser und Elektroverbindungen oder Stahlverbinder für die Module) wurde Sie nicht oder
noch nicht fündig.
Wohnraum
hergestellt
werden
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ANFORDERUNGEN AN DEN WOHNUNGSBAU DER ZUKUNFT
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Anpassungsfähig, funktional, kommod, nachhaltig:
Anforderungen an den Wohnungsbau der Zukunft
(… und was der Baustoff Holz dazu beitragen mag …)
Robert Kaltenbrunner
graphischer Wandel‘: In immer mehr Regionen
Deutschlands besteht kein baulicher Erweite-
1 Allgemeines
Der Kulturkritiker Wend Fischer hat einmal mit
rungsbedarf mehr. Wie kann das Wohnen sol-
Blick auf den Wohnungsbau empfohlen, „dass
gebaut ist? Darf man sich der Hoffnung hinge-
das Brauchen dem Machen vorangeht, dass der
ben, dass bei geringerer wirtschaftlicher Dynamik
Gebrauch die Gestalt bestimmt, dass die Brauch-
mehr Aufmerksamkeit für Qualität einkehrt, dass
barkeit das Kriterium der Qualität ist. Diese Wahr-
das Schlagwort von der „Masse statt Klasse“ sich
heit konzentriert die Dinge und Bauten auf den
umkehrt? Oder muss man damit rechnen, dass
Menschen, der sie braucht; der Mensch ist der
die lahmende Nachfrage bloß durch billigere Bau-
Sinn ihrer Zweckbestimmung, hierin beruht ihre
produktion angeschoben wird? Es wäre auszulo-
selbstverständliche Humanität.“ Ganz in diesem
ten, ob der Wohn- und Baubedarf sich nach den
Sinne muss die Wohnarchitektur an jene Bautra-
Regeln der Produktinnovation gestalten lässt, wo
ditionen anknüpfen, die weniger fertige Lösun-
über Produktdesign ziemlich zuverlässig neue
gen anbieten, als vielmehr den Rahmen vorge-
Nachfrage in Gang gesetzt wird. Wobei jede In-
ben, der von den Nutzern erst noch auszufüllen
novation das weit verbreitete Unbehagen gegen-
ist. Weil die Individualisierung unter dem Stich-
über dem Neuen berücksichtigen muss.
chen Bedingungen folgen, wenn (fast) alles schon
wort der ‚Erlebnisgesellschaft’ auch einen so sehr
von Standardisierung bestimmten Bereich wie
Um die weiteren Entwicklungen abschätzen zu
den Geschosswohnungsbau erfasst hat, braucht
können, muss man einen kurzen Blick zurück
es zukunftstaugliche Konzepte. Und dabei kann
werfen. Denn Rationalisierung und Standardisie-
der Baustoff Holz durchaus eine gewichtige Rolle
rung im Wohnungsbau begannen in Deutschland
spielen.
bereits in den ersten beiden Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts. Walter Gropius, der als damali-
Obwohl ungefähr 60 % der Deutschen zur Miete
ger Bauhaus-Direktor in Dessau-Törten mit dem
wohnen, sind sie ein Volk von ‚Luxuswohnern‘.
Thema Vorfertigung laborierte, hatte es 1924
Im Vergleich zu allen früheren Zeiten, in denen
programmatisch formuliert: „Die menschliche Be-
ein Großteil der Gesellschaft in vergleichsweise
hausung ist eine Angelegenheit des Massenbe-
katastrophalen Verhältnissen lebte, wurde im
darfs. Genauso, wie es heute 90 Prozent der Be-
20. Jahrhundert der demokratische Traum wahr
völkerung nicht mehr einfällt, sich ihre Beschu-
gemacht, (fast) jeder Familie eine menschenwür-
hung nach Maß fertigen zu lassen, sondern Vor-
1
dige Wohnung zu verschaffen. Was jedoch nicht
ratsprodukte bezieht, die infolge verfeinerter Fab-
heißt, dass man nicht auch anders wohnen, dass
rikationsmethoden die meisten individuellen Be-
man sich „verbessern“ möchte. Stichwort ‚Demo
dürfnisse befriedigt, so wird sich in Zukunft der
einzelne auch die ihm gemäße Behausung vom
1
1950 standen für 15,5 Millionen Haushalte nur 10
Millionen Wohnungen zur Verfügung (Bundesgebiet
ohne Saarland), jede davon war von knapp fünf Personen belegt. Nur 20 % dieser Wohnungen hatte Bad
oder Dusche. 1998 wohnten - bei rund 39 qm Wohnfläche pro Person, statistisch 2,2 Personen in einer
Wohnung. Noch 1965 betrug die verfügbare Wohnfläche in der Bundesrepublik 22 qm/ Person, sie hat sich
also in etwas mehr als dreißig Jahren noch einmal fast
verdoppelt, obwohl inzwischen das Gebiet der DDR
hinzugekommen ist.
Lager bestellen können. Die heutige Technik wäre vielleicht schon dafür reif, die heutige Bauwirtschaft aber ist noch fast ganz an die alten handwerklichen Baumethoden gebunden, die Maschine spielt in ihr erst eine geringe Rolle. Die grundlegende Umgestaltung der gesamten Bauwirtschaft nach der industriellen Serie hin ist daher
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ANFORDERUNGEN AN DEN WOHNUNGSBAU DER ZUKUNFT
zwingendes Erfordernis für eine zeitgemäße Lö-
ner Zwangsjacke. Minimalmaße wurden oft ge-
sung des wichtigen Problems.“
nug als notwendige Maße missverstanden und
mussten als Ausgangspunkt für den Entwurf her-
Ideelle Ansätze dieser Provenienz bildeten eine
halten. Die „Wohnung für das Existenzmini-
neue Basis, wobei das Auto zum Inbegriff und
mum“, so hieß es schon in den frühen 30er Jah-
Katalysator eines übergreifenden Zukunftsmo-
ren, ist zur Richtschnur, ja zum Ausgangspunkt
dells wurde. Etwa zu dieser Zeit hatte Henry Ford
für den Gestaltungswillen geworden. Das mag
mit seiner Unternehmensphilosophie einen welt-
überzeichnet erscheinen; andererseits jedoch
weiten Prozess angeschoben, der auch und gera-
muss man fragen: Warum ist die Binnendifferen-
de auf der Ebene des Bauens seinen Niederschlag
zierung unserer heutigen Sozialbau- oder Miet-
fand. Der ‘Fordimus’ wurde, zumindest in wirt-
wohnungen oder auch des Eigenheims in der Re-
schaftlicher und politischer Hinsicht, enthusias-
gel kaum weiter fortgeschritten als im Nürnber-
tisch aufgenommen. Als Fords Buch „Mein Leben
ger Stadthaus der Dürerzeit oder ein Jahrhundert
und Werk“ 1923 in Deutschland erschien, galt es
später in den Niederlanden?
in der von Verarmung und Inflation gekennzeichneten Nachkriegszeit vielen als eine Heilslehre.
Aller Intensität und Kreativität zum Trotz, die
Die Analogie der Wohnung „als Maschine“ ging
namhafte Architekten seit einem Jahrhundert im
dabei auf den Ford-Verehrer Le Corbusier zurück.
Entwurf von Wohnungen und Wohnhäusern an
Wobei in diesem Assoziationsbereich ein Aspekt
den Tag gelegt haben, sind deren Grundkonstan-
eine ganz wesentliche Rolle spielte: Das Durch-
ten nicht aus den Angeln gehoben worden. Bei
setzen der sozialen Massenwohnung. Dahinter
allen kulturellen Differenzierungsleistungen im Er-
stand die Vorstellung, Häuser wie Autos zu pro-
scheinungsbild und im Gebrauch, ist das Wohnen
duzieren. Zunächst konnte man damit durchaus
eine anthropologische Konstante, ein Teil des Be-
Erfolge zeitigen; spätestens mit dem Bau von
dürfnishaushaltes geblieben. Mit Sicherheit hat
Großsiedlungen aber wurde viel Akzeptanz ver-
IKEA das zeitgenössische Wohnen stärker beein-
spielt. Die Unbedingtheit des industriellen Bau-
flusst als die Werke und Konzepte irgendeines
ens, die Rigidität einer Bauform, die in scheinbar
Baumeisters.
endloser Addition gleicher Bauelemente den
Schwellenwert einer überschaubaren und be-
Wobei das mit den Wohnbedürfnissen so eine
greifbaren Ordnung häufig überschritt, desa-
Sache ist. Nicht nur ausreichend groß, bezahlbar
vouierten Aspekte wie Vor- oder Serienfertigung
und kommod, auch flexibel soll es sein, das eige-
beim Bauen recht nachhaltig.
ne Heim. Sich in stärkerem Maße an sich verändernde Lebenssituationen anzupassen, ist als De-
Nicht sehr viel besser war es um die Grundrissge-
2
siderat seit langem erkannt und benannt. Die
staltung bestellt. Zwar hatten die Architekten seit
den 20er Jahren das Wohnen als ‚ihre’ Aufgabe
entdeckt: Sie wollten Haus und Wohnung nach
rationell-funktionalen, ihnen als vernünftig erscheinenden Gesichtspunkten gestaltet wissen.
Aber ganz selbstverständlich nahmen sie an, dass
sich die Menschen ebenfalls nach diesen Maßstäben erziehen lassen werden. Was als „befreites
Wohnen“ proklamiert wurde, ähnelte alsbald ei-
2
Im allgemeinen ist unter Flexibilität die größenmäßige
Veränderung der, Binnenstruktur‘ einer Einheit angesprochen. Stellt man sich die Wohnfläche als konstante
Größe vor, ihre Umfassung als fixiert, so obliegt es dem
Bewohner, durch Nutzungs- und Zustandsänderungen
(wie Durchbrechen einer Tür; Einziehen einer Wand
etc.) veränderte Bedingungen zu artikulieren. Dazu
müssen die ‚konstanten‘ konstruktiven Elemente möglichst reduziert und die Installationsanschlüsse an optimalen Punkten angeordnet werden. Demgegenüber
meint Variabilität die Expansions- und Reduktionsmög-
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ANFORDERUNGEN AN DEN WOHNUNGSBAU DER ZUKUNFT
nicht determinierten Räume von Gründerzeit-
ken. Neben dem wachsenden Stellenwert, den
wohnungen mit ihren mehrfachen Erschließun-
die kostenminimierenden und flächensparenden
gen bieten hier fraglos mehr als die - auf die ver-
Aspekte einnehmen (müssen), liegt es nahe, für
meintlichen Gebrauchsmuster der Kleinfamilie
unübersehbare Individualitäten private Spielräu-
abzielenden - Grundrisse des modernen Woh-
me des Wohnens auszureizen.
nungsbaus. Auch die Popularität, der sich Lofts
bei einem bestimmten, meist freiberuflichem
Unter solchen Bedingungen stehen Haus und
Klientel erfreuen, spricht diesbezüglich Bände.
Wohnung heute am Schnittpunkt von serieller
Trotzdem muss man konstatieren, dass sich im
Produktion und individueller Erscheinungsform;
Wohnungsbau fast nur im „gehobenen“ Markt-
sie sind damit zugleich professionell entwickeltes
segment etwas bewegt - und dann eher im Servi-
Produkt wie Heimat für einen Lebensabschnitt.
ce-Bereich mit Doorman- oder in Boarding-
Dabei stellt heute die Erweiterung des Rauman-
House-Konzepten als bei der Realisierung flexibler
gebots den Dreh- und Angelpunkt dar, von dem
Wohnformen.
der vorwiegend auf funktionalen Zusammenhän-
4
gen beruhende Standard in Frage gestellt wird.
Offenkundig setzt die ‚Wohnungsproduktion‘ in
Die Wohnung ist nicht mehr ausschließlich im Be-
sich – programmatisch und entwerferisch – eine
reich der Bedürfnisbefriedigung anzusiedeln, viel-
Auseinandersetzung mit Widersprüchen voraus:
mehr erwartet man heute von seiner Wohnung
Individualisierung versus Massenproduktion, kul-
Unterstützung bei der eigenen Selbstverwirkli-
turelle Heterogenität versus regionale Identitäten,
chung. Erlebnisansprüche, so der Soziologe Ger-
gemeinsamer Raum versus funktionale Flächen-
hard Schulze, „wandern von der Peripherie ins
nutzung. Insofern kann der Wohnungsbau weni-
Zentrum der persönlichen Werte; sie werden zum
ger „Lösungen“ in Aussicht stellen, als mit wider-
Maßstab über Wert und Unwert des Lebens
sprüchlichen
schlechthin und definieren den Sinn des Le-
Besonderheiten
experimentieren.
Will man darin eine Standortbestimmung vorneh-
5
bens.“ .
men, dann wäre das Machbare irgendwo zwischen Traumhaus und Fertighaus anzusiedeln.
Nachdem bis in die 70er Jahre hinein der Wohnungsbau einem fordistischen Konzept folgte
und Produzenten wie Architekten sich an der
Durchschnittsfamilie und -wohnung leitbildhaft
orientierten, müssen sich heutige Vorstellungen
auf dem schmalen Grat zwischen ‘Norm’ und
‘Wunsch’ bewegen. Der Wandel gesellschaftli3
cher Rahmenbedingungen erzwingt ein Umden-
lichkeiten einer Wohnung, d.h. ein wechselndes Flächenreservoir, um unterschiedlichen Anforderungen an
den je nach Gusto und Belegung verschiedenen Flächenbedarf realisieren zu können. Da diese Unterscheidung im diskutierten Zusammenhang kaum relevant ist,
werden beide Begriffe hier synonym benutzt.
3
Als Stichworte mögen genügen: sinkende Bevölkerungszahl, fortschreitende Alterung, kleinere Haushaltsgrößen, Veränderung der Arbeitswelt, zunehmende
Mobilität, steigender Kostendruck, Individualisierung
und Globalisierung, verschärfte Zweiteilung der Gesellschaft usw.
4
Als gedankliche Analogie sei hier nur auf das Reihenhaus im niederländischen Kontext verwiesen: Es steht
für stadtnahes Wohnen ohne verpflichtende Nachbarschaft; zwar stiftet es wohl weniger Identität als das
freistehende Haus, ist aber als Lebensabschnittshaus
höchst alltagstauglich für eine Gesellschaft im Aufbruch. Relativ niedrige Baulandpreise werden durch eine zentrale Steuerung sichergestellt; rationelle Planung
und Standardisierung, eine Bauorganisation und der
Bauteam-Gedanke, die sich stark abheben beispielsweise vom deutschen System der Spezialisierung und
Handwerksordnungen: Das sind die Hintergründe für
die verhältnismäßig preiswerten, und damit gut vermarktbaren Ergebnisse im Nachbarland. (Wobei allerdings ein deutlich niedrigerer Ausbaustandard - geringere Achsbreiten, abgemagerte Grundstücke, kleinere
Zimmer, keine Keller, fehlende Drehkippbeschläge,
Weichholztreppen etc. - zu berücksichtigen ist.)
5
Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt a.M. 1997, S. 59
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ANFORDERUNGEN AN DEN WOHNUNGSBAU DER ZUKUNFT
Gleichwohl, mittels ‚Funktionalisierung’ wird das
lange Frist Geltung behalten, auf einen abge-
vielschichtige mentale und psychologische Phä-
schlossenen Kanon von Funktionen und Bedürf-
nomen menschlicher Wohnbedürfnisse noch im-
nissen zu beziehen.
mer auf objektivierbare und messbare Zweckkategorien reduziert. „Zusehends werden die Be-
In diesem Zusammenhang stellen sich zudem ei-
dürfnisse des Menschen analysiert und kategori-
nige Fragen, die vielleicht banal klingen, für den
siert, und der Wohnungsbau wird auf ‚rationelle
Erfolg aber von zentraler Bedeutung sind: Wie
Bebauungsweisen‘ reduziert. Dies hat zur Folge,
ordnet sich das eigene Haus ein in ein größeres
dass die entwickelten Wohnungsgrundrisse un-
Gefüge? Wie entstehen einfache Orientierungen?
möglich noch etwas anderes beherbergen kön-
Wo gibt es besondere Merkpunkte oder Wahr-
nen als das unmittelbar vorgesehene Programm,
zeichen der eigenen Lebenswelt? Welche Arten
6
das ihnen zugrunde liegt.“ Mit dieser von Max
von Stadträumen werden durch die Gebäude ge-
Weber als ‚Entzauberung der Welt’ bezeichneten
schaffen? In welcher Form werden sie für die Be-
Entwicklung verkümmert die Teilhabe des Men-
wohner nutzbar? Wie werden sie erlebt und be-
schen an seiner Wohnumwelt. Letztendlich wird
wertet? In welcher räumlichen Beziehung sollen
aus dem ‚Bewohner’ damit der ‚Nutzer’, dessen
Autoverkehr und Fußgänger zueinander stehen?
vitale Ansprüche an den Wohnbereich in der
Wo kann man spazieren gehen, sich ausruhen,
Scheinobjektivität einer planungskonformen Be-
zuschauen, wo kann man am öffentlichen Leben
dürfnis-Interpretation verlustig gehen.
teilnehmen? Ist die Kinderwelt in die Lebenswelt
der Erwachsenen integriert oder werden die Kin-
Freilich gibt es eine Reihe objektiver Barrieren. So
der abgedrängt in monofunktionale Spielberei-
lässt es sich etwa empirisch nicht ableiten, ob
che? Welcher Zusammenhang besteht zwischen
man neue Wohnquartiere in ihrem äußeren Er-
Bauformen, Materialwahl und der Veränderung
scheinungsbild an möglichst egalitären Wertvor-
der Umwelt mit dem Verlauf der Zeit? Wie wird
stellungen orientiert oder ob man ein größeres
eine Qualitätsstruktur der Wohnung und eine in-
Maß an Differenzierungen der Wertigkeit einzel-
nere Differenzierung von Siedlungen möglich?
ner Gebiete und Gebäude zulässt. Auch die Entscheidung für offene, auf Kommunikation ange-
Daraus lässt sich ableiten, dass „Neutralität“ der
legte oder stärker die Privatheit betonende Bau-
Bau- und Siedlungsstruktur ein ganz wesentliches
formen ist das Ergebnis einer Wertung. Beide
Kriterium ist. Sie mag auf dem ersten Blick den
Komponenten, normative Vorstellungen und em-
immer wieder geäußerten Bedürfnissen der Men-
pirische Analyse von Nutzerbedürfnissen und
schen nach konkreten, figürlichen, gutverständli-
Nutzerverhalten, gehen als Rohstoff in den Ent-
chen architektonischen und städtebaulichen Zei-
wurf ein und bilden den Rahmen für den Einzel-
chen, nach Vertrautheit, Wärme und Gefühl wi-
investor. Dabei bleibt jede Empirie denknotwen-
dersprechen. Doch gerade indem sie sich der un-
dig auf Vorgegebenes bezogen. Sie kann insbe-
mittelbaren sinnlichen Aneignung entzieht, be-
sondere neue, noch in der Zukunft liegende Ent-
freit sie das Bauen von der Einengung einer be-
wicklungen nicht erfassen. Gerade weil es hier
sonderen Aussage für eine besondere Kundschaft
keine abgeschlossenen Antworten gibt, bleibt es
in einem besonderen historischen Augenblick.
immer gefährlich, sich bei Investitionen, die auf
Zudem lädt diese Neutralität dadurch, dass sie an
– oft vermeintlichen – Bedürfnissen rüttelt, zum
6
Kommentar von Felix Claus, in: Bauwelt 18/19, 2002,
S. 15
kritischen Nachdenken ein; zuweilen zwingt sie
sogar dazu. Den Bauträgern und Wohnungsun-
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ANFORDERUNGEN AN DEN WOHNUNGSBAU DER ZUKUNFT
ternehmen aber wird damit einiges abzuverlan-
nicht besser und nicht schlechter geworden, nicht
gen sein: Dass nicht nur angeboten wird, was
höherentwickelt und nicht degeneriert. Auch die
gewünscht ist.
Geräte des täglichen Lebens in seiner Umgebung
sind deshalb die gleichen geblieben. - F: Und das
Das Fundament eines heute zeit- und aufgaben-
Automobil und das elektrische Licht? – A: Das
adäquaten Wohnungsbaus müsste demnach eine
Automobil ist noch immer nichts anderes als der
größtmögliche Nutzungsneutralität bilden, was
Sitz mit den vier Rädern darunter, und das elekt-
jedoch
Verschwommenheit
rische Licht ist der leuchtende Punkt. Wie sie er-
oder gar Indifferenz bedeutet. Sie erfordert im
nicht
strukturelle
zeugt werden und mit welcher Geschwindigkeit
Gegenteil typologische Festlegungen, die den Ge-
sie funktionieren, ist nebensächlich. Das Haus
brauch einer Baustruktur sinnvoll antizipieren
aber ist das primitive Gerät geblieben, das es war,
können. Es geht mit anderen Worten darum, eine
weil sich sein Zweck nie geändert hat. Alle Neue-
Lösung zu finden, die die jeweils möglichen Ver-
rungen technischer Art können leicht hinzuge-
wendungen der Baustruktur (auch) nach architek-
fügt werden. Die Wohnart gleichgearteter Men-
tonischen Gesichtspunkten konfiguriert: Erschlie-
schen war immer die gleiche, sie können in alten
ßung, Belichtung, Unterteilbarkeit, Möglichkeiten
Häusern gleicher Art ebenso gut wohnen wie in
der Zusammenlegung usw.
7
neuen, wenn sich die Lebensbedingungen nicht
geändert haben. Das aber ist selten der Fall, wes-
Mit großer Sicherheit werden die Wohnhäuser
halb wir zu unseren raum- und zeitsparenden Er-
der Zukunft vernetzt und in sich ‚mobil‘ sein, wird
findungen greifen.“
8
die Einbeziehung modernster Informations- und
Kommunikationstechniken schon deswegen un-
Ohnehin hat das Haus gegenüber öffentlichen
abdingbar, weil das ‚Arbeiten‘ von zuhause aus
Dienstleistungen immer wieder erstaunlichste In-
zunimmt. Die Wohnwelt aber muss dafür nicht
tegrationsleistungen vollbracht. Die wichtigste
neu erfunden werden. Just das hatte der österrei-
war vielleicht die Privatisierung des WC, das lan-
chische Architekt Josef Frank bereits 1927 in
ge noch ein externes Reglement auf der Etage
pointierter Form deutlich gemacht, in seinem Es-
erforderte. Auch die öffentlichen Wasch-, Bade-
say ‚Vom neuen Stil‘, der als fiktives Interview
und Saunaanstalten sind längst in der Wohnung
verfasst wurde: „A: Der Mensch hat sich seit
privatisiert. Und sie hat auch die Eigenküche ge-
hunderttausend Jahren nicht verändert, er ist
gen alle rationalistischen Vorschläge verteidigt,
mit enormen technischen Aufwand sogar ausge-
7
In gewisser Weise geht es dabei auch um die Anknüpfung an ein traditionelles – und lang tradiertes – Wissen
beim Bauen. Beispielsweise wird die autochthone Volksarchitektur äußerlich von der Form und den örtlich verfügbaren Baustoffen geprägt. Betrachtet man sie unter
dem Gesichtspunkt des Energiesparens, so entpuppt sie
sich in der Regel als meisterhaft durchdacht und wirkungsvoll. So hat die Halbkugel des Iglu, der Schneehütte der Eskimos, die kleinste Oberfläche bei gegebenen Rauminhalt und somit den geometrisch geringstmöglichen Wärmeverlust. Der alpine Bauernhof ist ein
Musterbeispiel für solches dem örtlichen Klima gerechtwerdendes Bauen: nach Süden gerichtet (für passive
Solarnutzung), oft in einen Hang eingebettet, kleine
und gedrungene Hausform einbezogen, darüber wärmedämmender Heuboden, Nadelbäume (und Hügel) als
Windbrecher usw.
baut. Warum sollten bei dieser ‚Absorbtionsfähigkeit‘ der Wohnung nun deren Grundfesten ins
Wanken geraten, wenn seit zwanzig Jahren Techniker und Marktstrategen sich mit dem ‚Smart
House‘
beschäftigen?
Ein
high-tech-Regel-
mechanismus, die intelligente Vernetzung von
Zentralheizung über Waschmaschine, Rollläden,
Dusche bis Kaffeekocher, ist als künftige Grundausstattung durchaus denkbar – als eine Art Intranet für das eigene Haus –, ohne dass deswegen
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
ANFORDERUNGEN AN DEN WOHNUNGSBAU DER ZUKUNFT
das tradierte Wohnmuster selbst in Frage gestellt
schiedlichkeit anders als im funktionalen Grund-
wird. Die grundsätzlichen Ansprüche an das
riss vielfältige Bespielungen und Kodierungen
Wohnen bleiben, nur verfeinern sie sich gegebe-
durch den jeweiligen Benutzer ermöglicht. Das
nenfalls. Sie finden ihre Bestätigung, indem sie
bedeutet jedoch keineswegs, dass es um singulä-
sich technischer Innovationen bedienen.
9
re Architekturen geht. Im Gegenteil: Mangelnde
Spektakularität
und Unaufgeregtheit werden
11
Sie erschöpfen sich aber weder darin, noch in
(auch) den künftigen Wohnungsbau prägen.
gutgemeinten Architekturen. Denn zuvorderst
Und neuartig wäre seine Bauform nur insofern,
muss man „verstehen, dass die Bausteine solcher
als der Rhythmus ihrer Primärstruktur und das
Lebensqualitäten, wie Wohnlichkeit oder Kultur,
freie Maßwerk ihres Ausbaus jene Funktionen
nicht einzelne, in bestimmten Quantitäten auftre-
übernehmen können, die seinerzeit das Denkmo-
tende Objekte sind, etwa Wohnraum oder Grün-
dell des Fachwerks erfüllt hat: Nämlich ein zeitty-
fläche, sondern kleine Subsysteme, die organisa-
pisches, allgemein verständliches und akzeptier-
torische, gestalthafte und materielle Komponen-
tes Ordnungsprinzip darzustellen, dass den Rah-
ten haben. ‚Nächtliche Sicherheit‘ ist beispiels-
men und Maßstab individueller Selbstverwirkli-
weise solch ein System, das sich nicht mit der Ab-
chung bildet.
wesenheit von Verbrechen definieren lässt; ‚Ruhe‘ ein anderes, das sich nicht in der Unterschrei-
Mit anderen Worten: Beim künftigen Wohnungs-
tung eines bestimmten Geräuschpegels auf der
bau werden die Ambitionen durchaus ins Grund-
Dezibel-Skala erschöpft. Schließlich müssen wir
sätzliche gehen dürfen (oder gar: müssen), wobei
noch verstehen, dass die Wohnlichkeit, selbst
das Spiel stets auf der Möglichkeit vielfältiger
wenn es uns gelänge, sie vollkommen zu definie-
Verwendungen weniger gleichförmiger Elemente
ren, nicht verordnet werden kann, dass sie kein
beruhen sollte: Dass aus industriell standardisier-
Wohlfahrtsprinzip ist, sondern aktive gesellschaft-
ten Einzelteilen nicht zwangsläufig jene normier-
10
Die allerdings
ten Bauwerke resultieren müssen, die allenorts
kann der Baumeister allenfalls stimulieren, nicht
beklagt werden; dass der Innenausbau nicht von
erzeugen oder gar steuern. Naheliegend ist im-
einzelnen Fachleuten oder fabrikmäßig vorgege-
merhin, besonderen Wert zu legen auf die atmo-
ben ist, sondern eine vielfältig variable Raumbil-
sphärische Qualität einzelner differenzierter Räu-
dung durch die Bewohner und Benutzer selbst
me, deren nicht funktional begründete Unter-
zulässt. Nur so werden sich Kostendruck, Nach-
liche Beteiligung voraussetzt.“
haltigkeitserfordernis und sozialpsychologische
8
Zit. in Johannes Spalt u. Herman Czech (Hrsg): Josef
Frank 1885-1967. Wien 1981, S. 179f.
9
Dass Innovation sich auch über vermeintlich traditionelle Methoden materialisieren kann, illustriert ein kleines Beispiel: Unlängst ist in Berlin, in der Esmarchstraße
im nördlichen Prenzlauer Berg, ein immerhin siebengeschossiges Wohnhaus als Baulückenschließung fertig
gestellt worden. Die Architekten Tom Kaden und Tom
Klingbeil haben mit einer kreativen Interpretation der
Bauordnung einen massiven urbanen Holzbau geschaffen, wobei es ihnen nicht um einen ästhetischen Imperativ ging – dem Haus sieht man gar nicht an, dass es
aus Holz ist –, sondern um die gleichsam selbstverständliche Verwendung eines Rohstoffs mit vorteilhafter
Ökobilanz.
10
Lucius Burckhardt: Die Kinder fressen ihre Revolution. Köln 1985, S. 102
Bedürfnisse unter einen Hut bringen lassen. Nach
Lage der Dinge kann eben dies für den Holzbau
eine
11
große
Chance
darstellen.
Hier sei ein zusätzlicher Hinweis gestattet: In Zeiten
des demografischen Wandels werden innerstädtische
Wohnlagen (nicht nur) für Betagte wieder attraktiver.
Entsprechend geeignete Baugrundstücke sind jedoch
knapp. Eine Lösung könnten „Wohnungen obendrauf“
sein, wie sie etwa auf der Veranstaltung plan08 in Köln
(September 2008) vorgestellt wurden. Nachverdichtungen – auch und gerade in Form von Aufbauten – werden für die weitere Bestandsentwicklung von strategischer Bedeutung sein, und der Holzbau könnte hierzu
einen genuinen Beitrag leisten.
ZUKUNFT
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOLZ IN TEMPORÄREM EINSATZ
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Holz in temporärem Einsatz
Andreas Theilig
rungsanlagen zum Heizen der Räume verwendet.
Die Heizsysteme sind inzwischen so weit, dass in
1 Holz in seinen unterschiedlichen Zuständen
Holz ist nicht Holz. Holz hat ganz unterschiedli-
Kombination mit dem Holz verwendete Materia-
che Facetten in Gestalt, Materialität, Oberfläche,
Probleme für die Umwelt weiterverarbeitet wer-
Festigkeit, etc. Es ist geradezu ein Zyklus von unterschiedlichen Materialeigenschaften im Verlauf
des Lebens von Holz:
 Der Baumstamm in seinem rohen und unveränderten Zustand (Abb. 1, 2).
 Das geometrisch aufbereitete Holz: gesägt,
gehobelt, geschnitten.
 Verleimte Strukturen, um auch kompliziertere
lien (PVC oder sonstige Beschichtungen) ohne
den können. Gelegentlich sind einzelne Bauteile
für Wand, Boden und Decken genormt, ohne
dass man direkt und gestalterisch ablesbar von
modularen Systemen reden muss.
So entsteht
die Möglichkeit der unmerklichen Wiederverwendung von Unterkonstruktionen aufgrund von
ähnlichen
geometrischen
Verhältnissen
(Abb.8 - 10).
Geometrien erstellen zu können.
 Die Spanplatte in unterschiedlichen Graden
der Feinheit als Holzwerkstoff (Abb. 5).
 Natürlich die Wellpappe in der Verarbeitung
von Holz zu Papier (Abb. 6, 7).
3 Holz als idealer Baustoff für den temporären Einsatz
Holz ist im Gewicht leicht, schnell bearbeitbar hat
aber dennoch ausreichende physikalische Eigen-
 Holz in unterschiedlicher Materialität, in ein-
schaften wie beispielsweise Tragfähigkeit und
zelnen Schritten - viele Zwischenschritte sind
Abriebfestigkeit. Dies hat erhebliche Vorteile in
noch gar nicht erwähnt.
der Bearbeitung von typischen Messeprojekten:
Holz in seinen unterschiedlichen Zuständen findet
Eine Messe als temporärer Raum hat, wie der
bei temporären Installationen wie beispielsweise
Name schon sagt, nicht nur eine beschränkte
Messen, bevorzugt Einsatz. Entweder gestalte-
Dauer der Nutzung (zwischen 3 und 14 Tagen)
risch aktiv oder als Unterkonstruktion – in jedem
sondern auch eine beschränkte Aufbauzeit. Dies
Fall aber sehr leistungsfähig, warum?
liegt an dem dicht gedrängten Kalender der Veranstalter, die möglichst viele Messen hintereinan-
2 Holz als recycelbarer, nachwachsender
der in den Hallen stattfinden lassen wollen. Man
Baustoff
Holz ist ein recycelbarer nachwachsender Bau-
muss also in kürzester Zeit möglichst meist an-
stoff und damit ökologisch zunächst unkritisch.
max. Vorfertigung notwendig, d.h. auch, dass
So lässt sich manch ein extremer Einsatz auch
max. große Bauteile vor Ort montiert werden
rechtfertigen: eine Messe von z.T. erheblicher
müssen. Vor diesem Hintergrund ist ein geringes
Größe – der Messestand eines renommierten Zu-
Gewicht und eine leichte Addierbarkeit von er-
stellers im Rahmen der Automobilausstellung in
heblichem Vorteil. Das Material ist änderungs-
Frankfurt hat 15.000 m² Fläche auf bis zu vier
freundlich, d.h., es können Korrekturen und Ver-
Ebenen. Holz und Holzwerkstoffe werden bis zu
änderungen noch vor Ort und ohne einschrän-
5x verwendet ohne Berücksichtigung der techno-
kende Bedingungen umgesetzt werden. Auch
logischen Verarbeitungsprozesse, die danach
das entspricht in hohem Maße einer für den Mes-
kommen. Die Formate werden immer wieder neu
sebau notwendige Eigenschaft. Die vorbereiteten
zugeschnitten und erst am Ende wird das Mate-
Planungen können nicht alle Details vor Ort be-
rial geschreddert und oft in firmeneigene Feue-
rücksichtigen. Manch eine Situation muss „ange-
spruchsvolle Projekte umsetzen. Dazu ist eine
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOLZ IN TEMPORÄREM EINSATZ
passt“ werden. Aufwand der Planung und Er-
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ZUKUNFT
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Holz in seinen unterschiedlichen Zuständen
gebnis müssen in einem vernünftigen Verhältnis
bleiben (Abb. 11, 12).
Der Baustoff hat, wie gesagt, eine ausreichende
Festigkeit und gleichzeitig eine gute Handhabbarkeit. So lassen sich filigrane Konstruktionen
erstellen, welche dennoch eine für die Verwendung ausreichende Stabilität erhalten. Die Lamellenkonstruktionen sind aus strukturierten Holzbaustoffen, quasi wie ein Flugzeugflügel erstellt
und mit dem so erzielten geringen Gewicht von
den Hallendecken abgehängt. So entsteht ein
stützenfreier, aber dennoch räumlich gefasster
Messestand (Abb.13, 14).
4 Holz in seinen visuellen und haptischen
Qualitäten
Holz hat nicht nur optimale Eigenschaften. Bei
temporären Projekten, vorzugsweise in Messehallen, werden jedoch ausschließlich die positiven
Eigenschaften des Holzes abgerufen. Oder anders
herum, es ist nicht der Witterung, der Jahreszeiten und der wechselnden Temperaturen ausgesetzt. Dies kommt den Oberflächen, vor allem
aber den Führungspunkten zu gute. Die Benutzung der Flächen und Oberflächen ist definiert,
funktional und zeitlich. So kann Holz seine positiven Eigenschaften ausspielen: eine freundliche,
atmosphärische Oberfläche, gelegentlich scheinbar weich mit guten haptischen Eigenschaften,
ein warmer und freundlicher Grundton prägt das
Bild im Sinne von Wärme und Gemütlichkeit aber
auch Wertigkeit und Qualität (Abb.15 - 18).
Abb. 1,2: Baumstämme, Messe Tokyo 1997:
Vielzählige Baumstämme schaffen ein besonderes und verblüffendes Bild und
ziehen die Aufmerksamkeit und die Besucher in der unruhigen und großen
Messehalle auf sich: Sie dienen zur räumlichen Gliederung, zur Wegeführung,
zur Markierung, zur Raumbegrenzung und zur Identitätsbildung. Angeordnet
sind sie auf einer großzügigen, geneigten Fläche.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOLZ IN TEMPORÄREM EINSATZ
Abb. 5: Spanplatte, AAA Berlin 1996:
Eine Arena aus Spanplatten bildete den neutralen
Hintergrund für tausende bunter Stühle. Die Besucher hatten die Möglichkeit als Tausch für einen alten, ausgedienten Stuhl, eine Eintrittskarte
zu erhalten. Die Stühle wurden vor dem Brandenburger Tor gesammelt und aufgestellt. In der
Messe wurden Sie als Teil des Messestandes integriert.
Abb. 3, 4: Spanplatte, IAA Nutzfahrzeuge Hannover 1998:
Leicht verarbeitbare und großflächig verlegbare Spanplatten,
bilden die Oberflächen für diesen Messeauftritt. Bis vor die
Messehalle hinaus signalisieren und zonieren signethafte
Bäume im Außenbereich aus Vollholz und im Innenbereich
aus Wellpappe.
Abb. 6,7: Wellpappe, Autowelt Paris 1994:
Hunderte Kubikmeter Wellpappe bilden die
Standfläche für einen außergewöhnlichen Messeauftritt. Das Material ist über die überraschende Wirkung hinaus auch ungewöhnlich tragfähig.
Bis ins Detail brachte der Umgang mit dem besonderen Baustoff interessante Ergebnisse und
überraschende Wirkungen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOLZ IN TEMPORÄREM EINSATZ
Holz als recycelbarer, nachwachsender Baustoff
Abb. 8: Aufbau: Unterkonstruktion, IAA Festhalle
Frankfurt:
Auch unter der Oberfläche wird Holz umfangreich und kunstvoll verarbeitet. Die Holzzuschnitte sind meist durch Erfahrungswerte normiert
und können deshalb bei weiteren Messen ohne
Probleme eingesetzt werden. Auch besondere
Formen sind mit Holz kein Problem.
Abb. 9,10 (r. S.): Aufbaubild und fertige Messe,
IAA Festhalle Frankfurt 1995:
Die hölzernen Flächen der unterschiedlichen Ebenen dominieren das gesamte Erscheinungsbild. Es
entsteht der Eindruck einer großen temporären
Werkstatt als homogenes Erscheinungsbild und
Hintergrund im Kotrast zu einer glänzenden und
detailgenauen Automobilwelt. Die Unterkonstruktion aus Stahl, die die mehrstöckige Struktur
trägt gerät in den Hintergrund. Als Attraktionen
werden eine Lichtröhre und eine Rolltreppe inszeniert.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOLZ IN TEMPORÄREM EINSATZ
Holz als idealer Baustoff für den temporären Einsatz
Abb. 11, 12: Formen und Zuschnitte, Autosalon Genf 2005:
Der Besucher bewegt sich durch eine Biomasseskulptur hindurch:
Parallele Scheiben aus rohem Holzwerkstoff über die gesamte
Standfläche verteilt bilden die Biomasse ab. Auf den begehbaren
Abb. 13,14: Lamelle, Autowelt Paris 2004:
Bereichen sind die Streifen lediglich Bodenintarsien. In der Standmitte
Eine schwebende horizontale Lamellenstruktur
werden die Scheiben zum skulpturalen Element. Kommunikationspunkte
(sechs Lamellen, 90 cm tief, 10 cm dick, 40 cm
und die Theke können über diese Struktur gebildet werden. Über dem
Abstand) erzeugen eine halbtransparente Umfas-
gesamten Bereichen ist die so entstehende Figur symbolhaft weithin
sung: die Blicke von Innen nach Außen werden
sichtbar als weißes Lichtbild auch in der Hallendecke abgebildet.
ebenso gefiltert, wie die Blicke von Außen nach
Innen. Je näher man dem Lamellenvorhang
kommt, je blickdichter wird er, dennoch ist der
Stand ringsum laufend geöffnet und einladend.
Im Zusammenspiel mit den dreieckförmigen metallischen Volumen, die Büro-, Lager- und Restaurantfunktionen aufnehmen, entsteht ein räumlich
schlüssiges und aufgeräumtes zeichenhaftes Bild
nach außen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOLZ IN TEMPORÄREM EINSATZ
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Holz in seinen visuellen und haptischen Qualitäten
Abb. 15, 16: Bambusstämme, Auto China 2006:
Die Inszenierung mit Bambusstämmen unterschiedlicher Größe schafft Atmosphäre und die
individuelle Aussage, sozusagen den lokalen Bezug zum Ort. In die Rückwand eingefügt sind
schaufensterartige, mit warmem Holz ausgeschlagene Vitrinen, in denen die Themen bzw.
Exponate wirkungsvoll platziert werden. Die Ausstellungsfläche bleibt frei und die Infrastruktur
mit Restaurant, Büro, VIP-Bereich, etc. befindet
sich hinter der Rückwand und ist für die Öffentlichkeit nur kontrolliert zugänglich.
Abb. 17, 18: Unterschiedliche Räume, IAA Festhalle Frankfurt 2003:
Hinter einer medial bespielten Lamellenstruktur erkunden die Besucher im
Weg durch die Ausstellung unterschiedliche Themenräume der Markenwelt. Jede Baureihe wird in einer von der Positionierung hergeleiteten
Raumatmosphäre präsentiert. Der Besucher erlebt jede Baureihe in einem
anderen Licht und das Portfolio insgesamt in seiner im Wettbewerb einmaligen Vielfalt. Holz als wertige Oberfläche spiegelt hier Qualität wieder und
bildet einen besonderen Hintergrund.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOCHHÄUSER AUS HOLZ
14.1 Besondere Gebäudekonzepte
Hochhäuser aus Holz
Hermann Blumer
Die allgemeinen Anforderungen für die Schweiz
lauten:
1 Einleitung
Ein Hochhaus mit 40 Geschossen und damit etwa
-
Brennbare Baustoffe sind in Hochhäusern nur
beschränkt zulässig (z.B. Wand- und Decken-
120 m hoch in Holz zu bauen, führt bei vielen
verkleidungen in Einzelräumen, Bodenbeläge
Menschen intuitiv zu einem ungläubigen Kopf-
in Räumen und Korridoren, Rohrleitungen und
schütteln. Sie können sich das nicht vorstellen
-isolationen in feuerwiderstandsfähige Schäch-
und glauben nicht, dass der Baustoff Holz dazu
die Festigkeit hat. Außerdem taucht immer wie-
ten).
-
der die Frage auf, ob diese Bauten dem Feuer
ausreichend Widerstand leisten können. Dessen
Tragwerke von Hochhäusern sind mit einem
Feuerwiderstand von R 90 (nbb) zu erstellen.
-
In Hochhäusern sind die erforderlichen Trep-
ungeachtet wachsen Mammutbäume im Westen
penanlagen als Sicherheitstreppenhäuser mit
von Amerika bis in Höhen von 120 m. Diese Rie-
einem Feuerwiderstand von REI 90 (nbb) zu
sen erreichen zudem ein Alter von 3000 Jahren.
erstellen.
Doch wie schaffen es diese Bäume, Stürmen,
Waldbränden, Erdbeben, Trockenzeiten und an-
Der Zusatz „nbb“ bedeutet nicht brennbar. Da-
derem mehr zu trotzen? Wie schaffen es diese
mit scheidet Holz eigentlich klar aus.
Riesen zudem, ihre Nadeln in der Baumspitze mit
Nährstoffen aus dem Erdreich zu versorgen? Die
Natur vollbringt solche Wunder– die Menschen
zögern. Die Schriftstellerin Tanja Grassecker
brachte es auf den Punkt: „Manchmal sieht man
vor Zweifel und Kleinmut die Chancen nicht, die
einem entgehen, wenn man das Wagnis nicht
imstande ist einzugehen.“
2 Grenzen der Rechtsprechung
Was bedeutet „Hochhaus aus Holz“ ganz genau?
Wie hoch lässt sich solch ein Gebäude errichten,
wie viele Geschosse soll es aufweisen und wie
steht es mit der Standfestigkeit sowie der Brandund Erdbebensicherheit?
In der Schweiz und in Deutschland beginnt die
Hochhausgrenze ab 22 m Höhe. Gemeint sind
Bauten, die nach der Baugesetzgebung als Hochhaus gelten oder deren oberstes Geschoss mehr
als 22 m über dem der Feuerwehr dienenden angrenzenden Terrain liegt bzw. mehr als 25 m
Traufhöhe aufweisen. Diese Festlegungen stammen von der Vereinigung Kantonaler Feuerversi-
Abb. 1: Mammutbäume wachsen bis zu 120 m
cherer.
hoch. Warum sollten nicht auch Hochhäuser aus
Holz diese Höhen erklimmen können?
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOCHHÄUSER AUS HOLZ
3 Sonderschau „Dock Tower“ wirft Fragen
auf
Bereits vor fünf Jahren diskutierte das internatio-
scher, nachwachsender Baustoff, der in unseren
nale Publikum das Thema auf der Swissbau. Hier
mit Holz ist für Hochhäuser noch eine Vision, für
zog die Sonderschau „Dock Tower“ die Besucher
mittlere Höhen aber bereits ein Trend, der förde-
in ihren Bann. Mit den visionären Hochhäusern
rungswürdig ist.“
Wäldern im Überfluss vorhanden ist und besser
genutzt werden sollte. Mehrgeschossiges Bauen
aus Holz, Kunststoff und Massivbau zeigten die
Veranstalter, wie innovatives Bauen der Zukunft
aussehen könnte. Zu sehen gab es auch einen
40-geschossigen Holz-Wolkenkratzer, ein Projekt
der ETH Zürich sowie der Schweizer Holzbauindustrie.
Im Vorfeld zu dieser Ausstellung meldete sich
Prof. Dr. Mario Fontana, Professor für Baustatik
und Konstruktion – Stahl-, Holz und Verbundbau
– an der ETH Zürich zu Wort: Er schrieb: „Der Bau
eines 120 m hohen Hochhauses aus Holz er-
Abb. 2: Grundriss im Dock Tower mit vier Brandabschnitten pro Geschoss und dem inneren massiven Treppenhauskern
scheint zunächst als eine etwas absurde Idee der
Initiatoren der Swissbau-Sonderschau. Holzhäuser
dürfen nach den heute gültigen Brandschutzvorschriften mit maximal zwei Geschossen gebaut
werden, in Gebieten mit traditioneller Holzbauweise bis viergeschossig und im Kanton Aargau
auch etwas höher. Mit der Revision der VKFBrandschutzvorschriften sollen dann ab etwa
2003 auch in den übrigen Kantonen Gebäude
mittlerer Höhe für Wohn-, Dienstleistungsgebäude und Schulen in Holzbauweise möglich sein.
Und nun ein 120 m hohes Hochhaus! Mit welchen Konzepten und Strategien kann man ein
solches Gebäude sicher und trotzdem wirtschaft-
Abb. 3: Vergleich des Aufstandsflächenanteils im
Erdgeschoss bei einem 120 m hohen Haus für
verschiedene Baustoffen
4 Faszination Hochhausbau
Seit 2004 erlauben die Schweizer Baugesetze die
Errichtung von 6-geschossigen Bauwerken aus
Holz.
lich bauen? Am vielversprechendsten erscheint
die Option eines Tragwerkes in Mischbauweise.
Die Kernbereiche aus Beton und Stahl, die Wohnbereiche aus Holz, Holzwerkstoffen und Verbundbauteilen. Dieser Ansatz entspricht auch der
Strategie des Instituts für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich, welches sich dem materialübergreifenden Entwerfen und Konstruieren von
Abb. 4: „Dock Tower“: Das Projekt sorgte 2002
Tragwerken verpflichtet hat, mit dem Ziel, ökolo-
auf der Swissbau für viel Aufsehen. Es gab Ent-
gisch, ressourcensparend, dauerhaft und wirt-
würfe aus Kunststoff, massiven Baustoffen und
schaftlich zu bauen. Holz ist zudem ein einheimi-
aus Holz zu sehen (rechts)
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOCHHÄUSER AUS HOLZ
Wo aber liegt das Potenzial des Werkstoffes Holz
wirklich? Die Meinung des Schweizer Architekten
6 Baustoffe im Vergleich
Das Vordringen des Holzbaus in schwindelerre-
Heinrich Degelo anlässlich einer ETH- Tagung aus
gende Höhen entfesselt die Kreativität der Inge-
dem Jahr 2002 gibt Hoffnung: „Hochhäuser fas-
nieure. Sie ersinnen technische Lösungen mit der
zinieren viele Menschen, sind Wahrzeichen einer
Ambition, den Architekten Freiräume zu erschaf-
Stadt und zeugen von der Leistungsfähigkeit der
fen, ihre Visionen der materialgerechten Aus-
Unternehmen und der Innovation der Kreateure.
drucksform realisieren zu können.
Wenn es gelingt, ein Hochhaus in Holz zu ökonomisch vergleichbaren Bedingungen zu erstel-
Der Werkstoff Holz besitzt den Vorteil, dass mit
len, übertragen sich diese positiven Eigenschaften
ihm wegweisende Leichtkonstruktionen entste-
auf den Werkstoff Holz. Es kann außerdem ohne
hen können. Dazu gesellen sich Vorzüge der kur-
ideologische Reden aufgezeigt werden, was Holz
zen Bauzeit, die Überlegenheit des Trockenbaus,
leisten kann. Die Brennbarkeit, die das Material
günstige Ökobilanzen bzw. Nachhaltigkeit wer-
aus vielen Bereichen verdrängt hat, kann heute
den erzielt und die Häuser lassen sich einfacher
mit technischen Maßnahmen wettgemacht wer-
zurückbauen. Gefordert sind Stand und Brandsi-
den. Zu Unrecht haftet der „Makel“ dem Holz
cherheit, Langlebigkeit, Energieeffizienz und ho-
immer noch an, auch wenn heute in Europa
her Lebenskomfort.
Wohnbauten bis 6- oder gar 10-geschossig in
Holz gebaut werden.“
In Ingenieurkreisen ist bekannt, dass Holz im Verhältnis zum geringen Eigengewicht eine hohe
5 Holzbauten zeigen Größe
In der ganzen Welt gibt es genügend Beispiele
Festigkeit aufweist. Für die Grundfläche einer
für neue und historische Holzbauten, die in ihren
ßere Aufstandsfläche als eine Massivkonstruktion
Abmessungen ihresgleichen suchen:
in Beton, in einer Stahlkonstruktion ergeben die
-
-
Säule benötigt eine Holzkonstruktion keine grö-
Sehr lange waren die höchsten Bauwerke aus
Umrisse der unten ankommenden Stahlprofile ei-
Holz, wie auch der Turm der Peterskirche in
ne nur wenig geringere Fläche (Abb. 3). Auch bei
Riga aus dem Jahre 1491 mit 136 m Höhe.
der Beanspruchung durch Erdbeben hat Holz mit
Die Pagode im Tempel Kaiyuan bezeichneten
seiner geringen Schwingungsmasse, den duktilen
die Chinesen als „Pagode Nr. 1“. Sie wurde
Verbindungsmittel und der großen Zähigkeit gute
im Jahr 1054 während der Song- Dynastie er-
Karten.
richtet. Sie ist 83,7 m hoch und damit die
höchste aus Holz gebaute Pagode.
-
-
Der höchste je gebaute Holzturm stand im
7 Projektstudie Dock Tower
Der sogenannte „Dock Tower“ in Holz nahm
baden-württembergischen Mühlacker. 190 m
noch nicht für sich in Anspruch, das Vollendete
hoch, diente er von seiner Fertigstellung 1934
zu zeigen, sondern er war eine Metapher für die
bis zu seiner Zerstörung am 6. April 1945 als
Vorstellung des „Wohnens mit dem effizienten
Sendeturm für die Mittelwellenfrequenzen.
Umgang begrenzter Landressourcen“. Man hegte
Der Jahrtausendturm in Magdeburg mit 60 m
noch nicht den Ehrgeiz der vollkommenen Archi-
gilt als höchstes Holzgebäude der Welt mit ei-
tektur. Der Dock Tower in Holz sollte nicht in den
ner Aussichtsplattform auf 43 m Höhe.
Himmel wachsen oder protzen, etwa höher sein
als die größten Bäume unserer Erde. Mit diesem
Projekt wurde 2001 an der ETH eine Vision entwickelt, welche dazu beitrug, im mehrgeschossi-
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOCHHÄUSER AUS HOLZ
gen Holzbau Systemlösungen anzudenken und
Die dreigeschossigen Wohneinheiten sind ge-
Vorurteilen zu begegnen.
schossweise durch Holz-Beton-Verbunddecken
und durch die Zimmerwände in sekundäre Bran-
Das Brandschutzkonzept stand im Mittelpunkt
dabschnitte unterteilt. Die Lüftungen sind pro
aller Überlegungen, denn ein Hochhaus darf auch
Wohnung mit Brandschutzklappen getrennt. Jede
nach Stunden eines Flammenmeers noch nicht
Wohnung verfügt über sichere direkte Zugänge
einstürzen.
zu mindestens zwei Sicherheitstreppenhäusern.
Zusätzlich schützt jeden Turm eine Löschanlage.
In einem Hochhaus sehen die Ingenieure in der
Um den Brandübergriff im Fassadenbereich zu
Regel neben den baulichen Vorkehrungen auch
verhindern, sind nach jedem dritten Geschoss
technische Maßnahmen vor, um ein hohes
auskragende Betondecken angeordnet und die
Brandsicherheitsniveau zu erreichen. Für die Si-
Hinterlüftung ist geschossweise unterbrochen.
cherheit der Bewohner und der Feuerwehr ist der
Einbau von redundanten (Anm. d. Red.: zusätzli-
Mit den vorgesehenen Maßnahmen erreicht das
chen) Systemen, welche beim Ausfall einer Maß-
Hochhaus aus Holz ein Brandsicherheitsniveau,
nahme nicht zu einer Katastrophe führen, unab-
das über dem Standard liegt. Der Schlüssel beim
dingbar. Insbesondere sollte den Benutzern mehr
mehrgeschossigen Bauen liegt also im Brand-
als nur ein sicherer, rauchfreier Fluchtweg zur
schutz: Mit der Entwicklung einer adäquaten
Verfügung stehen.
Löschtechnik könnte sich Ingenieure, Architekten
und Handwerker den Weg zu mehr Holz am Bau
erschließen.
Die Ausführungen der JOMOS Brandschutz
GmbH, Sissach CH, deuten an, wie die Brandschutzmaßnahmen beim Dock Tower in der Praxis ausgeführt werden könnten. Bei einem hohen
Haus aus Holz müssen sich die Planer auf folgende drei Punkte konzentrieren:
Abb. 5: Hochhaus als Hybrid: Ein Skelett aus Beton oder Stahl und den Ausfachungen mit vorfabrizierten Holzmodulen könnte das Konzept
Wirklichkeit werden lassen
8 Brandschutz im Detail
Das Brandschutzkonzept des Dock Towers setzte
auf eine primäre Brandabschnittsbildung durch
den Betonkern und die auskragenden Betonplatten nach jeweils drei Geschossen. Jedes Geschoss
wird zudem durch die vier äußeren Treppenhäuser, Lift und Steigzonen in vier Abschnitte geteilt.
-
Verhinderung der Hitzeentwicklung
-
sichere Fluchtwege
-
Redundanzen (zusätzliche Sicherheitssysteme)
Ein Brand muss bereits in der Entstehungsphase,
also innerhalb weniger Minuten, gelöscht oder
eingedämmt werden. Die Flucht und Rettungswege müssen möglichst rauchfrei und eindeutig
gekennzeichnet und beleuchtet sein.
1224
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOCHHÄUSER AUS HOLZ
Abtragung der Kräfte beeindruckte auch der
Entwurf von Heinrich Degelo. Dieser hatte ein
Hochhaus mit 200 m Höhe entworfen. Die Studie
basiert auf kompletter Energieautarkie. Im Innern
sind wie bei einem Termitenbau Lüftungskamine
zur Kühlung vorgesehen.
Nach Ansicht des Autors liegt der erste Schritt
zum Hochhaus in Holz in der hybriden Bauweise.
Das Gebäude besteht dabei aus zweierlei BauAbb. 6: Aufbruch in luftige Höhen. Mit ihrem ers-
stoffen, um erweiterte Funktionalitäten zu schaf-
ten Sechsgeschosser in Holz setzten die Schwei-
fen.
zer im vergangenen Jahr Maßstäbe
Im Bausektor sind hybride Konstruktionen alltäg9 Wege zum Holzhochhaus
Im November 2002 veranstaltete die ETH Zürich
lich. Das Fenster ist eine Kombination aus opa-
eine Tagung, bei der namhafte Architekten ihre
schiedlichsten
Vorstellungen über das Bauen von Hochhäusern
Standfestigkeit,
in Holz präsentieren konnten. Die Projekte konn-
und Ökologie verlangen geradezu nach Baustoff-
ten unterschiedlicher nicht sein.
allianzen. Der „hybride“ Denkansatz kann dabei
kem Rahmen und transparentem Glas. Die unterSystemleistungen
Brandsicherheit,
im
Bereich
Behaglichkeit
helfen, mit dem Holz im Hochhausbau Fuß zu
Die Entwürfe zeigten sehr kreative Ansätze für
fassen. So würden sich massive Stahl- oder Be-
das Bauen mit Holz im Hochhausbereich. Neben
tonskelette für den Bau von Treppenhäusern und
den Strukturstudien für Holzbauten der MDRVD-
Schächten eignen. Die eigentlichen Wohnberei-
Architekten mit unterschiedlichen Holzarten zur
che könnten komplett aus Holz erstellt werden.
aus Mikado 7/2007, S. 16-19
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.1 BESONDERE GEBÄUDEKONZEPTE
HOCHHÄUSER AUS HOLZ
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUEN IN DER STADT
14.2 Bauen im Bestand
Bauen in der Stadt
Anja Niemeier, Ludger Dederich
Zudem fordert derartiges Siedeln ein hohes Maß
an Mobilität, die immer teurer wird. Hinzu
Bauland ist teuer. Nicht nur in Ballungszentren ist
kommt, dass die in der jüngeren Vergangenheit
der Wohnraum knapp. Das macht das Bauen kos-
ausgewiesenen Neubaugebiete sich nur langsam
tenträchtig und hindert Bauwillige an der Reali-
– wenn überhaupt – füllen lassen [1].
sierung ihrer Vorhaben. Die beinahe schon klassische Vorgehensweise, Dachgeschosse auszubau-
Im Hinblick auf zukunftsfähige Konzepte stellen
en, ist nur noch bedingt umsetzbar.
Baulücken, die in den Ballungszentren zahlreich
vertreten sind, eine Herausforderung der besonderen Art dar: ein- oder zweigeschossige Gebäude, die als Provisorien auf den Grundstücken
kriegsbedingter Baulücken errichtet wurden. Und
doch sind diese Bauten in den Innenstadtzonen
nicht auf den ersten Blick wahrnehmbar, da die
ablenkenden, die Perspektive des Passanten unten haltenden visuellen Eindrücke zu vielfältig
sind, als dass der Blick über das Erdgeschoss hinaus weiter nach oben schweifen würde.
Abb. 1: Gelungener Dachgeschossausbau in
Sankt Augustin [Foto: Holzabsatzfonds]
1 Trend der Studie
Die Nachverdichtung von bestehenden Rest-,
Brach- und Dachflächen sowie die Umnutzung
von ehemals industriell-gewerblich oder militärisch genutzten Flächen bieten ausreichend Opti-
Häufig sind diese Bauten durch die in den Jahren
nach 1945 unzureichende Bauqualität geprägt.
Sie lassen schwergewichtige Ergänzungen zur
z.B. höhenmäßigen Anpassung an die Nachbarbebauung nicht zu. Bei einer eventuellen Schließung solcher Lücken kommen nur leichte Konstruktionen in Betracht.
onen für erweiterte oder neue Nutzungskonzepte.
Konzepte, die darauf abzielen, die Stadtränder
und Speckgürtel von Großstädten weiter auszufransen, haben ausgedient: Den damit verbundenen Flächenverbrauch und die bezogen auf die
generierte Gebäudenutzfläche unverhältnismäßigen Aufwendungen zur Gewährleistung der Verund Entsorgungsinfrastruktur können wir uns
nicht mehr leisten: Im Vergleich zu einer Wohneinheit mit ca. 120 m² ist der Grundstücksbedarf
Abb. 2: Lücke geschlossen: Wohn- und Ge-
für ein freistehendes Einfamilienhaus durch-
schäftshaus in Berlin [Foto: Holzabsatzfonds]
schnittlich dreimal so groß.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUEN IN DER STADT
2 Trendzonen statt Schmuddelkinder
Fast könnte man meinen, dass der vorrangige
Mehrnutzen aus Maßnahmen der Nachverdichtung ausschließlich ein optischer ist: Bei vertikaler
Nachverdichtung auf den Bestandsgebäuden bleiben die Flächen zwischen den Bauten, die in der
Regel Grünzonen sind, unverbaut. Werden in
„gewachsenen“ Siedlungsgebieten rückwärtige
Flächen erschlossen, so bleibt das oft als angenehm wahrgenommene Quartiersbild erhalten.
Das Füllen von Baulücken sorgt für geschlossene
Straßenzüge und wertet das Erscheinungsbild
auf. Faktisch sind die Auswirkungen eines intakten oder vollständigen „Quartierbildes“ nicht zu
unterschätzen: Aus Schmuddelkindern werden
Trendzonen wie im Düsseldorfer Medienhafen
oder am Prenzlauer Berg in Berlin.
Abb. 4: „Klassische“ Aufstockung der Erlanger
Siemenssiedlung [Foto: Holzabsatzfonds]
4 Das Zeitlose der Baugeschichte
Gefordert ist die Besinnung auf Wissen und Konzepte der Vorfahren, die gezwungen waren, unmittelbar den regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Die waren und sind topograAbb. 3: Oft gesehene innerstädtische Situation:
Mehr Lücke als Bebauung
3 Aufstockung macht attraktiv
Die den Städtebau der 1950er bis 1970er Jahre
prägenden flach gedeckten Gebäude bieten sich
zur Aufstockung an. Ungeachtet der städtebaulichen Qualität tragen die Maßnahmen dazu bei,
Gebäude jener Zeit – ob es sich nun um Wohnungsbauten oder gewerblich genutzte Immobilien handelt – wieder dem Immobilienmarkt zuzuführen.
phisch oder klimatisch bedingt oder der Verfügbarkeit bestimmter Rohstoffe geschuldet. Sicherlich, der globale Handel von Waren und Dienstleistungen ist nicht mehr aufzulösen. Doch sind
die Voraussetzungen für das alltägliche Tun an
keinem Ort der Welt mit denen an einem zweiten
identisch. Also muss gelten, aus zeitgemäßen
Konzeptionen heraus im Umgang mit überliefertem Wissen, spezifische mikrokosmische Lösungen zu finden.
5 Nachhaltige Glaubwürdigkeit
Nicht das scheinbare Idyll der mittelalterlichen
Stadt darf Ziel sein, sondern eine klar definierte
Herangehensweise, die glaubwürdig nachhaltiges
Bauen spiegelt: Schonender Umgang mit endli-
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUEN IN DER STADT
chen Ressourcen und verstärkte Nutzung erneuerbarer Ressourcen.
6 Wohnsiedlung auf dem Dach
Nicht zuletzt lassen sich in diesem Sinne Großbauten monofunktionaler Ausrichtung nutzen,
Je mehr die Globalisierung und das Vernetzsein
die in den Jahren nach 1945 errichtet wurden
Einzug in das tägliche Leben nehmen, umso mehr
und das Bild der Innenstädte prägen. Konzeptio-
orientiert sich der Mensch an Lösungen auf Basis
nell beispielhaft sei hier auf das Projekt „Klara
der Traditionen vor Ort. Nichts anderes waren in
Zenit“ hingewiesen: Während einer Umstruktu-
ihrer Zeit die Fachwerkhäuser Mitteleuropas: Sie
rierung eines Viertels in der City von Stockholm
wurden entwickelt als zeitgemäße Antwort auf
wurde ein ehemaliges Postbank-Gebäude, das
die Frage „Wie sollen wir zukünftig bauen?“ Aus
einen ganzen Block einnimmt, unter Beibehal-
einer nicht weniger unbewusst-konsequent mor-
tung seiner Kubatur aufgewertet. Im Zuge des
phologischen Herangehensweise hat sich die
Umbaus wurde die in historischen Stadthäusern
Nutzungsform des mittelalterlichen Handelshau-
übliche vertikale Funktionsstruktur in zeitgemäßer
ses entwickelt: Im Erdgeschoss wechselte Ware
Interpretation wieder hergestellt: Im Erdgeschoss
ihren Besitzer, im Geschoss darüber wurde ver-
befinden sich Ladenlokale für den Einzelhandel,
waltet und unter dem Dachgeschoss wohnte der
darüber sind Büroflächen für Dienstleistungen
Kaufmann mit seiner Familie [2].
eingerichtet und oben auf den Bestand planten
die Architekten eine Wohnsiedlung in Holzbauweise mit einem Netz von Gassen, mit halbprivaten Höfen und Straßenbeleuchtung – eine eigenständige Quartierstruktur auf der zweiten Ebene
in hochverdichteter Innenstadtlage.
Abb. 5: Hanseatisches Handelshaus mit traditio-
Abb. 6: Klara Zenit in Stockholm: Wohnen auf
neller Nutzungsstaffelung: Ladenlokal im Erdge-
zweiter Ebene in der City
schoss, darüber Büroflächen, im Obergeschoss
[Foto: Skogs-Industrierna]
Wohnfläche
1230
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUEN IN DER STADT
7 Maßstab Mensch
Die Anforderung an Akteure und Entscheidungs-
Wenn zukunftsfähiges Bauen nachhaltig sein soll,
träger von heute und morgen hat Alexander Mit-
fordert, über den Schatten des uneingeschränk-
scherlich bereits Mitte der 1960er Jahre formu-
ten Fortschrittsglaubens zu springen. Es gilt da
liert: „Nichts anderes als ein in Städten geschultes
anzuknüpfen, wo die Generation der Großeltern
Bewusstsein hat die technische Welt hervorge-
unserer Großeltern gestanden hat. Unerlässlich ist
bracht – und diese technische Welt verlangt nun
die Reflexion darüber, was sich seitdem zugetra-
ihrerseits hohes Bewusstsein als Integrationsleis-
gen hat und als eindeutige Fehlentwicklung iden-
tung.“ [3]
tifiziert werden kann. Für die anstehenden Her-
dann sind die Menschheit und die Bauleute ge-
ausforderungen hat der Holzbau Lösungen anzuDie physikalischen Zusammenhänge sind unver-
bieten und auch schon umgesetzt, die konzepti-
ändert gültig und werden es bleiben. Dampfdich-
onell wie technisch zukunftsfähig sind. Der Holz-
te Baustoffe hingegen sind Produkte der jünge-
bau ist die einzige Konstante, die es bereits vor
ren Vergangenheit. Sie bedingen unangenehme
der industriellen Revolution gegeben hat, und der
Nebenerscheinungen und den Einsatz hochkom-
auch das postindustrielle Bauen und Leben prä-
plexer technischer Installationen, um fundamen-
gen wird.
tale Lebensbedingungen, also thermische Behaglichkeit und hygienische Innenraumluft, gewährleisten zu können. Fachwerkhäusern des Mittelal-
Quellen
[1] Neppl, M., Die Zukunft der Stadt, Tagungs-
ters waren solche Anlagen fremd: Die Bauteile
gewährleisteten auf der Basis einer Gemengelage
band 13. IHF 2007, Biel
[2] Oliver, P., Dwellings – The Vernacular House
von Diffusion und Konvektion die Bedingungen
immerhin ansatzweise. Heutzutage wird in der
World Wide, London, New York 2003
[3] Mitscherlich, A., Die Unwirtlichkeit unserer
Regel auf Konvektion allein gesetzt – und das
maschinengestützt.
Städte, Frankfurt 1965
[4] Matzig, G., Die Dinosaurier sind unter uns,
in: Süddeutsche Zeitung, 6. Nov. 2008,
Vor allem stellt sich die entsprechende Architek-
München
tur in all ihrer Individualität nicht marktschreierisch dar, sondern zeigt sich alltagstauglich. Der
Maßstab der umgesetzten Struktur ist entscheidend. Und Maßstab kann nur der Mensch an sich
sein! [4]
aus:
mikado
5
/ 2009,
S.
24
ff
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
14.2 Bauen im Bestand
Dachaufstockungen
14.712 m² Wohnfläche). 81 Wohnungen mit
Joachim Seinecke
6.354 m² Wohnfläche kommen im Bereich der
1 Von der schlichten „Fordsiedlung“ der 50er
Jahre zur innovativen „Solarsiedlung“ des
Aufstockung hinzu, so dass insgesamt den Mie-
21sten Jahrhunderts
Die „Fordsiedlung der LEG“ ist eine von vielen
fügung steht.
tern ein vielfältiges Wohnungsangebot zur Ver-
Siedlungen aus den 50er Jahren, schnell gebaut,
und das oft in Schlichtbauweise, Sie schufen in
den frühen 50er Jahren in kurzer Zeit den notwendigen Wohnraum für viele Menschen. Ein
Haustyp, wie er in vielen deutschen Städten zu
finden ist.
Diese Siedlung, mit 11 Wohnblöcken, steht in
Köln-Niehl,
in
der
Nähe
der
Ford-Werke.
14.210 m² Wohnfläche verteilen sich auf 310
Wohnungen
mit
überwiegend
sehr
kleinen
Grundrissen, ein Wohnkomfort, der unseren heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Bedingt
durch die Schlichtbauweise und die fehlende
Wärmedämmung, besteht ein sehr hohe Heizwärmebedarf von 246 kWh/(m²a).
Die Energieeinsparziele werden definiert über das
Programm „50 Solarsiedlungen NRW“ und die
KfW-Programme „Ökologisch Bauen, Energiesparhaus 40“ für den Bereich der Aufstockung.
Für den Bestand greift das Programm „CO2Gebäudesanierungsprogramm,
Hieran wird bildhaft deutlich, warum 40 % des
Energieverbrauchs zur Beheizung der Gebäude
benötigt wird. Ebenso deutlich wird auch, dass
die Energieeinspar- und CO2-Minderungsziele im
Wesentlichen im Bestand erreicht werden können.
Kategorie
A,
Neubau- Niveau minus 30 %“.
Gerade das Solarsiedlungsprogramm verbindet
die Themen Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien ideal. Das Energieangebot
der Sonne gilt es passiv und aktiv zu nutzen. Um
den solaren Deckungsgrad (nutzbarer solarer Zu-
So schlicht die Wohnbauten sind, so hoch die Nebenkosten aufgrund des hohen Heizwärmebedarfs auch ausfallen, die Infrastruktur (Verkehr,
Schulen, Einkaufsmöglichkeiten) ist hervorragend,
das Umfeld begrünt mit einem hohen Freiflächenanteil. Dies motivierte die Eigentümerin, die
LEG, sowohl die Bestandsbauten zu modernisieren und energetisch zu sanieren, neue Grundrissaufteilungen zu schaffen und gleichzeitig die
Bestandsfläche aufzustocken.
Die Neuaufteilung der Wohnungen schuf einen
neuen,
Abb. 1: Teilansicht Königsberger Strasse
vielfältigen
Wohnungsmix
(264 WE,
gewinn im Verhältnis zum Jahresheizwärmebedarf möglichst hoch zu gestalten, gibt es zwei
Möglichkeiten:
Ausrichtung und Optimierung der Gebäude und
Fenster und deutliche Reduzierung des Heizwärmebedarfs. Ersteres war im Bestand nur begrenzt
möglich, folglich wurde um so mehr durch Wärmedämmung und den Einbau von Lüftungsanlagen der Heizwärmebedarf reduziert.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
men
überprüft,
um
die
Schwachstellen zu erkennen.
Abb. 2: Isometrie von Süden
Für die aktive Nutzung musste planerisch ein anderer Weg gegangen werden. Bei den rein NordSüd ausgerichteten Gebäuden waren 1.000 m²
Solarthermie-Anlage nicht wirksam auf den
Dachflächen unterzubringen. Die Lösung: die
Kopfbauten erhielten ein südorientiertes Pultdach
zur Aufnahme der Solarthermie-Anlage.
Um den 3-Liter-Haus Standard (Berechnung nach
dem Passivhausleitfaden) zu erreichen, erhielt die
Aufstockung eine Gebäudehülle aus Holztafelbauelementen in Passivhausbauweise. Ausgenommen davon sind die Fenster. Alle Bauteilübergänge im Bereich der Aufstockung sind wärmebrückenfrei.
Mit der Holztafelbauweise ist es recht unkompliziert, wärmebrückenfrei zu bauen. Im Bestand ist
diese Aufgabe nicht so einfach zu lösen. Alle
Bauteilübergänge wurden erfasst und berechnet,
um den Wärmebrückeneffekt deutlich zu reduzieren. Ziel ist es, nicht nur den Wärmeabfluss zu
reduzieren - die Einhaltung des Schimmelpilzkriteriums zur Sicherstellung des hygienischen Komforts hat ebenso einen sehr hohen Stellenwert.
Um die Wärmebrückenvermeidung auch praktisch umzusetzen, wurden zahlreiche Leitdetails
mit klaren Vorgaben für das Handwerk entwickelt. Letzteres ist im Bereich der Luftdichtheit
der Gebäudehülle besonders wichtig. Im Bestand
wurden die Häuser vor den Sanierungsmaßnah-
Abb. 3: Fassadenschnitt
altbauspezifischen
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
Die Umsetzung bedarf der guten handwerklichen
-
Handhabe - insbesondere im Bereich der Luft-
 erreicht HT´ i.M. 46,6
zul. HT´ i.M.= 70,5
-66%
dichtheit und Wärmebrückenvermeidung. In einer wöchentlichen Qualitätskontrolle durch das
2 Konstruktion
Büro ARCHPLAN (Staatl. anerkannten Sachverständigen für Schall- und Wärmeschutz) werden
2.1 Voruntersuchung
Die vorhandenen Planunterlagen aus den 50er
die Mängel zeitnah erfasst und an die Bauleitung
Jahren sind nicht aussagekräftig genug um die
weitergeleitet.
Bausubstanz schlüssig zu bewerten, es sind deshalb sorgfältige Untersuchung der wesentlichen
Die planerische Optimierung der Gebäude, hohe
Bauteilkomponenten in der Konzeptphase nötig.
Wärmedämmung, Wärmebrückenfreiheit/ Ver-
Diese reichen von der Überprüfung des Baugrun-
meidung und die Luftdichtheit der Gebäudehülle
des in unmittelbarer Nähe der Innen- und Außen-
reduzieren deutlich den Heizwärmebedarf und
fundamente durch den Bodengutachter bis zu
sichern den passiven solaren Wärmeeintrag. Dies
Querschnittuntersuchungen
ist die Basis, um erneuerbare Energie, aktive So-
Bauteile.
der
konstruktiven
larenergienutzung, sinnvoll umzusetzen.
Diese Voruntersuchungen sind auch für die wei-
Ziele/Vorgaben Solarsiedlung NRW
- Solarer Deckungsgrad: > 0,25
teren Baukomponenten notwendig, zumal in diesem Fall in mehreren Punkten Abweichungen von
 erzielt: > 0,27
-
Wärmedämmung: HT´ ≤ 0,4 (für Aufstockung
und Bestand)
 erzielt 0,38
-
bauweise erstellt worden und aufgrund des Bau-
2
Heizwärmebedarf: ≤35 kWh/m a
grundes waren die Fundamente noch ausrei-
 erzielt: ≤ 26,5 kWh/m2a
-
Aktives Solarsystem: mind. 60 % Deckung für
Solarthermische Anlagengröße: 1000 m
-
2
chend dimensioniert, dass eine Aufstockung in
der leichten Holztafelbauweise möglich wurde.
Die oberirdischen Außenwände bestanden aus-
Basis: PHPP, Passivhausleitfaden
nahmslos aus Bimsstein-Mauerwerk, allerdings
Ziele nach KfW- Programm
- Aufstockung: „ökologisch Bauen, Energiespar-
waren abweichend von den Planunterlagen deutlich weniger Ringbalken eingebaut bzw. nicht
vollständig erstellt worden. Die Geschossdecken
haus 40“
-
führungsart festgestellt werden mussten.
2.2 Die Untersuchung ergab folgendes Bild
Die Kelleraußenwände waren in Stampfbeton-
Emission: ≤ 40 CO2/m2
 erzielt: > 40 CO2/m2a
-
der, in den Planunterlagen vorgegebenen Aus-
2
Qp < 40 KWh/(m a) (Jahres- Primärenergiebe-
wurden als Holzbalkendecken ausgeführt, in den
darf)
Bereichen der Küchen und Bäder mit Betonträ-
2
 erreicht Qp i.M 34,2 kWh/(m a)
gern und Bimsdielen erstellt. Die letzte Geschoss-
-
decke (Holzbalken) war als nicht tragfähig anzu-
HT´ -45%
 erreicht HT´ -65,6 %
sehen und für die geplante Aufstockung nicht
-
geeignet.
Bestand:
„CO2-Gebäudesanierungspro-
gramm“ Kategorie A, Neubau- Niveau minus
30 %
-
2
zul. Qp i.M.= 80,67 kWh/m a
2
 erreicht Qp i.M. 47,3 kWh/m a
-58%
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
Abb. 4: Statisch, konstruktives Konzept
Ausführung
Die Erkenntnis, dass die letzte Geschossdecke
Außenwänden und den Mittelwänden kragt über
keine Lasten aufnehmen kann, führte zu der Lö-
die Außenwände um 0,45 m umlaufend aus, ei-
sung diese Decke komplett durch eine neue
nerseits zum Ausgleich eventueller Maßtoleran-
Tragkonstruktion zu überbrücken. Die gewählte
zen bei den bis zu 80 m langen Blöcken, anderer-
Brettsperrholzdecke, mit Auflagerpunkten an den
seits um den Detailpunkt Übergang des Wärme-
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
dämmverbundsystems des Bestandes zur Aufsto-
sind, z.T. sind diese Grundrisse auch Haus über-
ckung fehlertolerant zu gestallten. Als ein weite-
greifend.
rer positiver Nebeneffekt ergaben sich durch die
Auskragung insgesamt ca. 1000 m² mehr Wohn-
Sämtliche tragenden Wände der Aufstockung
fläche in der Aufstockung gegenüber den Nor-
sind als vorgefertigten Holztafelelementen mit
malgeschossen.
montierten Fenstern und eingebauter Dämmung
gefertigt und montiert, alle nicht tragenden
Die Ausrichtung der Brettsperrholzdecke durch
Wände werden örtlich in Trockenbauweise er-
Richtschwellen auf den Ringbalken an den Au-
stellt.
ßen- und der Mittelwand sorgt für eine zügige
Montage, was im Hinblick auf die darunterliegenden, zum Teil bewohnten Wohnungen einen
enormen Vorteil im Hinblick auf die Bauwassersicherung ergab. Als Fixpunkte für den Aufbau der
Aufstockung sind die vier Innenecken der Treppenhäuser und die Position der Sanitärstränge
vorab durch einen Vermesser erfasst und in die
Ausführungs- und Werkplanung übernommen
worden. Die statisch notwendige Verankerung
der Aufstockung erfolgt in die Ringbalken.
Abb. 6
Die Begrenzung der gedämmten Hülle ist die
Decke über den Wohnräumen, ebenfalls als vorgefertigte „liegende“ Elemente mit Dämmung
konstruiert. Im Bereich der Maisonette wird die
Zwischendecke durch eine Brettsperrholzplatte
gebildet, das Pultdach wiederum ist aus gedämmt Elementen errichtet. Die Dachkonstruktion des Satteldaches besteht aus längs laufenden
Bindern, die die selbsttragenden Trapez-Dachelemente unterstützen.
Abb. 5
Potentiale für die Verwendung von Holztafelbau:
-
Durch die neue, durchgehende tragfähige Ebene
ideal für Bauten mit geringen statischen Re-
ergibt sich die Möglichkeit, in der Aufstockung
größere Grundrisse zu realisieren, als in den
Normalgeschossen
des
Bestandes
vorhanden
Holztafel- oder Holzbauelemente sind leicht,
serven
-
Weitgehende Vorfertigung beschleunigt die
Montage und den gesamten Bauprozess
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
-
Insbesondere wichtig in Innenstädten und
Bauordnungsrechtlich ergibt sich folgende Situa-
weiter genutzten Bauten während der Bauzeit
tion:
Gute Voraussetzungen für energiesparende
Bauweisen, hohe Dämmwerte der Bauteile bei
geringem Flächenverbrauch
3 Brandschutzkonzept
Durch Aufstockung ist das Gebäude kein „Gebäude geringer Höhe“ mehr und damit nach
Landesbauordnung NRW in Holz nicht machbar,
deshalb wurde das Büro Dehne beauftragt ein
Orientierend:
Musterbauordnung (MBO) Fassung November
2002
Einführung der Gebäudeklassen G1-G5,
Holzbauweise bis zur GK4 (5 Geschosse)
Einführung von hoch feuerhemmenden Bauteilen in F60
Orientierend:
Brandschutzkonzept für die gesamte Gebäude-
Muster-Richtlinie für Brandschutztechnischen
substanz zu erstellen. Dieses Konzept sieht vor,
Anforderungen an hoch feuerhemmenden
dass durch einen erweiterten baulichen Brand-
Bauteilen
schutz, auch in den Normalgeschossen, das Ge-
Fassung Juli 2004
samtgebäude ertüchtigt wird. Dies trifft vor allem
Beherrschung
auf die Geschossdecken (Holzbalkendecken) zu.
BA-Bauweise
Die im Bestand vorhandenen Holzbalkendecken
Hochfeuerhemmende Bauteile (F60-BA)
weisen in Anlehnung an DIN 4102-4 die Qualität
Bauteiloberfläche nichtbrennbar
F30-B auf. Durch die Ertüchtigung mit Gipsfaser-
Kapselung der brennbaren Tragkonstruktion
platten an der Unterseite wird die Qualität auf
F60-BA/K30 nach DIN 13501-2 erhöht. Das gilt
auch für die Holztreppenläufe der Treppenhäuser, die nachträglich vollständig F60/K30 gekapselt werden müssen.
in
Holzbauweise
des
(M-HFHHolzR)
„Brandrisikos“
durch
Grundlage:
Landesbauordnung:
Einführung der MBO und der M-HFHHolzR
nur in einigen Bundesländern
Empfehlung:
In Abstimmung mit den Genehmigungsbehörden
Jeweils individuelles Brandschutzkonzept
und der Feuerwehr Köln wurde auf der Grundla-
Abstimmung des Brandschutzkonzeptes mit
ge des Konzeptes eine Zustimmung im Einzelfall
den beteiligten Behörden, der Feuerwehr
durch die oberste Bauaufsichtsbehörde die Ge-
und den Herstellern möglichst in einem frü-
nehmigung erteilt.
hen Planungsstadium und unter Leitung des
Brandschutzsachverständigen.
Sämtliche konstruktiven Bauteile der Aufstockung
sind in F60-AB/K30 ausgeführt. Für die Treppenhauswände und die Brandersatzwände wurde ei-
4 Wohnumfeld
Ein wesentlicher Bestandteil des zukunftsfähigen
ne Qualität von F90-BA/K60 nachgewiesen.
Wohnens ist ein schönes, aber auch individuell
gestaltbares Wohnumfeld. Mit verschiedenen
Bausteinen werden wir diesem Ziel Rechnung
tragen.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
rassen, die den Bewohnern für eine gemeinsame
Nutzung zur Verfügung stehen.
Wegeverbindungen werden barrierefrei und mit
ausreichender Beleuchtung gestaltet.
Spiel- und Kommunikationsbereiche werden neu
belebt und heutigen Bedürfnissen entsprechend
ausgestattet.
Abb. 7: Archivaufnahme Ford-Siedlung
6 Eingangsplatz – Platz zum Schwatz
Die Hauseingänge werden zu kleinen barrierefreien Eingangsplätzen erweitert. Sie bieten die
Möglichkeit, vorübergehend Fahrräder, Kinderwagen oder Gehhilfen trocken und geschützt abzustellen. Auch die Vorgärten bieten reichliche
Möglichkeiten, je nach Gebäudeausrichtung die
Abendsonne für den nachbarlichen Treff zu nutzen.
Entlang der Hausfronten werden niedrige Heckensockel gepflanzt.
Abb. 8: Mietergärten – „grüne Zimmer“ am Balkon
7 Regenwasser
Das Dachflächenniederschlagswasser wird in Rigolen auf dem Gelände versickert. Es kann aber
Die Erdgeschossbalkone erhalten Treppenzugän-
auch für die Gartenbewässerung aufgefangen
ge in eine Gartenparzelle zur freien Verfügung
werden. Ein weiterer kleiner Beitrag zur Wohn-
der Mieter. Hecken bilden die robusten, räumlich
kostenminderung.
stabilen Konstanten der Gärten, die der individuellen Nutzung und Ausstattung durch die Mieter
gestalterisch Freiraum lassen und in die Gesamt-
8 Gestaltung
Das markanteste Merkmal ist die städtebauliche
siedlung einbinden.
Anordnung der Gebäuderiegel mit einer klaren
Nord-Süd-Orientierung der Wohnblocks. Die da-
Bei Bedarf besteht die Möglichkeit für einige
zwischen liegenden großzügigen Freiflächen sind
Obergeschossmieter ebenfalls einen privaten Gar-
zwischenzeitlich üppig mit Baumbestand ausges-
tenraum einzurichten, ohne dass auf allgemein-
tattet. Die Anordnung in Verbindung mit dem
zugängliche Freiflächen verzichtet wird.
Grün ergibt den Charakter der Siedlung.
5 Hausterrassen – für die Hausgemeinschaft
Zu den Kellereingängen werden schmale Gartenwege geführt. Hier entstehen kleine Hauster-
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
DACHAUFSTOCKUNG
einem großen, nach Süden geneigten Pultdach.
Neben der Notwendigkeit, hier Sonnenkollektoren zu installieren, soll diese Form städtebaulich
die Blocks deutlich orientieren. So ergibt sich an
der Haupterschließungsstraße, der Königsberger
Straße, eine Abfolge von Kopfbauten, die der geschwungenen Straßenform folgen und so hier
ganz neue Blickpunkte und Einfassung des FläAbb. 9
chenraumes mit sich bringen.
Die neuen Bauteile werden farblich deutlich gegenüber dem Bestand abgesetzt, wodurch die
Aufsattelung und deren Kopfbauten noch einmal
zusätzlich betont werden. Die Balkone neben
zum Teil die Farbgebung auf, die sich zusätzlich
dann noch in den neuen Eingangsbauwerken widerspiegelt. Es wird allerdings mit nur drei Farbtönen – mit unterschiedlichen Nuancierungen –
gespielt.
Abb. 10
Durch Sanierung und Aufstockung soll die Chance genutzt werden, dieser Siedlung bei Beibehaltung der städtebaulichen Struktur ein modernes
Gesicht zu geben. Während die bestehende Substanz durch Wärmedämmverbundsystem und
zum Teil neue Fenstereinteilung in ihrer Form
Abb. 11
trotzdem aber erhalten bleibt, ergibt das Obergeschoss – auch farblich abgesetzt – dem Gebäude-
Abschließend sollen die Freiflächen unter Ausnut-
riegel eine neue Gesamtform. Die neuen Balkone
zung des großzügigen Zwischenraumes neu auf-
unterstützen die neuen Proportionen zusätzlich.
geteilt und durch Mietergärten gegliedert werden. Allerdings werden hierbei die vertrauten
Die Aufstockung erhält an den südlichen Enden
Randeinfassungen durch Hecken erhalten blei-
der Wohnblocks eine turmartige Erhöhung mit
ben.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
14.2 Bauen im Bestand
Sanierung auf Passivhausstandard
Dieter Herz, Florian Lang, Simon Schmerker
Familie Kaiser wollte eigentlich ein Passivhaus
bauen und hatte sich mit dem Thema im Neubau
schon intensiv auseinandergesetzt. Als sie das
großzügige, allerdings bebaute Grundstück mit
optimaler Lage kaufen konnten, beschlossen sie,
dieses Haus zu sanieren.
Abb. 2: Gebäude nach der Dena Modellsanierung
EnEV -50 %
Gesamtkonzept
Energieeffizienz
für
das
Haus der Zukunft
Sanierung auf Passivhausstandard bedeutet genauer Sanierung mit Passivhauskomponenten.
Die Ansätze des bewährten und wirtschaftlichen
Standards im Neubau werden auf den Altbau
übertragen.
Der
Heizwärmebedarf
von
15 kWh/m²a, der das Passivhaus mit definiert,
Abb.1: Bestandsgebäude
Die Denkansätze, die sie mit der intensiven Auseinandersetzung zum Thema Passivhaus gewonnen hatten, übernahmen sie mit in die Sanierung.
Dazu gehörten: Hohe Wärmedämmung aus ökologischen Baustoffen, Fenster mit 3-fach Verglasung, wärmebrückenfreie und luftdichte Ausführung sowie zu guter letzt eine Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Hierzu wurde
ein Passivhaus-Kompaktgerät verwendet, das als
Abluftwärmepumpe auch zur Beheizung des Gebäudes beiträgt. Die darüber hinaus noch nötige
wird dabei nicht immer ganz erreicht. Es geht im
Bestand vielmehr um eine Verbrauchsreduktion
um Faktor 10, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Also beispielsweise eine Reduktion vom
durchschnittlichen Standard in Deutschland mit
250 kWh/m²a auf 25 kWh/m²a.
Der Ansatz dabei ist:
1. Energie sparen um Faktor 10
2. Energie effizient und regenerativ erzeugen
3. Energie effizient verteilen und nutzen
4. Energieeffizienz nutzbar machen: Qualität sichern
Restenergie wird vom Kaminofen, der sowieso
gewünscht war, geliefert.
Das bestehende Gebäude wurde gestalterisch
den modernen Bedürfnissen der Bewohner angepasst. Die Südseite, die mit großen Glasflächen
geöffnet wurde, macht die Wohnräume hell und
freundlich.
Abb. 3: Tachometerdarstellung Energieausweis
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
1 Energie Sparen um Faktor 10
1.1 Hochgedämmte Bauteile
Hochgedämmte Bauteile sorgen für hohen Wär-
Dach: Aufsparrendämmung im Holzbausystem:
meschutz und höchste Behaglichkeit durch war-
-
Beplankung mit 4 cm Holzweichfaserplatte
me Oberflächen. Warme Oberflächen wirken sich
-
U-Wert: 0,16 W/(m²K)
-
24 cm Aufdachsparren mit Zellulosedämmung
dabei positiv auf die gefühlte Temperatur aus. Ein
Wohlfühlklima im Haus der Zukunft ist also mit
Kellerdecke:
geringeren Lufttemperaturen möglich wie im Be-
-
stand.
schiert WLG 025, unterhalb der Kellerdecke
-
Bauteile beim Bauvorhaben Kaiser:
Außenwand: Holzbausystem:
8 cm Dämmung auf Basis Polystyrol, AlukaTrockenestrich Gesamtstärke 8 cm mit Lattung und Mineralfaser WLG 035
-
U-Wert: 0,13 W/(m²K)
-
20 cm Ständerwerk mit Zellulosedämmung
-
Beplankung mit 6 cm Holzweichfaserplatte
Energiesparfenster:
-
U-Wert: 0,14 W/(m²K)
Energiesparfenster sorgen für hohe Oberflächentemperaturen
und
optimalen
Wärmeschutz
durch:
-
Verbesserte Rahmen
-
Dreifachverglasung
-
Verbesserter Glasrandverbund: Warme Kante
-
UW, berechnet 0,78 W/(m²K)
-
Optimierte Einbausituation (Bsp. Leibung)
Abb. 5: links: Energiesparfenster, Quelle: Optiwin;
rechts:
Wärmebrückenberechnung
Lei-
bungsdetail
1.2 Wärmebrückenreduktion
Je besser Bauteile gedämmt und hocheffiziente
Abb.4: Außenwand (oben) und Dach (unten) im
Bauelemente eingesetzt werden, desto höher
Bauzustand
wird der Einfluss der Wärmebrückeneffekte am
Gesamtenergiebedarf. Es muss folglich bei effizienten Gebäuden ein großes Augenmerk auf die
Verbesserung der Details gelegt werden.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
Negativbeispiel für ein Sockeldetail: Über den Sockelanschluss geht mehr Energie verloren wie
über die Wandfläche des darüber liegenden Geschosses
Abb. 7: rechts: Schimmelfrei auch in der Ecke bei
der effizienten Variante (Ecktemperatur berechnet nach DIN EN ISO 10211-2 Anhang B)
Abb. 6: Wärmebrücke Sockeldetail
Randbedingungen der Berechnung:
-
Sockelanschluss mit Versatz, keine Perimeterdämmung (ψ = 0,59 W/(mK))
-
WDVS mit 16 cm WLG 035
(U-Wert = 0,198 W/(m²K))
-
Wandfläche: 2,75 m x 0,198 W/(m²K) =
0,54 W/(mK) < 0,59 W/(mK)
1.3 Luftdichtheit
Die Herstellung einer luftdichten Hülle geht seit
der 1. Wärmeschutzverordnung, durch die Bilanzierung von Gewinnen und Verlusten gemäß
DIN EN 832, in die Berechnung des Heizwärmebedarfes von Gebäuden ein. Seit 1998 ist luftdichtes Bauen allgemein anerkannter Stand der
Technik, durch die zur Verfügung gestellten Produkte und entsprechende Schulungen der Planer
Konsequenz: Optimierung der Details
Positiver Effekt: Steigerung der Wohnhygiene
Erhöhte Wärmeabflüsse im Bereich von Wärmebrücken führen zu niedrigen Temperaturen an
Innenoberflächen. Tauwasserausfall und Schimmelpilzbildung können die Folge sein. Um dem
und Handwerker. Luftdichtes Bauen ist eine große Chance zur Reduzierung von Energiekosten
und zur Vermeidung von Bauschäden. Hier werden jedoch immer noch Chancen verschenkt und
Pflichten seitens des Baurechts und des Stands
der Technik nicht erfüllt.
Vorzubeugen ist nach DIN 4108-2 eine raumseitige Oberflächentemperatur von > 12,6 °C einzuhalten. Die Nachweise nach DIN 4108 werden
jedoch nur für Flächen und Kanten geführt. Im
Schadensfall: Schimmel in der Ecke, zählt jedoch
die Ecktemperatur.
Wie folgende Darstellung aufzeigt können die
Differenzen von der Kante zur Ecke über 4 Kelvin
betragen. Kritische Bereiche sollten daher einen
erhöhten Wärmeschutz aufweisen.
Abb. 8: Prinzip Luftdichtheit
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
Vorteile der luftdichten Hülle:
Planer müssen letztlich in Gebäuden nach
-
höhere Bauqualität und “Mehrwert”
DIN 1946 einen Mindestluftwechsel ohne Fens-
-
Energieverbrauch erheblich senken
terlüftung garantieren, was ohne mechanische
-
Behaglichkeit erhöhen, Zugluft vermeiden
Lüftung nur mit Sonderlösungen möglich ist.
-
Bauschäden durch Feuchte-Eintrag verhindern
-
Effizienz der Lüftungsanlage gewährleisten
-
Schallschutz verbessern
-
Brandübertrag / Rauchgaseintrag vermeiden
-
Geringerer Schadstoffeintrag
1.4 Mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Mit der Reduzierung der Wärmeverluste durch
Dämmung, die Vermeidung von Wärmebrückeneffekten und der luftdichten Gebäudehülle steigt
der Anteil der Wärmeverluste durch unkontrolliertes Fensterlüften überproportional an. Fensterlüftung stellt zudem für die Bewohner einen
Zwang zur regelmäßigen Beschäftigung mit dem
Thema Lüftung dar und verlangt häufige Querlüftung des Wohnbereichs. Im Alltag wird dies oft
nicht konsequent durchgeführt mit negativen
Auswirkungen auf Raumluftqualität und mögliche Kondensatschäden an Bauteilen, durch hohe
Luftfeuchtigkeit. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung bringt nicht nur Effizienz in
die Energieeinsparung, sondern auch für jede
Abb. 9: links: Führung der Lüftungsleitungen im
Altbau, abgehängte Decke im hohen Flur; rechts:
Kompaktgerät wie bei Gesamtsanierung Kaiser
2 Energie effizient erzeugen
Eine gut geplante Gebäudehülle, luftdicht und
wärmebrückenfrei, bildet die Basis, um effizient
erzeugte Energie auch so zu nutzen.
Die Sonne ist dabei der Lieferant dieser Energie,
durch direkte Einstrahlung, gebunden in Erdwärme oder in Biomasse. Geräte mit hohen Wirkungsgraden in Verbindung mit niedrigen Stromverbräuchen fügen sich in das effiziente Gebäudekonzept mit ein.
Form der geistigen und körperlichen Arbeit durch
einen konstant niedrigen CO2 Gehalt der Innenluft. Dies sorgt auch für einen erholsamen Schlaf.
Pollen und Schadstoffe wie Rußpartikel bleiben
außen vor. Die Frischluft ist „warm’’, dadurch
entsteht hoher Komfort.
Gegen mechanische Lüftungsanlagen gibt es unzählige Vorurteile: Verkeimung in Leitungen, Zugluft, erhöhter Schallpegel, zu trockene Luft und
nicht zuletzt mit geschlossenen Fenstern leben zu
müssen. Diese Vorurteile können alle widerlegt
werden, Grundlage ist „lediglich’’ eine gute
Fachplanung unter Einsatz von effizienten Geräten in ebensolchen Gebäuden, sowie der qualifizierten Ausführung.
Abb. 10: Sonnenenergie, Zitat: Güssing
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
3 Energie effizient verteilen und nutzen
Im Gebäudebereich stehen uns dabei vor allem
gegebenenfalls können Baumessungen schon in
Niedertemperatur-Heizkreise, durch die geringen
sind vor der Endabnahme die Zielvorgaben mit-
Verteilungsverluste
tels Baumessungen zu prüfen.
und
Lüftungssysteme
mit
Rohbauphase Schwachstellen aufdecken. Zuletzt
Wärmerückgewinnung, durch die Nutzung der
Abwärme zur Verfügung. Die Integration dieser
Systeme in hochgedämmten Gebäuden bedarf
speziellem Know-how, um den Anspruch an Effizienz und damit an Energieeinsparung zu genügen. Ein sparsames Gebäude macht die Technik
jedoch auch einfach und kostengünstig.
Abb. 12: Qualitätskonzept
5 Wirtschaftlichkeit der Faktor 10 Sanierung
Abb. 11: Wandflächenheizung in der Sanierung
4 Energieeffizienz nutzbar machen: Qualität
sichern
Steht das Sanierungsziel fest ist die Erreichung
des Ziels in der Planungs- und Ausführungsphase
sicher zu stellen. Die geplanten Energieeinsparungen müssen sich nach der Sanierung auch in
Abb. 13: Wirtschaftlichkeit Bauvorhaben Kaiser
der Nutzung einstellen, dafür bedarf es eines
Randbedingungen:
Qualitätskonzepts. Für die Ausführung der Ge-
-
Förderung: 2 x 50.000 € = 100.000 €,
bäudehülle müssen Wärmeflüsse allen Beteiligten
-
Zins 1,41 % eff. (Tilgungszuschuss 20 %),
bewusst sein. Kritische Punkte wie Wärmebrü-
-
Zinsbindung 10 Jahre, danach 6 %,
cken sind entsprechend zu detaillieren, die Luft-
-
Laufzeit 20 Jahre
dichtheit ist zu planen. Das Planungsteam muss
-
Grundzins: Weitere Investition: 50.000 €
integral zusammenarbeiten, Kommunikation ist
-
Zins 4,00 %eff., Laufzeit 20 Jahre, Zinsbindung 10 Jahre, danach 6 %
der alles entscheidende Punkt. Starke ausführende Partner realisieren das Gebäudekonzept.
Energiekosten:
-
Bestand: Heizölpreis 6 Cent/kWh,
Bei Wissensdefiziten können Schulungen des Pla-
-
Preissteigerung 12 %/a
nungs- oder Ausführungsteams die Qualität stei-
-
Sanierung: Wärmepumpe eff. 4 Cent/kWh,
gern. Die Sanierung ist konsequent zu begleiten,
Preissteigerung 10 %
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
Die Sanierung amortisiert sich im Finanzierungs-
wiegen die Vorteile des sommerlichen Hitze-
zeitraum und das bei konservativen Ansätzen der
schutzes und des Schallschutzes von Holzfaser-
Preissteigerung und ohne Betrachtung der Wert-
platten gegenüber Systemen aus Polystyrol. Diese
steigerung des Gebäudes oder notwenige Sowie-
Vorteile sind zwar auch im Bereich der Fassade
somaßnahmen! Durch optimale Ausnutzung der
gegeben, der Einsatz von Holzbausystemen schei-
Förderprogramme, beispielsweise der KfW, kann
tert hier jedoch meist am Preis.
zudem erreicht werden, dass durch die tilgungsfreien Anlaufjahre die monatliche Belastung nur
8.1 Beispiele von Holzbausystemen in der
unerheblich höher ist als die Energiekosten im
Fassade
Bestand. Damit rechnet sich die Sanierung vom
ersten Tag und das bei enormen Komfort und
Wertgewinn!
6 Ausblick: Sanierung zum Passivhaus mit
vorgefertigten Holzbausystemen
Vorgefertigte Holzbausysteme können ihre Vor-
Abb. 15: Kreuzlattung mit Hanfdämmung, Beplankung mit Holzweichfaserplatten
teile vor allem bei der Sanierung im bewohnten
Zustand oder bei öffentlichen Gebäuden, wie
Schulen, durch die kurzen Bauzeiten ausspielen.
Abb. 16: Einfaches Ständerwerk mit Mineralwolle, Beplankung mit Holzweichfaserplatten
Abb. 14: Sanierung zum Passivhaus im bewohnten Zustand mit vorgefertigten Holzbausystemen,
Klimahauspreisträger 2008, Bildquelle: Ambros
Abb. 17: Ständerwerk mit KVH oder Stegträgern,
GmbH
Gefachdämmung Zellulose, Beplankung mit Holzweichfaserplatten
7 Ökologie und Ökonomie von Holzbausystemen
In der Ökobilanz und regionalen Wertschöpfung
8.2 Vorteile des Holzbausystems bei der
bieten Holzbausysteme mit ökologischen Dämm-
Montage
Vorteile sind durch das Holzbausystem unter an-
stoffen enorme Potenziale. Diese sollen im fol-
derem bei Unebenheiten in der Fassade gegeben.
genden am Beispiel von Fassadensystemen erläu-
Beim Ständerwerk lassen sich diese leichter aus-
tert werden.
gleichen als durch Ausbesserungsmaßnahmen
zum Kleben des WDVS. Weitere Vorteile ergeben
8 Holzbausysteme an der Fassade
Holzbausysteme finden bisher in der Sanierung
meist Anwendung im Dachbereich. Hier über-
sich durch Befestigungsmöglichkeiten bei vorgehängten Fassaden.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
Bei Komplettsanierungen bei denen die Fenster in
wahl ab. So wurde beispielsweise von der Stadt
die Dämmebene gesetzt werden ergibt sich zu-
München (Bauzentrum München) eine Broschüre
dem der Vorteil, dass für die Fenster kein zusätz-
aufgelegt: Ökologische Wärmedämmstoffe im
licher Blindstock gesetzt werden muss (Abb. 5).
Vergleich. Die Darstellungen und Rückschlüsse
Werden diese Vorteile in den Kostenvergleich
auf der folgenden Seite wurden auf Basis der
miteinbezogen bleibt jedoch trotzdem eine nicht
vom Bauzentrum München recherchierten Kenn-
unerhebliche Differenz.
werte zur Ökobilanz erstellt.
8.3 Kosten
Betrachtet wird im Folgenden das System aus
8.4 Ökobilanzierung des Holzbausystems
Abb. 17: Einfaches Ständerwerk, Gefachdämmung aus Zellulose und Beplankung mit Holzweichfaser. Der Wandaufbau soll die Kriterien an
das Maßnahmenpaket des CO2-Sanierungsprogramms erfüllen. Es ergeben sich folgende Werte
für die Fassade mit Putz und Anstrich rein netto:
System 1: WDVS Polystyrol 18 cm WLG 040, mit
Dübelung (U = 0,22 W/(m²K): 93 €/m²
System 2: Holzbausystem 16 + 4 cm
WLG 040 + 042 (U = 0,21 W/(m²K): 125 €/m²
Abb. 18: Vergleich Primärenergieaufwand bei
Holzbau- (links) und Wärmedämmverbundsyste-
Bei 270 m² Außenwandfläche am Beispielgebäu-
men (rechts)
de belaufen sich die Mehrkosten netto auf
8.640 €. Bei dieser Größenordnung ist es verständlich warum sich Holzbausysteme in der Fas-
8.4.1 Primärenergieaufwand
Die Abb. 18 zeigt den Primärenergieaufwand der
sade in der Breite noch nicht etabliert haben.
zwei Systeme im Vergleich. Das Ergebnis erzeugt
Zum 31.12.2007 lief zudem das Marktanreizpro-
noch keinen Aha-Effekt, man ist eher überrascht,
gramm für Naturfaserdämmstoffe aus. Dieses
dass die Holzweichfaserplatte (Basis Nassverfah-
Programm galt für neuere Produkte, um sich am
ren) einen so hohen Primärenergieaufwand hat.
Markt zu etablieren. Für einzelne Dämmstoffe
Nun ist dazu zum einen zu sagen, dass Holz-
gab es Investitionszuschüsse durch das Bundes-
weichfaserplatten im Trockenverfahren herge-
verbraucherschutzministerium in Höhe von 25 bis
stellt wesentlich weniger Energieaufwand benö-
35 €/m². Dadurch waren Holzbausysteme noch
tigen, wer sich also den Hersteller nach diesem
attraktiver. Ein Nachfolgeprogramm wurde nicht
Kriterium aussucht, kann hier noch weiteres Ein-
aufgelegt. Die Potentiale von Holzbausystemen in
sparpotenzial ausschöpfen. Zum anderen scheint
Bezug auf Energieeinsparung und Ressourcen-
dem Autor jedoch der Primärenergieaufwand
schutz sind jedoch enorm und sollten nach Mei-
auch nicht die richtige Kennzahl zu sein, um die
nung der Autoren wieder Berücksichtigung in der
Systeme miteinander zu vergleichen. Dies sah
Förderung finden.
auch das Bauzentrum München so und hat in ihrer Broschüre das Erderwärmungspotenzial (Glo-
Einzelne Städte haben die Potenziale bereits er-
bal Warming Potenzial = GWP) der Baustoffe mit
kannt und geben Empfehlungen zur Baustoff-
aufgenommen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
SANIERUNG AUF PASSIVHAUSSTANDARD
8.4.2 Erderwärmungspotenzial
4.4.3 Schlussfolgerung zur Ökobilanzierung
des Holzbausystems
In Zukunft werden CO2-Emissionen in allen Lebensbereichen Berücksichtigung finden, Holzbausysteme haben dadurch enormes Potenzial. Konsequenterweise sollte wieder eine Förderung für
ökologische Dämmstoffe eingeführt werden. Bis
zur besseren Konkurrenzfähigkeit was die Herstellungskosten angeht, im Vergleich zum WDVS
auf Basis Polystyrol, könnte die Förderung die
Marktfähigkeit steigern. Schließlich wird auch der
Einsatz erneuerbarer Energien enorm bezu-
Abb. 19: CO2 Ausstoß und Einsparung bei Holz-
schusst, was denselben Zweck der CO2-Reduk-
bausysteme im Vergleich
tion verfolgt. Holzbausysteme können zusätzlich
die regionale Wertschöpfung steigern und durch
kurze
des CO2 Emissionshandels und wird in kg/CO2
Emissionen und Primärenergieaufwand weiter
angegeben.
steigern.
Ökologische
Dämmstoffe
haben
durch ihre Speicherung von CO2 meist negative
Werte. Durch die Tabellenwerte des Bauzentrums
lassen sich wiederum die Systeme vergleichen. Es
ergeben sich dabei erhebliche Einsparpotenziale.
Durch die Verwendung eines Holzbausystems anstatt eines WDVS auf Basis Polystyrol können am
Beispielgebäude knapp 4 to CO2 eingespart werden. Dies entspricht dem CO2 -Ausstoß durch die
Beheizung des Beispielgebäudes in 10 Jahren.
Wege
die
Gesamtbilanz
von
CO2-
Das Erderwärmungspotenzial ist eine Grundlage
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
GEBÄUDEUPDATE
14.2 Bauen im Bestand
Gebäudeupdate
Richard Adriaans
te Strecken kalt bleiben und es deshalb unwiegerlich zu Reklamationen der Bewohner kommt.
1 Einleitung
Die Bedeutung der bestehenden Gebäudesubstanz für eine nachhaltige Entwicklung ist unbestritten. Bis ins Jahr 2050 wird in Deutschland
über 90 % des Gebäudeenergiebedarfs durch
Gebäude verursacht, die vor dem Jahr 2000 erstellt wurden.
Wenn man für etwa 39 Mio. Wohnungen in
17 Mio. Gebäuden die 20-20-20 Regel der EU
bzw. des Deutschen Kabinetts-Beschlusses bis
2020
Abb. 1
-
20 % weniger Energie brauchen
-
20 % weniger CO2-Ausstoß verursachen
Wenn bisher in solchem Umfang Sanierungen
-
eine 20 % höhere Energie-Effizienz aufwei-
vorgenommen wurden, wurde die betroffene Im-
sen,
mobilie fast bis in den Zustand des Rohbaus zu-
auch im Bereich der Heizenergie für Gebäude
rückgesetzt.
erzielen will, gibt es verschiedene Szenarien:
-
-
man könnte bis 2020 ca. 700.000 Wohnun-
Da ist es nicht verwunderlich, dass selbst die
gen schlicht abreißen und den Rest wie bisher
Deutsche Bank in einer Studie feststellt, dass die
weiter beheizen – nicht insgesamt, sondern
deutsche Bauwirtschaft und verwandte Branchen
jährlich…
angesichts des Klimawandels zu den doppelten
man könnte bis 2020 ca. 1,1 Mio. Wohnun-
Gewinnern gehören.
gen mit dem Faktor 10 (Heizwärmebedarf ca.
2 l/m²) sanieren – nicht insgesamt, sondern
Die Frage ist sicher nicht, dass es sinnvoll wäre,
jährlich…
einige zigtausend oder sogar hunderttausend
Wohnungen abzureißen, die so schlecht sind,
Die höchste Wirtschaftlichkeit wird mit steigen-
dass sie nicht wirtschaftlich seriös saniert werden
dem Energiepreis mit der Wärmedämmung der
können… .
äußeren Gebäudehülle, vor allem der Wände
erreicht.
Aber 700.000 Wohnungen im Jahr abzureißen,
wird ebenso sicher von niemandem wirklich er-
Aus technischen Gründen ist aber neben dem
wogen.
Dach und den Fenstern vor allem auch die Haustechnik zu erneuern.
Ein Abriss muss schließlich genau wie Neubau
und Sanierung in einen städtebaulichen Kontext
Dies ist in allen Gebäuden, deren Heizenergiever-
passen und ist vor allem unter Gesichtpunkten
brauch um Faktor 10 gesenkt werden soll schon
des Rechts am Eigentum zu sehen und nicht
deshalb notwendig, weil die Heizungsanlage für
zuletzt auch aus Sicht der Bewohner, für die
den neuen sehr niedrigen Bedarf erheblich über-
natürlich adäquaten Ersatz-Wohnraum vorhan-
dimensioniert ist, die Heizkörper damit über wei-
den sein muss.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
GEBÄUDEUPDATE
Abb. 2: Gewinner- und Verliererbranchen des Klimawandels (Quelle: DB Research 6/07)
2 Aufgabenstellung
Die Aufgabenstellung ist also, 1,1 Mio. Wohnungen im Jahr zu sanieren.
- Wie sollen die Wohnungseigentümer es schaffen, jährlich 2,2 Mio. Menschen zu transluzieren?
Angesichts der bisherigen Leistungsfähigkeit von
- Malern,
die
Wärmedämmverbund-Systeme
anbringen,
- Heizungsbauern die neue Heizungs- und Lüf-
- Wie sollen die Dachdecker und Zimmerer und
die Heizungsbauer und Sanitärleute an einem
solchen Objekt koordiniert und „gebauleitet“
werden?
tungsanlagen einbauen,
- und / oder Zimmerern und Dachdeckern, die
die neuen Dächer erstellen müssen,
Angesichts dieser Fragen hätte ein System,
- in dem eine weitgehende Koordinierung
(durch die Ausführung durch Generalunter-
muss allerdings die Frage erlaubt sein, ob das
überhaupt mit den derzeit erprobten Systemen
geleistet werden kann.
(über)nehmer) gegeben wäre
- in dem eine Transluzierung der Bewohner ggf.
überflüssig wäre, weil erhebliche Teile der
Ausführung (insbesondere der TGA) nicht in-
Insbesondere, wenn dabei die folgenden Fragen
noch nicht geklärt sind:
- Wie hat sich das WDVS mit 30 cm Dämmstoffdicke eigentlich bewährt, das gebraucht
wird, um den Energiestandard des Altbaus auf
Passivhausstandard zu trimmen?
nen sondern außen vollzogen würde
- in dem auch Dämmstärken von 40 cm kein
Problem wären
- in dem auch die Fenster, Fensterbänke und
ggf. Rollläden gleich integriert wären
sicher gute Chancen auf Realisierung.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
GEBÄUDEUPDATE
3 Realisierung
Ein oben beschriebenes System gibt es – mindestens theoretisch.
- Zum Schluss kommt noch der Lüftungsbauer
und setzt ein entsprechendes Zuluftelement
im Wohnzimmer und ein Abluftelement im
Bad
Man denke sich das Bauen von neuen Holzhäusern, das ja nichts anderes ist, als die Realisierung
Dieses Szenario ist natürlich nicht nur fiktiv, es ist
einer vorgefertigten, dick wärmegedämmten
auch übertrieben.
Außenwand und eines entsprechend vorgefertigten Daches um eine virtuelle Hülle, die der Planer
Aber im Grundsatz schildert es eine Art von Sa-
mit seinen Zeichnungen vorgegeben hat…
nierung, die mit gewissen Abstrichen in der Realität durchaus vorstellbar wäre…
…übertragen auf die Realisierung einer vorgefer-
…und so erhebliche Vorteile hätte, dass man
tigten, dick wärmegedämmten Außenwand und
diese auf Dauer nutzen wird.
eines entsprechend vorgefertigten Daches um
eine reale, bereits existierende Hülle eines beste-
Dabei ist die Abkehr von der typischen Realisie-
henden Hauses herum.
rung:
- Wärmedämmung außen
Die Vorfertigungstechniken sind quasi identisch,
- Haustechnik innen
die Montage ebenso.
nur möglich durch die spezifische Art der Holzfertigbauelemente, die so große Hohlräume bieten,
-
Wenn dann in den vorgefertigten Elementen
dass in ihnen die technische Gebäudeausrüstung
auch die Fenster gleich drin sind, lässt sich fol-
verlegt werden kann.
gendes Szenario denken:
-
Die Wohnungsmieter im zu sanierenden Ob-
Dadurch potenzieren sich geradezu die Vorteile
jekt erleben eines Morgens, wie sich zwei
dieser Art der Sanierung:
25 mm dicke Bohrer im Abstand von 50 mm
- weitgehende Vorfertigung nach CAD-unter-
durch die Außenwand bohren - Vorlauf und
stützter Arbeitsvorbereitung nach elektroni-
Rücklauf für die neuen Heizkörper.
-
Anschließend erscheint unter signifikanter Geräuschentwicklung daneben eine Bohrkrone,
-
scher Gebäudeaufnahme durch 3D Scanner
- dadurch höchstmögliche Qualität der Elemente
die ein Loch mit 110 mm Durchmesser hinter-
- sehr schnelle, effektive und trockene Montage
lässt – für die zukünftige Lüftungsleitung
- Bewohner können in den Wohnungen verblei-
nachdem nach der Durchführung der Leitun-
ben, weil die Verlegung der neuen TGA weit-
gen dann ein Fassadenelement eingeschwebt
gehend von außen geschehen kann
und montiert ist, in dem das neue Fenster be-
-
reits montiert ist,
Die bisher weitgehend mit der Erstellung von EFH
kommt ein Monteur an die Wohnungstür,
beschäftigten handwerklich orientierten Holzfer-
klingelt und bitte höflich darum, das bisherige
tigbaubetriebe haben, soweit sie auch bisher
Fenster ausbauen und mitnehmen zu dürfen.
schon schlüsselfertig gearbeitet haben, eine Al-
Danach erscheinen zwei Heizungsmonteure,
ternative zu den deutlich im Absatz reduzierten
die den alten Heizkörper abbauen und mit-
Einfamilienhäusern und sind quasi prädestiniert,
nehmen, nachdem sie einen neuen montiert
in ihrer Region ansässige Wohnungsgesellschaf-
haben,
ten zu bedienen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
GEBÄUDEUPDATE
Soweit sie in der Region über eine entsprechende
maximale Gebäudehöhe, die mit diesem Sys-
Reputation verfügen und auch die anderen
tem in Holzbauweise ausgestattet werden
Handwerker mit koordinieren können, verfügen
kann wird davon abhängen, in wieweit in den
sie über ein quasi unschlagbares Angebot, das
Geschoßstößen entsprechende Brandschotts
auch industrielle Fertigbauanbieter kaum toppen
eingebaut werden. Hier sind grundsätzlich Ge-
können.
bäude bis zur Hochhausgrenze (23 m) denkbar.
Diese Art der Sanierung ist ein typisches Arbeits-
c. Für Holzbauer neu ist zwar die Aufgabenstel-
feld für ein gut koordiniertes Team aus
lung, solch große, vorgefertigte geschosshohe
- Architekt
Teile mit Längen von ggf. mehr als 12 m an
- Tragwerksplaner
der vorhandenen Fassade zu befestigen. Diese
- TGA- Planer
Aufgabenstellung ist allerdings für Spezialfir-
- Holzfertigbauer
men, die z.B. Abfangungen für Fassaden aus
- HSK-Unternehmer
Verblendmauerwerk machen nicht grundsätz-
unterstützt die multidisziplinäre Zusammenarbeit
lich neu. Insbesondere die Lasten, die durch
insbesondere von KMU und Freiberuflern und
die vorgefertigten Holzelemente verursacht
schafft Wertschöpfung in der Region.
werden, sind vergleichweise einfach zu handeln.
4 Offene Fragen
a. Zu klären ist insbesondere die Frage, wie die
d. Eine völlige Neuorientierung bedeutet es da-
durch die vorhandene Immobilien vorgegebe-
auf dem Gebäude unterzubringen. Aufgrund
nen Toleranzen – vor allem Abweichungen
der großen Dämmstärken sind Wärmeverluste
von der Ebenheit von Flächen – erfasst und in
zwar unerheblich, eventuelle Wärmebrücken,
die Arbeitsvorbereitung umgesetzt werden.
ggf.
Denn in einem neu zu erstellenden Objekt in
(Schwitzwasser-Vermeidung) relativ einfach zu
Holztafelbauweise gibt es zunächst ja keine
lösen. Problematisch werden Verbindungen
Toleranzen, die berücksichtigt werden. In ei-
zwischen den Fertigteilen, insbesondere dann,
nem bestehenden Projekt, das in Nassbauwei-
wenn sie geschossweise gestoßen sind. Hier
se errichtet wurde, sind erfahrungsgemäß
wird es ggf. sinnvoll sein, mehrere Geschosse
Abweichungen von der Ebenheit der Fläche
mit lotrecht aufgeteilten Elementen zu über-
von ± 2-3 cm nicht ungewöhnlich. Hier wird
brücken. Ebenso anspruchvoll ist die Übergabe
eine elektronische Datenerfassung mit 3D
aus den lotrechten Steigesträngen in die Ge-
Scannern erforderlich sein, um die erforderli-
schosse hinein, um sie dort weiter zu führen.
chen Gebäudedaten für die Arbeitsvorberei-
Hier wird die Schnittstelle zwischen vorferti-
tung zur Verfügung zu stellen.
gendem Holzbaubetrieb und Haustechnik-
b. Diese Art der Sanierung setzt natürlich ein
Minimum an Stückzahlen voraus, die in Ab-
gegen, die Haustechnik in der Fassade, außen
bauphysikalische
Fragestellungen
Unternehmen peinlich genau entwickelt werden müssen.
hängigkeit von der vorhandenen Fassadenaufschaftlich arbeiten zu können. EFH werden
5 Vermarktung und Umsetzung
a. Um solche wie die vorgenannten Systeme
deshalb nicht oder nur dann in Frage kom-
marktreif zu machen, müssen daran interes-
men, wenn durch Reihenhaus- Bebauungen
sierte Unternehmen und Freiberufler sich zu
entsprechende Redundanzen vorliegen. Die
Arbeitsgemeinschaften
teilung erreicht werden müssen um wirt-
zusammenschließen,
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die ihre Leistungen den i.d.R. institutionellen
schlossene Fonds das Geld von Anlegern bün-
Auftraggebern anbieten. Diese Unternehmen
deln und zweckgebunden für Sanierungen der
müssen als Bauteam funktionieren, eine sonst
vorgestellten Art zur Verfügung stellt.
übliche Fluktuation der Auftragnehmer ist bei
solchen Geschäftsmodellen nicht denkbar.
b. Für die Gewinnung von Kunden für solcherart
6 Konklusion
Dass Holz an der Fassade wieder eine Renais-
Sanierungen ist es von größter Wichtigkeit,
sance erleben kann, und zwar nicht als primärer
neben der zweifellos vorhandenen techni-
Konstruktions-Werkstoff, quasi als Wandbildner
schen Kompetenz die man haben und präsen-
sondern nur für den Schutz vorhandener Gebäu-
tieren können muss, Entscheidungshilfen für
de, die aus Gründen der Dauerhaftigkeit ur-
die potentiellen Auftraggeber und die von die-
sprünglich mineralisch ausgeführt wurden, aber
sen ggf. hinzugezogenen Finanzierer bereit zu
im Sinne der Energie-Effektivität größte Schwä-
stellen. Damit muss die Wirtschaftlichkeit sol-
chen aufweisen, ist letztlich kein Wunder.
cher Maßnahmen begründet werden können,
weil die Kosten für die Holzfertigteile mit ge-
Das sieht man an Dachstühlen, wo Holz als Bau-
schätzten 175 – 195 € signifikant höher sind
stoff über Jahrtausende die größte Bedeutung
als die Kosten für WDV- Systeme, die mit ca.
hat, die eigentlich nie anders konstruiert waren,
30 cm Dämmstoffdicke bei nur 110 € liegen
weil Holz hier unschlagbare Vorteile mitbringt.
dürften, unabhängig davon, ob man ein Gerüst für die Montage benötigt oder nicht. Die-
Diese unschlagbaren Vorteile aus konstruktiver
se Entscheidungshilfen müssen exakte Rendi-
Sicht, die sich in der Wandsanierung mit vorge-
te-Berechnungen zulassen, die nicht nur die
fertigten Bauteilen aus Holz abbilden werden in
steigenden Energie-Kosten selbst, sondern vor
diesem Fall noch ergänzt um die größtmöglichen
allem die bessere Vermietbarkeit berücksichti-
ökologischen + ökonomischen Vorteile:
gen, die in Zeiten heftig steigender Energie-
- eine Sanierung mit großflächigen Holzfertig-
kosten der Vermieter erreichen kann, der die
teilen, in denen Holzfenster eingebaut sind,
gesamten für´ s Wohnen zu zahlenden Kosten
und die als Dämmung eine Zellulose-Ein-
gering halten kann.
blasdämmung aus recycelter Tageszeitung
c. Diese Rendite-Überlegungen gehen soweit,
dass bei entsprechend niedrigen objektspezifi-
aufnimmt, lässt sich im Sinne einer ökologischen Betrachtung nicht günstiger herstellen.
schen Heiz- und Warmwasserkosten diese im
- wenn im Laufe der kommenden Jahre die
Sinne einer Warmmiete in Ansatz gebracht
Lebenszykluskosten sich an den wirklichen,
werden können. (Sobald der Aufwand für die
umwelt-relevanten Kosten orientieren werden,
Heizkostenabrechnung höher ist als die ei-
werden solche Fassaden auch ökonomisch
gentlichen Heizkosten selbst, können auch
kaum zu schlagen sein.
nach dem derzeitigen Mietrecht Warmmieten
vereinbart werden!)
d. Am interessantesten dürfte ein Modell sein, in
denen das Auftragnehmer-Konsortium eine
Finanzierung gleich mitbringt. In Zeiten, in denen Geld einen sicheren Hafen sucht und
nicht in erster Linie höchste Renditen sind
auch sehr gut Modelle denkbar, in denen ge-
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
ERHALTUNG UND ERTÜCHTIGUNG VON HOLZTRAGWERKEN
14.2 Bauen im Bestand
Erhaltung und Ertüchtigung von Holztragwerken
Wolfgang Rug
Die Bautechnik des Holzbaues hat in ihrer langen
Entwicklungsgeschichte eine Vielfalt von Konstruktionen und Tragwerken hervorgebracht [1],
die in vielen Fällen prägender Bestandteil der
Baukultur Deutschlands sind. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die ca. zwei Millionen Fachwerkbauten, aber auch an historische
Dachkonstruktionen, die nach über 800 Jahren
immer noch ihre Tragfunktion erfüllen oder die
historischen Blockbauten, die als Wohn- oder
Wirtschaftsgebäude ganze Regionen Deutschlands prägen. Über die lange Zeit der Nutzung
wurden die Holztragwerke auch immer neuen
Bedingungen und Ansprüchen angepasst, wofür
das in Abb. 1 und 2 gezeigte Gebäude beispielgebend stehen soll.
Abb. 2: Nördliche Fassade, 1589 im Stil der Renaissance umgestaltet und um ein Stockwerk erweitert
Außerdem legen zahlreiche Holzbauten bzw.
Holztragwerke aus der Zeit zwischen 1780 und
1945 Zeugnis ab, von der handwerklichen Qualität und von den innovativen Holzbautechniken,
mit denen die Holzbauer früherer Zeiten zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beitragen wollten (z.B. in [2]). Sichtbare Zeugnisse dieser Entwicklung sind zum Beispiel die historischen Zeugnisse des Holzhaus-, des Hallen- oder des Dachbaues (z.B. in [2] bis [6]).
Die Erhaltung historischer Konstruktionen erfordert eine Auseinandersetzung mit der Geschichte
des Bauens, seiner konstruktiven Entwicklung,
seiner kulturgeschichtlichen und sozialen Bedeutung. Will man historische Holztragwerke substanzschonend erhalten, bedarf es eines BewusstAbb. 1: Rathaus Esslingen - herausragendes Bei-
seins zum kulturgeschichtlichen Wert und zur
spiel für den alemannischen Fachwerkbau, 1430
Bedeutung der Holzbauweise für die Entwicklung
erstmals erwähnt
der Baukultur in Deutschland. Ein Bewusstsein,
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
ERHALTUNG UND ERTÜCHTIGUNG VON HOLZTRAGWERKEN
welches zunächst der künftige Bauherr haben
werkhaus oder ein Blockhaus erwirbt, ganz an-
muss. Er entscheidet letztendlich über den Erhalt
ders mit der vorhandene Substanz umgehen!
der historischen Konstruktion, die er weiter nut-
Weil er sich mit seinem Gebäude anders als frü-
zen will. Was weiß aber der heranwachsende
here Generationen identifiziert wird er sich kom-
deutsche Bürger über die Geschichte des Holz-
petente Baufachleute für den Erhalt seines Ge-
baues? Nichts! Deshalb ist es wichtig diese Lücke
bäudes suchen. Nur ist hier die Frage, ob er sie
zu schließen und schon die Kinderbücher der
denn findet?
kleinsten Kinder mit entsprechenden Informationen auszustatten. Wie baute man früher Häuser,
Die Erhaltung und Ertüchtigung von Holztrag-
warum verwendete man bis zur Mitte des
werken ist eine sehr anspruchsvolle fachliche
18. Jahrhunderts bevorzugt Holz und Lehm zum
Aufgabe, denn sie umfasst neben einer sorgfälti-
Hausbau und wer errichtete diese Häuser, wie
gen Prüfung der Erhaltungswürdigkeit, Kenntnis-
entstand eine Burg, ein Bürgerhaus oder eine
se zu den historischen Holzbautechniken, zum
ganze Stadt, lässt sich in den Kinderbüchern aller
Werkstoff und zu den Methoden einer substanz-
Altersklassen kindgerecht erklären. Wie setzt sich
gerechten und – schonenden Erhaltung bzw. Er-
ein Fachwerkhaus oder eine Dachkonstruktion
tüchtigung ([1], [10] bis [14]). Nach Einschätzung
zusammen, wie wurde aus den Holzstäben zu-
des Autors wird die Ausbildung unserer Architek-
sammen mit den zimmermannsmäßigen Verbin-
ten und Bauingenieure diesen Ansprüchen in kei-
dungen eine standsichere Konstruktion, auch das
ner Weise gerecht. Hier muss in jedem Fall die
könnte man durch entsprechende Bausätze spie-
Ausbildung und vor allem auch das Studien- und
lend erlernen. Puppenhäuser oder Spielhäuser für
Lehrmaterial verbessert werden. Das heißt aber
den Garten sollten nicht aus Kunststoffen sein,
auch, dass innerhalb der gegenwärtigen Holzbau-
sondern aus Fachwerk- oder Blockbau bestehen.
lehre der Altbau bzw. die historischen Tragwerke
Maschinen waren im Mittelalter häufig aus Holz
und Verbindungen einen größeren Anteil ein-
konstruiert. Warum also eine Windmühle, eine
nehmen müssen.
Sägemühle, ein Hammerwerk nicht selbstständig
mit
maßstäblich
dimensionierten
Holzstäben
Wenn schon die Holzbauausbildung in den letz-
bauen. Welches Kind weiß heute noch etwas ü-
ten Jahrzehnten wesentlich verringert wurde, so
ber die Bedeutung des Waldes, des Holzes, seiner
sollte unbedingt die Möglichkeit der gezielten Zu-
Arten für die bautechnische Verwendung aber
satzqualifizierungen verbessert werden. Die Zim-
auch für die Herstellung von Gebrauchsgegens-
merer machten es vor mit Ihrer Ausbildung zum
tänden, oder sogar für die Herstellung hoch-
Restaurator im Zimmererhandwerk! Ähnliches
wertiger moderner Möbel? Wer den zukünftigen
muss es für Architekten und Bauingenieure ge-
Holzabsatz verbessern will, muss in der Bildung
ben.
der zukünftigen Verbraucher ansetzen und das
durchgängig vom Kleinkind bis zur Schul- und
Da das Bauvolumen im Bereich der Erhaltung, In-
Hochschulbildung organisieren. Die Bedeutung
standsetzung und Modernisierung der bestehen-
des Waldes als Wirtschaftsfaktor kann in jedem
den Bausubstanz inzwischen höher als das Neu-
Geschichtsunterricht auch unter dem Aspekt der
bauvolumen liegt ist der Architekt und Bauinge-
jeweiligen regionalen Entwicklung (z.B. Baden-
nieur in der Praxis zunehmend mit Erhaltung und
Württemberg) ein spannender Lehrstoff sein. Ein
Ertüchtigung von Holztragwerken beschäftigt.
in diesem Sinne gebildeter Mensch wird, wenn er
Werden durch Umnutzung eines Gebäudes oder
als Erwachsener später einmal ein altes Fach-
durch die Beseitigung von Bauschäden Eingriffe
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
ERHALTUNG UND ERTÜCHTIGUNG VON HOLZTRAGWERKEN
in die historische Holzbausubstanz notwendig, so
Unikate durch Anwendung moderner Abbund-
sind die in diesem Zusammenhang stehenden
techniken preiswert hergestellt und modernsten
statischen Untersuchungen nach den bauauf-
Ansprüchen angepasst werden? Denkbar ist aber
sichtlichen Regeln durchzuführen. Gerade bei his-
auch die Anwendung historischer Holzbauweisen
torischen Holzkonstruktionen ergeben sich bei
im normalen Hausbau. Oder gar die grundsätzli-
der Anwendung der bauaufsichtlichen Regeln Si-
che Weiterentwicklung der historischen Bauwei-
cherheitslücken [8], [9]. Die neue Berechnungs-
sen
norm DIN 1052: 2008 gilt ausdrücklich auch für
Wohnbau. Wie würde eine moderne Holzfach-
Bauten im Bestand. Auf die Spezifik der Beurtei-
werkbauweise aussehen, wie hoch könnte man
lung der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit
mit einer völlig modernisierten Blockbauweise
von Holzkonstruktionen in Bauten im Bestand
bauen? Stahl-Glas-Architektur haben wir ent-
wird in DIN 1052:2008 allerdings noch nicht ex-
sprechend dem aktuellen Architekturtrend zu-
plizit eingegangen. Ergänzende Erläuterungen für
hauf. Glas-Holz-Architektur bisher nur sehr sel-
Bauten im Bestand findet der Leser aber in den
ten!
zur
Anwendung
im
mehrgeschossigen
Erläuterungen zur Norm - in [7]. Dies ist ohne
Zweifel ein Fortschritt und findet sich in keiner
Baukultur ist Erbe und Fortschritt. Für den Fort-
vergleichbaren anderen Bemessungsnorm. Aber
schritt und die innovativen Überlegungen der Zu-
der gegenwärtige Stand muss weiter verbessert
kunft kann man viel aus dem Erbe lernen. Vor-
und noch bestehende Sicherheitslücken müssen
aussetzung ist, die historischen Holztragwerke
geschlossen werden! Der
werden für die Nachwelt erhalten und, sofern er-
Autor sieht
For-
schungsbedarf auf dem Gebiet der Verifizierung
der Teilsicherheitsbeiwerte für die Ermittlung der
Eigenlasten, den Regeln für den Nachweis der
Schwingungen bei historischen Holzbalkendecken, der realitätsnahen Berücksichtigung von
nachgiebigen Verbindungen bei der Berechnung
und Bemessung von historischen Tragwerken, der
zuverlässigen Feststellung von Materialeigenschaften im verbauten Zustand, der Entwicklung
bestandsschonender
Brandschutzmaßnahmen,
der Beurteilung der Tragfähigkeit historischer Ingenieurholzbau- Verbindungen und der Entwicklung effektiver Methoden zur Ertüchtigung von
Holztragwerken.
Den Holzbau als Kulturerbe zu bewahren wirft
die Frage auf, warum werden nicht im 2. Weltkrieg zerstörte oder nach dem Krieg abgerissene
kulturgeschichtlich
wertvolle
Fachwerkbauten
wieder errichtet. Mit dem Knochenhaueramtshaus in Hildesheim oder der Alten Waage in
Braunschweig wurde so das Stadtbild dieser Städte wesentlich verbessert! Wie können derartige
forderlich, nachhaltig ertüchtigt.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
ERHALTUNG UND ERTÜCHTIGUNG VON HOLZTRAGWERKEN
Quellen
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lin 69 (1992) 4, S. 190-197
lag , Berlin 2007
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
14.2 Bauen im Bestand
Bestand geometrisch erfassen
Klaudius Henke
gen und dort in Programme wie z.B. Excel oder
AutoCad eingelesen werden.
1 Allgemeines
Das Bauen im Bestand ist einer der wichtigsten
Die Anschaffungskosten der Messgeräte für ein
Märkte der Bauwirtschaft. Ein Markt, der bis heu-
Handaufmaß sind gering und das Verfahren ist
te von der Verwendung kleinformatiger Bauele-
leicht zu erlernen. Es bietet eine nicht zu überbie-
mente und handwerklicher Bearbeitung vor Ort
tende Transparenz und damit Sicherheit vor
geprägt ist. Fertigbau kommt nur in Ausnahme-
Messfehlern. Einfache Objekte mit ebenen Flä-
fällen zur Anwendung. Für das Bauen mit vorge-
chen und rechten Winkeln sind gut von Hand zu
fertigten Elementen aus Holz und Holzwerkstof-
vermessen. Aber auch komplexe Geometrien
fen stellt der Baubestand somit ein gewaltiges
können mittels Handaufmaß erfasst werden, z.B.
Potenzial dar.
verformte Altbauten in der Baudenkmalpflege,
hier sogar oft durch maßstäblichen zeichneri-
Der Einsatz von Vorfertigung im Bestand setzt die
schen Auftrag direkt vor Ort. Der große zeitliche
Verfügbarkeit verlässlicher Bestandsdaten voraus.
Aufwand wird dabei durch den Zugewinn an In-
Dies gilt insbesondere für die Geometriedaten.
formation gerechtfertigt, der sich aus der unmit-
Bestandspläne aus der Genehmigungs- oder Aus-
telbaren Arbeit am Objekt ergibt.
führungsphase sind in der Regel weder aktuell
noch genau genug und oft überhaupt nicht vor-
Umfassende Darstellungen der Techniken des
handen. Deshalb wird bei den meisten Baumaß-
Handaufmaßes geben [1] und [10].
nahmen im Bestand eine neu zu erstellende Erfassung der Gebäudegeometrie unerlässlich sein.
2.2 Photogrammetrie
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts und damit nur
2 Die etablierten Messverfahren
Im Bauwesen gibt es vier Messverfahren, die als
wenige Jahre nach Erfindung der Fotografie
etabliert bezeichnet werden können: das Hand-
Computers!) wurden die ersten Methoden entwi-
aufmaß, die Tachymetrie, die Photogrammetrie
ckelt, um aus fotografischen Bildern Lage und
und das 3D Laserscanning. Die vier Messverfah-
Form von Objekten messen zu können. Damit ist
ren werden im Folgenden, in der Reihenfolge ih-
die Photogrammetrie die älteste der im Folgen-
res geschichtlichen Auftretens, kurz einzeln be-
den besprochenen optischen 3D Messtechniken.
(Aber knapp ein Jahrhundert vor Erfindung des
schrieben und anschließend verglichen.
Heute werden für photogrammetrische Aufgaben
2.1 Handaufmaß
Das traditionelle Handaufmaß ist nach wie vor als
in der Regel digitale Kameras in Kombination mit
spezieller Bildauswertesoftware eingesetzt.
eigenständige oder ergänzende Methode der
Bauaufnahme von großer Bedeutung. Neben den
Als Aufnahmegerät kommen je nach Anwen-
teils seit Jahrhunderten verwendeten Messwerk-
dungsgebiet und Verfügbarkeit unterschiedliche
zeugen wie Meterstab und Bandmaß, Lot und
Geräte - vom Fotohandy über digitale Kompakt-
Wasserwaage, Niveliergerät und Theodolit kom-
und Spiegelreflexkameras bis hin zu speziellen
men heute auch Laserentfernungsmesser zum
Messkameras („Messkammer“) oder 360 °-Pano-
Einsatz. Bei letzteren können die Messwerte z.B.
ramakameras - zum Einsatz. Werden hohe An-
kabellos mittels Bluetooth an einen PC übertra-
forderungen an die Genauigkeit gestellt, so muss
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
die Kamera kalibriert werden: Das heißt, es wer-
rische Software lässt sich in solche für Einbild-
den Größen, wie die Lage des Projektionszent-
und solche für Mehrbild-Photogrammetrie unter-
rums und die Abweichung vom mathematischen
teilen.
Modell der Perspektive bestimmt, wie sie (z.B.
durch die Verzeichnungen des Objektivs) bei jeder Kamera mehr oder weniger gegeben sind.
2.2.1 Einbild- Photogrammetrie
Im perspektivischen Bild, wie es durch Fotografie
Die Kalibrierung gilt jeweils bei einer einzigen Ka-
entsteht, können wegen der für diese Projekti-
mera mit einem einzigen Objektiv nur für eine
onsart typischen Fluchtung, Strecken in der Regel
Brennweite und eine Fokussierung. Fokussierung
nicht unmittelbar gemessen werden. Eine Aus-
und bei Zoomobjektiven auch die Brennweite
nahme stellen solche Perspektiven dar, bei denen
werden deshalb bei kalibrierten Kameras fixiert.
eine Ebene des Objektes parallel zur Bildebene
verläuft: Strecken in dieser Ebene des Objektes
Charakteristisch für die Photogrammetrie ist, dass
werden maßstäblich abgebildet. Der Maßstab
nicht am Objekt selbst, sondern im Bild gemessen
kann ermittelt werden, wenn ein Streckenmaß
wird. Tiefenmaße sind folglich nur schwer zu
bekannt ist.
nehmen. Die Erfassungszeit am Objekt ist extrem
kurz. Das Verfahren ist sehr robust gegenüber kli-
In der Praxis wird es, schon allein wegen räumli-
matischen Einflüssen. Bewegungen des Aufnah-
cher Zwänge, selten möglich sein, die Bildebene
megerätes während der Erfassung sind (anders
des Fotoapparates exakt auf das Objekt auszu-
als bei Tachymetrie und terrestrischem Laserscan-
richten. Es werden immer mehr oder weniger
ning) unproblematisch; das ermöglicht die Arbeit
perspektivisch fluchtende Abbildungen entste-
von Hub- und Fluggeräten aus. Die Anschaf-
hen. Dennoch können, unter Ausnutzung der
fungskosten für Gerät und Lizenzen sind gering,
geometrischen Gesetzmäßigkeiten der Perspekti-
die Betriebskosten verschwindend klein. Voraus-
ve, Objektmaße aus Messungen im Bild errechnet
setzung für photogrammetrische Aufnahmen
werden: Einzelbildauswertung in der Einbild-Pho-
sind selbstverständlich ausreichend gute Lichtver-
togrammetrie. Um Fluchtung und Maßstab er-
hältnisse. Die sozusagen als Nebenprodukt mitge-
rechnen zu können, müssen eine geringe Anzahl
lieferten Bild- und Farbinformationen sind oft von
von Maßen z.B. per Handaufmaß oder Tachy-
großem Wert für Auswertung und Interpretation.
metrie am Objekt selbst genommen werden. Dies
können etwa ein vertikales und ein horizontales
Ausführliche Gesamtdarstellungen zum Thema
Maß oder die Koordinaten dreier Punkte in der zu
Photogrammetrie haben Kraus [7] und Luhmann
vermessenden Objektebene sein. Eine Alternative
[8] zusammengestellt.
besteht darin, Maßstäbe mit zu fotografieren. Alle übrigen Strecken können in der Folge aus dem
In Hinblick auf die Anwendungen im Bauwesen
Bild errechnet werden.
kann die Photogrammetrie in zwei Gruppen eingeteilt werden: Einbild-Photogrammetrie und
Eine komfortable Variante der Einzelbildauswer-
Mehrbild-Photogrammetrie. Während bei der Ein-
tung stellt die Einzelbildentzerrung dar. Hier wird
bild-Photogrammetrie ausschließlich in einer Ebe-
das Bild so umgewandelt (= entzerrt), dass eine
ne des Objekts (etwa in einer Fassade) gemessen
Ebene des Objektes (typisches Beispiel: eine Fas-
werden kann, können bei der Mehrbild-Photo-
sadenebene) unverzerrt erscheint. Strecken kön-
grammetrie die Lage von Objektpunkten im
nen anschließend unmittelbar im entzerrten Bild
Raum ermittelt werden. Auch die photogrammet-
gemessen werden.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
ten. Programme am anderen Ende der Kostenspanne zeichnen sich durch Funktionalitäten wie
Import von Kalibrierungsdaten, Stitchingfähigkeit
oder Exportschnittstellen (Excel, CAD) aus.
2.2.2 Mehrbild- Photogrammetrie
Durch gleichzeitige Auswertung mehrerer Bilder
kann die räumliche Geometrie von Objekten aus
fotografischen Bildern hergeleitet werden. Voraussetzung ist auch hier, dass einzelne geeignete
Maße z.B. per Hand am Objekt selbst genommen
wurden. Die Auswertung geschieht heute in der
Regel mit spezieller Software am Computer. Das
Ergebnis sind zunächst die Raumkoordinaten von
Einzelpunkten. Mit Hilfe der Software lassen sich
aus Eckpunkten Kanten und aus Kanten wiederum Flächen des Objektes modellieren. Die Flächen des Modells können mit den Bildinformationen aus den Fotos texturiert werden. Schließlich
kann das Modell als Datei in einem geeigneten
Format exportiert und in ein CAD-Programm eingelesen werden. Einige Softwarelösungen für die
Abb. 1: Einbild- Photogrammetrie: entzerrtes Einzelbild, oben und Messungen in entzerrten und
gestitchten Bildern, unten [12]
Mehrbild-Photogrammetrie sind von vornherein
als Applikation zur Ausführung in der Umgebung
eines CAD Systems wie AutoCAD oder MicroStation programmiert.
Bei großen Objekten oder beengten Verhältnis-
Die Preisspanne bei den Softwarepaketen für die
sen müssen gegebenenfalls mehrere Bilder zu ei-
Mehrbildauswertung reicht von ca. 1.000,- € bis
nem großen Bild zusammengesetzt werden
ca. 10.000,- €. Außerdem entstehen Kosten für
(„Stitching“). Nichtsdestoweniger handelt es sich
die Einarbeitung von ca. eins bis drei Tagen bzw.
dabei um Einbild- Photogrammetrie, da nach wie
Schulung. Der Funktionsumfang ist bei den an-
vor in einer Ebene gemessen wird.
gebotenen Programmen weitgehend gleich. Ausnahmen stellen Spezialfunktionen dar, wie etwa
Software für die Einbild- Photogrammetrie wird
die kombinierte Auswertung von Fotos und
für Preise zwischen ca. 100,- € und 2.000,- € an-
Punktwolken z.B. aus 3D Laserscanning. Außer-
geboten und ist leicht zu erlernen. Oft sind die
dem gibt es bei einigen Systemen Beschränkun-
Programme auf spezielle Anwendungen zuge-
gen bei der Anzahl von Bildern, die miteinander
schnitten (Angebotserstellung für Malereibetrie-
verrechnet werden können. Erhebliche Unter-
be, Energiepass) und in entsprechende Software-
schiede sind bei Benutzeroberfläche und Bedien-
pakete eingebunden. Günstige Lösungen be-
komfort festzustellen.
schränken sich auf wenige Grundfunktionalitä-
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
bezeichneten modernen Tachymeter besitzen
Rechnereinheiten, um die erfassten Punkte zu
speichern, Strecken und Flächenberechnungen
durchzuführen oder Polarkoordinaten in kartesische Koordinaten umzuwandeln. In einem am
Gerät angeschlossenen Notebook kann das Ergebnis mit Hilfe spezieller Software unmittelbar in
ein Kantenmodell umgesetzt werden.
Die Tachymetrie ist ein erprobtes und robustes
vermessungstechnisches Verfahren. Die Gerätekosten liegen bei 5.000,- € bis 25.000,- €. Eine
Schulung am Gerät ist für die Bedienung erforderlich. Mit der Tachymetrie können einfache
Bauwerksgeometrien wirtschaftlich erfasst werden. Da bereits bei der Erfassung die wesentlichen Punkte des Objektes gemessen werden, ist
die Nachbearbeitungszeit im Büro sehr gering.
Die Tachymetrie eignet sich auch zur Ergänzung
von Photogrammetrie und 3D Laserscanning z.B.
zum Einmessen von Passmarken für die Verknüpfung einzelner Aufnahmen.
Abb. 2: Mehrbild- Photogrammetrie: Kanten- und
Flächenmodell, oben und texturiertes Flächenmodell, unten [2]
2.3 Tachymetrie
Die Tachymetrie wurde vor etwa 40 Jahren entwickelt. Das Tachymeter ist die Kombination aus
einem geodätischen Winkelmessgerät (Theodolit)
mit einem Laserentfernungsmesser. Der sichtbare
Laserstrahl wird auf einen markanten Objekt-
Abb. 3: Prinzip der Tachymetrie [3]
punkt (wie z.B. Eckpunkte von Fassadenflächen
oder Fensteröffnungen) gerichtet. Über die Lauf-
Einsatzmöglichkeiten der Tachymetrie bei der
zeit des Laserlichtes wird die Entfernung zwi-
Bauwerksvermessung und kritische Messsituatio-
schen Tachymeter und Objektpunkt errechnet.
nen werden in [4] erörtert.
Aus Distanz und Ausrichtung des Laserstrahls
lässt sich die räumliche Lage des Objektpunktes
in Bezug auf das Tachymeter ermitteln. Auf diese
2.4 3D Laserscanning
Das 3D Laserscanning kommt seit etwa 10 Jahren
Weise wird das Objekt Punkt für Punkt abgetas-
bei der Erfassung von Bausubstanz zum Einsatz.
tet. Die Ausgabe der Punktkoordinaten erfolgt di-
Es basiert auf dem gleichen polaren Messprinzip
rekt in digitaler Form. Die auch als Totalstationen
wie die Tachymetrie. Anders als letztere arbeitet
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
es aber nicht mit einzelnen ausgewählten Objektpunkten; stattdessen wird die gesamte Oberfläche des Objektes mit einer großen Zahl von
Messpunkten überzogen, indem der Laserstrahl
automatisch schrittweise geschwenkt bzw. geneigt wird. Das Ergebnis sind die Raumkoordinaten dieser Messpunkte, meist ergänzt durch einen Wert für die Intensität des jeweils reflektierten Laserlichtes. Mittels spezieller Software können die Punkte als so genannte Punktwolke am
Bildschirm dargestellt werden.
Bezüglich der Entfernungsmessung konkurrieren
bei den modernen Geräten zwei Verfahren miteinander: Phasenvergleichsverfahren und Laufzeitverfahren. Ersteres ist schneller, hat aber eine
auf unter 100 m begrenzte Reichweite, letzteres
ist weniger schnell, kommt jedoch auf Reichweiten von bis zu 2000 m. Die Anschaffungskosten
Abb. 4: 3D Laserscanner, oben [11] und Punkt-
für einen 3D Laserscanner incl. der für den Be-
wolke einer Fassade mit farbiger Darstellung der
trieb notwendigen Software liegen zwischen
Intensitäten, unten [12]
50.000,- € und 150.000,- €. Vermessungstechnische Vorkenntnisse bzw. Schulung sind dringend
Die Erfassung eines baulichen Objektes mit
erforderlich. Hierdurch und für eventuell not-
3D-Laserscanning nimmt je nach Schwierigkeits-
wendige Auswertungssoftware entstehen zusätz-
grad wenige Stunden bis einige Tage in An-
liche Kosten.
spruch. Anschließend muss die Punktwolke entsprechend der beabsichtigten Verwendung aus-
Mit einem einzelnen Scan können selbstverständ-
gewertet werden (Modellierung). In den meisten
lich nur die Objektpunkte erfasst werden, welche
Fällen wird dies die Überführung der Daten in
vom jeweiligen Standpunkt des Scanners aus
Rissdarstellungen oder in CAD-gängige Kanten-,
durch den Laserstrahl erreicht werden können.
Flächen- oder Volumenmodelle sein. Für diese
Selbst bei einfacher Geometrie des Objekts wird
Aufgaben gibt es eine Reihe von Softwarepro-
es daher immer zu einer gewissen Verschattung
dukten, mit deren Hilfe es möglich ist, geometri-
von Objektpunkten kommen. Es ist deshalb in der
sche Primitive wie Ebenen und Zylinder weitge-
Praxis meist nötig, ein Objekt von mehreren
hend automatisch modellieren zu lassen. Frei-
Standorten aus aufzunehmen. Die so erzeugten
formflächen
Punktwolken werden über Passmarken, Passku-
schung oder durch mathematische Funktionen
geln oder auch natürliche Flächen aufeinander
dargestellt. Trotz dieser technischen Möglichkei-
ausgerichtet und zu einer Gesamtpunktwolke zu-
ten wird für die Auswertung im Verhältnis zur Er-
sammengesetzt (Registrierung). Auf diese Weise
fassung ein Vielfaches an Zeit benötigt.
werden
mittels
Dreiecksverma-
können Punktwolken mit mehreren Millionen
Punkten und mehreren GB Datenumfang entste-
Messprinzip und Bauarten von 3D Laserscannern
hen.
sind ausführlich in [5] beschrieben.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
2.5 Vergleich der Messverfahren
Wie oben dargestellt, weisen die Verfahren zur
3 Weiterentwicklungen und Alternativen
Neben den vier im Bauwesen etablierten Verfah-
geometrischen Bestandserfassung stark unter-
ren gibt es eine große Zahl von Messtechniken,
schiedliche Charakteristika auf. Dies macht es er-
die teilweise erst seit kurzem auf dem Markt sind.
forderlich, vor Beginn eines Vermessungsprojek-
Einige Verfahren stammen aus vollkommen ande-
tes genau zu untersuchen, welche Techniken für
ren technischen Bereichen. Zugkräftige Motoren
die jeweilige Aufgabe geeignet sind. Die prinzi-
für die Entwicklung der Messtechnik sind vor al-
piellen Stärken und Schwächen der beschriebe-
lem Produktentwicklung und Qualitätskontrolle in
nen Messverfahren sind in untenstehender Tabel-
der industriellen Fertigung. Aber auch in Anla-
le zusammengefasst.
genbau und Fabrikplanung, in Medizintechnik
und Robotik, in Landvermessung und Archäolo-
Die Schwächen der einzelnen Messverfahren las-
gie, in der Forensik und bei der Unfallrekonstruk-
sen sich weitgehend kompensieren, wenn mehre-
tion kommen moderne 3D Messverfahren zum
re Verfahren miteinander kombiniert werden. So
Einsatz. Es ist nicht auszuschließen, dass sie für
ist die Photogrammetrie in der Regel immer auf
Spezialanwendungen oder in einer weiterentwi-
von Hand oder tachymetrisch genommene Ein-
ckelten Form auch im Bauwesen sinnvoll einge-
messungen angewiesen. Das Laserscanning ge-
setzt werden können. Im Folgenden einige Bei-
winnt durch Zusatzinformationen aus Fotos. Er-
spiele:
gänzungsmessungen von Hand an schwer zugänglichen Stellen des Objektes sind wirtschaftli-
Mehrbild-Photogrammetrie mit kodierten Mar-
cher, als das kategorische Einscannen eines jeden
ken: Am Objekt werden vor der fotografischen
Details. Die Verknüpfung von Einzelaufnahmen
Erfassung deutlich erkennbare Marken ange-
sowohl beim Laserscanning als auch bei der Pho-
bracht. Diese Marken sind mit einer graphischen
togrammetrie kann mithilfe tachymetrisch einge-
Kodierung versehen, welche die Auswertesoft-
messener Passpunkte besonders genau und ef-
ware eigenständig erkennt. Die Zuordnung iden-
fektiv gestaltet werden.
tischer Punkte in verschiedenen Bildern kann da-
Tab. 1: Vergleich der Verfahren zur geometrischen Erfassung von Bestandsgebäuden
Verfahren
(Zielgeometrie)
charakteristische
Vorteile
charakteristische
Nachteile
typische
Anwendungsbeispiele
Handaufmaß
(Strecken)
geringe Investitionskosten
leichte Erlernbarkeit
einfache Objekte leicht zu erfassen
unmittelbare Arbeit am Objekt
großer Aufwand bei großen oder
komplexen Objeken
kleine und einfache Objekte
rechtwinklige Objekte
verformungsgetreues Aufmaß in der
Denkmalpflege
Ergänzungs- und Kontrollmaße
Photogrammetrie
(Punkte/Strecken)
geringe Investitionskosten
kurze Erfassungszeit
unempfindlich gegen Klimaeinflüsse
Bewegungen des Aufnahmegerätes
unproblematisch
zusätzliche Bildinformationen
begrenzte Genauigkeit besonders
bei Messungen in die Tiefe
i.d.R. nicht eigenständig
ebene Objekte
Objekte mit markanten Punkten
Fassadenaufmaß
Visualisierungen
Tachymetrie
(Punkte)
einfache Objekte leicht zu erfassen
hohe Genauigkeit
geringer Nachbearbeitungsaufwand
nur diskrete Einzelpunkte
erfassbar
Vorkenntnisse bzw. Schulung
erforderlich
Objekte mit markanten
Punkten und geraden Kanten
Aufmaß von Innenräumen
und Fassaden
Einmessen von Passpunkten
komplexe, unregelmäßige
Geometrien können in kurzer Zeit
erfasst werden
hohe Investitionskosten
Vorkenntnisse bzw. Schulung
erforderlich
große Datenmenge
hoher Nachbearbeitungsaufwand
komplexe, unregelmäßige Objekte
jeder Größenordnung
Bestandserfassung in der Anlagenund Fabrikplanung
Qualitätskontrolle bei der Fertigung
3D-Laserscanning
(Flächen)
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
durch automatisiert werden. Mit einer ausrei-
werden kann. Auflösung und Reichweite von
chend großen Zahl von Marken lassen sich auch
3D Kameras sind momentan noch gering.
Objekte mit gekrümmten Oberflächen erfassen.
Intelligente Totalstation, Foto- und VideotachyStreifenprojektion: Bei diesem Verfahren werden
metrie: In den letzten Jahren wurden mehrere
wechselnde Lichtmuster auf das Objekt projiziert
Weiterentwicklungen der Tachymetrie betrieben
und mit mindestens einer hochauflösenden Digi-
und zum Teil zur Marktreife gebracht. So ge-
talkamera mit hoher Bildrate aufgenommen. Aus
nannte intelligente Totalstationen, sind in der La-
diesen Bildern kann die Geometrie von Objekten
ge, das Objekt zusätzlich zu den diskret gemes-
in der Größenordnung von bis zu 2 x 2 m mit we-
senen Punkten mit einem Raster von Messpunk-
nigen Zehntelmillimetern Genauigkeit erfasst
ten zu überziehen. Auf diesem Weg können z.B.
werden. Die Streifenprojektion ist allerdings
Unebenheiten in der Objektoberfläche erkannt
durch geringe Toleranzen gegenüber den Licht-
werden. Bei der Foto- und Videotachymetrie wer-
verhältnissen in der Messumgebung gekenn-
den tachymetrisch gemessene Punkte um visuelle
zeichnet.
Informationen ergänzt.
Fotoscan: Diese Neuentwicklung verspricht die
Farbige 3D Scans: Die Geometriedaten aus 3D La-
Realisierung von 3D Scans mit photogrammetri-
serscanning können durch Farbinformationen aus
schen Methoden ohne die Zuhilfenahme kodier-
Fotografien angereichert werden. Das Ergebnis ist
ter Marken oder strukturierter Beleuchtung. Kern
eine in Objektfarben eingefärbte Punktwolke. Zu
des Verfahrens ist ein Algorithmus, welcher in
diesem Zweck wird meist eine Digitalkamera fest
verschiedenen Fotos des gleichen Objektes in ei-
auf dem Scanner montiert. Aber auch separat
nem regelmäßigen Raster nach ähnlichen Ele-
aufgenommene Fotos können mit einer Punkt-
menten sucht. Können in zwei Bildern überein-
wolke desselben Objektes verknüpft werden.
stimmende Punkte identifiziert werden, so lassen
sich die Koordinaten des Punktes errechnen. Das
Triangulationsscanner: Neben den oben beschrie-
Ergebnis ist eine Punktwolke, wie sie auch Strei-
benen Phasenvergleichs- und Laufzeitscannern
fenprojektion und 3D Laserscanning hervorbrin-
gibt es eine Gruppe von 3D Laserscannern, wel-
gen. Voraussetzung für den Einsatz des Verfah-
che die Distanz mittels Triangulation ermitteln.
rens ist eine deutlich sichtbare Textur der Objekt-
Die Laserquelle und ein optischer Empfänger sind
oberfläche.
in einem fixen Abstand am Gerät befestigt. Der
Laserstrahl wird in einem kontrollierten Winkel zu
3D Kamera: Bei diesen Geräten handelt es sich
dieser Basis ausgesandt und vom Objekt reflek-
um Kameras mit einem digitalen Flächensensor,
tiert. Der Winkel des am Empfänger eintreffen-
die zusätzlich mit einer speziellen Beleuchtungs-
den Lichts zur Basis wird gemessen. Mit diesen
einheit ausgestattet sind. Beim Auslösen der Auf-
Werten können die freien Seiten des Dreiecks
nahme wird vom Gerät Licht, meist unsichtbares
Sender / Objektpunkt / Empfänger
Infrarotlicht, ausgesandt, welches von der Szene
werden. Die heute auf dem Markt erhältlichen
reflektiert wird. Über die Laufzeit des Lichts wird
Geräte dieser Bauart erreichen hohe Genauigkei-
für jedes Pixel des Sensors die Entfernung zum
ten bei stark begrenzter Reichweite (bis max.
abgebildeten Objektpunkt ermittelt. Ergebnis ist
2,5 m). Sie sind vergleichsweise leicht, klein und
ein 3D Digitalfoto, welches z.B. als Falschfarben-
kostengünstig.
bild (Entfernungswerte farbcodiert) dargestellt
berechnet
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
Handgeführte 3D Scanner: Ebenfalls nach dem
Messverfahren durchaus geeignet sind, Geomet-
Triangulationsprinzip arbeiten die so genannten
riedaten auf Werkplanungsniveau zu liefern. De-
Lichtschnittsensoren, wobei hier statt eines ein-
fizite wurden vor allem bei der Handhabbarkeit,
zelnen Laserpunktes eine Laserlinie projiziert
dem Zeitaufwand für Auswertung und den Kos-
wird. Das Messobjekt ist somit das Profil, welches
ten für Gerät und Software konstatiert.
diese Projektion auf der Oberfläche des Objektes
erzeugt. Wird der Sensor entlang der Objektober-
In den Entwicklungsabteilungen der Messgeräte-
fläche bewegt, wird eine Folge von Profilen er-
hersteller und Softwareanbieter wird ebenso wie
zeugt, welche in ihrer Summe die Geometrie der
an den Hochschulen an einer Fülle von Verbesse-
Oberfläche abbilden. Um die einzelnen Profile
rungen auf dem Gebiet der Messverfahren gear-
einander räumlich zuordnen zu können, ist es
beitet. Neben der Entwicklung völlig neuer Ver-
notwendig, Lage und Ausrichtung des Sensors zu
fahren und der Leistungssteigerung (Reichweite,
jedem Zeitpunkt der Aufnahme exakt zu kennen.
Geschwindigkeit, Genauigkeit), Prüfung und Ka-
Für diese Aufgabe sind verschiedene Technolo-
librierung der bereits verfügbaren Geräte, zielen
gien im Einsatz, unter anderem auch solche, die
die Anstrengungen in besonderem Maße auf die
es erlauben, den Sensor frei von Hand zu führen.
Entwicklung von Algorithmen zur schnelleren
und effektiveren Auswertung der Daten. For-
Wertvolle Informationsquellen zu den aktuellen
schungs- und Entwicklungsbedarf besteht zusätz-
Entwicklungen bei den Messverfahren sind die
lich zum Beispiel auf folgenden Gebieten:
Beiträge zu den jährlich stattfindenden Tagungen
wie z.B. das DVW Seminar „Terrestrisches Laser-
Die Zusammenstellung handlicher und kosten-
scanning“ in Fulda (DVW 2008) und die Olden-
günstiger Aufmaßsysteme für einzelne, häufig
burger 3D Tage (Luhmann / Müller 2008).
wiederkehrende bauliche Aufgaben.
4 Entwicklungstendenzen und Forschungs-
Die Adaption und Modifikation von Entwicklun-
aktivitäten
Am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion
gen aus anderen Branchen (z.B. Streifenprojekti-
der Technischen Universität München wird zur-
wesen.
on oder 3D Kameras) für Anwendungen im Bau-
zeit im Rahmen zweier Forschungsvorhaben die
Eignung von Photogrammetrie und 3D Laser-
Die Verbesserung der digitalen Prozesskette vom
scanning als Aufmaßverfahren für das Bauen im
Aufmaß über Planung und maschinelle Fertigung
Bestand mit vorgefertigten Elementen unter-
bis hin zu Montage und Wartung.
sucht: Das europäische WoodWisdom-Net Projekt
TES-EnergyFacade beschäftigt sich mit der Ent-
Die Erzeugung digitaler integrierter Gebäudemo-
wicklung eines Systems von vorgefertigten Holz-
delle für Bestandsbauten durch die Anreicherung
rahmenbau-Elementen für die energetische Sa-
von Geometriedaten mit Sachdaten, möglicher-
nierung von Bestandsgebäuden. Für das Projekt
weise auch unter Nutzung von Technologien zur
VIP im Bestand, welches von der Forschungsinitia-
automatischen Erkennung von Objekteigenschaf-
tive Zukunft Bau des Bundesministeriums für Ver-
ten.
kehr, Bau und Stadtentwicklung gefördert wird,
werden verschiedene Messtechniken systematisch
Die Anpassung der Werkzeuge und Arbeitswei-
an ausgewählten Testobjekten eingesetzt und
sen bei Planung und Produktion zur effektiveren
verglichen. Es zeigt sich, dass die verfügbaren
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
Nutzung der Messergebnisse aus scannenden
Verfahren (nicht modellierte Punktwolken).
Die Weiterentwicklung von Verfahren zur Ortung
verborgener Konstruktionselemente, etwa durch
Kombination von Photogrammetrie und Thermografie.
Der Fortschritt auf dem Gebiet der Messtechnik
wird die Handlungsspielräume für den Holzbau
auch in Zukunft immer wieder erweitern. Auf das
Bauen im Bestand trifft dies in besonderem Maße
zu; aber auch bei der Neubauproduktion und in
der Forstwirtschaft gewinnt eine effektive Geometrieerfassung ständig an Bedeutung. Von daher gilt es, bereits verfügbaren Techniken gründlich zu evaluieren und neue Entwicklungen nicht
nur zu beobachten, sondern wo möglich aktiv
mit zu gestalten.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BESTAND GEOMETRISCH ERFASSEN
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d_imager5006.html (Abruf vom 25.11.2008)
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[12] TU München, Lehrstuhl für Holzbau und
Baukonstruktion
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUBEGLEITENDES 3D-LASERSCANNEN
14.2 Bauen im Bestand
Baubegleitendes 3D-Laserscannen
Patrick Lenhard, Hans Quasnitza
Mittels Laserscanner ist die detailgetreue Objektaufnahme möglich. So sind die Bestandsaufnahme von Gebäuden bzw. Baudenkmälern allgemein ein hilfreiches Mittel in der Dokumentation.
In diesem Projekt wurde ein in Originalgröße gefertigtes Negativmodell eines Veranstaltungsraumes aufgenommen. Die Daten dienen als Pla-
Abb. 3: Iglu – innen [1]
nungsgrundlage sowohl des tragenden Systems
aus Brettschichtholz- Stäben als auch der benö-
In Friedrichshafen wird von dem in Baltringen an-
tigten segmentierten Schalungen.
sässigen Firma Schmid, als Teil des neuen Medienhauses K42, ein Veranstaltungssaal in Form
1 Allgemein
eines Kieselsteines errichtet. Das ehemalige Sparkassengebäude wird seit März 2005 zum Medienhaus K42
umgebaut,
in
welchem
auf
2
3300 m Fläche, unter anderem ein Kaufhaus,
Büros, Restaurants und Penthouse-Wohnungen
Platz finden. Zusätzlich wird neben dem eckigen
Gebäude ein Veranstaltungssaal in Form eines
Bodenseekiesels errichtet. Problematisch in der
Konstruktion und für die Bauphase gestaltet sich
Abb. 1: Modell K42-Friedrichshafen [2]
hierbei die vorgegebene organische Struktur. Zu
diesem Zweck wurde auf dem Betriebsgelände
der Firma Schmid in Baltringen ein Prototyp 1:1
aus Styropor errichtet (Abb. 4 u. 5). Dieses Iglu
dient
dem
komplexen,
dreidimensional
krümmten Gebäude als Schalung.
Abb. 2: Iglu – außen [1]
Abb. 4: Bauphase (Negativ-Modell) [2]
ge-
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUBEGLEITENDES 3D-LASERSCANNEN
2 Material und Methoden
Zum Einsatz kam ein LEICA HDS 3000:
Abb. 5: Außenansicht des fertig gestellten IgluBaltringen [2]
Abb. 7: Laserscanner LEICA HDS 3000 [2]
Die Innenhaut wurde wie in Abb. 8 dargestellt
über vier Scannerstandorte (1-4) in einer mittleren Auflösung von 5 cm in 15 m Entfernung aufgenommen und jeweils mit einem 360° x 270°Scan ermittelt. - Die Zielmarken (Abb. 9) wurden
Abb. 6: Glasfaserbeton-Segment [2]
Nach Aufnahme des Objektes durch einen 3DLaserscanner wurde das Iglu in über hundert
Segmente zersägt und diente als Vorlage für die
Produktion der einzelnen Fassadenplatten aus
Glasfaserbeton (Abb. 6). Dieses „Mosaik“ wird
dann in Friedrichshafen wie ein „3D-Puzzle“ auf
einer Stützkonstruktion von BrettschichtholzRippen aufgesetzt.
parallel mittels Tachymeter eingemessen. Diese
ermittelten Daten bildeten ein übergeordnetes
lokales Koordinatensystem (AP 2000, 2001,
2002, 2003), in welches später die einzelnen
Punktwolken (pointclouds), die sich aus den einzelnen Scans an den jeweiligen Scannerstandorten ergeben haben, überführt wurden. Durch die
Überlagerung der vier Punktwolken wurde eine
mittlere Punktrasterweite von unter 2 cm erreicht.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUBEGLEITENDES 3D-LASERSCANNEN
3 Arbeitsablauf
Die gemessenen Daten wurden miteinander in
ein übergeordnetes Koordinatensystem überführt
und verknüpft. Durch das Laserscannen wurde
eine zeit- und kostenaufwendige Demontage und
Wiederaufbau des Gerüstes vermieden. Dieses
wurde innerhalb der zusammengeführten Punkwolke mit der Software Cyclone herausgerechnet.
Abb. 8: Aufnahmestandorte (Scanworld 1-4) mit
Abb. 10: Punktwolke des Iglu-Baltringen inkl.
jeweiligem Sichtfeld [Horizontalschnitt in der
Montagegerüst. [2]
Null-Ebene des IGLU-Baltringen] [2]
Abb. 9: Scanworld 1; Tie-Point 11 u. 12 [2]
Tab. 1: Systemspezifikationen LEICA HDS 3000
Abb. 11: Innenansicht. Das Montagegerüst wurde herausgerechnet. Zu sehen ist noch der durch
Verdeckung bedingte Schattenwurf. [2]
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUBEGLEITENDES 3D-LASERSCANNEN
Basierend auf den Horizontalschnitt in Nullhöhe
Mit Hilfe des in Polyworks erzeugten 3D-Modells
(z=0) wurden Schnittlinien vorgegeben:
kann sehr leicht, wenn gewünscht auch über einzelne Abschnitte, eine Flächenberechnung oder
Volumenberechnung durchgeführt werden. In
diesem Fall wurde oberhalb von der dem Auftraggeber gewünschten Referenzflächen-Höhe
die Fläche der Außenhülle des Objektes berechnet. Über diese Angabe konnten vorab die Materialbestellungen und deren Kosten genau kalkuliert werden.
Um die tragende BS-Holz-Konstruktion für dieses
Bauwerk zu erstellen, ist die Modellierung einer
von der Außenhülle von jedem Punkt nach Innen
um 50 cm versetze Innenhülle notwendig gewesen. Dieses Innenhaut-Modell wurde ebenso über
Abb. 12: Schnittlinien der Vertikalprofile über die
Polyworks entwickelt und Profilschnitte in unter-
Außenhaut [2]
schiedlichen Ausrichtungen erstellt.
Abb. 13: Summe-Profilschnitte über die gescannte Außenhülle und die modellierte Innenhülle [2]
Abb. 15: Rohbau – Tragstruktur aus Brettschichtholz [1]
Abb. 16: Konstruierte Tragkonstruktion aus Brettschichtholz – entwickelt aus den erstellten ProfilAbb. 14: Flächenberechnung über die Außenhaut
[2]
schnitten, der Außen- und Innenhülle [2]
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUBEGLEITENDES 3D-LASERSCANNEN
4 Ablaufplan / Gegenüberstellung
Quelle
[1] Prof. Kurt Schwaner
[2] Hochschule Biberach Vermessungslabor
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.2 BAUEN IM BESTAND
BAUBEGLEITENDES 3D-LASERSCANNEN
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.3 BESONDERE EINSATZGEBIETE
SPERRHOLZ – EIN WERKSTOFF IM GERÜSTBAU
14.3 Besondere Einsatzgebiete
Sperrholz – Ein Werkstoff im Gerüstbau
Um die Tragfähigkeit des Holzes über lange Jahre
Joachim Edeler
zu erhalten, muss gewährleistet sein, dass einge1 Sperrholz -Ein Werkstoff im Gerüstbau
Arbeits- und Schutzgerüste, die vorwiegend für
drungene Feuchtigkeit ungehindert wieder aus-
den Fassadengerüstbau verwendet werden, bein-
wird das Holz im Laufe der Jahre durch Moder-
halten Gerüstbelagelemente, die aus einem Stahl-
fäule (holzzerstörende Pilze) zerstört. Diese holz-
oder Aluminiumrahmen sowie einer Baufunier-
zerstörenden Pilze benötigen vor allem Feuchte,
sperrholzplatte als begehbarer Belagfläche beste-
Wärme und geringe Luftbewegung zum Wachs-
hen. Die Gerüstbauteile mit der unterschiedlichen
tum. Das Pilzwachstum erfolgt etwa zwischen
Bezeichnung wie z.B. Kombiboden, Rahmentafel,
+°3 C und +°39 C. Die Pilze vermögen aber auch
Alurahmen mit Sperrholzbelag, Robustboden
Kälte durch die sogenannte Kälte- bzw. Trocken-
zeichnen sich insbesondere durch ihr geringes Ei-
starre längere Zeit zu überstehen.
trocknen kann. Ist dieses nicht gewährleistet, so
gengewicht aus. Darüber hinaus besitzen sie ebene geschlossene Oberflächen, auf welcher die Be-
Sperrholzplatten werden im Gerüstbau in Kombi-
nutzer gut kniend oder sitzend arbeiten können.
nation mit einem Aluminium- oder Stahltragrahmen eingesetzt. Hierbei wird bei den älteren Kon-
2 Hohe Anforderungen an den Werkstoff
Sperrholz, welches im Gerüstbau als Belagele-
struktionen die Sperrholzplatte auf ein Alu- oder
ment verwendet werden soll, muss höchsten An-
Sperrholzplattenkante umschließendes U-Profil
forderungen genügen. Die Deckfurniere müssen
gehalten.
Stahlrechteckprofil aufgelegt und durch ein die
mindestens 0,8 mm dick sein und dürfen keine
Fehlstellen wie lose Äste, Risse oder Spalten aufweisen. Die einzelnen Furnierschichten dürfen als
Zwischenlagen nicht dicker als 2 mm sein. Für die
Verleimung sind nur hochwertige alkalisch härtende Phenolharze, Phenol- Resorcinharze oder
Resorcinharze zu verwenden. Die Herstellung des
Sperrholzes muss durch eine staatlich anerkannte
Prüfstelle im Herstellerwerk laufend überwacht
werden.
Die genauen Anforderungen an Baufurniersperrholz für Gerüstbeläge sind in DIN 68705-3
12
fest-
gelegt.
Die Oberfläche der Sperrholzplatte erhält zusätzlich eine Phenolharzfilmbeschichtung mit einer
Siebdruckprägung. Diese soll das Eindringen von
Feuchtigkeit in das Sperrholz verhindern und
gleichzeitig einen Schutz gegen Ausgleiten bieten.
Abb. 1: Detail eines Gerüstbelages üblicher Bauart, Feuchtigkeit dringt in den Randbereich ein
3 Probleme in der Praxis
Aufgrund der geschilderten Bauart und bedingt
durch die Einfassung des Sperrholzes mit dem
U-Profil dringt jedoch durch die Kapillarwirkung
Feuchtigkeit zwischen U-Profil und Sperrholzplatte ein. Sind die Schnittkanten der Sperrholz12
DIN 68705-3 Sperrholz; Bau-Furniersperrholz ohne
Ersatz April 2006 zurückgezogen
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.3 BESONDERE EINSATZGEBIETE
SPERRHOLZ – EIN WERKSTOFF IM GERÜSTBAU
platte nicht ausreichend und dauerhaft gegen
Um diese Schäden zu verhindern, muss bei der
Feuchtigkeitseinwirkung geschützt, kann diese
Herstellung der Sperrholzplatte dem Leim ein
Feuchtigkeit in die dünnen Furnierschichten ein-
Holzschutzmittel gegen Pilzbefall beigefügt wer-
dringen (Abb. 1). Ein Austrocknen der eingedrun-
den. Die hergestellten Sperrholzplatten müssen
genen Feuchtigkeit ist nicht mehr möglich. Die
vom Hersteller mit dem Aufdruck BFU 100 G ge-
Moderfäule zerstört im Laufe der Jahre den Auf-
kennzeichnet sein.
lagerbereich des Sperrholzes. Die Folge: Die Tragfähigkeit des Belagelementes ist stark beeinträchtigt.
Abb. 3: Zerstörte Oberfläche der Sperrholzplatte
Abb. 2: Sperrholz-Belagelement im Auflagerbereich durch Fäulnis zerstört
Jedoch nicht nur der Sperrholzplattenrand, sondern auch die Oberfläche der Sperrholzplatte ist
gefährdet. Wenn durch den rauen Baustellenbe-
Ein Beispiel für eine solche Konstruktion zeigt
Abb. 4. Durch den freien Rand zwischen der
Sperrholzplatte und dem Aluminiumrahmen soll
gewährleistet werden, dass Feuchtigkeit, welche
über den Rand in die Sperrholzplatte eindringt,
auch wieder austrocknen kann.
trieb die Phenolharzfilmbeschichtung beschädigt
wird, dringt auch hier die Feuchtigkeit in die
Sperrholzplatte ein und die Moderfäule zerstört
örtlich einzelne Furnierschichten der Sperrholzplatte.
Doch Vorsicht, auch ein Holzschutzmittel ist kein
Allheilmittel und kann nicht dauerhaft gegen
Pilzbefall schützen. Nur eine gut durchdachte
Konstruktion in Verbindung mit einem Holzschutzmittel kann dauerhaft gegen Moderfäule
schützen. Die Konstruktion muss auch gewähr-
Abb. 4: Konstruktiver Holzschutz bei einem Alu-
leisten, dass die in die Sperrholzstirnseite einge-
minium-Sperrholz-Belagelement,
drungene Feuchtigkeit auch wieder natürlich aus-
kann abfließen und austrocknen
trocknen kann.
Feuchtigkeit
1274
ZUKUNFT
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ZUKUNFT
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1275
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.3 BESONDERE EINSATZGEBIETE
SPERRHOLZ – EIN WERKSTOFF IM GERÜSTBAU
Doch auch hier hat die Praxis gezeigt, dass sich
1. Belagelemente mit beschädigten Oberflächen,
durch den rauen Baustellenbetrieb der freie Rand
wie in Abb. 3, dürfen nicht mehr eingebaut
mit Mörtel und Schmutz zusetzt, somit der Rand-
werden.
bereich feucht bleibt und damit die Grundlage
2. Belagelemente, bei denen der Auflagerbe-
für die Modefäule bildet. Die Moderfäule im
reich der Sperrholzplatte durch holzzerstö-
Randbereich bedingt, dass der Auflagerbereich
rende Pilze in seiner Tragfähigkeit geschwächt
der Sperrholzplatte zerstört wird und somit die
ist, dürfen nicht mehr eingebaut werden. Die
Tragfähigkeit des gesamten Belagelementes nicht
Beschädigung lässt sich vor allem an den
mehr gegeben ist. In der Praxis ist dieser Verlust
Stirnseiten
der Tragfähigkeit mit dem Durchbrechen der
Durch Fäulnis befallene Sperrholzplatten sind
Sperrholzplatte und somit mit einem möglichen
im kritischen Bereich aufgeweicht, so dass
Absturz des Benutzers verbunden.
man leicht mit dem Fingernagel oder Ta-
der
Belagelemente
erkennen.
schenmesser in die Sperrholzstirnseiten einAls Resümee ist somit zu ziehen, dass die Sperr-
stechen kann (Abb.5). In einigen Fällen zeigt
holzplatte mit Phenolharzfilmbeschichtung und
sich die Fäulnis auch durch weiße Schlieren an
einer Siebdruckprägung in der Oberfläche sich für
der Plattenunterseite.
den Baustellenbetrieb als geeignet herausgestellt
3. Belagelemente, bei denen die Sperrholzplatte
hat. Für die Problemzone im Auflagebereich ist
sichtbar durchgebogen oder sogar durchge-
jedoch von der Praxis bisher keine zufriedenstel-
brochen ist oder sich große Teile der Furnier-
lende Lösung gefunden worden.
deckschicht gelöst haben, dürfen selbstverständlich nicht mehr eingebaut werden (Abb.
Um jedoch weiterhin die ergonomisch positiven
6).
Eigenschaften des Gerüstbelages aus Sperrholz in
Verbindung mit der Aluminium-Rahmenkonstruktion zu nutzen, sind die Hersteller von diesen Belagelementen dazu übergegangen, unterhalb des
Sperrholzbelages zusätzlich Längs- oder Querriegel aus Aluminium einzubauen. Beim Bruch der
Sperrholzplatte im Auflagerbereich wird somit
der Absturz des Benutzers verhindert. Der beschädigte Sperrholzbelag kann dann ausgetauscht werden.
4 Konsequenzen für den Gerüsthersteller
oder Gerüstbauer
Auf dem Markt findet man Belagelemente unterschiedlichster Konstruktion. Der Gerüstbauer ist
somit verpflichtet, die Gerüstbelagelemente, die
mit einer Belagfläche aus Bau- Funiersperrholz
hergestellt sind in regelmäßigen Abständen zu
prüfen. Dabei sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
Abb. 5: Auflagerbereich einer Sperrholzplatte ist
durch Fäulnis zerstört
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.3 BESONDERE EINSATZGEBIETE
SPERRHOLZ – EIN WERKSTOFF IM GERÜSTBAU
Wichtig beim Auswechseln ist jedoch, dass nur
eine Originalplatte des jeweiligen Gerüstherstellers eingebaut wird. Bei den Gerüstherstellern
können Ersatzplatten mit den dazugehörigen Befestigungsteilen nachgekauft werden. Einige Hersteller bieten auch einen kompletten Reparaturservice an, bei dem das gesamte Belagelement
geprüft und die Sperrholzplatte ausgewechselt
wird. Der Verwender von diesen Belagelementen
Abb. 6: Durchgebrochene Sperrholzplatte
ist jedoch gut beraten, dass Auswechseln der
Belagelemente, bei denen das Sperrholz un-
durchführen zu lassen, da er sonst die Produkt-
brauchbar geworden ist, müssen jedoch noch
nicht auf den Müll. Die Belagskonstruktionen sind
so hergestellt, dass die Sperrholzplatten ausgebaut und durch neue ersetzt werden können.
Sperrholzbelagfläche durch den Gerüsthersteller
haftung für das komplette Gerüstbelagelement
übernimmt.
1276
ZUKUNFT
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ZUKUNFT
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1277
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
14.4 Gebäudetechnik
Zukünftige Gebäude
Die Endlichkeit der fossilen Energievorräte wird
Wilhelm Stahl, Volker Weiß
parallel zum Klimawandel sichtbar und bewusst.
In der solaren Energiewirtschaft vor der industriel-
Verknappung und steigende Nachfrage bewirken
len Revolution wurde mit Materialien gebaut, die
steigende Energiepreise.
weitestgehend direkt am Bauplatz zur Verfügung
standen. Aus ökonomischen Überlegungen he-
Entsprechend wird weltweit an den solaren Alter-
raus wurde der Transport von Baumaterial so gut
nativen zur gespeicherten fossilen Solarenergie
als möglich vermieden. Mit steigendem bauli-
gearbeitet – Deutschland als Vorreiter voraus-
chem Anspruch wurden Baumaterialien auf
schauend und löblich.
Grund ihrer technischen Vorteile über größere
Distanzen transportiert. Ein wesentliches Regulativ in diesem System waren hohe Kosten für Nahrung und Lebensunterhalt von Mensch und Tier.
Das heutige fossile Zeitalter ist Teil der solaren
Energiewirtschaft der Erde: die Erde im Vakuum
des Weltalls allein durch die Strahlung der Sonne
mit Energie versorgt und im energetischen
Gleichgewicht durch ihre Wärmeabstrahlung ins
Weltall.
Abb. 1: Primärenergieverbrauch pro Bruttoinlandsprodukt [Quelle: Stat. Bundesamt]
Mit der Ausbeutung der fossilen Energieträger
Kohle, Öl und Gas stand Energie vermeintlich un-
Der Wegfall der kostenlosen fossilen Energiespei-
begrenzt und kostengünstig zur Verfügung. Die
cherung führt zwingend zu zukünftig steigenden
industrielle Revolution, die Explosion der Weltbe-
Energiepreisen. Glücklicherweise ist das Dogma
völkerung und die Globalisierung sind Folgen die-
eines nur mit steigendem Energieverbrauch, stei-
ser Entwicklung.
genden Bruttosozialproduktes in westlichen Industrienationen zwischenzeitlich widerlegt.
Die exponentiell ansteigende Verbrennung der
fossilen Energieträger in einem erdgeschichtlich
Umweltschädigender Energieverbrauch wird teu-
extrem kurzen Zeitraum stört das energetische
rer, weil der noch kostenlose Umweltverbrauch
Gleichgewicht der Erde durch die Veränderung
nach dem Verursacherprinzip zwingend über kurz
der chemischen Zusammensetzung der Erdatmo-
oder lang auf den Energiepreis aufgeschlagen
sphäre. Der resultierende Klimawandel wird welt-
werden wird. Der Emissionshandel ist ein diesbe-
wirtschaftlich größere Folgen zeigen als die der-
züglicher Anfang. Der Fehler unserer heutigen
zeitige Weltfinanzkrise.
Energiepreise ist das Fehlen einer gesamtwirtschaftlichen Kostenberechnung. Die Gewinne der
Regenerative
Energieträger
sind
CO2-neutral
(= klimaneutral), weil der Zeitraum zwischen CO2Entnahme aus und CO2-Abgabe in die Atmosphäre nur 1 – bis 100 Jahre beträgt.
Energieversorger sind die von der Allgemeinheit
bezahlten Schäden an der Umwelt.
1278
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
den eigentlich irreführenden Begriffen „Nullenergiehaus, CO2-neutrales Gebäude, zero emission
building, …“ die Betriebsenergie noch im Vordergrund der Diskussion um die energetische Optimierung. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise
muss sich an der Gesamtbilanz orientieren, die
mit der Lebenszyklusanalyse ein über die energetischen Aspekte hinausgehendes Synonym gefunden hat.
Die Untersuchungen zur Herstellungsenergie von
Abb. 2
Materialien haben trotz langjähriger Bearbeitung
noch immer einen gewissen experimentellen
Falsche Energiepreise sind falsche Konsumenten-
Charakter, im Wesentlichen deshalb, weil die Dis-
signale: Jogurt aus Hamburg ist in Freiburg billi-
kussion über die Systemgrenzen nicht abge-
ger als Jogurt aus Freiburg, Kleidungsstücke aus
schlossen scheint und eine Vielzahl veränderlicher
Asien sind günstig wegen niedriger Löhne und
Variablen großen Einfluss haben. Die Herstel-
vernachlässigbarer Transportkosten, der Preisun-
lungsenergie für Aluminium mit Bauxit aus Eleusis
terschied zwischen heimischen Bioprodukten und
in Griechenland und Wasserkraftelektrizität in Ka-
Nahrungsmitteln aus konventioneller Produktion
nada unterscheidet sich von der Aluminiumher-
würde sinken, wenn energieintensiver Kunstdün-
stellung in Russland deutlich und der jeweilige
ger teurer wird. Holz als Baustoff wird interessan-
Anteil inkl. Recycling hat Einfluss auf den Wert
ter, weil Ziegelsteine oder Stahlbeton entspre-
der
chend der Umweltbelastung und Herstellungs-
Deutschland. Und die Herstellungsenergie ist
energie teurer werden.
auch nur ein Teilaspekt des „ökologischen Ruck-
Herstellungsenergie
für
Aluminium
in
sacks“, der Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung mit beinhalten muss [1].
Naturnahe Materialien und Baustoffe haben sowohl energetische wie ökologische Vorteile. Die
Diskussion um den quantitativen Wert ist für den
Inhalt dieses Aufsatzes nicht entscheidend.
Betrachten wir ein neu zu errichtendes EinfamiliAbb. 3: Herstellungsenergie (Primärenergie) ausgewählter Baustoffe. Quelle: GEMIS und eigene
Untersuchungen
Der gesamte Energieverbrauch im Lebenszyklus
eines Gebäudes setzt sich aus Herstellungsenergie, Betriebsenergie und der Energie zum Rückbau eines Gebäudes zusammen. Heute steht mit
enhaus mit einer Wohnfläche von angenommen
150 m².
In
einem
kompakten
chen / Volumen-Verhältnis
(Oberflä-
0,75 1/m)und
zur
Sonne ausgerichteten architektonischen Entwurf
sind die gestalterischen Möglichkeiten zur energetischen Optimierung bedacht. Der energetische
Standard des Gebäudes soll die Anforderungen
der Energieeinsparverordnung erfüllen. Das Haus
kann z.B. massiv mit Ziegel oder aus Holz gebaut
ZUKUNFT
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1279
ZUKUNFT
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
werden. Energietechnisch kann eine Erdgasbrennwerttherme oder eine Holzpelletheizung die
Wärmeversorgung sicher stellen. Politisch gewollt
und Image fördernd kann eine Sonnenkollektoranlage zur Brauchwassererwärmung und eine
Photovoltaik-Anlage zur solaren Elektrizitätserzeugung installiert werden. Die Herstellungsenergien haben wir mit der heute verfügbaren Litera-
MWh
tur überschlägig berechnet.
250
Massivhaus
Holzhaus
Erdgasbrennwerttherme 15 kW
Holzpelletheizung 15 kW
Photovoltaik‐Anlage 30 m²
Sonnenkollektor‐Anlage 8 m²
Massivhaus + Erdgasbrennwerttherme
Holzhaus + Holzpelletheizung + Photovoltaik‐Anlage + Sonnenkollektor‐
Anlage
Herstellungs‐
energie [MWh]
252
100
10
25
36
6
262
167
Abb. 4- 6: Überschlägig berechnete HerstellungsHolzhaus
energie (Primärenergie) für ein Einfamilienwohn-
200
haus mit einer Wohnfläche von 150 m² in Massiv-
150
und Holzbauweise mit unterschiedlicher techni-
100
scher Gebäudeausrüstung. [GEMIS und eigene
Untersuchungen]
50
0
Bauweise und Energiesysteme sind beliebig kombinierbar. Wir betrachten die zwei Varianten
„fossile Energie und massive Bauweise“ und „regenerative Energie und Holzbauweise“. Die geringere Herstellungsenergie des Holzhauses überkompensiert die zusätzliche Herstellungsenergie
Abb. 4
für die Solarsysteme. Die Sonnenkollektor-Anlage
MWh
ist nach dem zu erwartenden sommerlichen
250
Massivhaus
Warmwasserbedarf dimensioniert, die Fläche der
200
Photovoltaik-Anlage orientiert sich an der zur
150
Verfügung stehenden südorientierten Dachflä-
100
che.
50
Es sei darauf hingewiesen, dass besonders bei
0
massiv gebauten Häusern aus energetisch ökologischer Sicht die Sanierung immer die bessere Variante als der Abriss und Neubau darstellt.
Die erforderliche Betriebsenergie für die Gebäude
haben wir mit Standardwerten über einen Be-
Abb. 5
trachtungszeitraum von 50 Jahren. Für Rückbau /
Recycling nehmen wir ohne Anspruch auf Richtigkeit die Hälfte der fossilen Herstellungsenergie
an, wohl wissend, dass dies in 50 Jahren überwiegend Solarenergie sein wird.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
Das fossile Massivhaus belastet die Umwelt in
Es ergibt sich ein deutlich unterschiedliches Bild,
50 Jahren mit einem Primärenergieverbrauch von
das die Vorteile der energetischen und regenera-
1.560 MWh, das solare (regenerative) Holzhaus
tiven Gebäudeoptimierung besser nicht zum Aus-
entlastet die Umwelt im gleichen Zeitraum mit -
druck bringen kann.
115 MWh, entsprechend einer CO2-Emission von
340 Tonnen oder eine CO2-Entlastung von -
Natürlich könnte auch das massiv gebaute Haus
25 Tonnen.
mit dem solaren Energiesystem realisiert werden.
Primärenergie [MWh]
Dann bliebe allein der Unterschied in der Herstel1600
1500
1400
1300
1200
1100
1000
900
800
700
600
500
400
300
200
100
0
‐100 0
‐200
‐300
lungsenergie über den Betrachtungszeitraum bestehen.
Massivhaus fossil
Holzhaus solar
Es könnten auch unterschiedliche Wärmedämmstandards angenommen werden. Zum Beispiel
würde sich der höhere Herstellungsenergieaufwand für eine Ausführung eines Massivhauses als
Passivhaus durch den reduzierten Betriebsener5
10
15
20
25
Jahre
30
35
40
45
50
Abb. 7: Primärenergieverbrauch über einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren für ein Massivhaus mit fossiler und eine Holzhaus mit solarer
Energieversorgung. Herstellungsenergie im Jahr
Null und Energie für den Rückbau im 50. Jahr.
Tab. 1
giebedarf energetisch schon nach wenigen Jahren amortisieren.
Der hier in seinen Grundzügen beschriebene Weg
des energetischen Teils einer Lebenszyklusanalyse
eines Gebäudes zeigt die Vorteile der Reduktion
der Herstellungsenergie, der Energieeffizienz und
der regenerativen Energienutzung.
1280
ZUKUNFT
H O L Z
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
Die Wirtschaftlichkeit von Energieeffizienzmaß-
Preisbildung zu verstehen, müssen Weltwirtschaft
nahmen hängt ursächlich mit der Höhe des allge-
und Politik verstanden werden. Fest steht, dass
meinen Energiepreisniveaus zusammen, ein ho-
Energiepreise noch nie der freien Marktwirtschaft
hes Niveau fördert wie erwähnt weiterreichende
unterlagen, sondern immer politisch korrigiert
Maßnahmen. Die Investition in eine Energiespar-
wurden. Atomstrom ist billig, weil die Endlage-
lampe würde sich bei einem Elektrizitätspreis von
rung und Versicherung der Kraftwerke der Staat
10 Ct./kWh kaum lohnen, bei 20 Ct./kWh sehr
bezahlt. Photovoltaik-Anlagen sind durch zinsver-
wohl.
billigte Kredite und Einspeisevergütung wirtschaftlich attraktiv.
Primärenergie [MWh]
1281
Primärenergie [MWh]
ZUKUNFT
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1600
1500
1400
1300
1200
1100
1000
900
800
700
600
500
400
300
200
100
0
‐100 0
‐200
‐300
1600
1500
1400
1300
1200
1100
1000
900
800
700
600
500
400
300
200
100
0
‐100 0
‐200
‐300
Bei den nachwachsenden Rohstoffen deutet sich
Massivhaus solar
Holzhaus solar
eine Preisbildung jenseits globaler und politischer
Einflüsse an. Wesentlicher Grund dafür könnte
die Dezentralität des Marktes unter der Führung
mittelständischer Unternehmen sein. Natürlich
wird der Preis nachwachsender Rohstoffe mit
dem Preis fossiler Energieträger ansteigen, aber
sicherlich mit deutlich geringeren Schwankungen.
5
10
15
20
25 30
Jahre
35
40
45
50
Bei vielen unserer durchgeführten dynamischen
Wirtschaftlichkeitsvergleiche
unterschiedlicher
Massivhaus passiv fossil
Energieversorgungsvarianten zeigen sich immer
Massivhaus EnEV fossil
projektspezifische Unterschiede. Aber ein allgemeiner Trend geht hin zu dem nachwachsenden
Rohstoff Holz, mit dem trotz höherer anlagentechnischer Investitionskosten gesamtwirtschaftlich kostengünstiger Energie bereitgestellt werde
kann.
5
10
15
20
25 30
Jahre
35
40
45
50
Abb. 8, 9: Primärenergieverbrauch über einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren für unterschiedliche Gebäudestandards. Herstellungsenergie im Jahr Null und Energie für den Rückbau im
50. Jahr.
Abb. 10: Preisentwicklung für Holzpellets, Heizöl
Energiepreisunterschiede
sind
die
treibenden
Kräfte für Entscheidungen für Energieversorgungssysteme. Hier begeben wir uns zu einem
schwierigeren Thema. Eine Versachlichung liefert
sicher die Beobachtung des Marktes, aber um die
und Erdgas. [Quelle: C.A.R.M.E.N]
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
1282
ZUKUNFT
H O L Z
Tab. 2: Dynamische Wirtschaftlichkeitsberechnung für zwei Wärmeversorgungsvarianten für eine Gewerbeimmobilie mit einem Wärmebedarf von
2.500 MWh. Die Jahreskosten sind berechnet incl. Investitions-, Wartungs-, Instandhaltungs-, Energie- und Reinvestitionskosten über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahre. Gleiche Energiepreissteigerung für fossile und regenerative Energie.
Tab. 2
Abb. 11: Solar-Fabrik Freiburg. Vollständig solare
Energieversorgung mit Rapsöl- BHKW, Photovoltaik-Anlagen und passiver Sonnenenergienutzung.
Jahreskosten [€]
300.000
283.200
250.000
200.000
184.700
150.000
100.000
50.000
0
Var. 0:
Gas‐Brennwert
Var.1: Holzhack‐
schnitzel
Abb. 12: Jahreskosten Wärme berechnet incl. In-
Wärmeversorgungsvarianten für eine Gewerbeimmobilie
Wärmeverbrauch 2500 MWh/a
Wirtschaftlichkeitsparameter
Betrachtungszeitraum
Jahre
Zinsatz
Mittlere Teuerungsrate Energie Erdgas/Heizöl
Mittlere Teuerungsrate Energie Holz
Mittlere Teuerungsrate Wartung
Mehrwertsteuer
Mehrwertsteuer Holz
Annuitätenfaktor [1/Jahre]
20
4,50% Mittelwertfaktor
6,00%
1,79
6,00%
1,79
2,00%
1,20
19,00%
7,00%
0,08
Var. 0:
Var.1: HolzhackGas-Brennwert
schnitzel
Varianten
Holzhackschnitzelkessel Leistung th kW
kW
700
Gas-Brennwertkessel Leistung th
h/a
3571
Betriebsstunden
Investion
50.000
€ netto
Berechnung der Jahreskosten nach der Annuitätenmethode
€ netto / a
3.844
Kapitalkosten
€ netto / a
1.050
Wartungskosten im 1. Jahr
€ netto / a
1.264
mittlere Wartungskosten
Ct.netto/kWh
11,9
Elektrizitätspreis
Ct.netto/kWh
6,0
Erdgaspreis(ohne Bereitstellung)
Ct.netto/kWh
Holzhackschnitzelpreis
€ netto / a
155.232
Energiekosten im 1. Jahr
€ netto / a
278.137
mittlere Energiekosten
283.200
Mittlere Jahreskosten
€ netto / a
Ct.netto/kWh
mittlere Jahreskosten
11,3
Annahme CO2-Steuer (bei den
Jahreskosten nicht berücksichtigt)
50 €/t
31.388
CO2-äquivalente Emissionen
630
t/a
kg/a
404
SO2-äquivalente Emissionen
kg/a
Staub
25
Anfahrten Holzhackschnitzel
Anzahl/a
vestitions-, Wartungs-, Instandhaltungs-, Energieund Reinvestitionskosten über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahre
Abb. 13: Holzhackschnitzelheizung 700 kWth und
Holzpellet-Stirlingmotor 10 kWth / 3 kWel.
700
3571
380.000
29.213
11.020
13.114
11,9
3,0
79.475
142.400
184.700
7,4
8.822
180
1.714
245
75
ZUKUNFT
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1283
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
Dieser gesamtwirtschaftliche Vorteil ist ursächlich
Wenn wir berücksichtigen, dass wir den Großteil
mit der enormen ingenieurtechnischen Entwick-
unseres Lebens in Innenräumen verbringen, dann
lungsleistung der vergangenen Jahrzehnte ver-
sollten wir den gesundheitlichen Aspekten eine
knüpft. Der heutige technologische Stand der
größere Aufmerksamkeit schenken.
Verbrennung nachwachsender Rohstoffe hinsichtlich
Zuverlässigkeit,
Wirkungsgrad
und
Schadstoffemissionen wäre vor 20 Jahren so
nicht vorstellbar gewesen.
Abb. 14: Reihenhäuser der Solarsiedlung Frei-
Abb. 16: Mehrfamilienwohnhaus elementar. Voll-
burg. Architekt Rolf Disch
ständig solare Energieversorgung mit Holzpelletheizung und fassadenintegrierten Photovoltaik-
Geringe Herstellungsenergie und kleiner ökologi-
und Sonnenkollektoranlagen. Architektur ARGE
scher Rucksack sind sichere Indizien für lokal ver-
Sonnenmoser, Riedel, Schlierf, Tübingen
fügbare Materialien mit guter Recyclingfähigkeit.
Solche ökologisch vorteilhaften Materialien ha-
Eine größere Beachtung der Herstellungsenergie
ben darüber hinaus noch raumlufttechnische
von Baustoffen führt also zu Vorteilen in wichti-
Qualitäten. Holz beispielsweise bindet Geruchs-
gen nicht energetischen Bereichen.
stoffe, puffert Raumluftfeuchte und emittiert keine Schadstoffe. Ähnliches gilt für andere Materia-
Zukünftige Gebäude sind architektonisch opti-
lien, z.B. Lehm, mineralische Putze und Farben,
miert, energieeffizient, energetisch regenerativ
Linoleum, Naturstein, usw..
versorgt und mit gesundheitsverträglichen Materialien gebaut oder saniert. Mit Lebenszyklusanalysen wird versucht diese ganzheitliche Sicht der
Dinge zu qualifizieren und zu quantifizieren. Die
Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
(DGNB) entwickelt dafür ein Zertifizierungssystem.
Abb. 15: Solare Grundwasserpegelmessstation.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZUKÜNFTIGE GEBÄUDE
Unsere zusammenfassende Definition „Zukünftiger Gebäude“ sieht wie folgt aus:
Zukünftige Gebäude
Abb. 17: Huf Sonnenhaus. Holzfachwerkhaus mit
vollständig solarer Energieversorgung mit einer
Holzpelletheizung, einem Sonnenkollektor und
einer Photovoltaik-Anlage. Quelle: Huf Haus
GmbH & Co. KG, Stahl + Weiß
Endenergieverbrauch Gebäude
2050 [%]
40
Fossil
Solar
integriert, verdichtet, Grünflächenausgleich, ÖPNV, Fahrrad
Architektur
kompakt, passivsolar optimiert
Baumaterialien
natürlich, gesund, recyclebar, geringe Herstellungsenergie, dauerhaft
Heizwärme
gedämmte Gebäudehülle, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, minimierter Heizwärmebedarf
Sommerlicher Wärmeschutz
Sonnenschutz, natürliche Klimatisierung
Elektrizität
natürliche Belichtung, effiziente Verbraucher, minimierter Elektizitätsbedarf
Wasser
Regenwasserrückhaltung, Trinkwassereinsparung
Komfort
schadstoffminimiert, thermisch, akustisch, lichttechnisch optimiert Wirtschaftlichkeit
höhere Investitionskosten + niedrigere Betriebskosten = kostengünstiger
Umwelt
entlastend
Image
politisch gewollt, Gütesiegel (DGNB, RAL), zukunftssicher Herstellungsenergie
< 0,4 MWh/m³ BRI
Heizwärmeverbrauch incl. Warmwasser
25 – 35 kWh/(m²NGF a)
Kühlenergieverbrauch
regenerativ
gebäudespezifischer Elektrizitätsverbrauch
< 10 kWh/(m²NGF a)
nutzerspezifischer Elektrizitätsverbrauch
< 15 kWh/(m²NGF a) (Wohnnutzung)
Primärenergieverbrauch < 0 kWh/(m²NGF a) (solare Energieversorgung)
Abb. 18: Endenergieverbrauch der Gebäude in
Deutschland im Jahr 2050. Quelle Umweltbundesamt
Quellen
[1] Friedrich Schmidt-Bleek (Hrsg.): Der ökologi-
[5] BINE – BürgerInformation Neue Energietech-
sche Rucksack. 2004, ISBN 3777612898
niken. Kurze prägnante gute Informationen
[2] Krusche/ Althaus/ Gabriel Ökologisches Bau-
zu allen Bereichen von Energieeffizienz bis
en
Bundesumweltamt
Bauverlag
GmbH
Wiesbaden und Berlin 1982. Erstes ausführliches gutes Buch zu den Grundlagen und
Ideen des ökologischen Bauens.
[3] Sieferle, R. Der unterirdische Wald C.H. Beck
1982. Gutes Buch zu den grundlegenden
Ideen solarer Energiesysteme!
[4] Goetzberger, A., Voss, K., Stahl, W., Das
Energieautarke Solarhaus, C.F. Müller Verlag, Heidelberg
ZUKUNFT
H O L Z
Tab. 3
Städtebau
60
1284
zum energieoptimierten Bauen.
[6] Daniels, K., Technologie des ökologischen
Bauens, Birkhäuser Verlag
[7] Voss, K. Herausgeber, Bürogebäude mit Zukunft r, TÜV Verlag
[8] Voss, K., Heinze, M., Ziel Nullenergie, DBZ 1
2009
ZUKUNFT
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1285
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
14.4 Gebäudetechnik
Photovoltaik und Holz – Eine Verbindung mit Zukunft
Jörg Wollenweber, Thomas Wach
Im Sinne der Klimaschutzbemühungen gilt es gerade im Bausektor nachhaltiger und energiebewusster zu konstruieren. Holz ist als erprobter
und ökologischer Baustoff vor diesem Hintergrund mehr und mehr gefragte konstruktive aber
auch gestalterische Option für die Anwendung in
Neubauten. Als nachwachsender und CO2-neu-
Abb. 1: Anteil gebäudeintegrierter Photovol-
traler Baustoff gilt Holz als ökologisch nachhaltig.
taik (Grafik: Bundesverband Solarwirtschaft)
Ein wichtiger Bestandteil der energetischen Nachhaltigkeit von Gebäuden ist die aktive Nutzung
der Sonnenenergie. Nach vielen Pionierjahren bei
der Installation von Photovoltaik Systemen wird
nun in der praktischen Anwendung immer mehr
nach sogenannten gebäudeintegrativen Systemen gefragt, also Systemlösungen, die Photovoltaik ästhetisch anspruchsvoll in die Gebäudehülle
integrieren, Synergien bilden und gestaltend wirken.
Abb. 2: Wafer aus einer monokristallinen PV
Zelle (Foto: Tabea Huth, TU Darmstadt)
Es ist also durchaus sinnvoll die Kombinationsmöglichkeiten von beiden Komponenten, also
Es ist erforderlich zunächst die gängigsten Varian-
Holz und Solartechnik zu erarbeiten.
ten von Photovoltaik Zellen zu betrachten, da sich
aus deren spezifischen Eigenarten unter-schied-
1 Grundlagen der Einsatzmöglichkeiten von
liche Möglichkeiten für die Kombination mit dem
Photovoltaik und Holz
Die Verbindung von Photovoltaik und Holz ba-
Baustoff Holz ergeben. Photovoltaik wird zur Er-
siert genauer betrachtet immer aus der Verbin-
nenstrahlung eingesetzt. Hauptbestandteil der
dung von Holz und dem Trägermaterial, genannt
herkömmlichen Photovoltaikzelle ist derzeit Silizi-
Substrat, auf das die Zellen aufgebracht werden.
um. Es wird nach spezieller Dotierung als Halblei-
zeugung von elektrischer Energie aus der Son-
termaterial eingesetzt. Unter Dotierung versteht
Die große Nachfrage nach Photovoltaik Systemen
man die Ausstattung des Grundmaterials mit
hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von ver-
Fremdatomen, die den Elektronenfluss ermögli-
schiedenen Produkten erhältlich gemacht, die un-
chen.
terschiedliche Vor- und Nachteile haben und deren Eigenschaften eine vielfältige Verbindung mit
Grundsätzlich unterscheidet man drei Arten von
Holz ermöglichen könnten. Erste Versuche in der
Photovoltaik Zellen. Monokristalline, polykristalli-
Bauanwendung wurden bereits realisiert.
ne und amorphe (also nicht-kristalline) Zellen. Die
kristallinen Zellen werden in den bekannten quadratischen Platten, sog. Wafern, in den üblichen
Modulen für die Dachinstallation verwendet.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
Monokristalline Zellen bestehen aus nur einem
Kristall. (Abb. 2) Die Struktur ist besonders rein
und gleichmäßig, weshalb der Wirkungsgrad der
monokristallinen Photovoltaik der höchste ist, der
bei einfachen Siliziumzellen bisher erreicht wird.
Die „Züchtung“ von monokristallinen Zellen erfordert aber erheblichen Aufwand und viel Energie. Daher sind die Zellen teurer als beispielsweise
polykristalline (oder auch multikristalline) Zellen,
deren Wafer aus gegossenen Blöcken geschnitten
werden.
Polykristalline Zellen erkennt man durch die eisblumenartige Strukturierung (Abb. 3). Sie haben
Abb. 3: Wafer aus einer polykristallinen PV Zelle
bisher das beste Preis-Leistungsverhältnis aller
(Foto: Georg Slickers)
Zellenarten. Kristalline Zellen erreichen ihren
höchsten Wirkungsgrad bei direkter Sonnen-einstrahlung, optimalerweise einem Einstrahlwinkel
von 90 ° (Abb. 4). Bei diffusem oder schwachem
Licht verlieren sie schnell an Leistungsfähigkeit.
Amorphe Zellen werden durch Aufbringen des
Halbleitermaterials in dünnen Schichten auf
Dampfbasis erzeugt. Wegen ihrer nicht- kristallinen Eigenschaften können die Zellen etwa hundertmal dünner ausgeführt werden als kristalline
Zellen. Hieraus resultiert auch die Bezeichnung
Dünnschicht- ellen. Bei der Dünnschicht Technologie entfallen die üblichen Materialreste und Sägeverschnitte, wie sie bei der Waferherstellung
anfallen. So können durch den geringeren Materialaufwand erheblich Kosten gespart werden.
Das Aufdampfen des Halbleitermaterials ist bisher
Abb. 4: Die Dachneigung hat Einfluss auf den
auf Flächen bis zu 5qm am Stück möglich. Der
Nutzungsgrad von PV (Grafik: FG ee, TU Darm-
Wirkungsgrad von amorphen Zellen ist derzeit
stadt)
niedriger, als der von kristallinen Zellen, jedoch
können amorphe Zellen bei diffusem Licht und
indirekter Sonneneinstrahlung mehr Energie erzeugen als kristalline (Tab. 1). In der Jahresbilanz
erreichen einige amorphe Zellarten bereits die
Leistung von kristallinen Zellen. Die DünnschichtTechnologie verspricht derzeit auch erhebliche
technische Zukunftspotentiale.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
Tab.
1:
Wirkungsgrad
verschiedener
Solarzellen
(Quelle:
www.solarintegration.de/in
dex.php?id=359)
Abb. 5: Glas-Glas Sandwich mit verschiedenen
Abb. 6: Sandwich aus Plexiglasplatten mit
monokristallinen PV Zellen
monokristallinen PV Zellen
[Foto: Tabea Huth, TU Darmstadt]
[Foto: Tabea Huth, TU Darmstadt]
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
Für die Verbindung von Photovoltaik mit Holz ist
Die Deckschicht muss gleichermaßen strahlungs-
aber insbesondere das Substrat, also das Träger-
durchlässig und witterungsbeständig sein. Die
material auf dem der sehr empfindliche Halbleiter
Bodenschicht dient oft als Grundlage für die
aufgebracht ist, wichtig. Während amorphe Zel-
Montagekonstruktion, hat also hauptsächlich
len aufgrund ihrer Herstellungsart bereits auf ein
strukturelle Eigenschaften. Wichtigste Eigenschaft
Trägermaterial aufgedampft worden sind, müs-
beider Trägerschichten ist jedoch ihr gleichartiges
sen die Wafer aus kristallinen Zellen zunächst ein-
Bewegungsverhalten bei temperaturbedingten
gebettet werden. Dazu werden sie auf ein Sub-
Ausdehnung u.ä. Insgesamt dürfen beide Schich-
strat aufgebracht. Oftmals handelt es sich bei
ten nicht mehr Bewegung zulassen als die dünne
dem Substrat um stabile und verwindungssteife,
PV Zelle verkraften kann. Da Glas und Photovol-
zudem schlag- und witterungsbeständige Materi-
taik auf ähnlicher Basis aufgebaut sind, und des-
alien, wie Glas oder Kunststoff.
halb ähnliche physikalische Grundeigenschaften
aufweisen bietet sich Glas als Trägermaterial für
Die klassischen Photovoltaik Module für die
Photovoltaik- Zellen an. Holz, das als lebendiger
Dachinstallationen werden in der Fabrik als ferti-
Baustoff teilweise erheblichen Unregelmäßigkei-
ges System aus Kunststoff- oder Glasplatten und
ten und gewissen Formveränderungen unterwor-
Rahmen produziert. Die PV Zellen werden hierbei
fen ist eignet sich nicht als Träger. Die Verbin-
in den bekannten Waferformen von etwa 100 –
dung aus Holz und Photovoltaik benötigt also ei-
150 mm auf einer Trägerplatte aufgebracht und
nen Adapter.
schließlich zum Schutz vor äußeren Einwirkungen
mit einer licht- und vor allem strahlungsdurchläsist in diesem Fall also ein bereits fertiges System
2 Indirekter Verbund von PV und Holz über
einen Adapter
Die Neigung von Holz zur Verwindung macht den
das zu einem entsprechenden Montagesystem
Einsatz von Adaptern als Bewegungspuffer erfor-
passt, welches meistens in Form von Aluminium-
derlich und bildet damit eine einfache und effi-
profilen auf beispielsweise der Dachfläche ange-
ziente Verbindungsmöglichkeit von Photovoltaik
bracht wird.
und Holz.
Eine weitere, sehr wichtige und immer beliebter
Als Adapter lässt sich eine vermittelnde Unter-
werdende Trägerform ist das Verkleben der PV
konstruktion verstehen, die die Photovoltaik bzw.
Zellen zwischen zwei Glasscheiben. Dies ermög-
das Substrat mit dem Holz verbindet. Grundsätz-
licht den vertikalen und in Sonderfällen auch ho-
lich ist dabei jede Art von Unterkonstruktion
rizontalen Einsatz von Photovoltaik an der Fassa-
denkbar. So wird auch die Installation von Stan-
de. Die Einsatzmöglichkeiten dieses Glas-PV-Glas
dard Dachpaneelen auf Holz ausführbar. Bei die-
Sandwiches (oder auch Glas-Glas Moduls) sind
ser Anwendung entscheidet sich aber erst im Ein-
sehr vielseitig und deshalb wichtig für gebäudein-
zelfall ob von einer gelungenen Gebäudeintegra-
tegrative Lösungen und auch für den Verbund
tion gesprochen werden kann.
sigen Kunststoffplatte überdeckt. Der PV Träger
von PV und Holz. Zusätzlich lassen sich PV Zellen
perforieren, was ein Spiel mit Sonnen – und
Sichtschutz ermöglicht. Dabei gilt grundsätzlich,
dass schon 10 % Perforationsanteil einen guten
optischen Transparenzgrad erzielen.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
Abb. 7: PV Unterkonstruktion verbindet PV
und Holz [Foto: www.airbase-team.de/img/
PV_Panel1.jpg]
Je nach Einzelfall kann schließlich auch nicht
mehr von einer gemeinsamen Konstruktion gesprochen, da die heutigen Standardlösungen für
PV und ihre Unterkonstruktion eigentlich als eigenständige Systeme zu verstehen sind, die auf
nahezu jedem Untergrund installiert werden
können. Die Verbindung von PV und Holz ist in
diesem Fall also rein additiv und wenig komplex.
(Abb. 7). Vor dem Hintergrund der Gebäudeintegration unterscheidet man grundsätzlich zwi-
Abb. 9: Transparente PV als Überdachung der
schen solchen „hinzugefügten“ Systemen und
Holzveranda [Foto: Leon Schmidt, TU Darmstadt]
solchen die individuell integriert werden.
Eine solche individuell integrierte Lösung zeigt
Abb. 8 als technisch komplexere Adapterlösung.
Die Fassade des Darmstädter Solarhauses zeigt
eine besondere Verbindung von Photovoltaik und
Holz. Für diesen Prototyp wurden amorphe
Siliziumzellen mit Glassubstrat verwendet. Als
Adapter wurde die Zelle schließlich in eine
Edelstahlwanne eingebettet. Um das Glas vor zu
starken Bewegungen zu schützen wurde bei der
Einbettung eine 2 mm starke Fuge zwischen Glas
und Stahl belassen die mit flexiblem SpezialSilikon aufgefüllt wurde. An der Edelstahlwanne
selbst wurden rückseitig gewindebolzen angebracht, die schließlich die Verbindung mit der nur
11 mm starken Eichenlamelle herstellte.
Abb. 8: Nachführbare PV Lamellen am Darmstädter Solarhaus
[Foto: Leon Schmidt, TU Darmstadt]
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
Abb. 10: Diagramm zur Integration von Solartechnik (Grafik: Energie Atlas, Manfred Hegger)
Die Punktlagerung vermeidet jeglichen Nachteil
in den Gebäudekomplex entsteht. Holzkonstruk-
einer
ermöglicht
tionen eignen sich gegenüber anderen sichtbaren
gleichzeitig die Hinterlüftung der Photovoltaik.
Konstruktionsarten besonders für die Montage
Zusätzlich konnten dabei auch die nötigen Kanäle
von Glas-Glas Modulen, weil Planungs und Ferti-
für flexible Lagerung und Kabelführung direkt im
gungsaufwand für ästhetisch gleichwertige Un-
Holz der Lamelle untergebracht werden. Der
terkonstruktionen bei z.B. Sichtmauerwerk oder
Adapter ermöglicht in diesem Fall also durchaus
Sichtbeton erheblich höher sind.
flächigen
Verbindung
und
eine Lösung auch für anspruchsvolle Verbin-
ein ästhetisch befriedigendes und dennoch ge-
3 Direktverbund von PV und deren Trägermaterial mit Holz
Unter Direktverbund sei das Kleben oder das Ver-
staltgebendes Gesamtbild. Da sämtliche Technik
klemmen des Photovoltaik Substrats mit Holz ver-
im Holz versteckt werden konnte ergibt sich eine
standen. Die besten Möglichkeiten hierzu bildet
Fassade mit einer einfachen, low-tech Ausstrah-
trotz aller Unterschiede das Substrat Glas. Nicht
lung, die gleichzeitig mit der Verbindung von den
zuletzt, weil die Kombination von Glas und Holz
klassischen Attributen eines Holzfensterladens
zumindest grundsätzlich schon seit mehr als hun-
mit der Solartechnik eine zukunftsträchtige Sy-
dert Jahre im Fensterbau erprobt ist. Mit neuen
nergie schafft.
Errungenschaften aus der Solarindustrie lassen
dungsanforderungen. Gemeinsam mit der Eiche
als Träger ergibt sich von außen wie von innen
sich genauso wie Glas und Holz nun auch PV und
Im größeren Maßstab zeigt Abb. 9 ebenfalls eine
Holz verbinden.
Adapterlösung. Der Adapter ist hierbei eine Edelstahlpunkthalterung. Sie ermöglicht in diesem Fall
Das Glas-Glas Modul kann beispielsweise auch in
die horizontale Montage von Glas-Glas Sandwich
Fenstern eingesetzt werden. (Abb. 11) Der Ein-
Modulen als Verandaüberdachung. Die Montage
satz von amorphen Zellen macht dabei auch die
ist jedoch grundsätzlich in allen Lagen also auch
fehlende Hinterlüftung (etwa bei einer Zweifach-
und vor allem vertikal, als Fassadenlösung mög-
Verglasung) unwichtig. Auf diese Weise lassen
lich. Das ist deswegen wichtig, weil dadurch die
sich ganze Fassaden aktivieren und damit einen
Integration der Photovoltaik
hohen Grad der Gebäudeintegration erreichen.
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
Die Verbindung von Photovoltaik und Holz kann
die Möglichkeit statisch wirksames Glas auch mit
also potentiell in jedem Fenster dauerhaft und
Photovoltaik zu aktivieren und somit der an sich
sicher durchgeführt werden. Aufgrund von Vor-
schon neuartigen Konstruktion ein weiteres wich-
behalten wird diese Verbindung allerdings heute
tiges Attribut hinzuzufügen. Die Möglichkeit Holz
meistens mit Metall-Kunststofffenstern durchge-
und Glas flächig zu verkleben bietet aber noch
führt. Ein weiterer zukunftsträchtiger Direktver-
mehr Einsatzbereiche. Das Glas kann in gewissen
bund ist das Verkleben von Holz und Glas. Insbe-
Abmaßen auch flächig auf Holz oder in vorher
sondere im Bereich des Structural Glazings, also
eingefräste Nuten eingeklebt werden. Hierdurch
der Möglichkeit Glas Konstruktiv in Skelettbauten
lassen sich bei geringstem Material und Arbeits-
einzusetzen, hat die Forschung in den letzten
aufwand integrative Lösungen schaffen.
Jahren viele Erfolge erbracht. Glas kann also entlang seiner Kanten z.B. mit einem Holzrahmen
verklebt werden und dient dann als diagonale
4 Einsatz amorpher Photovoltaik
Amorphe PV bietet aufgrund seiner Eigenschaf-
Aussteifung.
ten vielseitige Einsatzmöglichkeiten, insbesondere
in der Kombination mit Holz. Unter den voran gegangenen Beispielen sind einige, die nur mit
amorphen Dünnschichtzellen funktionieren. Sie
heizen sich in der Sonne geringer auf und erhalten auch bei hoher Temperatur ihre Leistung.
Daher müssen sie nicht hinterlüftet werden, was
die Einsatzvariabiltät von Photovoltaik insgesamt
erheblich erhöht.
Außerdem ermöglicht die extrem dünne Auftragsschicht auch flexible, also verformbare Zellen. Dabei wird die Zelle in ein Folienlaminat eingebracht, das insbesondere neue Kombinationen
Abb. 11: Sandwich aus amorphen Zellen in einer
mit Holz erlaubt. Weil aber auch amorphe Photo-
zweifach-Verglasung
voltaik nicht rissfest und damit nicht zugbelastbar
[Foto: Tabea Huth, TU Darmstadt]
ist kommt ein direkter flächiger Verbund mit Holz
bisher noch nicht in Frage.
Die Druckaufnahme über die gesamte Kante verhindert bei der Klebung eine zu starke Kanten-
Amorphe Photovoltaik ist wegen der flexiblen
pressung. Dabei ist der Kleber von erheblicher Be-
Einsatzmöglichkeiten Objekt vieler Forschungs-
deutung. Er muss nicht zuletzt die unterschied-
unternehmungen. Dabei geht es insbesondere
lichen Bewegungsgewohnheiten von Holz und
um das einfache und direkte Aufbringen von
Glas egalisieren können und dabei in gewissem
Photovoltaik auf unterschiedlichste Oberflächen
Maße der Witterung und teilweise erheblichen
oder z.B. zum Aufdrucken im Siebdruckverfah-
statischen Zug- und Druckkräften standhalten.
ren. Auch die Aufdampftechnologie verspricht
noch erhebliches Potential.
Der Fortschritt auf diesem Gebiet eröffnet auch
der Kombination von Photovoltaik und Holz neue
Möglichkeiten. Zunächst besteht grundsätzlich
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
PHOTOVOLTAIK UND HOLZ – EINE VERBINDUNG MIT ZUKUNFT
se von Holzbauern, sondern muss insbesondere
in dem von Gestaltern und Bauherren liegen,
Holz in jeglicher Art von Konstruktion als Möglichkeit mit einzubeziehen. Grundsätzlich werden
die Fähigkeiten von Holz in Verbindung mit technischen und elektrischen Elementen unterschätzt
Abb. 12: Amorphe PV in einem gering verform-
und zu selten gewagt. Die Forschung ermöglicht
baren Folien-Blech Laminat
[Foto: Tabea Huth, TU Darmstadt]
Abb. 13: Transparente (perforierte) amorphe PV
in einem verformbaren Folien-Laminat
[Foto: Tabea Huth, TU Darmstadt]
5 Ausblick
Obwohl die Verbindungsmöglichkeiten von Photovoltaik und Holz prinzipiell vielseitig und teilweise auch schon erfolgreich erprobt sind, gibt es
in der Industrie und bei Planern einige Vorbehalte
vor dieser Kombination. Trotz aller Vielseitigkeit
erscheint einigen Planern Verbindungssysteme
mit Holz als zu wenig flexibel, was sich in höherem Planungsaufwand niederschlägt. Deswegen
wird auch bei industriellen Lösungen sehr oft der
traditionelle Baustoff Holz durch Metall oder
Abb. 14: integrative Kombination von Photovoltaik und Holz [Foto: Leon Schmidt, TU Darmstadt]
Kunststoff ersetzt. In den Jahren der Gebäudetechnisierung ist ein Teil des Vertrauens in das
in diesem Zusammenhang immer mehr System-
Holz verloren gegangen. Zu Unrecht, denn schon
lösungen, die durch ihre Kombination besonders
die Verbindung von Holz und Glas in Fenstern
ökologisch, besonders nachhaltig und letztend-
und die bisher realisierten Beispiele zeigen die
lich ästhetisch sehr zufriedenstellend sein wer-
grundsätzliche Fähigkeit dieser Kombination. Hin-
den. Besonders die alt hergebrachte Verbindung
zu kommen Behaglichkeit und anspruchsvolle Äs-
aus Holz und Glas, die durch neue Techniken per-
thetik des Holzes, die bei den meisten neu-
fektioniert wird hat das absolute Potential eine
zeitlichen Metall- oder Kunststofflösungen ver-
Verbindung für die Zukunft zu sein.
loren gegangen sind. Es darf nicht nur im Interes-
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZEITGEMÄSSE GEBÄUDEAUTOMATION – AKTUELLER STAND UND POTENZIALE
14.4 Gebäudetechnik
Zeitgemäße Gebäudeautomation – Aktueller Stand und
Potenziale
zykluskosten bei, jedoch die einmal getätigten
Martin Becker
Planungs- und Baukosten lediglich zu 20%. So1 Gebäudeautomation und Architektur
Was hat Gebäudeautomation und Gebäudema-
mit spielt eine zeitgemäße und angepasste Ge-
nagement mit Architektur bzw. dem Entwurf von
Energie- und Gebäudemanagement die entschei-
Gebäuden und Fassaden zu tun? Auf den ersten
dende Rolle für die Wirtschaftlichkeit und Ener-
Blick nicht viel, bei genauerem Hinsehen jedoch
gieeffizienz eines Gebäudes!
bäudeautomation und ein darauf aufsetzendes
sehr viel. Vor dem Hintergrund der zunehmenden
Forderung nach Ressourcen schonendem und
Nicht selten übersteigen die späteren Energiever-
nachhaltigem Bauen, das ökonomischen, ökolo-
bräuche die zuvor in der Planung ermittelten Be-
gischen und sozialen Aspekten gleichermaßen
darfswerte um den Faktor 2-3. Was ist die Ursa-
Rechnung trägt, ist eine auf den Investor bzw.
che hierfür? Neben dem schwierig zu berücksich-
Bauherrn passende und mit ihm abgestimmte
tigen Nutzereinfluss sind z.B. regelungstechnisch
Kompromisslösung notwendig. Moderne energe-
nicht optimal eingestellte bzw. betriebene Anla-
tische Gebäudeplanung heißt hierbei, einen Kom-
gen (z.B. falsche Vorgabe von Sollwerten, nicht
promiss zwischen Kosten, Energieeffizienz sowie
angepasste Zeit- und Betriebsparameter), sowie
Komfort- und Behaglichkeitsaspekten für die Nut-
nicht auf die Nutzung bzw. Belegung angepasste
zer des Gebäudes zu finden. Dazu sind allerdings
Anlagen die Ursache (z.B. die Beleuchtung oder
nicht nur die in der Planung ermittelten ener-
Lüftung bleibt eingeschaltet obwohl keine Person
getischen Bedarfswerte wichtig, sondern es muss
im Raum ist). Dies transparent zu machen ist
schon in der Planung berücksichtigt werden, wie
auch Aufgabe der Gebäudeautomation bzw. des
in der langen Betriebszeit eines Gebäudes die lau-
Energie- und Gebäudemanagements.
fenden Energiekosten überwacht und minimiert
werden können. Bezogen auf die gesamten Le-
Zeitgemäße Gebäudeautomation ist die Basis für
benszykluskosten
Be-
ein „aktives“ Energiemanagement, das zeitnah
triebkosten (Energiekosten, Wartungskosten...),
alle Energieflüsse im Gebäude transparent macht
typischerweise zu 80% an den gesamten Lebens-
und es erlaubt, dass der Betreiber frühzeitig er-
tragen
die
laufenden
höhte Energieverbräuche feststellen kann und
hieraus zielgerichtet effiziente Optimierungsmaßnahmen wie z.B. nutzer- und nutzungsangepasste Regelungsstrategien für bedarfsgeführte Heizung, Lüftung und Beleuchtung eingeleitet werden. Heute ist es leider häufig noch so, dass das
Ergebnis erhöhter Energieverbräuche erst bei der
kommenden Jahresabrechnung festgestellt wird
und die Ursache hierfür dann nur noch schwer
zurückverfolgt werden kann, um hieraus gezielte
Verbesserungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies
wiegt umso schwerer, wenn man berücksichtigt,
dass durch verbesserte Regelungsstrategien in
Verbindung mit optimierter Anlagentechnik in
Abb. 1: Lebenszykluskosten in der Gebäudetechnik – Optimierungspotenzial
der Praxis Energieeinsparungen von bis zu 60%
durch Raum- und Gebäudeautomation
erzielt werden können. Dies bedeutet bei den
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZEITGEMÄSSE GEBÄUDEAUTOMATION – AKTUELLER STAND UND POTENZIALE
weiter zu erwartenden deutlichen Energiepreis-
wachens von gebäudetechnischen Anlagen wie
steigerungen ein enormes Kosteneinsparpotenzial
z.B. Heizungs- oder Klimaanlage oder Beleuch-
im laufenden Gebäudebetrieb.
tungsanlage die vielfältigen Optimierungspotenziale für das Zusammenspiel aller Gewerke und
für ein übergeordnetes Energie- und Gebäudemanagement zu nutzen.
Potenzial besteht zum Einen bei der Optimierung
von Einzelsystemen bezogen auf die jeweiligen
Gewerke der technischen Gebäudeausrüstung
wie Heizung, Lüftung, Klima, Beleuchtung usw.
Beispiele hierfür sind:
-
Optimierte Einstellung von Reglerparametern
und gleitende Sollwerte
-
Programme zum Anpassen von optimierten
Abb. 2: Regelkreis des aktiven Energiemanage-
Ein-/Ausschaltzeitpunkten für die Nachtabsen-
ments
kung bzw. den Stützbetrieb bei der Heizung
-
ner Anlage ist somit keine fixe Größe, sondern
Angepasste Fahrweise der Anlagen im Teillastbetrieb
Der Energieverbrauch eines Gebäudes bzw. sei-
Anwesenheits- und belegungsabhängige Au-
stark vom Nutzerverhalten und eines optimierten
tomationsstrategien für Heizung, Klima, Lüf-
Anlagen- und Gebäudebetriebs abhängig. Zeitge-
tung und Beleuchtung im Raum
mäße Automatisierungstechnik ist das notwendi-
-
Ausschalten der Beleuchtung bei Nichtanwe-
ge Werkzeug für ein aktives Energie- und Ge-
senheit von Personen (z.B. über Präsensmel-
bäudemanagement, um alle erforderlichen Daten
der)
zu erfassen und auszuwerten, um hieraus wie-
-
Sonnentandsnachgeführte Jalousie- und Ver-
derum die Transparenz aller Energieflüsse im Ge-
schattung von Jalousien mit Unterscheidung
bäude über entsprechende Energiekenngrößen
von Nutzungszeiten und Jahreszeit (z.B. Nut-
(z.B. Energiesignatur eines Gebäudes) zu erhal-
zung der Solareinstrahlung im Winter über die
ten. Dies gibt weiterhin Aufschluss über positive
Fenster bei Abwesenheit durch Hochfahren
sowie negative Einflüsse des Nutzerverhaltens,
der Jalousie, im Sommer durch Herunterfah-
um daraus wiederum zielgerichtet wirtschaftliche
ren der Jalousie zur Vermeidung unnötiger
Wärmeeinträge)
Optimierungsmaßnahmen zu ergreifen.
-
Bedarfsgeführte Fensterlüftung über die Fas-
2 Stellenwert der Gebäudeautomation für
sade mit Nutzung zur freien Nachtkühlung
einen energieeffizienten Betrieb von Gebäuden
Welche Rolle kann die Automatisierungstechnik
Alle diese Funktionen im Raum, die auch als
für einen energieeffizienten Betrieb von Gebäu-
helfen eine auf den Nutzer bzw. die Nutzung zu-
den und deren Anlagentechnik übernehmen?
geschnittene energieeffiziente Betriebsführung zu
Richtiger Einsatz von Gebäudeautomation heißt
erreichen, aber gleichzeitig auch dem Nutzer ein
in der heutigen Zeit neben den primären Aufga-
angenehmes und komfortables Raumklima anzu-
ben des Messens, Steuerns, Regelns und Über-
bieten.
Raumautomationsfunktionen bezeichnet werden,
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZEITGEMÄSSE GEBÄUDEAUTOMATION – AKTUELLER STAND UND POTENZIALE
Neben der nutzungsbezogenen Optimierung von
und Kommunikationsstandards wie z.B. der Euro-
Einzelsystemen besteht ein hohes Optimierungs-
päische Installationsbus (EIB/KNX), Local Opera-
potenzial im Bereich der übergreifenden System-
ting Network (LON) oder Building Automation
automation und -optimierung im Sinne des abge-
and Control Network (BACnet), die je nach An-
stimmten Zusammenspiels der gesamten Anla-
forderung unterschiedlichste Übertragungstech-
gentechnik. Beispiele hierfür sind:
nologien (RS 485, Infrarot, Funk, Powerline,
-
Strategien für die Kraft-Wärme-Kälte-Kopp-
Ethernet TCP/IP …) nutzen, gehören heutzutage
lung (KWKK) von Anlagen, indem z.B. die Ab-
fast selbstverständlich als Standardinfrastruktur
wärme von Kälteanlagen für die Beheizung
ins Gebäude. Zunehmend werden diese Systeme
von Räumen oder Warmwasser genutzt wer-
für übergeordnete Managementaufgaben in das
den kann (Wärmerückgewinnung) anstatt die-
üblicherweise vorhandene EDV-Netz basierend
se wertvolle Energie ungenutzt über Kühltür-
auf einem Ethernet TCP/IP-Netzwerk eingebun-
me an die Umgebung abzuleiten.
den. D.h. Gebäudeautomations-, Bürokommuni-
Strategien für die Integration dezentraler und
kations-
verteilter Energiewandler unter verstärktem
wachsen immer mehr zu einem integrierten Kom-
Einsatz regenerativer Energiesysteme (z.B.
munikationssystem zusammen. Dies ermöglicht
Photovoltaik, BHKW, Wärmepumpe, Brenn-
wiederum die Datenkommunikation über die aus
stoffzelle, Biomasse, Solare Klimatisierung, …)
der Bürokommunikation bekannten Dienste wie
in ein abgestimmtes Energieversorgungssys-
SMS, E-Mail usw., die z.B. für die Meldung von
tem
Störungen und Alarmen genutzt werden können.
Übergreifende Automationskonzepte für die
Damit lassen sich aber auch wichtige Prozess-
geothermische Nutzung mit umschaltbaren
und Anlagendaten wie z.B. Temperatur- und
Wärmepumpen für einen Kühl-/Heizbetrieb in
Druckverläufe für die Anlagendiagnose oder
Verbindung mit thermischer Bauteilaktivierung
Energieverbrauchswerte zeitnah von jedem Ort
im Raum unter Berücksichtigung aktueller
der Welt an jeden anderen Ort der Welt transpor-
Lastprofile und Wetterdaten bzw. -prognosen
tieren. Die Visualisierung von Anlagen und deren
Abgestimmtes Zusammenspiel der Raumkli-
aktuelle Prozessdaten auf dynamischen Anlagen-
matik wie Kühlen, Heizen, Lüften, Beleuchten
bildern ist hierbei eine hervorragende Basis, um
usw. (Raumautomation) für eine optimierte,
den Betrieb einer Anlage überwachen und ener-
bedarfsgeführte Betriebsführung der Energie-
getisch bewerten zu können. Neben Überwa-
erzeugung (z.B. Heizkessel, Klimaanlage)
chungs- und Optimierungsfunktionen lassen sich
-
-
-
und
Telekommunikationsnetzwerke
zugleich nichtoperative Aufgaben wie z.B. WarModerne
sind
tungsmanagement oder Material- und Personal-
durch ganzheitliche, gewerkeübergreifende An-
Gebäudeautomationslösungen
einsatzplanung realisieren und in die übergeord-
sätze gekennzeichnet. Ziel hierbei ist, alle interes-
neten Geschäftsprozesse und das Facility Mana-
sierenden Daten der verschiedenen gebäude-
gement integrieren.
technischen Anlagen für ein übergeordnetes
Energie- und Gebäudemanagement zusammenzuführen. Automatisierungstechnik ohne Informations- und Kommunikationstechnik und Einsatz mikrocontrollerbasierter frei konfigurierbarer
bzw. programmierbarer Automationsgeräte ist
heute nicht mehr denkbar. Offene Bussysteme
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZEITGEMÄSSE GEBÄUDEAUTOMATION – AKTUELLER STAND UND POTENZIALE
3 Wo liegen die Hindernisse? Wie lässt sich
die heutige Situation verbessern?
management von der Unternehmensleitung
Betrachtet man die heutige Situation kritisch, so
folgt und unterstützt werden muss.
als kontinuierlicher Optimierungsprozess ver-
muss man feststellen, dass wir in vielen Anwendungen noch meilenweit von einer effektiven
Eine Verbesserung der heutigen Situation, die für
Nutzung von Gebäudeautomation und Gebäu-
alle Beteiligten Gruppen (Bauherr/Inestor, Archi-
demanagement mit den heute bereits verfügba-
tekt, Planer, Betreiber, Nutzer, …) zweifelsfrei be-
ren technischen Möglichkeiten entfernt sind. Wo
grüßenswert und wünschenswert ist, muss be-
liegen die Ursachen hierfür? Einige Ursachen sind
reits in der Planungsphase von Gebäuden anset-
im Folgenden stichwortartig aufgelistet:
zen und fordert sicherlich auch eine Bereitschaft
-
Geringes Wissen und Verständnis für den Stel-
im Umdenken klassischer Planungsschritte gemäß
lenwert und die Möglichkeiten zeitgemäßer
dem Motto: „Unser Kopf ist rund, damit das
Raum- und Gebäudeautomation sowie von
Denken seine Richtung ändern kann“.
Gebäudemanagement bei Architekten und
-
-
-
-
-
Bauherrn.
So muss bereits in einer frühen Entwurfsplanung
Die Gebäudeautomations-Branche hat es (bis-
eine auf den Gebäudetyp und die Gebäude- bzw.
her) nicht geschafft das Thema Gebäudeau-
Raumnutzung zugeschnittene Gebäudeinforma-
tomation und Kommunikationstechnik für Ar-
tions-Architektur (GIA) entworfen werden. Je
chitekten und Bauherrn zu „übersetzen“.
später dieser Entwurf bzw. diese Konzeption er-
Eine gewerkeübergreifende Gebäudeautoma-
folgt, desto teurer bzw. unwirtschaftlicher wer-
tions-Architektur wird u.a. bedingt durch den
den Gebäudeautomationslösungen. Nachträgli-
„klassischen“ Planungsprozess in Einzelge-
che, durchaus sinnvolle und notwendige Investi-
werken („Mein Gewerk“) gar nicht oder zu
tionen für einen optimierten Gebäudebetrieb
spät im Planungsprozess entworfen.
(z.B. Einbau zusätzlicher Energiezähler für Strom
Keine transparente Lebenszyklusbetrachtung
oder Wärme, zusätzliche Sensoren für die Über-
(80/20 % Regel, d.h. 20 % Planungs- und In-
wachung / Optimierung oder bedarfs- /nutzungs-
vestitionskosten,
geführte
80 %Betriebskosten),
die
Regelungsstrategien,
übergeordnete
evtl. höhere Investitionskosten für Gebäude-
Gebäudeleittechnik) sind dann in der Regel nicht
automation über die Reduzierung der späte-
oder schlecht wirtschaftlich umsetzbar. Wird dies
ren geringeren Betriebskosten wirtschaftlich
jedoch in Form eines konsistenten, in sich abge-
rechtfertigt.
stimmten Gebäudeautomationskonzeptes bereits
Gebäudeautomation wird im laufenden Ge-
in der frühen Gebäudeplanung berücksichtigt
bäudebetrieb zuwenig als kontinuierliches Op-
und in den späteren Planungsphasen schrittweise
timierungswerkzeug gesehen und genutzt, da
konkretisiert, sind - bezogen auf die gesamten
häufig hierfür geschultes Personal fehlt. Da-
Baukosten - vergleichsweise geringen Mehrinves-
durch wird ein enormes Energieeinsparpoten-
titionen erforderlich. Praktische Beispiele zeigen,
zial durch nicht- bzw. gering-investive Maß-
dass dies sogar bei einer Gewerke Übergreifen-
nahmen nicht oder kaum ausgeschöpft.
den Gesamtplanung (Integrationsplanung) ohne
Energie- und Gebäudemanagement ist i.d.R.
Mehrkosten berücksichtigt werden kann.
nicht als kontinuierliche Aufgabe und Prozess
in einem Unternehmen verankert und wird
damit vielfach stiefmütterlich behandelt. Die
Erfahrung zeigt, dass erfolgreiches Energie-
1296
ZUKUNFT
H O L Z
ZUKUNFT
H O L Z
1297
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZEITGEMÄSSE GEBÄUDEAUTOMATION – AKTUELLER STAND UND POTENZIALE
4 Ausblick: Optimierte Betriebsführungskonzepte, Informationsmanagement und integrierte Systemkomponenten
Wie bereits zuvor erwähnt, ist es für einen energieeffizienten Betrieb von Anlagen und/oder Gebäuden entscheidend, dass alle hierfür erforderlichen Daten erfasst, an eine geeignete Stelle übertragen, über entsprechende Anlagenbilder visualisiert und für eventuell spätere Auswertungen
archiviert werden. Viel wichtiger als die Daten
selbst, sind die Informationen bzw. das Wissen,
das mir diesen Daten generiert werden kann.
Dies fordert ein konsequentes Informationsmanagement. Hierbei geht es darum, die erfassten DaAbb. 3: Gebäudeinformations-Architektur (GIA)
ten so weiterzuverarbeiten und auszuwerten,
dass Sie für den jeweiligen „Daten-Nutzer“ in ei-
Parallel zum Architekturentwurf für das Gebäude
ner aufbereiteten Form zur Verfügung stehen.
sprechen wir hier von dem Entwurf der umzuset-
Den Energiemanager interessieren z.B. nicht die
zenden Gebäudeinformations-Architektur (GIA).
Rohdaten in Form von Zählerständen einzelner
Um einen solchen Entwurf durchführen zu kön-
Verbraucher, sonder er möchte z.B. in einer mög-
nen, bedarf es schon in der frühen Planungspha-
lichst aussagekräftigen Auswertung die ausge-
se einer Systembetrachtung des funktionalen Zu-
werteten und z.B. witterungsbereinigten Wärme-
sammenwirkens und Wechselwirkens der ver-
verbräuche erhalten, möglichst bereits im Sinne
schiedenen Teilsysteme und Nutzungsaspekte zu
eines Benchmarkings verglichen mit Gebäuden
einem sinnvollen Ganzen für die spätere Be-
gleicher Größe und ähnlicher Nutzung. Wichtig
triebsphase. Dazu empfiehlt es sich, bereits in ei-
für eine energetische Bewertung sind verdichtete
ner frühen Planungs- und Entwurfsphase einen
Informationen wie z.B. der Wirkungsgrad einer
Integrationsplaner oder technischen Designplaner
Wärmerückgewinnung oder die Leistungszahl ei-
mit Blick auf das Ganze und mit Blick auf die Le-
ner Kältemaschine. Die Gebäudeautomation lie-
benszykluskosten eines Gebäudes einzubinden.
fert hierfür die Basisdaten in ein datenbankge-
Der Fachmann für Gebäudeautomation bringt
stütztes
diese Sichtweise und Systembetrachtung mit, da
dann als höherwertige Informationen für Energie-
es schon immer seine Aufgabe war, die verschie-
management-Programme oder Facility Manage-
denen Gewerke über eine passende technische
ment Programme (Computer Aided Facility Ma-
Lösung zu einem Gazen für einen optimierten
nagement, CAFM) zur Verfügung stehen.
Gebäudebetrieb zusammenzuführen.
Informationsmanagementsystem,
die
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
ZEITGEMÄSSE GEBÄUDEAUTOMATION – AKTUELLER STAND UND POTENZIALE
1298
ZUKUNFT
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über Fotovoltaik-Module integriert sind und die
kontrollierte natürliche Lüftungsstrategien über
motorisch betriebene Fensterelemente ermöglichen, wobei diese Einzelsysteme über eine in die
Fassade ebenfalls integrierte MSR-Technik (Fassadenautomation) optimal aufeinander abgestimmt
sind. Der Fassadencontroller ist wiederum über
standardisierte Bussysteme in die Raum- und GeAbb. 4: Vom Daten- über das Informationsmana-
bäudeautomation angebunden, so dass eine auf
gement zum wissensbasierten Energie- und Ge-
die Nutzung und Energieeffizienz abgestimmte
bäudemanagement
Betriebsführung ermöglicht wird. Das Fenster
bzw. die Fassade wandelt sich somit zunehmend
Für eine optimierte Betriebsführung wird hierbei
von einem passiven Bauelement zu einem aktiven
zunehmend die Simulation als wichtiges Hilfsmit-
gebäudetechnischen Bauelement. Man kann in
tel nicht nur in der Planungsphase, sondern auch
diesem Zusammenhang auch von einem me-
als Werkzeug für eine dynamische simulationsge-
chatronischen Fassadensystem sprechen, das me-
stützte Betriebsführung im Zusammenspiel mit
chanische, elektromechanische/elektronische und
der Gebäudeautomation und dem Energie- und
informationstechnische Komponenten zu einem
Gebäudemanagement genutzt. Hier ist allerdings
neuen, höherwertigen Gesamtsystem verknüpft.
noch erheblicher Forschungsbedarf vorhanden,
z.B. in Bezug auf lernfähige und wissensbasierte
Strategien zum Auswerten und Bewerten von Betriebsführungsstrategien in Verbindung mit dem
dazu erforderlichen zusätzlichen Informationsbedarf.
5 Integrierte Gebäudesysteme – Mechatronische Fassadensysteme
Ein weiterer Trend ist die Entwicklung hin zu steckerfertigen,
integrierten
gebäudetechnischen
Systemen mit aufeinander abgestimmten Teilkomponenten und integrierter Mess-, SteuerRegeltechnik (MSR-Technik). Ein Beispiel hierfür
sind raumlufttechnische Komplettgeräte oder
steckerfertige Wärmepumpen mit integrierter
Hydraulikbaugruppe und MSR-Technik. Dieser
Trend wird sich zukünftig auch auf die Gebäude-
Abb. 5: TEmotion als Beispiel für ein integriertes mechatronisches Fassa-
hülle und Fassadentechnik ausdehnen. Erste in-
densystem
tegrierte Fassadensysteme sind am Markt verfügbar, bei denen in der Fassade dezentrale Lüftungsgeräte,
Sonnenschutzsysteme,
Beleuch-
tungssysteme, ja sogar die Energieerzeugung
ZUKUNFT
H O L Z
1299
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAUEN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
14.4 Gebäudetechnik
Wärmepumpen
Alexander Floß
Entzieht man hingegen einem zumindest unendlich erscheinenden Reservoir (z.B. Geothermie)
1 Wärmepumpen
Verfolgt man die öffentliche Diskussion zum
Wärme, hebt diese auf ein höheres Temperatur-
Thema Energieeinsparung im Gebäude, bekommt
Beheizen von Gebäuden, spricht man von einer
man immer wieder den Eindruck, dass ein Groß-
Wärmepumpen-Anwendung (Abb. 2). William
teil unserer Energieprobleme gelöst wäre, würde
Thomson setzte die Wärmepumpenanwendung
man die moderne Wärmepumpentechnologie nur
1852 erstmals in die Tat um. Anfang des
endlich in viel größerem Umfang einsetzen.
20. Jahrhunderts wurden dann zahlreiche Ma-
niveau und nutzt die Wärme beispielsweise zum
schinen zur Wärmeerzeugung entwickelt und paTatsächlich kann durch den (vermehrten) Einsatz
tentiert.
von Wärmepumpen ein erhebliches Energieeinsparpotential im Bereich der Gebäudebeheizung
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vornehm-
und damit auch ein Beitrag zur Reduzierung des
lich in den USA und Japan Wärmepumpen in Lüf-
CO2-Ausstoßes realisiert werden. Allerdings rea-
tungsanlagen eingebaut. Sie boten den Vorteil,
gieren Wärmepumpensysteme in Bezug auf ihre
im Winter heizen und im Sommer kühlen zu
Effizienz sehr sensibel auf die Temperaturrand-
können. In Europa, wo dieser Vorteil aufgrund
bedingungen. Dies erfordert eine äußert sorgsa-
anderer klimatischer Bedingungen und anderer
me Planung, Installation und Überwachung von
Baustile zunächst nicht von Wichtigkeit war, be-
Wärmepumpensystemen, wenn diese wirklich ef-
gann die Wärmepumpe Ende der 1970er Jahre
fizient und ökologisch heizen sollen.
nach den Ölkrisen ihren Einzug in die Heizungssysteme.
Großes Augenmerk wird im Folgenden auf die
Vorstellung und Erläuterung der verschiedenen
Energetischen Kennzahlen von Wärmepumpen
und Wärmepumpensystemen gelegt, die in der
Praxis recht uneinheitlich und oft nicht exakt
verwendet werden. Hierdurch kommt es immer
wieder zu folgenschweren Fehlern bei der energetischen Beurteilung von Wärmepumpensystemen.
2 Entwicklung der Wärmepumpen
Das Bestreben, Lebensmittel länger lagern zu
Abb. 1: Entwicklung des deutschen Absatzmark-
können, ließ John Leslie im Jahr 1810 die Absorp-
tes für Wärmepumpen (Datenquelle: BWK Ener-
tions-Kältemaschine und Jakob Perkins 1834 die
gie-Fachmagazin 04-2008)
Kompressions-Kältemaschine entwickeln. In der
Kältetechnik wird ein Raum gekühlt, indem ihm
Der starke Einbruch der Absatzzahlen von in
Wärme entzogen wird. Diese wird auf ein höhe-
Deutschland installierten Wärmepumpen in den
res Temperaturniveau gebracht und schließlich an
1980er Jahren ist weniger auf sinkende Energie-
die Umgebung abgegeben.
preise als auf Effizienzprobleme der Wärmepumpenanlagen aufgrund unsachgemäßer Ausführung und Abstimmung der Gesamtsysteme zu-
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
rückzuführen. Seit Anfang der 1990er Jahre wird
in die Wärmepumpe fließen kann. Mithilfe der
der Wärmepumpenmarkt durch günstige Strom-
Antriebsenergie (PAntr.) hebt die Wärmepumpe
tarife der Energieversorger und heizenergietech-
diese Umweltwärme jetzt auf ein Temperaturni-
nisch verbesserte Gebäude beflügelt. Aber auch
veau oberhalb der Nutzung, so dass die Wärme
der ständig steigende Glasanteil in den Gebäude-
vom warmen Wärmetauscher abfließen kann.
fassaden und der damit verbundene Kühlbedarf
Man kann eine Wärmepumpe somit als „Maschi-
im Sommer wird als Werbeargument für Wärme-
ne zur Anhebung des Temperaturniveaus“ be-
pumpen herangezogen, da mit Wärmepumpen
zeichnen. Der Energieaufwand, der für diesen
im Sommer auch gekühlt werden kann.
Temperaturhub notwendig ist, hängt wiederum
maßgeblich von zwei Dingen ab: a) der Menge
Die extremen Wachstumszahlen seit 2005 lassen
der anzuhebenden Wärme (entspricht der Masse
Wärmepumpensysteme zum Selbstläufer werden,
von Fahrer samt Rad) und b) der Temperaturdiffe-
worunter die Sorgfalt bei Planung, Ausführung
renz, um die die Wärme angehoben werden
und Betrieb von Wärmepumpen und damit deren
muss. Dies entspricht der Höhendifferenz, die der
Energieeffizienz sehr leidet.
Fahrer zu überwinden hat. Und hier wird das
Grundproblem einer jeden Wärmepumpenan-
3 Grundlegende thermodynamische Zusam-
wendung deutlich. Der Aufwand, der getätigt
menhänge und Funktionsweise von Wärmepumpen
Wärmeenergie fließt immer nur vom warmen
werden muss, um ein solches System zu betrei-
zum kalten Temperaturniveau. Die in der äußeren
muss. Dieser sollte möglichst gering sein. D.h.
Erdkruste gespeicherte Wärme (oberflächennahe
man benötigt eine Wärmequelle mit einem mög-
Geothermie) befindet sich in der Regel auf einem
lichst hohen Temperaturniveau und eine Wärme-
Temperaturniveau von ca. 10 °C. Unser heutiges
senke mit einem möglichst geringen Temperatur-
Behaglichkeitsempfinden von Raumtemperaturen
niveau. Das Temperaturniveau der Nutzung ist
liegt aber eher im Bereich von 20 °C. Dies bedeu-
bei der Gebäudebeheizung in der Regel recht ein-
tet, dass die in der Umwelt gespeicherte thermi-
heitlich bei 20 °C, die Höhe der Heizungs-Vor-
sche Energie nicht von alleine in unsere Gebäude
lauftemperatur schwankt aber je nach Raumheiz-
fließen kann.
einrichtung und Auslegung zwischen 30° und
ben, ist ganz maßgeblich abhängig vom Temperaturhub, den die Wärmepumpe überwinden
90°C.
Das Prinzip eines Fahrrads ist dem der Wärmepumpe in Ansätzen vergleichbar. Der Energieauf-
Die Funktionsweise der Wärmepumpe kann am
wand, der notwendig ist, um einen Höhenunter-
Beispiel der Fahrradluftpumpe erklärt werden.
schied mit dem Fahrrad zu bezwingen, ist in er-
Verdichtet man Luft oder ein anderes Gas bzw.
ster Linie von zwei Dingen abhängig: a) der Mas-
Kältemittel, erwärmt sich dieses. Das merkt man
se (Gewicht) von Fahrer und Fahrrad und b) der
beim Aufpumpen des Fahrrades - der Luftpum-
zu überwindenden Höhendifferenz. Hier liegt die
penkopf wird warm. Die Umkehrung lautet: wird
Parallelität zur Wärmepumpe.
die Luft bzw. das Gas / Kältemittel entspannt,
kühlt es sich ab. Unter Vernachlässigung von Rei-
Ein Wärmepumpensystem besitzt zwei äußere
bung und anderen Irreversibilitäten kann ein Gas
Wärmetauscher. Ein Wärmetauscher wird auf ein
durch Verdichtung erwärmt und durch die an-
Temperaturniveau unterhalb der Umgebungstem-
schließende Entspannung wieder auf sein Aus-
peratur abgekühlt, so dass die Umgebungswärme
gangstemperaturniveau zurückgekühlt werden.
1300
ZUKUNFT
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ZUKUNFT
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1301
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
Wird aber, wie in Abb. 2 dargestellt, die Wärme
dichter (Antrieb durch Wärme) handelt. In der
des verdichteten Gases über einen Wärmetau-
Gebäudetechnik dominieren heute strombetrie-
scher (Kondensator) an ein Heizungssystem ab-
bene Kompressions-Wärmepumpen. Dies bedeu-
gegeben, kühlt sich das Gas schon vor der Ent-
tet nicht, dass thermisch angetriebene Wärme-
spannung ab. Die anschließende Entspannung
pumpen schlechter sind.
führt nun dazu, dass sich das Gas unter das Temperaturniveau der Wärmequelle abkühlen kann.
Thermisch angetriebene Wärmepumpen beste-
Somit kann es in einem zweiten Wärmetauscher
hen aus einem linksläufigen Kältekreislauf, der
(Verdampfer) Umweltwärme aufnehmen, bevor
mit einem rechtsläufigen Wärme-Kraft-Kreislauf
es diese, durch den Verdichter angetrieben, wie-
gekoppelt ist. Hieraus resultiert, dass das Tempe-
der auf ein höheres Temperaturniveau bringt.
raturniveau der Heizungsvorlauftemperatur dop-
Dieser Kreislauf wird in der Thermodynamik als
pelt gewichtet und das Temperaturniveau des
linksläufiger
Auch
thermischen Wärmepumpenantriebes zusätzlich
wenn bei einigen Anwendungen Luft im Kreislauf
Kältekreislauf
bezeichnet.
in die Effizienzbewertung eingehen muss. Der
zirkuliert, wird in den meisten Fällen ein Kältemit-
Einsatz dieser thermisch angetriebenen Wärme-
tel verwendet, das einen Phasenwechsel von flüs-
pumpen ist daher noch sorgfältiger zu planen
sig nach dampfförmig (Verdampfung) und um-
und durchzuführen.
gekehrt (Kondensation) vollzieht.
4 Effizienz von Wärmepumpen - Energetische Kennzahlen
In der Technik wird der Wirkungsgrad ganz allgemein als Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand definiert. Abb. 3 zeigt die Leistungsbilanz
an der Wärmepumpe. Demnach ist der Nutzen
der Wärmepumpe die abgegebene Heizleistung

Q
Heiz
Abb. 2: Linksläufiger Kältekreislauf einer Wärmepumpe
Auch hier kann man sich gut vor Augen halten: je
höher das Temperaturniveau angehoben werden
muss, umso stärker muss das Gas / Kältemittel
verdichtet werden, wodurch ein höherer Auf-
Abb. 3: Leistungsbilanz an der Wärmepumpe
wand am Verdichter entsteht. Hierbei ist es zunächst unerheblich, ob es sich um einen mecha-
Der Aufwand, den man in das System hinein-
nischen Verdichter (meist über einen Elektromo-
steckt, ist aus technischer Sicht die Summe aus
tor angetrieben) oder um einen thermischen Ver-
Antriebsleistung PAntr. und Wärmeleistung aus der
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
 . Da die Umweltwärme in aller Regel
Umwelt Q
0
kostenlos zur Verfügung steht, wird sie bei der
Definition der Effizienz von Wärmepumpen nicht
mit berücksichtigt. Diese gewissermaßen monetäre Definition hat zur Folge, dass die Effizienz größer 100 % ist. Um hier nicht den Anschein zu
wecken, ein Perpetuum Mobile zu beschreiben,
wird die Effizienz von Wärmepumpen als
Effektive Leistungszahl   WP,eff
Heizleistung

Antriebsleistung
1302
ZUKUNFT
H O L Z
(tC in °C) bei einer festen Verdampfungstemperatur von t0 = 0 °C (273,15 K). Hier wird ersichtlich,
in welch hohem Maß die effektive Leistungszahl
von der oberen Kondensationstemperatur und
der unteren Verdampfungstemperatur abhängig
ist. Überschlägig kann festgehalten werden, dass
ein Anheben der Kondensationstemperatur um
1 °C die Leistungszahl um 2,5 % und ein Absenken der Verdampfungstemperatur die Leistungszahl um 3 % absinken lässt.
definiert.
Der Physiker Niclas Carnot hat schon um 1825
herausgefunden, dass der maximal mögliche
Wirkungsgrad von Kreisprozessen durch die obere und untere Temperatur des Prozesses begrenzt
wird. Für den mechanisch angetriebenen Kaltdampf-Wärmepumpenprozess ergibt sich diese
ideale- oder Carnot Leistungszahl zu
 WP,ideal   WP,Carnot 
TC
TC  T0
Hier steht TC für die Kondensations- und T0 für
die Verdampfungstemperatur (jeweils in Kelvin).
Die effektive oder auch reale Leistungszahl ist
Abb. 4: Effektive Leistungszahl einer Wärmepumpe in Abhängigkeit von
immer kleiner als die ideale Leistungszahl. Man
der
erhält sie durch Multiplikation der idealen Leis-
t0=0°C)
Kondensationstemperatur
(ηGüte=0,5;
Verdampfungstemperatur
tungszahl mit dem Gütegrad.
ε WP,eff  ε WP,ideal  Güte
Während die ideale Leistungszahl lediglich die
Die effektive Leistungszahl beschreibt aber lediglich die Effizienz der Wärmepumpe (ohne Hilfsantriebe) an ausgewählten Betriebspunkten und besitzt damit eingeschränkte Aussagekraft.
Temperaturrandbedingungen des Wärmepumpeneinsatzes berücksichtigt, ist der Gütegrad ein
Für die Effizienzbeschreibung von Wärmepum-
Maß für die Qualität der Wärmepumpe und liegt
pensystemen wird der COP (Coefficient of Per-
in der Praxis im Bereich etwa zwischen 0,4 und
formance)
0,6.
DIN EN 15450 bzw. 14511-1 definiert als das
verwendet.
Er
wird
nach
Verhältnis der Heizleistung zur LeistungsaufnahAbb. 4 zeigt die effektive Leistungszahl einer
me des Systems. Dabei umfasst die Leistungsauf-
Wärmepumpe (Gütegrad ηGüte = 0,5) in Abhän-
nahme die elektrische Leistung des Verdichters
gigkeit
zuzüglich der erforderlichen Leistungen für z.B.
von
der
Kondensationstemperatur
ZUKUNFT
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1303
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
Abtauheizung,
Ventilatoren,
Wie Abb. 5 darlegt, gibt es aber auch hier unter-
Pumpen usw.. Es ist zu beachten, dass sich der
Regelungsgeräte,
schiedliche Bilanzgrenzen, die alle ihre Richtigkeit
COP ebenso wie die effektive Leistungszahl im-
und Berechtigung haben.
mer auf einen festen Betriebspunkt bezieht. In
der Literatur wie in der Normung wird gleichbe-
Während über die Bilanzgrenze „A“ die Qualität
deutend zum COP oft die Leistungszahl ε ver-
der Wärmepumpe selbst beschrieben werden
wendet. Dies führt oft zu Verwirrungen und
kann, lässt sich mit Hilfe der Bilanzgrenze „B“
Verwechslungen, da sich die Leistungszahl ε (ent-
das gesamte Wärmepumpensystem bewerten.
spricht COP) auf das Wärmepumpensystem, die
Die Bilanzgrenze „C“ dient letztendlich zur Be-
effektive Leistungszahl der Wärmepumpe εWP,eff
wertung des gesamten thermischen Energiesys-
aber nur auf die Wärmepumpe bezieht.
tems des Gebäudes. Es ist also immer wichtig, die
zugrundeliegende Bilanzgrenze zu kennen, bzw.
gegebenenfalls in Erfahrung zu bringen, um nicht
„Äpfel mit Birnen zu vergleichen“.
Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, ob es
sich bei den angegebenen Kennwerten um prognostizierte bzw. berechnete Werte oder gemessene Kennwerte handelt.
Die Verwendung all dieser Kenngrößen wird
noch heute in Literatur und Praxis uneinheitlich
verwendet. Eine genaue Klärung wird daher im
Einzelfall dringend empfohlen. Hierzu ist es unab-
Abb. 5: Verschiedene Bilanzgrenzen für die Definition der Jahresarbeitszahl
Im Gegensatz zu den bisher angesprochenen
Kenngrößen, bei denen es sich um Leistungskenngrößen handelt, ist die Jahresarbeitszahl (JAZ
oder β; engl. Seasonal Performance Factor SPF)
eine Energiekenngröße. Sie ist definiert als der
Quotient von abgegebener Heizenergie zu aufgenommener Antriebsenergie und spiegelt damit
nicht die Effizienz an einem bestimmten Betriebspunkt, sondern die Effizienz bei verschiedenen Randbedingungen über einen Zeitraum von
üblicherweise einer Heizperiode wieder.
Heizenergie
JAZ 
Antriebsenergie
dingbar, die Systeme und ihre Systemgrenzen zu
verstehen und zu kennen.
5 Wärmequellen und Raumheizeinrichtungen für Wärmepumpenheizungssysteme
Ein Wärmepumpenheizungssystem besteht, wie
in Abb. 2 dargestellt, aus der Wärmequellenanlage, der Wärmepumpe und der Wärmesenke (Heizungsanlage).
Die Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle
und Wärmesenke soll zur Nutzungszeit möglichst
gering sein, um die Wärmepumpe mit hoher Effizienz betreiben zu können. Tab. 1 zeigt einen
Überblick über die derzeit geläufigsten Wärmequellenanlagen.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
Tab. 1: Überblick über Wärmequellen für Wärmepumpensysteme
Grundwasser und Erdwärme verfügen im Winter,
bei einer großzügigen Dimensionierung der Heiz-
wenn der Heizwärmebedarf der Gebäude groß
körper leicht unterschritten werden. Eine weitere
ist, über ein relativ hohes und konstantes Tempe-
Möglichkeit, die Vorlauftemperatur um bis zu
raturniveau - eine günstige Voraussetzung für ei-
10 °C abzusenken, ist das Abschalten der Nacht-
nen effizienten Wärmepumpenbetrieb. Luft und
absenkung, die im Bereich der Niedrigenergie-
Solarsysteme besitzen immer dann, wenn der
häuser ohnehin fragwürdig ist. Es soll nochmals
Wärmebedarf hoch ist, ein niedriges Temperatur-
in Erinnerung gerufen werden – das Absenken
niveau. Darüber hinaus haben diese Wärmequel-
der Vorlauftemperatur der Nutzungsanlage (Hei-
len ein sehr stark schwankendes Temperaturni-
zungsanlage) um nur ein Grad Celsius steigert die
veau. Regelungstechnisch ist es nicht einfach, die
Effizienz des Gesamtsystems um 2,5 %. Wichtig
Wärmepumpe diesen schwankenden Randbedin-
ist hierbei die tatsächliche Umsetzung in Ausfüh-
gungen optimal anzupassen, um eine maximale
rung und Betrieb der Wärmepumpenanlage. Eine
Effizienz zu erreichen. In diesem Bereich steckt
schön gerechnete Planung mit lauter Abstrichen
noch ein erhebliches Optimierungspotential von
in der Ausführung wird schnell zur großen Ent-
Wärmepumpensystemen, mit dem die Jahresar-
täuschung.
beitszahl leicht um 20 bis 30 % angehoben werden kann.
Die meisten Wärmepumpen sind heute technisch
in der Lage, Brauchwarmwasser auf eine Tempe-
Das Temperaturniveau der Wärmenutzungsanla-
ratur von 60 °C aufzuheizen. Diese Fähigkeit darf
ge für die Beheizung von Gebäuden wird durch
aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser
die Raumheizeinrichtungen und gegebenenfalls
Vorgang viel Antriebsenergie erfordert und daher
die
Als
mit einer relativ geringen Effizienz erfolgt. Des-
Raumheizeinrichtungen stehen Luftheizregister,
halb ist überlegenswert, ob eine geringere
Heizkörper und Flächenheizungen wie Fußbo-
Brauchwassertemperatur von z.B. 45 °C nicht
den-, Wand- und Deckenheizungen zur Verfü-
auch ausreichend ist. Das Aufheizen des Brauch-
gung. Üblicherweise sind Flächenheizungen so
wassers auf 60 °C ist aus hygienischer Sicht nicht
dimensioniert, dass sie mit niedrigeren Tempera-
zwingend gefordert, sondern stellt nur eine Mög-
turen betrieben werden können. Dies ist aber
lichkeit dar, den Hygieneanforderungen gerecht
nicht immer der Fall! Unterdimensionierungen in
zu werden. Ist ein Aufheizen des Brauchwarm-
einzelnen Räumen (Badezimmer), ungünstige
wassers auf 60 °C gewollt, muss darauf geachtet
Fußbodenbeläge oder thermische Abschattung
werden, dass die Wärmepumpe nur zu diesem
durch Möbel und Vorhänge führen dazu, dass
Zweck auf dem hohen Temperaturniveau arbeitet
auch Flächenheizungen oft mit 50 °C und mehr
und zur Raumheizung sofort wieder auf das nied-
betrieben werden müssen. Speziell in Niedrig-
rigere Temperaturniveau zurückfährt. Das in der
energiehäusern kann dieses Temperaturniveau
Heizungstechnik übliche „Heruntermischen“ auf
Brauchwassererwärmung
festgelegt.
1304
ZUKUNFT
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14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
1305
das gewünschte Temperaturniveau macht die Ef-
rücksichtigt, dass im deutschen Kraftwerkmix zur
fizienz eines jeden Wärmepumpensystems ka-
Bereitstellung einer Kilowattstunde Strom (End-
putt!
energie) ca. drei Kilowattstunden Primärenergie
(Primärenergiefaktor 3) eingesetzt werden müs-
Insofern muss bei Wärmenutzungsanlagen mit
sen, ergibt sich für die Wärmepumpe folgende
mehreren parallel betriebenen Heizkreisen auch
primärenergetische Bilanz:
beachtet werden, dass der Heizkreis mit dem
höchsten Temperaturniveau – und sei er von der
primärenergetischer Nutzungsgrad 
Nutzen
Aufwand

Heizleistung auch noch so klein – die Effizienz
des Wärmepumpensystems bestimmt.
Nutzenergie
Primärenergieaufwand
6 Wie viel Regenerative Energie nutzt die

Nutzenergie
JAZ

Nutzenergie
PEFaktor
 PEFaktor
JAZ
Wärmepumpe wirklich?
Hinter dieser Frage steckt die weit verbreitete Dis-
Für eine im oberen Durchschnitt arbeitende Erd-
kussion um die tatsächliche Primärenergie- und
drei ergibt sich somit für den in Deutschland der-
CO2-Einsparung durch den Einsatz von Wärme-
zeit gültigen Primärenergiefaktor von drei, ein
pumpen.
primärenergetischer Nutzungsgrad von 100 %.
reich/Wasser–Wärmepumpe mit einer JAZ von
Wird berücksichtigt, dass im bundesdeutschen
Die hier diskutierten mechanisch angetriebenen
Energiemix derzeit ca. 10 % regenerative Ener-
Kompressionswärmepumpen nutzen meist die
gien bei der Stromerzeugung eingesetzt werden,
Endenergie Strom, um Umweltenergie auf ein
erniedrigt sich der Primärenergiefaktor auf 2,7 –
nutzbares Temperaturniveau zu bringen und da-
das ergibt einen primärenergetischen Nutzungs-
mit einen größeren Anteil Nutzenergie zur Verfü-
grad für die Wärmepumpe von 111 %. Zum Ver-
gung zu stellen. Die Jahresarbeitszahl (JAZ) – das
gleich: der primärenergetische Nutzungsgrad ei-
Verhältnis der bereitgestellten Nutzenergie zur
nes Gasbrennwertkessels liegt in der Größenord-
Beheizung des Gebäudes dividiert durch die not-
nung von 90 %. Demnach muss das Wärme-
wendige Endenergie für den Antrieb – stellt das
pumpensystem eine JAZ von mindestens 2,45 er-
Maß für die Energie-Effizienz solcher Systeme
reichen, um primärenergetisch der Brennwert-
dar. Mit Kompressions-Wärmepumpensystemen
technologie überlegen zu sein. Der Durchschnitt
können je nach Wärmequelle folgende Bestwerte
der gegenwärtig ausgeführten Wärmepumpen-
im Bereich der Gebäudebeheizung erreicht wer-
systeme ist damit der Brennwerttechnologie
den:
kaum überlegen. Während die Brennwerttechnik
-
Wasser/Wasserwärmepumpen
im praktischen Einsatz aber nur noch ein Einspar-
JAZ von bis zu 6,
potential von ca. 10 % aufweist, liegt das poten-
Erdreich/Wasserwärmepumpen
tielle Einsparpotential von Wärmepumpensyste-
JAZ von bis zu 4,5
men deutlich höher. Zum einen kann die primär-
Luft/ Wasserwärmepumpen
energetische Effizienz durch die Verbesserung der
JAZ von bis zu 4.
JAZ verdoppelt werden. Zum anderen führen der
vermehrte Einsatz von regenerativen Energien
Die in der breiten Praxis erzielten tatsächlichen
und die Nutzung der Kraft-Wärmekopplung zu
Jahresarbeitszahlen liegen meist deutlich darunter
einer Reduzierung des Primärenergiefaktors. Ge-
und erreichen mitunter nicht einmal die Hälfte
genwärtig wird für die Bundesrepublik für das
der oben angegebenen Bestwerte. Wird nun be-
Jahr 2030 von einem Primärenergiefaktor von ca.
14 GEBÄUDEKONZEPTE, BAEUN IM BESTAND – 14.4 GEBÄUDETECHNIK
WÄRMEPUMPEN
zwei ausgegangen. Beides zusammengenom-
mepumpenanlagen den Fokus nicht nur auf eine
men, die Verbesserung der Jahresarbeitszahl des
ausreichende Wärmebereitstellung sondern auch
Wärmepumpensystems und die Verringerung des
auf eine hohe Energieeffizienz (JAZ) zu richten.
Primärenergiefaktors, kann zu einem primärener-
Wenn Wärmepumpensysteme mit Aufmerksam-
getischen Nutzungsgrad von Kompressionswär-
keit und Sachverstand effizienzorientiert ausge-
mepumpen in der Gebäudebeheizung von 200
legt und betrieben werden, ist eine Effizienzstei-
bis 250 % führen.
gerung um den Faktor zwei gegenüber dem derzeitigen Durchschnitt möglich.
7 Zusammenfassung
Wärmepumpensysteme zur Beheizung von Ge-
Um den Erfolg bzw. Misserfolg stets vor Augen
bäuden bieten ein erhebliches Energieeinsparpo-
zu haben, ist es überfällig, alle Wärmepumpen-
tential, das gegenwärtig noch in keinster Weise
systeme mit einer Stromverbrauchs- und Nutz-
ausgeschöpft ist. Sicherlich können auch die Her-
Wärmemengenerfassung auszustatten, um so die
steller von Wärmepumpen hier noch einen Bei-
Energieeffizienz (JAZ) jederzeit ermitteln zu kön-
trag leisten. Viel wichtiger aber ist es, bei der Pla-
nen.
nung, der Ausführung und im Betrieb von Wär-
1306
ZUKUNFT
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