Kann uns der Himmel auf den Kopf fallen? Außerirdische Einflüsse auf die Erde? Dr. B. Pfeiffer Institut für Kernchemie • • • • 1. 2. 3. 4. 5. Vorbemerkung über Astrologie Was ist Nukleare Astrophysik? Ist das nicht alles weit-weit weg? Kann das überhaupt einen Einfluss auf uns haben? Mögliche Einflüsse (z.T. hoch spekulativ): Kann uns der Himmel auf den Kopf fallen? Ist die Sonne wirklich friedlich? Die „Kleine Eiszeit“ Sind Sternexplosionen eine Gefahr? „Globale Erwärmung“, Teil eines Kreislaufs? Zusammenfassung, Ausblick 3rd VISTARS-JINA Workshop on Nuclear Astrophysics Russbach, March 11 – 18, 2006 1 Alexander The Great – Sources Arrian: Anabasis, Book Ia 4. ALEXANDER DESTROYS THE CITY OF THE GETAE – THE AMBASSADORS OF THE CELTS There ambassadors came to him from Syrmus, king of the Triballians, and from the other independent nations dwelling near the Ister. Some even arrived from the Celts who dwelt near the Ionian gulf. These people are of great stature, and of a haughty disposition. All the envoys said that they had come to seek Alexander’s friendship. To all of them he gave pledges of amity, and received pledges from them in return. He then asked the Celts what thing in the world caused them special alarm, expecting that his own great fame had reached the Celts and had penetrated still further, and that they would say that they feared him most of all things. But the answer of the Celts turned out quite contrary to his expectation; for, as they dwelt so far away from Alexander, inhabiting districts difficult of access, and as they saw he was about to set out in another direction, they said they were afraid that the sky would some time or other fall down upon them. These men also he sent back, calling them friends, and ranking them as allies, only adding the remark that the Celts were braggarts. In der Übersetzung von E.J. Chinnock (1893) Πτολεμαίος Α' Σωτήρ Lucius Flavius Arrianus Xenophon (c. 92-c. 175) stützt seinen Bericht über die Feldzüge Alexanders auf die Schilderungen der Offiziere Alexanders Aristobulus und Ptolemaios I. Soter. 2 Russbach06 BP Quod est superius est sicut id quod est inferius. Tabula Smaragdina Hermetis Trismegisti Als rational denkender Wissenschaftler (der ich zumindest sein möchte) glaube ich nicht an Astrologie. Das Leitmotiv „Wie oben, so unten“ bildet in abgewandelter Form jedoch die Basis der Astrophysik: Das kosmologische Prinzip Aristoteles lehrte in der Meteorologica, dass es eine klare Trennung zwischen sub- und supralunarem Bereich gibt: Nicht nur bestehen die Körper in beiden Welten aus unterschiedlichen Elementen (Erde, Wasser, Luft, Feuer – Äther), sondern sie folgen auch verschiedenen Naturgesetzen. Der außerirdische Bereich wird von den Göttern bewohnt, er ist daher vollkommen und unterliegt keinem Wandel. 384 – 322 v.Chr. 1473-1543 Russbach06 Ausgehend vom Kopernikanischen Prinzip ist es eine Grundvoraussetzung der Astrophysik, dass überall im Kosmos und zu allen Zeiten die gleichen Naturgesetze gültig sind. Als klassisches Beispiel sei genannt der Apfel, der Newton auf den Kopf fiel und der ihn auf den Gedanken brachte, dass der Fall des Apfels und die Bahnen der Planeten von ein und derselben Kraft bestimmt werden, der universellen Gravitation. Experimente im irdischen Labor lassen sich auf das All übertragen! BP 3 Tabula Smaragdina Hermetis Trismegisti Die geheime Arbeit des Hermes Trismegistos, des Einen und Dreifachen: Wahr ist es ohne Lügen, gewiss und aufs allerwahrhaftigste. Dasjenige, welches Unten ist, ist gleich demjenigen, welches Oben ist: Und dasjenige, welches Oben ist, ist gleich demjenigen, welches Unten ist, um zu vollbringen die Wunderwerke eines einzigen Dinges. usw. Dieser alchemistische Text entstand wahrscheinlich in der jüdischen Gemeinde im antiken Alexandria (gemäß arabischer Überlieferung). Der weitere Text beschreibt eine Reihe chemischer Operationen. Manche meinen, dass sie eine Anleitung für „Das große Werk“ sind, d.h. für die Umwandlung von unlauteren Metallen in Silber und Gold oder auch der Herstellung des „Steines der Weisen“. Hermes Trismegistos Interessant ist, dass das Motto „Wie unten so oben“ auch als Basis der Astrologie gilt. Es ist charakteristisch für die hermetischen „Wissenschaften“, dass alle Dinge miteinander in Verbindung stehen. Deshalb werden neue Erkenntnisse meist aus Analogieschlüssen gewonnen, und nicht durch Deduktion, ein Verfahren der modernen Wissenschaft. Der älteste Text findet sich im “Kitab Sirr al-Asrar” von Abd al-Qadir al-Jilani um 800, einem pseudo-aristotelischen Kompendium für Herrscher. Es wurde erstmals um 1140 von Johannes Hispaniensis ins lateinische übertragen: “Secretum Secretorum”. 4 Russbach06 BP Was ist Nukleare Astrophysik? Die Astronomie ist vielleicht die älteste Wissenschaft. Über viele Jahrtausende war ihr Hauptanliegen die Berechnung der Positionen der Wandelsterne (Planeten). Die Natur der himmlischen Körper galt als unerforschbar. Astrometrie Seit den Arbeiten von Kirchhoff und Bunsen gestattet die Spektralanalyse des Lichtes der Sterne ihre physikalische Natur zu ergründen: Astrophysik Seiten 161 - 189 Spätestens seit der Kenntnis des Erhaltungssatzes der Energie (um 1845) stellte sich die Frage nach den Energiequellen der Sterne. Atomare Verbrennungsprozesse und Energie aus der Kontraktion von Sternen erwiesen sich als unzureichend. Erst Einsteins berühmte Formel wies den Weg: Umwandlung von Masse in Energie bei Kernreaktionen. Nukleare Astrophysik Keplers Supernova 1604 Russbach06 Es fällt zwar nicht der Himmel auf unsere Köpfe, doch hin und wieder fallen Meteorite zur Erde. Sie enthalten Informationen über die chemische und isotopische Zusammensetzung der außerirdischen Materie. Kosmochemie Kohliger Chondrit Murchison 5 BP Hier kann die BILD keinen Anspruch auf Exklusivität erheben! Geht am Freitag, den 13. April 2029, die Welt unter? Asteroid rast auf Erde zu! Ist das der Tag des jüngsten Gerichts? Ein riesiger Asteroid (400 Meter) rast direkt auf die Erde zu. 2029 ist er da – am Freitag, den 13. April. Atombombe gegen Killer-Planeten Die schlimmste Waffe der Zerstörung – kann sie unseren Planeten retten? Wissenschaftler diskutieren, eine Atombombe gegen Apophis einzusetzen! Apophis könnte auf der Erde einen Krater von 100 Kilometern Durchmesser reißen, eine ganze Metropole komplett auslöschen. Kracht er ins Meer, würde er riesige Flutwellen auslösen – unzählige Tote, 400 Milliarden Dollar Schaden. Russbach06 Soweit die Sensationspresse! Doch was steckt wirklich dahinter? 6 BP (99942) Apophis (2004MN4) Apophis aus der Aten-Gruppe ist etwa 320 m groß, er umkreist die Sonne in 323.6 Tagen. Dank erster Radarmessungen ist nun sicher, dass er die Erde am Freitag den 13. April 2029 nicht treffen wird. Es wird allerdings mit 5.7 Erdradien (36350 km) arg eng. Er wird (von Europa) mit bloßem Auge (3.3m) sichtbar durch das Sternbild Krebs rasen: 48°/Std. (84 Monddurchmesser) Bei weiteren Vorbeiflügen wird die Bahn durch Radar genauer bekannt werden: 6.3.2021 16.9 Mio. km 9.1.2013 14.5 Mio. km Noch Unsicherheit für 15.9.2036 14.1 Mio. Km ? Anbringen eines Senders? Seth, Gott der Unterwelt, beschützt Ra vor Apophis, der Schlange des Chaos. Apophis Blut färbt Himmel rot. 7 Russbach06 http://neo.jpl.nasa.gov/news/news149.html BP (4719) Toutatis (4719) Toutatis Konstruiert aus Radarreflexen Teutates: The Overall God of the People/ Tribe, (Lord of Waters) Gundestrup, Denmark And those who pacify with blood accursed Savage Teutates, Hesus' horrid shrines, And Taranis' altars cruel as were those Loved by Diana, goddess of the north; Pharsalia, Buch I; (Bellum Civile) Marcus Annaeus Lucanus Nach den Basler Scholien werden die Teutates Geopferten in einem Kessel ertränkt. Dies zeigt wohl die Szene auf dem Kessel von Gundestrup. Russbach06 Ein häufiger Besucher ist Toutatis aus der Gruppe der Apollo-Asteroiden. 29.09. 2004 1.5 Mio. km 09.11. 2008 7.5 Mio. km 12. 12. 2012 7.0 Mio. km Er benötigt 4 Jahre und 2 Tage für einen Umlauf um die Sonne. Durch Radarmessungen ist die Bahn hinreichend bekannt, um einen Zusammenstoss in naher Zukunft auszuschließen. Nahe Vorbeiflüge der nächsten 33 Jahre http://cfa-www.harvard.edu/iau/lists/CloseApp.html 8 BP Impaktereignisse auf der Erde Meteor Crater, Arizona, 1.5 km, 49000 Jahre Bosumtwi in Ghana, 10 km, 1 Mill. Jahre Klimadatenarchiv Russbach06 Im Gegensatz zum Mond, bei dem man die größten Krater mit bloßem Auge sehen kann (Mann im Mond), sind auf der Erde bedingt durch Erosion nur wenige Krater zu sehen. In neuerer Zeit gab es einen bedeutenden „Einschlag“ in Sibirien, bei dem jedoch kein Krater entstand. Zur Abschätzung der Folgen eines Einschlags kann man Vulkanausbrüche heranziehen. Manicouagan-See, 70 km, Krater 150 km, 214 Mil. Jahre Chicxulub, Yukatan, 200 km, 65 Mil. Jahre Nördlinger Ries, 25 km, 15 Mil. Jahre Tunguska 30.6.1908 BP 9 VEI The VOLCANIC EMISIVITY (& Explosivity) INDEX gale = Orkan Klimaeinflüsse von Einschlägen lassen sich am Beispiel von Vulkanausbrüchen abschätzen, von denen es historische Aufzeichnungen gibt. Ein Maß dafür ist das Volumen der ausgeworfenen Asche, die in die Hochatmosphäre gelangen kann. Sturmtage in Edinburg, Schottland Der Mount St. Helens lieferte beeindruckende Filmaufnahmen, doch war er relativ bescheiden. Wir müssen nach VEI 6 bis 8 Ausbrüchen suchen: Krakatau, Tambora, Toba. 10 Russbach06 BP Größe der Magmablasen Die Eruption des Mt. St.-Helens am 18.5.1980 lieferte spektakuläre Aufnahmen, doch im Grunde war es nur eine kleine Eruption. Mit Krakatau und Tambora werden wir uns etwas näher beschäftigen. Russbach06 Magmablasen im Vergleich: Ganz links die Yellowstone-Eruption, die vor etwa 2,1 Millionen Jahren stattfand. Die Magmablase war damals 6.000 Mal größer als die, die den Ausbruch des Mount St. Helens 1980 auslöste (2. von rechts), der 57 Menschen tötete und Schäden im Wert von über einer Milliarde Dollar verursachte. Ganz rechts die Größe der Magmablase des Pinatubo-Ausbruchs, dessen Ascheauswurf 1991 die globale Temperatur um 0,5 Grad Celsius senkte. 11 BP Krakatau Am 26./27. 8. 1883 brach in Indonesien der Krakatau aus: 18 km3 Asche (VEI 6) An den direkten Folgen (wieTsunami) starben 36000 Menschen. Intensives Abendrot für viele Jahre. Eine Darstellung des Krakatau aus dem frühen 19. Jahrhundert Dieser Ausbruch ist vielen Menschen weltweit bekannt. Auch deshalb, weil es damals schon ein weltumspannendes Netz von Telegraphenleitungen gab. (“Queen Victoria’s Internet”) Caldera entstand ca. 416 A.D. (eher früher) 535 A.D. Kälteperiode mit Missernten, Beulenpest, Zerfall von Gupta-Imperium Edvard Munch „Der Schrei“ 1893 in Indien: möglicher Auslöser Vulkanausbruch, Krakatau? Ausbruch 1680 mit Klimafolgen: • 1683 Hurrikan in Neu-England-Staaten • 1684 Bodensee gefroren • 1683 Frostmarkt auf Themse Danach entstand der Krakatau der linken oberen Abbildung, von dem nur noch ein Rest übrig blieb. Seit etwa 1929 wächst ein neuer VulkanIn der eingestürzten Caldera wächst kegel in der Caldera: Anak-Krakatau (Kind des Krakatau). schon ein neuer Vulkan: Das Kind Frostmarkt 12 1683/84 Russbach06 BP „Das Jahr ohne Sommer“ - Tambora-Vulkan Ein ca. 300 m großer Asteroid könnte einen 6 km Krater hervorrufen. Was wären die Folgen? Thera / Santorini Der Tambora in Indonesien brach vom 10. bis 15. April 1815 mit einem VEI 7 aus. Etwa 180 km3 Asche wurden bis in die hohe Atmosphäre ausgestoßen. Es gab direkt etwa 15000 Tote. Mindestens weitere 100000 Menschen starben durch Missernten und Hungersnöte weltweit. Das Jahr 1816 ist als „Jahr ohne Sommer“, „Schneesommer“ in die Annalen eingegangen. Vergleichbar ist der Ausbruch des Thera-Vulkans in der Ägäis um 1650 v.Chr. Tambora 8 km Durchmesser 1.3 km Tiefe Die Klimafolgen der Thera-Eruption werden in alten chinesischen Aufzeichnungen beschrieben und scheinen mit zum Sturz der Xia und dem Aufstieg der Shang Dynastie beigetragen zu haben. Pompeii des Ostens? Minoisches Wandbild aus Akrotiri Russbach06 Man kennt die weltweiten Auswirkungen des Tamboras, da Kapitäne in dieser Zeit mehrmals am Tag die Wetterbeobachtungen in die LogBücher aufgenommen haben. Dies sind mit die ersten 13 weltumfassenden Wetterdaten. BP Ist die Saleh Bay die Caldera eines Supervulkans? Wieviele Krater sind allein auf diesem Bildausschnitt zu sehen? 14 Russbach06 BP Tambora - Inspiration für Künstler? J.M. William Turner Caspar David Friedrich Zwischen 1783 und 1835 Serie von großen Vulkanausbrüchen weltweit. Hoher Aerosol- und Aschegehalt der Hochatmosphäre. Intensives Abendrot, Verdunkelung der Sonne, „Verschleierung der Sterne“. Lässt sich in Bildern William Turners und der deutschen Romantiker nachempfinden. Zusätzlich zu den Vulkanausbrüchen gab es noch eine Phase verminderter Sonnenaktivität (Dalton-Minimum), die auch zu einer Abkühlung der Atmosphäre beitrug. Mehr dazu in einigen Minuten. Ungewöhnliches Abendrot wurde oft nach Vulkanausbrüchen beschrieben, so auch nach dem Krakatau-Ausbruch, das bei Edvard Munch so eindrucksvoll gezeichnet wurde. Anmerkung: Lord Byron hatte die Villa Diodati ausgewählt, weil Milton dort 1639 zu Gast gewesen war. Das Leitmotiv für Frankenstein ist von Milton übernommen. Russbach06 Das schlechte Wetter im Herbst 1816 am Genfer See führte eine Gruppe englischer Literaten zusammen, die sich zum Zeitvertreib Gruselgeschichten vorlasen. Matthew Lewis z.B. übertrug beim Rezitieren Goethes Faust ins Englische. Man beschloss dann, selber welche zu schreiben. Das Resultat: • Frankenstein von Mary Shelley, 1818 • The Vampyre von John Polidori, 1819 Did I request thee, Maker, from my clay To mould me man? Did I solicit thee From darkness to promote me? John Milton, Paradise Lost, x, 743-5 15 BP Tambora: Anstoß zu technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen? Manche meinen, dass Karl Drais zu seinem Veloziped angeregt wurde, da viele Pferde als Zugtiere geschlachtet werden mussten, da die geringe Getreideernte nicht mal für die Menschen reichte. Allerdings hatte er schon 1813 einen Wagen ohne Pferde vorgestellt, den man noch heute als (Eisenbahn-)Draisine kennt. Laufrad 1817 Für den Chemiker Liebig waren die Erinnerungen an 1816 Anstoß, sich mit den Bedingungen für Pflanzenwachstum zu befassen: „Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie“, 1840 Nach langen Feldversuchen fand er eine optimale Mineraldüngung, die den Ertrag der Felder steigerte, sodass keine gravierenden Hungersnöte mehr auftreten sollten. Siebte Auflage der „Agrikulturchemie“, 1862 Auch „Liebig‘s Fleisch-Extract“, der seit 1864 in Uruguay hergestellt wird, hatte den Zweck, Rindfleisch haltbar zu machen, sodass man es nach Europa transportieren konnte. Russbach06 Anmerkung: Bei der Berufung zum Professor wurde ihm erklärt, dass angewandte Forschung nicht zu seinen Aufgaben gehört! Justus von Liebig (1803-1873) Liebigs Fünf-Kugel-Apparat 16 BP Tambora - Nachwirkungen bis Heute Erstmals gefeiert wurde das Cannstatter Volksfest 1818. Gedacht als "jährlich am 28. September zu Kannstadt abzuhaltendes landwirtschaftliches Fest". Eine Abfolge von Missernten und Hungersnöten seit 1783 schien auf eine bleibende Klimaverschlechterung hinzudeuten, der man im Königreich Württemberg durch eine Förderung der Viehzucht auf Kosten des Weizenanbaus begegnen wollte. Deshalb richtete König Wilhelm I. auf Betreiben seiner Frau Katharina 1818 im leerstehenden Schloss Hohenheim eine landwirtschaftliche Versuchs-, Lehr- und Musteranstalt ein zur Entwicklung der Landwirtschaft. Diese Unterrichtsanstalt ist heute bekannt als Universität Hohenheim. Fruchtsäule auf dem Cannstatter Wasen Das Volksfest sollte die Anstalt bei den Bauern bekannt machen und http://de.wikipedia.org/wiki/Cannstatter_Volksfest ein Absatzmarkt werden. Bereits im ersten Jahr war das Volksfest ein großer Erfolg. Es wurde von weit mehr als 30.000 Gästen und Mitwirkenden berichtet. 17 Russbach06 BP Tambora - Mondfinsternis 10. Juni 1816 § 94, Seite 140: "Merkwürdig ist es, daß bisweilen der Mond bei totalen Finsternissen ganz verschwindet. Dies war der Fall in London 1816 am 10. Juni, wo Lee die benachbarten Sterne π und b Ophiuchi ganz deutlich, vom Monde aber keine Spur bemerkte. Erst eine Viertelstunde vor dem Aufhören der totalen Verfinsterung bemerkte er einen blassen Lichtschimmer, der nach und nach zunahm." "Aehnliches bemerkte bei derselben Finsterniß Eule in Dresden, obgleich er wechselweise in Zwischenräumen von etwa 1/2 Minute, den östlichen Rand des Mondes aufdämmern und wieder verschwinden sah. – Auch am 26. Januar 1823 haben einige Beobachter matte Spuren des Mondes, andre gar nichts gesehen, obgleich der Himmel in dieser Gegend heiter war." John Lee (1783-1865) Sattlermeister Johann Friedrich Eule (1751-1827 Totale Mondfinsternis 9.11.03 01:28 UTC mit 2 sec Belichtungszeit Aufnahme von Dr. U. Rieth AAG Mainz Ort: Paul-Baumann-Sternwarte bei Mainz Russbach06 18 BP Supervulkan Toba Sollte Toutatis auf einen Kontinent aufschlagen, gäbe es einen 100 km Krater. Das ist ein Supervulkan! Der letzte Supervulkan mit VEI 8 war Toba vor ca. 74000 Jahren. Der letzte davor ereignete sich vor 600000 Jahren, der Lava Creek Ausbruch im Yellowstone Park. Etwa 2800 km3 Asche führten zu einem „Vulkanischen Winter“ mit ca. 15°C Temperaturabsenkung. Es sind die kältesten 1000 Jahre der Würm-Eiszeit. Ob es mit einem Flaschenhals menschlicher Evolution mit Reduktion auf lediglich 5000 Individuen zusammenhängt, wird noch heftig diskutiert. Bruchzone Ursprung des Tsunamis vom 26.12.04 Subduktionszone Toba-See: 100 auf 30 km2 Russbach06 Der Yellowstone Park ist eigentlich längst fällig. Man sollte ihn noch rechtzeitig besuchen! BP 19 Übersicht über die Indonesischen Vulkane Figure 1. Tectonic setting of Indonesian islands, showing present-day motion (or subduction) of the Indo-Australian plate beneath the eastward moving Eurasian plate and the resulting volcanic centers of Krakatau, Tambora, Toba, and Merapi. (Adapted from Fig. 6-1 of Zeilinga de Boer and Sanders, 2002). 20 Russbach06 BP Massensterben am Kreide-Tertiär-Übergang Die Geschichte des Lebens auf der Erde ist gekennzeichnet durch langsame Evolution unterbrochen durch Massensterben (“punctuated equilibrium”). In den meisten Fällen werden sehr unterschiedliche Hypothesen vertreten: irdische Einflüsse wie Vulkanismus oder außerirdische wie Einschläge von Kometen oder Kleinplaneten. Jedem bekannt ist das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Mill. Jahren, das viel umfassendere Sterben am Perm-Trias Uebergang vor 215 Mill. Jahren ist nicht so populär. Die Trilobiten wurden Opfer der sibirischen Flutbasalte. Chicxulub Krater: ca. 200 km Durchmesser Russbach06 Weshalb nimmt man an, dass die Dinos von einem Asteroiden/ Kometen ausgelöscht wurden? This painting depicts an asteroid slamming into tropical, shallow seas of the sulfur-rich Yucatan Peninsula in what is today southeast Mexico. The aftermath of this immense asteroid collision, which occurred approximately 65 million years ago, is believed to have caused the extinction of the dinosaurs and many other species on Earth. 21 Credit: Donald E. Davis BP Hinweis auf außerirdische Ursachen für Sauriersterben: Iridium im KT-Übergang Gefiederter Tyrannosauroide Zur Zeit des Aussterbens der Dinosaurier treten gewaltige Mengen von Flutbasalten in Indien auf, die das Klima stark beeinflussten. Zeitgleich findet man weltweit eine Gesteinsschicht, die ungewöhnlich viel Iridium enthält. Der totale Gehalt ließe sich durch den Einschlag eines Asteroiden mit 10 km Durchmesser erklären, der einen 200 km Krater hervorruft: Chicxulub in Yukatan. Variation of Iridium across the K/T boundary. DSDP site 527, Walvis Ridge, South Atlantic Photograph of the Starkville South site, looking east, showing the position of the K-T boundary claystone interval about 6 ft above a 23-ft-thick point-bar sandstone. Arrow points to the K-T boundary claystone layer 22 Russbach06 L.W. Alvarez et al., SCIENCE 208 (1980) 1095 BP Der Einfluss von Hollywood Nachdem die Theorie, dass die Saurier durch einen Einschlag auf die Erde ausgelöscht wurden, von vielen Fachleuten anerkannt wurde, bemühten sich mehrere Gruppen von Astronomen im Grunde bescheidene Forschungsmittel für Suchprogramme zu erhalten. Politiker, die in Wahlperioden jedoch nicht in geologischen Zeiträumen denken, lehnten ab. Dann griff die Filmindustrie das Thema auf! Allein schon die Werbungskosten überstiegen die von den Astronomen gewünschten Mittel bei weitem. Die Filme wurden ein voller Erfolg! Viele der verunsicherten Zuschauer waren auch Wähler, die nun ihre Abgeordneten fragten, was denn gegen diese Gefahr unternommen wird. Und auf einmal war Geld kein Problem mehr. Manche schon ausgemusterte Teleskope wurden mit modernster Technik aufgerüstet und durchsuchen nun automatisch den Himmel. Waren z.B. von den besonders schwer zu findenden Aten-Asteroiden bis zum Jahr 1997 nur etwa 25 bekannt, so wurden allein im Jahre 2004 mehr als doppelt so viele entdeckt. Bei der Frage der Abwehr solcher Himmelskörper ist man trotz vieler Projekte dagegen noch nicht sehr weit. Russbach06 Deep Impact „trifft“ 9P/Tempel 1. 4. Juli 2005 23 BP Asteroiden im inneren Sonnensystem Jupiterbahn Marsbahn Erdbahn http://cfa-www.harvard.edu/iau/lists/... InnerPlot2.html InnerPlot.html Jeder grüne Punkt entspricht einem Kleinplaneten im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter, dessen Bahn der Erde nicht näher kommt. Die roten Punkte zeigen Kleinplaneten, die sich der Erde annähern können: NEO (Near Earth Objects). Das sind doch nicht wenige! Können wir uns dagegen wehren, anders als die Saurier? In vielen Sci-Fi-Filmen werden Flüge durch Asteroidengürtel gezeigt, wobei fast immer die Raumschiffe ständig anstoßen. Hier sieht es genauso aus, doch die Punkte sind viel größer als Asteroiden. Tatsächlich sind Asteroidengürtel fast leerer Raum! 24 Russbach06 BP Können wir Asteroiden/Kometen zerstören/ablenken ? ESA-Studie „Don Quixote“ Hidalgo rammt Asteroiden Sancho sucht nach Bahnänderung Einschlag des Impaktors auf Komet 9P/Tempel 1 von “Deep Impact” fotografiert. Im Hollywood-Film wird ein auf die Erde zurasender Körper durch Atombomben in viele kleine Teile zerfetzt. Doch ist dies eine intelligente Lösung? Zum einen weiß niemand so recht, wie diese Körper aufgebaut sind und zum andern fliegen die Bruchstücke auf der gleichen Trajektorie weiter: aus einer Granate werden Schrotkugeln. (Ein eifriger Befürworter dieser Techniken war natürlich Edward Teller, der “Vater der Wasserstoffbombe”.) Deshalb gibt es viele Vorschläge, Kometen/Asteroiden (über lange Zeiträume) aus ihrer Bahn soweit abzulenken, dass sie die Erde verfehlen. Interessant ist der Vorschlag eines “gravitational tractors”, der nur durch Schwerkraft mit dem Körper verbunden ist. Dieser Vorschlag soll auch Steuergelder für das “Project Prometheus”, nuklearelektrisch angetriebene Raumsonden, lockermachen. Die Mittel fließen sehr dünn, die erste Anwendung, JIMO (Jupiter Icy Moons Orbiter), verzögert sich immer mehr. Da kommt die Rettung der Menschheit sehr gelegen! Russbach06 Wegen Etatkürzungen hat die NASA das Projekt Prometheus gestoppt! 25 BP Doch hat alles außerirdische Ursachen? Diese „geheime“ Pentagonstudie missfällt Bush und Konsorten gewaltig. Sie wurde von Reagans „Star-Wars“-Experten „Yoda“ in Auftrag gegeben und die Wirtschaftsfachleute Schwartz und Randall sind stramme Konservative. Andrew „Yoda“ Marshall Schwartz und Randall beziehen sich auf das '8200-Year-Event' aus der Analyse eines grönländischen Eisbohrkernes. Die Temperaturen sind Werte über Grönland in °F und °C. Quelle: Pentagon-Report 'Imagining the Unthinkable'. "Im Zentrum von 'Katastrophenfilmen‘ muss es immer ein Körnchen Wahrheit geben, an dem sich das Publikum festhalten kann", erklärt Emmerich. Russbach06 26 BP Das “8200-Jahr-Ereignis” Eine Störung der thermo-halinen Zirkulation? Sowohl der Film als auch der Bericht gehen davon aus, dass ein Zustrom von Süßwasser (Schmelzwasser) in den Nordatlantik den Golfstrom als Teil eines weltumspannenden Wasserkreislaufs in kurzer Zeit zum Erliegen bringen kann. Dies geschah am Ende der letzten Eiszeit, und könnte wieder geschehen als Folge der Globalen Erwärmung. Es gibt auch die Vermutung, dass die “Kleine Eiszeit” durch Schmelzwasser zur Zeit des Mittelalterlichen Klimaoptimums verursacht wurde. Könnte sich das zyklisch wiederholen? The global ocean circulation system, often called the Ocean Conveyor, transports heat throughout the planet. Orange sections represent warm surface currents; blue represents deep cold currents. Freshening of the North Atlantic may cause a deflection of north-flowing warm currents, possibly causing a regional cooling over the North Atlantic, in western Europe, and eastern North America. (From the Intergovernmental Panel on Climate Change) 27 Russbach06 BP Jüngere Dryas und der Untergang des Akkadischen Reiches Sozio-ökonomische Folgen von Klimaschwankungen Dryas octopetala Das Musterbeispiel für extrem schnelle Klimaänderungen ist die Jüngere Dryas. Nachdem vor 15000 Jahren die Eiszeit vorüber schien, fielen die Temperaturen vor 12800 Jahren innerhalb eines Menschenlebens wieder fast auf Eiszeitwerte und verblieben so während ca. 1200 Jahren, um dann ebenfalls in kürzester Zeit wieder anzusteigen.( Aus dramaturgischen Gründen verkürzt Emmerich das auf eine Woche!) Seitdem hat es mehrere Kälteeinbrüche gegeben, glücklicherweise nicht so extrem. Einer war das 8200-Jahr Ereignis. Aus diesen frühen Zeiten gibt es allerdings wenig Anhaltspunkte, welche Folgen dies auf menschliche Gesellschaften hat. Vor 4300 Jahren hatte Sargon das erste Imperium erobert, das sich von Persien bis ans Mittelmeer erstreckte. Schon bald darauf kollabierte es. Archäologische Funde z.B. in Syrien legen die Vermutung nahe, dass es mit einer weiteren Kälteperiode zusammenhängt. Sie führte zu einer jahrzehntelangen Dürreperiode, die selbst mit künstlicher Bewässerung nicht zu beherrschen war. Die akkadischen Siedlungen im syrischen Raum wurden mit meterdicken Sandschichten zugeweht. Die Bevölkerung Sargon von Akkad floh zum Unterlauf von Euphrat und Tigris. ca.2334-2279 v.Chr. Die Rückbesiedlung begann erst viel später durch seminomadische Gruppen, darunter vielleicht auch ein Abraham aus Ur in Chaldäa (hochspekulativ!!!). Sandeintrag in den Golf von Oman Extrem lange Dürreperiode führt zu Winderosion Zugleich zerbrachen das Altägyptische Reich und die Indus-Kultur. Für Ägypten sind lange Trockenperioden historisch und geologisch belegt. Der Zusammenbruch jeglicher Ordnung zeigt sich in Berichten über Kannibalismus. Ein weiterer Kälteeinbruch endete gerade mal vor 150 Jahren: „Die Kleine Eiszeit“ Diese Bronzebüste wurde 2003 aus dem Museum in Bagdad geplündert, da die US-Truppen die Sicherung des Ölministeriums als eine vordringlichere Aufgabe ansahen. BP Russbach06 28 Welchen Einfluss könnte die Sonne auf das Klima haben? Man nimmt eigentlich an, dass die Sonne jahrein-jahraus friedlich vor sich hinscheint und immer die gleiche Leistung abgibt (Solarkonstante 1367 W/m2). Man kann nun einige Szenarien untersuchen: • • • Die Sonne gibt tatsächlich immer die gleiche Energiemenge ab, doch kommt bei der Erde nicht immer die gleiche Menge an: Milanković-Zyklen Der Energieausstoß der Sonne ist variabel: Sonnenfleckenzyklen. Auf die Atmosphäre der Erde trifft der gleiche Energiestrom, doch unterschiedliche Anteile werden durch die Atmosphäre gelassen: Wolkenbedeckung Damit es nicht zu einfach wird, können sich die Effekte natürlich überlagern, gegenseitig verstärken oder abschwächen. Und die anderen Effekte, die wir zuvor betrachtet haben, wie Vulkanismus oder die Meeresströmungen können auch noch mitspielen. Satellitenmessung der „Solarkonstanten“ Überlagert Schwalbe-Zyklus Die Menschen verlangen immer nach möglichst einfachen Problemlösungen. Ich kann keine für das Klima anbieten. Und wer solche vorstellt, wie Kohlendioxid als einziger Verantwortlicher, der täuscht sich und alle anderen! Russbach06 29 BP Wetterkapriolen - Klimaänderung Im Gegensatz zum täglich wechselnden Wetter beschreibt das Klima großräumige Trends gemittelt über lange Zeiträume. Kleinere Vulkanausbrüche und Einschläge führen i.A. nur zu kurzfristigen Wetteränderungen. Nach Ursachen für Klimaänderungen muss man woanders suchen. εγχλιμα Schon im Altertum erkannte man, dass das Klima von der Sonne abhängt, und zwar von dem Winkel der einfallenden Strahlen und der Länge der Tage. Die geographische Breite eines Ortes (von den frühen griechischen Naturphilosophen „Enklima“ – „Wölbung des Himmels“ genannt) bestimmt wesentlich das Klima. Auch die Einteilung in Klimazonen geht schon auf die Griechen zurück. Enklima: Abstand Zenit – Himmelsäquator gleich Abstand Beobachter vom Erdäquator als Kreisbogen. Später geographische Breite im Gradmaß 30 Russbach06 BP Milanković-Zyklen Die Wettermaschine wird durch die Sonneneinstrahlung angetrieben. Langfristig schwankt die Solarkonstante selbst bei unveränderter Energieabstrahlung der Sonne, da die Erdbahn und die Neigung der Erdachse durch die anderen Planeten beeinflusst wird. Milutin Milanković (1879-1958) Russbach06 Die Klimageschichte der letzten 400.000 Jahre ist uns z.B. aus einem Eisbohrkern bekannt, der an der Station Vostok in der Antarktis gezogen wurde. Wir sehen, dass es im Abstand von etwa 100.000 Jahren Eiszeiten und Warmzeiten gab. Die Hauptursache hierfür liegt in der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, die zwischen einer fast kreisförmigen und einer ausgeprägt elliptischen Bahn schwankt. Der Wechsel dauert etwa 100.000 Jahre. Man nennt ihn Milankovitch-Zyklus. Dies ist gewissermaßen auch ein außerirdischer Einfluss. 31 BP Der Shou Shi Kalender 1281 Guo Shouijing (1231-1314) Kaiser Shizu (frühe Yuan Dynastie) ließ 27 „High-Tech“-Observatorien für eine Kalenderreform erbauen. Zur Ausstattung gehörten eine Wasseruhr, Armillarsphären und Spezialinstrumente zur Beobachtung von Meridiandurchgängen heller Sterne. Die Messungen wurden von Guo Shoujing (1231-1314) und Wang Xun (1235-1281) koordiniert und ausgewertet. Die außerordentliche Präzision der Daten lässt sich an zwei Werten ablesen: • Lunation: 29,530591 Tage (besser als eine Sekunde) Ancient star observatory at Gao Cheng (Dengfeng city) •Jahreslänge: 365 d 5 h 49 min 20 sec (Trop. Jahr 2000 35 Sek. kürzer; 1281?) Laplace verglich die Werte mit seinen Berechnungen: “The observations made from 1277 to 1280 are valuable on account of their great precision and prove incontestably the diminution of the obliquity of the ecliptic and the eccentricity of the earth’s orbit between then and now.” J. Needham: “Science and Civilisation in China” Cambridge UP, vol. 3, p. 398 (1954) 32 B.P. 2006 Wann kommt die nächste Eiszeit? Milanković stützte seine Berechnungen (ohne Computer jahrelange mühsame Plackerei) auf die Arbeiten von Laplace. Jetzt weiß man, dass die quasi-periodischen Störungen der Erdbahn zum einen noch viel komplexer sind (doch hat man jetzt Computer) und zum andern gelten sie immer nur für einige Millionen Jahre. Wir befinden uns gerade in einer Zwischenwarmzeit, die am Ende des 100000-Jahre Zyklus liegt. Nach den alten Rechnungen könnte die Eiszeit in etwa 16000 Jahren einsetzen. Doch entsprechen die Bahnparameter nicht denjenigen vor 100000 Jahren, sondern denen vor 400000 Jahren. Damals währte die Warmzeit besonders lang. Die neuesten Berechnungen gehen davon aus, dass der Beginn der Eiszeit noch etwa 50000 Jahre auf sich warten lässt. Schlechte Nachrichten für die Skipisten! Doch sollte man nicht vergessen, dass die schon relativ lange anhaltende Warmzeit, die von keinen katastrophalen Kälteeinbrüchen unterbrochen wurde, es dem Homo sapiens erst ermöglichte, Technologie und Kultur auf eine zuvor nie erreichte Stufe zu heben. 33 Russbach06 BP Ist die Sonne wirklich friedlich? Ist sie der Ofen, der uns immerfort mit gleicher Energie versorgt? Der Sonnenwind (Protonen und Atomkerne) ist ein Hauptbestandteil der Kosmischen Strahlung. Er kann Satelliten ausschalten, Kommunikation beeinträchtigen, Stromnetze beschädigen, Rosten von Pipelines beschleunigen, usw. Aurora 30.10.2003 Michael Schmidt, Rheinhessen Der Sonnenwind wird allerdings von der Atmosphäre der Erde abgeschirmt, und zwar in großen Höhen. Trotzdem ist schon lange bekannt, dass einige Wetterphänomene sich mit der Periode der Sonnenfleckenzahlen ändern. Aurora über Manicouagan Impaktkrater in Kanada (Don Pettit, Wissenschaftsastronaut, ISS) Russbach06 Der Mechanismus war (und ist) rätselhaft! 34 BP Längerwirkende extraterrestrische Einflüsse Die “Kleine Eiszeit” (ca. 1300 – ca. 1850) Bald nach den 1. (europäischen) Sichtungen von Sonnenflecken um 1610 wurden für ca. 80 Jahre fast keine mehr beobachtet. Das gilt auch für Nordlichter in mittleren Breiten. Dies wird heute das Maunder Minimum genannt. Gleichzeitig berichten die alten Chroniken von ungewöhnlich langen und harten Wintern und kalten, verregneten Sommern mit schlechten Ernten. Aus Messungen der Konzentration von Radio-Karbon lässt sich schließen, dass es vor dem Maunder Minimum fast übergangslos das Wolf und Spörer Minimium gab. Diese Periode wird “Kleine Eiszeit” genannt und begann (nach manchen Autoren) zu Beginn des 15. Jahrhunderts oder sogar schon um 1290. Davor gab es das Mittelalterliche Klimamaximum, das es (als Beispiel) um 1000 AD den Wikingern gestattete auf Grönland und sogar in Nordamerika zu siedeln. Wikinger auf Neufundland Russbach06 Erleben wir gerade die Rückkehr zu diesen Klimabedingungen? 35 BP Peter Brueghel d. Ä. (c. 1525 – 1569) Jäger im Schnee 1565 36 Russbach06 BP Hendrick Avercamp (1585-1663) Diese und entsprechende Bilder anderer niederländischer Künstler entstanden gegen Mitte des 17. Jahrhunderts, dem Beginn des Maunder Minimums, der kältesten Periode der Kleinen Eiszeit. Sie sind aber nicht auf Europa begrenzt! 37 Russbach06 BP Frühe Chi’ing (Qing) Dynastie Wang Hui (1632-1717) Landschaft mit Schnee Russbach06 Tangfischer Gong Xian (1620-1689) Winterliches Gebirge 38 BP Gesellschaftliche Folgen der Kaltzeiten Diese Winterbilder sind heute beliebt als Motive für Weihnachtskarten; damals Missernten, Hungersnöte, Epidemien, Kriege, Hexenwahn • 30 Jähriger Krieg • 1. Commonwealth • 1657 Carl X marschiert über gefrorene Ostsee • Irokesen-Krieg • Ming (1368-1644) durch Qing (1644-1912) ersetzt Wetterzauber durch zwei Hexen Hexenverbrennung um 1555 Entgegen allgemeiner Auffassung wurden die meisten Hexen/Hexer nicht im „Finsteren Mittelalter“ sondern im ach so aufgeklärten 17. Jahrhundert verbrannt. In den meisten Akten der Hexenjäger wird die Befragung nach Wetterzauber erwähnt. Selbst die „Gebildeten“ konnten sich die Ereignisse nur durch satanische Mächte erklären. Die durch lange Hungerperioden geschwächten Menschen hatten den Epidemien wie der Pest keine Abwehrkräfte entgegenzusetzen. Für viele gab es nur eine Hoffnung: Auswanderung Unsere Erwartungen einer „Weißen Weihnacht“ gehen z.T. noch auf das Ende der Kleinen Eiszeit zurück, genährt von Erzählungen wie dem „Christmas Choral“ von 1843. Russbach06 39 BP Intermezzo Aktive Sonne - Kosmische Strahlung Was ist die beste Reisezeit zum Mars? Entgegen der Intuition sollte man Raumflüge in einer Periode hoher Sonnenaktivität durchführen. Sonnenstürme kann man durch konstruktive Maßnahmen weitgehend abschirmen. Der hochenergetische Teil der Kosmischen Strahlung mit extrasolarem Ursprung ist besonders schädlich für unsere Zellen. Er lässt sich mit vertretbaren Mitteln nicht abschirmen. Scott E. Forbush Doch schon früh bemerkte man, dass die Intensität dieser hochenergetischen Strahlung während eines geomagnetischen Sonnensturms abnimmt. Der Solarwind nimmt auch Magnetfelder mit, die dann die geladenen Teilchen der Kosmischen Strahlung abschirmen. Hat das auch Bedeutung für das Klima? Russbach06 40 BP Einfluß auf das Klima? Beeinflussen Kosmische Strahlen die Wolkenbildung? • Sonnenaktivität beeinflusst Magnetosphäre (des Sonnensystems) • Fluss der kosmischen Strahlung dadurch moduliert • Hochenergetische Strahlen ionisieren Luft in geringen Höhen • Kondensationskeime für Wolken in ca. 3 km Höhe Temperatur im letzten Jahrhundert folgte Sonnenaktvität eher denn CO2 (Svensmark & Friis-Christensen 1997) Klimawissenschaftler kennen seit langem Korrelationen zwischen Klimadaten und der Sonnenaktivität. Unklar ist bis heute der genaue Wirkungsmechanismus. Auf eine Möglichkeit weist die Korrelation zwischen Kosmischer Strahlung und Wolkendichte hin, die mit dem Sonnenfleckenzyklus moduliert ist. 41 Russbach06 BP Kosmische (Höhen)strahlung Elektrometer Um 1900 nahm man an, dass die permanente Ionisierung der Luft durch die gerade entdeckte Radioaktivität verursacht werde. Aber auf dem Eiffelturm nahm die Ladung nicht ab. Viktor Hess unternahm dann 1912 Ballonflüge bis in 5 km Höhe, und fand eine Zunahme der Ladung. Der Ursprung musste also außerirdisch sein. Der Niederenergieteil kommt von der Sonne, hochenergetische Strahlung kann selbst von fernen Galaxien kommen. Entdeckung der Antimaterie: Positron Nobelvortrag Anderson 1936 V.F. Hess in Ballonkorb 1912 Nobelpreis 1936 Sekundärer Partikelschauer Russbach06 42 BP Nebel- und Blasenkammern Prinzip der Nebelkammer 24 GeV Proton in Blasenkammer, CERN Zum Nachweis von Strahlung kann man Nebeltröpfchen oder Gasblasen verwenden. Mit neuen Experimenten am CERN soll untersucht werden, ob die Kosmische Strahlung Wolken verursachen kann. Big European Bubble Chamber BEBC 30 t Flüssiggas 3000 km Film 1973 - 1984 Gargamelle (Mutter des Riesen Gargantua, Rabelais) 18 t Freon oder Propan Diese Blasenkammern sind Teil der Ausstellung Mikrokosmos am Forschungszentrum CERN bei Genf. Russbach06 Kolben der BEBC 3 pro Minute Bilder von Stefan Hennrich 43 BP Radiokarbon als Monitor für Intensität der Höhenstrahlung Mit radioaktiven Isotopen wie C-14 (5730 a) in Baumringen oder Be-10 (1.6 Mill. a) in Eisbohrkernen lässt sich Intensität der kosmischen Strahlung über lange Zeiträume bestimmen. Diese Schwankungen sind mit der Sonnenaktivität und dem Klima korreliert. 44 Russbach06 BP Russbach06 Klimaindikator Getreidepreis •Schon um 1800 bemerkte W. Herschel einen Einfluss der Sonnenfleckenzahl auf den Getreidepreis in England (vergl. mit A. Smith: „Reichtum der Nationen“). Man machte sich jedoch darüber lustig. •Intensität der kosmischen Strahlung (ermittelt aus Sonnenfleckenzahlen und Be-10 in Eisbohrkernen) wurde jetzt mit Getreidepreisen in England seit 1259 verglichen (http://xxx.lanl.gov/abs/astro-ph/0312244) „Frost Fair“ 1739/40 Maunder- DaltonMinimum Herschel beobachtete Sonnenflecken über 40 Jahre. Im Dalton-Minimum betrug die Periode bis zu 17 Jahre, sodass er die Periodizität nicht erkennen konnte. Seine Erklärung (Modulation der Strahlungsintensität durch variierende Abstrahlungsfläche) findet sich schon 1726 in Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“. BP 45 Gefahr für Leben auf der Erde durch SNe und GRBs? Immer wieder wird spekuliert, ob Massensterben auf der Erde durch kosmische Einflüsse ausgelöst worden sein könnten (Sauriersterben). Nahegelegene SNe oder gar GRB werden oft diskutiert. ! Trilobit Puppis A Vela Junior Nach einem Vorschlag soll die Strahlung zur Bildung von NO2 führen, das dann die Ozonschicht zerstört. Die ungefilterte UV-Strahlung führt dann zum Massensterben. In einem Eisbohrkern wurde eine Nitratschicht gefunden, die zeitgleich zu einer (optisch nicht beobachteten) nahen SN (Vela Junior) um 1300 im Sternbild VELA passt. 46 Ein südafrikanischer Astronom meint, eine der Stelen auf der Einfassungsmauer von „Great Simbabwe“ markiert diese SN (?). Russbach06 BP Russbach06 BP SNe in der Nähe des Sonnensystems Vor 2 Mill. Jahren war ein Teil der Sco-Cen OB-Assoziation nur 150 Lj von der Sonne entfernt, als dort ca. 10 SNe explodierten. Radioaktives Fe-60 (1.5 Mill. Jahre) konnte in Tiefseesedimenten nachgewiesen werden. Nach Pu-244 wird intensiv gesucht. Pliozän/Pleistozän-Übergang: Gab es Einfluss auf Entstehung der frühen Hominiden? Mutationen? Damals sank Temperatur um ca. 15°. Beginn der aktuellen Eiszeitepoche. Anpassung an Klima wahrscheinlicher! Anmerkung: Die Kosmische Strahlung trägt (seit Beginn des Lebens) zur natürlichen Strahlenbelastung bei. Mutationen mögen auch einen Einfluss auf die Evolution (gehabt) haben. 47 Wurden die Mammuts von einer Supernova ausgerottet? Voriges Jahr sah ich in BILD (und auch in seriösen Publikationen) die Ankündigung eines Vortrages des bekannten Kernchemikers Firestone und des Geologen West, in dem sie die Behauptung aufstellen, die Mammuts wären von Kometen ausgelöscht worden, die sich aus der Explosionswolke einer nahen Supernova gebildet hätten. Als Beweis führen sie kleine Eisenkugeln auf, die zusammen mit Mammutskeletten an Siedlungsplätzen der Clovis-Kultur gefunden wurden. Einen weiteren Hinweis liefern kurzzeitig stark erhöhte Konzentrationen von Radiokarbon in Sedimenten, die durch eine erhöhte Intensität der Kosmischen Strahlung nach einer Supernova auftreten können. Radiocarbon peaks in Icelandic marine sediment samples, indicated by the black line, coincide with three supernovacaused events that Firestone and West believe led to the extinction of the mammoths. Credit: Berkeley Lab Bis jetzt ist es Firestone noch nicht gelungen, eine erhöhte Konzentration des radioaktiven Fe-60 nachzuweisen, das bei einer Supernova-Explosion gebildet wird. Dieses sehr schwer nachzuweisende Isotop konnte von Garchinger Forschern in 2 Millionen Jahren alten Ozeansedimenten gefunden werden. Damals ereigneten sich einige Sternexplosionen relativ nahe zur Erde. Ohne den Nachweis der radioaktiven Isotope steht die Hypothese auf schwachen Füßen! Hier arbeiten Kernphysik/-chemie und nukleare Astrophysik Hand in Hand, 48 um evtl. ein Problem der Paläologie zu lösen! BP Russbach06 Langfristiger Klimaeinfluss? Auslöser für Eiszeiten? •Passage der Sonne durch Spiralarme mit vielen SNe moduliert Fluss Galaktischer Kosmischer Strahlung •Klimaindikatoren scheinen korreliert zu sein? •Nahe Passagen der LMC führten zu intensiver Sternentstehung vor 0,3 und 2,2 Ga •Ursache für Eiszeiten? ftp://rock.geosociety.org/pub/GSAToday/gt0307.pdf Schon 3 Tage nachdem ich das gefunden hatte, meinte ein Journalist im „Presseclub“, dass man ja nichts unternehmen könne, da das ja alles überwältigende kosmische Ursprünge hätte. Doch sehr spekulativ! Keine Entschuldigung für Energieverschwendung! 49 Russbach06 BP Globale Erwärmung – nur eine vorübergehende Episode? Kalt- und Warmperioden wechselten seit mindestens 150000 Jahren ziemlich regelmäßig ab, etwa alle 1500 Jahre. Ist die heutige Erwärmung nur eine weitere Episode? Warm- Perioden Kalt- Calendar age in kyrs 50 Kleine Eiszeit Russbach06 BP Die Grünen Alpen? Die zurückweichenden Gletscher geben uralte Holz- und Torfstücke frei. Waren die Alpen früher sogar zeitweise eisfrei? Wie war es mit Hannibal und seinen Elefanten? Ist der Gletscherschwund ein neues Phänomen oder folgt er auch Zyklen? Pasterze-Gletscher auf dem Großglockner Rhônegletscher mit dem Hotel Belvedere am Furkapass im Kanton Wallis Schladminger und Hallstätter Gletscher am Hunerkogel in der Dachsteingruppe Um 1920 1938 1906 13.9.2003 2003 2003 Der Fund des Ötzi spricht allerdings dagegen, dass die gesamten Alpen betroffen sind. Russbach06 Puzzle aus dem Eis. Heft 21/2005 51 BP Aktivitätszyklen sonnenähnlicher Sterne Ob die abwechselnden Warm- und Kaltperioden nur durch Änderungen in der Sonne hervorgerufen werden, wird kontrovers diskutiert. Schwankungen in der Aktivität werden auch bei sonnenähnlichen Sternen beobachtet, jedoch gibt es (noch) keine Wetterberichte von eventuellen erdähnlichen Planeten um diese Sterne. Bei diesem Stern werden 2 Zyklen beobachtet, die etwa den Schwalbe- (11 Jahre) und Gleißberg-Zyklen (ca. 85 Jahre) der Sonne entsprechen. 52 Russbach06 BP Kann uns der Himmel auf den Kopf fallen? Außerirdische Einflüsse auf die Erde? • Ja, der Himmel kann und wird uns auf den Kopf fallen! Doch wann kann man (noch ? ) nicht voraussagen. Können wir im Gegensatz zu den Sauriern was dagegen unternehmen? Vielleicht. • Die Erde, das Sonnensystem, ja selbst die Milchstrasse existieren nicht völlig isoliert im Raum. Unaufhörlich prasseln Photonen, Neutrinos, hochenergetische Strahlung und Partikel auf uns nieder. Die Magnetfelder der Sonne und der Erde und die Atmosphäre fangen einen Großteil davon ab. Inwieweit dabei z.B. unser Klima beeinflusst wird, lässt sich noch nicht definitiv beantworten. • Auf keinen Fall darf man jedoch den vorschnellen Schluss ziehen, dass wir unbesorgt weiter Hasard mit der Atmosphäre spielen dürfen, da man eh nichts gegen kosmische Kräfte ausrichten kann. Auch der Mensch hat seinen Anteil und seine Verantwortung! 3rd VISTARS-JINA Workshop on Nuclear Astrophysics Russbach, March 11 – 18, 2006 53