6. Mut zur Freiheit „Ich verzichte auf das Herrschen, da ich auf die Liebe nicht verzichten kann.“ Andronicus Bajazet von Antonio Vivaldi Libretto von Agostino Piovene Besetzung Uraufführung Karneval 1735, Teatro Filarmonico, Verona Bajazet Pasticcio von Antonio Vivaldi mit Arien von Johann Adolph Hasse, Geminiano Giacomelli, Riccardo Broschi & Thomas Leininger Libretto von Agostino Piovene Bajazet Amadeu Tasca Andronico Aaron Judisch Tamerlano Yosemeh Adjei Irene Rosa Dominguez Asteria Sophie Carvalho Idaspe Camilla de Falleiro Deutsche Erstaufführung Philharmonisches Orchester Heidelberg *12.12.10 Rokokotheater Schwetzingen ca. 3 Std., eine Pause Quelle: Biblioteca Nazionale Turin 4 5 Inszenierungsteam Musikalische Leitung Michael Form Übertitel Bernd Feuchtner Tina Hartmann Daniel Rilling Regie Daniel Pfluger Licht Ralph Kabrhel Bühne Flurin Borg Madsen Musikalische Studienleitung Timothy Schwarz Kostüme Janine Werthmann Einstudierung der Rezitative & Cembalo Johannes Keller Dramaturgie Bernd Feuchtner 6 Musikalische Einstudierung Annemarie Herfurth Joana Mallwitz Ivo Hentschel Johannes Keller Timothy Schwarz Kostümassistenz Stefanie Hofmann Sabrina Leichle Regieassistenz / Abendspielleitung Hannah Ehrlichmann Inspizienz & Statisterie Uwe Stöckler Soufflage Delia Tedeschi Bühnenbildassistenz Ariane Schwarz 7 Technik & Werkstätten Technischer Direktor Ivica Fulir Ton Wolfgang Philip Leiterin der Abteilung Requisite Esther Hilkert Technische Leitung Uwe Mingo Leitung Kostümabteilung Viola Schütze Maria Schneider (Stv.) Requisite Laurenz Micke Technische Einrichtung Udo Weber Gewandmeisterinnen Dagmar Gröver Katja Ulrich Leiter der Abteilung Beleuchtung Steff Flächsenhaar Leiterin der Abteilung Maske Kerstin Geiger Anja Dehn (Stv.) Leiter der Tonabteilung Wolfgang Freymüller 8 Leiter Schreinerei Klaus Volpp Die Kostüme und Kulissen wurden in den theatereigenenen Werkstätten angefertigt. Leiter Malsaal Dietmar Lechner Dekorationswerkstatt Markus Rothmund Leiter Schlosserei Karl-Heinz Weis 9 Zum Inhalt DIE HANDLUNG Nach dem Sieg der Tataren über die Türken hat Tamerlan den Sultan Bajazet in dessen Palast von Bursa eingesperrt. Dort will er seine Siegesfeier durch die Vermählung mit der Erbin von Trapezunt krönen. Bajazet erwartet für sich nichts als den Tod. Aber er bittet den Liebhaber seiner Tochter Asteria, gut auf sie aufzupassen. Der griechische Prinz Andronikus ist jedoch ehrgeizig und hat sich mit Tamerlan verbündet, der ihn mit seinem Angebot, ihn zum Kaiser von Byzanz zu machen, in die Zwickmühle bringt: denn Tamerlan hat sich in Asteria verliebt und will sie heiraten – Andronikus wagt nicht, seine Liebe zu Asteria zu bekennen. Idaspe hält Andronikus einen Vortrag über die Vergänglichkeit der weiblichen Schönheit, um ihn gefügig zu machen. 10 Asteria ist entsetzt, als sie Tamerlans Antrag hört, Bajazet ist wütend: um diesen Preis will er die Freiheit nicht erlangen. Das Schwanken des Andronikus führt zur Verstimmung zwischen den Liebenden. Als auch noch Irene, die Fürstin von Trapezunt, ankommt und von Tamerlans neuem Heiratsplan erfährt, ist die Verwirrung komplett. Andronikus rät ihr, sie solle sich als ihre eigene Gesandte verkleiden und die Entwicklung beobachten. In Wirklichkeit will er sehen, ob er Tamerlans Befehl, Irene zu heiraten, zu befolgen in der Lage wäre. Tamerlan glaubt, Asteria für sich gewonnen zu haben und befiehlt die Vorbereitungen für seine Hochzeit und die des Andronikus. Andronikus ist voller Zweifel und möchte Asteria nicht verlieren. Asteria zweifelt an seiner Liebe und sieht sich Tamerlan ausgeliefert. Andronikus will bei Bajazet neue Widerstandskraft sammeln. Irene wirft Tamerlan vor, er werfe sich einer Sklavin an den Hals, statt eine Fürstin zu heiraten, Tamerlan ärgert sich über die dreiste Gesandte Irenes. 11 Asteria sagt Irene, noch sei nicht alles verloren. Doch als Andronikus Bajazet berichtet, dass die Hochzeit seiner Tochter mit Tamerlan nicht mehr zu verhindern sei, stürzt dieser in tiefste Verzweiflung. Asteria fügt sich zum Schein dem Willen Tamerlans, der sie umschmeichelt. Bajazet fährt dazwischen und beleidigt Tamerlan als Hirten, Andronikus redet sich um Kopf und Kragen. Auch Irene macht Asteria Vorwürfe. Als Bajazet seine Tochter verflucht, zeigt sie den Dolch, mit dem sie Tamerlan im Brautbett töten wollte. Tamerlan schwört blutige Rache. Bajazet schlägt Asteria vor, sie sollten sich beide vergiften. Tamerlan ist durch den Zwischenfall noch verliebter. Andronikus wagt nicht zu widersprechen, was Asteria wütend macht. Sie fordert ihn auf, sie zu verteidigen. Tamerlan droht, Bajazet den Kopf abzuschlagen und Asteria mit dem niedrigsten Sklaven zu verheiraten. Tamerlan befiehlt, Asteria in den Speisesaal zu bringen, wo er sie vor Andronikus als Dienerin erniedrigen will. 12 Bajazet findet keinen Ausweg und beschuldigt Asteria und Andronikus der Feigheit. Asteria glaubt nun an die Treue des Andronikus, will aber trotzdem dem Vater in den Tod folgen. Andronikus beschließt endlich, auf den Thron von Byzanz zu verzichten. Tamerlan lässt Bajazet und Asteria zu seiner Tafel rufen. Asteria träufelt jedoch Gift in den Pokal, den sie ihm servieren soll. Irene sieht dies und fährt dazwischen; so lüftet sie ihre wahre Identität. Tamerlan lässt Asteria ins Sklavenquartier bringen und dort dem Mob zur Massenvergewaltigung ausliefern. Bajazet klagt die Götter an und geht. Tamerlan erklärt Irene wieder zu seiner Braut, doch da kommt Idaspe und berichtet vom Selbstmord des Bajazet. Tamerlan verzeiht Andronikus, verweigert ihm aber Asteria. Erst als Asteria vom Tod ihres Vaters berichtet, und Irene und Andronikus für sie bitten, lässt Tamerlan sich vom Übermaß des Leidens umstimmen. Er macht Andronikus sowohl zum Kaiser von Byzanz als auch zum Gatten von Asteria. 13 Zum Stück Ein türkischer Mischmasch Zur Entstehungsgeschichte des Pasticcios Bajazet von Bernd Feuchtner Pasticcio heißt italienisch die Pastete, ein Mischmasch aus allerlei Zutaten. Bajazet ist also ein Mischmasch. Oder ein Potpourri. Oder ein „Best of“. Je nachdem, wie die Mode die Wörter gerade liebt. Auf jeden Fall ist ein Pasticcio eine bunte Mischung. Im Barock war das ganz normal – Urheberrecht gab es noch keines, also konnte jeder Musik benutzen, wie es ihm beliebte. Und so ein Pasticcio war eine beliebte Methode, fremde Melodien für eigene Werke zu benutzen. Man nahm eine Arie von Johann Adolf Hasse, dann eine von 14 15 Geminiano Giacomelli, eine eigene, dann wieder eine von Hasse usw. und fertig war die neue Oper, ohne dass eine einzige Nummer neu geschrieben war! Sant’Angelo – einst Vivaldis Stammhaus – Cajo Fabrizio von Hasse und Lucio Vero von Francesco Araya, ebenfalls ein Neapolitaner. Antonio Vivaldis Pasticcio Bajazet entstand in der Zeit der Krise der venezianischen Oper in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts. Die Vorherrschaft Venedigs war seit dem Vordringen der neapolitanischen Oper und dem Eröffnen zahlreicher italienischer Opernhäuser in Europa vorbei. Benedetto Marcello hatte sowohl mit seiner Satire Il teatro alla moda als auch mit seiner Oper Arianna (1726) Vivaldi der Lächerlichkeit preisgegeben. Hasse, Leonardo Vinci waren die Namen, die nun zählten. Auch die berühmtesten Kastraten wie Farinelli, Carestini oder Cafarelli kamen aus Neapel und trugen zum Wechsel der Moden bei. Im Karneval 1735 waren in Venedig im Teatro San Giovanni Grisostomo zwei neapolitanische Opern nach Metastasio-Texten gespielt worden: Demofoonte, komponiert von Gaetano Maria Schiassi, und La clemenza di Tito, komponiert von Leonardo Leo. Im Teatro San Cassiano gab es Anagilda von Antonio Pampino im neapolitanischen Stil, im Teatro Mit Motezuma (1733), L’Olimpiade (1734) und dem Pasticcio Dorilla in Tempe (1734) hatte Vivaldi zwar wieder Fuß gefasst in der Stadt, deren Opernleben er lange Jahre hindurch beherrscht hatte, doch Bajazet wurde für Verona geschrieben. Dort gab es schon 1651 ein Theater und 1732 wurde mit Vivaldis La fida ninfa das von Galli-Bibiena erbaute Teatro Filarmonico eröffnet, das noch heute genutzt wird. Die Accademia Filarmonica hatte Vivaldi 1734 zu ihrem Impresario gemacht, so dass er für den Karneval 1735 zwei neue eigene Werke aufs Programm setzte, die mit dem italienischen Freiheitsstreben assoziiert wurden: L’ Adelaide auf ein Libretto von Antonio Salvi (RV 695, verschollen) und Bajazet. 16 Im 18. Jahrhundert kamen mindestens 50 verschiedene Opern auf die Bühnen, die abwechselnd Tamerlan oder Bajazet im Titel trugen, aber den 17 gleichen Stoff behandelten, die Gefangenschaft des Türken-Sultans Bajazet bei dem Tataren-Khan Tamerlan. Georg Friedrich Händel und Niccolo Jommelli, Leonardo Leo und Nicola Porpora gehörten zu den Komponisten. Vivaldi benutzte das Libretto des Grafen Agostino Piovene, dem das Schauspiel Tamerlan ou La Mort de Bajazet (1675) von Jacques (alias Nicolas) Pradon als Vorlage gedient hatte und das 1711 von Francesco Gasparini vertont worden war, dem Vivaldi damals an der Pietà als Assistent diente. Dieses Libretto hatte auch 1724 Nicolas Haym als Vorlage gedient, als er das Libretto für Händels Tamerlano verfasste. Vivaldi hatte bei späteren Aufführungen der Gasparini-Oper 1727 in Mailand und 1729 in Mantua bereits eigene Arien eingearbeitet. In Verona entschied er sich bei Bajazet ganz für die Gestalt eines Pasticcio, einer Collage aus eigener und fremder Feder. Doch auch Dank seiner ausgefeilt komponierten Rezitative ist Bajazet wie Dorilla in Tempe und Rosmira fedele (1738) nicht nur ein Pasticcio aus sorgfältig ausgesuchten Zutaten, sondern überdies eine ästhetische Einheit. 18 19 Zur Inszenierung Der schöne böse Schein von Daniel Pluger Am Ende von Bajazet wird der Tyrann Tamerlano sein Einlenken sinngemäss damit begründen: „Ich will ja nicht, dass jemand schlecht von mir denkt.“ Um anschließend Kraft seiner Macht ein kollektives Verdrängen anzuordnen, das die aus den Gleisen gelaufen Verhältnisse gewaltsam wieder ordnet. Utopische Happy Ends waren ein Ritual der Barockoper, die niemals fatal enden durfte. Aus heutiger Sicht, in der die Unantastbarkeit und Unfehlbarkeit eines Souveräns schon lange passé ist, wirkt diese Form der erzwungenen Katharsis wie ein Schlag in den Magen – und damit auf erschreckende Weise aktuell. 20 Gewaltakte des kollektiven Verdrängens kennen wir, auch in neuerer Zeit. Wir machen möglichst schnell weiter, ohne zu hinterfragen, was für tiefsitzende Mechanismen eigentlich grundlegend revidiert werden müssten. Aus Angst, festzustellen, dass unsere demokratische Gesellschaft mit Chancengleichheit für alle eine Utopie ist. Aus Angst, zu verlieren, was wir meinen zu besitzen. Dabei sind die Strukturen so offensichtlich wie die hölzerne Marmorsäule im Portal des Rokokotheaters in Schwetzingen selbst. Den Menschen zu Vivaldis Zeiten war durchaus bewusst, dass sie sich in Blendwerken bewegen, dass die Welt eine Bühne und damit auch die Bühne in dieser Welt eine Maschine ist, die sich bedingungslos weiterdreht. Der Mensch darin ist nur ein kleines Staubkorn in der Unendlichkeit allen Seins. In Bajazet befinden sich alle Figuren von Anfang an im Blindflug – egoistisch und stoisch der eigenen Genugtuung hinterher stolpernd. Sie deklarieren und zelebrieren sich lustvoll und exzessiv als Opfer. Und niemand beachtet die 21 Zeichen des Untergangs. Einzig die Dienerin Idaspe warnt konstant vor dem bitteren Ende. Doch wie die griechische Seherin Kassandra findet sie keine Beachtung. Zu stark ist die individuelle Illusion, der alle nachrennen – mit offenen Augen auf den Abgrund zu. Und so entwickelt sich aus einer fast schon lächerlichen Tändelei nach und nach eine veritable Tragödie, die ihre Opfer fordern wird. 22 23 Zur Musik Vivaldi in feindlicher umgebung von Michael Form & Tina Hartmann Die Besonderheiten von BAJAZET beginnen mit der Ouvertüre. Im überlieferten Manuskript der Oper ist jene Sinfonia eingebunden, die als das letzte Musikstück gilt, das Vivaldi verkaufte. 1740 trat der Komponist seine letzte Reise nach Wien an in der Hoffnung, sich dem Habsburger Kaiser für eine Anstellung zu empfehlen. Doch der Kaiser starb, noch ehe Vivaldi Wien erreicht hatte, und seine Tochter Maria Theresia hatte kein Interesse an Vivaldis Kunst. Wie die Sinfonia in die Oper gelangte, und ob sie bereits bei der 24 25 Premiere des BAJAZET 1735 dort gestanden hat, muss offen bleiben, ist aber auf Grund der Tonartenfolge zumindest unwahrscheinlich. Besonders an BAJAZET ist auch die die Art und Weise, wie die PasticcioForm verwendet wird. Gewöhnlich wurde einer Reihe herausragender Sänger ermöglicht, mit ihren von diversen Komponisten extra in die Kehle komponierten Lieblingsarien zu brillieren, die sie immer bei sich hatten und die daher umgangssprachlich als „Arien aus dem Koffer“ bezeichnet wurden. Doch Vivaldi importiert für BAJAZET nur die Arien – nicht die Sänger. Nicht nur das, er kombiniert Arien, die ursprünglich für zwei ganz bestimmte Sänger geschrieben wurden und zwar für die größten Stars der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Den Kastraten Farinelli und die für ihre Hosenrollendarbietungen berühmten Vittoria Tesi. Als „virtuelle“ Vitoria Tesi erscheint die Figur des Tamerlano (bei uns von einem Countertenor gesun26 gen). Die Farinelli-Arien verteilen sich auf die Figuren Andronico (bei uns ein Tenor) und Irene (Mezzosopran), die Oper bietet also gleich zwei virtuelle Farinellis. Das bedeutet zugleich, dass die Feinde von Bajazet (und Asteria) auch eine feindliche Musik der Neapolitanischen Oper singen, jene Musik, wegen deren Popularität beim Publikum der der ehedem gefeierte venezianische Komponist zunehmend seinen Lebensunterhalt verlor. Damit stellt Vivaldi das Prinzip des Pasticcios auf den Kopf und nimmt zugleich ein Verfahren vorweg, das eigentlich erst mit der Repertoire- und Kanonbildung des 19. Jahrhunderts in die Oper Einzug gehalten hat. Er zwingt Sänger, sich in das „gut gemachte Kleid“ eines anderen zu zwängen. Zugleich funktioniert dieses Verfahren wie eine Hitparade der beliebtesten Musik in Zeiten vor der Erfindung des Tonträgers und hängt als solches sicher auch damit zusammen, dass das Teatro Filharmonico in Verona viel größer war, als die früher von Vivaldi vorzugsweise bespielte Bühne San Angelo in Venedig, entsprechend viele Besucher von der Oper angelockt werden 27 mussten. Wie wichtig dabei die Funktion dieses Pasticcioa als „virtueller“ Tonträger war, wird umso deutlicher, bedenkt man, dass Farinelli ein Jahr zuvor Italien verlassen und sich in London niedergelassen hatte, wo er in der Partei der Händel bekämpfenden Adelsoper seine größten Erfolge feierte, das italienische Publikum ihn aber nicht mehr hören konnte. Abermals zwei Jahre später sollte er sich endgültig von der Bühne zurückziehen. Nicht nur für die Sänger, auch für die Orchestrierung bedeutet dieses Konzept eine Herausforderung. Während Vivaldis Orchesterbesetzung mit elf Geigen etwa der unsrigen entsprach, sind die neapolitanischen Arien Hasses ursprünglich für eine Streicherbesetzung mit fast 40 Geigen geschrieben – das ist „Wagnersche“ Besetzungsstärke. Auch hier steht Vivaldis kammermusikalische Orchestrierung einer feindlichen Übermacht gegenüber, doch ergreift unsere Aufführungspraxis im Rokokotheater Partei für Vivaldi. 28 29 musikalische leitung Regie Michael Form Daniel Pfluger Michael Form spezialisierte sich an der Schola Cantorum Basiliensis auf die Musik des Barock und der Renaissance. Er dirigierte das Luzerner Sinfonieorchester, die Staatsphilharmonie Hannover, des Folkwang Kammerorchesters Essen, das Orchestre Baroque du Léman sowie das Barockorchester der FIMA (Festival Internazionale di musica antica Urbino). 2008 gründete er zusammen mit dem Cembalisten Marc Meisel das „Orchestre Atlante“, das auf historischen Instrumenten spielt und sich dem spätbarocken und klassischen symphonischen Repertoire widmet. Daniel Pfluger war Regieassistent am Kinder- und Jugendtheater Schnawwl in Mannheim. Ab 2005 studierte er Theaterregie an der Zürcher Hochschule der Künste. Sein Tanztheaterprojekt UNVOLLKOMMEN nach den METAMORPHOSEN von Ovid wurde beim Schauspielschultreffen in Rostock 2008 mehrfach ausgezeichnet und gewann 2009 beim Körber-Studio „Junge Regie“ in Hamburg 2009. 09/10 inszenierte er in Heidelberg GODARD DRIVING. 30 31 Bühne Kostüme Flurin Borg madsen Janine Werthmann Flurin Borg Madsen studierte Szenographie am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und an der Zürcher Hochschule der Künste. Er entwarf Bühnenbilder für Theater in Buenos Aires, Mannheim, Zürich, Solothurn, Graz und Heidelberg und entwickelte Videoprojektionen für Inszenierungen von Michael Simon in Amsterdam, Düsseldorf und Nürnberg. In der vergangenen Spielzeit gestaltete er Bühne, Video und Kostüme für GODARD DRIVING im Theaterkino. Janine Werthmann hat in den vergangenen Spielzeiten am Nationaltheater Mannheim mehrere Kostümbilder sowohl im Schauspiel als auch im Ballett entworfen u. a. für Ewald Palmetshofers faust hat Hunger und verschluckt sich an einer grete sowie Reto Fingers Uraufführung Norma in der Regie von Cilli Drexel. Für die Spielzeiteröffnung 09/10 entwickelte sie am Schauspiel Frankfurt das Kostümbild zu Cabaret in der Regie von Michael Simon. 32 33 Idaspe irene Camilla de Falleiro Rosa Dominguez Die Sopranistin studierte in São Paulo, in Straßburg und an der Schola Cantorum Basiliensis. Sie ist u. a. Preisträgerin beim Mozartwettbewerb der Schlossoper Haldestein und war Stipendiatin der Ruth und H. J. Rapp-Stiftung in Basel. Die Barockspezialistin gastierte in der Schweiz, in Frankreich, in Brasilien, in Deutschland, in Österreich und arbeitete u. a mit Christoph Rousset, Christina Pluhar, Andreas Bötticher, Christoph Coin und Michael Hofstetter. Im vergangenen Jahr begeisterte sie bereits als Gianisbe in SPARTAKUS beim WINTER IN SCHWETZINGEN. Die argentinische Mezzosopranistin Rosa Dominguez begann ihre musikalischen Studien an der Rijksmuziekacademie in Antwerpen. Ab 1981 studierte sie an der Universidad Católica Argentina Komposition und Gesang. 1990 beendete sie ihre Studien an der Musikakademie Basel bei René Jacobs. Die Barockspezialistin war beim WINTER IN SCHWETZINGEN bereits in MOTEZUMA, DIE OLYMPIADE und in TITO MANLIO zu hören. 34 35 asteria Tamerlano Sophie Carvalho Yosemeh Adjei Die Altistin Sophie Carvalho studierte zunächst Literatur- und Theaterwissenschaften, dann Gesang bei Henrik Siffert an der Cité de la musique et de la danse in Straßburg und seit 2006 an der Schola Cantorum Basiliensis bei Rosa Dominguez. Sie war zu Gast bei zahlreichen Festivals, darunter beim Musikfestival von Montepulciano. Bereits 2008 debütierte sie als Einspringerin in DIE OLYMPIADE von Vivaldi beim WINTER IN SCHWETZINGEN. Noch während seiner ersten Karriere als Trompeter begann Countertenor Yosemeh Adjei ein Gesangsstudium an der Musikhochschule in Köln bei Kai Wessel, Andreas Scholl und Thomas Quasthoff. Er ist u. a. Preisträger des Wettbewerbs für Alte Musik in Brügge und sang die Titelpartie in EZIO bei den SCHWETZINGER FESTSPIELEN 2009, Artemis in PHAEDRA in Heidelberg und Licinius in SPARTAKUS beim WINTER IN SCHWETZINGEN in der vergangenen Spielzeit. 36 37 bajazet Andronico Amadeu tasca Aaron judisch Der brasilianische Bariton Amadeu Tasca studierte Gesang an der Universität von São Paulo in der Klasse von Márcia Guimarães. Danach absolvierte er an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst ein Masterstudium bei Hedwig Fassbender. In Heidelberg war er bereits in Minoru Mikis AI-EN zu hören und übernimmt in dieser Spielzeit als festes Ensemblemitglied u. a. Mars in ORPHEUS IN DER UNTERWELT, Papageno in DIE ZAUBERFLÖTE, Montano in OTELLO und Johnston in der Uraufführung VOM MEER. Der Tenor Aaron Judisch wurde in Iowa geboren und absolvierte seine Gesangsausbildung am Luther College und an der Northwestern University in Chicago. 2001-2003 arbeitete er am Houston Opera Studio. Er war bereits von 2004-2007 Mitglied des Opernensembles in Heidelberg. In der vergangneen Spielzeit war er u. a. als Choukei in AI-EN zu erleben. In dieser Spielzeit singt er Orpheus in ORPHEUS IN DER UNTERWELT und Cassio in OTELLO. 38 39 Essay bajazet, der unbeugsame braucht, wenn er schließlich zur Vernunft kommt, nicht zu fürchten, dass sie ihn kalt lächelnd abfahren lässt – aus politischer Klugheit vergißt sie, was war. Dahinter steht die zeitlos gültige Einsicht, dass Verwandte, Kollegen, Nachbarn – auch benachbarte Staaten –, zwischen denen es gehörig gekracht hat, in der Regel nicht umhin können, sich früher oder später zu versöhnen, oder wenigstens zu arrangieren, weil man aufeinander angewiesen ist. von Albert Gier Die barocke Opera seria hat durchaus Anteil am optimistischen Geist der europäischen Aufklärung. Tragik scheint nicht mehr möglich, im Allgemeinen enden die Geschichten glücklich, weil das Unglück oder Unrecht, das den positiven Figuren widerfährt, selten irreparabel ist: Der Herrscher verzichtet darauf, seine unterlegenen Widersacher zu bestrafen, und verzeiht ihnen großmütig – zumindest wenn er eine Chance sieht, sie so auf seine Seite zu ziehen. Ein Fürst, der in blinder Leidenschaft für eine oft nicht standesgemäße Schönheit die ebenbürtige Braut verlassen und schwer gekränkt hat, 40 Wie das geht, führen in Agostino Piovenes Libretto Bajazet, als Tamerlano erstmals 1711 von Francesco Gasparini vertont, der Tatarenfürst Tamerlan, sein griechischer Verbündeter Andronico, Irene, die Erbin des Kaiserreichs Trapezunt, und Asteria, die Tochter des türkischen Sultans Bajazet, vor: Tamerlan, der Begründer des Zweiten Mongolenreichs, hat die Osmanen in der Schlacht bei Ankara 1402 besiegt, den Sultan gefangengenommen, seinen Sohn vermeintlich erschlagen. Asteria hat sich in einen der Feinde verliebt – allerdings nicht in den Mörder ihres Bruders, sondern in Andronico. Tamerlano wiederum ist von Asteria bezaubert; ihretwegen will er sei41 ner Braut Irene, die ihm das Reich von Trapezunt an der Schwarzmeerküste als Mitgift brächte, den Laufpass geben. Da Tamerlano zunächst unwissentlich Andronicos Rivale wird, droht ihre Freundschaft zu zerbrechen. Asteria gibt Tamerlanos Werben scheinbar nach, erstens um Andronico zu bestrafen, den sie für untreu hält, zweitens um Tamerlano in der Hochzeitsnacht zu ermorden. Zuletzt freilich kommt alles wieder in Ordnung: Tamerlano heiratet Irene, die ihm nichts nachträgt, und überlässt Andronico nicht nur Asteria, sondern abweichend von den historischen Fakten den Thron von Byzanz. Zu diesem Konflikt und seiner Lösung gibt es in der Oper des 18. Jahrhunderts zahllose Parallelen: Händels Serse und Pietro Metastasios vielfach vertontes Olimpiade-Libretto funktionieren genau gleich. Im übrigen hat Metastasio in seinen Opernbüchern von Ezio über Adriano in Siria bis zur Clemenza di Tito vergleichbare Konstellationen herauf- und herunterdekliniert, oft als Dreieck, ohne eine Irene vergleichbare Rolle. 42 Gegen diese durchaus konventionelle(n) Liebesgeschichte(n) in Piovenes Libretto sticht nun allerdings die Figur des Sultans Bajazet eklatant ab. Der historische Bayezid I. geriet 1402 bei Ankara in Gefangenschaft und starb wenig später. In späteren Chroniken heißt es, Tamerlan, sicher einer der schlimmsten Blutsäufer aller Zeiten, habe ihn sadistisch gequält, z. B. als Schemel benutzt, um seinen Thron zu besteigen; das Libretto nimmt diesen Zug auf, obwohl Piovene in seiner Vorrede Zweifel an der historischen Richtigkeit von Tamerlans Grausamkeit äußert. Im Libretto ist Bajazet nicht bereit, das Vergangene vergangen sein zu lassen. Was er nicht akzeptieren kann, ist offenbar weniger die Niederlage selbst als die Schmach, von, so sieht er es, einer Horde halbwilder Nomaden besiegt worden zu sein. Im Libretto für Gasparini (1711) erklärt er Tamerlano: „Glück oder Unglück kann dir nicht deine unedle Abstammung, mir nicht meine Größe nehmen“; dieser „Hirte“, wie er ihn nennt, ist für ihn einfach nicht satisfaktionsfähig. 43 Folglich kommt eine Verbindung Tamerlanos mit Asteria – ein durchaus naheliegender Weg zur Versöhnung der Kriegsgegner – für Bajazet nicht in Frage. Mehr noch, der Gefangene provoziert bei jeder Gelegenheit den „Tyrannen“, gegen den man sich mit „Standhaftigkeit und Verachtung“ wappnen muss, wie er Asteria und Andronico erklärt. Bajazets durchaus bewundernswerte Unbeugsamkeit macht ihm das Weiterleben unmöglich. Solange er Tamerlans Autorität nicht anerkennt, kann der ihn nicht freilassen, und der Sultan wird nie lernen, die Gefangenschaft zu ertragen. Dass er schon in der ersten Szene, und danach immer wieder, davon spricht, sich das Leben zu nehmen, ist bezeichnend. Für das Publikum des 18. Jahrhunderts, das gewöhnt war, in Theaterstücken Beispiele für richtiges und falsches Verhalten dargestellt zu sehen, war der starrsinnige, stolze Bajazet ein Negativexempel. Die Sympathie der Zuschauer galt zweifellos jenen Figuren, die sich in einem Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, bzw. persönlichem Glücksstreben und Herrscherrolle, befinden: Asteria und Andronico. 44 45 Impressum Herausgeber Theater & Orchester Heidelberg Intendant Peter Spuhler Verwaltungsleiterin Andrea Bopp für dich weil du so gut aussiehst Barock-Fest WINTER IN SCHWETZINGEN Künstlerische Leitung BERND FEUCHTNER Redaktion tina hartmann Gestaltung Danica Schlosser Anzeigen Greilich / Neutard Ein herzlicher Dank an den für die Blumen zur Premiere. Nachweise 46 ww w.swhd.de Dass Heidelberg bei Nacht besonders gut aussieht, weiß eigentlich jeder. Wir hören es aber immer wieder gerne. Szenenfotos Markus Kaesler Alle Beiträge sind Originalbeiträge zu diesem Heft. www.theater.heidelberg.de Theater & Orchester Heidelberg 2010/11, Programmheft Nr. 9 VW, Audi, Skoda – einfach Bernhardt fragen! > Neuwagen, Gebrauchtwagen, Vorführwagen > Kauf, Leasing, Finanzierung > Inspektion, Service, Unfallreparatur, TÜV und ASU > Es ist Zeit, an ein neues Auto zu denken. Veredeltes Wasser für ein gesundes Leben Fondue – Zeit Ab November 2010 In den kalten Wintermonaten wird es bei uns warm und gemütlich: wir verwöhnen Sie mit einem erstklassigen Brühfondue mit Kalb- und Rindfleisch, gebratenem Gemüse, Drillingen, Brot und leckeren Saucen wie Cocktail- und Knoblauchdip. Freuen Sie sich auf einen geselligen Abend bei uns. Preis: 36,00 Euro für 2 Personen 69,00 Euro für 4 Personen Reservieren Sie unter 06221 917 55390 oder [email protected]. 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