Programmheft - spielzeit 13/14

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DIE
MEISTER-
SINGER
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner
Dichtung vom Komponisten
In deutscher Sprache mit Übertiteln
Hans Sachs
Veit Pogner
Kunz Vogelgesang
Konrad Nachtigall
Sixtus Beckmesser
Fritz Kothner
Balthasar Zorn
Ulrich Eißlinger
Augustin Moser
Hermann Ortel
Hans Schwarz
Hans Foltz
Walther von Stolzing
David
Eva
Magdalena
Ein Nachtwächter
Lehrbuben
RENATUS MESZAR*
GUIDO JENTJENS a. G.
MAX FRIEDRICH SCHÄFFER*
ANDREW FINDEN*
Ks. EDWARD GAUNTT / ARMIN KOLARCZYK*
LUCAS HARBOUR*
NANDO ZICKGRAF**
Ks. KLAUS SCHNEIDER*
Ks. HANS-JÖRG WEINSCHENK* a. G.
YANG XU**
LUIZ MOLZ*
AVTANDIL KASPELI*
DANIEL KIRCH a. G.
ELEAZAR RODRIGUEZ*
RACHEL NICHOLLS* a. G. /
CHRISTINA NIESSEN*
STEFANIE SCHAEFER*
SEUNG-GI JUNG*
ULRIKE GRUBER, UTA HOFFMANN,
CHRISTIANE LÜLF, CECILIA TEMPESTA,
Ks. JOHANNES EIDLOTH, JAN HEINRICH KUSCHEL, SAE-JIN OH, PETER HERRMANN,
JIN-SOO KIM, ANDREAS VON RÜDEN
* Rollendebüt
** Opernstudio
Doppelbesetzungen in alphabetischer Reihenfolge
Premiere 27.4.14 GROSSES HAUS
Aufführungsdauer 5 ½ Stunden, zwei Pausen
Musikalische Leitung Nachdirigat Regie
Ausstattung Chor
Licht
Dramaturgie Justin Brown
CHRISTOPH GEDSCHOLD
TOBIAS KRATZER
RAINER SELLMAIER
Ulrich Wagner
STEFAN WOINKE
YVONNE GEBAUER a. G., RAPHAEL RÖSLER
BADISCHE STAATSKAPELLE
BADISCHER STAATSOPERNCHOR
EXTRACHOR & STATISTERIE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS KARLSRUHE
Wir danken dem Richard-wagner-Verband karlsruhe e. V.
für die besondere Unterstützung dieser Produktion
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Regieassistenz CHRISTINE HÜBNER, EVA SCHUCH a. G. Abendspielleitung CHRISTINE
HÜBNER Musikalische Assistenz Paul Harris, Steven Moore, Julia Simonyan,
John Parr Studienleitung JAN ROELOF WOLTHUIS Chorassistenz STEFAN NEUBERT
Bühnenbildassistenz MANUEL KOLIP Kostümassistenz KIM LOTZ, Janina Ammon a. G.
Ausstattungsassistenz Viktoria StrikiĆ a. G. Übertitel DANIEL RILLING Soufflage
EVELYN WALLPRECHT Inspizienz GABRiELLA MURARO / UTE WINKLER Leitung der
Statisterie OLIVER REICHENBACHER
Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF
BILFINGER Bühne Stephan Ullrich, Ekhard Scheu Leiter der Beleuchtungsabteilung
STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton HUBERT BUBSER, JAN
PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ
Malsaalvorstand DIETER MOSER, ANDRÉ SPIEGLER Leiter der Theaterplastiker
LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polsterund Dekoabteilung UTE WIENBERG
Kostümdirektorin DORIS HERSMANN Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE
SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN
WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER
Schuhmacherei THOMAS MAHLER, BARBARA KISTNER Modisterei DIANA FERRARA,
JEANETTE HARDY Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske Sabine Bott,
Miriam Hauser, Freia Kaufmann, Niklas Kleiber, Marion Kleinbub, MELANIE
Langenstein, Petra Müller, Sotirios Noutsos, Sandra Oesterle, Brigitte
Reh, Andrea Weyh, Kerstin Wieseler
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer
Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.
WIR DANKEN
Eventfloristik für die Blumen zur Premiere und
der Privatbrauerei Hoepfner für die Unterstützung der Premierenfeier
Ihr Meister, schweigt
doch und hOrt!
Rachel Nicholls, Stefanie Schaefer
Folgeseiten Armin Kolarczyk, Nando Zickgraf, Max Friedrich Schäffer, Guido Jentjens, Ks. Klaus Schneider,
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Ks. Hans-Jörg Weinschenk, Andrew Finden, Yang Xu, Renatus Meszar, Avtandil Kaspeli, Lucas Harbour
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Meister-
wahn
ZUM INHALT
I. AUFZUG – VERSUNGEN UND VERTAN
Der junge Walther von Stolzing hat sich in
Eva, die Tochter des Nürnberger Meisters
Veit Pogner, verliebt. Aber der Weg zu Evas
Herzen führt nur über den künstlerischen
Erfolg: „ein Meistersinger muss es sein ... “
Walther von Stolzing nimmt die Herausforderung an. Dem Lehrbuben David gelingt
es nicht, den Neuankömmling mit seinen
Ausführungen über das umfangreiche
Regelwerk der Sing- und Dichtkunst einzuschüchtern. Eva zuliebe beschließt Walther,
sich dem Urteil des zwölfköpfigen Meistergremiums zu stellen, dem auch Evas Vater
angehört.
Die Meister treffen zu einer Sitzung zusammen. Dabei treten nach und nach ihre
internen Konflikte offen zu Tage: Neben dem
Junggesellen Sixtus Beckmesser scheint
auch der verwitwete Hans Sachs an Eva
interessiert. Zugleich widerspricht sich die
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Kunstauffassung der beiden Meister: Beckmesser glaubt als „Merker“ an die Macht
von Tradition und Regeln, Sachs ficht für
Erneuerung und Wandel.
Trotz der Vorbehalte Beckmessers wird
Walther zu einem Vorsingen zugelassen.
Aber er scheitert kläglich. Weder überzeugt
seine improvisierte Kunsttheorie noch sein
unakademischer Liedvortrag. So zerstritten
die Meister zuvor noch argumentierten, in
der Ablehnung des Kandidaten sind sie sich
nahezu einig.
Nur Hans Sachs erkennt das Talent des
Walther von Stolzing.
II. AUFZUG – IN FREMDEN ZUNGEN
Die Nacht nach dem Vorsingen birgt Schrecken und Erkenntnis für alle Beteiligten.
Während Eva von ihrer Vertrauten Magdalena erfahren muss, dass Walther als Kandidat
vorerst gescheitert ist, intensiviert Beckmesser sein Werben um die junge Frau. Eva
sucht Rat bei Sachs, der seinerseits hin- und
hergerissen ist – zwischen seinen Gefühlen
für Eva und der stoischen Haltung, die Witwertum und Meisterwürde ihm abverlangen;
aber auch zwischen Bewunderung und
Rivalitätsgefühlen, die Walther von Stolzing
bei ihm hervorruft. Seine eigene Not entlädt
sich in einer bitteren Prophezeiung für den
jungen Konkurrenten: „Mein Kind, für den ist
alles verloren!“
Immer mehr wird Walthers Aufenthalt in
Nürnberg für ihn zu einer Situation der Ausweglosigkeit. Bedrängt von einer Überfülle
an Traditionen, versucht Walther mit Eva zu
fliehen. Aber es gibt kein Entkommen aus
der Einflusssphäre der Meister. Stattdessen
muss Walther aus einem Versteck heraus
mit ansehen, wie Sachs und Beckmesser
unter dem Fenster Evas ihren Konkurrenzkampf austragen – und wie der Konflikt der
Männer schließlich auf ganz Nürnberg übergreift: „Mann, Geselle, Weib und Kind“ fallen
übereinander her. Walther und Eva werden
erneut getrennt.
Erst das Horn eines Nachtwächters beendet
den Spuk.
III. AUFZUG – DIE EIGENE STIMME
Johannistag: Tag der Entscheidung. Ein
öffentliches Wettsingen soll endgültige Klarheit über den Mann an Evas Seite bringen.
Hans Sachs reflektiert die Ereignisse der
vergangenen Nacht. Noch glaubt er den
Wahn der Welt „fein lenken“ zu können.
Aber die Ereignisse überschlagen sich.
Walther erscheint, aus tiefem Schlaf erwacht. Trotz anfänglichen Widerstandes
gelingt es Sachs, ihm ein erfolgsversprechendes Preislied auf Eva zu entlocken.
Auch Beckmesser verfolgt seine Ziele
weiter. Auch eine gespenstische Pantomime führt nur zu kurzfristigem Innehalten.
Beckmesser entdeckt die Aufzeichnungen
des Preisliedes und hält sie für den Wettbewerbsbeitrag des Hans Sachs. Als dieser
ihm das Lied zum eigenen Vortrag überlässt,
glaubt sich Beckmesser schon am Ziel
seiner Wünsche.
Auch Eva sucht noch einmal Rat bei Sachs.
Die Gefühle der beiden für einander brechen
sich Bahn. Als die beiden von Walther überrascht werden, gilt es Farbe zu bekennen.
Sachs drängt Eva zu einer Entscheidung.
Mentor und Schüler stehen einander als
Konkurrenten gegenüber. Doch unter den
Augen von Magdalene und David finden Eva
und Walther schließlich zueinander. Sachs
ringt um Fassung.
Das Wettsingen beginnt.
Beckmesser wähnt sich als sicherer Sieger. Aber sein Vortrag gerät zum Debakel.
Walther von Stolzing dagegen brilliert. Im
entscheidenden Moment gelingt es ihm,
seine Ängste und Zweifel abzuschütteln.
Die Last der Regeln weicht einer Liebeserklärung an Eva. Die Zuhörer sind beglückt:
„Keiner wie er zu werben weiß!“ Aber die
Meisterwürde, die Veit Pogner ihm anträgt,
lehnt Walther vorerst ab.
Sachs verzichtet auf Eva. Was ihm bleibt, ist
die Kunst.
Tobias Kratzer
Folgeseiten Daniel Kirch, Lucas Harbour, Avtandil Kaspeli, Max Friedrich Schäffer, Renatus Meszar, Nando
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Zickgraf, Yang Xu, Ks. Hans-Jörg Weinschenk, Ks. Klaus Schneider, Guido Jentjens, Richard Wagner
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Die
Last
Kritik
der
ZUM Komponisten
„In Tristan und Isolde hat Wagner offenbar
sein musikalisches Wollen bis aufs Äußerste
gespannt, und der musikalische Ausdruck
dieses Werkes ist von einer solchen Geschraubtheit und Unnatur, dass man sich
nur mit Entsetzen an den Eindruck erinnert,
den man schon von den ersten Seiten empfängt. [...] Hier mündet Wagner im Delirium.“
Mit diesen aus heutiger Sicht ungewohnt
harschen und beleidigenden Kritikerworten
äußerte sich der Musikschriftsteller Carl von
Bruyck 1861 in der Wiener „Deutschen Musik-Zeitung“ über Wagners neuestes Bühnenwerk – vier Jahre vor der Uraufführung.
Und mit seiner negativen Meinung war von
Bruyck nicht allein: Die Kritik, die Wagner
nicht nur hinsichtlich dieser Oper entgegenschlug, war so umfassend und wortgewaltig,
dass bereits 1876, im Jahr der Uraufführung
von Wagners Tetralogie Der Ring des
Nibelungen, ein Sammelband mit dem Titel
Richard Wagner im Spiegel der Kritik veröffentlicht wurde, der als „Wörterbuch der
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Unhöflichkeit“ eine Auswahl der eloquentesten und gehässigsten Urteile enthielt –
„Zur Gemütsergötzung in müßigen Stunden
gesammelt von Horst Tappert“. Und genau
diese Verrisse und die Jahrzehnte anhaltende Diskussion über Wagner, einen der
größten und innovativsten Musikdramatiker
überhaupt, waren es, auf die der Komponist
mit seinen Meistersingern reagierte.
In der Musikgeschichte begegnet man in
nahezu allen Epochen Diskussionen, in
denen unterschiedliche musikästhetische
Auffassungen verhandelt wurden. Mal fielen
die Auseinandersetzungen kleiner aus, mal
wurden sie auf der öffentlichkeitswirksamen
Bühne der Presse als hitzige Parteienstreits
ausgetragen. Die Entwicklungen in der
Musik des 19. Jahrhunderts hielten anscheinend besonderen Zündstoff bereit: Nicht
nur die publizistisch hochgerüsteten Lagerkämpfe im Paris der 1840er Jahre zwischen
den Künstlern und Intellektuellen um Hector
Berlioz und italienischen Komponisten wie
Gaspare Spontini oder Gaetano Donizetti,
sondern auch die emotional geführte Diskussion über Person und Werk Richard
Wagners im deutschen Sprachraum geben
beredt Zeugnis von der Diskursfreudigkeit
dieser Zeit. Darüber hinaus war das 19.
Jahrhundert die Blütezeit der Musikkritik:
Prominente Persönlichkeiten wie beispielsweise Robert Schumann, E. T. A. Hoffmann,
Eduard Hanslick, Friedrich Nietzsche oder
auch George Bernhard Shaw haben mit
eloquenten Artikeln und Berichten über
Konzerte und Opernaufführungen die öffentliche Wahrnehmung in einer Zeit nachhaltig
geprägt, in der Musik ausschließlich im
Rahmen einer Aufführung oder in Form von
Noten verfügbar und bewertbar war. Das
medial aufbereitete Nachdenken und
Schreiben über Musik hatte Hochkonjunktur.
Ein besonders extremes Beispiel hierfür
ist die zeitgenössische Wagner-Rezeption.
Bereits zu Wagners Lebzeiten erschien
eine Vielzahl von Büchern, Abhandlungen,
Leitartikeln und Kritiken, die nicht nur seine
ästhetischen Ansichten und seine Kunst diskutierten, sondern sich außerdem mit dem
politischen Wagner, dem Revolutionär des
Vormärz, der sich 1849 am Dresdner Maiaufstand beteiligte und daraufhin steckbrieflich
gesucht wurde, befassten. Im Kern des Musikdiskurses ging es um die Frage nach der
Weiterentwicklung der Kunstmusik, die von
Komponisten, Dirigenten und Musikschriftstellern ausgiebig diskutiert wurde. Richard
Wagner und sein musikdramatisches Werk
standen für eine progressiv-innovative
Fortschrittsästhetik, die der Komponist ganz
im Sinne des ihm zugeschriebenen Ausspruchs „Kinder, schafft Neues!“ auch in
seinen Schriften darlegte, mit denen er die
Diskussion maßgeblich befeuerte. Ihm, dem
Vertreter einer „Neudeutschen Schule“,
der mit seiner Konzeption des Musikdramas
– ähnlich wie Franz Liszt mit seinen Symphonischen Dichtungen – für eine mit außermusikalischen Begriffen fassbare Musik
eintrat, standen die Vertreter einer absoluten
Musik wie Johannes Brahms und Robert
Schumann gegenüber.
Wagners in vielfacher Hinsicht anspruchsvollen Bühnenwerke teilten die Öffentlichkeit
in das Lager der Wagnerianer und das Lager
der Wagner-Hasser. Auf der Seite der Befürworter stand interessanterweise die von
Robert Schumann gegründete „Neue Zeitschrift für Musik“. Die Zeitschrift definierte
sich als Organ des Fortschritts und stellte
sich einem als reaktionär empfundenen
Klassizismus entschieden entgegen. Hier
wurden seit den 1840er Jahren unter der
Leitung von Franz Brendel Wagners Werke
in Aufführungskritiken und Grundsatzartikeln
in die Öffentlichkeit getragen und überwiegend gegen seine Kritiker verteidigt. Vor
allem Wagners visionäre Kreativität bzw.
sein „freudiger Glaube an die siegreiche
Kraft des Besseren in der Kunst“ fand bei
Brendel Anklang, der mit seiner Zeitschrift
dafür eintrat, dass „die Tonkunst [...] aus
ihrer Versunkenheit sich wieder herausarbeiten würde.“ Ein weiteres Beispiel für
eine positive Wagner-Berichterstattung sind
die 1878 gegründeten „Bayreuther Blätter“:
ein monatliches Rundschreiben, in dem
Wagners „Gesamtkunstwerk“ als zukunftsweisende Kunstform propagiert wurde.
Auf der anderen Seite stand eine ganze Reihe von Wagner-Gegnern, die sich beispielsweise 1860 in einer gemeinsamen „Erklärung“ gegen Wagner und den ihm persönlich
wie künstlerisch nahestehenden Franz Liszt
verbündeten – zu den Unterzeichnenden der
im Berliner „Echo“ abgedruckten Erklärung
gehörte auch Johannes Brahms.
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Die national-konservative Zeitschrift „Die
Grenzboten“ setzte sich auch mit der politischen Gesinnung des Komponisten auseinander und machte ihre Kritik an Wagners
„Demokratismus“ zur Grundlage für ihre
Kritik an Wagners Musik. In den frühen
1850er Jahren lieferten sich „Die Grenzboten“ und die „Neue Zeitschrift für Musik“
ein ausgiebiges Gefecht, in dem über mehrere Ausgaben unter Beteiligung verschiedener Autoren musikästhetische Fehden
ausgetragen wurden. Der einflussreiche
Wiener Kritiker Eduard Hanslick nimmt in
diesem Zusammenhang insofern eine Sonderrolle ein, als er sich mit seinen Texten von
dem ideologischen und „kritische[n] Wust“,
den seine Kollegen produzierten, öffentlich
distanzierte. Vielmehr war er daran interessiert, sich „aus eigener Anschauung eine
Meinung“ zu bilden. Seine konstruktiv auf
die Musik bezogenen Betrachtungen stellen
das Kunstwerk als solches in den Mittelpunkt – bewusst ohne Berücksichtigung des
öffentlichen Diskurses, häufig auch ohne
Berücksichtigung der musiktheoretischen
Schriften Wagners. Und doch war Hanslick
einer der härtesten Kritiker Wagners und
ließ in seinen Artikeln in der „Neuen Freien
Presse“ an Werken wie Tristan und Isolde
und an Wagners „zum Prinzip erhobene[n]
Formlosigkeit“ kaum ein gutes Haar.
Was waren die Kritikpunkte, die Wagner
entgegengebracht wurden? Eduard Schelle,
der Eduard Hanslick 1864 als Musikchef der
Tageszeitung „Die Presse“ folgte, störte
sich wie viele andere an Wagners Textdichtungen, beispielsweise an Tristan und
Isolde, dessen „Gedicht“ für ihn „in jeder
Beziehung eine Absurdität“ darstellte (1865).
Häufig war Wagners Reimstruktur bzw. das
„holperige Alliterationsgeplappere“ (Johann
Christian Lobe, 1869) der Grund für die große
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Ablehnung. Hinzu kam die Kritik an der
Musik, beispielsweise von Otto Gumprecht,
der 1866 in der Berliner Nationalzeitung sein
hämisches Leid klagte: „Eins der grausamsten Gebote unserer Referentenpflicht rief
uns in die Aufführung des Lohengrin, um
unser Ohr drei Stunden lang von einem der
Erbarmungslosesten unter allen Komponisten vergewaltigen zu lassen, die je den
Segen der Töne in sein Gegenteil verkehrt.“
Ein weiterer zentraler Topos der Kritik war
die hier bereits angesprochene Länge bzw.
eine mehrfach diagnostizierte Langeweile:
„Das Drama der Zukunft ist das Drama der
Langeweile“, schrieb 1876 Hans Michael
Schletterer und veriss damit Wagners Ring
des Nibelungen, ein Urteil, das zuvor zigfach
auch über Tristan und Isolde oder Die Meistersinger von Nürnberg ausgegossen wurde.
Eduard Hanslick kritisierte 1869 außerdem
die großen aufführungstechnischen Anforderungen, die die Werke Wagners an die
Theater, aber auch an die Sänger, Orchestermusik und an das Publikum stellten: „Nicht
jedes Theater kann, wie die Münchener
Hofoper, eine eigene kostspielige Geburtsklinik für Richard Wagner unterhalten.“
In Anbetracht der Vehemenz der hier nur
skizzierten zeitgenössischen Rezeption
ist leicht nachvollziehbar, dass Richard
Wagner nicht nur Gegenreden verfasste
und sich in zahlreichen Briefen mit seinen
Kritikern befasste, sondern sich auch mit
künstlerischen Mitteln mit seinen Kritikern
auseinandersetzte. In seiner Oper Die
Meistersinger von Nürnberg schuf er ihnen
mit der Figur des Merkers Sixtus Beckmesser – in früheren Textfassungen als „Veit
Hanslich“ ein kaum missverständlicher
Seitenhieb auf Eduard Hanslick – ein
klingendes Denkmal.
Raphael Rösler
Daniel Kirch
Folgeseiten Eleazar Rodriguez, Stefanie Schaefer, Staatsopernchor
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Künstler
und die
Öffentlichkeit
Der
„Wenn ich allein bin und in mir die musikalischen Fibern erbeben,
bunte, wirre Klänge zu Akkorden sich gestalten, und endlich
daraus die Melodie entspringt, die als Idee mir mein ganzes
Wesen offenbart; wenn das Herz dann in lauten Schlägen seinen ungestümen Takt dazu gibt, die Begeisterung in göttlichen
Tränen durch das sterbliche, nun nicht mehr sehende Auge sich
ergießt, – dann sage ich mir oft: welch großer Tor bist du, nicht
stets bei dir zu bleiben, um diesen einzigen Wonnen nachzuleben, statt dass du dich nun hinaus, vor jene schauerliche
Masse, welche Publikum heißt, drängst, um durch eine gänzlich nichtssagende Zustimmung die absurde Erlaubnis zur fortgesetzten Ausübung deines Kompositionstalentes dir zu gewinnen! Was kann dir dieses Publikum mit seiner allerglänzendsten
Aufnahme geben, das auch nur den hundertsten Teil des Wertes
jener heiligen, ganz aus dir allein quillenden Erquickung hat?
[...] Also: hoffe immer, dass dein guter Genius dir das erspart. –
Lache, sei leichtsinnig, – aber dulde, – und quäle dich: so wird
Alles gut. – Träume! Das ist das Allerbeste!“
Richard Wagner
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Daniel Kirch, Rachel Nicholls
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Projektion ins
Mittelalter
ZUM STÜCK
Mittelalter, Mittelalter und nochmals Mittelalter: Richard Wagner war ein musikdramatischer Mediävist durch und durch – seine
frühen Werke Die Feen und Das Liebesverbot bestätigen als Ausnahmen die Regel.
Ganz einer romantischen Sehnsucht nach
vergangenen Welten und alten Geschichten verpflichtet, adaptierte Wagner in
Werken wie Lohengrin, Tannhäuser, Tristan
und Isolde, dem Ring des Nibelungen und
Parsifal mittelalterliche Mythen und Epen.
Obwohl er sich auch in Die Meistersinger
von Nürnberg einem mittelalterlichen Sujet
widmete, nimmt diese Oper eine Sonderstellung ein: Wie schon bei Rienzi, der
letzte der Tribunen bediente Wagner sich
auch hier keines mythologischen Stoffes,
sondern ausnahmsweise einer realen Vorlage. Die überlieferte Tradition des Meistergesangs im spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Nürnberg stellt die Grundlage
dar, auf der Wagner eine frei erfundene
Handlung aufbaute. In die historischen
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Meistersinger projizierte er seine eigenen
Erfahrungen als Komponist und die ästhetischen Diskurse und Positionen seiner Zeit.
Mit großer, fast wissenschaftlicher Detailgenauigkeit setzte Wagner sich mit einer
Vielzahl von historischen Schriften und
Quellen auseinander und gelangte in
seinem Meistersinger-Libretto zu großer
historischer Authentizität. Aus Johann
Christoph Wagenseils Buch von der Meister-Singer holdseligen Kunst aus dem Jahr
1697 entnahm er die Namen der zwölf
Meister und ihre Rituale, so wie sie in den
Singschulen in vielen deutschen Städten
des 14. bis zum 17. Jahrhunderts gepflegt
wurden. Er entnahm hieraus außerdem die
Fragen, die Stolzing im 1. Aufzug von den
Meistern gestellt werden, das so genannte
„Merken“, also den Vorgang des Bewertens eines Liedvortrags, oder auch das
Ritual der Lied-Taufe, die Sachs im 3. Aufzug an Stolzings Preislied vornimmt.
Wagner geht in der zweiten und dritten Szene des 1. Aufzugs, in der Stolzing zunächst
vom Lehrbuben David und später von Fritz
Kothner die Kriterien eines regelkonformen
Meisterlieds erläutert werden, sogar so
weit, dass er fast wörtlich die Regelpoetik
aus Wagenseils Dokumentation übernimmt.
Weitere Quellen waren beispielsweise
Georg Gottfried Gervinus’ Geschichte
der poetischen Nationalliteratur der
Deutschen (1835 – 1842), Jacob Grimms
Abhandlung Über den altdeutschen Meistergesang von 1811 oder auch Friedrich
Furchaus Biografie über Hans Sachs –
Exemplare dieser Schriften standen in
Wagners Bibliothek.
Laut der autobiografischen Schrift Eine Mitteilung an meine Freunde aus dem Jahr 1851
wollte Wagner ursprünglich nach dem Vorbild der antiken Dionysien an die Tragödie
des Tannhäuser mit einem leichten Stück
anknüpfen. Er schreibt: „Wie bei den
Athenern ein heitres Satyrspiel auf die
Tragödie folgte, erschien mir [...] das Bild
eines komischen Spiels, das in Wahrheit als
beziehungsvolles Satyrspiel meinem ‚Sängerkriege auf Wartburg‘ sich anschließen
konnte. Es waren dies ‚die Meistersinger zu
Nürnberg‘, mit Hans Sachs an der Spitze.“
Die Wahl eines „leichteren Genres“ begründete er mit dem Ziel, sich „Zutritt zu den
deutschen Theatern“ zu verschaffen und so
„einen Erfolg“ herbeizuführen. Noch 1861,
in einem Brief an seinen Mainzer Verleger
Franz Schott, bewirbt er die Meistersinger
als eine „populäre komische Oper“. Dass
Wagner um einen kommerziellen Publikumserfolg bemüht war, der sich schnell
verbreiten sollte, zeigt sich auch darin,
dass er die Anforderungen an die Sängerbesetzung bewusst niedrig halten und sich
„weder eines sogenannten ersten Tenors
noch einer großen tragischen Sängerin“
bedienen wollte. Aus dem geplanten leichten Werk wurde letztlich ein groß besetztes,
viereinhalbstündiges Musikdrama, das zwar
noch etliche komische Figuren und Szenen
sowie zahlreiche Verweise auf die deutsche
Singspiel-Tradition enthält, das jedoch sehr
viel mehr ist als rein populäre Unterhaltung.
Dass Wagner mit dem komischen Genre
Schwierigkeiten hatte und er deswegen
seinen Meistersinger-Plan erst in den
1860er Jahren in die Tat umsetzte und sich
in den 40er Jahren zunächst der Konzeption
und Komposition anderer Werke – Lohengrin, Tristan und Isolde und Teile des Rings
– zuwandte, begründete er in der Mitteilung damit, dass „man in einer Gesellschaft, die ein wahrhaft heiteres Leben gar
nicht zulasse, keine heitere Oper schreiben
könne“. Und tatsächlich: Wagner hatte ein
ernstes Anliegen, das er in den Meistersingern auf die große Opernbühne bringen
wollte – das wuchtige Vorspiel kündet
davon. Um was ging es ihm in seiner Oper,
die wie keine andere gesungene Musik
und ihren Vortrag zum Thema hat? Bei aller
historischen „Treue“ und der Fülle authentischer Details auf der Textebene sicherlich
nicht um eine historisch korrekte und hierin
museale Darstellung des Meistergesangs
zur Zeit von Hans Sachs mit den Mitteln der
Oper des 19. Jahrhunderts. Und auch die
Liebe zwischen Eva und Stolzing, die von
ihrer ersten Begegnung an in schicksalhafter
Liebe verbunden sind, sind – der Werktitel
deutet es an – nicht das eigentliche Thema.
Es ist vielmehr ein ästhetischer Diskurs, den
Wagner hier führt und den er zwischen den
extrem gegensätzlich gestalteten Figuren
Walther von Stolzing und Sixtus Beckmesser
sowie Hans Sachs als Mittler verhandelt.
Die Meistersinger sind ein Werk mit einem
explizit autobiografischen Hintergrund.
19
Darauf weist Wagner in seinen Briefen
hin, in denen er sich seinen Freunden gegenüber sowohl mit Hans Sachs als auch
mit Walther von Stolzing identifiziert. Ein
weiterer autobiografischer Aspekt ist die
negative Figur des Merkers, den Wagner in
frühen Entwürfen – in Anspielung auf den
ihm gegenüber kritisch eingestellten Musikschriftsteller Eduard Hanslick – zunächst
„Veit Hanslich“ nannte. Später änderte
er den Namen zugunsten einer größeren
Authentizität und historischer Konsistenz
in „Sixtus Beckmesser“. In der Mitteilung
erläuterte Wagner seine Sujet-Wahl und
die Rollen-Konzeption der drei genannten
männlichen Protagonisten: „Ich fasste
Hans Sachs als die letzte Erscheinung des
künstlerisch produktiven Volksgeistes auf,
und stellte ihn mit dieser Geltung der meistersingerlichen Spiessbürgerschaft entgegen, deren durchaus drolligem, tabulaturpoetischem Pedantismus ich in der Figur
des ‚Merkers‘ einen ganz persönlichen
Ausdruck gab.“
Nicht ohne Grund also hat Wagner sich
für den Nürnberger Meistersinger-Kreis
um Hans Sachs als Handlungshintergrund
entschieden: Das komplizierte Regelwerk,
das in so genannten Tabulaturen festgehalten wurde, blieb über die Jahrhunderte, in
denen der Meistergesang beispielsweise
in den Singschulen von Mainz, Augsburg,
Straßburg, Freiburg oder Nürnberg praktiziert wurde, konstant und erfuhr kaum
Neuerungen. Der von Goethe und Wagner
verehrte Nürnberger Meister Hans Sachs
galt mit seinen über 4.000 Meisterliedern,
in denen er sich mit Themen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft befasste,
als letzter Höhepunkt dieser musikalischliterarischen Tradition, die ab dem 16.
Jahrhundert – also ungefähr in der Zeit,
in der Wagner die Meistersinger spielen
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lässt – als anachronistische, unwandelbare
und rückwärtsgewandte Kunst zunehmend
verknöcherte.
Die Verknöcherung ist auch das charakteristische Merkmal der Nürnberger Meister
in Wagners Oper – an ihrer Spitze der Merker Beckmesser, den Wagner als strengen
und pedantischen Kritiker zeichnet, der den
„Naturkünstler“ Stolzing nicht nur maßregelt, sondern ihn durchweg verspottet.
Stolzings Kunst ist eine, die zunächst keine
Regeln kennt bzw. die nur dem eigenen
inneren Gefühl und einem unmittelbaren
Ausdruckswillen folgt. Beckmesser und
Stolzing, die es beide auf Eva abgesehen
haben, sind nicht nur in Liebesdingen Konkurrenten, sondern in ihnen stehen sich
auch zwei diametral entgegengesetzte
Kunstanschauungen gegenüber. Auf der
einen Seite der regelvernarrte Beckmesser,
den Wagner gleich doppelt scheitern lässt:
Obwohl der Merker als Stadtschreiber eine
geachtete und verdiente Persönlichkeit ist,
und trotz seines theoretischen Wissens
vermag Beckmesser es nicht, ein eigenes
Preislied zu verfassen, und sucht deswegen im 3. Aufzug Hilfe bei Sachs. Doch
Beckmesser scheitert nicht nur an seiner
mangelnden Kreativität als Autor. Auch auf
der Festwiese, wenn es um die Aufführung
eines fertigen Musikstückes geht, versagt
er: Sein Vortrag gerät zum Debakel. Sogar
die Darbietung eines fremden vorgefertigten Liedes, Stolzings Preislied, gelingt ihm
nicht. Beckmesser ist ein Meister, der die
Regeln zwar bestens kennt und andere
danach streng zu bewerten weiß, der in der
künstlerischen Praxis jedoch versagt.
Bezeichnend ist, dass auch die andere Seite, Stolzing und seine „Naturkunst“, von der
Hans Sachs in seinem Flieder-Monolog sich
so fasziniert zeigt, vorerst ebenfalls ohne
Renatus Meszar, Armin Kolarczyk
21
Erfolg bleibt. Wagner erzählt uns in seinen
Meistersingern nicht, wie ein ausschließlich nach eigenem Gutdünken verfahrender
Künstler zum Erfolg kommt. Erst nachdem
Stolzing in der Schusterstube durch Sachs
als seinen wohlgesonnenen Mentor und
Förderer die Regeln beigebracht wurden,
ist er in der Lage, ein Lied zu verfassen, das
den Gefallen der Meister und des anwesenden Publikums als bewertender Instanz
findet. In Stolzing erleben wir also einen
Künstler, der beim ersten Zusammentreffen mit einem ihm fremden Regelkanon in
eine künstlerische Krise stürzt und dem,
erst nachdem er eine Art Domestizierung
durchlaufen hat und seine Kunst mit den
tradierten Regeln in Einklang gebracht hat,
die Meisterwürde angetragen wird. Hans
Sachs fällt hierbei die Rolle des dialektischen Moderators zu, der Stolzing nicht nur
gegen die Meister, sondern die Meister und
ihr Kunsthandwerk auch gegenüber Stolzing verteidigt.
Der integrative Prozess vollzieht sich
nicht nur auf dem Gebiet der Kunstmusik,
sondern auch im zwischenmenschlichen
Bereich, d. h. auf dem Gebiet der Liebe.
Anders als im Tristan entwickelt die Liebe
hier keine destruktiven Energien, sondern
wird – analog zu Stolzings kreativen Impulsen – ebenfalls einer bestehenden Norm
unterworfen. Die Liebe zwischen Eva und
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Stolzing findet ihre Erfüllung nicht darin,
dass beide – anders als es im 2. Aufzug
ihre Absicht war – vor der Gesellschaft und
ihren Regeln fliehen. Stattdessen wird die
„realitätsferne“ Leidenschaft einer Liebe,
die zunächst nicht sein darf, „gezähmt“ und
hierdurch erst möglich. Auch hier läutet
der Pädagoge Sachs, der die als Lene verkleidete Eva am Ende der Prügelszene des
2. Aufzugs ins väterliche Haus stößt und
damit die Flucht verhindert, einen Lernprozess ein. Die zweite Szene in der Schusterstube des 3. Aufzugs ist mehr als nur eine
musikalische Lehrstunde: Stolzing wird im
gleichen Atemzug auch die vorherrschende
Gesellschaftsordnung beigebracht. Die
Barform bestehend aus Stollen-StollenAbgesang, die einem Meisterlied zugrunde
liegt, stellt laut Sachs auch ein soziales
Gefüge in Form einer Familienordnung mit
zwei gleichen Elternteilen und den Kindern
dar. Stolzing, der sich zum einen auf das
Wettsingen am Johannis-Tag einlässt und
zum anderen die Tradition in seine Kunst
aufnimmt, unterwirft sich den Normen und
wird integriert. Wagners Meistersinger
sind also weder eine pauschale Abrechnung mit den Kritikern des Komponisten
noch ein Plädoyer für einen regellosen
Avantgardismus. Nur die Kunst hat eine
Zukunft, die eine Synthese zwischen bestehender und neuer, abweichender Ästhetik
darstellt.
Raphael Rösler
Renatus Meszar, Daniel Kirch
23
zeit-
tafel
1845 Wagner stellt am 16. Juli einen ersten Entwurf von Die Meistersinger von
Nürnberg fertig. Dieser so genannte „Marienbader Entwurf“ besteht aus einem ausführlichen Szenarium mit einer Skizze der handelnden Personen ohne
Rollennamen.
1849 Vom 3. bis 9. Mai findet der Dresdner Aufstand statt, an dem Wagner sich
beteiligt. Kurz darauf flieht er in die Schweiz.
1850 Uraufführung des Lohengrin in Weimar am 28. August unter der Leitung von
Franz Liszt
1861 Wagner schlägt seinem Verleger Franz Schott in einem Brief vom 30. Oktober
Die Meistersinger von Nürnberg vor und bewirbt sie als eine „populäre
komische Oper“.
Nachdem er im November einen zweiten Prosa-Entwurf verfasst hat, beginnt
Wagner im Dezember mit der Niederschrift des Textbuches und notiert die
Melodie des „Wach auf“-Chores.
1862 Am 25. Januar stellt Wagner das Textbuch fertig.
Am 5. Februar liest Wagner das Textbuch in Mainz beim Verlag Schott vor.
Am 9. März findet in Karlsruhe bei Friedrich I. Großherzog von Baden eine
Lesung des Textbuchs statt.
Im April beginnt Wagner die Komposition in Biebrich am Rhein.
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Im Juni beginnt Wagner die Ausarbeitung der Partitur mit dem Vorspiel.
Unter dem Titel Versammlung der Meistersingerzunft führt Wagner die Ansprache
Pogners (3. Szene des 1. Aufzugs) in Wien als Orchesterstück auf.
Am 1. November dirigiert Wagner im Leipziger Gewandhaus die Erstaufführung
des Meistersinger-Vorspiels.
1863 Das Textbuch erscheint bei Schott mit der Jahreszahl 1862.
Am 5. November wird das „Schusterlied“ in einem Konzert in Prag konzertant
aufgeführt.
1865 In einem Konzert für Ludwig II. in München führt Wagner den dritten Teil des
1. Aufzugs mit einem Konzertschluss zu Walthers Lied auf.
Im Februar erscheint die Partitur des Vorspiels im Druck.
Am 10. Juni wird Tristan und Isolde unter der Leitung von Hans von Bülow am
Nationaltheater in München uraufgeführt.
1867 Am 28. Januar konzipiert Wagner die Schlussansprache des Hans Sachs neu.
Die ursprünglich für den 12. Oktober geplante Uraufführung findet nicht statt.
Nach Stationen in Wien, München und Genf beendet Wagner am 24. Oktober
in Tribschen die Partitur.
1868 Am 4. April führt Anton Bruckner Schlussansprache und den Schlusschor
konzertant in Linz auf.
Am 21. Juni werden Die Meistersinger von Nürnberg am Hof- und Nationaltheater
München unter Hans von Bülow uraufgeführt.
1869 Am 5. Februar findet am Großherzoglichen Hoftheater unter der Leitung von
Hermann Levi die Karlsruher Erstaufführung der Meistersinger von Nürnberg statt.
Franz Nachbaur, der diese Partie bereits bei der Münchener Uraufführung
gesungen hat, singt Walther von Stolzing.
Folgeseiten Rachel Nicholls, Renatus Meszar
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Tabula
Rasa
gibt es nicht
zur inszenierung
Regisseur Tobias Kratzer im Gespräch mit
Operndramaturg Raphael Rösler
Nach „Tannhäuser“ in Bremen und „Lohengrin“ am Uraufführungsort in Weimar
inszenieren Sie nun „Die Meistersinger
von Nürnberg“ in Karlsruhe: Worin unterscheidet sich diese Oper von den beiden
Vorgängerwerken?
Man merkt sehr stark, dass es das Werk
eines Komponisten ist, der in der Mitte
seiner künstlerischen Karriere steht.
In Lohengrin und Tannhäuser werden
jeweils Figuren geschildert, die man als
Selbstbildnisse des Komponisten deuten
kann und die er beide auf tragische Weise
scheitern lässt. Man hat das Gefühl, dass
hier ein noch relativ junger Künstler seine
Helden und ihre Wünsche und Lebensentwürfe stellvertretend für sich radikal
an die Wand fahren lässt – als eine Art
Abwehrzauber, vielleicht um demselben
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Schicksal in seinem eigenen Leben zu
entgehen. In diesem Punkt unterscheiden
sich Die Meistersinger von Nürnberg mit
ihrem positiven Ausgang stark von den
beiden Vorgängerwerken. Diese Oper ist
zwar auch eine Selbstbefragung, spielt
aber auf einer anderen Ebene: Zum einen
ist das Künstler-Thema nicht mehr so stark
überformt, sondern wird plötzlich sehr
offen und selbstbezüglich ausgestellt.
Zum anderen hat man es nicht mehr nur
mit einer männlichen Identifikationsfigur
zu tun, sondern mit zwei Figuren bzw.
zwei Aspekten, in denen sich Wagners
Selbstbild bricht und in denen er sich wohl
gleichermaßen gesehen hat: Hans Sachs
als der große, weise, erfahrene Altmeister
und ihm gegenüber der provozierende
Jungrevolutionär Stolzing. Und man könnte
sagen, dass Wagner hier auch beide Figuren gleichermaßen gewinnen lässt. Man
hat es also nicht mehr mit einem Abwehrzauber zu tun, sondern im Gegenteil mit
Eleazar Rodriguez
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einer Wunschvision, die aber hochgradig
schizophren ist, weil man natürlich kaum je
zugleich Altmeister und Avantgardist sein
kann. Nur Wagner will halt, wie immer,
alles.
Ein anderes Vorgängerwerk ist „Tristan und Isolde“, auf das Wagner in „Die
Meistersinger von Nürnberg“ in Text und
Musik anspielt. Auch hier ist das frühere
Werk von einem gewissen Scheitern
geprägt: Die Liebe von Tristan und Isolde
darf nicht sein und endet mit dem Tod
beider Protagonisten, wohingegen Eva
und Stolzing zunächst zwar einige Hürden
überwinden müssen, aber nachdem sie
dies erfolgreich gemeistert haben, ihre
Liebe leben können. Welche Rolle spielt
das Liebesthema in dieser Oper?
Auch hier finden wir eine scheinbare Wendung ins Positive, doch wie glücklich die
Liebe von Eva und Stolzing am Ende tatsächlich aussieht, bleibt Spekulation: Das
Stück endet zumindest damit, dass Eva
dem siegreichen Stolzing zugesprochen
wird und beide am Leben bleiben. Aber
ich glaube, dass die Liebe der beiden gar
nicht das eigentliche Thema der Oper ist.
Viel spannender ist die Frage, welche Art
von Frauenfigur uns hier vorgeführt wird.
Eva, die Tochter Pogners, ist nämlich nicht
nur eine Weiterentwicklung, sondern eine
völlige Neukonzeption der Töchterfiguren,
die wir aus den früheren Wagner-Opern
kennen. Sowohl Elisabeth in Tannhäuser
als auch Senta in Der fliegende Holländer
sind fremdbestimmt bzw. stehen unter
dem starken Einfluss einer patriarchalen
Macht. Dieses Motiv finden wir bei Eva,
die von ihrem Vater zum Preis ausgelobt
wird, auch in den Meistersingern. Im Gegensatz zu den früheren Frauenfiguren,
die gleichzeitig selbst unterjocht sind und
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dafür umso mehr als Heilsbringerinnen
der männlichen Hauptfiguren herhalten
müssen – eine doppelte Fremdbestimmung
sozusagen – geht Eva auf eine geradezu
post-emanzipatorische Weise mit einer
vergleichbaren Situation um. Vordergründig rebelliert sie zwar kaum gegen den
patriarchalen Druck – im Gegenteil: Sie
verkündet fast triumphierend, dass die
Ehe mit ihr der Preis des Wettbewerbs ist.
Doch in der vermeintlichen Anerkennung
der ihr zugewiesenen Rolle behält sie die
Zügel viel stärker in der Hand. Sie ist in
die Entscheidung, wer sie zur Ehefrau
bekommen soll, viel mehr involviert, als es
scheinen mag.
Dennoch hat Eva ein nur sehr eingeschränktes Veto- oder Mitspracherecht
bei der Partnerwahl. Welchen Einfluss hat
sie und wie frei ist sie in ihrem Handeln?
Evas Freiheit ist ihre Libertinage. Indem
sie die Männer auf bezeichnende Weise
manipuliert, ist sie – um in Wagner’schen
Kategorien zu sprechen – eher eine
Venus als eine Elisabeth. Das sehen wir
in vielen Eva-Szenen: Nicht nur in dem
Dialog mit ihrem Vater zu Beginn des
2. Aufzugs, sondern auch anschließend
im Gespräch mit Hans Sachs, in dem sie
Stolzings Wettbewerbs-Chancen auslotet
und gleichzeitig auch Sachs umwirbt. Das
spiegelt sich auch in der sehr ambivalent
komponierten Musik wieder, in der Wagner
ein der Venus zugeordnetes Dreitonmotiv
aus dem Tannhäuser aufgreift. Und auch
in der Schusterstuben-Szene im 3. Aufzug,
im Zusammenprall von Eva, Stolzing und
Sachs, wo musikalisch unglaubliche Kräfte entfaltet werden, wird uns ganz stark
Evas Zerrissenheit und auch ihr doppeltes
Spiel gezeigt. Die Entwicklung dieser Figur
hat mich während des Probenprozesses
durchaus überrascht: Anfangs dachten
wir, dass Eva eigentlich eine eher blasse
Figur ist, die allenfalls als Allegorie der
Kunst oder als Muse taugt. Doch während
der Proben haben wir herausgefunden,
dass je körperlicher sie wurde und je
stärker sie sich bemühte, beide Männer
zu behalten, auch ihr Charakter als Muse
stärker wurde. Eva inspiriert offenbar genau dadurch, dass man sich ihrer als Mann
nie ganz sicher sein kann. Und das macht
sie zu einer der spannendsten weiblichen
Wagner-Figuren überhaupt.
im 3. Aufzug, in dem das Orchester, wenn
es um den Diebstahl des Preisliedes geht,
ein paar Augenblicke lang plötzlich klingt
als würde Rossinis „diebische Elster“ ums
Haus fliegen oder auch in den übertriebenen Koloraturen der Meisterregeln von
Fritz Kothner. In dem Werk wimmelt es von
diesen augenzwinkernden musikalischen
Momenten.
In Briefen und Entwürfen hat Wagner die
„Meistersinger“ lange Zeit als „Komische
Oper“ bezeichnet, den Zusatz später aber
wieder gestrichen. Wie heiter, wie komisch ist die Oper letztlich geworden?
Im musikalischen Sinn ist eine Parodie
erstmal ein wertfreies Zitieren und die
Meistersinger sind tatsächlich das einzige
Werk, in dem Wagner sich selbst zitiert: Im
3. Aufzug erklingt zum einen der TristanAkkord aus dem Tristan-Vorspiel, zum anderen unmittelbar darauf das sogenannte
Entsagungsmotiv von König Marke. Auf
der inhaltlichen Ebene parodiert Wagner
natürlich eine allgemeine Traditionsgläubigkeit. Besonders deutlich wird dies an
der Figur des Merkers durchgeführt. Es ist
oft zu lesen, Beckmesser sei ein antisemitisches Zerrbild, zugleich auch das Zerrbild
eines Kritikers. Ich finde ein strukturelles
Moment viel interessanter: Für mich ist es
ein merkwürdiger Akt von „Übertragung“,
dass Beckmesser in den Meistersingern
all das aufgebürdet bekommt, was Wagner
in seinen frühen Werken noch die Titelhelden selbst austragen lässt, nämlich das
vollkommene Scheitern! Wir zeigen Beckmesser bei uns zwar auch als regelgläubig,
aber als überzeugten Wagnerianer. Damit
kehren wir den Spott, den das Stück über
ihn ausschüttet, gleichsam gegen seinen
eigenen Urheber.
Der vermeintlich komische Strang dieser
Oper ist teilweise recht grobschlächtig:
Menschen geifern sich an oder sie verprügeln sich gegenseitig und wenn jemand
schlecht singt, wird er verspottet. Das
sind alles sehr brachiale komödiantische
Elemente, in denen sich das Werk zum Teil
unter seinem eigenen Niveau amüsiert. Die
Meistersinger sind in anderer Hinsicht viel
komischer: Thomas Mann sagt irgendwo,
alles Charakteristische sei komisch. Und
das ist ein Komik-Begriff, den man sehr
gut auf das Stück anwenden kann: Aus
der Detailgenauigkeit, mit der selbst die
kleinsten Nebenrollen gezeichnet sind, aus
einem gewissen Hyperrealismus erwächst
eine leise Komik, die mich mehr interessiert als die großen, eher klamaukartigen
Komödienmomente. Hinzu kommt noch ein
genuin musikalischer Humor, der interessanterweise dann umso stärker hervortritt, wenn die Szene selbst gar nicht so
betont komödiantisch ist, beispielsweise in
der Begegnung von Sachs und Beckmesser
Eine weitere komische Technik, die in den
„Meistersingern“ angewendet wird, ist
die der Parodie. Was ist ihr Gegenstand?
„Die Meistersinger von Nürnberg“ ist eine
dezidierte Künstleroper, in der Wagner die
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Bedingungen von künstlerischem Schaffen reflektiert. Was sind die Herausforderungen, vor denen die Hauptfigur Stolzing
steht?
Das Werk ist – anders als Tannhäuser –
tatsächlich ein Stück, das hochgradig
„metareflexiv“ ist. Richard Wagner reflektiert in den Meistersingern die Umstände
und Bedingungen künstlerischer Kreativität seiner eigenen Zeit. Ein heutiger
Stolzing, also ein Künstler des frühen 21.
Jahrhunderts, wäre eigentlich gar nicht
mehr mit der Unvereinbarkeit von freiem
Ausdruck und Regelpoetik befasst. Spätestens seit den Avantgarden zu Beginn
oder in der Mitte des 20. Jahrhunderts gibt
es ja kein kanonisiertes Regelwerk mehr,
gegen das man aufbegehren könnte. Wir
zeigen vielmehr einen jungen Künstler, der
versucht in einer Welt, in der eigentlich
alles schon einmal da war und in der deshalb auch alles möglich ist, seine „eigene
Stimme“ zu finden.
Dass das Werk für eine solche Lesart
durchaus anschlussfähig ist, erleben wir
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nicht nur in den großen ästhetischen Diskussionen der Schusterstube, sondern
auch in dem dafür zunächst unverdächtigen 2. Aufzug. Wenn wir die Setzung
dieses Aktes buchstäblich nehmen, dann
erleben wir hier Stolzing, wie er aus
Nürnberg fliehen will, was ihm aber nicht
gelingt. Das ist erstmal eine sehr konkrete
Situation, gleichzeitig aber auch eine sehr
treffende Metapher für sein künstlerisches
Dilemma: Man bewegt sich immer innerhalb einer bestehenden Tradition, in einem
Sprach- und Gattungssystem. Und in diesem historischen Raum etwas Neues zu
schaffen, ist letztlich die Herausforderung
eines jeden Künstlers. Ein Entkommen
aus „Nürnberg“, als dem Ort der künstlerischen Vorgeschichte, ist nicht möglich.
Das ist eine sehr dialektische Denkfigur:
Auch wenn man einen entschiedenen Kontrapunkt setzen möchte, setzt man diesen
gegen bereits Bestehendes, das immer
mitgedacht wird. Tabula rasa gibt es nicht.
Dieses Thema wird in der Inszenierung im
2. Aufzug noch einmal vergrößert, indem
die Situation Stolzings von einem persönli-
Die Meistersinger von Nürnberg, Inszenierung Wieland
Wagner 1956, 2. Akt, Hans Hotter als Hans Sachs
chen Problem der Figur auch auf die Ebene
der gesamten Inszenierung übertragen
wird: Stolzing irrt hier wie in einem Alptraum der Rezeptionsgeschichte durch drei
Inszenierungsformen des Stückes, die wir
sozusagen analog zu Wagners kompositorischen Stilmitteln einsetzen: Wir bewegen
uns durch die vermeintlich authentische
historische Setzung der Uraufführung,
durch ein direktes Zitat aus Wieland Wagners bahnbrechenden, abstrahierenden
Meistersingern von 1956 und schließlich
durch eine Parodie aktualisierenden Regietheaters. Und als wäre das nicht genug,
wird er auf der Festwiese auch noch mit
großen Rollenvorbildern konfrontiert, die
im Zeitalter allumfassender Reproduzierbarkeit ständig zum Vergleich verfügbar
sind. Es wird nicht leichter für einen Stolzing von heute ...
Ein anderes Thema, das Wagner sehr beschäftigt hat und das an verschiedenen
Stellen, vor allem in der Schlussansprache des Hans Sachs, thematisiert wird,
ist das Deutsche in der Kunst. Der historische Hintergrund ist die nationalistische
Diskussion des 19. Jahrhunderts, die sich
Folgeseiten Ensemble, Staatsopernchor
auf verschiedene Kunstformen wie Dichtung, Architektur oder die Oper erstreckte
und die die nationalästhetische Abgrenzung in den Künsten zum Ziel hatte. Wie
gehen Sie mit diesem Aspekt um, der
nicht zuletzt auch durch die Instrumentalisierung dieses Werkes in der Zeit des
Nationalsozialismus heikel ist?
Die Wagner’sche Gleichsetzung von
künstlerischer Utopie und deutschem
Nationalismus ist ein unauflösbarer
Anachronismus, an dem man sich immer
wieder neu abarbeiten muss. Für mich
liegt der Schlüssel zu dieser Szene darin,
die Schlussansprache nicht als allgemeines Fazit des Werkes zu zeigen, sondern
als Rollenprosa des Hans Sachs und sie
vor allem aus der Situation der Figur heraus zu erzählen. Wir erleben hier einen
Mann, der gerade seiner großen Liebe
abgeschworen hat und sich nun vor dem
„Wahn der Welt“ zurückzieht. Seine Behauptung, dass die deutsche Kunst allein
echt und wahr sei, hat selbst etwas von
einer Schutzbehauptung. Das können wir
als Zuschauer hinterfragen, ohne es unterschreiben zu müssen.
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JUSTIN BROWN Musikalische Leitung
CHRISTOPH GEDSCHOLD Nachdirigat
Justin Brown studierte an der Cambridge
University und in Tanglewood bei Seiji
Ozawa und Leonard Bernstein. Als Dirigent
debütierte er mit der gefeierten britischen
Erstaufführung von Bernsteins Mass. Für
seine Programmgestaltung beim Alabama
Symphony Orchestra, wo er seit fünf Spielzeiten als Chefdirigent wirkt, wurde er mehrfach ausgezeichnet. Gastengagements führten ihn an renommierte Opernhäuser und
Orchester weltweit, in Deutschland u. a. an
die Bayerische Staatsoper München und zu
den Dresdner Philharmonikern. Komplettiert
wird sein Erfolg durch CD-Einspielungen.
Am STAATSTHEATER KARLSRUHE, dessen
Musikchef er seit 2008 ist, wurde Justin
Brown für seine Dirigate von Wagners Ring
sowie den Werken Berlioz’, Verdis und
Strauss’ gefeiert. In der Spielzeit 2013/14
hat er u. a. die musikalische Leitung von Die
Fledermaus sowie von zahlreichen Sinfoniekonzerten.
Seit 2009/10 koordinierter 1. Kapellmeister
am STAATSTHEATER KARLSRUHE, studierte Christoph Gedschold Klavier und
Dirigieren in Leipzig und bei Christof Prick
in Hamburg. 2002 ging er als Korrepetitor
und Kapellmeister ans Theater Luzern.
Während dieser Zeit arbeitete er beim Lucerne Festival für Claudio Abbado, Mariss
Jansons und Pierre Boulez. Zur Spielzeit
2005/06 wurde Christoph Gedschold als
Kapellmeister an das Staatstheater Nürnberg engagiert. In Konzerten und Opernaufführungen dirigierte er z. B. in Mannheim,
Innsbruck, Dortmund, La Gioconda in Lecce
oder das New Japan Philharmonic. Mit
dem Münchner Rundfunkorchester spielte
er Werke von Georg Schumann auf CD ein.
In der Spielzeit 2013/14 dirigiert er in Karlsruhe u. a. Ravels Das Kind und die Zauberdinge und Strawinskys Die Nachtigall. Im
Mai 2015 wird Christoph Gedschold beim
Montreal Symphony Orchestra mit Schostakowitschs 11. Sinfonie zu erleben sein.
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TOBIAS KRATZER Regie
Rainer Sellmaier Ausstattung
Tobias Kratzer studierte Kunstgeschichte
und Philosophie in München und Bern
sowie Schauspiel- und Opernregie an der
Bayerischen Theaterakademie August
Everding. 2008 gewann er den Regie-Wettbewerb ring.award in Graz und ist seitdem
als freier Opernregisseur tätig. 2009 erarbeitete er am Theater Heidelberg Die Zauberflöte. Es folgten Händels Admeto in Leipzig und La sonnambula in Graz sowie an der
Värmlands Opera in Karlstad, Schweden
Rigoletto und die Johannespassion. In
Bremen inszenierte er Der Rosenkavalier
und Tannhäuser, bei den Schwetzinger
Festspielen und am Theater Basel Glucks
Telemaco. Für Anna Bolena am Luzerner
Theater wurde er 2011 von der Opernwelt
als „Opernregisseur des Jahres“ nominiert.
2013 erarbeitete er Lohengrin am Nationaltheater Weimar. Im Juni 2014 inszeniert
er Die Hugenotten am Staatstheater Nürnberg. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE
inszenierte er bereits Wallenberg.
Rainer Sellmaier studierte Kunstgeschichte
und Theaterwissenschaft in München sowie Bühnen- und Kostümbild am Mozarteum Salzburg. 2006 bis 2009 war er Ausstattungsleiter am Theater Regensburg. Seither
arbeitet er als freischaffender Bühnen- und
Kostümbildner. Unter seinen Arbeiten finden sich Così fan tutte mit dem Opernstudio
der Bayerischen Staatsoper München, die
Operette Ein Walzertraum von Oscar Straus
an der Oper Graz, Anna Bolena am Luzerner Theater und Telemaco bei den Schwetzinger Festspielen und am Theater Basel.
2008 gewann er in Graz gemeinsam mit dem
Regisseur Tobias Kratzer den Internationalen Wettbewerb für Opernregie und Bühnenbild ring.award. Für Telemaco wurde er
von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ zum
Bühnenbildner des Jahres 2011 nominiert.
Am STAATSTHEATER KARLSRUHE war er
bereits für Robin Hood, Wallenberg und Die
Regimentstochter tätig. Zudem ist er für die
Ausstattung von Der Ball verantwortlich.
Folgeseiten Ensemble, Staatsopernchor
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RENATUS MESZAR Hans Sachs
Der Bassbariton sang bereits an etlichen Opernhäusern, u. a. in Bonn,
Braunschweig, an der Komischen Oper Berlin und am Gärtnerplatztheater München. Seit 2012/13 ist er Ensemblemitglied am STAATSTHEATER
KARLSRUHE. Er sang hier u. a. Wotan/Wanderer, Holländer und General
Groves in Doctor Atomic.
GUIDO JENTJENS a. G. Veit Pogner
Der Bassist ist ein international etablierter Wagner-Interpret. Er gastierte
beispielsweise bei den Bayreuther Festspielen unter Christian Thielemann
als Pogner und als Landgraf Hermann in Tannhäuser. 2013 gab er sein
Debüt bei den Salzburger Festspielen. In seiner Zeit als Karlsruher Ensemblemitglied von 1993 bis 2002 sang er viele große Partien seines Fachs.
MAX FRIEDRICH SCHÄFFER Kunz Vogelgesang
Der Tenor studierte Gesang in Hamburg und an der Hochschule für Musik
Karlsruhe. Engagements führten ihn an das Staatstheater Oldenburg und
das Konzerthaus Berlin. Seit dieser Spielzeit ist er festes Ensemblemitglied
und singt u. a. Dr. Blind in Die Fledermaus sowie Robert Wilson in Doctor
Atomic.
ANDREW FINDEN Konrad Nachtigall
Der junge australische Bariton studierte in Sydney und London, wo ihm an
der Guildhall School of Music and Drama 2009 der Harold Rosenthal Preis
verliehen wurde. In der Spielzeit 2013/14 singt er am STAATSTHEATER
KARLSRUHE u. a. den Graf in Die Hochzeit des Figaro, Dr. Falke in Die
Fledermaus und Papageno in Die Zauberflöte.
Ks. EDWARD GAUNTT Sixtus Beckmesser
Der Texaner gastierte an internationalen Opernhäusern, wie u. a. an der
Deutschen und der Komischen Oper Berlin sowie an der Semperoper
Dresden. 2006 wurde dem Bariton, der seit 1985 Ensemblemitglied in
Karlsruhe ist, der Titel „Kammersänger“ verliehen. In dieser Spielzeit singt
er u. a. Frank in Die Fledermaus und den Sprecher in Die Zauberflöte.
ARMIN KOLARCZYK Sixtus Beckmesser
Der Bariton studierte Gesang in München und Jura in Innsbruck. Ab 1997
war Armin Kolarczyk in Bremen engagiert, bevor er 2007 ans STAATSTHEATER KARLSRUHE wechselte. Seine CD mit Schuberts Schwanengesang erschien 2011. In der Spielzeit 2013/14 sang er Graf Almaviva in Die Hochzeit
des Figaro und ist u. a. auch als Oppenheimer in Doctor Atomic zu hören.
LUCAS HARBOUR Fritz Kothner
Der Bariton war zunächst Mitglied des Studios der Santa Fe Opera, dann
Stipendiat der Deutschen Oper Berlin. Gastspiele führten ihn nach Turin,
Chicago, Santa Barbara, Sacramento und mit dem STAATSTHEATER nach
Daegu. In der Spielzeit 2013/14 singt er u. a. in Die Hochzeit des Figaro die
Titelpartie und Edward Teller in Doctor Atomic.
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NANDO ZICKGRAF Balthasar Zorn
Der Tenor aus Freiburg studiert seit 2008 Gesang an der Musikhochschule Karlsruhe. Seit dieser Spielzeit ist er Mitglied des Opernstudios des
STAATSTHEATERS KARLSRUHE. Er sang hier Bart- und Ziegenkerl in Wo
die wilden Kerle wohnen und ist u. a. auch als Teekanne in Das Kind und
die Zauberdinge und als Oberrichter in Ein Maskenball zu erleben.
Ks. KLAUS SCHNEIDER Ulrich Eißlinger
Der Tenor gab sein Operndebüt 1989 an der Opéra National de Paris. Seit
1990 ist er am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert, wo ihm 2003 der
Titel „Kammersänger“ verliehen wurde. In dieser Spielzeit singt er u. a.
Walther in Die Passagierin, Eisenstein in Die Fledermaus und die Titelpartie in Peter Grimes.
Ks. HANS-JÖRG WEINSCHENK a. G. Augustin Moser
Der Tenor war von 1980 bis 2013 Ensemblemitglied am STAATSTHEATER
KARLSRUHE. 2000 wurde ihm der Titel „Kammersänger“ als Anerkennung
für seine künstlerische Leistung verliehen. In dieser Spielzeit gastiert er
außerdem als Dr. Blind in Die Fledermaus und als Narr in Boris Godunow.
YANG XU Hermann Ortel
Der Bassbariton absolvierte sein Studium in Peking, wo er in etlichen
Rollen bereits auf der Bühne stand. Seit dieser Spielzeit ist er Mitglied des
Karlsruher Opernstudios und singt hier u. a. Hahnkerl in der Kinderoper
Wo die wilden Kerle wohnen, Graf Ribbing in Ein Maskenball und Älterer
Passagier in Die Passagierin.
Luiz Molz Hans Schwarz
Der brasilianische Bassist war nach Engagements an der Staatsoper
Stuttgart von 1999 bis 2001 in Freiburg engagiert, seitdem ist er
Ensemblemitglied am STAATSTHEATER KARLSRUHE. In der Spielzeit
2013/14 war er als Daland in Der fliegende Holländer und in der Titelpartie
von Die Hochzeit des Figaro zu hören.
AVTANDIL KASPELI Hans Foltz
Der georgische Bass studierte in München, wo er u. a. als Sparafucile in
Rigoletto debütierte. Am Prinzregententheater verkörperte er die Rolle
des Komtur in Don Giovanni. Seit der Spielzeit 2011/12 ist er im Ensemble
des STAATSTHEATERs KARLSRUHE, wo er 2013/14 u. a. als Pimen in Boris
Godunow und als Sarastro in Die Zauberflöte zu erleben ist.
DANIEL KIRCH a. G. Walther von Stolzing
Der Tenor arbeitet mit renommierten Dirigenten wie Christian Thielemann,
Zubin Mehta, René Jacobs oder Marek Janowski und mit Regisseuren wie
Harry Kupfer oder Robert Carsen. Engagements führen ihn an die großen
Opernhäuser der Welt, wie u. a. ans Théâtre Royal de la Monnaie in
Brüssel, das Gran Teatre del Liceu in Barcelona und die Mailänder Scala.
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ELEAZAR RODRIGUEZ David
Der mexikanische Tenor war Träger des Gesangsstipendiums „Plácido
Domingo“, studierte in Mexiko und San Francisco und war Teilnehmer des
Merola-Programms der San Francisco Opera. In der Spielzeit 2013/14 ist
er u. a. als Alfred in Die Fledermaus, als Tamino in Die Zauberflöte und als
Fischer in Die Nachtigall zu hören.
RACHEL NICHOLLS a. G. Eva
Auftritte führten sie u. a. zur Academy of St. Martin-in-the-Fields, zum BBC
Symphony Orchestra, an die Royal Opera und ans Théâtre des ChampsÉlysées in Paris. Zudem debüterte sie als Senta in Der Fliegende Holländer an der Scottish Opera in Glasgow. Sie arbeitete u. a. mit Colin Davis,
John Eliot Gardiner, Roger Norrington und Simon Rattle.
CHRISTINA NIESSEN Eva
Die Sopranistin ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe und Stipendien. Seit der Spielzeit 2006/07 ist Christina Niessen am STAATSTHEATER
KARLSRUHE engagiert und war hier in vielen großen Rollen ihres Fachs zu
erleben. Sie steht in dieser Spielzeit außerdem als Rosalinde in Die Fledermaus und als Köchin in Die Nachtigall auf der Bühne.
STEFANIE SCHAEFER Magdalena
Die Mezzosopranistin war von 2002 bis 2007 Ensemblemitglied in Wuppertal. Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie am STAATSTHEATER KARLSRUHE
engagiert und war u. a. in der Titelpartie von Carmen und als Cherubino
in Die Hochzeit des Figaro zu erleben. In dieser Spielzeit singt sie zudem
Orlofsky in Die Fledermaus und die Wirtin in Boris Godunow.
SEUNG-GI JUNG Ein Nachtwächter
Der Bariton studierte Gesang in Seoul und Karlsruhe. Engagements führten ihn u. a. nach Bern, Augsburg und ans Théâtre du Capitole in Toulouse.
Am STAATSTHEATER KARLSRUHE sang er u. a. Wolfram in Tannhäuser
und Escamillo in Carmen. In der Spielzeit 2013/14 ist er u. a. als Renato in
Ein Maskenball und als Kaiser von China in Die Nachtigall zu hören.
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Ensemble, Staatsopernchor
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bildnachweise
impressum
Umschlag Felix Grünschloß
Szenenfotos Falk von Traubenberg
Herausgeber
BADISCHES STAATSTHEATER
Karlsruhe
Seite 32
Aus: Walter Erich Schäfer Wieland
Wagner. Persönlichkeit und Leistung,
Tübingen 1970, S. 202f.
Generalintendant
Peter Spuhler
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
TEXTNACHWEISE
Richard Wagner Der Künstler und
die Öffentlichkeit. In: Schriften eines
revolutionären Genies. Ausgewählt und
kommentiert von Egon Voss, München /
Wien 1976, S. 90 – 98.
Die Texte von Tobias Kratzer und Raphael
Rösler sind Originalbeiträge für dieses
Programmheft.
Sollten wir Rechteinhaber übersehen
haben, bitten wir um Nachricht.
BADISCHES STAATSTHEATER
Karlsruhe 13/14,
Programmheft Nr. 179
www.staatstheater.karlsruhe.de
Chefdramaturg
Bernd Feuchtner
operndirektor
Joscha Schaback
Redaktion
Raphael Rösler
Redaktionelle Mitarbeit
Daniel Rilling
Konzept
Double Standards Berlin
www.doublestandards.net
GESTALTUNG
Kristina Pernesch
Druck
medialogik GmbH, Karlsruhe
Da Fühlt’ ich’s tief sich regen,
als weckt’ es mich aus dem Traum;
mein Herz mit bebenden SchlAgen
erfUllte des Busens Raum.
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Daniel Kirch
Des Ritters Lied und
Weise, sie fand ich
neu und unbeiRrt.
Wollt ihr nach Regeln
messen, was nicht
nach eurer Regeln
Lauf, der eig’nen Spur
vergessen, sucht davon
erst die Regeln auF.
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