petzer_synergie

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Tatjana Petzer (HU Berlin/ZfL), Diskussionsvorlage für das Forum Begriffsgeschichte am 19.01.2009
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
- Einführung -
Das Wissen um synergetische Effekte wurde im 20. Jahrhundert programmatisch für struktur- und systemtheoretische Modellbildungen. Synergie-Konzepte sind – zumeist ohne disziplinäre Spezifizierung des Begriffs – in der Gesellschafts- und Naturphilosophie, in der
Ästhetik, Anthropologie, Soziologie und Religion, in der Medizin und den Naturwissenschaften im Gebrauch. Als der US-amerikanische Paläontologe Lester Frank Ward (1841-1913)
um 1900 Synergie in die Soziologie als „universal principle, operating in every department of
nature and at every stage in evolution, which is conservative, creative, and constructive“1
einführte, stellte er die sozialen Synergien in eine Reihe mit Synergie-Phänomenen in der
Chemie, Biologie, Physiologie, Physik. Der Begriff der Synergie sei, so Ward, „best adapted
to express its twofold character of energy and mutuality, or the systematic and organic working together of the antithetical forces of nature“.2 Synergie – „synthetic work“ – erkläre alle
Organisationprinzipien und Strukturen, denn „synergy is construction“.3 Am Ende des 20.
Jahrhunderts beginnt Peter A. Cornings Versuch, eine Typologie synergetischer Phänomene
in evolutionären Prozessen in Natur und Gesellschaft vorzunehmen, mit der Feststellung:
„Synergy exists in so many different forms that it defies efforts to develop an exhaustive typology.“4 Synergie fungiere eher als ein allgemeiner „umbrella term for cooperative interactions“,5 der keine disziplinären Grenzen kennt.
Die Spannbreite dessen, was im Laufe des 20. Jahrhunderts alles unter ‚Synergie‘ konzeptualisiert wurde, deutet sich beim Begriff der Synergetik an, mit der sowohl Richard
Buckminster Fullers globale Design-Wissenschaft6 als auch Hermann Hakens „science of
cooperation“ in Selbstorganisationssystemen7 überschrieben ist. Das Historische Wörterbuch
der Philosophie führt Hakens, nicht aber Fullers Synergetics an. Es verhandelt unter „Synergismus“ (Bd. 10, S. 784-786) lediglich die dogmatische Position des Protestantismus im 16.
Jahrhundert. Dabei ist die Synergie-Lehre der orthodoxen Theologie für den Zusammenhang
1
Lester F. Ward: Pure Sociology. A Treatise on the origin and spontaneous development of society,
New York: The Macmillan Co. 1903, S. 171.
2
Ebd.
3
Ebd., S. 174. In den 1940er Jahren griff die Anthropologin Ruth Benedict das Synergie-Konzept auf;
vgl. A. Maslow: Synergy in the Society and in the Individual, in: Journal of Individual Psychology 20
(1964), S. 153-164.
4
Peter A. Corning: Synergy and Self-organization in the Evolution of Complex Systems, in: Systems
Research 12 (1995) 2, S. 89–121, hier S. 105.
5
Ebd., S. 100.
6
Richard Buckminster Fuller: Synergetics. Explorations in the Geometry of Thinking. New York 1975.
7
Hermann Haken: Synergetics. An Introduction. Nonequilibrium Phase Transitions and SelfOrganization in Physics, Chemistry and Biology. Berlin: Springer 1977; populärwiss.: Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik. Die Lehre vom Zusammenwirken. Stuttgart 1981.
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
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von Technik und Glaube im Ostchristentum zentral.8 Die Enzyklopädie Technik und Kultur
greift an zwei Stellen Synergie-Konzepte auf: Einmal, um im Band IX (Technik und Staat, S.
437) mit Synergie-Effekt und Synergismus das mehrstufige Zusammenwirken von verschiedenen Fach- und Wirtschaftszweigen zu beschreiben, andererseits im Band VI (Technik und
Natur, S. 300), um unter Anführung der „heute schon fast zum Schlagwort gewordenen“
Synergetik gleichnishaft komplexe Wechselwirkungen zwischen Genen, Signalen und Strukturen zu veranschaulichen. Die konsultierten Lexika-Einträge und wissenschaftlichen Beiträge aus einzelnen Fachdiskursen geben wenig Aufschluss über die diskursiven Verschiebungen und semantischen Transfers von Synergie-Konzepten zwischen den Wissensfeldern;
eine kulturwissenschaftliche Begriffsgeschichte steht noch aus.
Die meist auf Aristoteles ohne spezifischen Begriffsbeleg zurückgeführte συνέργεια (synergeia) – gebildet aus griech. syn (zusammen, mit) und ergon (Werk, Arbeit) – zeigt zum
einen an, dass es sich bei der aus der Kooperation von mindestens zwei Komponenten entstandenen Verbindung um eine wirksame Größe handelt. Mit Verweis auf Aristotelesʼ Metaphysik – wo es über die Substanz und das „begriffliche Wesen“ heißt: „Das was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, daß es ein einheitliches Ganzes bildet, nicht nach Art
eines Haufens, sondern wie eine Silbe, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner
Bestandteile“9, – wird zudem die neue strukturelle Beschaffenheit einer synergetischen Verbindung betont, die aus deren Einzelkomponenten nicht hinreichend erklärt werden kann.
Ungeklärt ist noch, inwieweit sich Disziplinen, in denen die Synergie als Denkfigur artikuliert
oder indirekt mit synergetischen Effekten operiert wird, auf der aristotelischen Substanzlehre
gründen. In der neuzeitlichen Pharmazie und Medizin war die Bedeutung von anorganischen
und organischen Synergien bekannt. Zur Erzielung größerer Heilwirkungen wurden Kombinationen von Substanzen eingesetzt, deren wechselseitigen Verstärkungseffekte bekannt
waren. Von Synergie sprach insbesondere der Hallenser Medizinprofessor Georg Ernst Stahl
(1656-1734), der nicht nur eine praxisorientierte Theorie der wechselseitigen Reaktionen von
Körper und Seele unterbreitete und damit den Grundstein für die Psychosomatik legte.10
Stahl, der naturphilosophisch-holistische Ansätze in der Medizin seiner Zeit reaktivierte, beschrieb in De synergeia naturae in medendo (1695) das Zusammenwirken von Natur und
Arznei und den Arzt selbst als „Mitarbeiter der Natur“. Diese Formulierung ruft das theologi-
8
Vgl. Sergej Choružij: Der Prozeß der Vergöttlichung des Menschen und die Technik im Ostchristentum, in: Peter Koslowski (Hg.). Natur und Technik in den Weltreligionen. München: Fink 2001, S. 7598.
9
Aristoteles, Metaphysik, Erste Abteilung. Die Hauptstücke, IV. Das begriffliche Wesen.
10
Vgl. Axel W. Bauer: Der Körper als Marionette? Georg Ernst Stahl und das Wagnis einer psychosomatischen Medizin, in: Acta historica Leopoldina 30 (2000), 81-95; Johanna Geyer-Kordesch: Pietismus, Medizin und Aufklärung in Preußen im 18. Jahrhundert. Das Leben und Werk Georg Ernst
Stahls. Tübingen: Niemeyer 2000.
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sche Synergie-Paradigma auf, demzufolge die Getauften „Gottes Mitarbeiter“ (I Kor 3,9) für
das Heil und die Heilung der Welt seien.11
Ohne an dieser Stelle einen direkten Zusammenhang zwischen medizinischen und philosophischen oder theologischen Synergie-Konzepten nahelegen zu wollen, soll im Folgenden
dennoch die Aufmerksamkeit auf Analogien in der Wahrnehmung und konzeptionellen Modellierung synergetischer Phänomene in Natur und Gesellschaft gelenkt werden, da ausgesprochen interdisziplinäre Synergie-Konzeptionen im 20. Jahrhundert in sehr verschiedenen wissensgeschichtlichen Konstellationen gerade darauf aufzubauen scheinen. Inwieweit
dabei die Grenzen zwischen den Disziplinen überschritten werden, soll zunächst an den
Denkansätzen Pavel Florenskijs, Richard Buckminster Fullers und Herman Hakens geprüft
werden, die verschiedene Perspektiven und Impulse für die aktuellen Synergie-Diskurse
enthalten.
Synergeia in Pavel Florenskijs Kulturtheorie
Die kulturtheoretischen Schriften des russischen Mathematikers, Wissenschafts- und Kulturtheoretikers und orthodoxen Priesters Pavel Florenskijs (1882-1937), eines Verfechters der
Synthese der Wissensdisziplinen, sind ein prominentes Beispiel dafür, dass SynergieKonzepte um 1900 zwischen verschiedenen diskursiven Feldern zirkulierten und in die neuen Anwendungsfelder der Physik und Elektrotechnik eingingen. Er verwendete den Synergie-Begriff sowohl theologisch und religionsphilosophisch als auch zur Beschreibung soziokultureller und naturwissenschaftlich-technischer Prozesse.12
Sprache ist bei Florenskij in erster Linie Sprach-‚Magie‘. Indem die magische Sprachvorstellung Orthodoxie und Physik zusammenführt, wird die moderne Naturwissenschaft religionsphilosophisch umgedeutet bzw. komplementär vervollständigt. Florenskijs Sprachphilosophie, darunter auch die Theorie des Namens, nimmt insofern transdisziplinäre, kulturtheoretische Züge an, als sie auf Energiekonzepten und synergetischen Wirkungsmodellen der
11
Theologisch werden mit „Synergismus“ die Konzeptionen bezeichnet, wonach der Mensch durch
eigenes Bemühen neben der Gnade Gottes an seinem Heil mitwirke. Dazu zählen der Pelagianismus
(5. Jh.) und Melanchthons Position, der dem menschlichen Willen die Fähigkeit zuerkannte, sich der
göttlichen Gnade zuzuwenden, und damit den so genannten „synergistischen Streit“ auslöste. Der
Synergismus der orthodoxen Theologie als Lehre von der aktiven Mitwirkung (sodejstvie) des Menschen am Heilsprozeß folgt insbesondere den Auslegungen von Maximus dem Bekenner und Grigorios Palamas. Vgl. Karl Christian Felmy: Synergismus, In: Religion in Geschichte und Gegenwart.
Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 8 Bde. Bd. 7. 4., völlig neu bearb. Auflage.
Hg. von Hans Dieter Betz et. al. Tübingen: Mohr Siebeck 2004, S. 1956-1958.
12
Florenskij kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, da er Ende der 1920er/Anfang der 1930er
Jahre als Redakteur der „Technischen Enzyklopädie“ und als Mitarbeiter der Kommission zur Standardisierung wissenschaftlich-technischer Bezeichnungen an wesentlichen Schaltstellen der Begriffsbildung und –transfers mitwirkte.
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
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Theologie, Sprachphilosophie und Physik aufbaut.13 Um die energetische Wirkkraft des Namens zu beschreiben, griff Florenskij auch die in Russland sehr lebhaft rezipierte Energetik
Wilhelm Ostwalds14 auf. Im Unterschied zu Ostwald aktivierte Florenskij – in der Tradition der
mystisch-kontemplativen Lehre der Namensverehrung bzw. Onomatodoxie (imjaslavie) stehend – zudem theologische Energie- und Synergiekonzepte. Für Florenskij war das Wort
„synergetisch: Energie“.15 Das Wort und insbesondere der Name wirke durch die göttliche
Einwirkung in menschlicher Rede und der menschlichen Mitwirkung an den Energien Gottes.16 Das neutestamentliche συνέργεια, das Zusammenwirken von Gott und Mensch, ist in
der orthodoxen Theologie und Religionsphilosophie zentral und bildet den Kerngedanken der
Θεωσις (théōsis, Theosis), der Vergöttlichung des Menschen im Erlösungsprozess, in der die
Umgestaltung des gesamten Sozio-Kosmos eingeschlossen ist.17 Die Inkarnation des Logos,
in der die Umgestaltung des gesamten kosmischen, also auch des menschlichen Seins bereits enthalten ist, leitet den synergetischen Prozess, d. h. den Weg der spirituellen Vervollkommnung, die Erneuerung und Transformation der Menschen ein. Daran knüpften religionsphilosophische Konzepte wie Vladimir Solov’evs (1853-1900) Gottmenschentum an. Solov’ev, der zudem den antiken Theurgie-Gedanken wiederbelebte und weiterentwickelte (und
damit das russische symbolistische Denken maßgeblich beeinflusste), entwarf ein Handlungs- und Organisationsmodell zur Gottwerdung, das sich als aktives ‚Umschaffen‘ (pretvorenie) des Menschen in der Synthese von Religion, Technik und Kunst realisierte.
13
Ausgehend von der antiken Philosophie zieht Florenskij eine Traditionslinie über den Neuplatonismus und das Schrifttum der Kirchenväter sowie die spätmittelalterliche Theologie der Ostkirche bis hin
zur zeitgenössischen Wissenschaft, als der Energie-Begriff Eingang in die Physik und die Naturphilosophie fand. Vgl. Pawel Florenski: Namensverehrung als philosophische Voraussetzung (1922), in:
ders., Denken und Sprache, Werke in zehn Lieferungen, Bd. 3, aus dem Russischen von Fritz Mierau,
hg. von Sieglinde und Fritz Mierau, Berlin: editionKontext 1993, S. 237-290, hier S. 243. Zur Konzeptualisierung des Namens als synergetisches Wirkungskonzept vgl. Tatjana Petzer: Pavel und Aleksej,
Narren um Christi willen. Zur psychophysischen Wirksamkeit von Namen bei Pavel Aleksandrovič
Florenskij. In: Dies., Sylvia Sasse, Franziska Thun-Hohenstein, Sandro Zanetti (Hg.): Namen: Benennung – Verehrung – Wirkung. Positionen in der europäischen Moderne. Berlin: Kadmos 2008, S. 121141.
14
Indem alles Sein auf Energien zurückführt wird, schlägt Ostwalds Energetik eine Brücke zwischen
Natur- und Geisteswissenschaften. In der wissenschaftsgeschichtlichen Retrospektive werden Ostwalds Arbeiten auf dem Gebiet der physikalischen Chemie als Vorläufer der Synergetik betrachtet,
vgl. H.-J. Krug, L. Pohlmann: Wilhelm Ostwalds Ansätze einer synergetischen Schule, in: Uwe Niedersen (Hg.): Komplexität-Zeit-Methode III. Halle 1988, S. 69-101.
15
Pawel Florenski, Die Magie des Wortes (1920), in: ders., Denken und Sprache (Anm. 13), S. 207236, hier S. 222; „slovo sinėrgetično: ėnergija“, Pavel Florenskij, Magičnost’ slova, in: ders. Svjaščenik
Pavel Florenskij, Magičnost’ slova, in: ders., Sočinenija v četyrech tomach, Bd. 3, 1, Moskva:
Izdatel’stvo „Mysl’“ 2000, S. 230-249, hier S. 240.
16
Florenski, „Die Magie des Wortes“ (Anm. 15), S. 222.
17
Vgl. Konrad Onasch: Vergottung und Erlösung, in: ders., Einführung in die Konfessionskunde der
orthodoxen Kirchen, Berlin: de Gruyter 1962, S. 231-237.
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
5
Florenskijs theologisch-physikalisches Synergiemodell des Wortes („das Wort, der Logos
– ein neuer Augenblickszustand der Wirklichkeit“18) wird durch einen Vergleich mit dem Resonanzphänomen gestützt: „Die Resonanz ist nicht das Wirken der einen oder anderen Reihe, sondern das Zusammen-Wirken der Reihen. Im Resonator schwingt nicht nur seine
Energie und nicht nur die Energie des Vibrators, sondern die beider – Synergie; durch ihr
Vorhandensein werden zwei Reihen, obwohl räumlich getrennt, zu einer.“19 Florenskijs ontologisches Erkenntnismodell knüpft an Aristoteles an, derzufolge sich das Wesen (ousía) erst
durch eine ihm innewohnende Energie (energeia) in seiner Einheit verwirkliche und als solche wahrgenommen werde. Die in ihrem Wesen unverbunden bleibende Co-Existenz einzelner Seinselemente kann zum einen nicht auf ein einziges Sein reduziert werden, und schafft
zum anderen im gegenseitigen Durchdringen der Energien „etwas Neues“, eine Synergie,
die „mehr als die Summer der Seinsenergie“ der sich darin offenbarenden Elemente ist.20
Damit wird ein qualitativer Faktor beschrieben, der auch in Florenskijs Typologie des Wachstums eine Rolle spielt.21 Florenskij war von der Möglichkeit überzeugt, die Verwirklichung
des theologischen Theosis-Modells könne mit mathematisch-statistischen Mitteln erfasst
werden und die potentielle Entwicklung des Menschen ließe sich im Kurvenverlauf der
Wachstumsfunktion abbilden, die das Verhältnis von Qualität und Quantität, Ousia und Hypostase, Name und Zahl symbolisch darstelle.
Richard Buckminster Fuller: Synergetisch handeln, synergetisch konstruieren
Der US-amerikanischer Architekt und Philosoph Richard Buckminster Fuller (1895-1983)
prägte die Metapher vom „Raumschiff Erde“,22 um das Gebot kybernetischen Handelns in
18
Pawel Florenski, Die allgemeinmenschlichen Wurzeln des Idealismus (1908), in: ders., Leben und
Denken, Bd. 1, aus dem Russischen von Fritz Mierau, hg. von Fritz und Sieglinde Mierau, Ostfildern:
Ed. Tertium 1995-1996, S. 169-200, hier S. 188.
19
Vgl. Florenskij, „Namensverehrung als philosophische Voraussetzung“ (Anm. 13), S. 244-245. Experimente zu elektromagnetischen Wellen und zur Resonanz zwischen zwei Schwingungskreisen
führte der deutsche Physiker Heinrich Hertz (1857-1894) Ende der 1880er Jahre mit selbstkonstruierten Vibratoren zur Erzeugung und mit Resonatoren zur Messung der generierten elektromagnetischen
Schwingungen durch.
20
Florenski, „Namensverehrung als philosophische Voraussetzung“ (Anm. 13), S. 243.
21
Vgl. Pawel Florenski, „Über Wachstumstypen“ (Auszüge), in: Andrej Bely, Pawel Florenski, „...nicht
anders als über die Seele des anderen“: Der Briefwechsel. Texte, aus dem Russischen und mit einem
Vorwort von Fritz Mierau, hg. von Sieglinde und Fritz Mierau, Ostfildern: Ed. Tertium 1994, S. 146180; Svjaščenik Pavel Florenskij, „O tipach vozrastanija“, in: ders. Sočinenija v četyrech tomach, Bd.
1, Moskva: Izdatel’stvo „Mysl’“ 1994, S. 281-317 – Erstveröff. in: Bogoslovskij vesnik, Bd. 2, 7/8 (1906)
39, 530-568.
22
Richard Buckminster Fuller: Operating Manual for Spaceship Earth. New York: Dutton 1969. Im
Folgenden zit. nach Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften. Hg. von Joachim Krausse. Dresden: Verlag der Kunst 1998. Vgl. auch Richard Buckminster Fuller: Utopia or Obli-
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6
Hinblick auf das ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Gesamtsystem zu verdeutlichen. Um das Überleben zu sichern, müsste jegliche einengende Spezialisierung, unkooperatives Verhalten und räumlicher Separatismus auf diesem Raumschiff überwunden und statt
dessen mit vorausschauenden, „komprehensiven“ Denkinstrumenten wie „Synergie“ operiert
werden. Für Fuller stellte die Synergie den einzigen Begriff dar, der das „Verhalten ganzer
Systeme kennzeichnet, das nicht aus den getrennt beobachteten Verhaltensweisen irgendwelcher separater Systemteile oder irgendwelcher Untergruppen von Systemteilen bestimmt
werden kann.“23 In Synergie, so Fuller, liege nicht nur das „Wesen der Chemie“,24 vielmehr
sei Synergie das Wesentliche an sich,25 die Ganzheit der Erfahrung und des Wissens überhaupt.
Fullers „Synergetik“ setzt an den Schnittstellen von Systemtheorie, Philosophie, Naturwissenschaft, Technik und Kunst an und führt synergetische Strukturen in Architektur,
Design und Ingenieurwesen ein. Seit der ersten
Dekade des 20. Jahrhunderts untersuchte er
systematisch „komprehensive mathematische
Ordnungsmuster“,26 mit anderen Worten: „synergetische und energetische Geometrien“. Seine Entdeckungen der 1940er Jahre, die der
Begründung der „Synergetik“ – in Fuller Kurzdefinition eine Kombination von Topologie und
Vektorgeometrie27 – vorausgingen, erschienen
Abb. „Geodesic Dome“: Richard Buckminster
Fullers amerikanischer Pavillon mit 76 m Durchmesser, erbaut für die Expo '67 in Montreal.
erst in den 1970er Jahren in Buchform.28 Die
Synergetik stellt Fullers Wissenschaftsmodell
für ‚geodätische Architekturen‘ dar, die auf mo-
lekularen und atomaren Konstruktionen, und damit auf Ordnungsprinzipien der Natur von
progressiver Effektivität aufbauen. Zumeist handelt es sich um Transformationen des Dodekaeders und Ikosaeders. Ähnliche Strukturen bzw. Bauprinzipen liegen Mikrolebewesen wie
Viren, den Facettenaugen der Insekten, Bienenwaben, Geweben, Proteinschalen oder dem
vion. The Prospects for Humanity. Toronto: Bantam Books/New York: Overlook Press 1970; dt.: Konkrete Utopie. Die Krise der Menschheit und ihre Chance zu überleben. Düsseldorf: Econ 1974.
23
Fuller, Bedienungsanleitung… (Anm. 22), S. 63.
24
Ebd., S. 63.
25
Ebd., 89
26
Richard Buckminster Fuller: Einflüsse auf meine Arbeit, in: Fuller, Bedienungsanleitung… (Anm.
22), S. 168-211, hier S. 188.
27
Fuller, Bedienungsanleitung… (Anm. 22), S. 63.
28
Richard Buckminster Fuller: Synergetics. Explorations in the Geometry of Thinking. Unter Mitarbeit
von E. J. Applewhite New York: Macmillan 1975 und Synergetics 2: Further Explorations in the Geometry of Thinking, Macmillan 1979. Vgl. auch E. J. Applewhite (Hg.): Synergetics Dictionary. The Mind
of Buckminster Fuller. 4 Bde, New York: Garland 1986.
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
7
C-60 Kohlenstoffmolekül29 zugrunde. Fullers Synergetik unterbreitete ein Praxismodell für
synergetisches Handeln durch biomorphes, ökonomisch-ökologisches Konstruieren – davon
zeugen nicht zuletzt die „Geodesic Domes“: Leichtbaukonstruktionen, die sich durch extreme
Stabilität und Flexibilität, aber auch durch eine natürlichere Schallverteilung und Luftzirkulation als bei herkömmlichen Bauweisen auszeichnen und mit zunehmender Größe an Energieeffizienz gewinnen.
Vom Laser zur Synergetik: Hermann Haken
Der Physiker Hermann Haken (*1927) begründete in den 1970er Jahren eine universalistische Lehre vom Zusammenwirken in komplexen dynamischen Systemen.30 Hakens Ausgangspunkt war die Interpretation des Laserprinzips als Selbstorganisation von Nichtgleichgewichtssystemen. Die Selbstorganisation, den Übergang der Unordnung in Ordnung durch
sprunghafte Komplexitätsreduktion – anders ausgedrückt: der spontanen Bildung synergetischer Strukturen – erkannte Haken als ein allgemeines Prinzip nicht nur physikalischer, sondern auch chemischer, biologischer, ökonomischer und soziologischer Systeme. Mit der
Übertragung der Erkenntnisse über Laser auf andere Gebiete definierte er ein neues Forschungsfeld: die Synergetik. Haken definierte diese als fachübergreifende Wissenschaft, die
deterministische und stochastische Prozesse auf der Suche nach universalen Strukturbildungsprinzipien untersuchte. Theoretiker, die ebenfalls in den 1970er Jahren dieser Frage
nachgingen, griffen indessen nicht auf den Begriff der Synergie zurück.31 Der einzige, der
das tat, war Fuller, in dessen Synergetik Haken keine Gemeinsamkeiten entdeckte: „Das
Wort [Synergetics] taucht schließlich als Titel eines Buches des bedeutenden Architekten
Buckminster Fuller auf. Ein Blick in dieses Buch lehrt uns aber sofort, daß dessen Inhalt
nichts mit dem zu tun hat, was ich unter Synergetik verstehe.“32
Mit der Synergetik etablierte Haken eine Metatheorie, die suggeriert, gleichermaßen auf
die Natur- und die Geisteswissenschaften anwendbar zu sein. Nur kann nicht für alle Systeme die Wirksamkeit der universalen Prinzipien wie im klassischen Fall des Lasers mathema29
Das 1985 entdeckte C60 Kohlenstoffmolekül erhielt aufgrund seiner Ähnlichkeiten mit Fullers geodätischen Kuppeln die Bezeichnung Buckminsterfulleren (auch: „Bucky Ball“).
30
Den ersten gedruckten Verweis findet man in Herman Haken, Robert Graham: Synergetik - Die
Lehre vom Zusammenwirken, in: Umschau in Wissenschaft und Technik 6 (1971), S. 191. Die Ausformulierung der Lehre erfolgt in Haken, Synergetics (Anm. 7). Vgl. auch Hermann Haken (Hg.): Dynamics of Synergetic Systems. Berlin: Springer 1980.
31
Vgl. insbes. Paul Glansdorff, Ilya Prigogine: Thermodynamic Theory of Structures. Stability and
Fluctuations. New York: Wiley 1971; Humberto Maturana, Francisco Varela: Autopoiesis and Cognition: the Realization of the Living. Dordecht: D. Reidel 1973; Rene Thom: Structural Stability and Morphogenesis. Reading, Mass.: Benjamin 1975.
32
Hermann Haken: Entwicklungslinien der Synergetik, I, in: Naturwissenschaften 75 (1988), S. 163172, hier S. 170.
8
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
tisch beschrieben werden. Die Methode der Synergetik – die nichtlineare Zeitreihenanalyse
und Untersuchung makroskopischer Musterbildung in dynamischen Systemen auf der
Grundlage ermittelter räumlicher, zeitlicher und funktioneller Parameter – findet ihre Anwendung bspw. in der Meteorologie (Erforschung der Wolkenbildung), der Chemie (Musterbildung bei chemischen Reaktionen), der Biologie (Evolutionsforschung) und der Soziologie
(Analyse des städtischen Wachstums). Die Synergetik inspirierte andere Disziplinen zur
Entwicklung analoger analytischer Instrumentarien für strukturbildende Prozesse.33 Die Konjunktur interdisziplinärer Modellbildungen, die Hakens Synergetik initiierte, leitete dieser gewissermaßen selbst ein, als er sich dem Studium von neuronalen, psychologischen und kinetischen Prozessen zuwandte34 – ein weitgespanntes Untersuchungsterrain u. a. zu Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozessen, zu psychischen Grundfunktionen wie Motorik und
Psychoneuroimmunologie, zu kollektiven Interaktionsformen und Organisationsentwicklungen.
***
Dass Synergie-Diskurse im Laufe des 20. Jahrhundert zunehmend intensiviert wurden, steht
im Zusammenhang mit Veränderungen in der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Praxis, die von interdisziplinären Synergie-Effekten profitierte. Unabhängig davon, unter welcher
Perspektive (Philosophie, Religion, Soziologie, Technik, Naturwissenschaft u.a.) die Konzeptualisierung von Synergie erfolgte, berief man sich explizit – so legen es auch die Ansätze
Florenskijs, Fullers und Hakens nahe – auf Querverbindungen zwischen verschiedenen Wissensfeldern.
Synergie-Konzepte, die im christlich-orthodoxen Kontext im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entworfen wurden, sind als Ergebnisse der Wissenstransformation zu werten, die
zur Synthese von Wissenschaft, Anthropologie, Religion (Glauben), Technik und Kunst zu
einer ganzheitlichen Episteme führten. In ihrer anthropologischen und sozialen Dimension
33
Ein Beispiel wäre die synergetische Linguistik, vgl. Semiotik-Handbuch zu zeichentheoretischen
Grundlagen von Natur und Kultur, Bd. 3, Hg. von Roland Posner, Klaus Robering, Thomas A Sebeok.
Berlin, New York: Walter de Gruyter 2003, S. 2444-2452.
34
Vgl. u. a. Hermann Haken, Maria Haken-Krell: Erfolgsgeheimnisse der Wahrnehmung. Synergetik
.
als Schlüssel zum Gehirn. Stuttgart: dva 1992; Hermann Haken: Brain dynamics: synchronization and
activity patterns in pulse coupled neural nets with delays and noise. (Springer Series in Synergetics)
Berlin 2002; Hermann Haken, Günter Schiepek: Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisation
verstehen und gestalten. Göttingen: Hogrefe 2006: Dietmar Hansch, Hermann Haken: Wie die Psyche
sich selbst in Ordnung bringt, in: Psychologie Heute, Juli 2004, S. 36-41 und dies.: Zur theoretischen
Fundierung einer integrativen und salutogenetisch orientierten Psychosomatik, in: Gestalt Theory, 26,
(2004) 1, S. 7-34. Neurophysiologen sprachen bereits im 19. Jahrhundert von ‚synergetisch‘, bspw.
Charles S. Sherrington, der damit die komplexe funktionsgebundene Kombinationen von Muskelaktionen beschrieb (The integrative action of the nervous system. London 1906).
9
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
liefern sie einen Schlüssel für Technik- und Technologieentwicklungen in der russischen Moderne, die auf die Transformation des Menschen und der Gesellschaft zielten. Um nur ein
Beispiel anzuführen: Nikolaj Fedorovs (ca. 1829-1903) Auferweckungslehre, die 1906 postum unter dem Titel Filosofija obščego dela (Philosophie des gemeinsamen Werks) erschien,
hat direkt oder indirekt soziale Utopien beeinflusst und Vitalisierungspraktiken den Weg bereitet, die nach 1918 unter neuem ideologischen Vorzeichen und mittels der neuen technischen Errungenschaften den Bereich des Spekulativen verlassen sollten.35 Mit dem „gemeinsamen Werk“ (obščee delo) entwarf Fedorov ein synergetisches Transformationsmodell, das im Kern auf das ‚kosmotellurische‘ Erwecken der Väter zielte. Da die Ostkirche keine ausdrückliche Erbsündenlehre kennt und die Lehre vom Purgatorium ablehnt, gilt es, allein Krankheit und Tod zu überwinden, in der sich die Vererblichkeit der Ursünde manifestierte. Aus dieser Perspektive stellte auch Fedorov – vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse und Entwicklungen in der Physiologie und Biotechnologie – die existenzielle Leitfrage
nach den Grenzen zwischen Tod/Auferstehung bzw. Sterblichkeit/Unsterblichkeit neu und
postulierte eine auf wissenschaftlich-technische Grundlage gestellte Auferweckung. Auferweckung heißt fortan – Informations- und Reproduktionstechnologien der Zukunft antizipierend – mechanisch-materialistisches Aufspüren, Sammeln und Klassifizieren und die Synthese der „Teilchen“ und „Stäube“ der Väter: An die Stelle der als passiv markierten Auferstehung (voskresenie) tritt die aktive, durch die Söhne initiierte Auferweckung (voskrešenie).
Bei der aktiven Mitgestaltung des Menschen am Heilsprozeß gehen Wissenschaft/Technik
und Glaube Hand in Hand.
Die Bewertung derartiger kulturspezifischer Synergie-Konzepte und davon geleiteter Organisations- und Produktionstheorien sowie gesellschaftlich-kultureller Praktiken in Russland
steht ebenso noch aus wie deren Einordnung in die europäische Wissenskultur der Moderne.
Die russische Religionsphilosophie als auch die marxistische Philosophie greifen seit den
1990er Jahren auf Synergie-Konzepte zurück, um die Notwendigkeit des Glaubens zu manifestieren, oder um Weltbilder naturwissenschaftlich zu stützen.36 Am interessantesten ist die
„synergetische
Anthropologie“
(sinergijnaja
antropologija),
die
der
Physiker
und
Religionsphilosoph Sergej Choružij (*1941), ein Florenskij-Kenner,37 auf der Grundlage der
Patristik begründete und institutionalisierte.38 Dieser Tendenz ging die kulturelle Einordnung
35
Zu Fedorov, der als Vater des russischen Kosmismus und Immortalismus gilt, und dessen Rezeption vgl. Michael Hagemeister: Nikolaj Fedorov. Studien zu Leben, Werk und Wirkung, München 1989.
36
Vladimir Belov: Moderne russische Philosophie. Von der Marginalität zum realen Pluralismus, in:
IABLIS Jahrbuch für europäische Prozesse 3 (2004), S. 185-201.
37
Choružij gibt eine umfassende Darstellung des symbolischen Denkens Florenskijs in: Filosofskij
simbolizm Florenskogo i ego ziznennye istoki, in: ders., Posle pereryva. Puti russkoj filosofii, Sankt
Petersburg: Aleteija 1994, S. 100-130.
38
Vgl. Sergej Choružij: Očerki sinergijnoj antropologii. Moskva: 2005, Insitut für synergetische Anthropologie auf: http://synergia-isa.ru/wordpress/. Vgl. auch Kristina Stöckl: A new anthropology: Sergej
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
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von Theorien der genuin russischen philosophischen Tradition des Kosmismus ebenso wie
der Ideen des Biogeochemikers Vladimir Vernadskij (1863-1945) zur Bio- und Noosphäre,
die in den 1920er und 1930er Jahren im engen Austausch mit dem Jesuiten und Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) formuliert wurden, voraus.39
Weltanschauliche Erklärungsmodelle, die auf philosophischen, theologischen und naturwissenschaftlichen Synergie-Konzepten gründen, werfen auch die Frage auf, inwiefern diese
verschiedenen Wirklichkeitsbereiche überhaupt zueinander in Beziehung gesetzt werden
können. Der Theologe Alexandre Ganoczy liefert in seinem Buch Der dreieinige Schöpfer:
Trinitätstheologie und Synergie (2001) ein Modell, das stufenweise diese Synergie-Konzepte
verschiedener Provenienz zusammenbringt, und begründete sein Vorgehen mit dem Analogieverständnis, das er bei Haken fand. Die Synergetik begann in der Physik, wechselte mit
der Neuro- und Psychosynergetik zur anthropologischen Wirklichkeitsebene, um schließlich
die naturwissenschaftlich gewonnen Erkenntnisse auf das menschliche Zusammenleben zu
übertragen: „Das aufsteigende Analogisieren setzt […] beim synergetischen Verhalten der
Laserstrahlen an, um dann weitere und letztendlich wesensverschiedene Dimensionen der
einen Wirklichkeit einzuholen. Die Methode tritt mit universalen, holistischen Ansprüchen auf.
Nichts scheint anzudeuten, dass die Dimensionen des Geistes, des Religiösen, des Ethischen und letztendlich des Göttlichen, zumindest was ihr formales ‚Funktionieren‘ anbelangt,
vom Gesichtsfeld auszuschließen wären.“40 Synergie ist für Ganoczy ein „Analogbegriff“,41
den er einsetzt, um über das Wesen des dreifaltigen Gottes auf der Seins-, Verhaltens- und
Handlungsebene zu reflektieren. Einerseits angeregt von den östlichen Kirchenvätern und
Theologen wie Nikolaus von Kues, auf die, so Ganoczy, eine ganz auf Relationen und Korrelationen bedachte Ontologie und Handlungstheorie zurückzuführen sei, und andererseits von
der Strukturontologie, Strukturanthropologie und Philosophie der Konkreativität seines Würzburger Kollegen Heinrich Rombach,42 prägte Ganoczys mit „Synontie“ einen weiteren Syn-
S. Khoružijʼs search for an alternative to the Cartesian subject in „Očerki sinergijnoj antropologii“, in:
Studies in East European Thought 59 (2008) 3, S. 237-245.
39
Vgl. Sergej Choružij (Hg.): Sinergija: problemy asketiki i mistiki pravoslavija; naučnyj sbornik. Moskva 1995 und A. V. Vološinov (Hg.): Sinergija kul’tury. Trudy vserossijskoj konferencii. Saratov 2002.
Um Wissenschaft und Religion zu versöhnen knüpfte z. B. auch der US-amerikanische Professor für
mathematischen Physik Frank A. Tipler an: The Physics of Immortality: Modern Cosmology, God and
the Resurrection of the Dead. New York 1994.
40
Alexandre Ganoczy: Der dreieinige Schöpfer: Trinitätstheologie und Synergie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2001, S. 207.
41
Ebd., S. 18. Ebenso die Struktur, und zwar in dem Sinn, dass sie zwischen verschiedenen Wissensbereichen hin und her übertragbar sind, und zu deren wechselseitigen Erkenntnis beitragen.
42
Heinrich Rombach: Substanz System Struktur: Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, 2 Bde., Freiburg/München 1965/66; Strukturontologie: Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg/München 1971; Strukturanthropologie: „Der menschliche Mensch“, Freiburg, München 1987; Der Ursprung: Philosophie der Konkreativität von Mensch
und Natur, Freiburg 1994.
Transdisziplinäre Synergie-Modelle seit 1900
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Begriff zur Beschreibung der ontologischen Strukturiertheit der Welt, die mit der ‚dynamischen‘ trinitarischen Einheit (Synergie) korreliere.43
Synergie-Konzepte haben sich als produktives Paradigma für struktur- und systemtheoretische Überlegungen und interdisziplinäre Forschungs- und Praxisfelder durchgesetzt. Die
vorläufigen Betrachtungen legen eine weiterführende kulturwissenschaftliche Untersuchung
nahe, die Synergie-Konzepte unter folgenden Aspekten betrachtet: a. als Sprach- und Denkfiguren, die unterschiedliche epistemologische Horizonte aufweisen, b. als Positionen innerhalb zeitgenössischer Schöpfungs-, Evolutions- und Entropiediskussionen (Leben entsteht
nicht auf der Grundlage von Konkurrenz, sondern Kooperation und Synergie; Existenz ektropischer Systeme mit positiver Energiebilanz u. ä.), c. die Semantiken und Begriffsfelder
(Synergie-Struktur-System, Synergie-Symbiose-Synthese u. a.) im Wandel, d. als StrukturWirkungs-Prinzipien, denen spezifische Partizipations- und Handlungsmodelle (Kooperation,
Interaktion, Integration, Transformation u. ä.) zugrunde liegen, e. die Übertragungen synergetischer Strukturen auf die Gesellschaft (z. B. kooperative Wirtschaftformen und deren
Nutzeffekte) und f. die wissenschaftsgeschichtlichen Kontexte und Wechselbeziehungen
sowie kulturspezifischen Faktoren (das Beispiel Slavia Orthodoxa).
43
Vgl. Ganoczy, Der dreieinige Schöpfer (Anm. 40), insbes. S. 27-33 („Göttliche ‚Synontie‘ und ‚Synergie‘).
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