WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756 – 1791) Mozart ist der erste Musiker der Musikgeschichte, dessen Musik - freilich in unterschiedlichem Umfang und in wechselnder Gewichtung – von der Zeit seines Todes an bis heute stets aufgeführt wurde. Sein Werk musste nicht, wie das von Bach, erst wiederentdeckt werden. Das Mozart-Bild jedoch wandelte sich, zeitbedingt, mit den jeweiligen ästhetischen Anschauungen. Die einen sahen in Mozart die „tragische“ Gestalt, den Inbegriff des „Romantikers“, der gerade wegen seiner Genialität im praktischen Leben scheitern musste, den anderen war er der apollinisch verklärte Götterliebling, in dessen Musik alles Irdische überwunden ist. Die erste Auffassung war die der frühen deutschen Romantik, zur zweiten tendierte Richard Wagner, und beide Spielarten sind bis heute in vielen Schattierungen lebendig und auch praktisch-musikalisch wirksam. Mozarts Leben ist so umfassend dokumentiert wie das keines anderen Musikers zuvor. Wenn sich aus den bloßen Fakten auch noch lange keine Erklärung des Phänomens Mozart ergibt, so kann der Blick auf die Biographie und auf einzelne Aspekte der Werke doch zumindest das Bewusstsein vom Vorhandensein solcher Mozart-Bilder wach halten, sie gegebenenfalls korrigieren helfen, vielleicht sogar neue Mozart-Erfahrungen jenseits fester Bilder ermöglichen. Mozarts Werke: OPERN: ! Bastien u. Bastienne (Singspiel in einem Akt) ! La finta semplice (Die verstellte Einfalt – dramma giocoso in drei Akten) ! La finta giardiniera (Die Gärtnerin aus Liebe – dramma giocoso in drei Akten) ! Il re pastore (Der König als Hirte – dramma per musica in zwei Akten) ! Idomeneo (dramma per musica in drei Akten) ! Die Entführung aus dem Serail (Singspiel in drei Akten) ! Le nozze di Figaro (Die Hochzeit des Figaro – commedia per musica in vier Akten) ! Don Giovanni (od. Der bestrafte Verführer – Oper in zwei Akten) ! Cosi fan tutte ossia La scuola degli amanti (So machen sie´s alle od. Die schule der Liebenden – dramma giocoso in zwei Akten) ! Die Zauberflöte (deutsche Oper in zwei Akten) SYMPHONIEN: An den gut 40 Symphonien, die Mozart insgesamt geschrieben hat, zeichnen sich die Stationen seines musikalischen Lebensweges ab. Gleichzeitig lässt sich an ihnen ebenso wie an den Symphonien Haydns ablesen, aus welchen Wurzeln sich die Gattung der Symphonie bis zu dem Stadium entwickelt hat, an dem Beethoven anknüpfen konnte. In Paris, London, Wien, Mailand, Rom und Neapel, den maßgeblichen Zentren der damaligen Musikwelt, tat Mozart das, was von ihm erwartet wurde: er hörte sich in den jeweils gängigen Musikstil ein und komponierte dann das, was das Publikum erwartungsgemäß hören wollte. Die repräsentativen Stücke in der Standardbesetzung der Streichinstrumente mit je zwei Oboen und Hörnern, die zu festlichen Anlässen bei Hofe oder in Konzertsälen gespielt wurden, trugen fast überall die italienische Bezeichnung „Sinfonia“. Mozart schrieb Symphonien, die in der Regel aus drei Sätzen bestehen: schnell - langsam (meist ein empfindsames Andante) - schnell (oft mit „Presto“ überschrieben). In Wien pflegte man vor dem Presto ein Menuett einzufügen. Mozart hat die dreisätzige und die viersätzige Variante gepflegt. Im Verlauf der vieljährigen musikalischen Erfahrungen entwickelte er auch in den Symphonien mehr und mehr seine persönliche Schreibweise. ! g-moll -Symphonie KV 183 (1773 – erstes symphonisches Meisterwerk – neu: Moll-Tonart) ! C-Dur-Symphonie KV 200 ! A-Dur-Symphonie KV 201 (Dreiergruppe der frühen symphonischen Meisterwerke) ! D-Dur Symphonie KV 297 (dreisätzige „Pariser Symphonie“) ! B-Dur Symphonie KV 319 ! C-Dur Symphonie KV 338 ! D-Dur Symphonie KV 385 („Haffner –Symphonie“ - erste der letzten sechs „Meistersymphonien“) ! C-Dur Symphonie KV 425 („Linzer-Symphonie“) ! D-Dur Symphonie KV 504 („Prager-Symphonie“) ! Es-Dur Symphonie KV 543 ! g-moll-Symphonie KV 550 ! C-Dur-Symphonie KV 551 („Jupiter-Symphonie“ - absoluter Höhepunkt und Abschluss von Mozarts symphonischen Schaffens) DIVERTIMENTI UND SERENADEN: Mozart hat fast alle seiner Werke auf Bestellung oder für ganz bestimmte Anlässe geschrieben, und insofern handelt es sich durchweg um „Gebrauchsmusik“, freilich nicht in der negativ gefärbten Bedeutung des Wortes, wie wir es heute kennen. Im engeren Sinn geht es hier um sogenannte „Gesellschaftsmusik“, um Musik also, die von adeligen oder bürgerlichen Auftraggebern für bestimmte Anlässe gebraucht wurde. INSTRUMENTALWERKE: Klavierkonzerte: Als komponierender Virtuose begann Mozart sehr bald, sich solche Stücke selber zu schreiben. Dabei vollzog er hier den Schritt vom aneignenden Imitieren fremder Vorbilder zum Erschaffen neuer, noch nie da gewesener Formen in atemberaubendem Tempo. Mozart ist, im engeren Sinn, zum Erfinder der Gattung der Klavierkonzerte geworden: er entwickelte das Klavier zum individuell sprechenden Instrument und erweckte das Orchester vom stichwortliefernden Begleiter zum eigenständigen, symphonischen Partner. Violinkonzerte: Violinmusik erfreute sich in Salzburg großer Beliebtheit. Mozart war selbst als Konzertmeister am fürstbischöflichen Hof angestellt, und auf seinen Reisen hat er französische, böhmische, vor allem aber italienische konzertante Violinstücke kennengelernt: vor diesem Hintergrund hat er zwischen 1773 und 1775 seine Violinkonzerte geschrieben. Bläserkonzerte: Mit dem Konzert für Fagott und Orchester B-Dur KV 191 schrieb Mozart 1774 sein erstes Solokonzert für ein Blasinstrument. Es hält einen Mittelweg zwischen kantablem Spiel und virtuoser Spielfreude. GEISTLICHE MUSIK: Bis auf das Requiem und die späte c-moll-Messe hat Mozart all seine geistliche Musik in Salzburg komponiert, im wesentlichen als Teil seiner Dienstpflichten. Für die Meßkompositionen gab es genaue Vorschriften, was Umfang und Aufwand betraf. Der Typus der „Missa brevis“ (kurze Messe) sollte kurz als irgend möglich sein, musste aber doch den lateinischen Text vollständig enthalten. Mozart scheint die als Herausforderung genommen zu haben, denn in seinen zahlreichen Brevis-Messen löst er dieses Problem oft auf verblüffende Weise. FREIMAURERMUSIKEN: Mozart war am 14.Dezember 1784 Mitglied der Wiener Freimaurerloge „Zur Wohltätigkeit“ geworden und 1786 zum Grad eines „Meisters“ aufgerückt. In seiner Musik hat das zweifach Spuren hinterlassen: neben der „offiziellen“ Freimaurermusik, die er im Autrag der Loge für bestimmte feierliche Anlässe schrieb, gibt es eine Reihe von Werken kleinerer Besetzung, die bei privaten Zusammenkünften der Freimaurerfreunde musiziert wurden, z.B. die Fünf Divertimenti B-Dur KV 439b für drei Blasinstrumente. Ansonsten handelt es sich bei den Freimaurermusikern um Kandaten auf Texte, die von der Loge vorgegeben wurden. IL DON GIOVANNI IL DISSOLUTO PUNITO OSSIA (Der bestrafte Verführer oder Don Giovanni) Oper in zwei Akten – Text von Lorenzo da Ponte – Uraufführung: Prag 1787 Personen: Don Giovanni (B) – Donna Anna (S) – Braut von Don Ottavio (T) – Komtur (Commendatore) (B) – Donna Elvira, Dame aus Burgos, von Don Giovanni verlassen (S) – Leporello, Diener von Don Giovanni (B) – Masetto, ein Bauer (B), Bräutigam von Zerlina,Bäuerin (S) – Bäuerinnen und Bauern, Diener (Chor) Ort u. Zeit: eine spanische Stadt, Ende des 18.Jahrhunderts Don Giovanni ist entdeckt worden, als er nachts ins Zimmer von Donna Anna eingedrungen ist, und muss nun Hals über Kopf fliehen. Im Zweikampf tötet er den Komtur, Donna Annas Vater, der ihm bewaffnet den Weg versperrt hat. Zusammen mit Leporello, der Wache gestanden, kann er unerkannt entkommen. An der Leiche ihres Vaters nimmt Donna Anna Don Ottavio den Schwur ab, die Tat zu rächen. Immer auf der Suche nach weiteren Abenteuern gelingt es Don Giovanni auf einer bäuerlichen Hochzeitsgesellschaft beinahe, die Braut Zerlina zu verführen, als ihm Donna Elvira dazwischen kommt. Von dieser auf die Spur gebracht, sind Donna Anna und Don Ottavio inzwischen überzeugt, dass es Don Giovanni war, der den Komtur getötet hat. Die beiden erscheinen zusammen mit Donna Elvira maskiert zu dem großen Fest, das Don Giovanni gibt. Herbeigerufen von den Hilferufen Zerlinas, die sich gegen die Zudringlichkeit Don Giovannis wehrt, gelingt es ihnen beinahe, ihn zu überführen, doch Don Giovanni weiß die allgemeine Verwirrung geschickt zu nutzen und entkommt erneut. Nun spielt er Donna Elvira, die ihn noch immer liebt, die Komödie des reumütig zurückkehrenden Ehemannes vor – doch nur, um an ihre Zofe, sein nächstes Opfer, heranzukommen. Schnell wechseln Don Giovanni und Leporello dann die Kleider, damit Don Giovanni freie Hand hat, während Donna Elvira von Leporello abgelenkt wird. Inzwischen ist auch Masetto hinter Don Giovanni her, um sich zu rächen, doch er wird von ihm in eine Falle gelockt und verprügelt. In Zerlinas Armen findet der misshandelte Masetto Trost. Der inzwischen von allen gejagte Verführer hat sich mit seinem Diener auf einen Friedhof geflüchtet. Als aus der Statue des hier begrabenen Komturs eine Stimme zur Ruhe mahnt, lädt Don Giovanni in seinem Übermut diese Statue zum Abendessen ein. An der festlich gedeckten Tafel erscheint zunächst Donna Elvira und versucht ein letztes Mal vergeblich, Don Giovanni zur Umkehr zu bewegen. Dann klopft tatsächlich der steinerne Gast an die Türe. Von Don Giovanni zu Tisch gebeten, fordert er diesen zur Reue auf, doch auch in diesem letzten Augenblick bleibt Don Giovanni in ungebrochenem Stolz bei seinem Nein und wird schließlich von höllischen Feuerschwaden verschlungen. Seine Widersacher versammeln sich am Ort des Grauens und zeigen sich befriedigt über die gerechte Strafe für den Frevler, bevor sie auseinandergehen, jeder des eigenen Weges. Der Don-Juan-Stoff, die Geschichte vom ruhelosen Frauenverführer, der für seine Vergehen mit der Höllenfahrt bestraft wird, war bereits vor Mozart Gegenstand etlicher musikalischer und literarischer Bearbeitung. Mozart und Da Ponte haben freilich den Don-Juan-Mythos mit Aspekten ihrer eigenen sozialen Wirklichkeit, der des ausgehenden 18.Jahrhunderts, kombiniert. Als Buffo-Figur fortlaufend in komisch-grotesken Situationen agierend, repräsentiert Don Giovanni gleichzeitig – und insoweit ist er eine tragische Figur – das untergehende erotische Zeitalter. Don Giovanni ist zum Scheitern verurteilt, und am Ende triuphiert die neue bürgerliche Moral der Wohlanständigkeit, verkörpert durch Don Ottavio. Aber genauso wie Don Giovannis Höllenfahrt, so findet auch der Triumph des neuen Zeitalters und dessen Repräsentanten innerhalb von Mozarts „musikalischem Welttheater“ (Attila Csampai) statt. Die Wahrheit dieser Bühnenfiguren liegt darin, dass sie mit allen Fasern ihres menschlichen Seins Musik sind. Diese Musik aber hat mit dem Urteil über Gut und Böse nichts zu tun.