Geächtet [15+] Von Ayad Akhtar Begleitmaterial zur Inszenierung -1Besetzung Premiere: 16.01.2016 Geächtet von Ayad Akhtar Es spielen Emily Amir Jory Isaac Abe Ute Hannig Carlo Ljubek Isabelle Redfern Samuel Weiss Jonas Hien Regie Bühne Kostüme Licht Dramaturgie Klaus Schumacher Jo Schramm Karen Simon Susanne Ressin Jörg Bochow -2- Inhaltsverzeichnis Einführung ............................................................................................................................................ 3 Ayad Akhtar .......................................................................................................................................... 4 Biografie ........................................................................................................................................... 4 „Geächtet“ ....................................................................................................................................... 4 Charaktere .................................................................................................................................................. 5 Glossar ......................................................................................................................................................... 6 Namensänderungen in Deutschland und Amerika ................................................................... 11 Der Islam ............................................................................................................................................. 13 Der Koran........................................................................................................................................ 13 Die fünf Säulen des Islams ......................................................................................................... 14 Dem Glauben den Rücken kehren ........................................................................................... 15 Die Frauen und das Kopftuch .................................................................................................... 16 Die Inszenierung ............................................................................................................................... 19 Regisseur: Klaus Schumacher .................................................................................................. 19 Jörg Bochow über „Geächtet“ .................................................................................................. 20 Ayad Akhtar im Gespräch ...........................................................................................................21 Fragen für ein Nachgespräch mit Schülern ...............................................................................23 Quellenverzeichnis ......................................................................................................................... 24 Anhang ............................................................................................................................................... 25 Wenn aus Josef Käser plötzlich Joe Kaeser wird ................................................................. 25 Die Rolle der Frau im Islam ........................................................................................................ 27 Frankreich: Das Kopftuch-Verbot ist ein Erfolg ................................................................... 30 -3- Einführung Liebe Lehrerinnen und Lehrer, der Autor Ayad Akhtar (geboren 1970 in Staten Island, New York City als Sohn pakistanischer Einwanderer) schrieb 2013 das Stück „Geächtet“ und gewann im selben Jahr auch den Pulitzer-Preis dafür. In „Geächtet“ erzählt Akhtar die Geschichte von Amir, einem pakistanischen Amerikaner, der mit der Künstlerin Emily verheiratet ist. Amir hat dem Islam abgeschworen und seinen Nachnamen von Abdullah in Kapoor geändert. Er arbeitet außerdem erfolgreich in einer jüdischen Anwaltskanzlei. Eines Abends lädt das Ehepaar Isaac (ein jüdisch-amerikanischer Kunstkurator) und Jory (eine afroamerikanische Juristin) zu einer Dinner-Party in ihr New Yorker Upper-Class-Apartment ein. Es scheint zunächst ein heiterer Abend zu werden. Man feiert bei Fenchel-Salat Emilys Beteiligung an Isaacs nächster Galerie-Ausstellung. Doch zunehmend entwickelt sich das Gespräch in Richtung Migration, Religion, Terrorismus, den Patriot Act sowie alltägliche Rassismen. Die Konflikte zwischen allen Beteiligten spitzen sich zu. Das Stück beginnt als Boulevardkomödie und endet als psychologisches Eifersuchts- und Identitätsdrama. Das vorliegende Begleitmaterial richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Aufführung von „Geächtet“ besuchen und diese vor- und nachbereiten möchten. In den folgenden Kapiteln finden Sie Informationen über das Stück „Geächtet“, den Autor Ayad Akhtar, den Regisseur Klaus Schumacher und die Inszenierung. Zu „Geächtet“ bieten wir für SchülerInnengruppen eine Einführung vor dem Aufführungsbesuch an. Bei Fragen zum theaterpädagogischen Begleitmaterial oder zur Inszenierung wie auch bei Anregungen und Kritik, können Sie sich gerne telefonisch und per EMail mit uns in Verbindung setzen. Wir senden Ihnen auf Wunsch auch das Programmheft der Produktion zu. Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern ein interessantes Theatererlebnis. Marie Petzold (Theaterpädagogin) -4- Ayad Akhtar Biografie Ayad Akhtar, 1970 in Staten Island, New York City, als Sohn pakistanischer Einwanderer geboren, Schauspieler, Romancier, Dramen- und Drehbuchautor, gewann 2013 den Pulitzer-Preis für „Geächtet“. Akhtar erforscht in seinen Werken multiple Identitäten und bürgerliche Eskalationen und liefert sie dem instabilen Amerika der Post-9/11Ära aus. Quelle: http://www.residenztheater.de/ inszenierung/geaechtet Weitere Infos unter: http://ayadakhtar.com/ „Geächtet“ Der New Yorker Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor ist glücklich verheiratet und im Begriff, den größten Karrieresprung seines Lebens zu machen. Aber unter der Oberfläche hat der Erfolg seinen Preis. Als Amir und seine Frau, die Künstlerin Emily, eine Dinner Party geben in ihrer Upper East Side-Wohnung für Amirs Anwaltskollegin Jory und deren Mann Isaac, seines Zeichens Kurator am Whitney Museum, entwickelt sich das, was als freundliche Unterhaltung beginnt, rasch in eine gefährliche Richtung und die Dinge eskalieren. "Disgraced" wurde 2012 nach seiner Uraufführung in Chicago am Lincoln Center in New York aufgeführt und gewann 2013 den Pulitzer Preis. “In dialogue that bristles with wit and intelligence, Mr. Akhtar puts contemporary attitudes toward religion under a microscope, revealing how tenuous self-image can be for people born into one way of being who have embraced another. (New York Times) Quelle: http://www.theatertexte.de/nav/2/2/3/werk?verlag_id=s._fischer_verlag&wid=o_1585943962& ebex3=3 -5- Charaktere Amir: Anwalt, pakistanische Wurzeln, Muslime, in Amerika/Manhattan geboren, möchte Teilhaber in seiner Kanzlei werden, verheimlicht seine muslimische Herkunft, in dem er sich umbenannt hat von Amir Abdullah in Amir Kapoor AMIR – 40, südasiatischer Herkunft – trägt ein italienisches Anzugjackett und ein gepflegtes Hemd mit Kragen, dazu aber nur Boxershorts. Er spricht akzentfrei.* Emily: Amirs Frau, Künstlerin/Malerin, hat großes Interesse an muslimischer Kunst EMILY – Anfang 30, weiß, geschmeidig* Isaac: Kunstkurator, Jude ISAAC – 40, weiß –, smart, attraktiv. Kurator am Whitney.* Jory: Afroamerikanerin, Isaacs Frau, Anwältin in Amirs Kanzlei, ihr wird die Teilhaberschaft angeboten Jory – Mitte bis Ende dreißig, Afroamerikanerin – ist souverän, offen, intelligent. Geradezu maskulin.* Abe: Amirs pakistanischer Neffe, hat ebenfalls seinen Namen geändert (Abe Jensen, vorher Hussein) ABE – 22, südasiatischer Herkunft. Könnte jedoch nicht amerikanischer sein. Lebhaft und liebenswert. Er trägt ein Kidrobot-T-Shirt, darüber eine Kapuzenjacke, enge Jeans und Hightops* *Beschreibungen aus dem Stück „Entehrt“ (Disgraced) von Ayad Akhtar -6- Glossar Mahmud Ahmadinedschad Mahmud Ahmadinedschad [mæɦˈmuːd æɦmædiːneˈʒɔːd] (weitere Schreibweisen: Ahmadineschad, Ahmadi-Nedschad, Ahmadinezhad undAhmadinejad; * 28. Oktober 1956 in Aradan nahe Garmsar) ist ein radikaler fundamentalistischer iranischer Politiker. Er war vom 3. August 2005 bis zum 3. August 2013 der sechste Präsident der Islamischen Republik Iran. Sein Nachfolger ist Hassan Rohani. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Mahmud_Ahmadinedschad Weitere Infos unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/mahmud-ahmadinedschadwas-macht-irans-ex-praesident-heute-a-981863.html Benjamin Netanjahu Benjamin Netanjahu (hebräisch נתניהו בנימין, auch Binyamin Netanyahu, in Israel landläufig Bibi genannt; * 21. Oktober 1949 inTel Aviv) ist ein israelischer Politiker des konservativen Likud-Blocks. Er ist Israels amtierender Ministerpräsident. Netanjahu war erstmals von Mai 1996 bis Mai 1999 israelischer Ministerpräsident. 1998 und in den Jahren 2002 bis 2003 bekleidete er das Amt des Außenministers. 2003 wurde er Finanzminister, das Amt legte er Mitte 2005 aus Protest gegen die Siedlungspolitik der Scharon-Regierung nieder. Mit der Wahl zur 17. Knesset wurde er im April 2006 Oppositionsführer. Er strebte eine Fusion der Parteien Likud und Jisra’el Beitenu an, war im Gespräch für eine eventuelle Notstandsregierung wegen des israelischen Einmarsches im Libanon und der daraus zu erwartenden Konsequenzen. Nach dem Libanonkrieg forderte er den Rücktritt des damals amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Nach den Wahlen zur 18. Knesset am 10. Februar 2009, bei denen der Likud knapp hinter Kadima folgte (27 zu 28 Mandate), wurde er vom Präsidenten Schimon Peres mit der Regierungsbildung beauftragt. Am 31. März 2009 übernahm Netanjahu erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Netanjahu Fundamentalismus Fundamentalismus nennen wir das kompromisslose Festhalten an politischen oder religiösen Grundsätzen. Für den Fundamentalismus kennzeichnend ist, dass er jeglichen Dialog über seine Geltungsansprüche verweigert. Quelle: Souad Mekhennet, Michael Hanfeld: Islam. Arena Verlag GmbH. Würzburg 2008, S. 50 Henry Kissinger Henry Alfred Kissinger wurde am 27. Mai 1923 im bayerischen Fürth als Sohn deutschjüdischer Eltern geboren. Er war Harvard-Professor und bestimmte als Sicherheitsberater des Präsidenten von 1969 bis 1973 und als Außenminister von 1973 bis 1977 maßgeblich die US-Außenpolitik unter den Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford. Heinz Alfred, genannt Henry, Kissinger vertrat eine umstrittene Politik der Stärke gegenüber Vietnam, die dennoch die Beendigung des Konflikts ermöglichte und ihm den Friedensnobelpreis bescherte. Quelle: http://www.whoswho.de/bio/henry-kissinger.html -7Ibn Arabi Muhyiuddin Muhammad Ibn Arabi gilt als einer der bekanntesten Mystiker. Er wurde auch als "der größte Meister" [al-schaich al-akbar] bezeichnet, weil sein Einfluss auf die allgemeine Entwicklung des Sufismus sehr hoch eingeschätzt wird. Ibn Arabi wurde am 7. August 1165 in Murcia (Spanien) geboren und entstammt einer sehr berühmten Familie. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Muhy%C4%AB_dD%C4%ABn_Ibn_%CA%BFArab%C4%AB Indien (Geschichte) Britische Kolonie 1627 - 1761 : Reich der Marathen (gegründet von Shiwaij ) in Südwestindien die letzte indische Großmacht vor der britischen Herrschaft. 1746 : Beginn der Ausbeutung durch europäische Fremdherrschaft (Portugiesen Franzosen Briten). 1813 - 1948 : Britische Vormacht in Indien. Indien wird als britische Kolonie ausgebeutet. 1866: Burma wird von Großbritannien besetzt und Britisch-Indien angeschlossen (bis 1937). Indisches Kaiserreich 1877 nahm Königin Victoria von England den Titel "Kaiserin von Indien" an. Das Kaiserreich Indien in Personalunion mit Großbritannien umfasste das heutige Indien Pakistan Bangladesch und Burma und bestand bis 1947. 1915 (Januar): Mahatma Gandhi (*1869) nimmt den gewaltlosen Kampf gegen die britische Fremdherrschaft auf. Er wird am 30. Januar 1948 von einem fanatischen Hindu ermordet. Neuzeit (seit 1947) Indien erlangt am 15. August 1947 die Unabhängigkeit von Großbritannien. Das Land wird in einen hinduistischen und islamischen Staat (Indien und Pakistan) geteilt. Indien bleibt eine Monarchie innerhalb des Britischen Commonwealth. Staatsoberhaupt ist König Georg VI. von Großbritannien. Das Amt des Regierungschef übernimmt Jawaharlal Nehru (1889 - 1964) er war einer der zentralen Führer im indischen Freiheitskampf. Am 26. November 1949 konstituiert sich Indien als Republik. Erster Präsident wird Rajendra Prasad (1950 - 1962) am 26. Januar 1950 tritt die erste indischen Verfassung in Kraft. Quelle: http://www.uniprotokolle.de/Lexikon/Geschichte_Indiens.html#Britische_Kolonie Islamofaschismus/Islamfaschismus Islamfaschismus, Islamofaschismus oder islamischer Faschismus ist ein Neologismus, der Ähnlichkeiten in Ideologie und Praxis zwischen islamistischen Bewegungen und europäischem Faschismus des 20. Jahrhunderts, bzw. zu neofaschistischen und totalitären Bewegungen der Gegenwart behauptet. Verwender dieses Begriffs bezeichnen unter anderem Al-Qaida, Boko Haram, Al-Shabaab, ISIS, die Taliban, die Muslimbruderschaft, Hamas und Hisbollah als islamfaschistische Organisationen. Kritiker des Begriffs sehen in der Verbindung von Islam und Faschismus ein beleidigendes und falsches politisches Schlagwort. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Islamfaschismus http://www.welt.de/debatte/kommentare/article6070415/IslamofaschismusVerteidigung-eines-Begriffs.html -8Martin Amis Martin Louis Amis (* 25. August 1949 in Swansea, Südwales) ist ein englischer Schriftsteller. Amis' Werke setzen sich mit den Exzessen der spätkapitalistischen westlichen Gesellschaften auseinander. Die von ihm erlebte Absurdität überspitzt er häufig in grotesker Karikatur. Die New York Times hat Amis als einen Meister der Neuen Widerwärtigkeit bezeichnet. Bekannt geworden durch seine radikalen Ansichten über die islamische Welt. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Amis Christopher Eric Hitchens (* 13. April 1949 in Portsmouth, England; † 15. Dezember 2011 in Houston, Texas) war ein britisch-US-amerikanischer Autor, Journalist und Literaturkritiker. Aufsehen erregte er unter anderem mit Publikationen über Henry Kissinger, in denen er die seiner Meinung nach aggressive, interventionistische US-Außenpolitik der 1970er Jahre massiv kritisierte und eine Strafverfolgung des ehemaligen US-Sicherheitsberaters und Außenministers forderte. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde er zum Befürworter des USamerikanischen „Kriegs gegen den Terror“ und des Irakkriegs ab 2003. Gleichzeitig kritisierte er die amerikanische Linke für eine von ihm unterstellte Weichheit gegenüber dem islamistischen Terrorismus, den er „Islamfaschismus“ nannte, woraufhin sich zahlreiche frühere Weggefährten von ihm distanzierten. Er engagierte sich zeit seines Lebens vehement für eine säkulare Weltsicht und machte Religion für zahlreiche Missstände und Fehlentwicklungen in der heutigen Welt verantwortlich. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Christopher_Hitchens Mudschahed Der Ausdruck Mudschahed, Mehrzahl Mudschahedin oder Mudschaheddin, auch Mudschahid, Mehrzahl Mudschahidin (arabisch مجاهدMudschahid, DMG Muǧāhid ‚derjenige, der Heiligen Kampf betreibt‘, Pl. -ūn und -īn), ist von „Dschihad“ abgeleitet und bezeichnet allgemein jemanden, der sich um die Verbreitung oder Verteidigung des Islam bemüht. Nach einer anderen Auslegung soll der Begriff auch „Der, der sich auf Gottes Weg bemüht“ bedeuten. So sei etwa jemand, der seinen Glauben (z.B. den Islam) studiert und diesen reinen Gewissens lebt, ein Mudschahed. Islamische Widerstandskämpfer und Terrorgruppen nennen sich selbst Mudschahedin, da sie ihre eigene Glaubensauffassung als den einzig wahren Weg ansehen. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Mudschahed Mulla Sadra Sadr al-Din Muhammad ibn Ibrahim ibn Yahya al-Qawami al-Schirazi Sadr alMuta'allihin, bekannt als Mulla Sadra (oft auch Molla Sadra geschrieben) war ein großer islamischer Gelehrter und Philosoph an der Jahrhundertwende zum 17. Jh. n.Chr. Quelle: http://www.eslam.de/begriffe/m/mulla_sadra.htm Patriot Act Der USA PATRIOT Act ist ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das am 25. Oktober 2001 vom Kongress im Zuge des Krieges gegen den Terrorismus verabschiedet wurde. Es war eine direkte Reaktion auf die Terroranschläge am 11. September 2001 und die wenig später erfolgten Milzbrand-Anschläge. Das Gesetz bringt eine Einschränkung der amerikanischen Bürgerrechte in größerem Maße mit sich, aber auch Auswirkungen für USA-Reisende, da die Anforderungen an Pässe erhöht wurden. -9USA PATRIOT Act steht als Apronym für Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001, deutsch etwa: „Gesetz zur Einigung und Stärkung Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Instrumente, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren“. Teile des Gesetzes sind am 1. Juni 2015 außer Kraft getreten,[1] weil es für diese ein Ablaufdatum gab, und wurden kurz danach am 2. Juni 2015 durch die Bestimmungen des USA Freedom Act ersetzt. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/USA_PATRIOT_Act Rumi Dschalāl ad-Dīn Muhammad ar-Rūmī (persisch الورما محمد ال دی ن ج الل, DMG Ǧalāl ad-Dīn Muḥammad ar-Rūmī; * 30. September 1207 in Balch, heute Afghanistan, oder Wachsch bei Qurghonteppa, heute Tadschikistan; † 17. Dezember 1273 in Konya, heute in der Türkei) war ein persischer Sufi-Mystiker und einer der bedeutendsten persischsprachigen Dichter des Mittelalters. Von seinen Derwischen und auch späteren Anhängern wird er Maulānā (منالوا, türkische Schreibweise: Mevlânâ „unser Herr/Meister“) genannt. Nach ihm ist der Mevlevi-Derwisch-Orden benannt. Nach dem Verlust seines Freundes Schams verfasste Maulana Rumi immer wieder Verse, die seine Trauer ausdrücken. Seine Poesie enthält einige der schönsten mystischen Verse, die jemals geschrieben wurden. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Dschal%C4%81l_ad-D%C4%ABn_arR%C5%ABm%C4%AB Talmud Der Talmud ist eine der wichtigsten Werke des Judentums, man kann sogar sagen, er sei eine der Säulen des Judentums, wenngleich seine Bedeutung für das orthodoxe und liberale Judentum unterschiedlich groß ist. Quelle: http://www.talmud.de/tlmd/was-ist-der-talmud/ Taqīya Taqīya (arabisch ت ق ية‚Furcht, Vorsicht‘), oder in ebenfalls korrekter Transkription Taqiyya, ist ein bei verschiedenen schiitischen Gruppen geltendes Prinzip, wonach es bei Zwang oder Gefahr für Leib und Besitz erlaubt ist, rituelle Pflichten zu missachten und den eigenen Glauben zu verheimlichen. Im sunnitischen Islam ist das Wort als Terminus technicus für entschuldbare Verletzung des eigenen Bekenntnisses zwar ebenfalls bekannt, doch hat es nicht in der Allgemeinheit Anwendung gefunden. Verheimlichung des eigenen Glaubens in Gefahrensituationen gilt jedoch ebenfalls als zulässig. -10- Porträt des Juan de Pareja Das Porträt des Juan de Pareja ist ein Gemälde von Diego Velázquez aus dem Jahr 1650. Dargestellt ist Juan de Pareja, der im Haushalt von Velázquez lebte und Mitarbeiter in der Werkstatt war. -11- Namensänderungen in Deutschland und Amerika Namensänderung in Deutschland Allgemeines: Familiennamen und Vornamen können nur aus einem wichtigen Grund geändert werden. Die Grundlage ist das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938 (Reichsgesetzblatt I S. 9, BGBl. III Nr. 401-1). Für ausländische Staatsangehörige gilt dieses Gesetz nur bei bestimmten Personengruppen (z.B. bei Asylberechtigten). Der Umstand, dass dem Namensträger der bestehende Name nicht gefällt oder dass ein anderer Name klangvoller wäre oder eine stärkere Wirkung auf Dritte ausüben würde, stellt keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung dar. Änderung des Familiennamens Ein wichtiger Grund für die Änderung eines Familiennamens liegt dann vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Antragstellers gegenüber anderen Gesichtspunkten überwiegt. Dies können schutzwürdige Interessen anderer Beteiligter oder im Sinne des öffentlichen Interesses Grundsätze der Namensführung sein, zu denen auch die soziale Ordnungsfunktion des Namens und das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören. Änderung des Vornamens Für die Änderung von Vornamen gilt das Vorgenannte mit der Einschränkung, dass das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens geringer zu bewerten ist. Beispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes: Familiennamen, die im gesamten Geltungsbereich des Gesetzes oder in größeren Teilbereichen so oft vorkommen, dass sie generell an Unterscheidungskraft eingebüßt haben (z. B. Meier, Müller), Familiennamen, die anstößig oder lächerlich klingen oder Anlass zu frivolen oder unangemessenen Wortspielereien geben könnten (z. B. Fick), Familiennamen, deren Schwierigkeiten in der Schreibweise oder Aussprache zu einer nicht unwesentlichen Behinderung des Antragstellers führen, gleiches gilt für Doppelnamen und sehr lange oder besonders umständliche Familiennamen. Namensänderungen aus psychischen Gründen, wenn z. B. der Wunsch besteht, den "ererbten" Namen des Vaters abzulegen, weil das Kind von diesem sexuell missbraucht wurde, -12 Vornamen, die das Geschlecht des Namensträgers nicht eindeutig erkennen lassen. Namensänderung nach erfolgter Einbürgerung Ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Wunsch besteht, mit der Einbürgerung seinen Namen ändern zu lassen, weil er die ausländische Herkunft im besonderen Maße erkennen lässt und der Eingebürgerte im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen unauffälligeren Namen legt. Namensänderung von Scheidungs- oder Pflegekindern Der Familienname eines Scheidungskindes kann geändert werden, wenn die namentliche Einbindung in den Familienverband des allein sorgeberechtigten Elternteils für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Der nicht sorgeberechtigte Elternteil ist am Namensänderungsverfahren zu beteiligen. Sein Einverständnis ist jedoch nicht notwendig. Für die Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes genügt es, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes förderlich ist. Die leiblichen Eltern sind an dem Verfahren zu beteiligen, ihr Einverständnis ist jedoch nicht notwendig. Wichtige Ausnahmen bei der Zuständigkeit Vertriebene und Spätaussiedler können nach § 94 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) beim zuständigen Standesamt eine Erklärung über die Annahme ihres Vor- und Familiennamens in deren deutsche Form abgeben. Eingebürgerte können nach Art. 47 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) über eine Erklärung beim zuständigen Standesamt eine deutschsprachige Form ihres Vor- oder ihres Familiennamens annehmen (gibt es eine solche Form des Vornamens nicht, so kann ein neuer Vorname angenommen werden); Bestandteile des Namens ablegen, die das deutsche Namensrecht nicht vorsieht (z. B. Vatersnamen); aus einem Kettennamen Vor- und Familiennamen bestimmen; bei Fehlen von Vor- oder Familiennamen einen solchen Namen wählen; die ursprüngliche Form eines nach dem Geschlecht oder dem Verwandtschaftsverhältnis abgewandelten Namens annehmen. Vornamensänderungen nach dem Transsexuellengesetz (TSG) nimmt das zuständige Amtsgericht vor. Quelle: http://www.hamburg.de/innenbehoerde/namensaenderung/ Namensänderung in den USA Das Namensrecht in den USA ist im Ansatz völlig anders aufgebaut als das in der Bundesrepublik Deutschland. Das liegt am System des Common Law, das sich auf anhand jahrhundertealter Gerichtsentscheidungen gewachsenem Rechtsverständnis aufbaut. Dieses so gewachsene Rechtssystem ist in den USA weiterhin eine der Hauptquellen geltenden Rechts. Dem Common Law ist eigen, daß es nicht in Gesetzestexten niedergeschrieben ist und dennoch die gleiche Rechtsqualität besitzt wie vom Gesetzgeber erlassene Vorschriften; es ist neben diesen eine selbständige und gleichrangige Quelle der Rechtsfindung. Daraus folgt, daß viele Angelegenheiten in Gesetzen nicht erwähnt werden, weil sie bereits dadurch im geltendes Recht enthalten sind, daß das Common Law diese Dinge regelt. Nach dem Common Law kann jede erwachsene Person ihren Namen ändern, wie es ihr beliebt. Dies geschieht ohne Rechtsprozedur formfrei durch Benutzung eines anderen Namens im täglichen Leben; die einzige Grenze der Zulässigkeit bilden betrügerische und kriminelle Absichten (Am.Jur. 2.d, Bd. 57, Name, § 3, m.w.N. in Fn. 19; D.C. Court of Appeals im Fall Brown vs. Brown, 384 A.2d 632 (1977)). In den meisten Staaten sind mittlerweile Gesetze hinsichtlich der Namensänderungsprozedur ergangen, die zwar die allgemeine Freiheit zur Namensänderung nicht einschränken, für deren Durchführung jedoch strenge Formvorschriften enthalten. Das Verhältnis dieser Gesetze zum Common Law wird nicht immer ganz klar. Quelle: http://amrecht.com/castendiek.shtml -13- Der Islam Der Islam ist eine der größten Weltreligionen, er vereint über eine Milliarde Gläubige auf der ganzen Welt. Man nennt sie Muslime. Sie glauben an einen einzigen Gott, den sie Allah nennen – solche Religionen nennt man monotheistisch, von Griechisch“ monos“= einzig und theos = „Gott“. Zu den monotheistischen Religionen zählen neben dem Islam, das Christentum und das Judentum. Der Islam ist besonders in den Ländern des Nahen ostens, in Afrika und Asien verbreitet, doch auch anderswo gibt es kleine und große muslimische Bevölkerungsanteile. In Deutschland zum Beispiel leben schätzungsweise zwischen drei und vier Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Wie auch unter Christen gibt es verschiedene Gruppen, die unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Auslegungen anhängen. Die größten Gruppiereungen im Islam sind die Sunniten und die Schiiten. Die Muslime glauben, dass der Wille Allahs im Koran, der heiligen Schrift des Islam, wiedergegeben wird. Über mehrere Jahre hinweg sollen Mohammend, dem Gesandten Gottes, die verschiedenen Teile des Korans übermittelt worden sein. Im Islam wird Mohammed als der letzte in seiner Reihe von Propheten gesehen; zu ihnen gehören auch Noah, Abraham und Jesus, die im Juden- oder Christentum ebenfalls eine Rolle spielen. Quelle: Souad Mekhennet, Michael Hanfeld: Islam. Arena Verlag GmbH. Würzburg 2008, S.11-12 Der Koran Der Koran ist das heilige Buch der Muslime. Er enthält die Offenbarungen, die dem Propheten Mohammed verkündet wurden. Für die Muslime ist alles, was im Koran steht, Gottes Wort. Deshalb gilt der Koran als heilig und unveränderbar. Weil der Koran als ewig gültige Offenbarung angesehen wird, darf er für einen Großteil der Muslime weder historisch interpretiert, noch in seinen Aussagen hinterfragt werden. Daraus ergibt sich eine für die westliche, säkulare Weltanschauung, die den Staat von Kirche und Religion trennt, sehr problematische Handhabung des Korans. Eine aufgeschlossene Lesart des heiligen Buches, eine differenzierte Text- und Interpretationsarbeit ist schon in gemäßigtkonservativen Kreisen der Muslime sehr umstritten. Islamische Fundamentalisten lehnen jede Koran-Exegese (Textauslegung) radikal ab. Das arabische Wort "Koran" bedeutet "Lesung", "Vortrag", "Rezitation". Der Koran ist die heilige Schrift des Islam. Der Koran gilt als Wort Allahs. Der Prophet Mohammed, Begründer des Islam, empfing die Offenbarungen zwischen 610 und 632 nach Christus und bekehrte daraufhin seine Anhänger. Nach Mohammeds Tod wurden seine Aussagen niedergeschrieben und in 114 Suren (Kapiteln) gefasst. Jede Sure (arab. sura) ist benannt nach einem in ihr behandelten Thema, wie etwa „die Frauen“, „die Kuh“. Jede Sure ist wiederum in verschiedene Verse (arab. ayah) unterteilt. Die 114 Suren enthalten verschiedene Geschichten, aber auch Regeln und Vorschriften für die Gläubigen. Die Suren sind nicht inhaltlich oder chronologisch geordnet, sondern in der Regel der Länge nach absteigend. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, wie die fatiha, die Eröffnungssure. Sie ist zwar relativ kurz, steht aber am Anfang des heiligen Buches. Sie ist fester Bestandteil der regelmäßigen rituellen Gebete. Der Koran beschreibt die Einzigartigkeit Allahs und beinhaltet seine Anweisungen an die Menschen. Der Mensch soll zum einzig wahren Glauben, dem Islam (arabisch für "Hingabe", "Unterwerfung") finden. Der zur Einsicht gelangte, islamisch-gläubige Mensch, Muslim, soll sich den islamischen Geboten (fünf Säulen des Islam) entsprechend verhalten. Nur wer den Anweisungen des Propheten, des Korans folgt, kann am "Jüngsten Tag" auf Erlösung hoffen. Im Koran stehen Predigten, Erzählungen, Gleichnisse des gesellschaftlichen, religiösen Lebens zu Zeiten Mohammeds. Vergleich mit Judentum und Christentum Die drei Weltreligionen werden auch abrahamitische Religionen genannt, da ihre Grundlagen auf den gleichen Erzählungen und stammesgeschichtlichen beduinischen Dynastien des Alten Testaments beruhen: Ihr gemeinsamer Stammvater: Abraham, der im Islam den Namen Ibrahim trägt. Analog zum Christentum erkennt auch der Islam Jesus an, erkennt ihn aber nicht als Christus, den Messias und Sohn Gottes. Jesus ist wie Mohammed ein bedeutender Prophet im islamischen Glauben. Der Islam erkennt in Mohammed den einzig wahren Erneuerer des -14monotheistischen Glaubens. Die Muslime lehnen jede Form von Polytheismus (Mehrgötterei) ab. Der jüdische Glaube an einen noch kommenden Messias, der christliche Glaube an die Dreifaltigkeit wird vom Islam als Ketzerei abgelehnt. Für ihn gibt es einzig und allein Allah. Allah wiederum ist in seinem Ratschluss und seiner Erscheinung für den Menschen unergründlich und unerreichbar. Deswegen darf im Islam Gott/Allah nie mit einem Gesicht abgebildet werden. Daraus resultiert die hoch entwickelte Schriftkunst "Kalligraphie" im Islam. Analog zum Christentum existieren auch im Islam Weltgericht und Jenseitsvorstellungen, die sich in Himmel und Hölle unterscheiden. Durch eine gottesfürchtige Lebenshaltung kann ein "guter" Muslim den Weg ins Paradies finden. Doch letztlich entscheidet allein Allah über Bestrafung und Belohnung des Menschen. Quelle: Souad Mekhennet, Michael Hanfeld: Islam. Arena Verlag GmbH. Würzburg 2008, S.61 http://www.planet-wissen.de/kultur/religion/islam/pwiederkoran100.html Die fünf Säulen des Islams Die islamische Religion beruht auf fünf Säulen oder Pfeilern. Diese Glaubensregeln sollte jeder Muslim befolgen. Die erste Säule: das Glaubensbekenntnis Die erste Säule ist das Glaubensbekenntnis (arab. shahada). Es lautet: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass Mohammed der Gesandte Allahs ist.“ Wenn jemand zum Islam übertreten (konvertieren) möchte, reicht dafür das Aussprechen der shahada. Es sind die Worte, die jeder Sterbende muslimischen Glaubens vor seinem Tod sagt. Die zweite Säule: das Gebet Das Gebet (arab. salāt) wird fünf Mal am Tag zu festgelegten Zeiten verrichtet: in der Morgendämmerung, mittags, nachmittags, abends und nach Einbruch der Nacht. Der Überlieferung nach war die erste Person, die zum Muezzin wurde, ein ehemaliger Sklave namens Bilal, ein enger Vertrauter des Propheten Mohammed. Der Gebetsruf ertönt in arabischer Sprache; ursprünglich erfolgte er vom Minarett (Turm) der Moschee. Doch inzwischen wird er in vielen Ländern der islamischen Welt über Lautsprecher übertragen. Die dritte Säule: die Almosensteuer Die Almosensteuer (arab. zakāt) soll für die Bedürftigen und Kranken verwendet werden. Die Höhe variiert je nach Einkommen oder Gesamtvermögen. Die zakāt ist eine fromme Handlung und religiöse Pflicht der Muslime und kann nur Muslimen zugutekommen. In vielen Moscheen Europas wird während des Ramadans Geld eingesammelt, das an Hilfsorganisationen oder für bestimmte Projekte gespendet wird. Viele Gläubige schicken aber auch Geld in ihre ehemaligen Heimatländer und bitten Verwandte, es dort ärmeren Familien zu geben. Die vierte Säule: das Fasten während des Monats Ramadan Das Fasten – saum – findet alljährlich im Monat Ramadan statt. Der Monat verschiebt sich jedes Jahr im Vergleich zum gregorianischen Kalender um elf Tage. Es wird von Beginn der Morgendämmerung gegessen und getrunken. Das Fasten wird nach Sonnenuntergang gebrochen. Im Koran, in Sure 2, Vers 187, heißt es dazu: „… und esst und trinkt, bis ihr in der Morgendämmerung einen weißen Faden von einem schwarzen Faden unterscheidet." Muslime brechen das Fasten meistens mit Datteln und einem Glas Milch, so wie es der Prophet Mohammed getan haben soll. Der Fastenmonat wird mit dem Fest des Fastenbrechens beendet. Das Fasten ist für alle erwachsenen Muslime Pflicht, es sei denn, der Gläubige ist krank. Frauen sollen während der Schwangerschaft oder Periode nicht fasten. Die fünfte Säule: der Besuch der heiligen Stadt Mekka Die Pilgerfahrt nach Mekka, die hadsch, sollte jeder Muslim einmal in seinem Leben antreten, wenn er dazu in der Lage ist. Sie läuft nach einem bestimmten Ritual ab. Dazu gehört unter -15anderem, in Mekka die heilige Kaaba sieben Mal zu umschreiten. Die Pilgerfahrt findet im letzten Mondmonat statt. Quelle: Souad Mekhennet, Michael Hanfeld: Islam. Arena Verlag GmbH. Würzburg 2008, S. 5361 Religionsfreiheit und Apostasie im Islam Dem Glauben den Rücken kehren Die Religionsfreiheit ist eines der elementarsten Menschenrechte. Der Begriff umfasst einen positiven und negativen Aspekt. Unter positiver Religionsfreiheit versteht man, dass man die Religion frei auswählen und ausüben kann. Negative Religionsfreiheit bezeichnet die Möglichkeit, eine Religionsgemeinschaft jederzeit wieder verlassen zu können. Der Islam respektiert die Religionsfreiheit für Juden und Christen und der Koran proklamiert "Es gibt keinen Zwang in der Religion". Innerhalb der eigenen Religion verbietet der Islam den Abfall vom Glauben. Für Muslime ist ein Austritt aus dem Islam oder ein Wechsel der Religion nicht vorgesehen. In einigen Ländern der islamischen Welt ist es mittlerweile zu einem Bestandteil der politischen Realität geworden: Fundamentalistische Gruppen verdächtigen Andersdenkende, vom Islam abgefallen zu sein und fordern für sie hierfür die Bestrafung mit dem Tod. Keine Todesstrafe im Koran Dabei sieht der Koran, das heilige Buch der Muslime, für Apostaten, also für diejenigen, die vom Glauben abgefallen sind, eine solche Strafe eigentlich nicht vor, sondern Strafen im Jenseits. Der Prophet Muhammad jedoch soll hinsichtlich der Apostaten eine andere Meinung vertreten haben. Es existiert eine Reihe von Überlieferungen des Propheten, in denen er den Religionswechsel mit dem Tod sanktioniert haben soll. Zur Zeit des Propheten Muhammad galt in der noch jungen und relativ ungefestigten muslimischen Gemeinschaft der Abfall vom Islam als eine sehr ernste Sache. Denn nicht selten nahmen die Abtrünnigen nach ihrem Abfall den Kampf gegen den Islam auf. Politischer Hochverrat Daher muss nach Ansicht des Bonner Islamwissenschaftlers Stefan Wild die prophetische Aussage vor dem historischen und politischen Hintergrund relativiert werden: "Das war eine Situation, in der der Prophet politisch zu kämpfen hatte, in der er ja auch politisch, nicht nur religiös bekämpft worden ist, und da war tatsächlich das Verlassen der islamischen Gemeinschaft so etwas wie eine Art Hochverrat. Viele Staaten ahnden ja heute noch den Hochverrat unter Umständen mit der Todesstrafe." Im islamischen Recht hat sich unabhängig davon die Meinung durchgesetzt, dass der Abfall vom Glauben mit der Todesstrafe zu verurteilen sei. Dennoch gibt es in der islamischen Geschichte wenige Fälle, wo Apostaten mit dem Tode bestraft wurden: Es gibt zwar ein Rechtsgutachten (Fatwa) der renommierten Azhar-Universität, der renommiertesten Institution des sunnitischen Islam aus dem Jahre 1978, das die Todesstrafe für Apostaten vorsieht. Aber seit Juli 2007 gibt es eine anderslautende Fatwa des ägyptischen Großmuftis Ali Gomaa, einem der weltweit angesehensten islamischen Rechtsgelehrten, die einen Religionswechsel von Muslimen ausdrücklich bejaht. Wer gilt als abtrünnig? Zur Feststellung des Tatbestandes der Apostasie dienen deutliche, rechtsrelevante Tatsachen. Darunter verstehen einige islamische Gelehrte: eindeutige Äußerungen oder Taten, wie beispielsweise die Nichtanerkennung der Existenz und die Lästerung Gottes. Einen besonders schweren Verstoß begeht derjenige, der sich abfällig über den Propheten auslässt oder auch unstrittige religiöse Pflichten wie die des fünfmal täglich zu verrichtenden Gebetes oder des Fastens im Monat Ramadan leugnet. Zur einwandfreien Feststellung des Tatbestandes der Apostasie gehört das Zeugnis von zwei glaubwürdigen Männern, die übereinstimmend dieselbe Aussage oder dieselbe Handlung bezeugen, aufgrund derer sie den Angeklagten der Apostasie bezichtigen. -16Was den Umgang mit Apostaten in den einzelnen islamischen Ländern heutzutage betrifft, so ist die Praxis sehr unterschiedlich. In streng islamischen Staaten wie Iran, Pakistan, SaudiArabien oder Sudan müssen sich die Beschuldigten vor einem Gericht verantworten. Meistens bereuen die Apostaten und kehren zum Islam zurück. Dafür wird Ihnen eine Frist von drei Tagen eingeräumt. Geschieht dies nicht, wird oft versucht, die harte Todesstrafe zu umgehen, indem man den Übergetretenen als geistesgestört erklärt oder zivilrechtliche Konsequenzen androht. So kann die Ehe zwischen einem Apostaten und dem muslimischen Ehepartner aufgelöst werden, die gemeinsamen Kinder dem muslimischen Elternteil zugesprochen werden, die Erbansprüche eines Apostaten erlöschen und das Vermögen eingezogen werden. Druckmittel gegen Kritiker In einigen islamischen Ländern wird Apostasie auch als Vorwand benutzt, um intellektuelle und regimekritische Stimmen zu unterdrücken. Ein prominentes Beispiel ist das des Islamwissenschaftlers Nasr Hamid Abu Zayd, der aufgrund seiner kritischen Koraninterpretation zum Apostaten erklärt und zwangsgeschieden wurde. Quelle: http://www.zdf.de/forum-am-freitag/religionsfreiheit-und-apostasie-im-islam5230354.html Die Frauen und das Kopftuch Für viele Menschen gilt das Kopftuch, der hijab, der Frauen als typisches Symbol des Islam. Für viele ist es aber auch ein Sinnbild der Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen. Tatsächlich gibt es aber auch in der islamischen Welt keine Einigkeit, ob und in welcher Form sich Frauen in der Öffentlichkeit verhüllen müssen. Für viele Menschen ist der Wortlaut des Korans nicht eindeutig. Jene, die es nicht tragen, argumentieren, aus Sure 24, Vers 31, gehe nicht hervor, dass auch der Kopf bzw. die Haare bedeckt sein müssen: „Und sage den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke senken und ihre Keuschheit wahren und ihre Reize nur ihren Ehegatten zeigen sollen.“ Auch Sure 33, Vers 59, des Korans schafft keine Klarheit: „Oh Prophet! Sag deinen Frauen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, dass sie etwas von ihrem Überwurf (djilbab) über sich ziehen sollen. So werden sie eher erkannt und daher nicht belästigt.“ Die meisten islamischen Gelehrten leiten daraus ab, dass muslimische Frauen ihre Haare bedecken sollten. Strenggläubige Muslimas tragen außer dem Kopftuch auch lockere, weite Kleidung, die Arme und Beine bedeckt und die Konturen des Körpers möglichst nicht abbildet. In ihren Augen ist es leichtfertig und vulgär, ihren Körper von fremden Männern betrachten zu lassen. Für viele Muslime ist weibliche Sittlichkeit sehr wichtig. Von den meisten muslimischen Frauen wird ein disziplinierter und untadeliger Lebenswandel erwartet; dazu gehört häufig, dass sie den Kontakt mit fremden Männern meiden, jungfräulich in die Ehe gehen und eben das Kopftuch tragen, um Männer nicht durch die Zurschaustellung ihrer Reize zu verführen. Aber es gibt auch viele muslimische Familien, in denen es den Mädchen überlassen ist, ob sie das Kopftuch tragen oder nicht, mit der Begründung, dass es keinen „Zwang im Glauben“ geben darf. Doch auch das wird in der Realität, je nachdem in welchem Land man sich aufhält, anders ausgelegt. Es gibt strenge Interpretationen, wie die der Wahabiten in Saudi-Arabien, die Frauen auch den niqab – also den Gesichtsschleier vorschreiben. Viele Muslimas hingegen tragen ein Kopftuch, das die Haare bedeckt, aber durchaus auch der sonstigen modischen Kleidung angepasst sein kann. Wiederum andere lehnen eine Verpflichtung zum Kopftuch ab, weil sie im Koran eben nicht ausdrücklich gefordert sei. In Deutschland und Europa gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen um das Kopftuch. Von vielen Menschen wird das Kopftuch als eine Erniedrigung der Frauen durch Männer gesehen und es gibt auch Fälle und Beispiele, in denen Frauen und Mädchen von ihren Vätern, Männern, Brüdern gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Andererseits gibt es auch genug Fälle, in denen das Kopftuch freiwillig getragen wird. Gerade Nicht-Muslimen und besonders Kopftuchgegnern fällt es schwer, das zu glauben: Es gibt durchaus auch junge Frauen, die sich bewusst für das Kopftuch entschieden haben – ohne jeglichen Zwang. Für sie ist das Kopftuch schlicht Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung. Quelle: Souad Mekhennet, Michael Hanfeld: Islam. Arena Verlag GmbH. Würzburg 2008, S. 151-154 -17- Seit dreihundert Jahren nehmen sie uns das Land weg, ziehen neue Grenzen, setzen unser Recht außer Kraft, sorgen dafür, dass wir sein wollen wie sie. Aussehen wie sie. Ihre Frauen heiraten. Sie haben uns entehrt. Abe (Amirs Neffe) -18- -19- Die Inszenierung Die Künstlerin Emily und ihr Mann Amir, ein erfolgreicher Anwalt im Wirtschaftsrecht, haben zu einer Dinner-Party in ihre New Yorker Wohnung eingeladen. Jory und Isaac sind das befreundete Paar, sie ist eine Kollegin Amirs, Isaac ist Kurator und nicht unwichtig für Emilys Karriere. Alle sind gebildet, kultiviert, ironisch - aufgeklärte Bürger des 21. Jahrhunderts. Andererseits: Amir ist ein muslimisch geprägter und islamkritisch gewordener pakistanischer Amerikaner, Jory Afro-Amerikanerin, Isaac jüdischer Amerikaner und Emily eine von islamischer Kunst inspirierte weiße, amerikanische Mittelstandsbürgerin. Bei Salat und Häppchen kommen die vier auf »9/11«, das Wesen des Islam, die Wurzeln der monotheistischen Religionen, auf Ahmadinedschad und Netanjahu zu sprechen. Sie geraten in Streit über längst vergessen geglaubte Ressentiments und unüberwindbare Gegensätze. Ayad Akthars komisch-tragisches, preisgekröntes Stück „Disgraced“ ist nach seinem Erfolg in den USA nun als deutschsprachige Erstaufführung zu sehen. Regisseur: Klaus Schumacher Geboren 1965 in Unna und aufgewachsen im Ruhrgebiet. Studium der Angewandten Kulturwissenschaften an der Universität Hildesheim. Schon während des Studiums gehört Klaus Schumacher zu den Mitgründern des Theaters »ASPIK« und sammelt Erfahrungen als Schauspieler und Regisseur. Von 1995 bis 2005 gehört er zum Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters »moks« am Bremer Theater, dessen künstlerischer Leiter er 2000 wird. Seine Inszenierungen von »Cyrano« und »Playback Life« am »moks« sind in Folge zum Berliner Kinder- und Jugendtheatertreffen eingeladen. Zudem inszeniert er am Staatstheater Stuttgart, Schauspiel Hannover und Bremer Theater. Zum Abschluss seiner Bremer Arbeit wird er mit dem Kurt-Hübner-Preis ausgezeichnet. Seit ihrer Gründung in der Spielzeit 2005/06 leitet Klaus Schumacher die Sparte Junges SchauSpielHaus am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg. Für seine Inszenierung von »Mutter Afrika« wird er 2006 mit dem Hamburger Rolf-Mares-Preis sowie mit dem ersten Deutschen Theaterpreis »Der Faust« als bester Kinder- und Jugendtheaterregisseur ausgezeichnet. Neben seinen Arbeiten am Jungen SchauSpielHaus, sowie, unter der Intendanz von Friedrich Schirmer, im großen Haus, inszeniert Klaus Schumacher regelmäßig am Schauspiel des Theater Bremen. In der Spielzeit 2015/16 wird er »Nichts. Was im Leben wichtig ist« von Janne Teller für das Junge SchauSpielHaus und die Deutschsprachige Erstaufführung von Ayad Akhtars »Geächtet« auf der großen Bühne des SchauSpielHauses inszenieren. Quelle: http://www.schauspielhaus.de/de_DE/ensemble/klaus_schumacher.80953 -20- Jörg Bochow über „Geächtet“ Ayad Akhtar „Geächtet (Disgraced)“ Der lange Schatten der Twin Towers von Jörg Bochow Schlicht nine/eleven heißt es in englischsprachigen Texten, wenn jenes Ereignis benannt wird, das sich als Bild der einstürzenden Türme in unser Bewusstsein gesetzt hat. Die Folgen dieses Tages sind kaum absehbar und sie sind von Dauer. Auch wenn die Kriegsschauplätze und die Konfliktlinien wie in Afghanistan, Irak und nun auch in Syrien wechseln, der Mentalitätswandel, der den ‚Krieg gegen den Terrorismus‘ begleitet, hat sich festgesetzt. Auf jedem Flughafen dieser Welt merken wir es, wenn wir nicht schon aufgehört haben uns darüber zu wundern, dass etwa Kosmetikfläschchen als Waffen behandelt werden. Der Patriot Act hat in den USA diese neue Bedrohungsmentalität in legislative Formen gegossen und auch in Europa wird nach den Anschlägen in Paris im vergangenen Jahr die Abwägung zwischen Freiheitsrechten und Sicherheitsinteressen neu vollzogen. Andererseits blicken die Amerikaner, wie auch andere klassische Einwanderungsländer, auf eine lange Tradition von Migration zurück. Dass Deutschland sich erst jetzt unter dem Eindruck der aktuellen Flüchtlingsbewegung dazu durchringt, sich als Einwanderungsland zu begreifen, macht diesen Erfahrungsvorsprung umso deutlicher. Während hierzulande immer noch angstvoll von ‚Parallelgesellschaften‘ geraunt wird, wenn ‚Menschen mit Migrationshintergrund‘ ihre Kultur, Religion und Gemeinschaft eigenständig leben und auch lokal zentrieren, ist es anderswo vollkommen normal, dass es in einer Großstadt China Town, Little Italy, Portugal Village, Greek Town und eben auch indische und pakistanische Viertel gibt und dass man dieses auch gar nicht verbirgt, sondern für jeden Einheimischen und Touristen erkennbar beschildert. Die Migranten der zweiten, dritten oder x-ten Generation sind in diesen Ländern zum Teil auch da angekommen, wo ihre Vorfahren hinwollten: in der sogenannten Mitte oder auch an der Spitze der Gesellschaft. Und genau hier beginnt Ayad Akhtars Stück „Disgraced“, das mit „geächtet“, „entehrt“, „entwürdigt“ übersetzt werden kann. Der Autor und Schauspieler Ayad Akhtar, geboren 1970 in New York, der sich selbst als „kulturellen Muslim“ bezeichnet, hatte sich bereits in seinem Roman „American Derwish“ (in Deutschland unter dem Titel »Himmelssucher« erschienen) mit dem Thema der Identitätserfahrung von Migranten der zweiten Generation in Amerika beschäftigt. Mit „Disgraced“ eroberte er 2013 den Broadway und gewann den Pulitzer-Preis für Drama. Akhtar verschränkt in seinem Stück Techniken der Boulevardkomödie und des psychologischen Dramas. Er zeigt wohlsituierte Wohlstandsbürger, deren ethnische und religiöse Wurzeln keine sozialen, existenziellen Nöte und Konflikte zur Folge haben. Dieses soziale Setting ist der Clou von Akhtars Stück, der es ihm ermöglicht, existierende Konflikte um Migration, Religion, Terrorismus, den Patriot Act sowie alltäglichen Rassismus unterhaltend und diskursiv zu behandeln. Seine Figuren bemühen sich um die Aufrechterhaltung der aufgeklärten, ironisch-intellektuellen Konversation und reden sich dann doch um Kopf und Kragen, wenn es um Fragen der eigenen, kulturellen und sozialen Identität geht. Der Konkurrenzkampf findet auch im privaten Millieu statt. Akhtar zeigt eine Gesellschaft, die sosehr durch soziales Prestige und vom Kampf um Macht, Einfluss und Reichtum geprägt ist, dass sittliche Autonomie, der Kern wahrer Aufklärung, nur mühevoll gelebt werden kann. Dieses Dilemma der Moderne sowie die Konflikte der Ethnien und der Religionszugehörigkeiten, die moderne Identitäten mit prägen, sind nicht mit einer Parabel versöhnbar, sie müssen immer wieder neu ausgetragen und verhandelt werden. Dazu gehört auch, Perspektiven, die wir nicht immer teilen müssen – etwa zur Frage des Erbes der Aufklärung – wahrzunehmen und in den Diskurs einzubinden. In jedem Fall ist die Brechung und Distanz, die Akhtars Blickpunkt ermöglicht, ein wohltuender Import für das deutsche Theater. Quelle: Theater heute, Jahrbuch 2015 -21- Ayad Akhtar im Gespräch Ihr Stück spielt im Herbst 2011, genau zehn Jahre nach „9/11“. Was ist aus Ihrer Sicht die größte Veränderung, die dieses Ereignis in Amerika und anderswo ausgelöst hat? Die Angst. Vielleicht ist das eine natürliche, menschliche Erscheinung, aber es sieht so aus, dass eine Kultur der Angst unsere Zivilisation überrollt hat. Zu sagen, dass diese Angst nur durch die sogenannte muslimische Bedrohung ausgelöst wird, wäre ein grundsätzliches Missverständnis dessen, was heute geschieht. Wir leben in einer Zeit von außerordentlichen Konflikten und Umbrüchen: die Umweltprobleme, das fluktuierende Kapital, die Selbstauflösung von Staaten, die neue herrschende Klasse, die nach einer Art Wiederherstellung einer feudalen Zunftordnung, nach einer ganzheitlichen Umwandlung großer Teile unseres Planeten in eine neue Leibeigenschaft strebt. Die Geister der Vergangenheit ziehen durch die Gegenwart und ja, verfolgen sie. Aber dies sind unsere Geister in demselben Maß, wie sie die aller Menschen sind. Wie gesagt, wenn man das nicht sieht, versteht man nicht worum es geht. Sie sind in einem säkularen Umfeld aufgewachsen und Ihre Eltern lebten noch zu einer Zeit in Pakistan, als der Islam dort nicht so dominant wie heute war. Warum und wann passierte dieser Aufschwung des Islam in Pakistan und anderen Ländern? Ich kann natürlich nicht für Pakistan sprechen. Ich bin ein amerikanischer Schriftsteller und in Amerika geboren. Es wäre falsch in meinem Werk nach Hinweisen über den Kampf für eine pakistanische Identität zu suchen. Vielleicht ein nachvollziehbares Missverständnis, aber das sollte dem Publikum bewusst werden. Was den Aufschwung der Religion betrifft – da sehen wir das Erbe der Aufklärung. Die Aufklärung hat uns sehr viel gegeben, aber sie hat die Frage nach einem letztlichen Sinn ausgeklammert und diese Frage den billigen Angeboten des Aberglaubens überlassen. Es stellt sich aber heraus, dass wir als Spezies Mythos und Sinn brauchen. Und unser gegenwärtiger, ökonomiegetriebener Mythos ist unzureichend, er kann unsere tiefsten Bedürfnisse nicht befriedigen. Diese Krise wird in fast jeder Kultur auf diesem Planeten durchlebt. Die häufig anzutreffenden konservativen Tendenzen sind da nur eine Reaktion, aber eine Reaktion, die in Verbindung steht mit diesem viel tieferen Bedürfnis nach Sinngebung. Wenn man Ihr Stück liest, erkennt man viele bekannte Situationen und Diskussionen in Mittelklasse-Haushalten. Wie kam es zur Idee, die Charaktere und Themen in einer DinnerParty zu vereinen? Das passierte organisch. In seiner ersten Version begann das Stück als Monolog, in dem Amir zum Publikum sprach. Und dann leitete er zu einer Beschreibung einer Ayad Akhtar DinnerParty über, die an einem Abend in seiner Wohnung stattgefunden hatte und er ‚trat‘ dann in diese Szene. Als ich dann am Stück weitergearbeitet habe, ging dann der Monolog verloren und die Szene blieb. Vor mehr als zweihundert Jahren schrieb Lessing seinen »Nathan der Weise«, in dem er die drei großen monotheistischen Religionen in einen Disput um Leben und Tod brachte und am Ende versöhnte. Ist eine Lösung oder eine Versöhnung der gegenwärtigen Konflikte möglich? Von der Kunst kann man natürlich nicht die Beantwortung von politischen Fragen erwarten. Es gibt einen verständlichen Wunsch nach einem harmonischen Ende bei einem Kunstwerk, die Hoffnung, dass Dinge gelöst werden können. Dennoch ist die Darstellung einer Versöhnung dieser Art eine Lüge. Es gibt keine einfachen Lösungen für die heutigen Konflikte. Zumindest keine, die in einem Theaterstück gezeigt werden könnten. In der letzten Szene Ihres Stücks, wiederholt Amir, der Apostat, Muster der Gewalt, die er zuvor kritisiert hatte. Sind wir gefangen in unserer Identität? Ich denke, dass das Stück so nicht zu interpretieren ist. Mir scheint, dass Amir von seinem Milieu dominiert wird – daran ist er selbst schuld – ein Milieu, das ihn immer als der „Andere“ definieren will. Sein Akt der „Gewalt“ scheint der einzige Akt einer politischen Handlung zu sein, der, wie unangebracht auch immer, unter diesen Umständen möglich ist. -22- Sie haben Ihr Stück als „zutiefst amerikanisch“ bezeichnet. Was erwarten Sie von den Aufführungen Ihres Stücks in Deutschland, in Europa? Ich habe keine Vorstellung davon, was zu erwarten ist. Die Probleme, die es gerade jetzt in Europa gibt, machen es zu einem sehr brisanten Stück. Wir werden sehen, wie die Reaktionen sein werden. Intoleranz und Gewalt, die wir heute sehr oft mit radikalen Islamisten in Verbindung bringen, waren über lange Zeiträume auch charakteristisch für christliche Institutionen, als sie in enger Verbindung zu weltlicher Macht standen. Ist die Trennung von Religion und Staat eine notwendige Bedingung für eine zivilisierte Gesellschaft? Das ist eine Frage, die weit über meiner Gehaltsklasse liegt. Ich würde einfach jedem raten, zuerst sich selbst zu fragen: „Suche ich nach einer Antwort, von der ich bereits vorher vermute, dass sie wahr ist?“ Mir scheint, dass die Welt, die die europäische Aufklärung dem Planeten aufgeprägt hat, nicht aufrecht zu erhalten ist und dass sie letztlich vielleicht noch destruktiver wirkt als frühere Systeme, die staatliche und religiöse Macht verbanden. Das Gespräch führte Jörg Bochow -23- Fragen für ein Nachgespräch mit Schülern Beschreibung der ersten Eindrücke der SchülerInnen nach dem Aufführungsbesuch: Mit welchen Erwartungen sind die SchülerInnen in die Aufführung gegangen? Was wussten die SchülerInnen schon vorher über die Themen des Stückes? Was waren beeindruckende Momente/Situationen während der Aufführung? Was haben die SchülerInnen nicht verstanden? Wie wurde die Hauptfigur Amir Kapoor dargestellt? Was für ein Mensch ist er? Wie wurden die weiteren Figuren aus „Geächtet“ dargestellt? Wie wirkte das Bühnenbild auf die SchülerInnen? Thematische Fragen Über welche Religionen wird im Stück „Geächtet“ diskutiert? Welche Ansichten haben Amir, Emily, Isaac und Jory über diese? Warum verändert sich die Beziehung zwischen Amir und Emily während des Stückes? Was sagt unser Name über uns aus? Welche Gründe gibt Amir für seine Namensänderung an? Was würdet ihr tun, damit ihr nicht diskriminiert werdet? Kann mit Hilfe einer Namensänderung ein neues Leben beginnen, können neue Möglichkeiten entstehen? Kann man seine (religiöse) Erziehung und Wurzeln komplett ablegen? -24- Quellenverzeichnis Theater heute: Jahrbuch 2015. Der Theaterverlag – Friedrich Berlin GmbH. Berlin 2015 Souad Mekhennet, Michael Hanfeld: Islam. Arena Verlag GmbH. Würzburg 2008 http://ayadakhtar.com/ https://de.wikipedia.org/wiki/Muhy%C4%AB_d-D%C4%ABn_Ibn_%CA%BFArab%C4%AB https://de.wikipedia.org/wiki/Mahmud_Ahmadinedschad http://www.spiegel.de/politik/ausland/mahmud-ahmadinedschad-was-macht-irans-expraesident-heute-a-981863.html https://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Netanjahu http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Geschichte_Indiens.html#Britische_Kolonie https://de.wikipedia.org/wiki/Islamfaschismus http://www.welt.de/debatte/kommentare/article6070415/Islamofaschismus-Verteidigungeines-Begriffs.html http://www.theatertexte.de/nav/2/2/3/werk?verlag_id=s._fischer_verlag&wid=o_1585943962& ebex3=3 http://www.residenztheater.de/ inszenierung/geaechtet http://www.schauspielhaus.de/de_DE/ensemble/klaus_schumacher.80953 http://www.zdf.de/forum-am-freitag/religionsfreiheit-und-apostasie-im-islam-5230354.html http://www.planet-wissen.de/kultur/religion/islam/pwiederkoran100.html http://amrecht.com/castendiek.shtml http://www.hamburg.de/innenbehoerde/namensaenderung/ http://www.eslam.de/begriffe/m/mulla_sadra.htm https://de.wikipedia.org/wiki/Mudschahed https://de.wikipedia.org/wiki/Dschal%C4%81l_ad-D%C4%ABn_ar-R%C5%ABm%C4%AB http://www.talmud.de/tlmd/was-ist-der-talmud/ https://de.wikipedia.org/wiki/USA_PATRIOT_Act http://www.whoswho.de/bio/henry-kissinger.html -25- Anhang Wenn aus Josef Käser plötzlich Joe Kaeser wird Der Name als Statussymbol und Erfolgsfaktor: Von einem USAJob kam Josef Käser als Joe Kaeser zurück – und ist jetzt Siemens-Chef. In Deutschland hätte er die Änderung nicht durchgesetzt. Josef Käser aus Niederbayern – das klang wohl einfach zu kleinbürgerlich für einen Mann, der es in der internationalen Wirtschaftswelt ganz nach vorn bringen wollte. Deshalb kappte der Manager, der jetzt an der Spitze von Siemens steht, kurzerhand seine provinziellen Wurzeln und legte sich eine neue Identität zu. Von einer beruflichen USA-Station kehrte er zurück als Kaeser, Joe Kaeser. Ein Name wie eine Marke. "Joe Kaeser – das klingt doch gleich ein wenig besonders und irgendwie erfolgreicher", sagt Gabriele Rodriguez vom Namenskundlichen Zentrum der Uni Leipzig. Seit 20 Jahren erforscht die Sprachwissenschaftlerin die Namen der Deutschen und wird regelmäßig für Gutachten herangezogen. Immer häufiger gehe es dabei heute um Fragen zu einer gewünschten Namensänderung, sagt Rodriguez. Joe Kaeser – offenbar kein Einzelfall. Jeder Zehnte mag seinen Vornamen nicht Jeder zehnte Deutsche, so fand unlängst die TU Braunschweig heraus, mag seinen Vornamen nicht. Und während die meisten nolens volens mit ihrem ungeliebten Namen durchs Leben gehen und allenfalls im nichtoffiziellen Rahmen auf einen gnadenvollen Spitznamen hoffen können, steigt die Zahl derer, die sich gegen das Schicksal ihrer Namensgebung auflehnen. Theoretisch hat jeder Deutsche das Recht, eine Namensänderung zu beantragen. Standesämter berichten, dass viele Bürger mit diesem Ansinnen vorsprechen. Genehmigt wird sie allerdings nur in den seltensten Fällen. "80 Prozent aller Anträge auf Namensänderung werden abgelehnt", schätzt Rodriguez. In der Praxis seien nur die wenigsten in der Lage, ausreichende Gründe für den Identitätswechsel nachzuweisen. Hohe rechtliche Hürden Denn anders als in den USA, wo ein Namenswechsel vergleichsweise einfach zu erwirken sei, hat der deutsche Gesetzgeber davor hohe rechtliche Hürden gesetzt. Mit rein ästhetischen Befindlichkeiten kommen Antragsteller zumeist nicht durch. Um die Einträge in Ausweis, Pass und Melderegister ändern zu dürfen, müssen gewichtige Gründe vorliegen. Religionswechsel oder eine Geschlechtsumwandlung werden in der Regel anerkannt, genauso wie psychologische Gutachten etwa im Falle von Missbrauchsopfern. Änderungsgründe können auch obszön klingende Namen oder unglücklich gewählte Vorname-Nachname-Kombinationen sein ("Rainer Zufall"). Häufig beantragen zudem Menschen mit Migrationshintergrund mit Erfolg die Annahme eines "eingedeutschten" Namens. Aus rein praktischen Erwägungen, aber auch, um Nachteile im Berufsleben zu vermeiden. "Kevinismus" und "Chantalismus" "Namen werden nicht mehr nur als Identifizierungsmerkmal, sondern in zunehmendem Maße auch als Statussymbol und Erfolgsfaktor wahrgenommen", beobachtet Rodriguez, die die -26wachsende Beschäftigung mit dem Thema auch in ihrem Institut zu spüren bekommt. Vor knapp zwei Jahrzehnten habe das Namenskundliche Zentrum noch rund 100 Anfragen pro Jahr bearbeitet – inzwischen seien es jährlich 3000. Diverse Studien belegen mittlerweile, dass der Erfolg - angefangen von der Grundschule bis hin zur Singlebörse - entscheidend davon abhängen kann, mit welchem Namen man ins Rennen geht. In den USA wird das Phänomen von "schwarzen" und "weißen Namen" schon seit Jahrzehnten diskutiert. Spätestens seit Auftreten des "Kevinismus" und "Chantalismus", so Rodriguez, werde Namensgebung auch hierzulande zu einer strategischen Frage. Zumindest in dieser Beziehung scheint der Siemens-Konzern mit seiner neuen Führung also bestens aufgestellt. Quelle: http://www.welt.de/wirtschaft/article118626265/Wenn-aus-Josef-Kaeser-ploetzlichJoe-Kaeser-wird.html -27- Die Rolle der Frau im Islam Über den Alltag muslimischer Frauen gibt es im Westen viele Vorurteile. Ist das Kopftuch wirklich ein klares Zeichen der Unterdrückung? Erlaubt der Koran den Männern, über ihre Ehefrauen zu bestimmen? Und wie gleichberechtigt leben Frauen in muslimischen Ländern heute? Vor Gott beide gleich, doch der Mann erbt mehr Männer und Frauen sind vor Gott beide gleich und deshalb auch gleichberechtigt, sagt der Koran. Darin sind sich Islamwissenschaftler einig. Doch weil Mann und Frau sich körperlich unterscheiden und deshalb verschiedene Stärken und Schwächen haben, hat Gott ihnen laut Koran unterschiedliche Aufgaben zugeteilt. Die Rechte des einen ergeben daher nach der Lehre des Korans auch die Pflichten des anderen und umgekehrt. Der Mann etwa ist im Islam verpflichtet, allein für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen. Er muss sich vor Gott dafür verantworten, dass es seiner Familie gut geht. Wenn eine Frau dagegen durch ihre Arbeit eigenes Geld verdient, braucht sie davon nichts an die Familie abzugeben. Deshalb werden Männer und Frauen bei der Erbfolge auch unterschiedlich berücksichtigt: Frauen erben nur die Hälfte des Vermögens, das einem Mann zustehen würde, weil er davon auch seine Angehörigen mitversorgen muss. Die Frau dagegen trägt die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder. Gerade in den ersten Jahren ist sie die wichtigste Person im Leben ihrer Kinder. Dass eine Mutter ihr Baby stillen soll, wenn sie dazu in der Lage ist, steht ausdrücklich im Koran - und auch, dass sie dafür bei einer Scheidung sogar eine finanzielle Entschädigung von ihrem Exmann einfordern darf (Sure 65:6). Ist der Mann der Frau überlegen? Ein Mann darf laut Koran mehrere Frauen heiraten, muss sie dann aber sowohl finanziell als auch emotional gerecht und gleich behandeln. Frauen dürfen nicht mehrere Männer gleichzeitig haben, aber sie dürfen selbst entscheiden, wann und wen sie heiraten. Und sie haben das Recht, ihren Mann per Ehevertrag davon abzuhalten, weitere Frauen zu heiraten. Das steht in den Überlieferungen des Propheten Mohammed. Auch eine Scheidung ist erlaubt und darf laut Sure 2:227 von beiden Seiten ausgehen. Doch im Koran gibt es auch einige Passagen, die manchmal als Beweis der Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen ausgelegt werden. Sure 4 spricht zum Beispiel davon, dass die Männer "über den Frauen stehen", was viele Gelehrte so verstehen, dass die Männer über die Frauen bestimmen dürfen. Und in der gleichen Sure wird den Männern auch erlaubt, "widerspenstige Frauen" zu ermahnen, sie im Ehebett zu meiden und auch zu schlagen. Oft entscheidet die Tradition, nicht der Koran Der Alltag von muslimischen Gläubigen wird - wie der von Christen auch - nicht nur von religiösen Texten, sondern auch von jahrhundertealten Traditionen geprägt. Deshalb unterscheiden sich Theorie und Praxis in vielen Lebensbereichen, und viele Frauen werden durch kulturelle Traditionen viel stärker in ihrem Alltagsleben eingeschränkt, als es der Koran vorsieht. Ein großer Unterschied zeigt sich bei der Schulbildung. Laut Koran hat Gott Männer und Frauen gleichermaßen befohlen, sich weiterzubilden. "Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau", sagte auch der Prophet Mohammed im 7. Jahrhundert. Aber tatsächlich bleibt vielen muslimischen Mädchen bis heute eine umfassende Schulausbildung verwehrt. "Die Kosten und auch die Gefahr für ihren guten Ruf wären einfach zu groß", sagt Christine Schirrmacher, Islamwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Bonn. Schließlich bedeutet ein längerer Schulbesuch gerade in ländlichen Gegenden oft, dass die Mädchen in eine andere Stadt ziehen müssten und damit nicht mehr in der Obhut der Familie stünden. Oft schreibt auch die Tradition vor, dass Mädchen nur von -28Frauen unterrichtet werden dürfen. Deshalb gehen die Mädchen in Ländern wie Afghanistan oder Pakistan meist nur einige Jahre zur örtlichen Schule. Danach bleiben sie wieder zu Hause, um der Mutter zu helfen und alles zu lernen, was sie für Haushaltsführung und Kindererziehung wissen müssen, bis sie mit 16 bis 20 Jahren verheiratet werden. "Hausarrest ab der Pubertät" Die Würde der Frau soll genauso hoch eingeschätzt werden wie die Würde des Mannes, fordert der Koran. Auch die Kleidungsvorschriften, die diese Würde schützen sollen, gelten für beide Geschlechter. Die muslimische Kleidung soll die Gläubigen so verhüllen, dass sie nicht das Interesse des anderen Geschlechts auf sich ziehen. Frauen sollen zusätzlich mit einen "Hijab" (übersetzt etwa: Schleier oder Tuch) ihre Haare bedecken, weil diese als besonders weiblich und damit verführerisch gelten. Während viele muslimische Frauen, etwa in Saudi-Arabien, Pakistan oder dem Sudan, spätestens von der Pubertät an von ihren Familien gezwungen werden, Kopftücher oder auch Ganzkörperschleier zu tragen, entscheiden sich gerade in westlichen Ländern viele Frauen auch freiwillig für das Kopftuch als Zeichen ihrer Religion - manchmal sogar gegen den Willen ihrer liberalen Familien. Eine einfache Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Kopftuchs kann es deshalb nicht geben. Die Londoner Journalistin Nesrine Malik, die im Sudan aufwuchs und selbst jahrelang gegen ihren Willen den Gesichtsschleier Niqab tragen musste, schreibt dazu: "Wer muslimischen Frauen im Westen aus religiösen Gründen das Kopftuch erlauben will, vergisst dabei, dass diese Freiheit oft von sozialem Druck bestimmt ist. Und wer es ablehnt, weil es angeblich die Frauen unterdrückt, schiebt ihnen seine eigenen Ansichten über ihre Motivation unter." In vielen muslimischen Familien gilt es noch immer als höchstes Ziel, dass eine Frau gut verheiratet wird und als Jungfrau in die Ehe geht. Um dieses Ziel zu erreichen, werden viele junge Mädchen in muslimischen Ländern auch heute noch praktisch weggesperrt: "Hausarrest ab der Pubertät - um ihre Jungfräulichkeit zu gewährleisten, werden Millionen von muslimischen Frauen zum Verrichten häuslicher Arbeiten und zu ewiger Langeweile verurteilt", schreibt die Islamkritikerin und Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali in ihrem Buch "Ich klage an". Für Jungen und Männer gelten dagegen solche Einschränkungen nicht. Mit dem Islam unvereinbare Einschränkungen In einigen muslimischen Ländern werden die Rechte der Frauen viel stärker eingeschränkt als in anderen. "Vielerorts herrschen Zustände, die mit dem Islam unvereinbar sind", sagt die muslimische Autorin Emina Corbo-Mesic. "Schlimmer noch: In einigen Ländern sind Menschen- und Frauenrechte mit der Begründung eingeschränkt worden, die Frauen schützen zu wollen" - vor den zudringlichen Blicken, Gesten oder auch Handgreiflichkeiten der Männer. In Ländern wie Saudi-Arabien, Iran oder Afghanistan gelten besonders strenge Regeln für Frauen. Iran schließt Frauen von vielen Sportveranstaltungen aus; eine Aktivistin wurde zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie ein Männer-Volleyballspiel besuchen wollte. In Saudi-Arabien stehen Frauen ihr Leben lang unter der Vormundschaft eines männlichen Verwandten - von Vater oder Bruder, Mann oder auch dem Sohn. Ohne deren schriftliche Erlaubnis dürfen sie sich nicht medizinisch untersuchen oder operieren lassen und auch nicht reisen. Wer selbst Auto fährt, riskiert als Frau in Saudi-Arabien eine Verhaftung. "Diese Einschränkungen lassen sich nicht durch den Koran oder den Islam begründen - früher sind Frauen ja auch selbstständig auf Kamelen geritten", sagt Şuayip Seven, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster. In liberaleren muslimischen Gesellschaften wie der Türkei sind dagegen Staat und Religion in vielen Bereichen voneinander getrennt. Bis 2013 galt dort ein Kopftuchverbot im öffentlichen Raum: Frauen durften Universitäten, Bibliotheken oder Gerichtssäle nur ohne Kopftuch betreten. Frauen besitzen in der Türkei und anderen Ländern wie Marokko und Tunesien schon -29lange die gleichen Rechte - zumindest auf dem Papier. Und theoretisch haben sie auch die gleichen Karrierechancen wie Männer. Die Politikerin Tansu Çiller wurde 1993 erste türkische Ministerpräsidentin, lange bevor in Deutschland 2005 zum ersten Mal mit Angela Merkel eine Frau zur Bundeskanzlerin gewählt wurde. Allerdings blieb Çiller bislang die einzige Frau an der Spitze der Türkei. Autorin: Anette Kiefer Quelle: http://www.planet-wissen.de/kultur/religion/islam/pwiedierollederfrauimislam100.html -30- Frankreich: Das Kopftuch-Verbot ist ein Erfolg Das finden inzwischen sogar die muslimischen Verbände. Auch die SchülerInnen sind erleichtert über das unbefangene Miteinander, und die LehrerInnen froh über klare Verhältnisse. Wenn die französischen Schülerinnen und Schüler am 2. September 2009 nach den Sommerferien zur so genannten "Rentrée" zum neuen Schuljahr antreten, bleiben die "religiösen Zeichen" wieder zuhause: Weder das Kreuz noch die Kippa noch das islamische Kopftuch dürfen innerhalb eines Schulgebäudes getragen werden. Auch wenn die Kontroverse weitergeht in der Öffentlichkeit: In den Schulen ist es ruhig geworden an der Kopftuchfront. Nach dem Machtwort des Gesetzgebers vor fünf Jahren ist die Sache klar: Das Verbot wird befolgt, Mädchen mit Kopftuch gibt es nicht mehr in den Klassen; der "muslimische Schleier" sei "kein Thema mehr", erklärt die Pressesprecherin des Bildungsministeriums. Vor fünf Jahren war das noch anders: Als das Gesetz im September 2004 in Kraft trat, kamen 626 Schülerinnen noch mit Kopftuch zur Schule, vor allem im Elsass. 90 Prozent der Fälle wurden im Dialog gelöst. Auch elf aus Nordindien eingewanderte Sikhs wollten weiterhin ihren Turban tragen, drei von ihnen wurden des Gymnasiums verwiesen. Rückblickend erinnert sich die Pressesprecherin des Erziehungsministeriums an "45 ungeklärte Fälle" im Schuljahr 2004/5. Zehn Jahre zuvor, im Schuljahr 1994/95 waren rund 3.000 Kopftuch-Mädchen in französischen Schulen gezählt worden. Die meisten SchülerInnen finden heute das Kopftuchverbot richtig. "Ich sehe nicht ein, wieso Musliminnen ein Kopftuch tragen und Christinnen nicht", erklärt ein 15-jähriger Schwarzer auf dem Pausenhof des Lycée Voltaire: "In der Schule sind alle gleich." Der Glaube sei im Herzen, pflichtet sein muslimischer Freund bei, den brauche man nicht zu zeigen: "Das gilt für alle: weder Kreuz noch Schleier noch Bart!" Und eine gleichaltrige Muslima sagt: "Ein verschleiertes Mädchen in der Schule würde mich stören. Denn dann fängt es an: Die eine ist verschleiert, sie gilt als anständiges Mädchen, die andere nicht, das ist eine Nutte." In dieser Schule im elften Pariser Arrondissement gehen 1.500 SchülerInnen zwischen 10 und 18 Jahren entweder ins Collège (die Gesamtschule) oder aufs Gymnasium. Sie haben 30 verschiedene Nationalitäten. "Nur wenn jeder seine Religion zu Hause lässt, ist ein besseres Auskommen untereinander möglich", erklärt Jean-Pierre Mongénie, bis 2007 Leiter des Lycée Voltaire. In den Pariser Schulen gab es schon immer nur wenige Problemfälle, erklärt CollègeLeiterin Fabienne Delmedico: "Eher in den sehr schwierigen Schulen in den Vororten. Und da hilft das Gesetz." Das Verbot des Kopftuchs stand am Ende von jahrzehntelangen Auseinandersetzungen. 1989 kam es zur so genannten "Schleier-Affäre", als der Schulleiter einer Gesamtschule im Pariser Vorort Creil drei Schülerinnen vom Unterricht ausschloss, weil ihr Kopftuch als religiöses Zeichen nicht vereinbar sei mit der Schulordnung. Die Debatte beherrschte jahrelang die Schlagzeilen (siehe der Kommentar von Elisabeth Badinter auf Seite 94). Es begann ein Krieg um Worte und Zentimeter, je nach Größe des Kopftuchs, "Bandana" (ein Band ums Haar) oder Schleier, sichtbar oder "ostentativ" (laut Duden gleichbedeutend mit "bewusst herausfordernd, zur Schau gestellt; in herausfordernder, provozierender Weise"). In Creil einigten sich Eltern und Schule letztendlich einen Monat später darauf, dass die Mädchen ihre Kopftücher am Schultor ablegen. Je nach Schule und Schuldirektor wurden von nun an Schülerinnen mit Kopftuch vom Unterricht ausgeschlossen oder nicht. Der liberale Erziehungsminister Bayrou versuchte 1994, der "Schleier-Diskussion" ein Ende zu setzen. Seine ministerielle Weisung, wonach Kopftuch tragende Schülerinnen vom Unterricht ausgeschlossen werden können, ging zwar in Richtung eines Verbots, wurde jedoch vom Staatsrat (Verfassungsgericht) in Einzelfällen für ungültig erklärt. -31Muslimische Organisationen unterstützten Kopftuch tragende Mädchen und ermutigten deren Eltern, vor Gericht ihr "Recht auf Religionsfreiheit" durchzusetzen. 1999 bestätigte dann das Verwaltungsgericht in Caen den Schulverweis zweier türkischer Mädchen, die sich selbst im Sportunterricht weigerten, das Kopftuch abzulegen. Die schwammige Regelung von Dialog und Fall-zu-Fall-Entscheidungen galt bis zum gesetzlichen Verbot 2004, unter konservativen Regierungen wie unter sozialistischen. 2002 wird Nicolas Sarkozy von Präsident Chirac zum Innenminister ernannt, der auch für die Religionen zuständig ist. Ihm gelingt es, die französischen Muslime in einem Rat zu organisieren. Er will damit den Einfluss ausländischer fundamentalistischer Länder reduzieren, denn bis dahin finanzierte zum Beispiel Saudi-Arabien Moscheen. Dass im neuen Rat der Muslime die fundamentalistische Organisation UOIF stark repräsentiert ist, nahm der heutige Präsident Sarkozy damals in Kauf. Er will potenzielle muslimische Wähler auf keinen Fall verprellen. Doch trotz seiner Vermittlungsversuche wird Sarkozy im Frühjahr 2003 auf einem Kongress französischer Muslime ausgepfiffen, als er daran erinnert, dass Frauen auf dem Passfoto kein Kopftuch tragen dürfen. Das entscheidende Machtwort im Schleierstreit kommt von Präsident Chirac. Er ist es auch, der nach seiner Wiederwahl 2002 als erster Präsident eine Maghrebinerin in die Regierungsmannschaft nimmt, die Staatssekretärin für Umwelt, Tokia Saifi. Deren Lebensgefährte Amo Ferhati gründete übrigens aus Protest gegen Sarkozys Muslimrat, von dem sich zahlreiche Muslime nicht vertreten fühlten, den "Rat der laizistischen Muslime Frankreichs". Chirac besteht auf einer strikten Einhaltung des laizistischen Prinzips, das für Jean Jaurès, einen der Gründerväter des französischen Sozialismus, "die größte Reform in unserem Land seit der Französischen Revolution" war. "Der Staat für sich, die Kirche für sich", so resümierte Victor Hugo den französischen Weg. 1905 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Trennung von Staat und Kirche besiegelte. Die Laizität sollte jedem die Religionsfreiheit erlauben – im Privaten. Glauben ist in Frankreich Privatsache, Wissen hingegen ist "für alle". Jüdische oder Koranschulen funktionieren meist nur am schulfreien Mittwoch. Das Kopftuch bleibt 2003 die zentrale Frage, obwohl es in dem Jahr vor dem Verbot bei zwölf Millionen SchülerInnen nur zu 150 kritischen Fällen kam. Im Dezember 2003 regt die von Chirac einberufene Kommission ein Gesetz an, das "sichtbare" religiöse und politische Zeichen in Schulen wie Ämtern und bei jeder Berufsausübung verbietet. Der Kommission gehören 20 ProfessorInnen an, PhilosophInnen, PolitikerInnen, SchulrektorInnen und BürgermeisterInnen. Angesichts des drohenden Kopftuchverbots schreibt der "Muslimische Rat Frankreichs" einen Protestbrief an Präsident Chirac. Der Rektor der Moschee von Lille spricht sich für das Tragen eines "dezenten Kopftuchs" aus. Gegen ein Gesetz sind auch die katholische Kirche und der Rat der Juden, die verhindern wollen, dass Kreuz und Kippa mit dem Schleier in einen Topf geworfen werden. Die Mehrheit der Muslima selbst jedoch, nämlich 53 Prozent, sind einer repräsentativen Umfrage von Elle zufolge gegen jedes sichtbare religiöse Zeichen in der Schule! Elle lanciert im Namen der Gleichheit der Geschlechter eine Petition gegen das Kopftuch, viele Prominente unterschreiben, darunter die Schauspielerin Isabelle Adjani, deren Vater Algerier ist und die Mutter Deutsche. "Den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft misst man zuerst am Platz, den die Frauen haben", erklärt Präsident Jacques Chirac. Und kündigt im Dezember 2003 ein Gesetz an, das "sichtbare religiöse Zeichen in Schulen und Behörden" verbietet. Und in staatlichen Krankenhäusern sollen Muslima nicht mehr verlangen können, von Ärztinnen behandelt zu werden. Gleichzeitig spricht sich Chirac gegen jede Form von Diskriminierung von Einwanderern aus und für die Gleichheit zwischen Männern und Frauen, die im Beruf noch sehr im Argen liege. Die Reaktionen auf seine Rede sind allgemein positiv, auch unter MuslimInnen. -32Der damalige Präsident des Muslimischen Rates, der gemäßigte Dalil Boubakeur, ruft nun die islamischen Führer dazu auf, ihren Gläubigen die Rede Chiracs zu erklären, damit sie verstehen, dass es in ihrem Sinne sei, das Gesetz zu befolgen. Die ebenfalls im Muslimischen Rat vertretene radikale Union der islamischen Organisationen Frankreichs UOIF erklärt: "Wir waren gegen das Gesetz, aber nun ist es da, und wir müssen damit leben." Auf der letzten Protestkundgebung im Jahr 2003 zählt die Polizei nur noch 2.500 Demonstranten. Das "Verbot deutlich sichtbarer religiöser Zeichen in den Schulen" wird im Frühjahr 2004 im Parlament mit der überwältigenden Mehrheit von 494 (von 577) Stimmen verabschiedet. Konservative und Sozialisten stimmen gemeinsam dafür. Die 36 Gegenstimmen kommen von zwölf Konservativen und zwei Sozialisten, sowie der Mehrheit der Kommunisten und Grünen. Die 32 Enthaltungen kommen überwiegend von den Liberalen. Im Senat wird das Gesetz mit 276 gegen 20 Stimmen verabschiedet. Am 1. September 2004 soll das Kopftuch-Verbot in Kraft treten. Doch ab dem 20. August 2004 sorgt die Geiselnahme zweier französischer Journalisten in Irak noch einmal für Dramatik. Eine "islamische Armee" gibt der französischen Regierung 48 Stunden, um das Gesetz wieder abzuschaffen. Angesichts der Geiselnahme sind sich jedoch plötzlich alle Franzosen einig, auch die, die zuvor gegen das Kopftuchverbot waren: Alle Parteien und alle Religionen fordern die bedingungslose Freilassung der Journalisten. Und auf der Demonstration am 30. August marschieren auch verschleierte Frauen mit Slogans wie "Ich will meinen Schleier nicht mit unschuldigem Blut beflecken" oder "Im Namen aller französischen Muslime: Befreit die Journalisten!" Das Gesetz tritt wie vorgesehen zum Schuljahresbeginn im September 2004 in Kraft. Die beiden Journalisten kommen vor Weihnachten frei. Die algerisch-stämmige Hanifa Chérifi, Mitglied des Integrationsrates und der Kommission zur Laizität, war bereits 1994 Mediatorin bei Konflikten um das Kopftuch gewesen. Sie konstatiert in ihrem Bericht im Auftrag des Bildungsministeriums bereits ein Jahr nach dem Kopftuch-Verbot: "Selbstverständlich ist damit das Problem mit (…) dem islamischen Kopftuch nicht geregelt. Manche Mädchen haben das Kopftuch dank des Gesetzes endgültig abgelegt – andere setzen es gleich bei Verlassen der Schule wieder auf." Gesamt ist Chérifis Bilanz positiv: "Die Mentalitäten haben sich geändert, die Laizität wird besser verstanden", schreibt sie. Der gesetzliche Rahmen, der eine kohärente Handhabung der Kopftuch-Frage im ganzen Land erlaube, habe den endlosen Debatten zwischen Schulleitung und Lehrern, Lehrern und Eltern, Schulleitung und Eltern ein Ende gesetzt. Der Bericht erwähnt schon im ersten Jahr vereinzelte Probleme mit verschleierten Müttern, die auf Schulausflüge mitkommen. Im Großen und Ganzen aber sei "die Autorität der Schule wieder hergestellt". Die Autorin ist freie Korrespondentin in Frankreich. Quelle: http://www.emma.de/artikel/frankreich-das-kopftuch-verbot-ist-ein-erfolg-264093 -33- Impressum Spielzeit 2015/2016 Deutsches SchauSpielHaus Hamburg Kontakt Theaterpädagogik: Michael Müller 040 – 24871110 [email protected] Marie Petzold 040 – 2487148 [email protected] Kirchenallee 39, 20099 Hamburg/Postfach 104705, 20032 Hamburg/ www.schauspielhaus.de Deutsches SchauSpielHaus Hamburg Intendantin: Karin Beier/Kaufmännischer Direktor: Peter F. Raddatz Redaktion und Gestaltung: Marie Petzold/ Fotos: Thomas Aurin