ARTICULATA 2007 22 (2) - Thomas Fartmann | Biodiversität und

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ARTICULATA 2007 22 (2): 191–203
ÖKOLOGIE
Gibt es Unterschiede in der tages- und jahreszeitlichen Aktivität von
Tettigonia caudata und T. viridissima (Orthoptera: Tettigoniidae)?
Jens Schirmel & Thomas Fartmann
Abstract
As a part of a diploma thesis the phenology and diurnal activity of the two bushcricket species Tettigonia caudata and T. viridissima was studied in the Uckermark (Brandenburg, East Germany) in 2006. Phenology studies of larval stages
were conducted on 47 sampling sites belonging to 17 study patches. Each site
was visited between the end of April and mid-July during five times. Some larvae
were caught and kept. With the first appearance of adult bush-crickets, a survey
of stridulating male bush-crickets was carried out from July to September. For
this purpose, three transects (near Angermünde) were visited every ten days.
The singing activity of male bush-crickets during the day was studied on one day
in August. Between 11 a.m. and 9 p.m. every two hours all stridulating males
were counted at three sampling spots along a transect. The third Tettigoniaspecies, Tettigonia cantans, was included into the survey.
No striking differences in the phenology of Tettigonia caudata and T. viridissima
were detected. Yet, a stronger decrease in the population of T. caudata became
obvious at the beginning of August. Slight differences in daily singing activity
were found between the Tettigonia species. While the activity of T. cantans and
T. viridissima increased steadily until dusk, singing activity of T. caudata peaked
in the afternoon.
Zusammenfassung
In der Uckermark (Brandenburg) fanden 2006 im Rahmen einer Diplomarbeit zur
Habitatnutzung der beiden Heupferdarten Tettigonia caudata und T. viridissima
Untersuchungen zur tages- und jahreszeitlichen Aktivität statt. Zum Vorkommen
der einzelnen Larvenstadien im Jahresverlauf wurden 47 Probeflächen (ausgewählt auf 17 Untersuchungsflächen) von Ende April bis Mitte Juli an jeweils fünf
Terminen begangen. Zusätzlich wurden einige Larven auf den Probeflächen gefangen und in der Wohnung gehältert. Zählungen von stridulierenden Männchen
fanden ab dem Erscheinen der Imagines von Anfang Juli bis Anfang September
statt. Dazu wurden einmalig je Monatsdekade drei Transekte bei Angermünde
mit dem Fahrrad befahren und alle singenden Tiere erfasst. Die Tagesaktivität
von stridulierenden Männchen konnte exemplarisch an einem Termin im August
dargestellt werden. Zwischen 11:00 und 21:00 Uhr wurden zweistündlich Zählungen singender Männchen an drei Probepunkten entlang einer ausgewählten
Strecke durchgeführt. Hierbei konnte zusätzlich die dritte heimische Heupferdart
Tettigonia cantans mit erfasst werden.
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191
Im jahreszeitlichen Auftreten von Tettigonia caudata und T. viridissima konnten
keine wesentlichen Unterschiede erkannt werden. Auffällig war der Populationseinbruch von T. caudata Anfang August. Leichte Unterschiede konnten beim
Stridulationsverhalten im Tagesverlauf festgestellt werden: Während die Aktivität
von T. cantans und T. viridissima bis Sonnenuntergang (und danach) stetig anstieg, lag das Aktivitätsmaximum von T. caudata in den Nachmittagsstunden.
Einleitung
Aufgrund der Häufigkeit und weiten Verbreitung wurde das Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima) bereits häufig untersucht (z.B. OSCHMANN 1969, 1973, 1993a,
BROCKSIEPER 1976, SÄNGER 1977, INGRISCH 1979, 1981, SCHIEMENZ 1981, INGRISCH & BOEKHOLT 1982, ARAK & EIRIKSSON 1992, SCHUL 1994). Das Wissen
über Biologie, Ökologie und Verbreitung dieser Art ist dementsprechend groß.
Auch speziell zur Phänologie des Grünen Heupferds sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen (u.a. INGRISCH 1978, SÄNGER 1980, OSCHMANN 1993a,
SCHUL 1994, DETZEL 1998). Demgegenüber gibt es über das seltene und nur im
Nordosten Deutschlands vorkommende Östliche Heupferd (Tettigonia caudata)
kaum ökologische Grundlagendaten (z.B. bei SCHUL 1994, FARTMANN 1997a,
1997b, HAUPT 1994, 1997, MAAS et al. 2002, BELLEBAUM 2003). Angaben zum
jahreszeitlichen Auftreten des Östlichen Heupferds finden sich z.B. bei THORENS
& NADIG (1997), HAUPT (1997), BELLEBAUM (2003) und BAUR et al. (2006). Ein
Verbreitungsschwerpunkt von Tettigonia caudata in Deutschland liegt in der östlichen Uckermark im Nordosten Brandenburgs (FARTMANN 1997a). Hier besiedelt
die Art stets die gleichen Lebensräume wie das Grüne Heupferd (SCHUL 1994,
FARTMANN 1997b, HAUPT 1997, BELLEBAUM 2003). Als Teilaspekt einer Diplomarbeit (SCHIRMEL 2007) befasst sich die vorliegende Studie mit dem tages- und
jahreszeitlichen Auftreten der beiden Heupferdarten.
Untersuchungsgebiet und Witterungsverlauf
Das Untersuchungsgebiet ist eine agrarisch genutzte Offenlandschaft im Nordosten Deutschlands nahe der Grenze zu Polen (Brandenburg, Landkreis Uckermark) (Abb. 1). Nach SCHERF & VIEHRIG (1995) gehört es zur Nordbrandenburgischen Agrar-Platten-Großlandschaft mit fruchtbaren, lehmigen Grundmoränenböden und dem Ackerbau als dominierender Flächennutzung (FLADE et al. 2003).
Die Landschaft ist besonders durch ihre jungeiszeitliche Genese strukturell reich
gegliedert mit einem Vorkommen vieler wertvoller Biotope (FLADE et al. 2003).
Der mit Abstand größte Teil des UG zählt naturräumlich zum Uckermärkischen
Hügelland (MEYNEN & SCHMITHÜSEN 1961, SCHOLZ 1962). Weitergehende Beschreibungen zum UG sind SCHIRMEL & FARTMANN (2007a) in diesem Band zu
entnehmen.
Mit einer durchschnittlichen Temperatur im Januar von -0,9 °C und im August
von 19,0 °C sowie einem Jahresniederschlag von 536 mm (BÖER 1965) zählt das
UG zu den Trockengebieten Deutschlands. Für die Witterung im Untersuchungsjahr 2006 sind die Daten der Wetterstation Angermünde repräsentativ für das UG
(Abb. 2). Die Witterung hat Einfluss auf die Embryonalentwicklung, das jahres192
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zeitliche Auftreten und die Populationsdynamik der Heuschrecken. Trockenwarme Bedingungen gelten dabei für die meisten Arten als förderlich (INGRISCH &
KÖHLER 1998). Neben den Faktoren Temperatur und Niederschlag ist auch die
Anzahl der Sonnenstunden von Bedeutung, da insbesondere die Tettigoniinae
durch Sonnenbaden ihre Körpertemperatur regulieren können (INGRISCH & KÖHLER 1998). Kennzeichnend für die Witterung im Untersuchungsjahr 2006 waren
neben dem kalten und langen Winter vor allem die im weiteren Jahresverlauf
vorherrschenden zu hohen Temperaturen und zu geringen Niederschläge im Juni und Juli (1,6 bzw. 5,4 °C über dem langjährigen Mittel sowie ca. 22% bzw.
50% des üblichen Niederschlags). Demgegenüber war der August ausgesprochen niederschlagsreich: Während die Temperaturen im Bereich des langjährigen Mittels lagen, fielen rund 40% mehr Niederschlag (Originaldaten des Deutschen Wetterdienstes, schriftl. 2007).
Abb. 1:
Lage des Untersuchungsgebiets (grau) in Deutschland.
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193
100
25
20
a)
Temperatur
80
Niederschlag [mm]
15
Temperatur [°C]
b)
Niederschlag
10
5
60
40
0
20
-5
0
-10
Jan
Feb
Mär
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Jan
Dez
Feb
Mär
Apr
Mai
Monatsmitteltemperatur 2006
langjähriges Mittel
400
Abb. 2:
350
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
c) Sonnen
stunden
300
Sonnenstunden
a) Monatsmitteltemperatur,
b) Monatsniederschlag,
c) Anzahl der monatlichen Sonnenstunden im Untersuchungsjahr 2006 sowie die
langjährigen Mittelwerte (1961–1990) für
die Station Angermünde. Quelle: Originaldaten Deutscher Wetterdienst (2007).
Jun
Monatsniederschlag 2006
langjähriges Mittel
250
200
150
100
50
0
Jan
Feb
Mär
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Sonnenstunden 2006
langjähriges Mittel
Methodik
Jahreszeitliche Aktivität
Larven
Im UG wurden auf 17 Untersuchungsflächen (UF) insgesamt 47 Probeflächen
(PF, Größe ca. 500 m2) mit jeweils homogener Vegetationsstruktur abgegrenzt
(vgl. SCHIRMEL & FARTMANN 2007a i. d. Bd.). Die UF (Brachen, Säume, Wiesen)
beinhalten bzw. grenzen an gesicherte Fundorte von Tettigonia caudata (Angaben von FARTMANN 1997b, HAUPT schriftl. Mitt.,1997, BELLEBAUM mdl. Mitt., 2003,
TUMBRINCK schriftl. Mitt.). Ab dem 25. April fand auf den PF eine intensive qualitative Suche (Beobachtungen, Kescherfänge) nach Larven statt. Insgesamt wurde jede PF bis zum Erscheinen der Imagines an mindestens fünf Terminen
begangen (zweimalig im Mai und Juni sowie einmalig im Juli). Bei jedem Fund
einer Tettigonia-Larve wurde mit Hilfe einer Schieblehre das jeweilige Larvenstadium bestimmt (INGRISCH 1977). Da es bislang keinen Bestimmungsschlüssel
zur Unterscheidung der Larven aller drei Tettigonia-Arten gibt, erfolgte bei den
jungen Larven (bis 4. Stadium) zunächst keine Artbestimmung. Häufig ließen
sich die Arten jedoch anhand späterer Begehungen den PF zuordnen. Eine Art
konnte dann sicher zugewiesen werden, wenn nur diese bei den späteren
Begehungen in einer PF (bzw. in unmittelbarer Nähe) nachgewiesen wurde.
Kamen sowohl Individuen von Tettigonia caudata als auch von T. viridissima in
einer PF (bzw. in näherer Umgebung) vor, so konnten die Funde aus dieser
194
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ARTICULATA 22 (2)
Fläche nicht sicher zugeordnet werden. Ein Vorkommen der Zwitscherschrecke
Tettigonia cantans konnte auf Grund der feucht-kühleren Habitatansprüche der
Art bereits im Voraus ausgeschlossen werden. Zusätzlich wurden einzelne junge
Larven (1. bis 3. Stadium) aus den verschiedenen PF gefangen (maximal drei
Tiere pro PF) und gehältert, um möglichst genaue und lückenlose Angaben über
das zeitliche Auftreten der einzelnen Stadien machen zu können.
Imagines
Ab dem Erscheinen der Adulti wurden auf drei ausgewählten Transekten bei Angermünde (Bölkendorf-Neukünkendorf [B-N], Länge ca. 2,7 km; SchmargendorfAngermünde [S-A], ca. 1,5 km; Angermünde-Herzsprung [A-H], ca. 2,3 km) von
Juli bis Anfang September in jeder Monatsdekade Zählungen stridulierender
Männchen durchgeführt. An sechs bzw. sieben Terminen wurden alle singenden
Tiere von Tettigonia caudata und T. viridissima entlang des jeweiligen Transekts
erfasst. Die Befahrungen fanden bei trockenem Wetter zwischen 18:00 und
20:00 Uhr (MESZ) mit dem Fahrrad statt.
Tageszeitliche Aktivität stridulierender Männchen
Um das Stridulationsverhalten im Tagesverlauf zu beschreiben, wurde exemplarisch an einem Tag die Aktivität durch Zählungen singender Männchen erfasst.
Bei dieser Untersuchung konnte zusätzlich die Zwitscherschrecke als dritte im
UG vorkommende heimische Heupferdart mit einbezogen werden. Am 19. August wurden zwischen 11:00 und 21:00 Uhr (MESZ) zweistündlich an drei
Abschnitten entlang einer Strecke von Angermünde nach Henriettenhof alle stridulierenden Heupferde erfasst. Verhört wurde die Route an a) zwei Brachflächen
beiderseits einer Umgehungsstraße im Norden von Angermünde, b) einer von
Schilf dominierten Senke an der Bundesstraße B2 zwischen Angermünde und
Dobberzin und c) einer Brachfläche mit angrenzenden Säumen an der B2 bei
Henriettenhof. Die Dauer je Befahrung mit dem Fahrrad betrug ca. 30 Minuten.
Die Auswahl der Strecke erfolgte anhand vorheriger Begehungen und dem Wissen um das Vorkommen von jeder Art in mindestens zwei der drei Abschnitte.
Vor jeder Zählung wurde in Angermünde die Lufttemperatur mit einem Aspirationspsychrometer nach Aßmann gemessen. Das Gerät wurde in 2 m Höhe im
Schatten angebracht. Nach dem Aufziehen wurde die Temperatur nach ca. drei
Minuten Wartezeit (in mindestens 3 m Abstand) möglichst schnell abgelesen.
Ergebnisse
Jahreszeitliche Aktivität
Tettigonia viridissima
Die ersten Larven des Grünen Heupferds traten am 01.05. auf (Tab. 1). Die letzte Freilandbeobachtung einer Larve des 7. Stadiums gelang am 28.06., während
in der Larvenzucht die letzte Imaginalhäutung am 13.07. dokumentiert werden
konnte. Die Dauer der Larvalzeit betrug somit annähernd 74 Tage bei einer
durchschnittlichen Entwicklungszeit von 10,7 Tagen pro Larvenstadium. Dabei
war ein zeitlich einheitliches, wenig gestreutes Erscheinen der einzelnen Larvenstadien zu beobachten. Zu keinem Zeitpunkt konnten mehr als drei verschiedene
Stadien nachgewiesen werden (Tab. 1). Die Spannweite vom ersten bis zum
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letzten Auftreten eines jeden Larvenstadiums schwankte zwischen 11 (L1) und
25 (L7) Tagen.
Die ersten Imagines konnten am 28.06. beobachtet werden. Es handelte sich
dabei um ein Weibchen und ein Männchen auf einer Brachfläche in Angermünde. Die Ergebnisse der Befahrungen des Transekts A-H zeigen eine eindeutige
Abnahme der Aktivität oder Individuenzahl im Verlauf des Jahres. Bei der Befahrung vom 11.07. wurden 28,7 Individuen pro km (Maximum) gehört, bei der letzten am 06.09. waren es 3,0. Ähnliche Ergebnisse liegen aus dem Transekt S-A
vor. Auch hier lag die maximale Aktivität in der zweiten Julidekade. Keinen eindeutigen Trend zeigen hingegen die Ergebnisse der Zählungen entlang der Strecke B-N: Die höchsten Werte wurden hier in der 3. Juli-, 3. August- und 1. Septemberdekade erreicht (8,5, 10,4 bzw. 8,5 Ind./km). Allen Transekten gemein
sind geringe Anzahlen stridulierender Männchen in der ersten und zweiten
Augustdekade (Abb. 3).
Tettigonia caudata
Der erste Larvenfund gelang am 10.05. am Landgraben in Schwedt. Die L2Larve (Weibchen) wurde für weitergehende Versuche gefangen. Weitere sicher
zuzuordnende Fänge konnten am 18.06. von einer L5-, und am 19.06. von einer
L6-Larve (beides Männchen) gemacht werden. Zudem gelangen am 21.06. zwei
Zufallsfunde von L6-Larven (Männchen) in Schwedt, außerhalb der UF. Alle Angaben für die Zeiträume dazwischen stammen ausschließlich von dem Weibchen
aus der Zucht (Tab. 1).
Adulte Östliche Heupferde konnten erstmals am 02.07. stridulierend wahrgenommen werden. Die Befahrungen zeigen ein Aktivitätsmaximum in allen Transekten
in der zweiten bzw. dritten Julidekade. Zu diesem Zeitpunkt konnten entlang der
Strecken B-N 7,0 Ind./km bzw. A-H 7,8 Ind./km verhört werden. In der ersten Augustdekade sanken die Zahlen auf 0 Ind./km bzw. 1,3 Ind./km ab und blieben bis
zum Ende der Untersuchung auf niedrigem Niveau (Abb. 3.). Entlang der gesamten Strecke S-A konnten nie mehr als drei Tiere (= 2 Ind./km) erfasst werden.
Tageszeitliche Aktivität stridulierender Männchen
Die Witterung am Untersuchungstag (19.08. 2006) war trocken und sonnig. Die
Temperatur stieg von 24,2 °C um 11:00 Uhr bis auf ein Maximum von 28,0 °C
um 15:00 Uhr an. Bei der letzten Messung um 21:00 Uhr betrug sie 20,3 °C
(Abb. 4). Sonnenuntergang war um ca. 20:45 Uhr.
Das Östliche Heupferd kam in den Zählabschnitten a) und c), die Zwitscherschrecke in a) und b) vor. Das Grüne Heupferd war in allen drei Bereichen zu
hören. Ab Mittag bzw. frühen Nachmittag begannen alle drei Heupferdarten zu
singen (Abb. 4). Bei Tettigonia cantans und T. viridissima konnte eine kontinuierliche Zunahme der Aktivität festgestellt werden. Während um 15:00 Uhr drei singende Tiere der Zwitscherschrecke vernommen wurden, waren es um 21:00 Uhr
neun. Beim Grünen Heupferd konnten um 15:00 Uhr drei, um 17:00 Uhr bereits
20 und kurz nach Sonnenuntergang um 21:00 Uhr 31 Individuen gehört werden.
Dagegen wurde das Gesangsmaximum von Tettigonia caudata mit zehn gehörten Individuen um 17:00 Uhr erreicht. Um 19:00 Uhr konnten noch zwei und um
21:00 Uhr vier singende Männchen erfasst werden.
196
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Tab. 1: Übersicht über das jahreszeitliche Auftreten der Larvenstadien von Tettigonia
caudata und T. viridissima in den PF und in der Larvenzucht. Grau unterlegt ist
das Auftreten von T. viridissima, schraffierte Bereiche geben die Zeiträume an,
in denen T. caudata beobachtet werden konnte. * erstes bzw. letztes Datum
bezieht sich nur auf Funde von T. viridissima im Freiland bzw. Beobachtungen
während der Zucht. L1 bis L7 = 1. bis 7. Larvenstadium, Im = Imagines. Stichprobenumfang der Larvenstadien: L1 (Tettigonia caudata = 0 / Tettigonia viridissima = 52), L2 (1/31), L3 (1/59), L4 (1/18), L5 (1/15), L6 (4/32), L7 (1/18).
Mai
I
L1
1.5
Juni
II
III
I
Juli
II
III
8.5
24.5
L3
15.5
L4
2.6
20.5
9.6
L5
3.6
26.6
L6
12.6
1.7
L7
19.6
13.7
Im
28.6
erstes bzw. letztes Datum*: 8.5
Tettigonia viridissima:
a) T. caudata
32
Anzahl stridulierender Männchen / km
Anzahl stridulierender Männchen / km
II
11.5
L2
28
24
20
16
12
8
4
0
I
II
III
Jul.
Abb. 3:
I
I
II
Aug.
III
I
Sep.
Tettigonia caudata:
b) T. viridissima
32
28
B-N
24
S-A
20
A-H
16
12
8
4
0
I
II
Jul.
III
I
II
Aug.
III
I
Sep.
Anzahl stridulierender Männchen von a) Tettigonia caudata (links) und b)
T. viridissima (rechts) im Verlauf des Sommers 2006 (Juli bis September).
Datengrundlage sind sieben bzw. sechs Befahrungen dreier Transekte: Bölkendorf-Neukünkendorf (B-N; Länge ca. 2,7 km), Schmargendorf-Angermünde (S-A; Länge ca. 1,5 km) und Angermünde-Herzsprung (A-H; Länge ca.
2,3 km). Angegeben ist die Anzahl singender Männchen pro Kilometer.
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197
Abb. 4:
Anzahl stridulierender Männchen von
Tettigonia cantans, T. caudata und T. viridissima in Bezug zur Tageszeit und Temperatur.
Diskussion
Jahreszeitliche Aktivität
Tettigonia viridissima
Die Larven der Tettigoniinae sind in
der Lage bereits bei einer geringen
Temperaturerhöhung zeitig im Frühjahr zu schlüpfen. Bedingt wird dies
durch die mindestens zweijährige Embryonalentwicklung mit der Finaldiapause im vollständigen Embryo (INGRISCH & KÖHLER 1998). Nach SÄNGER
(1980) beeinflussen auch Kälteperioden im Frühjahr den Schlupftermin
dieser Arten nur geringfügig. Auch im
UG gelangen, trotz der kalten und
feuchten Witterung im März (Abb. 2),
die ersten Funde der Tettigonia-Larven Anfang Mai (01.05.). Abhängig von geographischer Lage und den damit verbundenen klimatischen Verhältnissen können die Schlupftermine um einige Wochen variieren (OSCHMANN 1993b). SÄNGER
(1980) konnte bei Untersuchungen am Neusiedlersee im Burgenland die ersten
Larven von Tettigonia viridissima bereits Mitte März finden, während INGRISCH
(1978) erste Freilandbeobachtungen am Vogelsberg in Hessen Mitte April machte. In der Märkischen Schweiz (Brandenburg) konnte FARTMANN (1997b) die ersten Larven am 22. April nachweisen. Nach OSCHMANN (1993a) traten die ersten
Larven bei Versuchen in Thüringen im Mittel am 16.05. auf. Ähnliche Daten gibt
DETZEL (1998) für Baden-Württemberg an. Ein Erscheinen der Larven im UG ab
Anfang Mai ist somit deutschlandweit als durchschnittlich zu bezeichnen. Die in
der Uckermark nachgewiesene Larvalzeit der sieben Larvenstadien von Tettigonia viridissima beträgt ca. 10 Wochen. Diese Zeitspanne liegt im unteren Bereich
der Angaben bisheriger phänologischer Untersuchungen (vgl. INGRISCH 1978,
SÄNGER 1980, OSCHMANN 1993a). Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist stark witterungsabhängig und somit jährlichen Schwankungen unterworfen. Allgemein
beschleunigen trocken-heiße Bedingungen die Entwicklung (INGRISCH & KÖHLER
1998). Während der Mai 2006 etwas zu feucht war, bot der extrem warme und
trockene Juni den Larven hingegen optimale Entwicklungsbedingungen (Abb. 2).
Die Ergebnisse zeigen eine geringe Streuung bzw. Überschneidung der einzelnen Larvenstadien. Ein Vorkommen von maximal drei unterschiedlichen Larven198
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stadien zu einem bestimmten Zeitpunkt konnte bereits INGRISCH (1978) zeigen.
Ein Unterschied in der Entwicklungsgeschwindigkeit von Männchen und Weibchen (Protandrie) wie er z.B. von PONIATOWSKI (2006) bei Metrioptera brachyptera festgestellt wurde, konnte nicht beobachtet werden (vgl. auch INGRISCH
1978). Mit dem Erscheinen der ersten Imagines ab Ende Juni bzw. Anfang Juli
gibt es ein etwa zweiwöchiges gemeinsames Auftreten von Larven (L7) und Imagines (vgl. dazu INGRISCH 1978 und SÄNGER 1980). Die Zählungen entlang der
Transekte im Verlauf des Sommers lassen ein Aktivitätsmaximum Mitte Juli vermuten. Eine Abnahme der gesangsaktiven Individuen im August ist zum einen
auf die Mahd (direkte Verluste bzw. Zunahme der Prädation auf den offenen Flächen) der meisten angrenzenden Ackerflächen sowie auf die kühle Witterung in
diesem Monat zurückzuführen. Zu berücksichtigen sind dabei folgende mögliche
Fehlerquellen: Die Zählungen fanden zwischen 18:00 und 20:00 Uhr statt. An
besonders warmen Tagen mit milden Nächten erreicht Tettigonia viridissima
jedoch das Gesangsmaximum erst nach Sonnenuntergang (vgl. Angaben zur
tageszeitlichen Aktivität, siehe auch NIELSEN & DREISIG 1970, zit. in INGRISCH &
KÖHLER 1998). Möglicherweise suggeriert diese Tatsache ebenso wie die feuchtkühle Witterung im August eine geringere Aktivität bzw. ein geringeres Vorkommen als tatsächlich vorhanden war. Eine weitere Unsicherheit liegt in der hohen
Mobilität der Tiere. Inwieweit Männchen im Verlauf des Sommers Bereiche entlang der Transekte verlassen haben oder eingewandert sind, lässt sich nicht abschließend klären. Die sommerlichen Kartierarbeiten im gesamten UG bis Anfang September vermittelten nicht den Eindruck einer nennenswerten Abnahme
der Individuen. Für den Raum Brandenburg finden sich ähnliche Angaben zum
jahreszeitlichen Auftreten u.a. bei SCHUL (1994) und HAUPT (1997).
Tettigonia caudata
Trotz intensiver Suche konnten nur fünf sicher zuzuordnende Larven des Östlichen Heupferds gefangen werden. Die Funddaten aus dem Freiland sowie die
Zeitpunkte der Häutungen des Weibchens aus der Zucht lassen allerdings eine
zeitlich nahezu identische Larvalentwicklung wie beim Grünen Heupferd vermuten. Dafür spricht auch das annähernd zeitgleiche Auftreten der Imagines Anfang
Juli. In diesem Monat konnten entlang der Transekte die mit Abstand meisten
Nachweise von Tettigonia caudata erbracht werden. Ab Anfang August sank die
Anzahl drastisch ab und es konnten nur noch vereinzelt singende Männchen
erfasst werden. BELLEBAUM (2003) konnte für die östliche Uckermark ähnliche
Zeitangaben machen, während HAUPT (1997) im gleichen Gebiet erste Individuen Ende Juli entdeckte. THORENS & NADIG (1997) und BAUR et al. (2006) geben
für die Schweiz bzw. Österreich den August als individuenstärksten Monat an.
Dabei haben Mahd und Ernte einen entscheidenden Einfluss auf die Bestände
(vgl. NADIG 1981): Nach der letzten Getreideernte (etwa 01.08. Triticale und Hafer) konnten im gesamten UG nur noch vereinzelt individuenreiche Populationen
entdeckt werden. Im Gegensatz zu Tettigonia viridissima scheint das quantitative
Vorkommen des Östlichen Heupferds sehr viel stärker durch die Mahd beeinflusst zu sein. Hauptgrund für höhere Mahdverluste (Abb. 5) könnte neben der
fast ausnahmslos gramini- bzw. arbustikolen Lebensweise möglicherweise auch
eine geringere Vagilität sein. Letztere erscheint aufgrund der morphologischen
Ähnlichkeit (vor allem Flügellänge) zu Tettigonia viridissima und anhand eigener
ARTICULATA 22 (2)
[30.11.2007]
199
Beobachtungen (hochgeworfene Tiere flogen etwa
20 m) aber unwahrscheinlich (vgl. HAUPT 1997).
Ebenfalls könnte die feuchte Witterung im August
(etwa 40% mehr Niederschlag als das langjährige
Mittel) die Mortalität des an Sommertrockenheit
angepassten Östlichen Heupferds (INGRISCH 1988)
erhöht haben.
Abb. 5:
Vermutlich durch Mahdunfall verletztes Männchen von
Tettigonia caudata. Neben einer abgetrennten Hintertibia sind vor allem die Flügel samt Stridulationsapparat
stark verletzt worden. Dadurch bedingt verriet sich das
Tier durch einen ungewöhnlichen Gesang.
Tageszeitliche Aktivität stridulierender Männchen
Die tageszeitliche Stridulationsaktivität der Heuschrecken wird durch endogene
Faktoren bestimmt. Beeinflusst werden diese durch Unterschiede der Photoperiode, Licht-Dunkel-Wechsel und der Temperatur. Laubheuschrecken gelten
ursprünglich als nachtaktiv, eine Minimaltemperatur zur Stridulation ist jedoch
notwendig (INGRISCH & KÖHLER 1998). Nach NIELSEN (1972) beträgt diese für
Tettigonia viridissima 11 °C. Versuche von NIELSEN & DREISIG (1970) zeigten,
dass Männchen von T. viridissima in warmen Nächten nach Sonnenuntergang
(ca. 15 °C) ihr Gesangsmaximum erreichten, während sie in kühlen Nächten (bei
Sonnenuntergang ca. 12 °C) nicht stridulierten. Das Maximum lag dann am
Nachmittag (vgl. auch SCHUL 1994). Die Ergebnisse der Transektuntersuchung
vom 19. August bestätigen dieses Verhalten: Bedingt durch die hohen Tagestemperaturen von maximal 28 °C begann die Gesangsaktivität am Nachmittag.
Das Maximum wurde (frühestens) um 21:00 Uhr und nach Sonnenuntergang erreicht. Die Temperatur betrug zu diesem Zeitpunkt noch 20 °C. Eine ähnliche
Tagesperiodik konnte für die Zwitscherschrecke festgestellt werden. Auch sie
erreicht ihre volle Gesangsaktivität in warmen Nächten nach Sonnenuntergang
(SCHUL 1994). Ein abweichendes Verhalten zeigt das Östliche Heupferd: Die
Gesangsaktivität erreicht ihr Maximum bereits am späten Nachmittag und verringert sich bis nach Sonnenuntergang. BELLEBAUM (2003) gibt daher den Zeitraum
von 16:00–19:00 Uhr als beste Kartierzeit an. In warmen Nächten ist das Östliche Heupferd aber auch regelmäßig bis nach Sonnenuntergang zu hören.
Besonders im sehr heißen Juli (Durchschnittstemperatur: 22,9 °C) begann der
Gesang erst gegen 17:00 Uhr und dauerte teilweise bis in die Nacht. Versuche
von SCHUL (1994) zeigten zudem, dass Weibchen des Östlichen Heupferdes, wie
die der beiden anderen Heupferde, bei Dunkelheit phonotaktisches Verhalten
zeigten. Bedeutende Unterschiede bei der Tagesperiodik der Stridulation der drei
Arten konnten bei diesen Versuchen jedoch nicht festgestellt werden. Eine erhöhte Gesangsaktivität am Nachmittag könnte bedeuten, dass Tettigonia caudata eine höhere Mindesttemperatur zur Stridulation benötigt als die beiden
Geschwisterarten. Ein Unterschied in der Tagesperiodik könnte neben der art200
[30.11.2007]
ARTICULATA 22 (2)
typischen Stridulation auch ein weiterer Isolationsmechanismus zwischen den
drei Heupferdarten sein (SCHUL 1994, 1998).
In einigen Habitaten mit hoher Populationsdichte konnte bei Männchen des Östlichen Heupferdes das nach SCHUL (1994) beschriebene typische Gesangsverhalten beobachtet werden: Demnach fallen benachbarte Männchen häufig in den
Schwirrvers eines vorsingenden Männchens ein ("Chöre"). Beobachtungen von
drei Männchen von Tettigonia caudata auf einer Fläche von ca. 1 m 2 zeigten
Annäherungs- und Aggressionsverhalten (Anspringen). Ähnliche Verhaltensweisen (Wechselsingen, Annäherung, Kampf) wurden auch bei Männchen von
T. cantans in Habitaten mit hoher Populationsdichte beschrieben (SCHATRAL et
al. 1984, INGRISCH & KÖHLER 1998).
Danksagung
Für die sehr hilfreiche Unterstützung bei der Auswahl der Probeflächen und der
Freilandarbeit danken wir Dr. Jochen Bellebaum (Neu Broderstorf) recht herzlich.
Dominik Poniatowski (Münster) verdanken wir hilfreiche Anmerkungen zum Manuskript.
Verfasser:
Jens Schirmel
Dipl. Landschaftsökologe
Emdener Str. 13
D-48155 Münster
E-Mail: [email protected]
PD Dr. Thomas Fartmann
AG Biozönologie
Institut für Landschaftsökologie
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Robert-Koch-Straße 26
D-48149 Münster
E-Mail: [email protected]
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