Neumarkter Nachrichten 21. Dezember 2009 "Dr. Haydn's Night" im Reitstadel Wie bei der Uraufführung im King's Theatre: "Londoner Symphonie " begeisterte Vom Cell o aus hatte Steven Isse rli s das M ahler Chamber Orchestra perfekt im Griff . Das Konzert zum Absch luss des Foto: Fritz Etzold Haydn-Jahres war auch ein fu lminanter Absch luss'für die Neumarkter Konzertfreunde. NEUMARKT - Kurz vorm Fest - da darf's schon ein bissehen mehr sein. Was vom Pompösesten, lichtig wuchtig und feierlich. Joseph Haycln vermerkte stolz auf dem Titelblatt der Partitur: "The 12th wich I have composed in England ", und meinte damit seine Symphonie Nr. 104. Das Mahler Chamber Orch estra, das in gHinzender Weihnachtsbesetzung angereist war, spielte diese "Londoner" oder lISalomon"-Symphonie als fulminanten Schluss einer Haydn-Hommage der "Konzertfreunde" am Ende des Gedenkjahrs. Auch 1795 war das bei der Uraufführung ein fashionabler Abend im King's Theatre am Haymarket : "Dr. Haycln's Night". Au ch in Neumarkt hatte man sich schon zur ~clUse die Hände wtmcl geklatscht. - aber das lag weniger an Hayc1n als am englischen Gast Steven Isserlis. Der feielte einen Doppelerfolg als Solist und Orchesterchef. AJs er im zweiten Konzertteil elen Startschuss für die "Londoner" gab, hatte er sein Pulver noch lange nicht verschossen und ließ die Pauke mit dem nötigen Aplomb clasAdagio eröffnen. Das Mahl er Chamber Orches tra spielt.e enorm kontrastreich mit VOlllminös-dunltler Grundierung und brillanten Effekten. Die jungen Musiker aus aller Herren Länder, 'ion Abbac1o, Harding oder Hengelbrock in die Schule genommen, lassen sich hingebungsvoll anch au f den farbigen Mllsiziersti l von JsserJis ein, wechseln sehnen die Fronten zwischen kantiger Kraft und einschmeichelnder Sanftheit. Da brodelt so ein Haydn-Allegro geradeZ\l, atmet das Andante tänzerische Grazie, blasen die Naturtrompeten zum Gefecht, als wäre die Einnahme von Kapst adt 1795 nicht schon geschafft - selten hat Haycln so viel Spaß gemacht. Und das Menuett ist mitreißend, als wär' schon Wiener Kongress. Das war am Ende des Haydn -J ahrs der Standard an Lebendigkeit, an atmender (manchmal atemloser) Artikulati on, auf dem man Haydn nur noch hören möchte. Typisch: dem Konzertmeister muss der Kragenknopf platzen. Kuriose Sitzorclntlng Steven Isserlis, Englands bekanntester Cellist. hatte sieh für di esen Abend eine kuri ose Sitzordnung ausgedacht, saß mit seinem Cel lo vorm Dirigentenpult und mit dem Rüclten zum Publikum - und jemand zum Umblättern braucht er auch: er ist Chef und zugleich Teil des Tutti. Da waren seine temperamentvollen Einsätze ger ade mal am wild 'wogenden Ha arschopf abzulesen. Und der wirbelte ganz schön: Die internationale MCO-Formation legte schon mit Haydns früher Symphonie NT. ]3105, als wären das alles periodSpezia1i:~ten. Da vibriert. das Reitstadelpodium vor Energie für einen eher simplen Haydn-Satz, aus dem Adagio cantabile macht Isserlis ein veritables Cellokonzert - das dann en face zum Publikum. Das aU es war unkonventio- neH, leidenschaftlich und irgendwie doch britisch. Mit einer w\mderbar en Cellokantilene und dem Blick in weite ätherische Fernen macht Isserlis da schon Lust auf sein Haydn -C-Dur-Konzert und auf eine weitere Portion seines schausp ielerischen Talents: ein filmreifer Auftritt, schlanl\: die Finger , ed el die Züge, der Blick lllcht von di eser Welt - und das "Konzertfreun de"-Publikum perplex. Um das ziemli ch selbstständig agierende MCO brauch te einem nicht bange zu sein: Isserlis überträgt seine Begei~terung sichtbar aufs Orchester. Dem C-Dur-Cellokonzert entlockt er geradezu opernhafte Vielfalt, entdeckt skurrile Züge, mitreißen d Melodisches, knisternde Zwiegespräche eine eommeclia dell 'arte für Cell o, eher schlank als auftrumpfend im Ton, immer in dichter Anbindung an den Orchestersatz. Da singt sein Stradivari-Cello eine ganze Haydn-Opu. Schwärmerei: behändEr, pointenreieher Witz. poetische Träume - alles bietet Isserlis auf seinem Markt der ml.lsikJllischen lVIöglichkeiten an. Als Solist und Dirigent ist er ein mitreißencler "Diener zweier Herren". UWE M1TSCHING CD Nächstes Abonnementskonzert der "Konzertfrellnde" am 7. März mit der Kammerakademie Potsdam: am 10. Januar das erste Sonde:rkonzert mit Andras Schiff und dem Beginn seines Bach-Zyklus'; Karten: ~ (09181) 23474.