Facharbeit Matthias Bickermann

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Martin-Behaim-Gymnasium Nürnberg
Mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium mit neusprachlichem Zweig
Leistungskurs CHEMIE
Kollegstufenjahrgang 1990/92
Facharbeit
über die
Pharmakologie und Synthese von Aspirin
(Acetylsalicylsäure)
von
Matthias Bickermann
Leistungskurs:.....CHEMIE C10/C20
Kursleiter:............OStR Dachlauer
Abgabetermin: ....3. Februar 1992
Abgabe:...............25. September 1991
Unterschrift des Kursleiters: (gez. Dachlauer)
Erreichte Note:...........1,0
in Worten: ..................eins Komma null
Erreichte Punkte: .......14
in Worten: ..................vierzehn
Facharbeit über die Pharmakologie und Synthese von Aspirin
verfaßt von Matthias Bickermann (Kollegstufenjahrgang 1990/92)
Inhaltsverzeichnis
„Der Wirkstoff im Aspirin“....................................................................... Seite 1
Die Historie (Geschichte) von Aspirin
- „Die Entdeckung der Acetylsalicylsäure“ .............................................. Seite 2
Die Pharmakologie (Wirkweise) von Aspirin
- „Aspirin und das Rheuma“ .................................................................... Seite 4
- „Die Erklärung der Wirkung: Die Prostaglandin-Hypothese“ ................. Seite 5
- „Der Effekt von Aspirin auf Blutgerinnsel“ ............................................ Seite 6
Die Physik und Chemie von Aspirin
- „Die Struktur von Acetylsalicylsäuremolekülen“ ................................... Seite 9
Die Synthese (Herstellung) von Aspirin
- „Vier Vorversuche zur Synthese von Aspirin“...................................... Seite 10
- „Wie man Aspirin technisch herstellen kann“ ..................................... Seite 12
Versuche mit Aspirin
- „Charakteristische Experimente mit Aspirin“ ...................................... Seite 13
a, Der Eisen(III)-chlorid-Versuch
b, Reaktion mit Koberts Reagenz
c, Die schwache Zersetzung von Aspirin
d, Die starke Zersetzung von Aspirin
„Aspirin ist kein alltäglicher Stoff“ ......................................................... Seite 15
Literatur und Quellenverzeichnis ............................................................ Seite 17
schriftliche Erklärung .............................................................................. Seite 18
Der eingetragene Warenname „Aspirin“ wird in der gesamten Facharbeit, soweit nicht anders angegeben als Freiname und als Synonym für Acetylsalicylsäure verwendet.
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Der Wirkstoff im Aspirin
Aspirin ist das bekannteste Arzneimittel der Welt. Man spricht bei Aspirin von
einem „idealen Medikament“, das so gut wie keine Nebenwirkungen besitzt,
eine rasche und schmerzlose Heilung verspricht, nie versagt und dennoch problemlos über lange Zeiträume auch prophylaktisch angewendet werden kann.
Viele Amerikaner gehen dazu über, einfach jeden Tag als Vorsorge eine Aspirintablette einzunehmen. Aspirin gegen den Kater danach, gegen Migräne, gegen
Fieber, gegen Rheuma und so weiter. Was steht dahinter?
Aspirintabletten und -dragees enthalten neben Tablettenfüllstoffen und Amylum zum Auflösen in Wasser nur einen Wirkstoff:
Acetylsalicylsäure (ASS).
Acetylsalicylsäure ist der heute gebräuchliche chemische
Name für das Produkt der Essigsäureveresterung von oHydroxybenzoesäure (Salicylsäure). Die Apotheker nennen
ASS lateinisch „acidum acetylosalicylicum“. Der Warenname „Aspirin“ ist ein in
Deutschland und in ca. 70 weiteren Ländern der Erde gesetzlich geschütztes
Warenzeichen der „Bayer AG Leverkusen“ als Rechtsnachfolgerin der
„Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co.“. In einigen anderen Ländern wie
z.B. der USA ist „Aspirin“ seit dem zweiten Weltkrieg ein freier Handels- und
Gattungsname.
Acetylsalicylsäurepräparate anderer Firmen tragen Namen wie „Acetylin“
(Heyden AG, München), „Acesal“ (DDR), „Acetophen“, „Acetosal", „Acetol",
„Acylpyrin“, „Aspro“, „Empirin“. „Helicon“, „Rhodine“, „Xaxa“ u.ä.
In Deutschland existieren unterschiedliche Kombinations- und Dosispräparate, so
z.B. „Aspirin junior“ mit niedrigerer Dosierung, „Aspirin plus C“ in Kombination
mit Ascorbinsäure, „Aspisol“, ein injizierbares Medikament mit LysinAcetylsalicylat und „Colfarit“, ein Präparat aus mit Äthylzellulose mikroverkapselter ASS, das besonders magenverträglich ist. Außerdem gibt es noch eine
Reihe von Mischpräparaten, in denen ASS mit anderen Wirkstoffen vermischt
ist; auf diese soll jedoch nicht weiter eingegangen werden.
Den Herstellungs- und Verkaufszahlen zufolge ist Acetylsalicylsäure (ASS) der
weltweit führende medizinische Wirkstoff. So wurden z.B. 1980 36000 Tonnen
(!) ASS hergestellt und verarbeitet. Statistisch konsumiert jeder Bürger der westlichen Welt pro Jahr 70 Tabletten mit ASS als Neben- oder Hauptbestandteil.
Wie kam es zu dieser Entwicklung?
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Die Entdeckung der Acetylsalicylsäure
Im „Corpus Hippokraticum“ (von dem griechischen Arzt Hippokrates, etwa 460
– 370 v.Chr.) wird zum ersten Mal von der fiebersenkenden (antipyretischen) und
schmerzstillenden (analgetischen) Wirkung von Auszügen der Rinde der Flußweide (lat. salix alba) berichtet. Bei den Römern sind diese Auszüge sehr beliebt,
doch im Mittelalter geraten sie in Vergessenheit.
Der englische Geistliche Edward Stone entdeckt die Heilkraft der Weidenrinde
neu und berichtet der Royal Society 1763 davon. Johann Andreas Duchner gewinnt erstmals 1828 verunreinigte Kristalle des Weidenrindenauszuges und
nennt den neuen Stoff „Aspirin“.. 1829 stellt der Apotheker Henri Leroux mit einer verbesserten Methode 30 Gramm reines Salicin her. Auch Heinrich Merck
beschäftigt sich mit Salicin, das schon zu dieser Zeit wegen seiner Wirksamkeit
geschätzt, aber noch zu teuer ist.
1838 spaltet Raffaele Piria Salicin in einen Zucker (Glucose)
und in einen aromatischen Teil, der oxidiert eine Säure ergibt,
die nach dem lateinischen Namen für Weide (salix)
„Salicylsäure“ benannt wird. Salicylsäure findet sich auch im
Öl der Spirstaude (lat. spirea ulmaria) (Ludwig 1835; Dumas
1839). Der Methylester dieser Säure ist im „Wintergrünöl“
der amerikanischen Teebeere (lat. gautheria procumbens),
einem beliebten Medikament zur Fiebersenkung, enthalten
(Th. Cahours, 1843).
Nun gilt es, Salicylsäure billig synthetisch herzustellen. Hermann Kolbe klärt
1859 die Konstitution der Salicylsäure auf und synthetisiert das Natriumsalicylat.
1874 entsteht aufgrund der enormen Nachfrage die erste große Fabrik zur synthetischen Herstellung von Salicylaten; der Preis für Salicylsäure sinkt auf ein
Zehntel des ursprünglichen Wertes.
Es folgt die breite klinische Anwendung der Salicylsäure, wobei sich jedoch schwere Nebenwirkungen einer
Salicylsäurebehandlung zeigen: Ohrensausen und
Übelkeit sind nach hohen Gaben von Salicylsäure
durchaus üblich. Im schlimmsten Fall folgen heftige
Gelenkentzündungen und Schädigungen an den Herzklappen. Außerdem reizt die Säure die Magenschleimhaut schwer. Dies führt schnell zur Unverträglichkeit
bei Langzeitbehandlungen.
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Man versucht ab 1877, dieses Problem durch Salze der Salicylsäure wie z.B. das
Natriumsalicylat zu vermeiden, doch ohne wirklichen Erfolg. Auf der Suche nach
magenverträglicheren Mitteln stößt man auf den Essigsäureester der Salicylsäure, den Gebhardt schon 1853 hergestellt hatte. Das Produkt war allerdings so
unrein, daß die Substanz wieder in Vergessenheit geriet. Der Chemiker Felix
Hoffmann von Bayer und Co. stellt diese Acetylsalicylsäure (ASS) 1897 erstmals
in reiner, haltbarer Form her und läßt sie klinisch testen.
Die durch die Veredelung von Salicylsäure gewonnene Substanz ASS
erweist sich als sehr viel magenverträglicher als andere Salicylsäurederivate, so daß auch Langzeitbehandlungen mit hohen Dosen vertretbar werden. ASS bildet farblose
Kristalle, die nicht durch Wasser,
sondern erst im Magen- und Darmsekret zu Essigsäure und Salicylsäure gespalten werden können. Dadurch erreicht man eine längere,
konstante Abgabe von Salicylsäure
im Körper und gleichzeitig eine stärke Minderung der Nebenwirkungen.
Bayer geht als erste Firma 1899 in
die erfolgversprechende Großproduktion; als Handels- und Warenzeichen wird von der pharmazeutischen
Abteilung
der
Name
„Aspirin“ ausgewählt, „a“ für Acetyl und „spir“ für Spirstaude, deren
Öl die Salicylsäure enthält. Zunächst
kommt Aspirin als Pulver in den
Handel, das in Papierkapseln (in Dosen zu 1g) oder in Arzneiflaschen abgefüllt ist. Doch schon ein Jahr später wird
das Pulver unter Einlagerung von Amylum zu wasserlöslichen Tabletten weiterverarbeitet.
Auch heute noch werden im privatmedizinischen Bereich wasserlösliche Tabletten bevorzugt. Die Dosen gehen hier von 100mg („Aspirin junior“) bis 400mg
(„Aspirin plus C“ mit 240mg Ascorbinsäure) bzw. 500mg („Colfarit“ mit 50mg
Coffein). Da man für verschiedene Anwendungsbereiche verschieden hohe Dosen benötigt, werden in der Klinik die Mengen auf den einzelnen Patienten abgestimmt.
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Aspirin und das Rheuma
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Aspirin ein zuverlässiger Partner der
Mediziner bei allen Arten von Schmerzen1 rheumatischem Fieber, Infektionsund Erkältungskrankheiten. Doch auch groß angelegte Versuchsreihen bringen
die Pharmakologen nicht weiter – der Wirkungsmechanismus der Acetylsalicylsäure (ASS) bleibt unklar.
1949 entdeckt Philip Hensch die antirheumatische Wirkung von Cortison, einem
Hormon aus der Nebennierenrinde. Aber Cortison ist wegen seiner vielen Nebenwirkungen umstritten und außerdem zu teuer. Nun sucht man nach einem
Cortison-Ersatzpräparat und hofft, es in Aspirin zu finden. Gibt man hohe Dosen
(3 – 6 g/Tag) Aspirin, so ist der antirheumatische Effekt am meisten ausgeprägt
und dem Cortison-Behandlungseffekt gleichwertig. Außerdem kann die Kombination mit zusätzlich entzündungshemmenden Medikamenten entfallen.
Der antirheumatische Effekt ist eine Folge der antiphlogistischen
(entzündungshemmenden) und analgetischen (schmerzstillenden) Wirkung von
Aspirin auf die Gelenke. Man therapiert, indem man die verträgliche Höchstdosis
verabreicht und diese Dosis über eine Langzeitbehandlung aufrechterhält (durch
Anwendung von mikroverkapselter ASS wird dabei der Magen geschont). So kann man sowohl
Rheumaschübe als auch chronische Polyarthritis
gut behandeln. Auch zum Schutz vor Knorpeldegenerationen ist Aspirin gut geeignet.
Wie Aspirin genau gegen rheumatische Schmerzen wirkt, ist noch immer nicht ganz klar. Die
These, Aspirin wirke indirekt durch eine erhöhte
Cortisonausschüttung in der Nebennierenrinde,
ist nicht allgemeingültig, da nicht bei allen Patienten der Cortisonspiegel im Blut nach einer Aspiringabe steigt. Eine mögliche Erklärung für den
antirheumatischen Effekt ist, daß hohe Tagesdosen Aspirin die Harnsäureausscheidung aus dem
Blut fördern und damit den hohen Harnsäurespiegel der Patienten (der z.B. für Gicht verantwortlich ist) senken.
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Die Erklärung der Wirkung: Die Prostaglandin-Hypothese
Von der analgetischen (schmerzlindernden) Wirkung von Aspirin ist bis in die
siebziger Jahre hinein nur bekannt, das die ASS peripher (in den Zellen im ganzen Körper) und nicht zentral (im Gehirn) wie z.B. Morphin wirkt. Außerdem beobachtet man. daß ASS die meisten Botenstoffe für Schmerzen (Histamin etc.)
an ihren Rezeptoren verdrängt und sie somit blockiert.
John R. Vane beschäftigt sich genauer mit den Wirkungen von Aspirin und stellt
im Verlauf seiner Forschung 1971 die Prostaglandin-Hypothese auf, die zumindest große Teile vom Wirkungsmechanismus der ASS im Körper erklären kann
und ihm den Nobelpreis für Medizin 1982 einbringt. Die Hypothese besagt, daß
durch Aspirin bzw. ASS die Bildung von Prostaglandinen gehemmt wird.
Der peripher-analgetische Effekt der Acetylsalicylsäure ist mit ihrer antiphlogistischen (entzündungshemmenden) Wirkung eng verknüpft. An Entzündungs-, Fieber- und Schmerzreaktionen des Körpers sind Prostaglandine ursächlich beteiligt.
Sie werden dabei nicht wie Hormone auf Vorrat produziert, sondern erst bei
krankheitserregenden Ursachen bzw. Wunden von den betreffenden Körperteilen aus Arachidonsäure, die in den Zellmembranen vorkommt, biosynthetisiert.
Diese Prostaglandine, besonders
PG E2, PG F2 und PG I2
(Prostacyclin), können Fieber,
Entzündungen, Muskelspannungen,
Blutgefäßerweiterungen
und -verengungen, Schwellungen, Schmerzen und eine Zusammenballung von Blutplättchen (s.u.) verursachen. Aspirin
und verwandte Pharmaka blokkieren nun das Enzym Cyclooxygenase
(Prostaglandin-HSynthetase) und schädigen es
so, daß keine Endoperoxide PG
G2 und PG H2 (Aufbaustufen der
eigentlichen Prostaglandine PG E2, PG F2 und PG I2) mehr gebildet werden können. Allerdings können Gefäßwandzellen das Enzym teilweise nachproduzieren,
so daß die Wirkung von einmaligen ASS-Gaben klar zeitlich begrenzt ist. Höhere
Dosen wirken länger, da sie das neugebildete Enzym länger blockieren, weil prozentual mehr ASS im Blut vorhanden ist.
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Die Prostaglandin-Hypothese überzeugt vor allem wegen der Erklärung der Nebenwirkungen einer Aspirin-Therapie: So sind Prostaglandine unter anderem
wichtig für die Aufrechterhaltung der Magenschleimhaut. die ohne diese Stoffe
auf Dauer stark geschädigt wird. Die Magenprobleme sind damit erklärt. Seltene
Fälle der Ödembildung nach Aspirin-Dauerbehandlungen sind auf das Fehlen von
PG I2 zurückzuführen, das die Ausscheidung von Salzen regelt.
Aspirin-Allergien werden dadurch erklärbar, daß statt dem geschädigten Enzym
Cyclooxygenase nun das Enzym Lipoxygenase die Arachidonsäure umwandelt,
jedoch diesmal in Leukotriene, mitunter stark allergieauslösende Botenstoffe.
Auch für den antipyretischen (fiebersenkenden) Effekt findet man mit Hilfe der
Prostaglandin-Hypothese eine Erklärung. Denn bei Fieber setzen die
Prostaglandine in Rückenmark und Hirn durch ihre vermehrte Anwesenheit die
Körpertemperatur herauf. Behandelt man mit ASS, so sinkt die Temperatur aufgrund des Fehlens von Prostaglandinen wieder. Durch die gefäßerweiternde
Wirkung von Aspirin wird zusätzlich noch für eine erhöhte Schweiß- und damit
Hitzeabsonderung gesorgt.
Der Effekt von Aspirin auf Blutgerinnsel
Die sehr wichtige und in den siebziger Jahren gefestigte Erkenntnis, daß ASS in
der Lage ist, das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln im Körper zu vermindern,
kann ebenfalls mit der Prostaglandin-Hypothese erklärt werden: In den Blutplättchen (Thrombozyten) blockiert die Acetylsalicylsäure ebenfalls das Enzym Cyclooxygenase, so daß auch dort die Arachidonsäure nicht mehr zu den Endoperoxiden PC G2 und PC H2 konvertiert werden kann. Die Blockierung geschieht annähernd vollständig, da die Blutplättchen keine Cyclooxygenase mehr nachbilden
können.
Die Endoperoxide PG G2 und PG H2 werden in den Blutplättchen nicht zu
Prostaglandinen, sondern zu den Botenstoffen Thromboxan A2 und Thromboxan
B2 umgewandelt. Erreichen diese Stoffe die Wunde, bewirken sie eine Aggregation (Ansammlung und Verklumpung) der Blutplättchen, die die Wunde verschließen, nachdem andere Bioreaktionen zur Verengung der betroffenen Gefäßwände geführt haben. Ist nun ASS im Blut vorhanden. werden keine Thromboxane mehr gebildet, die die Blutung stillen könnten; die Gerinnung wird leicht
verzögert, eine lästige Nebenwirkung einer Aspirinbehandlung.
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Nachdem man diesen „thrombospezifischen Effekt“ der ASS 1954 bzw. 1967 an
Patienten mit sog. hämorrhagischer Diathese entdeckt hat, der einzigen Krankheit, bei der die Blutgerinnung mit ASS zum Problem werden kann, werden groß
angelegte Untersuchungen vorgenommen. Man stellt dabei fest, daß vor allem
der Schritt von reversiblen (auflösbaren) Ansammlungen von Blutplättchen zu
irreversiblen durch ASS unterdrückt wird. Dieser durch die fehlenden Thromboxane erklärbare Effekt hält sogar länger an als eine signifikante Konzentration von
ASS im Blut. Das läßt sich auf die sich abspaltende Essigsäure von der ASS zurückführen, die evtl. entstehende Thromboxane einfach acetyliert.
Was den thrombospezifischen Effekt so wichtig macht, ist seine Anwendungsmöglichkeit bei Blutgerinnseln innerhalb des Körpers. Das bedeutet, daß durch
ASS das Risiko einer Thrombose (eines Aderverschlusses im Körper durch Blutgerinnsel) erheblich vermindert wird. Sowohl akut als auch prophylaktisch kann
man so vor Herzinfarkten und Schlaganfällen schützen. Auch Arteriosklerose,
zelebrale Ischämien und koronare Herzkrankheiten lassen sich mit ASS wirksam
behandeln.
1980 wird festgestellt, daß neben den Thromboxanen auch das Prostacyclin (PG I2) an der
Blutgerinnung beteiligt ist. Dies erklärt, warum
man zum Verhindern einer Aggregation nur 250
mg-Tagesdosen benötigt, während man z.B.
um zu verhindern, daß nach einem Schlaganfall
ein weiteres Gerinnsel im Hirn auftritt, Tagesdosen von 900 – 1500 mg braucht. Die Gefäßwandzellen sind – anders als die Blutplättchen – in der Lage, das blockierte Enzym Cyclooxygenase neu zu produzieren. Dieses Enzym muß von neuer ASS ebenfalls blockiert
werden, was höhere Dosen erfordert.
Auch die weißen Blutkörperchen spielen eine
Rolle bei Entzündungen; die Wirkung von ASS
auf diese Zellen ist jedoch umstritten. Sicher ist
bis jetzt nur, daß ASS chemische Botenstoffe,
die die weißen Blutkörperchen zur Anhaftung
an Zellmembranen bewegt – eine der ersten
Stufen einer Entzündungsreaktion –, nicht
durch die Zellmembran passieren läßt, da ASS
sich an ein Rezeptoreiweiß (das G-Protein) bindet. Auch Teile der gespaltenen ASS, die Salicylsäure und die Essigsäure, könnten Auswirkungen auf die Gerinnung haben.
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Alles in allem kann man sagen, daß der thrombospezifische Effekt wieder neue
Fragen aufgeworfen hat. Die Prostaglandin-Hypothese ist sicher richtig, doch sie
erklärt bei weitem nicht alle Wirkungen. Dies zeigt sich vor allem beim Vergleich
mit Medikamenten und Wirkstoffen, die dieselben Effekte besitzen, bei denen
aber nachweislich kein Prostaglandineffekt existiert, wie z.B. Natriumsalicylat
oder Meclofenamat. Andere Medikamente wie Paracetamol oder Piroxicam haben mit einem anderen Wirkungsmechanismus auch ungefähr dasselbe Wirkungsspektrum wie ASS. Wie aber reagieren diese Stoffe im Körper? Gibt es
vielleicht einen Effekt, der sowohl bei ASS als auch bei den anderen entzündungshemmenden Wirkstoffen nachweisbar verantwortlich für die Wirkung ist?
Zur vollkommenen Verwirrung trägt auch noch das neueste Forschungsergebnis
bei, nach dem Prostaglandine wie PG E2 und PG I2 Entzündungen nicht nur fördern, sondern auch selber hemmen können. Die Forschung über die Wirkung der
Acetylsalicylsäure ist also bei Weitem noch nicht am Ende.
Im folgenden werden wir uns mehr dem Aufbau und den chemischen Eigenschaften dieses interessanten Wirkstoffes zuwenden.
Aspirin/Aspirin plus C
Aspirin gegen leichte bis mittelstarke Schmer-
zen, z. B. Kopfschmerzen, Zahn- und Regelschmerzen; Schmerzen und Fieber, auch bei Erkältungskrankheiten; Entzündungen. Aspirin plus C gegen leichte bis mittelstarke Kopfschmerzen; Fieber, auch bei Erkältungskrankheiten. Zur
Beachtung: Aspirin/Aspirin plus C soll längere Zeit oder in höheren Dosen nicht ohne Befragen des Arztes angewendet werden. Aspirin/Aspirin plus C darf nicht angewendet werden bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren oder
bei krankhaft erhöhter Blutungsneigung. Aspirin/Aspirin plus C sollte nur nach Befragen des Arztes angewendet
werden bei gleichzeitiger Therapie mit gerinnungshemmenden Arzneimitteln (z.B. Cumarinderivate, Heparin), bei Glucose-6-Phosphatdehydrogenasemangel, bei Asthma oder bei Überempfindlichkeit gegen Salicylate, andere Entzündungshemmer/Antirheumatika oder andere allergene Stoffe, bei chronischen oder wiederkehrenden Magen- oder Zwölfingerdarmbeschwerden oder bei vorgeschädigter Niere, in der Schwangerschaft, insbesondere in den letzten drei Monaten.
Folgende Nebenwirkungen können auftreten: Magenbeschwerden, Magen-Darm-Blutverluste; selten Überempfindlichkeitsreaktionen (Anfälle von Atemnot, Hautreaktionen); sehr selten eine Verminderung der Blutplättchen
(Thrombozytopenie). Bayer Leverkusen.
--- Seite 9 ---
Die chemischen Eigenschaften des Aspirins
Bild rechts: räumlicher Aufbau eines Acetylsalicylsäuremoleküls.
rot:
Sauerstoff,
schwarz: Kohlenstoff,
weiß:
Wasserstoff.
Acetylsalicylsäure. der Wirkstoff im Aspirin. heißt in der
Nomenklatursprache 2-Acetoxybenzoesäure. Die Molekülmasse ist 180,15, die empirische Formel lautet C9H8O4.
Nach dem Atommodell besteht das Molekül der ASS aus einem aromatischen
Benzolring, an dem eine organische Säuregruppe und eine acetylierte Hydroxygruppe in ortho-Stellung die Wasserstoffatome verdrängt haben (siehe Bild).
Der Säurecharakter überwiegt im Molekül so sehr. daß 0,1-molare Lösungen in
Wasser einen pH-Wert von 3 – 4 ergeben. Daher ist ASS als mittelstarke Säure
einzustufen.
Die Bildung von inner- und intermolekularen Bindungen ist im Gegensatz zu der
Salicylsäure nicht ausgeprägt, da hier keine Polarität zwischen der acetylierten
Hydroxygruppe und der Carbonsäuregruppe vorhanden ist. Folglich kann auch
kein Eisen-Komplex mit ASS-Anionen existieren.
Die Kristallstruktur hängt vom Lösungsmittel ab, aus dem der Kristall gewonnen
wurde, und von der Modifikation der ASS. Kristallisiert man aus heißem Wasser
oder aus einem Wasser-Dioxan-Gemisch aus, so bilden sich schmale, dünne,
nadelige Kristalle aus, die man am schönsten in übersättigten, aber klaren Lösungen beobachten kann. Ist das Lösungsmittel z.B. Amylalkohol, so bilden sich
dünne Tafeln.
Ein Wort zur Modifikation: Es existieren zwei Modifikationen von ASS, die bei
128 0C und bei 136,5 OC schmelzen. Jedoch ist der Schmelzpunkt experimentell
meist über 135 0C zu finden. Auch ist er im allgemeinen unscharf und deswegen
nicht genau zu bestimmen.
--- Seite 10 ---
Aspirin-Kristalle sind nicht löslich in stark polaren Stoffen. So lösen sich nur 0,25
g/l ASS in Wasser bei 25 0C (experimentell <0,15 g/l!). Auch unpolare Stoffe wie
Benzol vermögen ASS fast überhaupt nicht zu lösen. Löslich ist Acetylsalicylsäure dagegen in Äther und vor allem in Alkoholen wie Ethanol, bei dem man experimentell bei 20 OC immerhin umgerechnet 135 g/l ASS lösen kann.
Im folgenden wollen wir uns mit der Synthese von Aspirin genauer beschäftigen.
Vier Vorversuche zur Synthese von Aspirin
Unsere ersten Versuche zur Herstellung von Acetylsalicylsäure aus Essigsäureanhydrid und Salicylsäure sind der Quelle 2 (Quellenverzeichnis siehe Seite 17)
entnommen:
„10g Salicylsäure werden mit 10g Essigsäureanhydrid vermischt und dann mit 1
– 2 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Man erwärmt die Mischung
auf 50 bis 60 0C und steigert die Temperatur im Verlaufe von 5 Minuten auf 90
0
C. Darauf läßt man unter Umrühren erkalten (...) und wäscht das Produkt mit
wenig Eiswasser (...) aus.“
Den Versuch unternehmen wir vier Mal mit jeweils anderen Stoffzusammensetzungen. So können wir auch die Reaktionen bzw. Ergebnisse beobachten, wenn
eines der Edukte im Überschuß vorhanden ist. Die optimale Zusammensetzung
des Gemisches ist aus der Reaktionsgleichung
ableitbar: Da ein Mol Salicylsäure mit einem Mol Essigsäureanhydrid reagiert,
muß das Massenverhältnis
m (Salicylsäure)
M (Salicylsäure)
138
m (Essigs.anhydrid) M (Essigs.anhydrid) 102
betragen. Jedoch ist ein Acetanhydridüberschuß nicht so schlimm wie ein Salicylsäureüberschuß, da die übrigbleibende Salicylsäure die nachfolgenden Identifikationsversuche von ASS total stört.
--- Seite 11 ---
Als Versuchsreihe dienen vier Gemische, die mit einer jeweils anderen stofflichen Zusammensetzung schon bei Zimmertemperatur unterschiedlich reagieren
(das Verhalten der Salicylsäure ist in der Spalte „Rkt.-Verhalten 200C“ beschrieben).
Gemisch
1
2
3
4
Salicylsäure
10 g
10 g
10 g
15 g
Acetanhydrid
20 g
15 g
10 g
10 g
Rkt.-Verhalten 200C
löst sich gleich auf
nach Rühren Reaktion
keine Reaktion
keine Reaktion
Mit zunehmender Temperatur werden der Reihe nach alle Gemische flüssig, das
Gemisch 4 jedoch erst bei 60 – 70 0C! Nach fünfminütigem Erhitzen fällt man die
Produkte in Eiswasser aus. Auch hier zeigen sich große Unterschiede: Während
sich bei Gemisch 1 selbst nach einigen Stunden nur wenige lange und spitze
Kristallnadeln ausgebildet haben, besteht bei Gemisch 4 innerhalb weniger Minuten die Oberfläche des Becherglases aus einer geschlossenen Kristalldecke,
die sich auch nach unten hin zu verfestigen beginnt. Bei allen vier Gemischen
wird das Becherglas außerdem warm, bei Gemisch 4 natürlich am stärksten.
Fest steht, daß die Reaktion in allen vier Gemischen unvollständig abgelaufen
ist, denn in allen vier Gemischen ist Salicylsäure in einer deutlichen Konzentration durch Eisen(III)-chlorid nachweisbar (siehe unten). Bei dem Gemisch 4 verwundert diese Tatsache nicht, die Salicylsäure hat ja schon von Anfang an als
Überschuß vorgelegen. Bei den Gemischen 1 und 2 ist es jedoch eher wahrscheinlich, daß gebildete Acetylsalicylsäuremoleküle durch den Säureüberschuß
des Acetanhydrids und eine zu hohe Temperatur wieder teilweise gespalten
wurden. Dies macht sich an einem deutlich scharfen Essiggeruch bemerkbar,
der den Produkten bis zur Umkristallisation anhaftet.
Abschließend muß gesagt werden, daß bei experimentellen Versuchen, die nicht
technisch durchgeführt werden, grundsätzlich nie eine vollständige Umsetzung
erfolgt. Als Richtwert für diese spezielle Reaktion gelten nach Quelle 4 an die
50% Umsetzung, d.h. die restlichen 50% sind Ausgangsstoffe und andere Produkte. Insofern kann nach einem Salicylsäurenachweis noch lange nicht auf ein
Fehlen von ASS geschlossen werden!
--- Seite 12 ---
Wie man Aspirin technisch herstellen kann
Um eine Substanz für weitere Versuche zu erhalten, wenden wir uns als Hauptversuch einer aufwendigeren, aber auch technisch angewendeten Versuchsbeschreibung zu und lesen in Quelle 1 (Kapitel D.1.7.1.):
„1 mol (...) Acetanhydrid und 1 mol des betreffenden wasserfreien Alkohols
(hier: Salicylsäure, d.Verf.) werden in einem 500 ml-Rundkolben mit aufgesetztem Rückflußkühler (...) mit 10 Tropfen konz. H2S04 versetzt. Sobald die exotherme Reaktion nachläßt, erwärmt man noch 2 Stunden auf dem siedenden
Wasserbad. Nach dem Abkühlen wird in etwa 300 ml Eiswasser gegossen. Fest
ausfallende Ester filtriert man ab und kristallisiert um."
Die Schwefelsäure dient hier wie im
Vorversuch der Polarisierung der OHGruppe der Salicylsäure, die zur Synthese aufgespalten werden muß.
Auch andere Verbindungen wie
Phosphorsäure oder Pyridin haben
denselben Effekt und wirken als Katalysator.
Die Versuchsbeschreibung wird für
den Versuch übernommen; ein Dimroth-Kühler übernimmt die Rückflußkühlung und Thermometer die Temperaturüberwachung.
Außerdem setzen wir 1,2 mol Essigsäureanhydrid ein, entsprechend einem Hinweis in der Quelle 1 speziell
für die Reaktion mit Salicylsäure.
Links die Versuchsanordnung dieses
Hauptversuchs:
--- Seite 13 ---
Beim Hauptversuch (die Reaktionsgleichung ist natürlich identisch mit der der
Vorversuche) entsteht ca. 200 g umkristallisierbares Produktmaterial. Obwohl
85% Umsetzung als erreichbarer Wert in der Quelle 1 vermerkt ist, dürften sich
50% umgesetzt haben. Der typische Essiggeruch verbreitet sich bis zur Umkristallisation, Salicylsäure ist auch danach noch einfach nachzuweisen. Die Gründe
mögen dieselben wie beim Vorversuch sein; doch das Gemisch ist nach zweimaliger Umkristallisation durchaus geeignet für weitergehende Untersuchungen
mit Acetylsalicylsäure.
Trotzdem (oder deshalb) wurde zusätzlich ein Aspirinpulver (rein nach DAB 9) in
der Apotheke besorgt, um mit Parallelversuchen eventuelle Unterschiede auszumachen und Gemeinsamkeiten festzustellen. Alle aufgeführten Versuche sind
deshalb in der Relation selbst hergestelltes Gemisch – gekaufter Reinstoff
durchgeführt.
Charakteristische Experimente mit Aspirin
a, Der Eisen(III)-chlorid-Versuch
„Gibt man zu 3 ml einer stark verdünnten Salicylsäurelösung 1 bis 2 Tropfen einer 0,5-igen Eisenchloridlösung, so erhält man eine deutliche Violettfärbung.
Die Reaktion gelingt noch bei einer Verdünnung von
1:100000." (Quelle 3)
Dieser Versuch funktioniert mit Lösungen von Phenol, allen Phenolen, Benzoesäure und allen Salicylsäurederivaten – bis auf die Acetylsalicylsäure! Hier
muß ein verschiedener Reaktionsmechanismus zugrunde liegen.
Die Violettfärbung entsteht, weil das Eisen(III)-Ion
einen Komplex mit drei Anionen z.B. der Salicylsäure
bildet. Voraussetzung ist eine starke Polarisation der
OH-Bindung wie beim Phenol oder eben der Salicylsäure.
Bei der ASS kann, weil die Hydroxygruppe acetyliert
und damit viel weniger polar ist, ein solcher Eisen(III)Komplex nicht gebildet werden und die Lösung bleibt
farblos. Da die selbst hergestellte ASS stark mit Salicylsäure verunreinigt ist, ist
die Lösung mit Eisen(III)-chlorid natürlich tiefviolett, während das reine Aspirinpulver in Lösung mit Eisen(III)-Kationen farblos bleibt.
--- Seite 14 ---
b, Reaktion mit Koberts Reagenz
„Koberts Reagenz (drei Tropfen Formaldehydlösung in 3 cm3 Schwefelsäure)
gibt mit Salicylsäure (...) eine Rosafärbung. Es wird etwa 0,02 g Salicylsäure in
zwei Tropfen Schwefelsäure gelöst und ein Tropfen von Koberts Reagenz hinzugefügt; die Färbung entwickelt sich innerhalb weniger Minuten. Ebenso verhalten sich Aspirin und Salol (Salicylsäurephenylester, d. Verf.).“ (Quelle 3)
Der Versuch funktioniert einwandfrei mit beiden Aspirin-Gemischen, dem reinen
und dem verunreinigten. Es kommt zu einer nucleophilen Substitution, in deren
Verlauf Methylgruppen (die sich in der Kobertschen Reagenz als kurzlebige Zwischenprodukte der Form H3C=O befinden) an den aromatischen Kern substituiert
werden. Es entstehen so Kresolderivate mit blaßrosaner Färbung.
c, Die schwache Zersetzung von Aspirin
„Wir erwärmen 2 Aspirintabletten (...) im Probierglas und geben noch 6 Plätzchen festes NaOH dazu. Das Aspirin löst sich schließlich vollständig auf. Man
erhitzt das Ganze etwa 5 Minuten zum Sieden; dann gießt man die Flüssigkeit
(...) in ein anderes Probierglas, (...) in welchem sich 10 ml verdünnte Schwefelsäure (20%ige) befinden.“ (Quelle 3)
Führt man diesen Versuch wie beschrieben durch, so nimmt man einen scharfen
Essigsäuregeruch wahr; gleichzeitig färbt sich ein darüber gehaltenes feuchtes
Lackmuspapier rot. Den entstehenden Niederschlag filtriert man ab. Er ergibt in
wäßriger Lösung eine Violettfärbung mit Eisen(III)-chlorid. Wir haben unser Aspirin also in die Bestandteile zerlegt, in Essigsäure und in Salicylsäure (für Phenol
reicht die Zersetzungsenergie nicht aus).
Die nebenstehende Reaktionsgleichung
zeigt die Einzelschritte der Zersetzung
mit den zugehörigen Ladungswanderungen.
Die Essigsäure spaltet sich ab, indem
ein Carbanion in der alkalischen Lösung
gebildet wird, das sich dann vom Molekül trennt.
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d Die starke Zersetzung von Aspirin
„Erhitzt man in einem schwerschmelzbaren Rggl. eine etwa haselnußgroße
Menge Salicylsäure mit der heißesten nichtleuchtenden Flamme, so findet neben der Sublimation auch eine chemische Zersetzung statt. Leitet man nämlich
die Gase durch ein Gasableitungsrohr in Kalkwasser. so entsteht dort eine milchige Trübung; die auf Kohlendioxid hinweist. (...) Im oberen Teil des erhitzten,
schwerschmelzbaren Rggl. werden dunkle ,Streifen' einer Flüssigkeit von typischem Phenolgeruch sichtbar.“ (Quelle 3)
Obwohl dieser Versuch auf Salicylsäure ausgelegt ist – wie viele der Versuche
mit Aspirin –, so läßt sich dieser Versuch auch erfolgreich mit Aspirin durchführen. Allerdings dauert es etwas länger, bis die dunklen Streifen auftreten, da die
Zersetzung teilweise indirekt über eine Spaltung in Salicylsäure erfolgt. Man
sieht also, daß mit stärkerer Energiezufuhr auch die Bindung BenzolringCarboxygruppe gesprengt werden kann.
Das entstehende Kohlendioxid rührt von den Überresten der Carboxygruppe her,
die zu Kohlensäure oxydiert worden ist, und Kohlensäure spaltet sich ja auf zu
Kohlendioxid und Wasser. Die Essigsäure, die als Nebenprodukt bei der indirekten Spaltung entsteht, ruft einen stechenden, typischen Geruch im Rggl. hervor.
Aspirin ist kein alltäglicher Stoff
Auf den letzten 15 Seiten wurde die Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff im Aspirin,
von verschiedensten Seiten und Sachgebieten her durchleuchtet: Von der chemischen Abstammung und der physikalischen Charakteristik genauso wie von
der Pharmakologie und der geschichtlichen Herkunft. Es gäbe dem Gesagten
sicherlich noch viel hinzuzufügen, doch der Rahmen der Facharbeit erlaubt dies
nicht.
Man kann sich jetzt auf den Standpunkt stellen, daß Aspirin auch nur ein Medikament unter vielen ist und deswegen noch lange keinen Ehrenplatz unter allen
chemischen Verbindungen dieser Welt bekommen müsse. Nun, mag sein, aber
es gibt einige außergewöhnlichen Fakten über Aspirin, die zeigen, daß dieses
Medikament eine erstaunlich gute Resonanz bei den Verbrauchern findet. Und
um diese Fakten und kleine, erwähnenswerte Tatsachen soll es hier gehen.
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Zuerst einmal ist zu bemerken, daß die Salicylsäurehaltigen Auszüge aus der
Flußweidenrinde mit die ersten wissenschaftlich erfaßten Wirkstoffe waren, mit
denen auch Pflanzenkundler (und nicht nur Priester und Medizinmänner) Krankheiten bekämpften.
Die einfache Herstellungsweise bewirkte dann im 20. Jahrhundert einen AspirinBoom, nicht zuletzt wegen des kleinen Preises und der großen Zuverlässigkeit
des neuen Medikaments. Und auf der sich immer schneller wechselnden Produktpalette vieler Firmen sind ASS-haltige Produkte Stammhalter und manchmal
sogar Haupteinnahmequelle – seit über 90 Jahren!
Im Bild: Reines Aspirinpulver
In der Pharmakologie, der
Erforschung von Medikamentenwirkungen, ist
ASS der am besten erforschte Wirkstoff der
Welt – mit der Folge, daß
auch heute noch wichtige
Fragen zum Wirkmechanismus einer Aufklärung
bedürfen, obwohl fast
jährlich neue Erkenntnisse
gepriesen werden! Man
hat dabei auch viel über
Mechanismen im eigenen
Körper dazugelernt.
Schließlich ist es das ungebrochene Vertrauen der Benutzer in Aspirin, das nie
auch nur annähernd einem anderen Medikament zuteil wird: Besonders deutlich
zeigt sich dies in Amerika, wo einerseits eine New Yorker Zeitung den Vorschlag
diskutierte, dem öffentlichen Trinkwasserleitungsnetz einfach Aspirin zuzusetzen, um die Infektionsrate zu erniedrigen, aber andererseits jährlich über 50 Patienten der Magen wegen einer Aspirinvergiftung durch Überdosen ausgepumpt
werden muß!
Aspirin wird auch in Zukunft ein Mittel der ersten Wahl bleiben. Es bietet als
Medikament eine verläßliche Wirksicherheit und ist einfach und wirksam zugleich handzuhaben. Auch wenn die Nebenwirkungen von Aspirin nicht zu leugnen sind, hat das Universalmedikament doch vielen Menschen die Gesundheit
gerettet. Und das seit über 90 Jahren.
„Aspirin – ein Jahrhundertpharmakon“ (Bayer-Broschüre)? Sicher.
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Literatur- und Quellenverzeichnis
Folgende Quellen enthalten die Information in dieser Facharbeit und weitergehende Erklärungen. Sie beziehen sich vor allem auf die Pharmakologie (P), die
Synthese (S) oder das Verhalten (V) der Acetylsalicylsäure. Die Reihenfolge der
Quellennennungen folgt diesen Sachgebieten.
Quelle 1 (S):
Becker, H. u.a., „Organikum", VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 197616
Quelle 2 (S):
Autorenteam, „Handbuch der Schulchemie Band II“, Aulis Verlag
Deubner & Co. KG, Köln 19732
Quelle 3 (S,V): Raff, H., Römpp, H., „Organische Chemie im Probierglas“, Kosmos/Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 198215
Quelle 4 (S,V): Liebenow, K.-J., „Projekte Chemie – Aspirin“, Phywe GmbH im
Verlag Industrie-Druck und Werbung, Göttingen 1980
Quelle 5 (V):
Isaacs, N., „Reaktionszwischenstufen der org. Chemie“, Verlag
Chemie, Weinheim 1980 (deutsche Ausgabe)
Quelle 6 (P):
Weissmann, G., „Aspirin – alte und neue Erkenntnisse", in: Spektrum der Wissenschaft, Heft 3/91 (März 1991), hauseigene Verlagsgesellschaft, Heidelberg 1991
Quelle 7 (P):
Alstaedter, R. (Red.), „Aspirin – ein Jahrhundertpharmakon“, Verlag der Bayer AG, Leverkusen 1983
Auf die Auflistung weiterer Literatur über Aspirin, die im Rahmen dieser Facharbeit nicht zur Verwendung gekommen ist, soll hier verzichtet werden.
Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß in der gesamten Facharbeit der gesetzlich geschützte Warenname „Aspirin“ als Freiname und Synonym zu Acetylsalicylsäure verwendet wird, sofern dies nicht ausdrücklich anders angegeben
ist. Die Rechte der Firma Bayer AG am Warenzeichen bleiben unberührt.
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Ich erkläre hiermit, daß ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur
die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benützt habe.
Nürnberg, den 25.9.1991
gez. Matthias Bickermann
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