Fo to: Naturpix.ch/R olf Gig er

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Foto: Naturpix.ch/Rolf Giger
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MONATSTHEMA
Der Schneehase –
von der Arktis bis in
die Alpen
Originaltext: Leopold Slotta-Bachmayr
Zusammenfassung: Elisa Mosler
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Bei der Schneehasen-Gruppe handelt es sich im
Wesentlichen um drei Arten: Den Alaskahasen
(Lepus othus), den Polarhasen (Lepus arcticus) und den
eigentlichen Schneehasen (Lepus timidus).
Die Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig,
ob es sich dabei wirklich um drei Arten oder
nur um Unterarten ein- und derselben Schneehasenart
handelt. Die drei Arten unterscheiden sich jedoch
aufgrund ihrer Verbreitung deutlich voneinander.
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MONATSTHEMA
D
er Lebensraum aller drei Arten ist weit übersichtlich und enthält lediglich Deckungsmöglichkeiten in Form von Steinblöcken, Felsen oder
Erdhöhlen. Der Schneehase nutzt aber auch die
hochgelegenen Waldgebiete unterhalb der Alpinstufe. Die Tiere können sich damit in einen
Lebensraum zurückziehen, der zwar weniger übersichtlich ist,
ihnen aber umso mehr Deckung bietet. Andererseits ist hier ein
grösserer Feinddruck zu erwarten und die Schneehasen können
auch nicht so rasch fliehen. Dafür steht im Wald mehr Nahrung
zur Verfügung als auf offenen Flächen.
Wegen der Kälte wandern…
In den Alpen können die Schneehasen besonders kalter Witterung durch kurze Wanderungen bergabwärts leicht ausweichen.
Ausserdem finden die Tiere im Wald zusätzlichen Schutz. Gemäss einer Untersuchung aus den österreichischen Alpen können Schneehasen im Winter nächtliche Wanderungen über mindestens 500 Höhenmeter zurücklegen und sich so kurzfristig
die optimalen Bedingungen für Nahrungssuche und Tageseinstand aussuchen. Von den arktischen Hasen ist bekannt, dass
sie in den nördlichen Bereichen ihres Verbreitungsgebietes regelmässig mehrere 100 Kilometer nach Süden wandern, um den
Winter in günstigeren Lagen zu verbringen.
…sich umfärben…
Sowohl in der Arktis wie auch in den Alpen gefährden die extremen Umgebungstemperaturen das Überleben der Tiere. Da
Schneehasen aufgrund ihrer geringen Körpergrösse eine verhältnismässig grosse Körperoberfläche aufweisen, mussten
sie im Verlauf ihrer Evolution eine Anpassung entwickeln, um
den Energieverlust über die Körperoberfläche zu senken. Eine
der wichtigsten Anpassungen in diese Richtung ist das weisse
Winterfell. Es stellt im Schnee einerseits eine optimale Tarnung dar und zusätzlich isoliert ein weisses Fell durch die in
den Haaren eingelagerte Luft um 25% besser als das braune
Sommerfell. Im Sommer würde sich der Körper weisser Tiere
aber aufgrund der guten Isolierung überhitzen. Die Schneehasen tragen daher im Sommer ein braunes Fell. Die Umfärbung
selbst wird durch äussere Faktoren gesteuert. Entsprechend
zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Norden und
Süden. Arktische Hasen im nördlichsten Teil des Verbreitungsgebietes bleiben das ganze Jahr über weiss. Weiter südlich fär-
Arktis
ben sie zumindest für etwa einen Monat auf braun um. Generell gilt: Je weiter südlich die einzelnen Arten und Unterarten
leben, umso länger tragen sie ein braunes Sommerfell. Während die Schneehasen in den Alpen schon sieben Monate lang
ein braunes Sommerfell tragen, sind die irischen Schneehasen am extremsten – sie bleiben praktisch das ganze Jahr
über braun.
Allerdings schafft das weisse Fell auch Probleme für die Tiere,
da selbst in der Arktis nicht das ganze Jahr über Schnee liegt.
Während der frühen Sommermonate sind die noch weissen Hasen in der braun-grünen Tundrenvegetation als weisse Flecken
schon von weitem zu entdecken. Sie sind somit für Eisfuchs,
Bilder oben
Der Alaskahase kommt in Nordamerika vor. Die Wissenschaft ist
sich nicht einig, ob es sich dabei um eine eigene Art oder nur um
eine Unterart der drei Schneehasen-Arten handelt. Die Heimat
des Polarhasen (oben rechts) ist Grönland und der arktische Teil
Kanadas.
Alaska
Skandinavien
Schottland
Alpen
Irland
Jan Feb Mär Apr Mai Jun
Winterfell
Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Sommerfell
Abbildung links
Unterschiedliche Zeiten der Umfärbung von Norden nach Süden. In
der Arktis tragen die Schneehasen nur für kurze Zeit ihr Sommerfell.
Je südlicher ein Bestand vorkommt, umso länger wird die Zeit des
Sommerfells, bis dann in Irland die Hasen sich gar nicht mehr in das
Winterfell umfärben. Für den skandinavischen Schneehasen liegen
keine Daten vor.
Foto: Stockfoto / David Allcock
Foto: Stockfoto / Roman Krochuk
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«Das weisse Winterfell stellt im Schnee einerseits eine
optimale Tarnung dar und zusätzlich isoliert ein weisses Fell
durch die in den Haaren eingelagerte Luft um 25% besser
als das braune Sommerfell.»
Schneeeule oder Gerfalke eine leichte Beute. Deshalb schliessen sich arktische Hasen in dieser Zeit zu grossen Gruppen mit
bis zu 300 Tieren zusammen. Aus den Alpen sind im Vergleich
dazu höchstens kleine Ansammlungen von bis zu sechs Tieren
zu Beginn der Fortpflanzungszeit bekannt.
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…und unterschiedlich fortpflanzen
In der Fortpflanzungsbiologie zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden arktischen Arten und den Schneehasen. Der Polarhase und der Alaskahase haben einen Wurf pro
Jahr. Diesen bringen sie zwischen Mai und Juli zur Welt. Nur in
Ausnahmefällen haben sie einen zweiten Wurf. Pro Wurf haben
die Tiere fünf bis sechs Junge.Die Schneehasen haben dagegen
bis zu drei Würfe pro Jahr, wobei jedoch die meisten Weibchen
nur zweimal im Jahr Junge gebären. Allerdings beginnt die Fortpflanzungszeit bereits im März und kann bis in den September
dauern. Pro Wurf sind es im Schnitt nicht mehr als zwei bis drei.
Insgesamt haben die Schneehasen pro Jahr demnach auch nicht
mehr als fünf bis sechs Junghasen. Damit unterscheiden sich
die beiden Gruppen deutlich in ihrer Fortpflanzungsstrategie.
Während im kurzen arktischen Sommer meist nur ein grosser
Wurf zur Welt kommt, nutzen die Schneehasen die längere Vegetationszeit aus und bringen mehrere Würfe zur Welt. Letztlich sind es zwar auch nicht mehr Junge als in der Arktis, doch
wird mit dieser Strategie das Risiko gestreut: Sollte es einmal
zu einer längeren Schlechtwetterperiode kommen, dann können die Schneehasen den Verlust mit dem nächsten Wurf wieder wettmachen, während die arktischen Hasen im schlimmsten Fall den gesamten Wurf verlieren. Dieser Verlust kann dann
erst wieder im nächsten Jahr ausglichen werden. Alles in allem
dürfte aber der Energieaufwand für die Fortpflanzung bei allen
drei Arten ausgeglichen sein.
Auf und Ab der Bestände
Während die Bestandsschwankungen der Schneehasen in Skandinavien und Schottland vergleichsweise gut untersucht sind,
gibt es aus anderen Bereichen des Verbreitungsgebietes des
Schneehasen keine solchen Erhebungen. Allerdings werden
Schneehasen in vielen Ländern bejagt, und hier kann man zumindest auf Jagdstatistiken zurückgreifen.
MONATSTHEMA
Bild links
Die Umfärbung wird durch äussere Faktoren wie der Tageslänge
gesteuert. Liegt aber kein Schnee, so ist der Hase durch
Beutegreifer stark gefährdet.
Foto: Naturpix.ch/Rolf Giger
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120 000
Schweden
Anzahl erlegter Tiere
100 000
80 000
60 000
40 000
20 000
5
Schottland
erlegte Tiere / km2
4
3
2
1
90
80
Schweiz
Schneehasen / 100 Jäger
70
60
50
40
30
20
Grafiken
Bestandsschwankungen der Schneehasen in Schweden, Schottland
und in der Schweiz. Je kälter das Klima, umso beachtlichere
Bestandsschwankungen können auftreten.
Daten Schweden: Thulin 2003, Schottland: Tapper 1992, Schweiz:
Amt für Jagd und Fischerei Graubünden.
Betrachtet man die Veränderung der Abschusszahlen des
Schneehasen aus drei verschiedenen Teilen des Verbreitungsgebietes (Skandinavien, Schottland, Alpen) zwischen 1955 und
2005, dann sind zumindest unterschiedlich grosse Schwankungen, wenn auch keine zyklischen Veränderungen zu erkennen.
Diese Schwankungen dürften in erster Linie mit der Härte des
Winters bzw. mit dem Wetter im Frühjahr zusammenhängen.
In langen, kalten und schneereichen Wintern steigt die Sterblichkeit der Schneehasen an und zudem starten sie mit weniger
Energiereserven in die Fortpflanzungszeit. Entsprechend spät
beginnen die Schneehasen mit der Fortpflanzung und aufgrund
der schlechteren Kondition ist auch die Anzahl der Jungtiere
bzw. der Würfe geringer. Ist das Wetter im Frühjahr ausserdem
noch kalt und regnerisch, ist auch die Sterblichkeit der Junghasen erhöht. In solchen Jahren kommt es zu einem deutlichen
Absinken des Bestands, der dann wieder einige Jahre braucht,
um sich gänzlich zu erholen. Wie stark die einzelnen Bestände
schwanken bzw. wie schnell sich ein Schneehasenbestand wieder erholt, hängt also vornehmlich mit den klimatischen Bedingungen in den einzelnen Regionen zusammen. Vergleicht man
zum Beispiel die Bestandsveränderungen von Jahr zu Jahr, kann
der Unterschied bei den Schneehasen in Schottland und Schweden das Drei- bis Vierfache des Vorjahres betragen. In den
Alpen bzw. in Irland sind die Schwankungen geringer. Hier verändern sich die Bestandsgrössen nur um das zweifache. Demnach lässt auch der Faktor Bestandsschwankungen einen NordSüd-Unterschied erkennen. Nimmt man zu den Beobachtungen
der Schneehasen noch Daten vom Polarhasen dazu, dessen Bestandsveränderungen bis zum achtfachen des Vorjahres betragen können, dann schwanken die Hasenpopulationen im Norden, in den klimatisch extremeren Gebieten, oft deutlicher als
in den gemässigteren Zonen. Zum Einfluss des Klimas kommen
noch die unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien hinzu, mit
einzelnen grossen Würfen im Norden und mehreren kleinen
Würfen weiter im Süden. Dies leistet zur Bestandsentwicklung
auch einen grossen Beitrag.
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0
1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Originaltext von L. Slotta-Bachmayr
(2008) Der Schneehase – von der Arktis bis in die Alpen.
WILDBIOLOGIE, Ökologie 10/9, 16 Seiten
Kurzfassung von Elisa Mosler
im Auftrag von WILDTIER SCHWEIZ. Original mit weiteren Informationen erhältlich auf www.wildtier.ch/shop
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